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:> krass 02.2008 - Grüne Jugend NRW

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:> <strong>krass</strong><br />

Magazin der <strong>Grüne</strong>n <strong>Jugend</strong> <strong>NRW</strong> <strong>02.2008</strong><br />

FREIHEIT?<br />

aber<br />

sicher!


magazin der grünen jugend nrw<br />

02/03<br />

i m p r e s s u m<br />

Inhalt THEMA! die :> <strong>krass</strong> ist das offizielle magazin der<br />

grünen jugend nrw und erscheint vier mal<br />

Freiheit? - aber sicher!<br />

im jahr.<br />

editorial<br />

annas termine<br />

leserInnenbriefe<br />

intern bei GRÜNS<br />

friedenspolitische<br />

kommission<br />

bericht aus brüssel<br />

erklärigelin: basisrat<br />

kultur &<br />

gesellschaft<br />

obstbäume statt braunkohle<br />

kinokritik "persepolis"<br />

kochecke: amokh<br />

hintergründe afghanistan<br />

interview kurdenkonflikt<br />

grundrechte für<br />

menschenaffen<br />

freiheit stirbt mit sicherheit?<br />

eine entscheidung für's leben<br />

achtung: videoüberwachung<br />

meine daten sind frei<br />

sexarbeiterIn oder<br />

zwangsprostituierteR?<br />

ProContra olympiade in<br />

china<br />

big brother is watching you<br />

Freiheit sichern - die<br />

kampagne<br />

redaktion :> <strong>krass</strong><br />

c/o grüne jugend nrw<br />

jahnstraße 52<br />

40215 düsseldorf<br />

tel.: 0211-9944611<br />

www.gj-nrw.de<br />

<strong>krass</strong>@gruene-jugend-nrw.de<br />

mona meurer, hendryk schäfer<br />

anna brameyer, bianca drepper, lea gathen,<br />

mona meurer, franziska richter, hendryk<br />

schäfer (layout)<br />

henrik gebauer, lara haasper, daniel ramöller,<br />

marie brammer, matthi bolte, verena<br />

schäffer, dogma pillenknick<br />

TIAMAT Druck, 2400 exemplare<br />

die artikel spiegeln nicht die meinung der<br />

redaktion oder der grünen jugend nrw wider,<br />

einzig die der autoren.<br />

die :> <strong>krass</strong> steht unter einer creative-commons-lizenz<br />

(BY-NC-SA-2.0-de), alle<br />

texte sind unter nennung der namen und in<br />

unkommerziellem rahmen sowie unter verwendung<br />

derselben lizenz frei abdruckbar.<br />

für unaufgefordert eingesandte beiträge<br />

sind wir dankbar, übernehmen aber keinerlei<br />

verantwortung.<br />

die redaktion behält sich vor, eingesandte<br />

beiträge zu kürzen. mit einsendung eines<br />

beitrags erklären sich die autoren damit<br />

einverstanden, dass der beitrag unter o.g.<br />

creative-commons-lizenz veröffentlicht<br />

wird.<br />

boing@PHOTOCASE.de


Liebe LeserInnen,<br />

d ie :> <strong>krass</strong> traut sich noch was. Wir denken – und drucken – quer.<br />

Da mag man sich zwar fragen: was soll denn das? Oder: und was<br />

wollt ihr später damit machen? Doch das lässt sich zum Glück alles<br />

beantworten.<br />

D iese<br />

Ausgabe ist eben auf das THEMA! abgestimmt, so könnte<br />

man es kurz fassen. Doch um der Ausführlichkeit Willen, soll es<br />

auch etwas länger sein.<br />

Datenschutz ist momentan in aller Munde. Für die etwas Jüngeren<br />

unter uns begann der Spuk mit den Otto-Katalogen des damaligen<br />

Innenministers Schily, der schon gekaperte Flugzeuge abschießen<br />

lassen wollte und unter seinem Nachfolger Schäuble wurde der Staat<br />

dermaßen paranoid, dass er nun nicht einmal seinen eigenen Bürgern<br />

trauen will. Und dabei ist die Vorratsdatenspeicherung nur ein<br />

Schlagwort aus einer ganzen Palette an Maßnahmen, die in den letzten<br />

Jahren durchgesetzt wurden mit der Begründung, es sei für den Kampf<br />

gegen den (primär islamistischen) Terror notwendig, die Freiheit des<br />

einzelnen zugunsten der Sicherheit der Gesellschaft einzuschränken.<br />

Dass diese Sicherheit in der Regel nur eine gefühlter und kein<br />

tatsächlicher Sicherheitsgewinn ist, sei nur am Rande erwähnt –<br />

Fingerabdrücke lassen sich fälschen, Kameras können Verbrechen nicht<br />

verhindern sondern nur bei der Aufklärung helfen.<br />

Dass Freiheit und Sicherheit aber nicht nur den Datenschutz<br />

betreffen, zeigen die Artikel dieser :> <strong>krass</strong>. Das ProContra etwa, das<br />

sich – fast schon unverhofft ganz aktuell in Anbetracht der Situation in<br />

Tibet – mit den Olympischen Spielen beschäftigt.<br />

Auch ein Artikel zur Todesstrafe darf beim THEMA!<br />

Bürgerrechte natürlich nicht fehlen. Außerdem<br />

beschäftigen sich unsere Autorinnen mit den<br />

Rechten der Prostituierten und der kontroversen<br />

Debatte, welche Rechte eigentlich Menschenaffen<br />

zustehen sollten.<br />

www.gruene-jugend-nrw.de intern<br />

<strong>02.2008</strong><br />

A ber<br />

auch darüber hinaus haben wir wieder<br />

einiges für euch zu bieten: einen Leserbrief<br />

(gerne mehr davon!), zwei lange Interviews und<br />

außerdem Einblicke in grüne Arbeit an vielen Orten: im Basisrat, in der<br />

Friedenspolitischen Kommission der <strong>Grüne</strong>n <strong>Jugend</strong> und im Parlament<br />

der Europäischen Union.<br />

A n<br />

der Stelle sei auch einmal Platz für einen über den Äther<br />

gehenden dank an unsere Druckerei TIAMAT Druck. Was tut sie<br />

nicht alles, um aus einer aus Freien Programmen erzeugten (und nicht<br />

unbedingt qualitativ mit dem Marktführer der Layoutprogramme sich<br />

messen könnenden) pdf-Datei eine halbwegs vernünftige Ausgabe zu<br />

zaubern, das ist echt eine stolze Leistung – und definitiv mindestens<br />

genauso viel wert wie jede Tasse Kaffee, die Layouter Hendryk den<br />

Schlaf ersetzen muss.<br />

Doch genug aus der Redaktion für dieses Mal.<br />

Bleibt kritisch und stachelig,<br />

eure Redaktion<br />

Anna, Bianca, Franziska, Lea, Mona und Hendryk


magazin der grünen jugend nrw<br />

Annas Termine<br />

23.05.-25.05.<br />

Bonn<br />

BuKo der GRÜNEN JUGEND<br />

Thema: „Wem gehört die Welt?“<br />

21.06.<br />

Oberhausen<br />

Basisrat<br />

Thema: wird kurzfristig bekannt<br />

gegeben<br />

23.08.-24.03.<br />

Wuppertal<br />

LMV<br />

Schwerpunkt: Grundsatzprogramm<br />

28.06.-29.06.<br />

ORT wird noch bekannt gegeben<br />

Seminar: <strong>Grüne</strong> Marktwirtschaft<br />

Bei diesem Seminar erfahrt ihr unter<br />

anderem, was hinter diesem Begriff<br />

steckt und warum es so umstritten ist<br />

13.06.-15.06.<br />

Münster<br />

GreenCamp des Kaktus Münster<br />

(Infos auf der Rückseite der :> <strong>krass</strong>)<br />

07.08.-10.08.<br />

ORT wird noch bekannt gegeben<br />

Sommerakademie der GRÜNEN JU-<br />

GEND<br />

Thema: „Alternative und autonome Lebensformen“<br />

31.05.<br />

ORT wird noch bekannt gegeben<br />

Diskussion "Ich mach mir die Welt,<br />

wie sie mir gefällt" - <strong>Jugend</strong>beteiligung<br />

vor Ort<br />

Wie kann <strong>Jugend</strong>partizipation in der<br />

Kommune erfolgreich und mit wirklicher<br />

Mitsprache durchgeführt werden?<br />

intern<br />

04/05<br />

NACHDEM ES BEIM LETZTEN MAL SCHON EIN BILD VOM ALEXANDERPLATZ BZW. VON DER<br />

WELTZEITUHR GAB, SOLL ES HIERMIT WEITERGEHEN. NATÜRLICH GEHT ES WIEDER IM<br />

ZEIT UND DAS WARTEN. BILD: HENDRYK SCHÄFER


Leserbriefe<br />

Hallo KRASS-Redaktion,<br />

mir ist bei der aktuellen<br />

Krass-Ausgabe "01.2008"<br />

aufgefallen, dass entgegen<br />

Ausgabe "November<br />

2007" alle Bilder/Fotos beschriftet<br />

sind.<br />

Schade hierbei finde ich,<br />

dass die Bilder mit Text<br />

im jeweiligen Bild beschriftet<br />

sind, was erstens<br />

einige Male zu einer<br />

Erschwerung der Lesbarkeit,<br />

und zweitens zu einer<br />

Entstellung der teilweise<br />

schönen Bilder<br />

führt. Bilder und Fotos<br />

sollten nicht mit Text<br />

überlagert werden.<br />

Ich persönlich empfinde<br />

es besser, wenn die Bilder<br />

in kleineren Lettern<br />

direkt darunter, oder drüber<br />

oder an den Seiten abgesetzt<br />

beschriftet würden,<br />

wie es in anderen<br />

Druckerzeugnissen auch gängige<br />

Praxis ist.<br />

In diesem Zusammenhang würde<br />

ich mir auch wünschen,<br />

dass in Zukunft Bilder<br />

auch mit einer Randnotiz<br />

bzw. einem gesonderten<br />

Textfeld beschrieben wer-<br />

den. Die Fotografie auf<br />

Seite 30 zeigt eine Landschaft<br />

und der geneigte Leser,<br />

in diesem Fall zunächst<br />

ich selbst, werde<br />

im unklaren gelassen, um<br />

was für eine Landschaft<br />

es sich eigentich handelt.<br />

Wo liegt diese karge<br />

Wildnis?<br />

Desweiteren finde ich es<br />

schade, dass scheinbar<br />

noch kein wirkliches Layout<br />

gefunden wurde, da<br />

die Ausgaben stark variieren<br />

und ich bei der aktuellen<br />

Ausgabe eine Rückschrit<br />

des Dessins zur<br />

Ausgabe "November 2007)<br />

entdecke. Eine besondere<br />

Unart, die mir ins Auge<br />

sticht sind die Kästen,<br />

in denen der Autor vorgestellt<br />

wird, diese Berühren<br />

ständig die Kapitälchen<br />

des ersten Absatzes.<br />

Weiterhin überlagern die<br />

Bilder zu ihrer linken Seite<br />

den Text, der dort vorbeiläuft,<br />

wenn sie mittig<br />

plaziert sind. Dies ist<br />

ebenso unschön.<br />

Schön und logisch fände<br />

ich auch, wenn das Impress-<br />

um immer entweder am Anfang<br />

des Magazins, oder<br />

am Ende zu finden wäre.<br />

Auch dieses variiert je<br />

nach Ausgabe und folgt offensichtlich<br />

keinem wirklichen<br />

Stil- oder Layoutprinzip.<br />

Lobenswertes möchte ich<br />

in diesen Zeilen jedoch<br />

auch nicht zurück halten<br />

und so darf ich der Redaktion<br />

zunächst danken,<br />

dass sie auch dieses Mal<br />

wieder einige gute und aktuelle<br />

Texte zusammen getragen<br />

hat.<br />

Besonders gut gefällt mir<br />

auch das Inhaltsverzeichnis,<br />

was die verschiedenen<br />

Themenbereiche herausstellt<br />

und gliedert.<br />

Da ich nun gemäß eurem Aufruf<br />

der "Hausmitteilung"<br />

(S.3) gefolgt bin und meine<br />

Meinung kundgetan habe,<br />

möchte ich diese Nachricht<br />

schließen und<br />

verbleibe in der Hoffnung<br />

auf baldige Antwort,<br />

mit freundlichen Grüßen,<br />

Michael Ziege<br />

Wenn ich Abseits dieser<br />

Nachricht noch eine Frage<br />

stellen dürfte: Mit welchem<br />

Programm / welchen<br />

Programmen wird die KRASS<br />

denn gestaltet?<br />

Hallo Michael,<br />

zunächst einmal tut es mir als zuständigem<br />

Layouter leid, dass ich<br />

mich nicht eher gemeldet habe und<br />

dass wir als Redaktion auch recht lange<br />

nichts von uns hören ließen, aber Eifel<br />

und <strong>Jugend</strong>herberge und nagelneuer<br />

Rechner umgerüstet von Vista auf<br />

Linux sind keine Garanten für rundum-die-Uhr-Internet,<br />

sonst hätte ich<br />

selbst mich schon eher gemeldet.<br />

Aber genug der Ausreden, jetzt zu<br />

deiner Kritik im Einzelnen.<br />

Deine Ideen werden wir teilweise<br />

aufgreifen. Die Bildbeschriftung wird<br />

zum Beispiel künftig außerhalb des Bildes<br />

stattfinden, das würde letztlich weniger<br />

Probleme bei der Lesbarkeit bereiten,<br />

eine Kommentierung, von wo<br />

die Aufnahmen sind, ist leider nicht<br />

möglich, da dies teilweise schon bei<br />

den Fotos selbst nicht dabei steht,<br />

aber es wird unter den Bildern einen<br />

Satz geben, ob jetzt eher karikierend<br />

oder dazu passend, kommt auf das<br />

Bild und den Artikel an. Die Probleme<br />

bezüglich der Überschneidung von<br />

Text und Rahmen versuchen wir auch<br />

zu vermeiden - selbst so ein handliches<br />

Programm wie Scribus ist halt<br />

für Laien nicht ganz fehlerfrei zu bedienen<br />

- indem ich diesmal von vorneherein<br />

den Abstand von anderen Objekten<br />

einstelle; bei der alten Ausgabe<br />

wäre mir dies nur möglich gewesen, in-<br />

dem ich die ganze Ausgabe von Grund<br />

auf neu gebastelt hätte.<br />

Ein kontinuierliches festes Layout,<br />

kann es (leider?) nicht geben, da jedes<br />

Jahr die Redaktion neu gewählt wird<br />

und in unserem Fall die Redaktion<br />

sich aus sechs neuen Mitgliedern zusammengesetzt<br />

hat. Somit haben wir<br />

letztlich bei Null angefangen, nur mit<br />

den Druckexemplaren der letzten Ausgaben<br />

als Vorbild, und - da mit Scribus<br />

statt InDesign - ohne Layoutvorlage.<br />

Wobei - und da bitte ich um einen<br />

Tusch für die Druckerei, weil die so eine<br />

tolle Leistung abliefert, indem sie<br />

die Dateien irgendwie druckbar macht<br />

- Scribus in Kombination mit GIMP<br />

für einen Anfänger wie mich wohl<br />

nicht unbedingt das beste aller Programme<br />

zum Layouten ist.<br />

Zudem sei angemerkt, dass es mit<br />

uns - im Gegensatz zu unserer Vorgängerredaktion<br />

kein festes Layout geben<br />

wird, welches für alle Ausgaben<br />

gleich sein wird. Wir haben beschlossen,<br />

den :> <strong>krass</strong>-Schriftzug als Erkennungszeichen<br />

zu behalten und darüber<br />

hinaus das Layout der einzelnen<br />

Ausgaben vom Thema abhängig zu<br />

machen. Nicht zuletzt bin ich ja angetreten<br />

mit dem Willen zur Designveränderung<br />

und wurde dafür/trotzdem<br />

gewählt. Wir als Redaktion wollen einfach<br />

etwas Neues wagen, mehr Vielfalt<br />

bieten und uns von manchen Konventionen<br />

lösen - sieh' die "DUMMY" als<br />

mein persönliches Vorbild, was die<br />

Grundidee der Veränderung angeht.<br />

<strong>krass</strong>e Grüße,<br />

Hendryk (Layouter der :> <strong>krass</strong>)<br />

www.gruene-jugend-nrw.de intern<br />

<strong>02.2008</strong>


magazin der grünen jugend nrw<br />

Henrik Gebauer<br />

I mmer härtere Sicherheitsgesetze<br />

werden von EU oder Bund beschlossen.<br />

Oftmals wird deutlich, dass<br />

dabei jegliches Augenmaß verloren gegangen<br />

ist. Dennoch steht ein Großteil<br />

der Bevölkerung hinter schärferen<br />

Maßnahmen. Wir haben uns mit dem<br />

Thema beschäftigt und die neuen Sicherheitsgesetze<br />

diskutiert.<br />

F reiheit<br />

Freiheit stirbt mit Sicherheit?<br />

ist der Zustand der Autonomie.<br />

Wer ohne Zwang und Einschränkungen<br />

bestimmen kann, wie<br />

er/sie handelt, ist frei. Historisch war<br />

Freiheit immer ein Privileg, man denke<br />

an Sklaventum oder Leibeigenschaft.<br />

Heute wird Freiheit in der westlich<br />

geprägten Welt gesetzlich<br />

garantiert. So garantiert das Grundgesetz<br />

Meinungsfreiheit, Gewissensfreiheit,<br />

Glaubensfreiheit und andere wichtige<br />

Grundrechte. Andere nicht<br />

konkret benannte Freiheiten leiten<br />

sich aus der allgemeinen Menschenwürde<br />

ab, wie das Bundesverfassungsgericht<br />

schon mehrfach entschieden<br />

hat.<br />

Sicherheit ist der Zustand der Risiko-<br />

und Gefahrenfreiheit. Sie ist ein<br />

Grundbedürfnis des Menschen. In einem<br />

Rechtsstaat wird dem Staat die<br />

Aufgabe übertragen, für Sicherheit zu<br />

sorgen. Das legitimiert das staatliche<br />

Gewaltmonopol: da Selbstjustiz verboten<br />

ist, muss der Staat die Sicherheit<br />

der BürgerInnen herstellen.<br />

Wie auch viele Freiheiten ist daher<br />

auch die Sicherheit gesetzlich geschützt.<br />

Das Grundgesetz spricht jedem<br />

Menschen ein Recht auf Leben<br />

und körperliche Unversehrtheit und<br />

auch auf Eigentum zu.<br />

S chon<br />

dass Freiheit und Sicherheit<br />

beide im Grundgesetz verankert<br />

sind zeigt, dass sie keine Gegensätze<br />

bilden müssen. Im Gegenteil: sie<br />

bedingen sich gegenseitig. Absolute<br />

Freiheit, also die Möglichkeit, alles zu<br />

tun, ist ein Zustand der Gesetzlosigkeit.<br />

Plünderungen wären ebenso legal<br />

wie Morde. Das Recht der Stärkeren<br />

würde gelten, alle anderen würden in<br />

Angst vor ihnen leben – und wären somit<br />

doch nicht frei.<br />

Andererseits benötigt Sicherheit<br />

auch Freiheit. Ein Staat, der seinen BürgerInnen<br />

absolute Sicherheit garantiert,<br />

muss jederzeit wissen, was seine<br />

BürgerInnen tun oder beabsichtigen.<br />

Es darf in keiner Lebenssituation möglich<br />

sein, unbeobachtet zu sein, denn<br />

in der Zeit könnte ja eine Straftat vorbereitet<br />

werden. Abgesehen davon, dass<br />

ein Mensch dadurch zur reinen Arbeitsmaschine<br />

bzw. zum Untertan abgewertet<br />

wird, stellt so ein Überwachungsstaat<br />

aber auch eine ernsthafte Gefahr<br />

dar. Die Herrschenden hätten die uneingeschränkte<br />

Kontrolle über ihr Volk,<br />

das Volk aber keine Möglichkeit zur<br />

Kontrolle der Herrschenden.<br />

Gesucht ist also ein Mittelweg, ein<br />

Gleichgewicht zwischen Freiheit und<br />

Sicherheit. Die Waage auszubalancieren<br />

ist Aufgabe der Politik. Diese Abwägung<br />

ist keine starre Vorgabe, sondern<br />

kann durchaus einer veränderten<br />

Gefahrenlage angepasst werden. Anpassungen<br />

hat es in der Vergangenheit gegeben<br />

und wird es nötigerweise auch<br />

in der Zukunft geben. Aber besonders<br />

seit 2001, nach den Anschlägen auf<br />

das World Trade Center, werden die Sicherheitsgesetze<br />

ständig auf Kosten<br />

der Freiheit verschärft.<br />

O ft<br />

wird dabei ein gutes Stück<br />

Freiheit gegen ein kleines<br />

Stück Sicherheit getauscht. Die einzelnen<br />

Maßnahmen scheinen auf den ersten<br />

Blick auch oft gerechtfertigt. Es erscheint<br />

egoistisch, auf jedem Stück<br />

seiner Freiheit zu beharren, wenn relativ<br />

kleine Eingriffe in die Freiheit<br />

schon die Chance erhöhen, dadurch<br />

ein Menschenleben zu retten. Dabei<br />

darf aber die Menge der Sicherheitsinstrumente<br />

und der Freiheiten, die wir<br />

dadurch aufgeben müssen, nicht aus<br />

den Augen verloren werden. Außerdem<br />

darf nicht vergessen werden, dass<br />

es niemals genug Sicherheit geben<br />

kann. Jede Gefahr kann nun einmal<br />

nicht ausgeschlossen werden; aber jede<br />

Gefahr, der wir ausgesetzt werden,<br />

erhöht unsere Bereitschaft, einen Teil<br />

THEMA!<br />

unserer Freiheit zu opfern.<br />

Auch lohnt sich ein Blick auf die<br />

Art und Weise, mit der die neuen Maßnahmen<br />

versuchen, Sicherheit zu gewährleisten.<br />

In der Vergangenheit konzentrierte<br />

sich der Staat zum einen auf<br />

die Strafverfolgung – Verbote müssen<br />

durchgesetzt werden, damit sie wirken.<br />

Zum anderen ging der Staat auch<br />

früher schon präventiv vor. Verdächtige<br />

konnten beschattet werden, damit<br />

es gar nicht erst zu einer Straftat kam.<br />

Diese Möglichkeiten bestehen natürlich<br />

auch weiterhin. Dazu gekommen<br />

ist aber eine neue Methode. Die<br />

meisten neu eingeführten Sicherheitsmaßnahmen<br />

setzen bereits vor jegli-<br />

06/07<br />

chem Verdacht an, d.h. sie haben zum<br />

Ziel, Verdächtige aufzuspüren, bevor<br />

sie auffällig werden. Das ist natürlich<br />

nur möglich, indem bisher unbescholtene<br />

BürgerInnen auf mögliche Verdachtsmomente<br />

untersucht werden.<br />

Es müssen also Verhaltensmuster<br />

erstellt und mit denen typischer Straftäter<br />

verglichen werden. Darauf zielt<br />

beispielsweise die Sammlung von<br />

Fluggastdaten innerhalb der EU ab.<br />

Nicht nur Name und Anschrift, sondern<br />

auch persönliche Daten wie Sonderwünsche<br />

beim Essen, sollen jahrelang<br />

gespeichert werden, um zur<br />

Gefahrenabwehr genutzt werden zu<br />

können.<br />

ER IST ES, DER IMMER ZUGUCKT. FÜR WOLFGANG SCHÄUBLE IST SICHERHEIT WICHTIGER<br />

ALS FREIHEIT.


