27.07.2013 Aufrufe

Rede - Josef Zotter

Rede - Josef Zotter

Rede - Josef Zotter

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

2007<br />

„Die Zukunft der sozialen Marktwirtschaft<br />

in einer globalisierten Welt“<br />

„Die süßen und die bitteren Seiten des Lebens“<br />

<strong>Josef</strong> <strong>Zotter</strong><br />

Auch ich darf Sie ganz herzlich begrüßen! Ich freue mich sehr, dass ich jetzt<br />

Ihnen auch eine Sicht der Dinge aus unternehmerischer Seite geben kann. Wir<br />

haben wir ja jetzt sehr viel gehört, über das, was wir uns wünschen, oder das,<br />

was in Zukunft vielleicht sein könnte, oder was geändert werden soll. Ich<br />

möchte Ihnen jetzt aus der Sicht des Unternehmers darlegen, was wir schon<br />

seit Jahren mehr oder weniger umsetzen. Wir sind in einem Prozess drinnen,<br />

der bei mir vor etwa 20 Jahren begonnen hat. Vor 20 Jahren hab ich mich<br />

selbstständig gemacht, wie Sie schon gehört haben, davor war ich viel in der<br />

Welt unterwegs und habe mir ein Gesamtbild gemacht, wenn man so will. Das<br />

heißt, wenn heute oder in der letzten Zeit viel von Globalisierung gesprochen<br />

wird, dann bin ich eher der Meinung, dass die Globalisierung vor 20 Jahren aus<br />

meiner Sicht abgeschlossen worden ist. Denn als ich als junger Mensch<br />

hinausgegangen bin, da war es echt ein Trend, global zu denken, in andere<br />

Länder zu reisen, in anderen Ländern zu arbeiten und Geld zu verdienen. Ich<br />

bin damals beispielsweise nach Amerika gegangen und habe mir gedacht,<br />

jetzt als junger Steirer gehst du jetzt in ein Land der unbegrenzten<br />

Möglichkeiten und ich bin damals aus dem Flugzeug gestiegen, total<br />

ehrfürchtig und habe mir gedacht, jetzt bin ich endlich da, ich habe es endlich<br />

geschafft, hinaus in die Welt. Und innerhalb von kürzester Zeit habe ich<br />

irgendwie schnell mitbekommen, dass das nicht das Paradies ist, ganz im<br />

Gegenteil. Ich habe sehr schnell und hart zu spüren bekommen, dass dieses<br />

Land absolut kein Traumland ist und einem dort nicht die gebratenen Tauben


in den Mund fliegen. Aus meiner Sicht war damals die Globalisierung am<br />

Höhepunkt. Wir haben hier in Europa, auch wir in Österreich, so wie etwa<br />

meine Eltern, so die Meinung gehabt, überall auf der Welt ist es viel besser als<br />

bei uns. Ich bin viel herum gekommen und bin draufgekommen, so viel besser<br />

ist es woanders auch nicht. Wir leben auch ganz gut hier. Und das schon vor 20<br />

Jahren. Deswegen denke ich, Globalisierung ist ziemlich alt aus meiner Sicht,<br />

weil es gibt schon längst - und das spüre ich jetzt seit genau 15 Jahren - einen<br />

Umkehrtrend, der in eine ganz andere Richtung geht. Es gibt immer im Leben<br />

oder in der wirtschaftlichen Entwicklung Trends in eine bestimmte Richtung.<br />

In letzter Zeit geht es dramatisch schneller, dass muss man schon sagen, aber<br />

eigentlich ist es immer so, wenn etwas seinem Höhepunkt zusteuert, dann<br />

kommt automatisch wieder die Umkehr in eine andere Richtung. Und jetzt ist<br />

es halt so, dass es eigentlich schon wieder die Regionalisierung ist, die die<br />

Menschen interessiert und wonach die Menschen Sehnsucht haben. Deswegen<br />

habe ich schon vor 15 Jahren begonnen, in meinem Unternehmen ökosoziale<br />

Grundlagen aufzustellen, weil ich mir gedacht habe, so wird es nicht<br />

weitergehen, dass die Unternehmen immer größer werden, schneller<br />

fusionieren, das Kapital immer schneller durch die Welt gejagt wird, wo heute<br />

kein Mensch mehr weiß, was da eigentlich vor sich geht, in dieser<br />

Geschwindigkeit. Oder wenn Unternehmen Gewinne machen, das haben wir<br />

heute auch schon gehört, dass gesagt wird, wir haben zwar die besten<br />

Gewinne des letzten Jahrzehntes oder des Jahrhunderts und jetzt bauen wir<br />

noch schnell, noch einmal 600 Mitarbeiter ab, damit die Kapitalgeber beruhigt<br />

sind und hoffen können, dass es im nächsten Jahr noch bessere Gewinne gibt.<br />

