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Vita Hugo Hartung von Annina Hartung - Kultur in Ostpreußen

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Königsberg unmöglich zu machen, wurde er dann nach Gumb<strong>in</strong>nen versetzt<br />

Die Stelle <strong>in</strong> Gumb<strong>in</strong>nen trat <strong>Hartung</strong> nicht an. Er konnte ihr durch Antrag auf Versetzung <strong>in</strong> den<br />

Ruhestand aufgrund se<strong>in</strong>es Kriegsleidens aus dem Wege gehen. H<strong>in</strong>zu kam, daß die Bachgesellschaft<br />

die Teilnahme <strong>Hartung</strong>s zur Bed<strong>in</strong>gung machte, wenn das 23. Deutsche Bachfest 1936 <strong>in</strong><br />

Königsberg stattf<strong>in</strong>den sollte.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs wurde verh<strong>in</strong>dert, daß er das für dieses Bachfest vorgesehene Hauptwerk, die "Johannis-<br />

Passion", leitete. Er führte mit der S<strong>in</strong>gakademie das "Magnificat", die doppelchörige Motette "S<strong>in</strong>get<br />

dem Herrn e<strong>in</strong> neues Lied" sowie die Kantate Nr. 159 "Sehet, wir gehn h<strong>in</strong>auf“ und die weltliche<br />

Kantate "Der zufriedengestellte Äolus" auf.<br />

Um die Angriffe der Nazis (auch <strong>in</strong> der Presse) e<strong>in</strong>zudämmen, fuhr <strong>Hartung</strong> 1938 mit dem reisefähigen<br />

Teil der Vere<strong>in</strong>igten Musikalischen und S<strong>in</strong>gakademie nach Berl<strong>in</strong> und führte dort Bachs "H-<br />

Moll-Messe" <strong>in</strong> der Alten Garnisonkirche auf, <strong>in</strong> der auch die Konzerte der Berl<strong>in</strong>er S<strong>in</strong>gakademie<br />

stattfanden. Nachdem durch diese Kritiken der Chor <strong>in</strong> die Reihe der besten Berl<strong>in</strong>er Chöre gestellt<br />

war, konnte die Königsberger Presse die ihr <strong>von</strong> den NS-Stellen angelegten Fesseln je nach Zivilcourage<br />

lockern oder abstreifen.<br />

In all den Jahren der Leitung der Vere<strong>in</strong>igten Musikalischen und S<strong>in</strong>gakademie, deren Mitgliederzahl<br />

zwischen 200 und 300 schwankte, hatte <strong>Hartung</strong> auch die geschäftliche Leitung im Auftrag des<br />

Vorstandes übernommen. 1938 (nach dem Konzert <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>) wurde er zum Obervorsteher gewählt.<br />

Die "Vere<strong>in</strong>igte Musikalische und S<strong>in</strong>gakademie" bestand nach vollzogenem Aufbau aus vier Abteilungen:<br />

a) großer Akademiechor, b) Nachwuchs-(Jugend-)chor, c) Männerchor, d) Akademieorchester<br />

(vormals "Philharmonie"), die je nach Aufgabe e<strong>in</strong>zeln oder zusammen konzertierten und<br />

zu denen <strong>Hartung</strong>s Kammerchor 2 <strong>in</strong> Konzertgeme<strong>in</strong>schaft h<strong>in</strong>zutrat.<br />

Während das Akademieorchester und der Männerchor durch den Krieg stark beschränkt wurden,<br />

konnte die Arbeit der übrigen Abteilungen voll aufrecht erhalten werden, so daß die Akademie die<br />

Jahrhundertfeier des Bestehens 1943/44<br />

mit vier Konzerten begehen konnte, <strong>von</strong> denen zwei (Brahms "E<strong>in</strong> Deutsches Requiem" und Beethoven<br />

"Missa solemnis") wiederholt werden mußten. Der Kammerchor sang Werke <strong>von</strong> Ernst<br />