DIE FREIHEIT - WARTET SIE NUN VOR ODER HINTER DIESER MIT STACHELDRAHT GEKRÖNTEN MAUER? BILD: SNYGO@ABOUTPIXEL.DE<br />

Viele der Maßnahmen täuschen Sicherheit<br />

nur vor und können allenfalls<br />

zur Aufklärung, nicht jedoch zur Verhinderung<br />

von Straftaten genutzt werden.<br />

Eine Videokamera im Park kann<br />

nach einem Raubüberfall helfen,<br />

die/den TäterIn zu finden. Verhindern<br />

kann sie ihn aber nicht. Dazu wären<br />

nur Menschen vor Ort in der Lage,<br />

doch widersinnigerweise wird technisch<br />

aufgerüstet, aber personell abgebaut<br />

– wohl aus Kostengründen. Das<br />

soll aber auch nicht heißen, dass Kameras<br />

grundsätzlich schlecht sind, denn<br />

auch die nachträgliche Aufklärung<br />

von Straftaten ist notwendig. Wichtig<br />

ist aber, das Augenmaß zu wahren und<br />

nur an tatsächlichen Brennpunkten zu<br />

überwachen. Dabei ist nicht zu vergessen,<br />

dass damit oftmals Probleme einfach<br />

nur in nicht überwachte Gebiete<br />

verlagert werden. Es muss auch bedacht<br />

werden, dass die Kameras selbst<br />

Freiheit nehmen. Denn wer weiß, dass<br />

er beobachtet wird, ändert sein Verhalten.<br />

D as oftmals vorgebrachte Argument<br />

„Wer nichts zu verbergen<br />

hat, hat auch nichts zu befürchten“<br />

klingt auf den ersten Blick schlüssig.<br />

Es unterstellt aber sofort allen, die<br />

sich gegen Überwachungsmaßnahmen<br />

oder erzwungene Datenpreisgabe zur<br />

Wehr setzen, etwas „zu verbergen“ zu<br />

haben. Tatsächlich hat auch jeder etwas<br />

zu verbergen und sei es nur die<br />

schlechte Meinung vom eigenen Chef.<br />

Und: spätestens wer merkt, dass die<br />

ganzen „Steuertricks“ durch die zentrale<br />

Speicherung von Finanzdaten und<br />

die zentrale Steuernummer nicht mehr<br />

funktionieren, wird merken, dass auch<br />

sie/er etwas zu verbergen hatte.<br />

Wie schnell solche Überwachungsmaßnahmen<br />

missbraucht werden können,<br />

zeigt die Vorratsdatenspeicherung.<br />

Von jeder Interneteinwahl,<br />

jeder SMS und jedem Telefonat werden<br />

Uhrzeit und Kommunikationspartner<br />

gespeichert. Vorgesehen zur Verhinderung<br />

und Aufklärung schwerer<br />

Straftaten, wurde schon vor dem Beschluss<br />

der Wunsch auf Ausdehnung<br />

auf Urheberrechtsverstöße laut.<br />

www.gruene-jugend-nrw.de THEMA!<br />

<strong>02.2008</strong><br />

N icht<br />

nur die Überwachungsmaßnahmen<br />

werden verschärft.<br />

Auch die Methoden, mit denen Sicherheit<br />

hergestellt werden soll, ändern<br />

sich. Nicht selten wird dabei die Menschenwürde<br />

in Frage gestellt. Terrorismusverdächtigte<br />

würden sich selbst außerhalb<br />

der Grundrechte stellen, sie<br />

würden damit also von sich aus Rechte<br />

wie das auf einen fairen Prozess verwirken.<br />

Das Folterverbot steht zur Diskussion<br />

und der Innenminister stellt<br />

sich ernsthaft die Frage, ob denn der<br />

Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“<br />

noch zeitgemäß sei. Die Menschenwürde<br />

ist aber der oberste Grundsatz<br />

des Rechtsstaats. Niemand kann<br />

sie verwirken, selbst die schlimmsten<br />

Verbrecher nicht. Ein Staat, der nicht<br />

nach den Regeln eines Rechtsstaats<br />

handelt, ist keiner mehr.<br />

Aber wie soll der Staat die Sicherheit<br />

seiner BürgerInnen garantieren,<br />

wenn Verbrecher Mittel einsetzen können,<br />

die dem Staat aus Gewissensgründen<br />

verwehrt sind? Hier darf niemals<br />

der Zweck die Mittel heiligen. Zwar<br />

kann ein freier Staat keine absolute Sicherheit<br />

herstellen, doch es gibt viele<br />

legitime Wege, die Sicherheitslage zu<br />

verbessern. Denn wem bei Sicherheit<br />

nur Polizei und Militär einfällt, denkt<br />

zu kurz. Bildung, Kultur und Wirtschaft<br />

haben einen wesentlichen Einfluss<br />

auf die Entstehung von Kriminalität.<br />

W ir<br />

als <strong>Grüne</strong> <strong>Jugend</strong> Kreis Gütersloh<br />

fordern deshalb, die<br />

Ursachen von Kriminalität stärker ins<br />

Visier zu nehmen und sich nicht mit<br />

der Bekämpfung von Symptomen zufrieden<br />

zu geben.<br />

Maßnahmen wie Video- oder<br />

Kommunikationsüberwachung sind<br />

kein Allheilmittel, sondern nur stellenweise<br />

sinnvoll. Ihr Einsatz muss gut<br />

durchdacht und stets die Verhältnismäßigkeit<br />

gewahrt werden. Den Überwachern<br />

muss dabei genauso auf die Finger<br />

geschaut werden, wie den<br />

Überwachten.<br />

Denn Freiheit darf nicht geschützt<br />

werden, indem sie abgeschafft wird!<br />

Henrik<br />

Gebauer<br />

(20) ist<br />

Sprecher der<br />

<strong>Grüne</strong>n<br />

<strong>Jugend</strong> Kreis<br />

Gütersloh.