Dass das hier Angst erzeugt und die Menschen verunsichert, glaube ich, ist<br />

eine ganz logische Konsequenz. Und deswegen denke ich, es liegt einerseits<br />

an Ihnen, als Konsument, Sie bestimmen ausschließlich, was da draußen<br />

passiert, wenn ich das mal so auf die Ebene des Konsumenten bringe. Der<br />

Unternehmer macht immer nur das, was der Konsument will, das ist einfach<br />

so. Und jetzt liegt es natürlich auch an den Unternehmen, das haben wir<br />

gerade vorher auch in einem Punkt gesehen, dass Unternehmen plötzlich<br />

sehen, man muss ethisch auch etwas tun bzw. das Produkt so aufladen,<br />

2


emotional aufladen, dass wir auch hier in Europa in Zukunft unsere<br />

Marktchancen halten können. Wenn wir jetzt von den Problemen<br />

Deutschlands gehört haben, dann muss ich natürlich ein bisschen schmunzeln,<br />

weil es uns hier in Österreich tatsächlich wirtschaftlich recht gut geht. Vor 20<br />

Jahren war es immer so, Deutschland war der große Bruder und alles, was<br />

Deutschland gemacht hat, dem haben wir immer nachgeeifert. Und ich glaube<br />

vor 5 Jahren ist es passiert, da ist in Deutschland der Höhepunkt gekommen,<br />

dass „Geiz ist geil“ in geworden ist, dass ist so ein schreckliches Wort. Und<br />

eigentlich auch schon ziemlich abgedroschen. Und Gott sei Dank ist diese<br />

Diskussion gekommen, weil nur das hat es ermöglicht, dass wieder eine<br />

Umkehr gekommen ist, jetzt ist Geiz nicht mehr geil, sondern jetzt ist das<br />

teurere Produkt zwar auch noch immer nicht geil, aber vielleicht geht es schon<br />

wieder in die richtige Richtung. Als ich mit der Schokolade begonnen habe,<br />

war mir irgendwie klar bzw. es hat überhaupt in mir diese Faszination<br />

ausgelöst, warum ich heute überhaupt Schokolade mache: Ich habe ja kein<br />

Unternehmen übernommen, meine Eltern waren Landwirte, sondern ich habe<br />

mir einfach meine Vision, meinen Traum verwirklicht. Aber ich habe mir<br />

damals gedacht, wenn ich schon jetzt an den Start gehe, dann – ich habe ja<br />

nichts zu verlieren gehabt - aber so, dass für die Zukunft die ethische Regeln in<br />

einem Unternehmen auch befolgt werden können. Denn es ist gar nicht so<br />

einfach, in einem großen Unternehmen, das in eine bestimmte Richtung geht<br />

und wo es ständig um Optimierung und noch schnellere Produktionsstraßen<br />

geht, dort ethische Ansätze zu integrieren. Weil die Produkte den Preis nicht<br />

mehr haben. Das ist wahr, das geht alles in Richtung Rationalisierung, immer<br />

schneller, dafür weniger Arbeitsplätze. Obwohl ich mich manchmal frage, wo<br />

sind denn weniger Arbeitsplätze, es sind ja viel mehr denn je. Also wenn man<br />

da eine Studie anschaut, so viele Leute wie jetzt beschäftigt sind waren<br />

überhaupt noch nie beschäftigt. Man darf ja auch nicht vergessen, wie viele<br />