Pepp<strong>in</strong>g und K. W.Meyer sowie die "Fest-und Gedenksprüche" <strong>von</strong> Brahms, der Nachwuchschor<br />

Werke <strong>von</strong> Bach und Händel. E<strong>in</strong>schließlich e<strong>in</strong>er Konzertreise des Kammerchors durch <strong>Ostpreußen</strong><br />

leitete <strong>Hartung</strong> <strong>in</strong> diesem Konzertw<strong>in</strong>ter 23 Chorkonzerte.<br />

Insgesamt führte <strong>Hugo</strong> <strong>Hartung</strong> <strong>von</strong> 1918 bis 1944 e<strong>in</strong>e große Anzahl A-cappella-und orchesterbegleitete<br />

Chorwerke aus allen Stilperioden vom 16. Jahrhundert bis <strong>in</strong> die Gegenwart auf. Als Gesamte<strong>in</strong>schätzung<br />

se<strong>in</strong>er ostpreußischen Chorarbeit sei e<strong>in</strong> Ausschnitt aus e<strong>in</strong>em Brief <strong>von</strong> Prof.<br />

Hermann Abendroth zitiert, den er im Jahre 1946 an den Oberbürgermeister <strong>von</strong> Gotha schrieb:<br />

"Ich darf Ihnen sagen, daß <strong>Hartung</strong> mit zu den besten und leistungsfähigsten Chordirigenten gehört,<br />

die wir <strong>in</strong> Deutschland hatten und haben. Zum Chorführer muß man geboren se<strong>in</strong> – er ist es!<br />

Was er <strong>in</strong> 20-jähriger unermüdlicher Arbeit <strong>in</strong> Königsberg mit se<strong>in</strong>er S<strong>in</strong>gakademie geleistet und<br />

erreicht hat, muß vorbildlich genannt werden. Der Ruf dieser Chorvere<strong>in</strong>igung und ihres Leiters war<br />

über ganz Deutschland verbreitet, und als <strong>Hartung</strong> vor wenigen Jahren mit se<strong>in</strong>er Sängerschar <strong>in</strong><br />

Berl<strong>in</strong> die H-Moll-Messe – wohl das schwerste und anspruchsvollste Werk der gesamten Chorliteratur<br />

– gastweise zur Aufführung brachte, konnte er e<strong>in</strong>en ungewöhnlichen Erfolg für sich und se<strong>in</strong>e<br />

Getreuen buchen."<br />

Nachdem <strong>Hugo</strong> <strong>Hartung</strong> aus dem Schuldienst entlassen worden war, gründete er im Herbst 1936<br />

die "<strong>Hartung</strong>sche Musikschule", die sich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>familienhaus so entwickelte, daß er 1938/39<br />

Unterrichtsräume und e<strong>in</strong> Musikheim für auswärtige Schüler anbauen mußte. Hier wurden – neben<br />

dem Musikunterricht für K<strong>in</strong>der und Musikliebhaber – Chordirigenten, Kapellmeister, Sänger, Pianisten,<br />

Organisten, Geiger und Privatmusiklehrer ausgebildet. Obwohl die meisten berufsorientierten<br />

männlichen Schüler während ihrer Ausbildung e<strong>in</strong>gezogen wurden und auch sonst der Unterrichtsbetrieb<br />

unter den Kriegsverhältnissen litt, besuchten 1944 etwa 300 Schüler die Musikschule,<br />

2 Nachdem <strong>Hugo</strong> <strong>Hartung</strong> die Leitung des Funkchores 1933 verloren hatte, gründete er e<strong>in</strong>en Kammerchor, der sich seit 1936<br />

vorwiegend aus den Gesangsschülern se<strong>in</strong>er Musikschule zusammensetzte. Als der Kammerchor <strong>von</strong> nazistischer Seite stark<br />

angegriffen wurde, schloß er ihn der Vere<strong>in</strong>igten Musikalischen und S<strong>in</strong>gakademie an.

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