magazin der grünen jugend nrw<br />

Mona Meurer<br />

D as<br />

Eine Entscheidung für's Leben<br />

Recht auf Leben zählt zu<br />

den elementarsten BürgerInnen-<br />

rechten überhaupt. Seit den 1990er Jahren<br />

setzt sich die EUROPÄISCHE UNION<br />

(EU) intensiv für dieses Recht ein: die<br />

globale Bewegung zur Abschaffung<br />

der Todesstrafe hat ihre Wurzeln in Europa<br />

- und scheint sich zum weltweiten<br />

Trend zu entwickeln. Rund 130<br />

Staaten haben die Todesstrafe rechtlich<br />

oder in der Praxis abgeschafft<br />

(QUELLE: AMNESTY INTERNATIONAL).<br />

Doch immer noch lebt die Mehrheit<br />

der Weltbevölkerung in Staaten, die<br />

die Todesstrafe anwenden (vor allem<br />

in Asien und Afrika halten viele Staaten<br />

an der Todesstrafe fest, darunter<br />

viele arabische Staaten).<br />

D er 18. Dezember 2007 war ein<br />

historischer Dienstag. In der<br />

GENERALVERSAMMLUNG (GV) der Vereinten<br />

Nationen (UN) wurde eine Resolution<br />

verabschiedet, um die seit Jahrzehnten<br />

innerhalb der UN gerungen<br />

wird: die Aufforderung zum sofortigen<br />

globalen Hinrichtungsstopp. 105<br />

Staaten befürworteten die Resolution,<br />

während sich 29 Staaten enthielten. 54<br />

Mitgliedstaaten der UN stimmten gegen<br />

den Resolutionsentwurf, darunter<br />

China, Syrien, Iran, Ägypten und die<br />

USA.<br />

Bis zu dieser historischen Entscheidung,<br />

einen weltweiten Stopp aller Hinrichtungen<br />

zu fordern, war es ein weiter<br />

Weg. Bereits 1994 und 1999 waren<br />

entsprechende Resolutionsentwürfe<br />

der EU gescheitert. Seitdem wurden in<br />

den verschiedenen Unterorganen der<br />

UN mehrere Beschlüsse in Richtung<br />

Ablehnung der Todesstrafe gefällt, zu<br />

einer Abstimmung in der GV kam es<br />

aber vorerst nicht – die Gegner der Abschaffungspolitik<br />

waren einfach zu<br />

stark, und die Befürworter, vor allem<br />

die EU, zu uneins. Nach der Abstimmung<br />

im Dezember konnten die Vertreter<br />

der EU zu Recht triumphieren: sie<br />

hatten die Resolution, vertreten durch<br />

Italien, geschlossen eingebracht und<br />

sich in Zusammenarbeit mit NGOS<br />

wie Amnesty International für ihre<br />

Durchsetzung stark gemacht.<br />

In der Generalversammlung sitzen<br />

alle 192 Mitgliedstaaten der UN, in Abstimmungen<br />

gilt das Prinzip „ein Staat<br />

- eine Stimme“. Beschlüsse der GV<br />

sind zwar nicht rechtlich bindend, haben<br />

aber politisch und moralisch<br />

große Kraft, da sie durch eine Mehrheit<br />

der Weltgemeinschaft legitimiert<br />

sind und in der Öffentlichkeit oft<br />

große Beachtung finden. So ist auch<br />

die Resolution gegen die Todesstrafe<br />

mehr Wort als Tat, und doch moralisch<br />

bindend. Presse, NGOs und Wähler<br />

können ihre Volksvertreter auf die<br />

Erklärungen festnageln - und tun dies<br />

auch. Die erfolgreiche Ächtung der Todesstrafe<br />

nährt die Hoffnung, dass in<br />

naher Zukunft alle Staaten der Erde<br />

die Todesstrafe abschaffen werden.<br />

I n<br />

Europa hat sich die Ablehnung<br />

der Todesstrafe in den 1990er Jah-<br />

ren entgültig durchgesetzt. Eine ganze<br />

Reihe rationaler Argumente überzeugten<br />

die EU-Länder nach und nach, ihre<br />

Hengersmaske abzuwerfen. Als letzte<br />

EU-Mitglied schaffte 1998 die<br />

britische Regierung die Todesstrafe<br />

ab. Nicht nur das oft bemühte Argument<br />

der Abschreckung künftiger Straftäter<br />

ist empirisch widerlegt (Forschungen<br />

zeigen, dass die Abschreckung<br />

mit dem Risiko der Entdeckung steigt,<br />

nicht mit der Höhe der zu erwartenden<br />

Strafe [QUELLE: ARTIKEL VON TED<br />

GOERTZEL; HTTP://WWW.CSI-<br />

COP.ORG/SI/2004-07/CAPITAL-PUNISH -<br />

MENT.HTML]), auch die Legitimation<br />

der Todesstrafe durch die staatliche Gewalt<br />

über Leben und Tod oder den<br />

Mehrheitswillen der Bürger ist nicht<br />

mehr zulässig: das Recht auf Leben<br />

steht nicht zur Abstimmung, es ist universell.<br />

Inzwischen geht man davon<br />

aus, dass die Anwendung der Todesstrafe<br />

Gesellschaften brutaler macht – Gewalt<br />

wird eher als legitimes Mittel der<br />

Konfliktlösung akzeptiert.<br />

THEMA!<br />

DIE MORALISCHE STÄRKE EINER GESELLSCHAFT LÄSST<br />

SICH DARAN MESSEN, WIE SIE MIT IHREN "ABWEICH -<br />

LERN" UMGEHT. BILD: STRATEGO@PHOTOCASE.DE<br />

Die EU versteht sich schon immer<br />

als Vertreterin der „westlichen Wertegemeinschaft“<br />

Europas und Nordamerikas.<br />

Als solche bringt sie viele Menschenrechtsthemen<br />

auf die Agenda der<br />

UN – so auch die Abschaffung der Todesstrafe.<br />

Das gemeinsame nordatlantische<br />

Wertefundament beinhaltet nicht<br />

nur die Verbreitung von Demokratie<br />

und liberalen Werten, sondern vor allem<br />

den Schutz von Menschenrechten<br />

und Rechtsstaatlichkeit. Die Ächtung<br />

willkürlicher, grausamer und unmenschlicher<br />

Strafen ist wichtiger Teil<br />

dieser Wertebasis. Zu solchen Strafen<br />

zählt die Todesstrafe, davon sind die<br />

EU-Mitglieder überzeugt.<br />

Und gewinnen immer<br />

mehr Staaten der UN für<br />

diese Überzeugung.<br />

W ie<br />

08/09<br />

nun geht es weiter<br />

mit dem welt-<br />

weiten Schutz des Rechts<br />

auf Leben? Wird der „Papiertiger“<br />

EU bei der Ächtung<br />

der Todesstrafe seine<br />

diplomatischen Zähne zeigen?<br />

Eine wichtige Voraussetzung<br />

für eine erfolgreiche<br />

europäische Politik zur<br />

Abschaffung der Todesstrafe<br />

ist bereits gegeben: die<br />

EU-Staaten sind sich untereinander<br />

einig, dass das<br />

Recht auf Leben höher<br />

wiegt als das Recht der Angehörigen<br />

von Opfern, Rache<br />

zu nehmen. Die Todestrafe<br />

ist in der EU –<br />

abgesehen von Weißrussland sogar in<br />

ganz Europa – abgeschafft. Von der Ineffektivität,<br />

Ineffizienz und Grausamkeit<br />

dieser Bestrafung muss kein EU-<br />

Mitglied mehr überzeugt werden. Nun<br />

gilt es jedoch, diese Überzeugung zu<br />

globaler Wirkung zu bringen. Auf die<br />

Resolution müssen nun Taten folgen,<br />

die Abschaffungspolitik muss weiter<br />

voran getrieben werden. Einen völkerrechlichen<br />

UN-Vertrag, der die Todesstrafe<br />

verbietet, gibt es bereits seit<br />

1989: das Zweite Zusatzprotokoll zum<br />

Internationalen Pakt über Bürgerliche<br />

und Politische Rechte (Zivilpakt), das<br />

die Abschaffung der Todesstrafe in


DIE ERFOLGREICHE POLITIK DER EU GEGEN DIE TODESSTRAFE DARF NICHT IN EINE<br />

SACKGASSE GERATEN - ES BRAUCHT NEUE MITSTREITER. BILD: STRATEGO@PHOTOCA-<br />

SE.DE<br />

den Unterzeichnerstaaten vorsieht. Allerdings<br />

haben bisher noch nicht einmal<br />

60 Staaten dieses Protokoll unterschrieben<br />

– weit weniger also, als sich<br />

im Dezember vollmundig hinter die<br />

von der EU eingebrachte Resolution<br />

stellten. Übrigens haben alle EU-Staaten<br />

das Zusatzprotokoll zum Zivilpakt<br />

unterzeichnet – dies gibt ihnen glaub-<br />

würdige Legitimation zur aktiven Abschaffungspolitik.<br />

Nun braucht es starke<br />

Kampagnen und weitergehendere<br />

Resolutionen der GV, um diplomatischen<br />

Druck aufzubauen.<br />

D azu<br />

benötigen die europäischen<br />

Diplomaten auch ameri-<br />

kanische Rückendeckung. Solange die<br />

USA die Todesstrafe anwenden, führen<br />

sie jede Argumentation zu Abschaffung<br />

der Todesstrafe, die auf einer<br />

“westlichen Wertegemeinschaft” basiert,<br />

ad absurdum. Denn zu dieser Gemeinschaft<br />

gehören seit jeher auch die<br />

USA. Allein aufgrund der bekannten<br />

Justizirrtümer und qualvollen Hinrichtungspraktiken<br />

müssten die USA die<br />

Todesstrafe abschaffen - im Sinne westlicher<br />

Werte der Rechtsstaatlichkeit<br />

und gemäß dem Verbot grausamer Behandlung.<br />

Doch die Regierung pocht –<br />

übrigens unter Demokraten wie Republikanern<br />

– auf die nationale Souveränität<br />

in Strafsachen und den Mehrheitswillen<br />

der US-Amerikaner (2004:<br />

71% Zustimmung zur Todesstrafe<br />

[QUELLE: HTTP://WWW.INITIATIVE-GEGEN-<br />

DIE-TODESSTRAFE.DE/JUNI 2004.HTM]).<br />

In Menschenrechtsfragen zeigt<br />

sich innerhalb der Vereinten Nationen<br />

eine zunehmende Diskrepanz zwischen<br />

den USA und Europa. Erstere<br />

stellten sich schon oft gegen Vorhaben<br />

zum Schutz von Menschenrechten, welche<br />

von der EU eingebracht und erfolgreich<br />

vorangetrieben wurden. So wurde<br />

auch die Schaffung eines<br />

internationalen Strafgerichtshofs 1998<br />

von den USA erfolglos zu verhindern<br />

versucht. Nur sechs weitere Staaten<br />

lehnten den Gerichtshof ab, darunter<br />

damalige „Schurkenstaaten“ wie Libyen<br />

und Irak.<br />

Dadurch wird die EU in den Vereinten<br />

Nationen immer häufiger zum vehementen<br />

Gegenspieler der USA. Sicherlich<br />

ist ein selbstbewusst gegenüber<br />

der Hegemonialmacht Amerika auftretendes<br />

Europa begrüßenswert. Doch<br />

auf lange Sicht wird es ohne die USA<br />

nicht weitergehen im Kampf gegen<br />

die Todesstrafe. Natürlich muss auch<br />

nach einem Ende der Hinrichtungen in<br />

den Vereinigten Staaten die Kritik an<br />

den außenpolitischen Menschenrechtsverletzungen<br />

der USA aufrecht erhalten<br />

werden. Doch sobald die EU ihren<br />

transatlantischen Partner von ihrer Abschaffungspolitik<br />

überzeugt hat, wird<br />

der Ächtungsprozess innerhalb der Vereinten<br />

Nationen neue Fahrt aufnehmen.<br />

Ohne diesen wichtigen Schritt<br />

tritt die Abschaffungspolitik auf der<br />

Stelle – fatal für die Männer und Frauen,<br />

die weltweit in Todestrakten auf ihre<br />

Hinrichtung warten.<br />

Mona Meurer<br />

(21) ist :><br />

<strong>krass</strong>-Redakteurin<br />

und<br />

Sprecherin<br />

der GJ Mönchengladbach.<br />

Sie findet,<br />

die EU sollte ihre außen-<br />

politische Macht nicht allein wirtschaftlich<br />

nutzen.<br />

g l o s s a r<br />

Die EUROPÄISCHE UNION (EU)<br />

versucht, durch gezieltes<br />

gemeinsames Vorgehen, die internationalen<br />

Verhandlungen auf UN-Ebene in<br />

ihrem Sinne zu beeinflussen. Dazu<br />

sprechen sich EU-Staaten untereinander<br />

ab und sind bemüht, durch gemeinsame<br />

Stellungnahmen und gleiches<br />

Abstimmungsverhalten zu einem<br />

einheitlichen globalpolitischen Akteur zu<br />

werden. In der Menschenrechtspolitik<br />

gelingt dies zuweilen auch, so bei der<br />

gemeinsamen Politik zur Todesstrafe. In<br />

Fragen der Energiepolitik oder solchen<br />

von Krieg und Frieden sind die Gräben<br />

innerhalb Europas allerdings noch sehr<br />

tief und ein einheitliches Handeln in<br />

weiter<br />

I<br />

Ferne.<br />

n der GENERALVERSAMMLUNG (GV)<br />

der Vereinten Nationen (United<br />

Nations, UN) werden weltweit gültige<br />

Resolutionen verabschiedet – allerdings<br />

nicht rechtlich bindend, da es an<br />

Instrumenten zur Sanktionierung (also zur<br />

Ahndung<br />

N<br />

der Nichteinhaltung) fehlt.<br />

GOs (Non-governmental organisations,Nicht-Regierungorganisationen)<br />

nehmen ebenfalls Einfluss auf<br />

die Vereinten Nationen. Einerseits direkt<br />

über ihren Beobachterstatus in UN-<br />

Organen, wo sie Rederecht genießen. Aber<br />

vielmehr noch indirekt, durch öffentliche<br />

Kampagnen, welche die Regierungen zum<br />

Handeln zwingen und ihnen auf die Finger<br />

schauen, sowie durch das Einbringen von<br />

ExpertInnenwissen in die diplomatischen<br />

Delegationen etwa der EU. Der Rückhalt<br />

der Zivilgesellschaft ist für den Erfolg der<br />

EU-Menschenrechtspolitik mindestens<br />

ebenso wichtig, wie das einheitliche<br />

Vorgehen der Europäischen Union.<br />

www.gruene-jugend-nrw.de THEMA!<br />

<strong>02.2008</strong>


magazin der grünen jugend nrw<br />

Verena Schäffer<br />

Achtung: dieser Artikel wird<br />

videoüberwacht!<br />

S eit 9/11 hat sich sicherheitspolitisch<br />

viel geändert: Der Kampf<br />

gegen den islamistischen Terrorismus<br />

ist in den Vordergrund weltweiter Bemühungen<br />

gerückt. Mit Maßnahmen<br />

durch die so genannten Anti-Terrorgesetze<br />

versucht man sich auch in<br />

Deutschland vor möglichen Anschlägen<br />

zu schützen. Dazu gehören u.a.<br />

das Luftsicherheitsgesetz, die Rasterfahndung<br />

sowie erweiterte Kompetenzen<br />

und Befugnisse für die deutschen<br />

Geheimdienste, das BKA und die Bundespolizei.<br />

Verdächtigt werden insbesondere<br />

junge und männliche Muslime;<br />

sie bleiben nicht nur eher im<br />

Raster hängen, sondern das Religionsprivileg<br />

im Vereinsgesetz wurde abgeschafft,<br />

die Regeln für eine Aufenthaltsgenehmigung<br />

verschärft.<br />

Aber auch für „durchschnittliche<br />

BürgerInnen“, wenn es diese denn<br />

überhaupt gibt, sind die Verschärfungen<br />

der BürgerInnenrechte spürbar.<br />

Ein Beispiel dafür ist die Videoüberwachung,<br />

die auch innerhalb der <strong>Grüne</strong>n<br />

höchst umstritten war und für <strong>NRW</strong><br />

sehr interessant ist.<br />

D ie Landesdelegiertenkonferenz<br />

(LDK) der <strong>Grüne</strong>n hat sich<br />

2003 mehrheitlich gegen einen Gesetzesentwurf<br />

der nordrhein-westfäli-<br />

schen Landesregierung zur Änderung<br />

des Polizeigesetzes und des Ordnungsbehördengesetztes<br />

ausgesprochen. Videoüberwachung<br />

sei laut des Beschlusses<br />

der <strong>NRW</strong>-<strong>Grüne</strong>n vom<br />

23./24.05.03 „unverhältnismäßig und<br />

widerspreche[n] der rechtsstaatlichen<br />

und grundrechtsschützenden Tradition<br />

der <strong>Grüne</strong>n“.<br />

Nur zwei Monate später wurde<br />

das neue Polizeigesetz vom Landtag<br />

SO UNSCHEINBAR - UND DOCH DA. BILD:<br />

STIHL024@PIXELIO.DE<br />

mit den Stimmen der SPD und der <strong>Grüne</strong>n<br />

verabschiedet. Ausgeweitet wurde<br />

§ 15a des PolG (Polizeigesetz), das bereits<br />

ab 2000 die Videoüberwachung<br />

an Kriminalitätsbrennpunkten zuließ<br />

und auf dessen Grundlage 2001 bis<br />

2002 ein Pilotprojekt in Bielefeld stattfand.<br />

Damit dürfen öffentliche Plätze,<br />

an denen wiederholt Straftaten began-<br />

gen wurden und zukünftige wahrscheinlich<br />

sind, beobachtet werden.<br />

Die Speicherungsdauer der übertragenen<br />

Bilder beträgt laut Gesetz im Regelfall<br />

14 Tage. Die Videoüberwachung<br />

ist grundsätzlich auf ein Jahr<br />

befristet mit der Möglichkeit zur Verlängerung.<br />

In vier nordrhein-westfälischen<br />

Städten wird davon Gebrauch gemacht:<br />

Bielefeld, Düsseldorf,<br />

Mönchengladbach und Coesfeld. Fünf<br />

Jahre nach In-Kraft-Treten des Polizeigesetzes<br />

tritt § 15a außer Kraft, also<br />

im Sommer 2008. Die schwarz-gelbe<br />

Landesregierung hat bereits einen Gesetzesentwurf<br />

verfasst, welcher eine<br />

Verlängerung der Befristung auf weitere<br />

fünf Jahre beinhaltet. Doch wie nützlich<br />

ist die Videoüberwachung wirklich?<br />

B efürworterInnen der Videoüberwachung<br />

öffentlicher Plätze halten<br />

sie für notwendig, um die Sicherheit<br />

der Bürgerinnen und Bürger zu<br />

gewährleisten. Denn die Aufzeichnungen<br />

sollen Kriminalität vorbeugen und<br />

Straftaten verhindern, indem sie einen<br />

vermeintlich abschreckenden Effekt haben<br />

und gleichzeitig zur Aufklärung<br />

von Kriminalfällen genutzt werden<br />

können. Dazu kommt das positive Sicherheitsgefühl<br />

der Passantinnen und<br />

Passanten. Dies ist sicherlich auch ei-<br />

THEMA!<br />

ne Erklärung für die hohe Akzeptanz<br />

in der breiten Bevölkerung.<br />

O b die Kriminalitätsrate durch Videoüberwachung<br />

gesenkt werden<br />

kann, ist fraglich. Ein gutes Beispiel<br />

dafür ist Großbritannien:<br />

Durchschnittlich wird dort jedeR Einzelne<br />

täglich von bis 300 Videokameras<br />

aufgenommen, gleichzeitig hat London<br />

im Vergleich zu anderen<br />

europäischen Städten die höchste Kriminalitätsrate.<br />

Außerdem wurde die Erfahrung<br />

gemacht, dass sich die Kriminalität<br />

in die Seitenstraßen oder auf<br />

andere Plätze verschiebt, es also nicht<br />

weniger Straftaten gibt, sondern nur<br />

an anderen Orten. Datenschutzrechtlich<br />

ist die Videoüberwachung höchst<br />

fragwürdig, denn auch unverdächtige<br />

Personen werden ins Visier genommen,<br />

was der Unschuldsvermutung widerspricht.<br />

Der Beobachtungsdruck<br />

kann zu angepassten Verhalten und Verunsicherungen<br />

führen. Auch Missbrauch<br />

ist nicht auszuschließen, so wurde<br />

im Sommer 2006 bekannt, dass<br />

Wachleute des Berlin Pergamon-Museum<br />

mit einer Überwachungskamera in<br />

die Wohnung von Frau Merkel filmen<br />

konnten. Die Videoüberwachung ist zudem<br />

sehr kostenintensiv, denn hinter jedem<br />

Bildschirm müssen ja auch Personen<br />

sitzen, welche die Aufnahmen<br />

beobachten. Und wirklich verhindern<br />

kann eine Bildaufnahme auch nicht;<br />

der „Kofferbomber von Köln“ wurde<br />

zwar gefilmt, dadurch hätte die Tat<br />

nicht verhindert worden; die Koffer waren<br />

aufgrund von handwerklichen Fehlern<br />

nicht explodiert.<br />

10/11<br />

Z urzeit werden in vier Städten<br />

<strong>NRW</strong>s öffentliche Plätze per<br />

Kamera überwacht, und dies auch nur<br />

bis Juli 2008, sofern der schwarz-gelbe<br />

Gesetzesentwurf zur Verlängerung<br />

nicht verabschiedet wird. Bis dahin haben<br />

wir noch Zeit auch in der Öffentlichkeit<br />

Sinn und Zweck kritisch zu<br />

hinterfragen, gleichzeitig dürfen wir<br />

andere Einschränkungen unserer Rechte,<br />

z.B. durch Vorratsdatenspeicherung,<br />

Online-Durchsuchung, RFID-<br />

Chips, Biometriepässe, nicht aus den<br />

Augen verlieren, sondern müssen insgesamt<br />

für den Erhalt der BürgerInnenrechte<br />

eintreten. Wir müssen uns<br />

aber auch ehrlich fragen, wie viel wir<br />

von uns preisgeben wollen, z.B. über<br />

studi- oder schülerVZ, welche Informationen<br />

wir der Wirtschaft liefern<br />

möchten und was wir von Sendungen<br />

wie Big Brother halten.<br />

Verena<br />

Schäffer (21)<br />

ist Sprecherin<br />

der <strong>Grüne</strong>n<br />

<strong>Jugend</strong> <strong>NRW</strong><br />

und wahrscheinlich<br />

auf<br />

zahlreichen<br />

Videoaufzeichnungen<br />

in Düsseldorf<br />

zu sehen.