Frauen heute beschäftigt sind gegenüber vor 20 Jahren vielleicht. Also, wir<br />

sollten das auch nicht totjammern, es ist die Beschäftigung in einer Höhe, die<br />

schon ganz toll ist. Und jetzt hab ich mir damals gedacht, wie können wir mit<br />

einem Produkt, das völlig neu ist, Schokolade ist nicht neu, aber ich habe<br />

3


gewusst, wenn wir mit so einem Produkt reüssieren wollen und können, dann<br />

nur, wenn wir diese ganzen Emotionen hineinbringen, die einfach notwendig<br />

sind, um einen höheren Preis zu erzielen, weil das ist einfach das Wichtigste<br />

daran. Als ich vor 15 Jahren begonnen habe, waren wir mit der Schokolade<br />

etwa 5 Mal so teuer wie der nächste Mitbewerber. Jetzt können Sie sich<br />

ausrechnen, wie einfach das war, hier am Markt zu bestehen. Das heißt, ich<br />

war jeden Tag gefordert, hier Emotionen zu zeigen, jeden Tag haben wir<br />

überlegt, wie können wir dem Konsumenten einen Mehrwert verkaufen. Denn<br />

niemand zahlt freiwillig einen Cent zuviel. Das tut keiner, d.h. wir hier in<br />

Europa, wenn wir uns abgrenzen wollen, gegen billige Arbeitskräfte aus China<br />

oder Indien, können uns nur mit diesen Emotionen über Wasser halten, dass<br />

die Leute sehr wohl erkennen und mitbekommen, wie das ist, wenn alles<br />

immer nur billiger wird. Denn wo ist die Grenze? Ich glaube, die Grenze ist<br />

längst schon erreicht, gerade Lebensmittel sind ein speziell heikles Thema,<br />

weil wir schon gehört haben 14% der Ausgaben sind Lebensmittel. Aus meiner<br />

Sicht, logischerweise als Lebensmittelproduzent ist das viel zu wenig, es<br />

müssten wieder 30, 40 % werden, das wird es nicht werden, aber so 16, 17, 18<br />

% sollten das Ziel werden, um in Zukunft wieder vernünftig zu produzieren<br />

bzw. dass die Landwirtschaft wieder ein vernünftiges Geld bekommen für ihre<br />

Rohstoffe.<br />

Ich habe bald damit begonnen, mich dem fairen Handel zuzuwenden, weil ich<br />

durch meine Tätigkeit als Chocolatier viel auch in Länder gereist bin, wo auch<br />

Kakao produziert wird und ich habe sehr früh gesehen, dass das eine äußerste<br />

Ungerechtigkeit ist, wie hier die Leute für uns arbeiten müssen, wo wir hier<br />

ganz blind konsumieren, wir stopfen uns eine Tafel Schokolade nach der<br />

anderen ins Hirn sozusagen und denken überhaupt nicht nach, was da<br />

eigentlich dahinter steht. Man muss sich beispielsweise nur in meinem<br />

Unternehmen das Arbeitskräfteverhältnis anschauen. Ich beschäftige<br />

momentan an die 70, mittlerweile sind es schon über 70 Mitarbeiter, und ich<br />

habe ja – viele wissen das vielleicht nicht – auch in Brasilien 800 ha<br />

Kakaoplantagen noch dazu, wo wir 70 Plantagenarbeiter haben. Doch das ist<br />

4


noch nicht mal alles. Ich habe auch in Nicaragua noch einmal 600<br />

Kakaobauern, die für unser Unternehmen arbeiten, deren Land aber nicht in<br />

unserem Besitz ist, sondern die wir über den fairen Handel bedienen bzw. wir<br />

haben dort ein Projekt gemacht, damit dort die ökologische Landwirtschaft<br />

usw. in Gang gebracht werden kann. Das heißt, wenn man das so über den<br />

Daumen rechnet, 70 Mitarbeiter bei uns in Österreich und mindestens 150 bis<br />

200 Mitarbeiter sind noch dahinter, die nur den Kakao produzieren und wenn<br />

man sich überlegt, was der Kakao kostet und was letztendlich die Schokolade<br />

kostet, dann ist es eine unfassbare Entwicklung, die es hier gegeben hat und<br />

wir haben in den letzten 10 Jahren doch zeigen können, dass es funktioniert,<br />

dass wir, wenn man mit den Bauern gut arbeitet, ihnen Perspektiven geben<br />

kann, ihnen auch die Möglichkeit gibt, sich weiterzuentwickeln. Die Bildung<br />

ist absolut das höchste Gut und wenn ich z.B. in Brasilien bin – ich bin erst vor<br />

drei Wochen zurückgekommen und auf meiner Hacienda stehen mittlerweile<br />

zwei Schulen, wo die Großeltern mit den Kindern in die Schule gehen - dann<br />

ist es eine unglaublich schöne Sache, weil wir es für notwendig halten, dass<br />