Hendryk Schäfer<br />

Meine Daten sind frei - wer<br />

will sie erwerben?<br />

s tudiVZ, facebook und wie sie alle<br />

heißen, wer kennt sie nicht?<br />

Allein rund fünf Millionen junge Menschen<br />

sind im studiVZ angemeldet, obwohl<br />

es nur rund 2,5 Millionen Studenten<br />

in Deutschland gibt. Ein Konto im<br />

studiVZ ist für viele <strong>Jugend</strong>liche und<br />

junge Erwachsene ein „must have“,<br />

Communities wie das studiVZ sind<br />

DER Treffpunkt einer ganzen Generation.<br />

Abgesehen davon, dass diese sozialen<br />

Netzwerke im Internet zurzeit ein<br />

beachtenswertes Phänomen darstellen,<br />

wäre es kaum zu einem näheren Blick<br />

auf die Details gekommen, hätten die<br />

Betreiber des studiVZ nicht die allgemeinen<br />

Geschäftsbedingungen (AGB)<br />

ändern wollen (und nunmehr geändert),<br />

um mit mehr Werbung die Einnahmen<br />

zu steigern.<br />

E nde 2007 kündigte das studiVZ<br />

allen Mitgliedern an, zum 09. Januar<br />

2008 die AGB ändern zu wollen.<br />

Wer bis dahin die neuen Geschäftsbedingungen<br />

nicht annehme, könne danach<br />

das studiVZ nicht mehr nutzen,<br />

bis zur Annahme der neuen AGB. Der<br />

Account mit all seinen Daten bliebe<br />

aber weiterhin (bis zu „Exmatrikulation“<br />

genannten Kündigung durch den<br />

Nutzer oder die Betreiber der Seite)<br />

für alle Nutzer sichtbar. Schnell mach-<br />

te das Gerücht die Runde, das studiVZ<br />

wolle die Nutzerdaten bewusst verkaufen,<br />

welches von den Betreibern aber<br />

dementiert wurde. Der Umstand, dass<br />

studiVZ sich mit den alten AGB den<br />

Einsatz von Software genehmigen<br />

ließ, die das Kommunikationsverhalten<br />

der Nutzer analysiert, soll dennoch<br />

nicht verschwiegen werden. Fakt ist<br />

laut den neuen AGB jedenfalls die Verwendung<br />

der personenbezogenen Daten<br />

(Geschlecht, Alter etc.) zur Nutzung<br />

personalisierter Werbung. Hier<br />

soll den Nutzern ein Rückschritt (die<br />

Erstellung eines vermeintlich genauen<br />

Verbraucherprofils) als Fortschritt verkauft<br />

werden: die Nutzer bekämen angeblich<br />

auf sie zugeschnittene Werbung,<br />

was schon im Falle des von<br />

studiVZ gebrachten Beispiels<br />

(WWW.STUDIVZ.NET/L/WOZU_DAS_GANZE)<br />

Frauen abspricht Autos kaufen zu wollen,<br />

sich für Fotografie zu interessieren<br />

oder ihre Finanzen zu verwalten –<br />

was aber schon wieder ein Thema für<br />

sich wäre.<br />

Ein größerer Diskussionspunkt ist<br />

die Art und Weise, wie sich studiVZ<br />

die Verwendung der Profildaten genehmigen<br />

lässt: mit der Annahme der<br />

AGB stimmen die Nutzer pauschal<br />

der Verwendung personenbezogener<br />

Daten für personalisierte Werbung,<br />

Communitydienste (Newsletter etc.)<br />

und Vorratsdatenspeicherung zu, die<br />

nachträgliche Ablehnung von personali-<br />

sierter Werbung und Newslettern ist jedoch<br />

nur über eine schwer auffindbare<br />

Seite (ODER EINFACH SO:<br />

WWW.STUDIVZ.NET/TERMS/OPTIONS) möglich,<br />

die Nutzung der bis zur Ablehnung<br />

gesammelten Daten muss schriftlich<br />

widerrufen werden und die<br />

Ablehnung der Datensammlung zur<br />

Vorratsdatenspeicherung bedingt den<br />

Ausschluss aus dem studiVZ.<br />

Interessant hierbei: das Telemediengesetz<br />

(TMG) – Zankapfel, um dessen<br />

Auslegung gestritten wird – verbietet<br />

die Speicherung personenbezogener<br />

Daten, Kriminalpolizei und LKA fordern<br />

die Herausgabe solcher Daten<br />

aber für Ermittlungszwecke. Mit der<br />

Zustimmung zu den neuen AGB haben<br />

die Nutzer des studiVZ der Speicherung<br />

ihrer eigenen Daten zugestimmt<br />

und so die Datenschutz-<br />

beschränkungen des TMG zugunsten<br />

von studiVZ – und den Ermittlungsbehörden<br />

– legal umschifft. Drogenkonsum<br />

und andere Vergehen können so<br />

viel leichter strafrechtlich verfolgt werden.<br />

Die Frage nach der Rechtmäßigkeit<br />

der geänderten AGB ist auch die<br />

Frage nach der Rolle und Bedeutung<br />

des studiVZ. Aus Sicht der Betreiber<br />

ist es so: wäre das studiVZ in einer Monopolsituation,<br />

griffe nicht die Regelung,<br />

wonach sich das studiVZ die Nutzung<br />

der persönlichen Daten von den<br />

Nutzern genehmigen lassen könnte.<br />

Diese Regelung treffe aber nicht auf<br />

das studiVZ zu, da es kein Monopol<br />

am Markt habe. Es gebe, so Lina Ehrig,<br />

Datenschutzbeauftragte bei studiVZ<br />

Limited, mit MySpace (Schwerpunkt<br />

auf Profilseiten mit<br />

Gästebüchern, keine Gruppenfunktion;<br />

die Redaktion), Xing (für Unternehmer;<br />

die Red.) und Facebook (nicht<br />

deutschsprachig; die Red.) vergleichbare<br />

Konkurrenz und es gebe keine ausnutzbare<br />

Monopolstellung, weil das studiVZ<br />

keine Ausrichtung auf Studenten<br />

und Akademiker habe. Die alten AGB<br />

kündeten vom Gegenteil, sprachen<br />

von dem Ziel, die europäische Hochschulvernetzung<br />

zu fördern und setzten<br />

das Studenten- oder Alumnisein<br />

als Zugangsbedingung voraus.<br />

D er Widerstand gegen die Datensammelwut<br />

und die kommerzielle<br />

Nutzung vertraulicher Daten ist<br />

eher gering, die Folgen im studiVZ<br />

sind es auch, wenn auch die bisherige<br />

Berichterstattung doch einige Nebenwirkungen<br />

hervorgerufen hat. Nutzer<br />

beklagen die steigende Zurückhaltung<br />

schon bei der Nennung der Namen, immer<br />

mehr Personen kürzen ihren Nachnamen<br />

wie es bei kriminellen in Medien<br />

gerne getan wird oder verwenden<br />

gleich fiktive Namen (so entstehen<br />

dann Siggi S. oder Donald Duck) –<br />

der ursprüngliche Anspruch, die Menschen<br />

auf einer Vertrauensbasis miteinander<br />

zu vernetzen, kann nicht mehr<br />

aufrecht erhalten werden.<br />

Im studiVZ haben sich zwei große<br />

Meinungsgruppen gebildet: auf der<br />

einen Seite die Gegner der neuen<br />

AGB, auf der anderen Seite die Nicht-<br />

Gegner (unter denen sich nicht nur Befürworter<br />

finden).<br />

kaioo.de – ab 14, gemeinnützig, AGB<br />

wird von Nutzern gestaltet, wenige<br />

Nutzer<br />

campux.de – ab18, international,<br />

teilweise kostenpflichtig, für Studenten<br />

facebook.com – ab 14,<br />

DatenSCHUTZ?, Profile selbst nach<br />

dem Tod sichtbar<br />

studylounge.de – ab 18, für<br />

Studenten, bis auf die Art der<br />

Werbung sehr studiVZ<br />

studi.net – ab 18, für Studenten,<br />

ähnlich wie studylounge<br />

Guter Datenschutz ohne Werbung in<br />

einer großen Community für alle? Wir<br />

suchen noch.<br />

Wo manche Kommentare sich<br />

schlicht über die Skepsis lustig machen,<br />

setzen sich andere mit den Befürchtungen<br />

der AGB-Gegner auseinander,<br />

erkennen durchaus, dass die<br />

Datensammelwut des studiVZ nur eine<br />

Fortführung der verbraucherunterstützten<br />

Marktforschung der Unternehmen<br />

mittels Kundenkarten ist und<br />

haben resigniert oder sehen die personalisierte<br />

Werbung für sich positiv<br />

und verstehen, dass ein so umfassendes<br />

Angebot wie das studiVZ nicht<br />

kostenfrei zu führen ist. Manche Nutzer<br />

kritisieren hier die Geiz-ist-geil-<br />

Mentalität, so viel wie möglich umsonst<br />

bekommen zu wollen ohne dafür<br />

Werbung in Kauf nehmen zu wollen.<br />

Die Kritik der Gegner der neuen<br />

AGB richtet sich schwerpunktmäßig<br />

auf die freizügige Nutzung privater<br />

Daten, eine recht kleine Gruppe der<br />

www.gruene-jugend-nrw.de THEMA!<br />

<strong>02.2008</strong>


magazin der grünen jugend nrw<br />

Kritiker hat sich um Carsten<br />

D.(WWW.STUDIVZ.NET/PROFILE/211965<br />

B7C2C29FA1) in der Gruppe „! Datenklau<br />

abstellen ! Vorgehen gegen Datenschutzerklärung/AGB!“<br />

(WWW.STU -<br />

DIVZ.NET/GROUP.PHP?IDS=AAE0299426<br />

A6748A) gesammelt, wo nicht<br />

polemisiert oder emotional diskutiert<br />

wird sondern der Konflikt zwischen<br />

studiVZ und dem geltenden Recht betrachtet<br />

wird. Hier findet sich neben<br />

einer Anleitung, wie man der Verwendung<br />

der personalisierten Daten<br />

widersprechen kann, auch der Briefwechsel<br />

Carsten D.s mit den Betrei-<br />

bern des studiVZ, der sehr gut über<br />

die rechtliche Sicht der Betreiber auf<br />

das studiVZ aufklärt.<br />

N achdem<br />

das studiVZ bereits<br />

eine Abmahnung der Verbraucherzentrale<br />

Bundesverband (vzbz)<br />

wegen der Datenschutz-Praxis erhalten<br />

hat, bleibt nun abzuwarten, wie<br />

sich Peter Schaar, der Beauftragte<br />

des Bundes für Datenschutz in die<br />

Debatte und das Verfahren über Datenschutz<br />

im studiVZ einmischen<br />

wird. Um sicher vor Herrn Schäuble<br />

im Internet zu surfen bedarf es jedenfalls<br />

mehr als nur der Veränderung eines<br />

Profils im studiVZ.<br />

Franziska Richter<br />

SexarbeiterIn oder<br />

Zwangsprostituierte?<br />

I n Deutschland gibt es nach Schätzungen<br />

zwischen 200.000 und<br />

400.000 Prostituierte. Der überwältigende<br />

Teil davon sind Frauen – ca. 95<br />

Prozent. Prostituierte sind nicht immer<br />

– wie das Klischee gerne glauben<br />

lässt – drogenabhängig oder sonstwie<br />

kriminell. In Frankreich beispielsweise<br />

verdienen sich tausende Studentinnen<br />

ihren Unterhalt, indem sie sich regelmäßig<br />

prostituieren. Auch wenn<br />

Prostitution im Alltag oft kaum sichtbar<br />

ist und sich zumeist im Verborgenen<br />

abspielt: sie ist vorhanden und hat<br />

Einfluss auf unsere Gesellschaft, darauf,<br />

ob wir Sex als etwas ansehen, das<br />

man kaufen kann und darauf, ob wir<br />

ein Geschlecht als das Kaufende, das<br />

andere als das Gekaufte betrachten.<br />

Wie stark dieses Thema polarisiert<br />

und zum öffentlichen Interesse wird,<br />

konnte man im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft<br />

letztes Jahr beobachten:<br />

besonders die schwedische Regierung<br />

und Menschenrechtsorganisationen<br />

prognostizierten damals<br />

aufgrund der Nachfrage vieler<br />

männlicher Fans aus aller Welt einen<br />

rapiden Anstieg der Zwangsprostitution<br />

in Deutschland. Dabei geriet die<br />

deutsche Regierung wegen der liberalen<br />

Gesetzgebung in scharfe Kritik.<br />

Doch wie genau sehen die deutschen<br />

Regelungen eigentlich aus?<br />

L ange Zeit wurde dieses Thema<br />

einfach totgeschwiegen. Prostitution<br />

galt im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches<br />

als sittenwidrig und wurde<br />

vor allem tabuisiert. Sie fand aber trotzdem<br />

statt – illegal und versteckt.<br />

Dementsprechend schwierig war es<br />

für Prostituierte, Hilfe zu bekommen<br />

– sei es in Situationen der sexuellen<br />

Nötigung, der Zwangsprostitution, der<br />

finanziellen Ausbeutung durch Bordellbetreiber<br />

und Zuhälter oder beim Ausstieg<br />

aus der Prostitution. Da sie sittenwidrigen<br />

Tätigkeiten nachgingen,<br />

konnten sie keine Unterstützung von<br />

staatlicher Seite erwarten.<br />

Erst die rot-grüne Regierung<br />

nahm sich dieses Themas an: 2002 wurde<br />

das Prostitutionsgesetz (ProstG) verabschiedet,<br />

welches die rechtliche und<br />

soziale Situation der Prostituierten<br />

grundlegend ändern sollte. Prostitution<br />

ist nun nicht länger sittenwidrig.<br />

Weder Freier noch Prostituierte machen<br />

sich strafbar, wenn sie im gegenseitigen<br />

Einvernehmen „sexuelle<br />

Dienstleistungen“ kaufen bzw. verkaufen.<br />

Eine solche Vereinbarung gilt nun<br />

als ein normaler Vertrag, der bei Nicht-<br />

Einhaltung durch den/die FreierIn<br />

auch zu einklagbaren Forderungen für<br />

die Prostituierte führen kann. Doch<br />

das Gesetz geht noch weiter: so ist es<br />

Prostituierten möglich, in das gesetzliche<br />

Sozialversicherungssystem einzusteigen<br />

und über das von ihnen erwirt-<br />

THEMA!<br />

schaftete Geld unter anderem<br />

Krankenversicherungsbeiträge zu finanzieren.<br />

Auch das Betreiben von Bordellen<br />

oder Stundenhotels ist prinzipiell<br />

nicht mehr verboten. Zusätzlich werden<br />

Prostituierte durch einen entsprechenden<br />

Paragraphen im Strafgesetzbuch<br />

auch davor geschützt, von<br />

solchen Betreibern finanziell ausgebeutet<br />

zu werden.<br />

Sind Prostituierte jetzt moderne<br />

„SexarbeiterInnen“? Diese Idee griff<br />

auch ver.di auf. Die Gewerkschaft unterhält<br />

neben den branchenspezifischen<br />

Fachbereichen auch den für „Besondere<br />

Dienstleistungen“, welcher<br />

unter anderem für das Thema Prostitution<br />

zuständig ist. Zwar sind laut Angaben<br />

von ver.di kaum „SexarbeiterInnen“<br />

gewerkschaftlich organisiert, der<br />

Fachbereich arbeitet aber vor allem<br />

auf der politischen Ebene daran, Diskurse<br />

über die Notwendigkeit des<br />

ProstG in Gang zu setzen. Dahinter<br />

steht die Überzeugung, dass das Gesetz<br />

die Selbstbestimmung von Prostituierten<br />

fördert und ihre Rechte stärkt.<br />

D as<br />

ProstG hat aber nicht nur Befürworter.<br />

Besonders die feministische<br />

Zeitschrift Emma – und mit<br />

ihr die Herausgeberin Alice Schwarzer<br />

- bezieht klare Positionen gegen<br />

den neuen Umgang mit dem Sexhandel.<br />

Die Redakteurinnen der Emma lehnen<br />

Prostitution als Käuflichkeit von<br />

12/13<br />

Sex grundsätzlich ab. Dass vor allem<br />

Männer Frauen kaufen, um einseitigen<br />

Lustgewinn zu erzielen, ist für sie<br />

nicht mit der Menschenwürde und der<br />

Gleichberechtigung zu vereinbaren.<br />

Dementsprechend negativ fällt das Urteil<br />

der Emma über das ProstG und<br />

die damit einhergehenden Veränderungen<br />

aus: das Gesetz fördere die Akzeptanz<br />

eines gesellschaftlichen Zustandes,<br />

den es zwar schon immer gab<br />

(man denke an den Spruch von dem<br />

„ältesten Gewerbe der Welt“), der<br />

aber nichtsdestotrotz gegen die Menschenwürde<br />

verstößt. Prostituierte als<br />

SexarbeiterInnen zu titulieren setzt<br />

diesem Zustand die Krone auf – demnächst<br />

könnte wohlmöglich über Zumutbarkeitskriterien<br />

beim Arbeitsamt<br />

ganz neu nachgedacht werden, wie die<br />

Zeitschrift befürchtet. Und tatsächlich<br />

gibt es einen Fall, bei dem eine Arbeitslose<br />

von ihrem Vermittler den<br />

Vorschlag bekam, sich als Sexarbeiterin<br />

zu verdingen.<br />

Zudem gehen Untersuchungen der<br />

Zeitschrift davon aus, dass das Gesetz<br />

vor allem Zwangsprostitution fördern<br />

würde. Der Polizei seien dadurch,<br />

dass nicht nur die Prostitution sondern<br />

auch ihre Förderung in Form von Bordellbetreibung<br />

grundsätzlich erlaubt<br />

ist, die Hände gebunden, da sie Kontrollen<br />

solcher Rotlicht-Etablissements<br />

nicht mehr ohne konkrete Indizien<br />

für einen Verdachtsmoment<br />

vornehmen könnten. Dadurch könne<br />

Zwangsprostitution sowie die Misshandlung<br />

Minderjähriger nicht mehr<br />

so leicht aufgedeckt werden.<br />

Diese Meinung teilen die Feministinnen<br />

der Emma mit konservativen<br />

PolitikerInnen von der CDU – und<br />

sprengen damit die üblichen politischen<br />

Linien. Schließlich ist die Frauenbewegung<br />

einer der Ursprünge von


Bündnis 90/DIE GRÜNEN.<br />

Die <strong>Grüne</strong>n sind zweifelsohne<br />

die Partei, in der der Gedanke<br />

der Gleichberechtigung<br />

ideologisch wie<br />

organisatorisch am stärksten<br />

verankert ist. Doch in der<br />

Prostitutionsfrage scheiden<br />

sich die Geister, und so begrüßt<br />

die Emma die Vorschläge<br />

der Familien- und<br />

Frauenministerin von der<br />

Leyen, Prostitutionspolitik<br />

müsse vor allem die Hilfe<br />

zum Ausstieg fördern.<br />

Außerdem bevorzugen<br />

beide einen Ansatz wie in<br />

Schweden: dort sind es die<br />

Freier, die sich strafbar machen,<br />

wenn sie sexuelle<br />

Dienstleistungen in Anspruch<br />

nehmen. Das seit<br />

1998 in dem skandinavischen<br />

Land geltende Gesetz<br />

hat außerdem den Straftatbestand<br />

der Förderung von Prostitution,<br />

also z.B. des Betreibens<br />

von Bordellen,<br />

verschärft. Hingegen bleiben<br />

die Prostituierten unbescholten,<br />

da nur der Kauf,<br />

nicht der Verkauf, sexueller<br />

Leistungen strafbar ist. Den<br />

neuen Regelungen liegt die<br />

Auffassung zugrunde, dass<br />

die Käuflichkeit des (weiblichen)<br />

Körpers ein gleichberechtigtesGeschlechterverhältnis<br />

der gesamten Gesell-<br />

schaft untergräbt. Laut einer<br />

Studie der schwedischen Regierung<br />

hat das Gesetz zu einem<br />

fast vollständigen Verschwinden<br />

des Straßen-<br />

strichs geführt. Allerdings<br />

verlagert sich die Prostituti-<br />

WIE VIELE PROSTITUIERTE FREIWILLIG IN IHREM GEWERBE ARBEITEN,<br />

IST HOCH UMSTRITTEN. BILD: SIWI501@PHOTOCASE.DE<br />

on nun in schwer einsehbare<br />

Bereiche: Kontakte werden<br />

über Anzeigen und<br />

das Internet vermittelt<br />

und finden im Verborgenen<br />

statt.<br />

Ganz andere Wege gehen<br />

dagegen die Niederlande:<br />

dort machen sich weder<br />

Freier noch die<br />

Prostituierten strafbar,<br />

ebensowenig sind Bordelle<br />

verboten. Diese werden<br />

aber sehr scharf von Polizei,<br />

Ordnungs- und Gesundheitsamt<br />

auf Einhaltung<br />

menschenrechtlicher<br />

und hygienischer Standards<br />

kontrolliert. Gleichzeitig<br />

wurden die Gesetze<br />

zur Zwangsprostitution<br />

und zum sexuellen Missbrauch<br />

Minderjähriger verschärft.<br />

Dieser liberalen<br />

Handhabung mit freiwilliger<br />

Prostitution liegt der<br />

Gedanke zugrunde, dass<br />

die Menschen, die sich<br />

aus freien Stücken zur Prostitution<br />

entscheiden,<br />

nicht vom Staat daran gehindert<br />

werden sollten,<br />

sondern vielmehr angemessene<br />

Arbeitsbedingungen<br />

garantiert bekommen müssen.<br />

Wie lassen sich die Unterschiede<br />

in der Bewertung<br />

und dem Umgang<br />

mit Prostitution erklären,<br />

die quer durch die politischen<br />

Lager verlaufen?<br />

Es sind vor allem die verschiedenen<br />

Auffassungen<br />

zum Thema Freiwilligkeit<br />

der Prostitution sowie zu<br />

ihren gesellschaftlichen Auswirkungen.<br />

So geht die Emma davon aus,<br />

dass nur etwa 5 Prozent aller Frauen<br />

überhaupt ganz und gar freiwillig dieser<br />

Tätigkeit nachgehen. Eine Gruppe<br />

der Unfreiwilligen sind natürlich die<br />

Zwangsprostituierten, oft Ausländerinnen,<br />

die von ihren Zuhältern unter Androhung<br />

und Ausübung von Gewalt<br />

festgehalten werden. Die Emma<br />

glaubt aber darüber hinaus, dass auch<br />

Frauen, die angeben, aus freien<br />

Stücken ihren Körper zu verkaufen,<br />

dies nur behaupten. Denn viele Prostituierte<br />

seien schon als Kind oder in späteren<br />

Jahren Opfer sexuellen Missbrauchs<br />

gewesen und haben ein<br />

gestörtes Verhältnis zu ihrem Körper<br />

und ihrer Sexualität. Sie würden sich<br />

selbst belügen, um mit der Situation zurechtzukommen,<br />

so die Emma, seien<br />

aber Opfer und keine selbstbestimmten<br />

„Sexarbeiterinnen“.<br />

Die Urheber des Prostitutionsgesetzes,<br />

das im übrigen nicht die Intention<br />

hat, Sex zu einem „Beruf wie jeden anderen“<br />

zu machen, haben anscheinend<br />

eine andere Auffassung von der Freiwilligkeit<br />

und Situation der Prostituierten.<br />

So glauben sie, dass es tatsächlich<br />

Menschen gibt, die diesen Beruf aus<br />

freien Stücken ausüben. Tatsächlich<br />

ist es ja auch eine gewisse Anmaßung<br />

der Feministinnen der Emma, für alle<br />

Frauen sprechen zu wollen, den Prostituierten<br />

ihre eigene Urteilskraft abzusprechen<br />

und ihr Verhalten als pathologisch<br />

zu bezeichnen. Im Gegensatz<br />

dazu haben die <strong>Grüne</strong>n vielleicht ein<br />

bisschen zu sehr dem Ideal der selbst<br />

bestimmten Hure angehangen und die<br />

besonderen Gefahren dieser Tätigkeit<br />

– physische wie psychische – außer<br />

Acht gelassen.<br />

Neben der Frage der Freiwilligkeit<br />

müssen die <strong>Grüne</strong>n, muss die ganze Ge-<br />

sellschaft sich aber noch weiteren Fragen<br />

stellen: welche Einflüsse hat die<br />

Akzeptanz der Käuflichkeit von Sex,<br />

vornehmlich aber die Käuflichkeit des<br />

weiblichen Körpers, auf unsere Gesellschaft?<br />

Bedeutet die Legalisierung eine<br />

Akzeptanz, dass „es Prostitution<br />

schon immer gab und immer geben<br />

wird“, wie es so schön heißt? Oder bewirkt<br />

gerade das Verbot die Verdrängung<br />

von gesellschaftlichen Realitäten,<br />

da es Prostitution nicht abschafft,<br />

sondern nur ins Verborgene drängt?<br />

Auch unter Berücksichtigung der bisher<br />

noch raren Befunde zur männlichen<br />

Prostitution gilt es diesen Diskurs<br />

weiter zu führen.<br />

www.gruene-jugend-nrw.de THEMA!<br />

<strong>02.2008</strong>


magazin der grünen jugend nrw<br />

ProContra<br />

Olympiade<br />

D as ist nicht nur das Credo der<br />

olympischen Spiele, sondern<br />

auch das des chinesischen Aufschwungs.<br />

Doch wie steht es um die<br />

Menschenrechte in China – und was<br />

verändern die olympischen Spiele<br />

2008 an der Situation?<br />

D ie<br />

Volksrepublik China ist<br />

das viertgrößte und mit etwa<br />

16 mal so vielen Einwohnern wie<br />

Deutschland das bevölkerungsreichste<br />

Land der Welt. Die Wirtschaft explodiert<br />

und das Bruttoinlandsprodukt<br />

steigt kontinuierlich. Trotzdem<br />

muss China noch immer als Entwicklungsland<br />

angesehen werden. Nicht<br />

nur, weil viele EinwohnerInnen noch<br />

immer am Rande des Existenzminimums<br />

leben, sondern auch, weil die<br />

Menschenrechte auf Kosten der Wirtschaft<br />

größtenteils auf der Strecke geblieben<br />

sind.<br />

Die Todesstrafe wurde immer<br />

noch nicht abgeschafft: allein 2007<br />

wurden 1040 Personen hingerichtet,<br />

mehr als in jedem anderen Land der<br />

Welt. Auch Menschenhandel ist immer<br />

noch Gang und Gäbe, vor allem<br />

Frauen werden immer wieder entführt<br />

und an die (ebenfalls) wachsende<br />

Sexindustrie verkauft. Genaue<br />

Zahlen dazu sind nicht bekannt,<br />

... unter diesem Motto sollen<br />

die olympischen Sommerspiele<br />

2008 in China stattfinden.<br />

Und die Choreographie soll perfekt<br />

sein, wenn es denn so weit ist.<br />

I m<br />

Moment wird noch fleißig vorbereitet<br />

und geprobt. 12 neue riesige<br />

Sportanlagen wurden angelegt (teilweise<br />

ist man auch noch dabei); dazu<br />

noch jede Menge neue Bus- und U-<br />

Bahnlinien, um den Ansturm der Besucher<br />

bewältigen zu können. Dieser Ausbau<br />

des ÖPNV soll als Nebeneffekt<br />

auch noch helfen, ein weiteres Problem<br />

in den Griff zu bekommen: die<br />

schlechte Luftqualität. Um sportliche<br />

Höchstleistungen zu vollbringen, brauchen<br />

die Sportler saubere Luft, und Peking,<br />

aufstrebende 15-Millionen-<br />

Stadt, ist nun einmal in eine dichte<br />

Smogwolke gehüllt. China versucht<br />

diesem Dilemma mit einem Mischmasch<br />

aus nachhaltigen (s.o.) und weniger<br />

nachhaltigen (Verlegung von Firmen<br />

für die Zeit der Olympiade etc.)<br />

Maßnahmen Herr zu werden. Doch<br />

nicht aufgrund der starken Verschmutzung<br />

wurde im Vorfeld heftig darüber<br />

diskutiert, ob man die Austragungsrechte<br />

der olympischen Spiele an Peking<br />

übergeben sollte oder nicht.<br />

D as<br />

größte Problem ist die desolate<br />

Lage der Menschenrechte in<br />

China.<br />

Die Gegner Pekings ziehen dabei<br />

vor allem als Argument heran, dass<br />

China die olympischen Spiele als Propagandaveranstaltung<br />

benutzen könnte,<br />

und dass die vielen Menschenrechtsverletzungen<br />

mit dem olympischen<br />

Grundgedanken nicht vereinbar wären.<br />

Doch dagegen muss gesagt werden,<br />

dass die Olympiade für die dort lebenden<br />

Menschen auch eine Chance<br />

ist.<br />

China rückt in den Blickpunkt der<br />

Öffentlichkeit, und wenn diese dort<br />

nun Pressezensur, Verfolgung von<br />

„Staatsfeinden“ und Todesstrafen -<br />

nicht ausschließlich für Kapitalverbrechen,<br />

auch für Wirtschaftsdelikte und<br />

sogar wegen Fahrraddiebstahls sollen<br />

schon Menschen hingerichtet worden<br />

sein - vorfindet, ist das ganz und gar<br />

nicht förderlich für Chinas Image, das<br />

die Regierung ja gerade durch die Austragung<br />

der olympischen Spiele verbessern<br />

will. Also wird sich China von seiner<br />

besten Seite zeigen müssen. Aber<br />

„zeigen“ wird nicht reichen, bei so<br />

viel Beachtung kann nicht alles versteckt<br />

werden. Also muss auch wirklich<br />

etwas geschehen. Und zwar sowohl<br />

in menschenrechtlicher als auch<br />

in ökologischer Hinsicht.<br />

Als Beispiel für die Wirksamkeit<br />

öffentlichen Drucks könnte man nennen,<br />

dass China aufgrund internationaler<br />

Proteste auf die Verwendung<br />

THEMA!<br />

Für die Olympischen Spiele<br />

in China<br />

großer Mengen zum Teil illegal geschlagenen<br />

Tropenholzes verzichtet<br />

DIE MÖNCHE TANZEN ZWAR NICHT - ABER<br />

BUNT IST ES ... BILD: JOHANNA<br />

ECKEL@JUGENDFOTOS.DE<br />

hat, das eigentlich für den Bau der Stadien<br />

eingeplant war. Noch viel bedeutender<br />

ist aber der Punkt, dass China<br />

(zwar nur für die Dauer der olympischen<br />

Spiele, aber immerhin) ausländische<br />

Journalisten ins Land lässt, die<br />

freier berichten dürfen. Auch die inländische<br />

Pressezensur wird für kurze<br />

Zeit ausgesetzt.<br />

D aran,<br />

dass diese Bedingungen<br />

des IOC beachtet werden, sieht<br />

man, dass der Westen durchaus in der<br />

Lage ist, einiges zu bewirken. Wenn<br />

nun während der Olympiade weitere<br />

gravierende Menschenrechtsverstöße<br />

aufgedeckt und öffentlich gemacht werden,<br />

ist China gezwungen zu reagie-<br />

ren. Natürlich ist das nicht die richtige<br />

Motivation für einen Staat, sich endlich<br />

um die Menschenrechte zu kümmern<br />

- der Wandel sollte aus eigenem<br />

Einsehen und Verständnis kommen.<br />

Aber das kann dauern ...<br />

M einer<br />

14/15<br />

Meinung nach ist diese<br />

„erzwungene“ Verbesserung<br />

der Menschenrechte sehr viel besser,<br />

als wenn überhaupt nichts passiert!<br />

Ein Kommentar der Süddeutschen Zeitung<br />

bringt all das treffend auf den<br />

Punkt:<br />

„Gewichtiger ist das Argument,<br />

Olympische Spiele könnten das Land<br />

offener machen und quasi im Huckepack<br />

Menschenrechte ins Land<br />

schmuggeln. Schließlich werde Peking<br />

im Rampenlicht der Weltöffentlichkeit<br />

stehen und allein deshalb versuchen,<br />

artig zu sein.“<br />

Anna<br />

Brameyer<br />

(16) sieht die<br />

Situation<br />

positiv. Da<br />

nun der Blick<br />

der<br />

Öffentlichkeit<br />

auf China gerichtet ist, könnte sich<br />

der Zustand der Menschenrechte<br />

verbessern.