nicht nur die Kinder Bildung bekommen, sondern da gibt es so viele<br />

Analphabeten, die nicht mal das Alphabet beherrschen und wenn man sich<br />

anschaut, in Nicaragua merke ich das jetzt ganz explizit, in Brasilien haben wir<br />

erst begonnen, dann ist es so, dass die Menschen ein richtiges<br />

Selbstbewusstsein mittlerweile bekommen, sie entwickeln ungeahnte<br />

Qualitäten. Ich kann mich erinnern, die erste Reise dorthin war vor fünf Jahren<br />

und da habe ich so eine Handaufhalten-Mentalität gespürt, alle haben gesagt,<br />

da kommt jetzt ein Europäer, der ist Chocolatier und der wird uns jetzt alles<br />

schenken. Das hat ein bisschen gedauert, bis ich den Leuten klargemacht<br />

habe, ich schenke Euch gar nichts, ganz im Gegenteil, Ihr müsst mir einerseits<br />

Euer Vertrauen schenken und mir anderseits noch dazu einfach eine bessere<br />

Qualität liefern. Ich hab ihnen versucht zu erklären, wenn sie uns einen<br />

besseren Kakao liefern, dann können wir eine bessere Schokolade machen. Ich<br />

hoffe, Sie haben das schon hin und wieder mal genießen können. Und damit<br />

grenzen wir uns am Markt ab gegenüber dem Billigsegment, dadurch erzielen<br />

wir einen höheren Preis und so schließt sich der Kreis. So können wir mehr<br />

5


Arbeitsplätze bei uns schaffen, Arbeitsplätze letztendlich auch dort stützen<br />

und ich denke, das ist einfach der richtige Kreislauf. Diese Akzeptanz zu<br />

erreichen ist natürlich sehr schwierig in einem lateinamerikanischen Land. Ich<br />

sage immer, Gott sei Dank bin ich nicht so viel da, denn die Leute würden mir<br />

irgendwann den Hals abschneiden, weil ich natürlich auch geprägt bin von<br />

unserem Wirtschaftssystem, das permanent diesen Druck hat und jeden Tag<br />

höchste Leistung bieten muss. Das kann man einem Lateinamerikaner nicht<br />

von heute auf morgen näher bringen, weil wenn heute die Sonne scheint und<br />

er keine Lust hat, eine Arbeit zu verrichten, dann macht er es halt nicht und<br />

das ist natürlich auch ein Problem, auf dessen Lösung wir noch hinarbeiten<br />

müssen. In Brasilien beispielsweise starten wir überhaupt ganz neu. Brasilien<br />

ist ein Schwellenland und kein Dritte-Welt-Land und genau dort, das haben<br />

wir heute auch schon gehört, auf den Großplantagen, die es dort gibt,<br />

passieren die unfassbarsten Dinge. Die Grundstücksbesitzer haben sich in den<br />

letzten Jahren dort mehr oder weniger verabschiedet, sind abgewandert,<br />

haben in Immobilien in den Städten investiert und die Landarbeiter sind auf<br />

den Haciendas und wissen nicht, was sie tun sollen. Sie sind nicht produktiv, es<br />

brechen die Krankheiten aus, es ist unglaublich, was wir dort vorgefunden<br />

haben. Für mich ist das schlechter entwickelt als beispielsweise Nicaragua,<br />

obwohl Nicaragua das zweitärmste Land in Südamerika ist. Und siehe da, seit<br />

wir in Brasilien angefangen haben, das zu entwickeln, fangen die<br />

Landarbeiter, die in den letzten 15 Jahren überhaupt nicht mehr gefordert<br />

waren, plötzlich wieder an, Ideen zu entwickeln und erzählen mir, welche<br />

Früchte die besten waren und wie sie die Krankheiten bekämpfen können und<br />

wie sie es früher eh gemacht haben, aber in letzter Zeit, wo die Preise nicht<br />

mehr gestimmt haben, ist einfach alles irgendwie den Bach<br />

hinuntergegangen. Und ich habe damals, als ich gestartet habe und mir das<br />

Ziel gesetzt habe, die beste Schokolade der Welt zu erzeugen - man darf ja als<br />

Unternehmer nicht sehr bescheiden sein, Sie wissen, man braucht immer große<br />