denn die Presse- und Berichterstattungsfreiheit<br />

ist ebenfalls stark eingeschränkt.<br />

Die lokale Presse wird zensiert,<br />

ausländische Journalisten<br />

werden unter Druck gesetzt, teilweise<br />

sogar unter Vorwänden inhaftiert,<br />

vor allem wenn es um als „sensibel“<br />

eingestufte Themen, wie eben die<br />

Menschenrechtsverletzungen oder<br />

auch die staatliche Allmacht geht.<br />

Denn die existiert.<br />

Im kommunistischen China kontrolliert<br />

der Staat alles, und keiner<br />

kontrolliert den Staat. So werden auf<br />

Kosten von Wirtschaftswachstum<br />

und zum Nutzen des Staates die<br />

Rechte der/s Einzelnen ignoriert.<br />

Sollte so einem Staat die Ehre zuteil<br />

werden, die olympischen Spiele auszutragen,<br />

die doch ein Symbol für<br />

Fairness und das Potenzial der/s Einzelnen<br />

sind?<br />

Gegen die Olympischen Spiele<br />

in China<br />

N achdem tatsächlich lange diskutiert<br />

wurde, ob es angesichts<br />

der Zustände in China nicht unverantwortlich<br />

sei, die Olympiade in China<br />

stattfinden zu lassen, wurde vom International<br />

Olympic Comittee (IOC) eine<br />

positive Wahl getroffen. Das IOC begründet<br />

seine Entscheidung damit,<br />

dass bei der Wahl des Austragungsortes<br />

die Organisationsfähigkeit im Vordergrund<br />

stand, während die politischen<br />

Begebenheiten weitestgehend<br />

außer Acht gelassen wurden.<br />

Jedoch sollte man nicht vergessen,<br />

dass China die Erlaubniserteilung der<br />

Olympiade als Bestätigung für seine<br />

Menschenrechtspolitik ansehen könnte.<br />

Außerdem wurde so die Chance vertan,<br />

die Erlaubniserteilung als Anreiz<br />

für eine grundlegende Verbesserung<br />

der Umstände zu nutzen.<br />

Allerdings hat China einige Auflagen<br />

bekommen, sodass weitere Maßnahmen<br />

ergriffen werden mussten. Es<br />

bleibt jedoch abzuwarten, ob diese<br />

Maßnahmen auf lange Sicht Erfolg haben<br />

werden. Außerdem haben viele<br />

der Pläne jetzt große Nachteile für die<br />

ohnehin schon unterdrückte Bevölkerung<br />

wie auch die rund 70 neuen Gesetze,<br />

auf deren Verletzung hohe Strafen<br />

stehen. So gibt es zum Beispiel Einwanderungsverbote<br />

nach Peking für<br />

WanderarbeiterInnen, BettlerInnen<br />

und Menschen mit geistigen Behinde-<br />

rungen - mit dem olympischen Gedanken<br />

ist dies keineswegs vereinbar.<br />

Stattdessen versucht man noch<br />

kurzfristig das Image der chinesischen<br />

Strafverfolgung zu verbessern, indem<br />

Polizisten aber auch BürgerInnen per<br />

Gesetz zu mehr Höflichkeit gezwungen<br />

werden.<br />

AUCH DAS IST CHINA - WENN AUCH NICHT<br />

NUR CHINA. BILD: KALLEJIPP@PHOTOCASE.DE<br />

Vergleiche mit der Olympiade<br />

1936, die von Hitler damals als Propaganda<br />

genutzt wurden, sind hier durchaus<br />

plausibel.<br />

A ber<br />

auch die ökologischen<br />

Aspekte dürfen natürlich nicht<br />

außer acht gelassen werden. Wie uns<br />

Fotos von smogverhangenen Skylines<br />

immer wieder vor Augen halten, ist<br />

die Sauberkeit der chinesischen Luft<br />

gelinde gesagt mangelhaft; dies ist keine<br />

gute Voraussetzung für volle Leistungen<br />

der Olympioniken. Doch auch<br />

dagegen unternimmt China - wie bei<br />

der Kandidatur 2001 versprochen - etwas.<br />

Als Beispiel wird gerne die Verlegung<br />

eines großen Stahlwerkes genannt.<br />

Allerdings bedeutet dies nur,<br />

dass die Schadstoffe an einem anderen<br />

Ort in die Luft geblasen werden. Von<br />

Nachhaltigkeit keine Spur! Würden<br />

die Emissionen wie versprochen drastisch<br />

gesenkt, dann hielte der Effekt<br />

nicht lange an, da die Luftverschmutzung<br />

aus den benachbarten Provinzen<br />

herübergeweht werden würde. China<br />

versichert zwar einen „blauen Himmel“<br />

für Peking und Umgebung, doch<br />

dieses Ziel ist wohl unmöglich zu ereichen.<br />

Da China nur bedingt nachhaltige<br />

Investitionen getätigt hat (Ausbau<br />

des U-Bahnnetzes, Fahrradverleih),<br />

liegt der Verdacht nahe, dass viele der<br />

ökologischen Maßnahmen nur der Eigenvermarktung<br />

dienen.<br />

Ein weiterer Schritt in die falsche<br />

Richtung, sind die Zwangsumsiedlungen<br />

derer, die an den für Sportstätten,<br />

Klärwerken und Ähnlichem, vorgesehenen<br />

Plätzen wohnen. Wie viele Menschen<br />

von Umsiedlungen betroffen<br />

sind, ist umstritten, da sich sämtliche<br />

Quellen widersprechen. Die Organisation<br />

COHRE (Centre of Housing<br />

Rights and Evictions) hält eine Zahl<br />

von 1,5 Millionen Menschen für möglich.<br />

Laut anderen Angaben handelt es<br />

sich „nur“ um 300.000 Menschen.<br />

Das chinesische Außenministerium<br />

spricht dagegen von lediglich 6.037<br />

Betroffenen. Dieses Beispiel zeigt anschaulich<br />

das große Problem, das mit<br />

der Olympiade mitschwingt, aber immer<br />

schon allgegenwärtig war: die<br />

mangelnde Pressefreiheit (s.o.). Es ist<br />

für chinesische wie für ausländische<br />

Reporter nur schwer möglich Tatsachen<br />

zu erfahren, die die unangenehmen<br />

Seiten der Olympiade darstellen.<br />

„Reporter ohne Grenzen“ plante<br />

sogar einen Boykott gegen die Olympiade,<br />

welcher jedoch wieder aufgegeben<br />

wurde.<br />

Es spräche also genug gegen China<br />

als Austragungsort der Olympischen<br />

Sommerspiele 2008, aber die bereits<br />

getroffene Entscheidung ist<br />

unwiderruflich. Also lasst uns doch<br />

das Beste daraus machen und auch die<br />

andere Seite der Medaille beachten,<br />

denn die Olympiade hat ja auch einige<br />

positive Nebenwirkungen, die man<br />

nicht vergessen sollte.<br />

Bianca<br />

Drepper (15)<br />

meint, dass<br />

man<br />

aufgrund der<br />

Unvermeidba<br />

rkeit der<br />

Olympischen<br />

Spiele auch das Gute an der Sache<br />

suchen und sehen sollte.<br />

www.gruene-jugend-nrw.de THEMA!<br />

<strong>02.2008</strong>


magazin der grünen jugend nrw<br />

Lea Gathen<br />

Big brother is watching you<br />

... in Britain!<br />

I m Jahre 1949 erschien George Orwells<br />

Roman „1984“ – heute ein<br />

Klassiker der Literatur, durch den sich<br />

so mancher „Englisch LK'ler“ kämpfen<br />

musste. Aber auch wer den Roman<br />

nicht gelesen hat, wird wohl mit dem<br />

charakteristischen Slogan „Big brother<br />

is watching you!“ vertraut sein,<br />

der sich durch die ganze Geschichte<br />

zieht. Im Roman erinnert dieser die<br />

Bürger daran, dass sie permanent überwacht<br />

werden. Was zur damaligen<br />

Zeit noch als Science Fiction galt und<br />

mit der Realität nicht mehr zu tun hatte<br />

als fliegende Untertassen, kommt<br />

dem Alltag in Großbritannien erschreckend<br />

nahe. Dort befinden sich zurzeit<br />

ca. 4,2 Millionen Überwachungskameras<br />

(alle Zahlen in diesem Artikel:<br />

„Big Brother schaut immer mit“, Die<br />

Presse v. 20.10.2007) – ein trauriger<br />

Weltrekord. Zum Vergleich: Die Zahl<br />

der Überwachungskameras in Deutschland<br />

wird auf 400.000 geschätzt. Diese<br />

gewaltige Zahl ist nur ein Spiegel<br />

der britischen Sicherheitspolitik, denn<br />

eine Überwachungskamera darf praktisch<br />

jeder aufstellen. Die Polizei darf<br />

im Verdachtsfall Zugriff verlangen.<br />

Hausbesitzer werden sogar öffentlich<br />

dazu aufgerufen die „kleinen Spione“<br />

zu installieren. Womit wir wieder bei<br />

George Orwell wären. In der unmittelbaren<br />

Umgebung des Hauses, wo er<br />

„1984“ verfasst, befinden sich heute<br />

beispielsweise zweiunddreißig Überwa-<br />

WOHIN MAN NUR SCHAUT, SIND DIE KA -<br />

MERAS SCHON DA ... BILD:<br />

ERIC_HOLST@JUGENDFOTOS.DE<br />

chungskameras.<br />

Aber ohne eine breite Zustimmung<br />

von Seiten der Bevölkerung wäre<br />

die Installation eines derartigen<br />

Überwachungsnetzwerkes, das die<br />

Menschen ihres Grundrechts auf Privatsphäre<br />

beraubt, nicht möglich. Woher<br />

kommt es also, dass Umfragen zufolge<br />

70-80% der Briten Überwachungs-<br />

systeme gutheißen? Die Antwort auf<br />

diese Frage liegt wohl zu einem<br />

großen Teil in der Angst der Bevölkerung<br />

vor gewaltsamen Übergriffen<br />

und weiteren terroristischen Anschlägen.<br />

Und diese Angst wird durch die<br />

Medien weiter geschürt. Der 7. Juli<br />

2005, der Tag, an dem durch einen terroristischen<br />

Anschlag vier Bombenträger<br />

in London detonierten, ist vielen<br />

Briten als traumatisches Ereignis in Erinnerung<br />

geblieben. Nach den Anschlägen<br />

wurden die mutmaßlichen Täter<br />

mithilfe von Videoaufzeichnungen des<br />

Bahnhofes „King’s Cross“ gefasst.<br />

Und auch in einigen anderen Aufsehen<br />

erregenden Kriminalfällen, denen<br />

britische Medien zu verstärkter Brisanz<br />

verhalfen, lieferten Videoaufzeichnungen<br />

entscheidende Indizien. Der<br />

Nutzen von Überwachungskameras<br />

zur Aufklärung von Verbrechen wird allerdings<br />

von kaum jemand in Frage gestellt.<br />

Doch es gilt, den tatsächlichen<br />

Nutzen und die zu erbringenden Opfer<br />

sorgfältig abzuwägen. Und schließlich<br />

bleibt die Frage: „Was passiert mit all<br />

dem Datenmüll? Werden in Zukunft alte,<br />

aus Kellern und illegalen Archiven<br />

hervor gekramte Aufzeichnungen für<br />

Aufruhr sorgen? Das Boulevardblatt<br />

„the sun“ würde sich sicher über ein<br />

paar pikante Aufnahmen irgendwelcher,<br />

auf dem roten Teppich flanierender<br />

Persönlichkeiten freuen. Gerne<br />

auch gegen Geldspende! Bestimmt wer-<br />

THEMA!<br />

den auch ein paar Scheine den Besitzer<br />

wechseln um an die Aufnahmen<br />

des Treffens vom Partner oder der Partnerin<br />

mit dem ominösen Mr. X zu gelangen.<br />

Doch was die kritische Betrachtung<br />

dieser Aspekte und die<br />

Zivilrechtsverletzungen angeht, so<br />

scheint es, als sonnten sich die Briten<br />

zu sehr in ihrer Scheinsicherheit im gläsernen<br />

Kasten. Auch das einfältige Argument,<br />

Überwachungskameras stellten<br />

ein wirkungsvolles Instrument zur<br />

Abschreckung dar, ist auf vielen Gebieten<br />

widerlegt worden. Sie können<br />

kaum Verbrechen verhindern, sie hel-<br />

fen nur bei der Fahndung nach den<br />

Tätern. Um Menschen vor Kriminalität<br />

zu schützen, braucht es Prävention,<br />

nicht Überwachung.<br />

E in<br />

Londoner wird jeden Tag<br />

durchschnittlich 300 Mal auf<br />

Film festgehalten. Auch angesichts<br />

der weltweiten „Bedrohung“ durch<br />

den Terrorismus schockieren mich<br />

persönlich solche Zahlen. Dennoch<br />

scheint ein Ende nicht in Sicht. Die<br />

Zahl der Kameras in Londons tube<br />

(U-Bahn) soll bis 2011 sogar verdoppelt<br />

werden („Mehr Kameras für<br />

mehr Sicherheit ‚Big Brother‘ hat jede<br />

Straßenecke Londons im Blick“, Saarbrücker<br />

Zeitung v. 22.08.2006).<br />

Bleibt nur noch die Hoffnung,<br />

dass sich Deutschland kein Beispiel<br />

nehmen wird an dem Land des „Big<br />

Brother“!<br />

Mona Meurer<br />

16/17<br />

Freiheit<br />

sichern<br />

M it der Landesmitgliederversammlung<br />

(LMV) am 05.<br />

und 06. April begann die neue Kampagne<br />

der <strong>Grüne</strong>n <strong>Jugend</strong> <strong>NRW</strong>, die<br />

sich, ebenso wie die LMV, des Themas<br />

„BürgerInnenrechte“ annahm.<br />

Unter dem Titel „Freiheit sichern –<br />

Gegen den Überwachungsstaat“ positioniert<br />

sich die <strong>Grüne</strong> <strong>Jugend</strong> <strong>NRW</strong><br />

klar gegen die Sicherheitswut von<br />

Schäuble und Co, die ihre Bürger unter<br />

dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung<br />

ausspionieren und dabei<br />

ihre Daten nicht nur in großem Umfang<br />

sammeln, sondern diese zum<br />

Teil sogar für kommende Zwecke<br />

speichern wollen - bis jetzt nur maximal<br />

6 Monate, doch viele fürchten eine<br />

stetige Aufweichung der bisherigen<br />

gesetzlichen Grenzen. So auch<br />

die <strong>Grüne</strong> <strong>Jugend</strong> <strong>NRW</strong>, die gegen<br />

weitere Überwachungswut aufklären<br />

und mobilisieren will.<br />

Basisgruppen vor Ort sind aufgerufen,<br />

sich mit kreativen Aktionen an<br />

der Debatte um das Verhältnis von<br />

unveräußerlicher Freiheit und notwendiger<br />

Sicherheit zu beteiligen.<br />

Übrigens befassen sich auch die<br />

„Altgrünen“ derzeit mit BürgerInnenrechten:<br />

Am 12. und 13. April wurde<br />

die Landesdelegiertenkonferenz<br />

(LDK) der <strong>Grüne</strong>n <strong>NRW</strong> zu diesem<br />

Thema in Hamm abgehalten.


Matthi Bolte<br />

Aus der Geschichte lernen<br />

K aum ein Politikfeld war zur<br />

Zeit der <strong>Grüne</strong>n Regierungsbeteiligung<br />

so umstritten wie die Friedenspolitik,<br />

und in kaum einem Bereich<br />

gab es mit dem Eintritt in die<br />

Bundesregierung so viele Veränderungen<br />

der <strong>Grüne</strong>n Partei. Um diese Veränderungen,<br />

aber auch das <strong>Grüne</strong> Handeln<br />

in speziellen Themenbereichen<br />

aufzuarbeiten, hat die GRÜNE JU-<br />

GEND Bundesverband mit Beschluss<br />

des 26. Bundeskongresses im Mai<br />

2006 die Friedenspolitische Kommission<br />

eingesetzt. In diese Kommission gewählt<br />

wurden Jan Albrecht, Laura Appeltshauser,<br />

Arvid Bell, Matthi Bolte,<br />

Maria Klindworth, Sarah Mayer, Linda<br />

Michalek und Stephan Schilling.<br />

M it dem jetzt vorliegenden Abschlussbericht<br />

zeigt die Kommission,<br />

dass eine fundierte, reflektierte<br />

und kritische Auseinandersetzung<br />

mit der Rot-<strong>Grüne</strong>n Friedenspolitik<br />

möglich und notwendig ist. Kritik<br />

wird dabei aber nicht zum Selbstzweck:<br />

es konnte eine große Zahl guter<br />

Ansätze festgestellt werden. So<br />

konnten die <strong>Grüne</strong>n beispielsweise<br />

den Bereich ziviler Konfliktprävention<br />

und -bewältigung aus seinem Schattendasein<br />

befreien, die OSZE als multi-<br />

laterale Organisation stärken und eine<br />

transparentere Rüstungsexportpolitik<br />

voranbringen. Demgegenüber steht<br />

aber auch das <strong>Grüne</strong> Scheitern in Gretchenfragen<br />

wie der Abschaffung der<br />

Wehrpflicht, der Begrenzung der Aufrüstung<br />

oder dem umfassenden Ausbau<br />

einer Sicherheitsarchitektur auf<br />

der Basis der Vereinten Nationen.<br />

Eine Bilanz der Regierungsbeteiligung<br />

ist notwendig und durch die Grü-<br />

ne Partei noch nicht in ausreichendem<br />

Umfang erbracht worden. Zwar analysieren<br />

einzelne Abgeordnete regelmäßig<br />

die Konsequenzen <strong>Grüne</strong>r Entscheidungen,<br />

diese positiven Ansätze sind<br />

aber in kein allgemeines Evaluationskonzept<br />

eingebettet. Auch im Abschlussbericht<br />

der Friedens- und Sicherheitspolitischen<br />

Kommission von<br />

Bündnis 90/Die <strong>Grüne</strong>n ist die Aufarbeitung<br />

der Regierungsbeteiligung nur<br />

DIE MITGLIEDER DER FRIEDENSPOLITISCHEN KOMMISSION DER GRÜNEN JUGEND<br />

BILD: GRÜNE JUGEND<br />

ein Teilaspekt.<br />

An vielen Stellen wird durch eine<br />

kritische Bilanz des Vergangenen der<br />

Rahmen für eine eventuelle neue Regierungsbeteiligung<br />

verbessert. Ein Beispiel<br />

ist die Beteiligung am Krieg im<br />

Kosovo 1999, eine der <strong>Grüne</strong>n Kerndebatten.<br />

Der Abschlussbericht der Kommission<br />

hat eine gewisse Überforderung<br />

der Regierung festgestellt. Durch<br />

den starken internationalen Druck gelang<br />

es zunächst nicht, den Kurs, der<br />

bereits auf eine deutsche Kriegsbeteiligung<br />

gerichtet war, noch umzukehren.<br />

Der außenpolitische Wandel, den die<br />

<strong>Grüne</strong>n in ihrem Wahlprogramm 1998<br />

noch gefordert hatten, blieb aus, auch<br />

wenn die Bundesregierung – insbesondere<br />

Joschka Fischer – im weiteren Verlauf<br />

des Krieges vermittelnd eingreifen<br />

konnte. Erst wenn die Fehler von<br />

damals analysiert sind, werden sie bei<br />

einer künftigen Regierungsbeteiligung<br />

ausbleiben.<br />

S elbstverständlich hat die Kommission<br />

der <strong>Grüne</strong>n <strong>Jugend</strong><br />

auch Empfehlungen aus ihren Erkenntnissen<br />

abgeleitet. So muss das Primat<br />

des Zivilen zur Richtschnur <strong>Grüne</strong>r Außenpolitik<br />

werden, die Abrüstung vorangetrieben<br />

und eine globale Friedensordnung<br />

entwickelt werden, die rein<br />

militärische Bündnisse wie die NATO<br />

überflüssig macht. Natürlich muss<br />

Deutschland Vorreiter einseitiger Abrüstung<br />

sein, die Bundeswehr verkleinern<br />

und die Wehrpflicht abschaffen.<br />

Die <strong>Grüne</strong>n müssen aber auch an sich<br />

selbst arbeiten: eine Personalpolitik,<br />

die wie zwischen 1998 und 2002 fast<br />

das gesamte außenpolitische Spitzen-<br />

personal verschleißt, sollte vermieden<br />

werden, ebenso eine Kommunikation,<br />

die durch Geschichts- und Moralbezüge<br />

belastet ist.<br />

www.gruene-jugend-nrw.de bei GRÜNS<br />

<strong>02.2008</strong><br />

D ie<br />

wichtigste Erkenntnis aber<br />

lautet: die Debatte vor Ort<br />

muss in Schwung kommen. Der Abschlussbericht,<br />

der in Kürze über den<br />

Bundesverband zu beziehen sein wird,<br />

kann dabei für die <strong>Grüne</strong> <strong>Jugend</strong> hilfreich<br />

sein, um den Diskurs anzustoßen.<br />

Auch die Mitglieder der Kommission<br />

können angefragt werden, die<br />

Debatte vor Ort mit anzustoßen und<br />

über die Arbeitsergebnisse zu berichten.<br />

über die Friedenspolitische<br />

Kommission: HTTP://WWW.GRUENE-<br />

JUGEND.DE/AKTUELLES/SHOW/418162.<br />

HTML<br />

Dort gibt es auch den gesamten<br />

Bericht (144 empfehlenswerte<br />

Seiten) der Friedenspolitischen<br />

Kommission der <strong>Grüne</strong>n <strong>Jugend</strong><br />

zum Herunterladen.<br />

Matthi Bolte<br />

(22) kommt<br />

aus Bielefeld<br />

und hat sich<br />

in der<br />

Friedenspolitis<br />

chen<br />

Kommission<br />

mit alten <strong>Grüne</strong>n Programmen, der<br />

<strong>Grüne</strong>n Personalpolitik und <strong>Grüne</strong>n<br />

Strukturen beschäftigt.


magazin der grünen jugend nrw<br />

Mona Meurer<br />

Bericht aus Brüssel<br />

W ährend<br />

der Großkonzern als<br />

Profiteur einer ungerechten<br />

Globalisierung in aller Munde ist,<br />

wird Afrika als Opfer der globalen EU-<br />

Handelspolitik systematisch – und immer<br />

mehr unter öffentlicher Beachtung<br />

– seiner natürlichen Ressourcen<br />

beraubt.<br />

Frithjof Schmidt, Europaabgeordneter<br />

aus <strong>NRW</strong>, setzt sich im EUROPÄI -<br />

SCHEN PARLAMENT in Brüssel für Fairen<br />

Handel und ein soziales Europa<br />

ein. Der ungerechte Welthandel im<br />

Kontext des Nord-Süd-Konfliktes ist<br />

ein Kernaspekt grüner Politik in Europa.<br />

Doch mangelt es auch innerhalb Europas<br />

an sozialer Gerechtigkeit.<br />

H inter der europäischen Einigung<br />

stand, neben der Sicherung<br />

des Friedens, stets auch der Gedanke<br />

der Verbreitung sicheren<br />

Wohlstands, angetrieben durch das europäische<br />

Wirtschaftswunder. Doch Europas<br />

Bürger haben keineswegs in<br />

dem Maße soziale Teilhaberechte, wie<br />

die Gründerväter der EU dies vorsahen.<br />

Soziale Gerechtigkeit ist ein oft<br />

bemühtes politisches Schlagwort – europäische<br />

Realität ist sie nicht.<br />

Im Januar 2008 schloss der Handyhersteller<br />

Nokia sein Werk in Bochum<br />

– über 2000 entlassene Mitarbeiter<br />

und Spekulationen über unverdiente<br />

EU-Subventionen sind die Folgen. Bei<br />

aller Verantwortung des Konzerns, ist<br />

sein Handeln doch lediglich Symptom<br />

einer gegenwärtigen Entwicklung, die<br />

Staaten zu reinen Standortkonkurrenten<br />

degradiert, welche in einem aussichtslosen<br />

race to the bottom um die<br />

Gunst großer Firmen ringen, die Investitionen<br />

und Arbeitsplätze ins Land<br />

bringen sollen. Dabei bleiben Arbeitsstandards<br />

immer mehr auf der Strecke,<br />

ebenso wie die soziale Sicherung. Der<br />

Name dieses Phänomens: Globalisierung.<br />

Eine der Grundlagen <strong>Grüne</strong>r Europapolitik<br />

ist die Vision eines europäischen<br />

Kontinents sozialer Gerechtigkeit,<br />

in dem Firmen wie Nokia nicht<br />

die Regierungen der EU-Länder an<br />

der Nase herumführen.<br />

Der Wandel zu einem sozialen<br />

und nachhaltig wirtschaftenden Europa<br />

gestaltet sich – natürlich – merklich<br />

schwierig: So hat die EU keinerlei<br />

Kompetenzen im Bereich der Steuern.<br />

EU-einheitliche Unternehmenssteuern<br />

sind also derzeit unmöglich, ebenso europaweite<br />

soziale Mindeststandards.<br />

Denn auch in der Sozialpolitik lassen<br />

sich die Nationalstaaten nur ungern<br />

von der EU Vorschriften machen –<br />

eben wegen der starken Standortkonkurrenz<br />

untereinander und mit anderen<br />

Weltregionen. Zu unterschiedlich<br />

sind die nationalen ökonomischen und<br />

sozialen Ausgangslagen, Paradebeispiel<br />

wurde hier im Januar Rumänien<br />

im Vergleich zu Deutschland.<br />

D och<br />

klar ist, dass die Standortkonkurrenz<br />

der Nationalstaa-<br />

ten, ihr Werben um globale Unternehmen,<br />

fatale Folgen hat: am Ende des<br />

„RACE TO THE BOTTOM“ stehen 27 Verlierer,<br />

gewinnen können nur die transnationalen<br />

Konzerne – und die Rechte<br />

der Bürger Europas bleiben auf der<br />

Strecke. EU-Standards in der Arbeitspolitik<br />

könnten die Auswirkungen der<br />

Globalisierung mindern. Eine Idee hierbei<br />

ist ein europaweiter “Mindestlohn”,<br />

der aufgrund der unterschiedlichen<br />

Preisniveaus in den Volks-<br />

wirtschaften natürlich nicht europaweit<br />

gleich sein kann. Vielmehr sollte<br />

bei GRÜNS<br />

sich solch ein Minimaleinkommen am<br />

jeweiligen nationalen Durchschnittslohn<br />

orientieren.<br />

Transnationale Unternehmen stärker<br />

in die soziale Pflicht zu nehmen,<br />

ist Frithjofs Wunsch für eine europäische<br />

Sozialpolitik. Dazu müssen Arbeits-<br />

und Sozialstandards stärker in<br />

den europäischen Fokus und dürfen<br />

nicht mehr nur national betrachtet werden.<br />

Es gilt zu verhindern, dass soziale<br />

Sicherung in Europa unter die Räder<br />

einer ungerechten Globalisierung<br />

gerät und die EU damit ihre Akzeptanz<br />

in der Bevölkerung verliert.<br />

D ie Außenwirtschaftspolitik der<br />

EU orientiert sich zu wenig an<br />

entwicklungspolitischen Leitlinien –<br />

und treibt dadurch die ungerechte Globalisierung<br />

voran, unter der sie innnereuropäisch<br />

leidet. Während europäi-<br />

KRITISIERT DIE AUSSENWIRTSCHAFTSPOLI-<br />

TIK DER EU: DAS EUROPAPARLAMENT.<br />

BILD: EUROPÄISCHES PARLAMENT<br />

sche Entwicklungshilfe weniger<br />

entwickelte Staaten voranbringen soll,<br />

wirft die Handelspolitik der EU mit<br />

den Ländern des Südens diese in ihrer<br />

Entwicklung weit zurück. Entwicklungsländer<br />

werden zu rechtlosen Res-<br />

18/19<br />

- seit 2004 grüner Abgeordneter im<br />

Europaparlament, vorher Vorsitzender<br />

von Bündnis 90/DIE GRÜNEN<br />

<strong>NRW</strong><br />

- Vizepräsident des Entwicklungsausschusses<br />

und Mitglied im Handelsausschuss<br />

- Themenschwerpunkte: europäische<br />

Entwicklungspolitik, FairTrade,<br />

Menschenrechte, EU-Strukturpolitik<br />

- Frithjofs Lebensmotto: „Das Leben<br />

ist zu kurz für schlechte Weine.“<br />

sourcenlieferanten degradiert, die Produktentwicklung<br />

und der technische<br />

Fortschritt finden in Europa statt.<br />

In ihren Partnerschaftsabkommen<br />

mit Entwicklungsländern setzt die Union<br />

immer wieder den Süden benachteiligende<br />

Bedingungen durch, in deren<br />

Folge europäische Unternehmen<br />

die Lebensgrundlagen der Menschen


vor Ort rücksichtslos ausbeuten dürfen.<br />

Derzeit ist die EU Ziel von rund<br />

80% der westafrikanischen Exporte<br />

im Bereich Holz und Fisch. Als Hauptabnehmer<br />

hat die EU hier eine soziale<br />

und ökologische Verantwortung zum<br />

nachhaltigen Wirtschaften. Die Volkswirtschaften<br />

etwa Ghanas oder des Senegals<br />

sind in hohem Maße abhängig<br />

von der Fischerei als Quelle von Nahrung,<br />

als Exportgut und als Wirtschaftszweig,<br />

der Arbeitsplätze stellt.<br />

Doch europäische Handelsabkommen<br />

mit Afrika haben besonders im Bereich<br />

von Forstwirtschaft und Fischerei<br />

oft die totale Ausbeutung dieser<br />

Ressuorcen zur Folge - und damit die<br />

Zerstörung der Umwelt und der nationalen<br />

Ökonomie.<br />

Eine Studie der Internationalen Organisation<br />

für Migration (IOM) vom<br />

September 2007 belegt in Bezug auf<br />

den Senegal einen direkten Zusammenhang<br />

zwischen dem Niedergang der lokalen<br />

Fischerei-Industrie und verstärkter<br />

Migration. Die vielen afrika-<br />

nischen Flüchtlinge, die an den Außengrenzen<br />

Europas zum Teil mit roher<br />

Gewalt vom europäischen Wohlstand<br />

ausgeschlossen werden, sind auch Folge<br />

der ungerechten Handelspartnerschaften.<br />

D as Problem: Außenhandel und<br />

Entwicklungspolitik sind voneinander<br />

getrennte Politikfelder, die<br />

nicht gegenseitiger Kontrolle unterliegen.<br />

Doch den europäischen Außenhandel<br />

will Frithjof Schmidt nicht länger<br />

unabhängig von EU-Entwicklungspolitik<br />

betrachtet wissen – zu<br />

groß sind die Auswirkungen, beispielsweise<br />

der Fischereipolitik der<br />

Union auf Entwicklungsländer der<br />

Südhalbkugel. Es braucht daher einen<br />

EU-internen Kontrollmechanismus,<br />

zum Beispiel eine parlamentarische<br />

Kommission, die die verschiedenen<br />

außenpolitischen Politikfelder der EU<br />

auf ihre entwicklungspolitischen Auswirkungen<br />

hin abklopft. Bis jetzt haben<br />

Abgeordnete des Entwicklungsaussschusses,<br />

dessen Vizepräsident<br />

Frith- jof ist, wenig Einfluss auf wichtige<br />

Wirtschaftsthemen, die zum Beispiel<br />

im Fischereiausschuss des Parlaments<br />

verhandelt werden.<br />

g l o s s a r<br />

Das PARLAMENT DER EUROPÄISCHEN<br />

UNION (EU) ist das einzige direkt<br />

gewählte Organ der EU. Die fast 800 Abgeordneten,<br />

entsandt von nationalen Parteien,<br />

haben derzeit noch viel zu wenig<br />

Kompetenzen, weshalb das Parlament zu<br />

häufig als EU-interne Opposition, denn<br />

als Dgesetzgebendes Organ fungiert.<br />

er „RACE TO THE BOTTOM“ bezeichnet<br />

den Wettlauf der Nationalstaaten<br />

um die Gunst transnationaler Unternehmen.<br />

Der „Gewinner“ kann dabei nur<br />

der Staat mit den schlechtesten Arbeitsund<br />

Lebensbedingungen für die Bürger<br />

sein – denn miserable Sozial-, Umwelt-,<br />

und Arbeitsstandards sind wesentliche<br />

„Standortfaktoren“. Verlierer sind also immer<br />

Bürgerinnen und Bürger<br />

D amit sich die junggrüne Arbeit<br />

in <strong>NRW</strong> nicht allein auf die<br />

Landesmitgliederversammlungen (LM-<br />

Ven) beschränkt, wurde im November<br />

2005 ein neues Gremium für die <strong>Grüne</strong><br />

<strong>Jugend</strong> eingeführt: der Basisrat. Dieser<br />

ist seit seiner ersten Sitzung 2006<br />

in Dortmund das höchste Beschluss<br />

fassende Organ zwischen den LM-<br />

Ven. Hauptsächlich dient er dazu, Basisgruppen<br />

zu vernetzten, zu informieren<br />

und Aktionen zu planen – deshalb<br />

auch der Name Basisrat.<br />

D ie<br />

Treffen des Basisrates ähneln<br />

einer LMV, nur in wesentlich<br />

kleinerem Rahmen. Eine Versammlung<br />

dauert meist einen<br />

Vormittag und umfasst in der Regel<br />

Workshops zum Tagesthema und eine<br />

Sitzung auf der, wie auf der LMV, Informationen<br />

ausgetauscht, kleinere Sachen<br />

bestimmt und Vorträgen gehalten<br />

werden. Ein Präsidium, das zu<br />

Anfang jedes Jahres gewählt wird, or-<br />

ganisiert und leitet die Treffen.<br />

U nabhängig von seiner Größe stehen<br />

jedem Kreisverband zwei<br />

quotierte Stimmen bei den Abstimmungen<br />

im Basisrat zu. Dazu sollten vor<br />

Ort zwei Delegierte gewählt werden,<br />

die dann stimmberechtigt an den Treffen<br />

teilnehmen und wenn nötig das<br />

Wort für die im Kreisverband vertretenen<br />

Basisgruppen ergreifen. Beschlüsse<br />

des Basisrates sind meist relevant<br />

für die kommende LMV.<br />

Eingeladen zum Basisrat sind neben<br />

den stimmberechtigten Delegierten<br />

der Basisgruppen auch alle anderen<br />

Mitglieder der <strong>Grüne</strong>n <strong>Jugend</strong>, die<br />

sich über die Treffen mit anderen Junggrünen<br />

vernetzen und austauschen wollen<br />

oder einfach an den spannenden<br />

Vorträgen und Workshops im Rahmen<br />

des Basisrates teilnehmen wollen.<br />

DER ERSTE BASISRAT 2006 IN DORTMUND<br />

BILD: GRÜNE JUGEND <strong>NRW</strong><br />

Was ist<br />

eigentlich der Basisrat?<br />

T reffen des Basisrates finden –<br />

nach dem Vorbild der LMVen –<br />

dreimal im Jahr statt und sind immer<br />

eine gute Gelegenheit, die anderen<br />

grünen <strong>Jugend</strong>lichen des Landes kennen<br />

zu lernen.<br />

Der nächste Basisrat ist am<br />

21.6.2008 in Oberhausen geplant. Das<br />

Thema und weitere Informationen<br />

werden zeitnah auf der Homepage der<br />

<strong>Grüne</strong>n <strong>Jugend</strong> bekannt gegeben.<br />

www.gruene-jugend-nrw.de bei GRÜNS<br />

<strong>02.2008</strong>


magazin der grünen jugend nrw<br />

Franziska Richter<br />

Obstbäume statt Braunkohle!<br />

W er Matthias Scharpenberg,<br />

der bei der Protestaktion teilgenommen<br />

hat, interviewen will, muss<br />

sich warm anziehen – er arbeitet bei<br />

Wind und Wetter auf dem freitäglichen<br />

Biomarkt am Domplatz in Münster.<br />

Während er die Kundschaft mit<br />

köstlichem Käse versorgt, stehe ich bibbernd<br />

vor Kälte daneben (ich habe<br />

mich natürlich nicht warm angezogen),<br />

nur gewärmt von einer riesigen<br />

Portion Kartoffeln mit dicken Bohnen<br />

vom Stand nebenan.<br />

:> <strong>krass</strong>: Matthias, du warst bei<br />

der Besetzung der BUND-Obstwiese<br />

im Januar dabei. Gegen was genau<br />

richtete sich diese Aktion?<br />

Matthias: Die Obstwiese, die dem<br />

BUND gehört, sollte an den Energiekonzern<br />

RWE abgetreten werden. Die<br />

ganze Gegend rund um die Wiese<br />

wird für Braunkohletagebau genutzt<br />

und der Fortbestand des Grundstücks<br />

des BUND hätte Produktivitätseinbußen<br />

für den Energiekonzern zur Folge.<br />

Falls dann die Bagger weiter vorrücken<br />

und damit die Obstwiese tatsächlich<br />

zu einer Insel mitten im Braunkohletagebau<br />

machen würden, wäre<br />

dies ein Sicherheitsrisiko für Menschen<br />

auf dem Obstwiesengelände, da<br />

es jederzeit zu Erdrutschen kommen<br />

könnte. Daher wollte RWE das Grundstück<br />

haben.<br />

Das heißt, der BUND wurde<br />

zwangsenteignet?<br />

Das ist so nicht ganz richtig. Die Wiese<br />

bleibt weiterhin Eigentum des<br />

BUND, aber der Besitz fällt RWE zu.<br />

Das heißt, sie haben die Nutzrechte<br />

für das Grundstück. Nicht nur wir sind<br />

Braunkohle ist einer der klimaschädlichsten<br />

Energieträger, weil bei ihrer<br />

Verbrennung mit. 800 Gramm pro Kilowattstunde<br />

besonders viel CO2 ausgestoßen<br />

wird. Weitere Umweltschäden<br />

entstehen beim Tagebau zur<br />

Gewinnung der Kohle – ganze Landschaftsstriche<br />

werden umgegraben<br />

und der Wasserspiegel abgesenkt. Zudem<br />

werden Menschen zwangsumgesiedelt<br />

oder –enteignet und der Feinstaub<br />

aus den Kraftwerken stellt ein<br />

Gesundheitsrisiko dar. Trotzdem setzen<br />

Energiekonzerne wie RWE weiterhin<br />

auf Braunkohle.<br />

davon betroffen, es wurden schon ganze<br />

Dörfer „evakuiert“ oder zwangsumgesiedelt.<br />

Möglich wird das durch altes<br />

preußisches Bergrecht von 1865,<br />

das solche „Enteignungen“ erlaubt,<br />

wenn die Erschließung volkswirtschaftlich<br />

wichtiger Güter damit verbunden<br />

ist ...<br />

... die dann kommerzialisiert werden<br />

und das Klima schädigen.<br />

Richtig. Dieses Gesetz ist einfach so<br />

veraltet, dass wir unsere Aktion des-<br />

halb auch nicht als rechtswidrige Besetzung<br />

aufgefasst haben. Und die Bevölkerung<br />

dort sieht dies ähnlich. Für sie<br />

geht es um persönlichen Schicksale<br />

und zu geringe Entschädigungszahlungen.<br />

Wir haben deshalb auch sehr viel<br />

Unterstützung von den Anwohnern bekommen.<br />

Die brauchtet ihr doch bestimmt<br />

auch – es muss ja bitterkalt und ungemütlich<br />

gewesen sein. Wie habt<br />

ihr denn so eure Tage im Camp verbracht?<br />

Naja, es war schon ziemlich kalt. Ich<br />

war insgesamt fünf Tage dort und da<br />

hat es morgens auch ordentlich gefroren<br />

... um uns ein bisschen warm zu<br />

halten und kochen zu können, hatten<br />

wir eine Feuerjurte, also ein nach<br />

oben hin offenes Zelt, in dem ein Feuer<br />

brennt. An diesem Ort spielte sich<br />

natürlich besonders abends das Campleben<br />

ab. Außerdem hatten wir noch<br />

ein Küchenzelt und natürlich Schlafzelte.<br />

Ein Plumpsklo haben wir uns einfach<br />

selbst gegraben.<br />

Die meiste Zeit des Tages haben<br />

wir uns am Feuer aufgehalten und<br />

auch viel gegessen, bei der Kälte hast<br />

du eigentlich immer Hunger. Ich hatte<br />

mir sogar was zum Lernen für die Uni<br />

mitgenommen, aber dazu bin ich dann<br />

wegen der Kälte nicht gekommen.<br />

Hattet ihr auch Besuch?<br />

Ja, besonders am Wochenende waren<br />

viele Leute da. Neben den Anwohnern<br />

kultur & gesellschaft<br />

und Interessierten sind auch viele Journalisten<br />

gekommen, von ARD, ZDF,<br />

privaten Sendern, 1live, dpa, da war alles<br />

dabei. Wir haben echt viel Aufmerksamkeit<br />

erzielt, was uns natürlich<br />

MATTHIAS SCHARPENBERG BEI DER AR -<br />

BEIT BILD: FRANZISKA RICHTER<br />

freut, denn sonst denkt eigentlich niemand<br />

über die Menschen nach, die<br />

vor Ort mit der Landschaftsverwüstung<br />

leben müssen. Und natürlich hatten<br />

wir auch Besuch von der Polizei ...<br />

Gab es Konfrontationen oder Auseinandersetzungen?<br />

Die Polizei war eigentlich ziemlich kooperativ,<br />

die haben auch versucht, zwischen<br />

uns und dem RWE zu vermitteln.<br />

Auch bei der Räumung, bei der<br />

ich allerdings nicht mehr dabei war,<br />

ist alles recht friedlich abgelaufen.<br />

Und wie hat sich RWE verhalten?<br />

Kam da mal jemand vom Konzern<br />

zu euch?<br />

Nein, die haben sich auf der Obstwiese<br />

nicht blicken lassen. Aber es waren<br />

Wachmänner dort, die an den Wällen<br />

20/21<br />

patrouilliert haben.<br />

An den Wällen?<br />

Ja, RWE hatte mit Baggern Wälle aufgeschaufelt,<br />

um den Zugang zur Wiese<br />

zu erschweren. Es war nur noch ein<br />

Zugang frei. Aber wir haben unser Essen<br />

und das ganze Zubehör einfach<br />

über die Wälle 'rüber getragen.<br />

Trotzdem, ganz schön aggressives<br />

Vorgehen! Ich habe gelesen, dass<br />

die nach der Räumung sofort alles<br />

platt gemacht haben.<br />

Ja das stimmt, sie haben alle Bäume<br />

umgewalzt. Uns war auch im Vorhinein<br />

klar, dass das so ausgehen würde.<br />

Die Aktion war aber schon sehr gelungen,<br />

weil sie so viel Aufmerksamkeit<br />

erzielt hat. Demnächst läuft auch noch<br />

eine Sendung auf dem Radiosender<br />

1live darüber.<br />

Gab es denn auch etwas, was nicht<br />

so gut gelaufen ist?<br />

Wenn du so fragst – es hat mich schon<br />

ein bisschen gewundert, dass nicht<br />

mehr Leute zu uns gekommen sind,<br />

nicht um uns zu besuchen, nein, um<br />

mit uns die Wiese zu besetzen. Dabei<br />

wussten viele ja von der Aktion, es<br />

war groß in allen Medien zu lesen.<br />

Mit dem Thema Klimaschutz kannst<br />

Du ja schon eine Menge Leute erreichen.<br />

Aber es reicht eben nicht, alle<br />

paar Jahre grün zu wählen, um das Klima<br />

zu schützen, man muss auch mal<br />

in der Kälte für die Sache kämpfen.<br />

Ich hätte mir gewünscht, dass mehr<br />

Leute genau dazu bereit gewesen wären.<br />

Du scheinst ja schon sehr naturverbunden<br />

zu sein – ist es das, was dich<br />

zur Arbeit im BUND motiviert?<br />

Auf jeden Fall. Neben dem Klimaschutz<br />

ist es mein zentrales Anliegen,<br />

die Leute von einem anderen Lebensstil<br />

zu überzeugen und den auch selber<br />

vorzuleben. Ich bin vor etwa einein-


halb Jahren zum BUND gekommen<br />

und habe am Anfang Kindergruppen<br />

in der Natur angeleitet. Und letztes<br />

Jahr habe ich zusammen mit einem<br />

Freund im Rahmen des Projektes<br />

„Land der Kontraste“ für den BUND<br />

ein ganz besonderes Projekt gemacht:<br />

Den Lauf der Kontraste. Der<br />

begann auch bei der Obstwiese, die<br />

ja in der Nähe von Köln ist, und endete<br />

bei einer Windkraftanlage im<br />

Paderborner Land.<br />

Ihr seid die ganze Strecke gelau-<br />

fen?<br />

Ja, 400 Kilometer, barfuß und ohne<br />

Geld. Unterwegs sind wir natürlich<br />

vielen Leuten begegnet und mit ihnen<br />

ins Gespräch gekommen. Wir haben<br />

Diskussionen geführt, auf Umweltschutzprojekte<br />

und Umwelt-<br />

sünden aufmerksam gemacht und haben<br />

die Menschen aus ihrem Alltagstrott<br />

herausgerissen. Die Menschen<br />

verbindet das Streben nach Glück<br />

und damit verbundene Werte. Besonders<br />

Gruppen, die sich um die Umwelt<br />

kümmern, haben diese Werte<br />

bei ihrer praktischen Umsetzung im<br />

Auge. Die Erkenntnis für die gemeinsame<br />

Sache einzustehen und nicht<br />

nur dem egoistischen Glück hinterherzulaufen,<br />

gilt es zu fördern und zu<br />

fordern.<br />

Franziska Richter<br />

"Lachen ist die<br />

subversivste aller<br />

Waffen" (Marjane Satrapi)<br />

W as<br />

weißt du über den Iran?<br />

Dass die Frauen Kopftücher<br />

tragen, Benno Ohnesorg am Tag des<br />

Schahbesuchs erschossen wurde und<br />

Ahmadinedschad Atomkraft mag? Ist<br />

das alles? Dann kann dieser Comic-<br />

Film dir sicher weiterhelfen ...<br />

Der französische Trickfilm „Persepolis“<br />

stammt aus der Feder der Exil-<br />

Iranerin Marjane Sartrapi, die erst in<br />

Wien lebte und inzwischen nach Frankreich<br />

emigriert ist. Er basiert auf dem<br />

gleichnamigen Comic, in dem Sartrapi<br />

ihre <strong>Jugend</strong>erlebnisse verarbeitete.<br />

Der Film erzählt die Geschichte<br />

des Mädchens Marjane, das als Kind liberaler<br />

Eltern in Teheran aufwächst.<br />

Als es acht ist, geht der Schah ins<br />

Exil. Die Familie hat große Hoffnungen<br />

in die Zukunft, nachdem das diktatorische<br />

Regime des Schahs beendet<br />

ist. Doch schon bald werden diese<br />

Hoffnungen zunichte gemacht, als im<br />

Zuge der Revolution 1979 die islamische<br />

Republik ausgerufen wird. Die antiwestliche,<br />

sittenstrenge und frauenfeindliche<br />

Ideologie des Gottesstaats<br />

widerspricht dem Freigeist, zu dem<br />

Marjane erzogen wurde und so handelt<br />

sie sich immer wieder Ärger ein,<br />

zum Beispiel wenn sie mit einem<br />

„Punk is not dead“-T-Shirt durch die<br />

Straßen läuft.<br />

Die Eltern beschließen, ihre Tochter<br />

nach Wien zu schicken, um ihr ein<br />

freies Aufwachsen zu ermöglichen.<br />

Doch nach einigen Jahren der Einsam-<br />

keit, in der sie ihre Pubertät nebst<br />

mancher Drogen-Eskapaden durchlebt,<br />

beschließt die junge Frau, dass<br />

sie lieber bei ihrer Familie sein möchte,<br />

als einsam frei zu sein. Einige Jahre<br />

versucht sie die Unterdrückungen<br />

zu ignorieren, und trotz der Sitten-<br />

wächterInnen und Demütigungen ein<br />

unbeschwertes Leben zu führen.<br />

Doch schließlich obsiegt ihr Freiheitswille<br />

und sie verlässt den Iran, um<br />

dauerhaft in Frankreich zu leben.<br />

In Zeiten immer realer wirkender<br />

Zeichentrickfilme aus dem Filmstudio<br />

Pixar ist Marjane Sartrapis Zeichenstil<br />

außergewöhnlich und angenehm<br />

altmodisch. Die Story des Films ist so<br />

traurig und lustig zugleich, dass keine<br />

Spezialeffekte nötig sind, um ihn zu<br />

einem Erlebnis zu machen. Die ganze<br />

Geschichte ist im klassischen Comicstil<br />

schwarz-weiß gezeichnet, lediglich<br />

die Rahmenhandlung, die in die<br />

Ereignisse einführt, ist farbig gehalten.<br />

Neben dem ästhetischen Anspruch<br />

besticht der Film besonders<br />

durch die geschichtlichen Hintergründe<br />

der aktuellen Situation im Iran, die<br />

man ganz nebenbei vermittelt bekommt,<br />

ohne dass man sich belehrt<br />

fühlen würde. Man spürt, was es bedeutet,<br />

in zentralen BürgerInnen- und<br />

Selbstbestimmungsrechten eingeschränkt<br />

zu werden, wenn Marjane<br />

vergeblich gegen das Kopftuch in der<br />

Uni protestiert oder die Gäste einer<br />

Party vor Angst fast sterben, weil die<br />

Amokh<br />

www.gruene-jugend-nrw.de kultur & gesellschaft<br />

<strong>02.2008</strong><br />

Franziska Richter<br />

D ieses leckere vegane Rezept<br />

aus Kambodscha ist nicht etwa<br />

einem Kochbuch entnommen, sondern<br />

hat über Mund-zu-Mund-Propaganda<br />

seinen weiten Weg von<br />

Südostasien nach Nordrhein-Westfalen<br />

angetreten ... es eignet sich wunderbar,<br />

um mit Freunden zu kochen,<br />

denn es ist einfach zuzubereiten und<br />

schmeckt herrlich exotisch.<br />

Ihr braucht:<br />

- 1-2 Tassen Naturreis<br />

- ca. 500 ml Kokosmilch<br />

- ca. 250 ml Wasser für den Eintopf<br />

und Wasser zum Reiskochen<br />

- Pilze (frisch oder aus der Dose, am<br />

besten sind asiatische Strohpilze)<br />

- Gemüse (eine hervorragende Kombination<br />

sind Blumenkohl und Paprika,<br />

jedes andere Gemüse, am besten saisonal,<br />

geht aber auch)<br />

- 2-3 getrocknete Chilischoten<br />

- 2 Stangen Zitronengras (bekommt<br />

man im Asia-Laden)<br />

- frischen Ingwer<br />

- ca. 3 TL Kurkuma<br />

Sittenpolizei Alkohol bei ihnen finden<br />

könnte. Und doch hinterlässt der<br />

Film nicht nur bedrückende Impressionen<br />

sondern zeigt uns: Lachen ist<br />

die subversivste aller Waffen.<br />

Persepolis, seit Ende 2007 in den<br />

Kinos, gibt es bald auch auf DVD.<br />

- Kreuzkümmel<br />

- 2-3 Knoblauchzehen<br />

1. Naturreis in Wasser einweichen<br />

2. In der Zwischenzeit das Gemüse<br />

klein schneiden, den Knoblauch fein<br />

hacken und den Ingwer reiben<br />

3. Zitronengras von seiner Außenhaut<br />

befreien und in der Mitte durchknicken.<br />

4. Nun den Reis mit doppelter Wassermenge<br />

köcheln lassen.<br />

5. Die Kokosmilch, 250 ml Wasser<br />

und Kurkuma zusammen aufkochen<br />

lassen. Dann das zerknickte Zitronengras<br />

als ganzes in den Topf geben. Anschließend<br />

den geriebenen Ingwer<br />

Knoblauch dazugeben und schließlich<br />

die Chilis hineinkrümeln.<br />

6. Nun das Gemüse hinzufügen. Dabei<br />

die unterschiedlichen Garzeiten<br />

beachten und die unterschiedlichen<br />

Gemüsesorten dementsprechend nacheinander<br />

hinzugeben.<br />

7. Wenn das Gemüse gar ist, noch mit<br />

Salz und Kreuzkümmel würzen und<br />

das Zitronengras herausnehmen. Der<br />

Eintopf ist nun fertig und kann zusammen<br />

mit dem Reis serviert werden.