Ziele – da habe ich gewusst, unser Potenzial liegt absolut im Rohstoff. Denn<br />

ohne gutes Kakaomaterial kann ich nichts Gutes machen. Ich kann nicht<br />

schlechte Kakaobohnen einfüllen und dann durch Hochtechnologie, die wir<br />

6


mittlerweile im Betrieb haben, irgendetwas Besonderes daraus machen. Das<br />

geht einfach nicht.<br />

Mein Thema sind ja die bitteren und süßen Seiten des Lebens. Die süßen<br />

Seiten der Schokolade sind ja klar, jeder isst sie gerne und nur wenige denken<br />

darüber nach, wie so ein Produkt entsteht und was da dahintersteckt. Aber<br />

das ist auch nicht Ihre Aufgabe. Das ist die Aufgabe von mir, als Unternehmer,<br />

Ihnen das so zu präsentieren, dass Sie das Gefühl haben, dass Sie was<br />

Besonderes bekommen, wenn Sie es aufmachen. Und deswegen bin ich auch<br />

nicht einer jener Unternehmer, die ständig an die Politik die Forderung<br />

stellen, gebt uns mehr Förderung oder helft uns da oder dort. Ob es<br />

Förderungen gibt oder nicht, das ist eher zweitrangig, weil, wenn das Produkt<br />

gut ist und man seine Stärken hervorhebt, dann ist das viel sinnvoller, als<br />

ständig eine Umverteilung zu suchen. Das ist auch das große Problem in der<br />

österreichischen Landwirtschaft. Ich höre das immer draußen bei meinen<br />

Bauern, die mich ja auch immer verschiedenen Rohstoffen beliefern, die<br />

sagen, na ja, wie schaut es aus mit den Förderungen, wie wird es in der<br />

nächsten Zeit werden? Ich sage ihnen immer, vergesst das doch, verlangt doch<br />

einfach für die Milch, die Ihr mir liefert, das Doppelte. Da sagen sie, zahlst Du<br />

das auch? Ja, sicher zahle ich das, aber Du musst mir erklären, warum es das<br />

Doppelte kostet. Das ist der Punkt, die Leute sagen, ich habe ein Produkt ich<br />

weiß nicht, was es kosten soll. Die Bauern haben verlernt ihren Produkten<br />

einen Preis zu geben und ihre Kuh zu kalkulieren. Das kann ja nicht sein, dass<br />

es Milch um 30 Cent gibt. Das weiß jeder, dass man um 30 Cent keinen Liter<br />

Milch produzieren kann. Aber ich sage auch, wir brauchen auch den fairen<br />

Handel in Österreich, es gibt ja schon eine faire Milch. Nur hat die für mich<br />

keinen Sinn, weil nur eine faire Milch, die keinen Mehrwert hat, bringt es<br />

nicht. Eine ökologisch oder biologisch produzierte Milch, die hat einen Wert<br />

und hat auch einen Mehrpreis. Und ich glaube, es geht nur über diesen Weg.<br />

So lange wir denken, dass wir mehr und mehr produzieren und dadurch mehr<br />

Profit machen, wird es ein Problem sein, weil irgendwo ist die Grenze erreicht.<br />

Ich glaube, die Landwirtschaft ist so ausgequetscht, dass sie einfach nicht mehr<br />

7


ealisieren kann. Und nur immer noch größere Flächen kann es auch nicht sein.<br />

Als ich nach Oberösterreich gefahren bin, habe ich das ja sofort gesehen, hier<br />

ist die Landwirtschaft ohnehin relativ groß strukturiert, wenn ich hingegen an<br />

die Steiermark denke, da gibt es eher klein strukturierte Landwirtschaft. Viele<br />

wissen das ja, unsere Region ist ja mittlerweile das kulinarische Hochland von<br />

Österreich geworden. Nicht nur, weil wir dort innovativ arbeiten, sondern weil<br />

es einfach viele Betriebe gibt, die mittlerweile angefangen haben aus ihrer<br />

Struktur, ihrer Armut heraus gute Produkte zu erzeugen und die heute<br />

blendend erfolgreich sind. Das zeigt, um noch einmal auf Deutschland zurück<br />

zu kommen, dass dieser Wirtschaftskollaps, der ja nicht passiert ist, aber fast<br />

passiert wäre, kommen musste, das war irgendwie klar. Weil es ständig nur<br />

um Rationalisierung und Auslagerung und Kapitalflüsse gegangen ist, da ist<br />

der Mensch aus dem Mittelpunkt gerückt. Das war fast ein Problem, weil das<br />

kann eskalieren. Das größte Problem, das auf uns zukommen kann, ist der<br />

Überfluss – wir sind ein reiches Land, wir haben alles, jeder hat schon fast zwei<br />