magazin der grünen jugend nrw<br />

Marie Brammer<br />

Frieden schaffen - lieber<br />

ohne Waffen?<br />

D as Cover der :> <strong>krass</strong>-Aprilausgabe<br />

2007 zierte das Tarnfleckmuster<br />

der Bundeswehr. Der<br />

Grund: Diskussion über das deutsche<br />

Engagement in Afghanistan, das durch<br />

den Einsatz deutscher Tornados wieder<br />

in den Fokus gerückt war. Unter<br />

dem Titelthema „Frieden“ waren damals<br />

Pro und Contra Artikel für Militäreinsätze<br />

zu finden.<br />

Ein eventueller Bundeswehreinsatz<br />

im Süden des Landes hat Afghanistan<br />

Anfang 2008 erneut in die politische<br />

und öffentliche Diskussion<br />

gebracht. Die Flut entsprechender Stellungnahmen<br />

aus Politik und Presse<br />

lässt mensch bei dem Versuch einer<br />

Meinungsbildung schnell verzweifeln.<br />

Unabhängig davon, wie ihr zu dem<br />

vom Bundestag gebilligten Einsatz der<br />

Bundeswehr in Afghanistan steht - um<br />

mitdiskutieren zu können, hier ein wenig<br />

zusammengetragenes Hintergrundwissen.<br />

A ussprüche<br />

wie „Die Bundeswehr<br />

ist überflüssig!“ oder „Es<br />

gibt keinen anderen Weg, als den Einsatz<br />

der Bundeswehr“ sind populistisch,<br />

sie können keine Basis für eine<br />

ausgewogene Diskussion sein.<br />

Deutschland ist mit mehr als<br />

3.000 Soldaten der drittgrößte Truppensteller<br />

der International Security Assistance<br />

Force (ISAF), die im Auftrag<br />

der NATO in Afghanistan im Einsatz<br />

ist.<br />

„Die internationale Truppe ISAF,<br />

deren Aufstellung der Weltsicherheitsrat<br />

am 20. Dezember 2001 beschloss,<br />

soll im Auftrag der Vereinten Nationen<br />

die afghanische Regierung bei der<br />

Wahrung der Menschenrechte sowie<br />

bei der Herstellung und Wahrung der<br />

inneren Sicherheit unterstützen. Der<br />

Kampf gegen das terroristische Netzwerk<br />

Al-Qaida und gegen die Taliban<br />

ist Aufgabe der Operation Enduring<br />

Freedom (OEF). Mandat und Organisation<br />

der Friedenstruppe ISAF sind davon<br />

strikt getrennt.“ (www.bundeswehr.de).<br />

Bisher sind deutsche<br />

Truppen nur im „friedlicheren“ Norden<br />

des Landes stationiert. Nun soll<br />

ein Kampfverband der Bundeswehr<br />

die Norweger bei der schnellen Eingreiftruppe<br />

(Quick Reaction Force)<br />

der NATO im Norden ablösen – und<br />

im Notfall NATO-Partnern im umkämpften<br />

Süden helfen.<br />

Hinterfragt werden vor allem die<br />

Beweggründe, die 2001 zu einer Entscheidung<br />

für eine militärische Intervention<br />

in Afghanistan angeführt wurden<br />

und ob diese durch die aktuellen<br />

Entwicklungen noch zu rechtfertigen<br />

sind. Die Argumentation des ehemaligen<br />

Verteidigungsministers Peter<br />

Struck, Deutschland werde am Hindukusch<br />

verteidigt, überzeugt nicht<br />

mehr. Zwei Drittel der Deutschen sind<br />

gegen die Entsendung einer Eingreift-<br />

ruppe in den Süden Afghanistans.<br />

A uch das Aufzeigen des Prinzips<br />

„NATO-Bündnisfall“ - einer<br />

für alle, alle für einen; alle NATO-Mitglieder<br />

für die USA, die in 9/11 den<br />

Grund für eine Terrorbekämpfung in<br />

Afghanistan sieht - reicht zur Rechtfertigung<br />

des deutschen „Mehr-Einsatzes“<br />

nicht mehr aus.<br />

Die Bedeutung der NATO und das<br />

Schlagwort „Bündnissolidarität“ sind<br />

Streitpunkt geworden. Zeit online<br />

spricht von einer „Scheinsolidarität,<br />

die aus Sicht der Amerikaner, Kanadier<br />

und Briten seit Jahren im Bündnis<br />

herrscht“ und einem „möglichen<br />

Bruch des NATO-Westens“. Andere<br />

Pressequellen formulieren <strong>krass</strong>er „Im<br />

Norden wird gebaut, im Süden wird geblutet.<br />

Auf die Dauer zerreißt das die<br />

Allianz“.<br />

Joschka Fischer schreibt in der<br />

Montagskolumne der „Zeit online“:<br />

„In Afghanistan geht es um sehr viel<br />

für die NATO, erstens um Sieg oder<br />

Niederlage am Boden. Und zweitens<br />

daher um die Zukunft des Bündnisses<br />

insgesamt. [...] Deutschland läuft seit<br />

langem Gefahr, als Hauptverantwortlicher<br />

für ein mögliches Scheitern der<br />

NATO in Afghanistan gesehen zu werden,<br />

das würde für die deutsche Außenpolitik<br />

den Maximalschaden bedeu-<br />

kultur & gesellschaft<br />

ten.“<br />

E benso diskutiert wird die generelle<br />

Notwendigkeit der NATO-<br />

Mitgliedschaft Deutschlands besonders<br />

unter dem Gesichtspunkt einer<br />

„amerikanischen Vorherrschaft“ im<br />

Bündnis. Dazu Feridun Zaimoglu, Mitglied<br />

der Deutschen Islamkonferenz:<br />

„[...] Die Amerikaner vertreten mit ihrer<br />

Imperialpolitik eigene Interessen<br />

und man darf sich auf keinen Fall zum<br />

Werkzeug dieser Politik machen.“ Damit<br />

spricht Zaimolglu aus, was viele<br />

nicht erst seit gestern denken. Solch kritische<br />

Stimmen sind in der Presse eher<br />

selten, was die oben erwähnte Einstellung<br />

der Bundesbürger nicht gerade repräsentiert.<br />

N eben Fragen nach dem Sinn<br />

und Grund der deutschen Beteiligung<br />

an ISAF steht die Frage nach<br />

dem weiteren Vorgehen im Raum. Erwartungsgemäß<br />

uneinig sind sich die<br />

Politiker und Journalisten auch bei<br />

dem Thema der militärischen Entwicklung<br />

des Einsatzes.<br />

Robert Zion betonte auf dem Afghanistan-Parteitag<br />

der <strong>Grüne</strong>n: „Der<br />

Krieg in Afghanistan ist militärisch<br />

nicht zu gewinnen“. Dies haben namenhafte<br />

Kenner des Landes von Anfang<br />

an prophezeit, auch aus historischer Erfahrung:<br />

die Briten haben im 19. und<br />

die Russen im 20. Jahrhundert katastrophale<br />

Niederlagen in Afghanistan erlitten.<br />

Auch Bernhard Gertz, Vorsitzender<br />

des Bundeswehr-Verbandes (einer<br />

gewerkschaftsähnlichen Berufsvertre-<br />

22/23<br />

tung der Soldaten) räumt ein, eine Stabilisierung<br />

des Landes sei bisher nicht<br />

gelungen. Mehr Kampftruppen für<br />

den Süden würden das Problem nicht<br />

lösen. Er weist auf das Ziel hin, Afghanistan<br />

nicht wieder zu einer terroristischen<br />

Operationsbasis werden zu lassen.<br />

Dies könne nur durch die<br />

Entwicklung der Staatlichkeit (Polizei,<br />

Verwaltung, Justiz, Streitkräfte) erreicht<br />

werden.<br />

Ü<br />

berraschend, aber wahr: Angelika<br />

Beer, sicherheitspolitische<br />

Sprecherin der <strong>Grüne</strong>n im Europaparlament,<br />

und Verteidigungsminister<br />

Franz-Josef Jung benutzen das gleiche<br />

Stichwort - „Strategiewechsel“, „Gesamtansatz“.<br />

Um der Verantwortung<br />

der Stabilisierung Afghanistans und<br />

der Entwicklung der Staatlichkeit<br />

nachzukommen, müsse eine Mischung<br />

aus Kampfeinsatz und Schutz<br />

sowie Hilfe zum Wiederaufbau praktiziert<br />

werden. In seiner Rede auf der<br />

Münchener Sicherheitskonferenz im<br />

Februar 2008 sagte Jung, erste Vorschläge<br />

für eine solche Gesamtstrategie<br />

seien auf einem informellen Treffen<br />

der Verteidigungs-minister der<br />

NATO schon unterbreitet worden.<br />

Man wolle bis zum NATO-Gipfel in<br />

April einen Plan erarbeiten.<br />

„Nachdem die USA die Taliban<br />

2001 erfolgreich bekämpft<br />

und vertrieben haben“ - diese<br />

Formulierung trifft die Lage nicht gerade<br />

treffend. Die Taliban, Al-Qaida<br />

sind immer noch präsent und wahrscheinlich<br />

mit einer noch so großen<br />

„Erweiterung des militärischen Einsat-


zes“ nicht zu bekämpfen. Afghanische<br />

Partisanen beherrschen große Teile<br />

des unwegsamen Südens, hier<br />

kommt es immer wieder zu Guerilla-<br />

Gefechten mit den ISAF-Truppen.<br />

Das Einflussgebiet der von den<br />

Amerikanern eingesetzten „Regierung“<br />

Karsai in Kabul endet an der<br />

Stadtgrenze der Hauptstadt. In den Provinzen<br />

herrschen „Warlords“, Stammesfürsten<br />

und ihre Clans, die den<br />

Drogenanbau und -handel kontrollieren.<br />

Die Heroinproduktion macht ca.<br />

37% des afghanischen Bruttoinlandsprodukts<br />

aus (New York Times), der<br />

Schlafmohnanbau ist wesentlicher<br />

Teil der Wirtschaft. Armut und Arbeitslosigkeit<br />

beherrschen das Bild des Landes.<br />

Unter der Bevölkerung besteht<br />

Angst mit ISAF zu kooperieren, fürchtet<br />

sie doch nach dem Abzug der Truppen<br />

aus der Region einen blutigen<br />

Konflikt mit zurück kehrenden Taliban.<br />

Immer wieder kommt es bei Angriffen<br />

der Amerikaner auf vermeintliche<br />

Taliban zu „Kollateralschäden“,<br />

ein Unwort, bezeichnet es doch die unschuldigen,<br />

zivilen Opfer militärischer<br />

Operationen.<br />

So verwundert es nicht, dass die afghanische<br />

Bevölkerung an den häufig<br />

als Besatzern empfundenen NATO-<br />

Soldaten zweifelt. Demokratie ist<br />

noch längst nicht in Afghanistan angekommen,<br />

der amerikanische Demokratieexport<br />

mehr oder weniger gescheitert.<br />

L ediglich<br />

ein Zehntel der Ausgaben,<br />

die der NATO-Militäreinsatz<br />

verursacht, werden in humanitäre<br />

Projekte für den Wiederaufbau des<br />

Landes investiert. Dieses Geld fließt<br />

in Nicht-Regierungsorganisationen<br />

(NGOs) und internationale Projekte,<br />

die sicherlich auch einen wichtigen<br />

Beitrag zu Stabilisierung leisten, nicht<br />

aber in die so viel gepriesene Entwicklung<br />

eines Staates.<br />

Die spärlich vorhandenen staatlichen<br />

Strukturen werden weder von<br />

den Afghanen selbst noch von den internationalen<br />

Geldgebern als verlässlich<br />

empfunden. Doch haben sie ohne<br />

ausländische Hilfe überhaupt eine<br />

Chance „verlässlich“ zu werden? Das<br />

Vertrauen und den Rückhalt der Bevölkerung<br />

zu gewinnen und zu stabili-<br />

sieren?<br />

Sehr schön die Formulierung eines<br />

Afghanen, des Schriftstellers Latif<br />

Pedram, der bis zu ihrer Zerstörung<br />

Direktor der Bibliothek von<br />

Baghlan war, 2005 in einem Artikel<br />

in „Le Monde“: „Der Staat? Da es<br />

ihn eigentlich nicht gibt, wissen die<br />

Einwohner nicht, an wen sie sich mit<br />

ihren alltäglichen Problemen wenden<br />

sollen: An den bewaffneten Gangsterboss<br />

des Viertels, den Drogenbaron,<br />

den Vertreter einer NGO oder doch<br />

an einen amerikanischen Soldaten?“<br />

Marie Brammer<br />

(16)<br />

kommt aus<br />

dem hübschen,unscheinbaren<br />

Heimerzheim<br />

und schaut<br />

auch mal gerne über den Tellerand<br />

hinweg nach Afganistan.<br />

Lea Gathen<br />

A nm. der Redaktion: Im folgenden<br />

wird der Begriff TürkIn im<br />

Sinne der ethnischen Zugehörigkeit benutzt,<br />

nicht im Sinne der Nationalzugehörigkeit.<br />

K onflikte<br />

Nationalstolz einmal anders<br />

zwischen ethnischen<br />

Gruppen gibt es überall, aber<br />

doch nicht in Deutschland, oder? Das<br />

dachte ich zumindest eine lange Zeit.<br />

Bis ich in meinem Umfeld das erste<br />

Mal mitbekam, dass manche der Menschen<br />

hier mit türkischem Migrationshintergrund<br />

sich als KurdIn bezeichnen<br />

– statt als TürkIn. Auf der<br />

anderen Seite avancierte „Kurde“ zum<br />

Top-Schimpfwort unter meinen türkischen<br />

MitschülerInnen. Wie sieht das<br />

eigentlich aus, der Umgang von KurdInnen<br />

und TürkInnen miteinander<br />

hier in Deutschland? Um das herauszufinden,<br />

traf ich mich mit Güllü Güler,<br />

Sprecherin der <strong>Grüne</strong>n Grevenbroich<br />

und Semih Yldirim, Schülersprecher<br />

der Europaschule in Köln, zu einem Interview.<br />

Vom Konflikt zwischen KurdInnen<br />

und TürkInnen in der Türkei habt<br />

ihr vielleicht schon mal in der Schule<br />

gehört oder in der Zeitung gelesen.<br />

Worum geht es da eigentlich und<br />

warum ist TürkIn nicht gleich TürkIn?<br />

Also in der Türkei sind verschiedene<br />

Ethnien vertreten. Die statistischen<br />

Zahlen über diese Gruppen variieren<br />

sehr stark, weil es keine offiziellen<br />

Zahlen gibt und viele Menschen nicht<br />

eindeutig zuzuordnen sind. „Demnach<br />

leben in der Türkei folgende Ethnien:<br />

70 bis 80 % Türken, ca. 20 bis 30 %<br />

Kurden, 2 bis 3 % Zaza, 2 % Araber,<br />

1 % Albaner, 0,5 % Tscherkessen, 0,5<br />

% Georgier sowie diverse andere ethnische<br />

Gruppen und Nationalitäten wie<br />

Abchasen, Aramäer, Armenier, Bosniaken,<br />

Bulgaren, Griechen, Lasen,<br />

Tschetschenen.“, schreibt Wikipedia.<br />

Auch unter den Türken gibt es verschiedene<br />

Völker wie die Krimtataren,<br />

Tataren, Mescheten und Tahtacı.<br />

Was die Religion betrifft, so sind nach<br />

offiziellen Statistiken 92,6 % der türkischen<br />

Bevölkerung Muslime. Davon<br />

sind etwa 65 bis 70 % Sunniten, die<br />

restlichen 30 bis 35 % Aleviten. Ein<br />

großer Unterschied der Aleviten gegenüber<br />

den Sunniten ist, dass sie den Koran<br />

nicht wörtlich auslegen.<br />

Zuerst habe ich mir von den beiden<br />

einmal erklären lassen, in welchen<br />

Regionen der Türkei besonders<br />

viele Kurden leben. Sowohl Güllüs<br />

als auch Semihs Familie kommen aus<br />

einer Stadt des geographischen Bereiches,<br />

auf den viele Kurden Besitzanspruch<br />

unter dem Name „Kurdistan“<br />

erheben, unter den übrigens auch Teile<br />

anderer Länder wie Irak, Iran und<br />

Syrien fallen. Die Karten über diesen<br />

Bereich weisen zum Teil sehr unterschiedliche<br />

Grenzen aus.<br />

Güllü: In der Türkei leben 20 Millionen<br />

KurdInnen. [Anm. der Red: es<br />

gibt 40 Millionen KurdInnen weltweit]<br />

Kann man grundsätzlich etwas darüber<br />

aussagen, wo die in Deutschland<br />

lebenden TürkInnen (einschließlich<br />

KurdInnen)<br />

herkommen?<br />

Das ist natürlich sehr unterschiedlich,<br />

aber es gibt schon Gebiete, wo viele<br />

Flüchtlinge herkommen. Dersim zum<br />

Beispiel ist eine Stadt, in deren Gebiet<br />

wirklich viele Menschen aus ihren<br />

Dörfern getrieben wurden, auch in<br />

letzter Zeit. Oder auch die Hauptstadt<br />

von Kurdistan, Dyarbakir, aus der Gegend<br />

sind viele Leute hier. Also es gibt<br />

viele Kurdenfamilien hier, weil ihre<br />

Dörfer damals vom Militär, naja leergeräumt,<br />

wurden. Sie mussten flüchten,<br />

es gab keinen anderen Ausweg.<br />

Also jetzt noch einmal generell zu<br />

diesem ethnischen Konflikt. Wenn<br />

man in der Türkei geboren ist, hat<br />

man aber schon die türkische<br />

Staatsbürgerschaft, oder?<br />

Ja, genau und im Ausweis ist man direkt<br />

als Moslem bekannt. Die Aleviten<br />

und die Christen wollen das eigentlich<br />

nicht und waren schon immer dagegen.<br />

In der deutschen Presse herrscht ja<br />

zum Teil ein wenig Uneinigkeit über<br />

die Stellung der PKK in der Türkei.<br />

Also aus der Kolumne „ein überflüssiger<br />

Krieg“ in der Frankfurter<br />

www.gruene-jugend-nrw.de kultur & gesellschaft<br />

<strong>02.2008</strong>


magazin der grünen jugend nrw<br />

Rundschau heißt es am 09.01.2008<br />

„Hinzu kommt, dass die Überreste<br />

der PKK heute von niemandem<br />

mehr unterstützt werden. […]<br />

Warum also kämpft die Türkei gegen<br />

Windmühlen?“ In einem Interview<br />

mit dem Kurdistan-Experten<br />

Hadsch-Hossein heißt es ebenfalls<br />

in der Frankfurter Rundschau am<br />

03.11.2007 „sie [die PKK] kann von<br />

heute auf morgen 50.000 Menschen<br />

auf die Straße bringen.“ Wie seht<br />

ihr das?<br />

Die PKK ist auf jeden Fall sehr stark<br />

in Kurdistan. In den kurdischen Dörfern<br />

z.B. auf die die Türkei Anschläge<br />

verübt hat oder plant ist das – ich sag<br />

mal so – die Leute habe keine Wahl,<br />

als zu den Waffen zu greifen, um nicht<br />

zu sterben.<br />

Semih: Naja ...<br />

Das ist aber so, oder?<br />

Sagen wir mal so, was von dem Medien<br />

berichtet wird, ist ja, dass keine Dörfer<br />

angegriffen werden, sondern nur<br />

Stützpunkte der PKK.<br />

Ja, aber dann fragt man sich warum<br />

so viele Zivilisten sterben, warum so<br />

viele Tiere umgebracht werden,<br />

warum jetzt wieder so viele Dörfer leergeräumt<br />

werden müssen, wenn es nur<br />

umso ein paar Stützpunkte geht.<br />

Es gibt ja auch so Leute, die vor der<br />

PKK flüchten.<br />

Ja natürlich gibt es auch Leute, die weder<br />

zur PKK, noch zum türkischen,<br />

zum iranischen oder zum syrischen<br />

Staat tendieren. Sie flüchten dann oft<br />

nach Europa, wo sie ihre Meinung<br />

über die PKK kund tun, dass sie ja so<br />

schlecht sei. Ich mein, ich bin selber<br />

auch nicht für einen Kampf mit Waffen,<br />

den die PKK jetzt führt. Ich bin selber<br />

nicht dafür, aber irgendwo wird<br />

man da natürlich schon psychisch beeinflusst,<br />

wenn man da geboren ist.<br />

Ich habe ja auch mit vielen Leuten Interviews<br />

geführt, die geflüchtet sind.<br />

Ich denke, es gibt keinen anderen Ausweg.<br />

Wenn dein Bruder, dein Vater<br />

und deine Schwester auch bei der<br />

PKK sind, und der Staat dich ständig<br />

aufgrund deiner Herkunft als Terrorist<br />

abstempelt, dann denkst du dir auch irgendwann:<br />

„Es reicht mir! Ich gehe in<br />

den Befreiungskampf!“<br />

Seht ihr denn die Möglichkeit, dass<br />

die betreffenden Gebiete in der Osttürkei,<br />

wo viele KurdInnen leben, irgendwann<br />

einmal eine Art autonomen<br />

Status erlangen und trotzdem<br />

noch Teil der Türkei bleiben? Jetzt<br />

ist die Lage natürlich noch sehr gespannt,<br />

aber wie könnte das in einigen<br />

Jahren aussehen?<br />

Ja, also es sitzen ja jetzt schon einige<br />

Kurden im Parlament, von der DTP,<br />

der Partei der demokratischen Gesellschaft.<br />

Die kurdischen Parlamentarier<br />

sind noch nie soweit gekommen.<br />

Ja, aber ich denke, dass sie sich eher<br />

von der PKK abgrenzen sollten.<br />

[Anm. der Red.: aufgrund technischer<br />

Schwierigkeiten mit dem Diktiergerät<br />

entspricht der nachfolgende Text<br />

nicht mehr Wort für Wort dem Original.]<br />

Sie haben nie gesagt, dass sie etwas<br />

mit der PKK zu tun haben und grenzen<br />

sich ja auch ständig davon ab. Sie<br />

setzen sich für das kurdische Volk ein.<br />

Und das ist wichtig, denn viele positive<br />

politische Schritte der türkischen Regierung<br />

beruhen nur auf ihrem Bestreben<br />

in die EU zu kommen.<br />

IM GESPRÄCH: GÜLLÜ GÜLER (LINKS) UND SEMIH YLDIRIM (RECHTS)<br />

Wie sieht es denn nun hier in<br />

Deutschland mit dem Konflikt aus?<br />

Du hast ja jetzt schon sehr deutlich<br />

gemacht, Güllü, dass in der ersten<br />

Generation aufgrund der individuellen<br />

historischen Erfahrungen sehr<br />

wohl ein Unterschied zwischen Kur-<br />

kultur & gesellschaft<br />

den und Türken gemacht wird. Wie<br />

sieht das denn mit <strong>Jugend</strong>lichen<br />

aus? Nehmen wir einmal das klassische<br />

Beispiel: Liebesbeziehungen.<br />

Wäre das ein Problem zwischen einem/r<br />

<strong>Jugend</strong>lichen aus einer türkischer<br />

Familie und einem/r <strong>Jugend</strong>lichen<br />

aus einer kurdischen Familie?<br />

Leider ja.<br />

Um mal eine Erfahrung aus meinem<br />

persönlichen Leben zu schildern, ich<br />

war mit einer Kurdin zusammen und ihre<br />

Eltern waren extrem dagegen. Ihr Vater<br />

hatte sich in der Türkei stark politisch<br />

engagiert und stand auch der<br />

PKK sehr nahe. Er hat mich von Anfang<br />

an abgelehnt, obwohl<br />

er mich nie kennen gelernt<br />

hat. Layla [Name geändert]<br />

„meine Freundin“<br />

kommt hier besser, find<br />

ich, hat mir erzählt, dass er<br />

mich zum Beispiel mit negativen<br />

Charakteren der<br />

Fernsehsendung Hatirla<br />

Sevgili, des türkischen Senders<br />

ATV verglichen hat.<br />

War sie denn Sunnitin?<br />

Nein, Alevitin. Letztendlich<br />

ist unsere Beziehung<br />

auch an diesen Problemen<br />

gescheitert. Tja, da kann<br />

man nichts machen.<br />

Wie ist das sonst so im Alltagsleben?<br />

Machen KurdInnen<br />

und TürkInnen<br />

denn nichts gemeinsam?<br />

Doch schon. Früher hatte<br />

ich auch einige türkische<br />

Freundinnen, aber dann ist das irgendwie<br />

immer schwieriger geworden. Die<br />

Mutter des einen Mädchens hat ihre<br />

Tochter sogar einmal gewarnt, ich könne<br />

sie auf falsche Gedanken bringen.<br />

Oder am 25.08.2007, da haben wir<br />

ein Konzert gemeinsam mit den Grü-<br />

24/25<br />

nen organisiert und wir haben auch eine<br />

ausdrücklich Einladung an einen<br />

türkischen <strong>Jugend</strong>verein geschickt,<br />

aber von denen ist keiner erschienen.<br />

Meinst du denn, es wären kurdische<br />

<strong>Jugend</strong>liche gekommen wenn jetzt<br />

beispielsweise die DITIB ein Konzert<br />

gemeinsam mit den JuSos organisiert<br />

hätte?<br />

Ich denke schon. Naja, zumindest manche.<br />

In Deutschland gab es ja Zeiten, in<br />

denen jüdische Geschäfte von nichtjüdischen<br />

Deutschen boykottiert<br />

wurden. Wie ist das mit türkischen<br />

und kurdischen Geschäften? Wird<br />

da bewusst ein Unterschied gemacht?<br />

Ja schon.<br />

Also bei uns in der Nachbarschaft gibt<br />