Autos, heute habe ich gehört, dass es mehr Handys gibt als Köpfe in<br />

Österreich, Gott sei Dank habe ich keines, also eines muss weniger sein. Wenn<br />

man sich überlegt, dieser Konsum, dass die Leute zwei Autos und drei Häuser<br />

brauchen, das brauchen wir in Zukunft nicht mehr. Ich gehöre schon zu diesen<br />

Konsumenten, die total reduzieren. Ich habe keinen Fernseher mehr, ich<br />

brauche kein Handy, ich löse mich von all diesem Massen-Zwangsphänomen,<br />

wenn ich das mal so sagen darf, weil ich darauf gekommen bin, dass mich das<br />

in meiner Kreativität und meiner ganzen Lebensführung irrsinnig stört und<br />

irrsinnig viel von meiner Lebensqualität wegnimmt. Ich habe begonnen, den<br />

Postkasten zu Hause auszuräumen, ich habe 15 Zeitungen im Haus gehabt und<br />

geglaubt, irgendwie muss ich jede lesen. Ich habe erkannt, dass ich überhaupt<br />

keine mehr lese, ich hab nur mehr Headlines gesehen. Daraufhin habe ich<br />

beschlossen, von den 15 14 wegzustreichen, ich habe jetzt nur noch eine und<br />

seitdem weiß ich, was in der Welt geschieht. Also das ist eine Reduktion, die<br />

einfach zwangsweise kommt, die kommt ja, weil wir zu viel haben, wir<br />

brauchen weniger. Und jetzt ist die Frage, kommen wir in eine<br />

Konsumverweigerung, was ja eine totale Katastrophe wäre, weil, wenn die<br />

8


Menschen so reagieren, okay, ich brauche nur mehr ein Auto und ich brauch<br />

nur mehr ein Handy, weil in Wahrheit hat ja schon jeder eines oder gleich<br />

zwei, dann wird es echt problematisch. Und deswegen denke ich, der<br />

Mehrwert kann in Zukunft nur sein, dass wir den Produkten mehr Wert gibt,<br />

um eben wieder auf einem Level zu bleiben, das wir ja brauchen. Weniger<br />

Wirtschaftswachstum ist ein Problem. Ich sage Ihnen auch dazu etwas: Ich hab<br />

jetzt eine große Investition gemacht, ich habe 17 Millionen in unser<br />

Unternehmen in den letzten 3 Jahren investiert, jeder sagt, <strong>Zotter</strong>, wie machst<br />

du das, das ist ja unglaublich, wie kannst du so viel investieren und welches<br />

Risiko gehst du ein. Ich hab überhaupt kein Risiko: Wir sind am Markt gut<br />

positioniert, ich habe in meinem Unternehmen eine Devise ausgegeben, wir<br />

müssen 20 – 30 % Wirtschaftsabfluss bzw. Umsatzrückgang auch verkraften. Es<br />

kann nicht sein, es wird nicht ewig Wachstum geben. Jetzt haben wir in<br />

Österreich angeblich 3,5 % in diesem Jahr – das ist eh schön, keine Frage – ich<br />

glaube aber, wir werden uns in Zukunft darauf einstellen müssen, dass es nicht<br />

ewig Wachstum geben kann. Unser ganzes Wirtschaftssystem ist aber auf<br />

Wachstum ausgerichtet, weil die Preise auf der anderen Seite immer wieder<br />

gesunken sind. Und ich glaube, da muss entgegengewirkt werden und es wird<br />

auch – das muss man ja dazusagen, es gibt ja rundherum Tendenzen, dass man<br />

spürt, die Regionalität kommt wieder, die Leute reden über ökologische<br />

Landwirtschaft – der Herr Pröll hat gesagt 14 % werden in Österreich schon<br />

ökologisch bewirtschaftet – das heißt ja, es ist etwas da, was die Leute<br />

mittlerweile auch konsumieren und sie zahlen auch ein bisschen mehr. Wichtig<br />

ist nur, ich kann mich erinnern vor 25 Jahren, wo die Au fast umgehakt<br />

worden wäre, bin ich auch vor den Bäumen gesessen und habe versucht, einen<br />

Baum zu retten, das hat mich sehr geprägt, weil damals wollten wir einen<br />

Baum retten, weil das war irgendwie so die Grünzeit. Irgendwie hat man das<br />

Gefühl gehabt, wenn ein Baum gerettet ist, dann wird die Welt gerettet.<br />

Mittlerweile habe ich natürlich eine andere Erkenntnis dazu, ich weiß, ein<br />

Baum ist viel zu wenig. Es müssen mehr sein, es muss ein komplettes<br />

Umdenken passieren. Wenn ich zurückkomme auf Brasilien, wenn man sieht<br />

wie dort Wälder abgeholzt werden, was ganz erstaunlich ist – das möchte ich<br />

9


noch mal in den Raum stellen, weil das heute ein paar Mal schon diskutiert<br />

worden ist. Wo ich mit meinem Taxi zum ersten Mal zu einer Tankstelle<br />

gefahren bin, das war ganz interessant. Da gab es drei Zapfsäulen, eine war<br />

Ethanol, eine war Benzin und eine war Gas. Und ich hab mir gedacht, die sind<br />

fortschrittlich, das ist ja unglaublich, da kann man schon entweder nur<br />

Ethanol, nur Benzin oder ein Gemisch tanken, die haben tatsächlich in den<br />

Autos schon eine Regelung, da darf man 50 % Ethanol, 50 % Benzin tanken,<br />

das ist ein Wahnsinn, wie man in Brasilien fortschrittlich ist. Nur, wenn man<br />

das genauer anschaut, dass dort massiv Urwald gerodet wird, für<br />

Säureproduktion, für Zuckerrohrproduktion, also wenn man das sieht, dass es<br />

dann einen Klimakollaps gibt, da muss dann ganz vorsichtig sein, auch da muss<br />

man wieder mit den Ressourcen ordentlich umgehen. Also Biogas – und<br />

welche Entwicklungen es so noch gibt - ist ganz toll, nur wir müssen auch da<br />

schauen, dass wir vorsichtig damit umgehen. Vor allem wir können und<br />

müssen in Zukunft einfach weniger Energie und weniger Ressourcen<br />

verbrauchen. Sonst führt kein Weg hin. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir<br />

in dieser Geschwindigkeit und mit diesem Aufwand, den wir heute betreiben,<br />

in 300 Jahren weiterleben können. Das muss uns, glaube ich, schon bewusst<br />

sein. Wenn nämlich nicht radikal und schnell umgedacht wird, dann gibt es ein<br />

echtes Problem. Und jetzt denke ich, gerade wir als Unternehmer sind sehr<br />

stark gefordert, das auch aufzunehmen. Ich kann Ihnen nur raten, in die<br />

ökosoziale Ethikwirtschaft zu investieren, denn es zahlt sich echt aus. Wir<br />

haben in meinem Unternehmen die letzten Jahre zwischen 20 und 30 %<br />

jährlich Umsatzzuwächse gemacht. Das dürfte ich normalerweise gar nicht so<br />

verbreiten, in Österreich muss man normalerweise sagen, es geht mir eh<br />

schlecht und es ist gar nicht so gut und es ist alles so problematisch. Ich denke<br />

einfach, wir müssen umdenken, wir brauchen eher positive Resonanz und ich<br />

möchte Ihnen sagen, es zahlt sich wirklich aus, im Lebensmittelbereich und<br />

auch in vielen anderen Bereichen in Nachhaltigkeit zu investieren, weil es<br />

einfach die einzige gangbare Form in der Zukunft sein wird. Ich hab gestern<br />

auch gehört, dass – ich muss auch ein paar Punkte an die Politik anbringen,<br />

was sich ein Unternehmen von der Politik doch wünscht , obwohl ich gesagt<br />

10


habe ich brauch keine Förderungen und ich brauch da sonst keine<br />

Hilfestellungen, wir produzieren oder wir versuchen gute Produkte zu<br />

produzieren und die müssen sich am Markt erhalten und damit ist die Sache<br />

erledigt, das ist eigentlich ganz einfach - es auch in Zukunft denkbar sein wird,<br />

das gibt es auch schon, Mitarbeiterbeteiligungen in Unternehmen zu<br />

integrieren. Und da verfolge ich natürlich aufmerksam die Diskussion, weil das<br />

einfach von mir eine Vision ist. Ich hätte am liebsten alle meine Mitarbeiter am<br />

Unternehmen beteiligt, nur da laufen die Diskussionen ein bisschen in die<br />

falsche Richtung, weil Sie wissen, ein Unternehmen ist immer ein Risiko, ein<br />

totales Risiko, denn man kann heute existieren und morgen nicht mehr, man<br />

muss, wenn man an Mitarbeiterbeteiligung denkt, auch so weit gehen, dass<br />

der Unternehmer natürlich auch ein Risiko mittragen muss. Wie immer das<br />

ausschaut, aber wenn ich im Unternehmen mit 10.000 Euro beteiligt bin, dann<br />

muss man damit rechnen können, dass der Mitarbeiter diese 10.000 Euro auch<br />

verliert. Es kann nicht in die Richtung gehen, der Mitarbeiter bekommt mehr<br />

Lohn und ist beteiligt und das garantiert über die nächsten 15 Jahre, das spielt<br />

es nicht, sondern auch hier müssen wir ein paar neue Ansätze bringen.<br />

Was vielleicht noch ganz wichtig ist, damit ökologische oder nachhaltige<br />

Produkte erfolgreich sind am Markt. Wir propagieren, dass wir ein ökologisch<br />

produzierender Betrieb sind, wir propagieren aber nicht, dass wir den fairen<br />

Handel unterstützen. Wir haben es zwar drauf und kommunizieren das schon,<br />

aber das ist nicht unser Aufhänger, sondern wir kommunizieren nur, dass wir<br />

beste Produkte machen, die den besten Geschmack haben, die toll<br />

aufgemacht sind, die ein tolles Erscheinungsbild haben und das sie bio und fair<br />

sind, also ich denke, in Zukunft wird das selbstverständlich werden, wenn wir<br />

in Zukunft von Qualität reden, dann gehören diese Kriterien sowieso dazu.<br />

Es ist ganz wichtig, dass Produkte immer einen Mehrwert haben und<br />

erzeugen. Wenn Sie eine Tafel Schokolade von mir kaufen, die 3 Euro am<br />

Markt kostet mittlerweile, dann ist es natürlich sehr viel Geld. Ich bin schon ein<br />

paar Mal kritisiert worden, das ist mir letztes Jahr passiert beim Forum<br />

11


Alpbach. Da hat mich eine Journalistin zur <strong>Rede</strong> gestellt und gesagt, naja, Herr<br />

<strong>Zotter</strong>, das ist schon toll, dass Sie nachhaltig denken und ökologisch<br />

wirtschaften, aber Ihre Produkte sind nicht für jedermann erschwinglich. Auch<br />

ein leidiges Thema. Und ich bin der Meinung – as sage ich jetzt knallhart und<br />

ich hoffe, es sitzt niemand herinnen, der sich nicht eine Tafel Schokolade<br />

leisten kann - eigentlich kann sich jeder etwas leisten, es ist eben nur eine<br />

Frage der Priorität und eine Frage wie oft. Es hat in meinem Fall keinen Sinn,<br />

wenn ich jeden Tag Schokolade esse, sondern ich appelliere immer an meine<br />

Kunden – da rede ich ein bisschen gegen mein Geschäft –, esst maximal eine<br />

Tafel pro Woche, das tut Ihrer Linie gut, das tut dem Körper gut, das tut dem<br />

Geist gut, dass tut auch der Sensorik gut und vor allem tut es uns gut. Uns tut<br />

es am allermeisten gut, als Unternehmen, wo eine Menge Mitarbeiter<br />

dranhängen, dass wir die Preise bekommen und dass wir weiterhin so<br />

wirtschaften und weiter investieren können.<br />

In dem Sinn vielleicht noch ein Abschlusssatz: Wie isst man richtig Schokolade?<br />

Schokolade essen ist so ziemlich das Falscheste, was man tun kann. Man sollte<br />

Schokolade immer nur auf der Zunge zergehen lassen und wenn Sie das<br />

einmal tun, dann spüren Sie die Nachhaltigkeit, die Ökologie in diesem<br />

Produkt. Wenn Sie ein Stück Schokolade auf die Zunge legen und es wirklich<br />

einmal langsam schmelzen lassen, dann werden Sie sehen, Sie brauchen 10<br />

Minuten, bis dieses Stück weg ist. Und eine herkömmliche Tafel mit 100<br />

Gramm um 50 Cent haben Sie sonst in der gleichen Zeit geschluckt, Sie haben<br />

viele Kalorien zu sich genommen, haben keinen Genuss gehabt. Also das sind<br />

wir ja wieder dort, weniger ist mehr. Danke schön!<br />

12

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!