es Läden, die Kurden gehören und wir<br />

kaufen da ganz normal ein.<br />

Wie ist das denn mit den Moscheen?<br />

Also theoretisch können KurdInnen<br />

und TürkInnen doch der gleichen<br />

Glaubensrichtung angehören, weil<br />

sich die Bezeichnung nur auf die<br />

ethnische Zugehörigkeit bezieht,<br />

oder?<br />

Ja, das stimmt. Die Sunniten stellen<br />

die größte Religionsgruppe in der Türkei,<br />

viele darunter sind auch KurdInnen.<br />

Das Problem ist, dass viele TürkInnen<br />

Moscheen auch mit<br />

politischen Symbolen versehen, z.B.<br />

mit einer Flagge der Türkei. In so eine<br />

Moschee würde ich nicht gehen.<br />

Also habt ihr hier eure eigene kurdische,<br />

sunnitische Moschee?<br />

Ja!<br />

In Deutschland berichten die Medien<br />

ja im Moment sehr häufig über<br />

die Diskussion um neue Moscheebauten,<br />

die vorwiegend von der DI-<br />

TIB gebaut werden, wie z.B. in Duisburg<br />

oder Köln. Diese stehen laut


DITIB „allen offen“. Meint ihr,<br />

dass auch Kurden am Freitagsgebet<br />

teilnehmen werden?<br />

Unwahrscheinlich.<br />

Die DITIB wird ja auch von der Diyanet<br />

in der Türkei unterstützt. Deswegen<br />

ist auch die DITIB eher türkischnationalistisch<br />

eingestellt.<br />

Womit wir wieder beim Zeigen der<br />

Flagge wären.<br />

Trotzdem ist die DITIB für Muslime<br />

aller Herkunft. Ich habe in der Moschee<br />

in Köln auch schon Araber gesehen<br />

... und Kurden kenne ich auch daher.<br />

Das gibt es schon, aber ich denke die<br />

kommen wirklich nur zum Gebet, und<br />

sind nicht so Teil der Gemeinschaft,<br />

des gesellschaftlichen Ereignisses.<br />

Immer häufiger berichtet die Polizei<br />

über Auseinandersetzungen zwischen<br />

<strong>Jugend</strong>lichen türkischer und<br />

kurdischer nationalistischer Strömungen.<br />

Bei solchen Auseinandersetzungen<br />

fallen vor allen Dingen die<br />

Symbole der Grauen Wölfe und der<br />

PKK auf, auch wenn die <strong>Jugend</strong>lichen<br />

selbst mit den Vereinen meistens<br />

nicht viel zu tun haben. Im Internet<br />

finden sich tausende von<br />

Hassvideos gegen Kurden aber<br />

auch Hassvideos, die von ihnen ausgehen.<br />

In einem heißt es zum Beispiel:<br />

„Wir sind Killerkurden, kämpfen<br />

für die Freiheit unseres Landes<br />

Kurdistan.“ Was kann man eurer<br />

Meinung nach gegen diese starke<br />

Abgrenzung der <strong>Jugend</strong>lichen tun.<br />

Was kann die Politik für eine Annäherung<br />

der beiden Kulturen tun?<br />

Ich finde, dass man Vereine gründen<br />

sollte, die das Miteinander von Türken<br />

und Kurden ermöglichen und Vorurteile<br />

zwischen den Volksgruppen abbauen.<br />

Zudem könnte man auch<br />

Konzerte organisieren in denen kurdi-<br />

sche und türkische Sänger/Bands gemeinsam<br />

Musik machen. Mehr fällt<br />

mir dazu nicht ein.<br />

Ich denke nicht, dass man da viel machen<br />

kann, vor allen Dingen nicht,<br />

was die Feindschaft der PKK und der<br />

Grauen Wölfe betrifft. Ich hoffe wirklich,<br />

dass die kurdischen Gebiete in<br />

der Türkei Autonomie erlangen, damit<br />

die militärischen Auseinandersetzungen<br />

endlich aufhören. Ich wünsche<br />

mir wirklich, dass diese ganzen<br />

Konflikte zwischen verschiedenen<br />

Ethnien endlich beigelegt werden können.<br />

Was die <strong>Jugend</strong>lichen angeht, so<br />

müssen sich wirklich die Strukturen<br />

innerhalb der Familie ändern, denn<br />

die Grundsteine für diese von Vorurteilen<br />

geprägte Haltung werden<br />

schon früh gelegt ... es muss auf je-<br />

den Fall etwas getan werden. Die Vor-<br />

urteile sitzen einfach zu tief. Es heißt<br />

immer: „Bist du Kurdin?“ - „Ja“ -<br />

„Bist du PKK?“<br />

Ja das stimmt! Bei mir heißt es auch<br />

immer gleich „Bist du Bozkurt?“[Anm.<br />

der Red: türk. für Grauer<br />

Wolf]<br />

Ich danke euch für das Interview.<br />

g l o s s a r<br />

PKK: "Arbeiterpartei Kurdistans",<br />

Untergrundorganisation v.a. in der<br />

Türkei, kämpft mit Waffen für einen künftigen<br />

Staat Kurdistan (Gebiet: Türkei/Irak);<br />

terroristisch<br />

D<br />

u.a. lt. Türkei, EU und USA<br />

ITIB: Türk.-Islam. Union der Anstalt<br />

für Religion, untersteht indirekt<br />

dem türk. Ministerpräsidenten, Dachverband<br />

der türk.-islam. Moscheegemeinden;<br />

Mitglied im Koordinierungsrat der<br />

Muslime<br />

Graue Wölfe: "Bozkurtlar", Mitglieder<br />

der Partei der Nationalistischen<br />

Bewegung (rechtsextrem), Feindbilder:<br />

u.a. PKK, Juden, Kommunisten, USA.<br />

Lara Haasper & Daniel Ramöller<br />

Grundrechte für Menschenaffen<br />

Z u der Familie der Menschenaffen<br />

werden Orang-Utans, Gorillas<br />

und Schimpansen (und Menschen)<br />

gezählt. Um der Frage nach der Vergabe<br />

von juristischen Grundrechten an alle<br />

Menschenaffen nachzugehen, wollen<br />

wir mit einer Fiktion beginnen.<br />

Sie ist eine von dem Philosophen Harlan<br />

B. Miller erdachte Parabel. Sie<br />

soll uns dabei helfen, über das Thema<br />

der Grundrechte für Menschenaffen<br />

nachzudenken. Sie beginnt so:<br />

„Stellen wir uns vor, dass wir in einem<br />

tiefgeschnittenen Gebirgstal in<br />

Westvirginia eine Gruppe von Menschen<br />

entdecken, die nicht nur nicht reden<br />

können, sondern auch keine Sprache<br />

haben. Es sind Nachkommen von<br />

europäischen Arbeitern und deren Frauen,<br />

die in diesem Gebirgstal, von der<br />

Außenwelt abgeschnitten, gelebt haben,<br />

nachdem ein Projekt für die Gewinnung<br />

von Bauholz und den Bau einer<br />

Eisenbahn in den Jahren um 1840<br />

gescheitert war. Die anderthalb Jahrhunderte<br />

dauernde Inzucht in dieser<br />

kleinen Gruppe [...] hat bemerkenswerte<br />

Auswirkungen gehabt und zu einer<br />

Uniformität der äußeren Erscheinung,<br />

ungewöhnlicher Häufigkeit bestimmter<br />

physischer Anomalien und so weiter<br />

geführt. Aber das auffallendste an<br />

den Wahokies (man hat sie nach dem<br />

Berg, der ihr kleines Tal überragt, genannt)<br />

ist die Tatsache, daß sie keinerlei<br />

Sprache haben. [...] Mit einem erheblichen<br />

Aufwand und Zeit und<br />

Mühe konnten nur geringe Erfolge erzielt<br />

werden, und nur einige Wahokies<br />

haben schließlich ein paar Worte gelernt.<br />

[...] Ohne eine Sprache haben<br />

sie praktisch auch keine Kultur. [...]<br />

Sie haben keine Religion, und da sie<br />

keine Möglichkeit haben, ihre Abstammung<br />

und Verwandtschaft festzustellen,<br />

haben sie kein Inzesttabu. [...] Die<br />

... MÖGE DIES BALD DER VERGANGEN -<br />

HEIT ANGEHÖREN BILD: CHRIS -<br />

KO82@PHOTOCASE. DE<br />

Entdeckung der Wahokies hat zu einer<br />

Reihe von äußerst verwirrender rechtlicher,<br />

administrativer und moralischer<br />

Probleme geführt. Sind die Wahokies<br />

Bürger? Sind sie Eigentümer ‚ihres‘<br />

Grundes und Bodens? Unterliegen sie<br />

dem Strafgesetz? [...] Eine entgegengesetzte<br />

Auffassung zu [denjenigen],<br />

die die Interessen der Wahokies schützen<br />

wollen, vertritt eine Koalition, die<br />

von Jim's River Laboratories angeführt<br />

wird. Sie sind der Ansicht, es<br />

sollte erlaubt sein, die Wahokies gefangenzunehmen<br />

und sie dazu entweder<br />

aus dem Gebirgstal herauszuholen<br />

oder in ihren Höhlen festzuhalten, um<br />

mit ihnen Forschungen und Tests<br />

durchzuführen.“ (MILLER (1994) DIE<br />

WAHOKIES, VOLLSTÄNDIG IN ENGLISCH UN -<br />

TER HTTP://WWW.ANIMAL-RIGHTS-LIBRA -<br />

RY.COM/TEXTS-M/MILLER01.PDF)<br />

Die folgenden Ausführungen beziehen<br />

sich auf Menschenaffen, aber<br />

vielleicht ist es an einigen Stellen hilfreich<br />

sich ein Volk wie die Wahokies<br />

vorzustellen, um nicht falschen Vorurteilen<br />

unserer Gesellschaft gegenüber<br />

Tieren zu erliegen. Wir denken, dass<br />

die Wahokies zu den Menschenaffen,<br />

ebenso wie die Menschenaffen zu vielen<br />

anderen Tieren, eine Brücke schlagen<br />

können und uns so helfen können<br />

unsere grundlegenden Ansichten über<br />

diese Tiere zu überdenken.<br />

V or dem Hintergrund der massiven<br />

Überzeugung von der<br />

menschlichen Sonderstellung, bzw.<br />

www.gruene-jugend-nrw.de kultur & gesellschaft<br />

<strong>02.2008</strong>


magazin der grünen jugend nrw<br />

Einzigartigkeit und der Besorgnis um<br />

die menschliche Würde, waren ForscherInnen<br />

seit mehreren Jahrhunderten<br />

in Sorge um ihre Ergebnisse.<br />

Schon der Naturforscher Carl von<br />

Linne rang 1758 mit der biologischen<br />

Einstufung der Menschenaffen. Diese<br />

der damaligen Wissenschaft unbekannten<br />

Wesen waren dem Menschen auf<br />

unheimliche Weise ähnlich und warfen<br />

ernste Probleme für Naturhistoriker<br />

auf, die versuchten, alle Lebewesen<br />

zu klassifizieren. Linne, der viele<br />

anatomische Ähnlichkeiten zwischen<br />

dem Menschen und anderen Primaten<br />

ernst nahm, brachte als erster den Menschen<br />

nachdrücklich in eine gemeinsame<br />

Kategorie mit anderen Tieren, und<br />

zwar in die gleiche Gattung wie die<br />

neu entdeckten Menschenaffen.<br />

Für Linne bestand kein Zweifel daran,<br />

dass der Mensch, als Gottes Ebenbild<br />

geschaffen, an der Spitze und im<br />

Zentrum der Hierarchie aller Lebewesen<br />

stand.<br />

Gleichzeitig erkannte er jedoch<br />

die anatomischen Kennzeichen, die dafür<br />

sprachen, dass der Mensch ungeachtet<br />

seiner Sonderstellung und Würde<br />

anderen Primaten sehr ähnlich war.<br />

Diese Feststellung verletzte aber die<br />

am stärksten tabuisierte kategorische<br />

Grenze, die das christliche Bürgertum<br />

in seinem Weltbild zog: Die zwischen<br />

dem Menschen und der Tierwelt. Die<br />

menschliche Würde war in Gefahr.<br />

Die Diskussion des 19. Jahrhunderts<br />

konzentrierte sich hingegen<br />

mehr auf die neu entdeckten äffischen<br />

Vorfahren des Menschen, die so genannten<br />

Affenmenschen. Charles Darwin<br />

bemerkte schon bald, dass diese<br />

Wesen aus der grauen Vorzeit sich für<br />

die emotionale, intellektuelle und kulturelle<br />

Wahrnehmung als ebenso störend<br />

erwiesen, denn die Verwandtschaft<br />

mit den Affen bedeutete eine noch nähere<br />

Verbindung von Mensch und<br />

Tier. Der intellektuell progressive,<br />

aber sozial konservative Forscher hatte<br />

die Befürchtung, dass seine Ideen<br />

als gotteslästerlich und politisch radikal<br />

angesehen würden, sein Ruf als gottesfürchtiger<br />

und gesetzestreuer Bürger<br />

stand auf dem Spiel.<br />

D iese Frage ist in Kürze nur unzureichend<br />

und grob zu beantworten.<br />

In den letzten Jahrzehnten legten<br />

empirische Studien die Komplexität<br />

und Feinsinnigkeit des sozialen Lebens<br />

von nichtmenschlichen Primaten<br />

und insbesondere Menschenaffen of-<br />

Zum Thema "Grundrechte für<br />

Menschenaffen" gibt es auch<br />

einen Wiki-Artikel.<br />

HTTP://WIKI.GRUENE-<br />

JUGEND.DE/INDEX.PHP/GRUNDRECHT<br />

E_F%C3%BCR_MENSCHENAFFEN<br />

fen. Wie bei keinem anderen Tier sind<br />

bei allen Menschenaffen besondere<br />

geistige Fähigkeiten und ein ausgeprägtes<br />

emotionales Leben stichhaltig nachgewiesen<br />

worden.<br />

Entsprechend änderte sich das traditionelle<br />

Bild der geistlosen, schwerfälligen<br />

und unwissenden Affen immer<br />

mehr in eine positivere Sichtweise.<br />

Es ist sogar gelungen Schimpansen,<br />

Gorillas und Orang-Utans die<br />

menschliche Zeichensprache beizubringen.<br />

In vergleichenden Intelligenztests<br />

haben Schimpansen vergleichbar mit<br />

durchschnittlichen drei- bis fünfjährigen<br />

Kindern abgeschnitten.<br />

Und auch Forscher deren Augenmerk<br />

sich nicht auf Tiere, sondern auf<br />

den Menschen richtet, haben die<br />

großen Ähnlichkeiten erkannt. So wurden<br />

beispielsweise Studien zur Erforschung<br />

des Verhaltens von Kindern<br />

und <strong>Jugend</strong>lichen, die unter schwierigen<br />

Bedingungen aufwachsen, an Menschenaffen<br />

durchgeführt. Die jungen<br />

Schimpansen mussten unter extremen<br />

Bedingungen der Isolation aufwachsen.<br />

M enschenaffen sind in unserer<br />

Gesellschaft, genau wie alle<br />

anderen Tiere, nahezu vollständig der<br />

menschlichen Willkür ausgeliefert. In<br />

„exotischen“ Restaurants in Brüssel<br />

und Paris erfreut sich zurzeit das<br />

Schimpansen-Steak mit Erdnusssoße<br />

höchster Beliebtheit. Im Kongo werden<br />

jährlich mehr als 800 Gorillas getötet.<br />

Aus ihnen werden obskure Touristenartikel<br />

und Trophäen hergestellt,<br />

wie zum Beispiel Aschenbecher aus<br />

Händen.<br />

Laut der Primatenforscherin Dr. Jane<br />

Goodall kann allein dieser Konsum<br />

in den nächsten zehn Jahren zur Ausrottung<br />

der Gorillas führen. Aber auch<br />

Schimpansen und Orang-Utans stehen<br />

kurz vor der endgültigen Ausrottung.<br />

Mehrere Millionen Hektar Regenwald<br />

werden pro Jahr vernichtet (1<br />

Hektar = 100 mal 100 Quadratmeter).<br />

Die Regenwälder sind nicht nur ein<br />

wichtiger Faktor des Weltklimas, sondern<br />

auch einziger Lebensraum für<br />

Menschenaffen in Freiheit. Genauso<br />

wie wir uns bei den Wahokies fragen<br />

können, ob sie Eigentümer ‚ihres‘<br />

kultur & gesellschaft<br />

Grund und Bodens sind, können wir<br />

uns die Frage stellen, ob nicht auch<br />

Menschenaffen ein Recht auf ‚ihren‘<br />

Lebensraum haben.<br />

Ebenso wie es bei den Wahokies<br />

die Koalition um Jim‘s River Laboratories<br />

fordert, werden immer noch sozial<br />

und emotional hoch empfindsame Menschenaffen<br />

in vielen Labors der Welt<br />

für Forschungszwecke benutzt.<br />

I n unserer Gesellschaft kann nach<br />

unseren Gesetzen ein sicherer<br />

Schutz nur über die Vergabe von Rechten<br />

gewährleistet werden. Dies ist der<br />

Grund dafür, dass einige Menschen<br />

Grundrechte für Menschenaffen fordern.<br />

Ein Zusammenschluss solcher<br />

Menschen stellt das Great Ape Projekt,<br />

kurz GAP, dar. 1993 gegründet,<br />

setzt sich das GAP für die Umsetzung<br />

konkreter Grundrechte für alle Menschenaffen<br />

ein: Das Recht auf Leben,<br />

den Schutz der individuellen Freiheit<br />

und das Verbot der Folter (vollständig<br />

in Englisch mit der Möglichkeit zu unterzeichnen<br />

unter www.greatapeproject.org/declaration.php).<br />

Als bisher größter Erfolg hat Neuseeland<br />

das Verbot der Folter an Menschenaffen<br />

für wissenschaftliche Zwecke<br />

in ihr Tierschutzgesetz<br />

aufgenommen (PARLIAMENT OF NEW<br />

ZEALAND [1999] ANIMAL WELFARE ACT.<br />

PART 6, S. 80). In einigen Ländern gibt<br />

es bereits ein Moratorium für Versuche<br />

an Menschenaffen. In Deutschland<br />

wurde seit 1991 kein Versuch an<br />

einem Menschenaffen durchgeführt. Eine<br />

entsprechende gesetzliche Regelung<br />

gibt es jedoch immer noch nicht<br />

und so könnte es leicht zu einer Renaissance<br />

kommen.<br />

Sicherlich gibt es eine Reihe von<br />

26/27<br />

Fragen, die sich bei einer praktische<br />

Regelung stellen. Wie sollten wir mit<br />

Fällen von Gewalt unter den Menschenaffen<br />

umgehen? Sollten wir soweit<br />

in den natürlichen Lebensraum<br />

der Menschenaffen eingreifen, dass<br />

wir ihnen eine medizinische Grundversorgung<br />

gewährleisten können? Auch<br />

im Fall der Wahokies wären diese Fragen<br />

nicht leicht zu beantworten. Diese<br />

Fragen stehen jedoch nicht an erster<br />

Stelle. Wahrscheinlich ist das Beste,<br />

was wir in der Praxis für die Menschenaffen<br />

tun können der Vorschlag<br />

von Harlan B. Miller am Ende seiner<br />

Parabel:<br />

„Wir sollten ihnen das Beste wünschen,<br />

sie vor uns selbst schützen und<br />

sie in Ruhe lassen.“<br />

Lara Haasper<br />

(19) koordiniert<br />

das<br />

Fachforum<br />

Mensch und<br />

Tier der <strong>Grüne</strong>n<br />

<strong>Jugend</strong>,<br />

macht gerade<br />

Abi und fordert ein Recht auf Leben<br />

auch für Menschenaffen.<br />

Daniel<br />

Ramöller (26)<br />

ist aktiv in<br />

der GJ<br />

Bielefeld und<br />

studiert<br />

Philosophie<br />

und<br />

Wirtschaftswissenschaften in<br />

Bielefeld.


Das ist doch echt das LETZTE!<br />

E t is doch nich zu fassen: kaum ändert sich was an unserer jahrzehntelang<br />

erprobten und entwickelten Parteienlandschaft auch nur EINE Winzigkeit, da<br />

bricht im ganzen Land schon heilloses Durcheinander aus: die Lokführer streiken,<br />

Nokia schließt vor Schreck ein Werk (wenn auch aus anderen Gründen) und<br />

Millionen Arbeitslose fallen einfach aus der Statistik. Wohin auch immer, man weiß<br />

et nich. ... Obwohl, so ganz Heil-los ist das Chaos ja doch nicht, immerhin gibt es ja<br />

noch den Hubertus, den Generalsekretär der SPD – doch der tut ja, wie scheinbar<br />

die gesamte SPD, sein Bestes, um bloß nicht den Eindruck zu erwecken, man habe<br />

die Lage im Griff. Hat man ja auch nicht.<br />

Infolge dieser grandiosen Ausgangssituation werden nun die Parteien und die<br />

Bürger von vielen überraschenden Neuigkeiten überrascht, ich denke da nur an<br />

gebrochene Wahlversprechen. Früher hätt‘s das nicht gegeben!<br />

Jaaa, „Frau Lügilanti“, wie Deutschland meistgeblättertes Klopapier titelte,<br />

musste dann doch mit der Linken, obwohl sie nicht wollte, weil sie mit dem Herrn<br />

Koch nicht wollte und die FDP mit „Ypsilanti, Al-Wazir und die Kommunisten“<br />

nicht wollte. ... Dass die FDP nun doch mit der SPD will, wenn auch nicht in<br />

Hessen, daran muss auch ich mich erst einmal gewöhnen. Prompt gab es die<br />

nächste Überraschung: eine Abgeordnete mit Gewissen und Rückgrat, die Lügen<br />

verabscheut. Hut ab – bzw. Turmfrisur runter – Frau Metzger, früher hätt‘s das<br />

nicht gegeben. Wie war das noch mit den dummen Kälbern und der Metzger ... ach,<br />

das ging anders ...<br />

R ede ich wirr? ... Kommt mir irgendwie so vor – aber ist das so verwunderlich<br />

in unserer Bananenrepublik Deutschland? Das gehört zum guten Ton, wenn<br />

man Ministerpräsident – oder auch -In – werden will.<br />

T cha, und nu? ... Die SPD wird zwischen CDU und Linkspartei zerrieben, sie<br />

hilft ja auch kräftig mit; sie muss nur bei dem Spagat zwischen sozialer<br />

Gerechtigkeit einerseits und Suche nach der Mitte (ihrer selbst und der<br />

Gesellschaft) andererseits aufpassen, dass sie sich nicht arg was beschädigt. Die<br />

CDU hingegen meint, wo sie sei, sei die Mitte, weil die Mitte da sei, wo die CDU<br />

sei. Klingt für mich nach „Der Tisch ist ein Stuhl, weil er keine Flasche ist.“ ... Die<br />

Linke – nun, sie leidet allem Anschein nach unter einer gestörten<br />

Selbstwahrnehmung, würde ich mal so sagen wollen. In den Wahlumfragen ist das<br />

Kreuz bei den Herren Gysi und Lafontaine ein Ausdruck des Protestes gegen die<br />

Regierungspolitik, bei den Herren – wo bleiben da eigentlich die Frauen? – wird<br />

daraus die Überzeugung, sie wären einzig und allein wegen<br />

ihres tollen Programmes gewählt worden. Früher hätt‘s das nun<br />

wirklich nicht gegeben. ... Aber da gab‘s ja auch noch keine<br />

Wahlen.<br />

Bliebe also die FDP, die sich öffnen will. Zwar nicht weg<br />

von der CDU, aber eben hin zu uns <strong>Grüne</strong>n und der SPD, die<br />

Linke – das ist ja quasi parteiübergreifender Konsens – soll in<br />

die Bedeutungslosigkeit ignoriert werden. ... Schön und gut,<br />

dass die gezz auch endlich mal Seitensprünge in ihre Ehe mit<br />

der CDU einbringen will, nur doof, dass die möglichen<br />

Bettpartner von der werbenden FDP nix mitbekommen werden,<br />

weil sie genug mit sich zu tun haben.<br />

Haben sie? Ja, klar, selbst wir <strong>Grüne</strong>n. Ich sag‘ nur: Büti hört auf! Ob „endlich“<br />

oder „schon“ sei mal dahin gestellt, aber gezz müssen die <strong>Grüne</strong>n ausgerechnet das<br />

tun, was noch weniger können als einfache und beim Bürger verständliche<br />

Botschaften zu formulieren: sie müssen sich auf eine Person als Parteivorsitzenden<br />

einigen, womöglich zwei, gar nicht auszudenken, was passiert, wenn jetzt auch<br />

noch die Claudia Roth gemobbt wird. Eines wäre ja schomma sicher: ein filmreifer<br />

Abschiedsauftritt bei der Wahl-BDK. ... Wie wollen wir über diesen personellen<br />

Grundsatzfragen noch über Inhalte reden wollen? Über welche denn?<br />

Angela die Große ist doch sozial, sie trifft sich mit dem Dalai Lama, verhilft<br />

dem Schorsch Dabbelju zu der Erkenntnis, dass der Mensch vielleicht eventuell<br />

möglicherweise etwas mit dem Klimawandel rein theoretisch zu tun haben könnte<br />

und haut sogar dem Putin wegen seines seltsamen Verständnisses von<br />

Meinungsfreiheit auf die Finger, was will man mehr? Wie, Klimaschutz,<br />

Chancengleichheit, Generationengerechtigkeit, Bürgerrechte und Weltfrieden?<br />

A lso DAS, gab‘s selbst dammals nicht, echt. Warum sollte sich das jetzt auf<br />

einmal ändern? Weil sich alles andere auch geändert hat? ... Ja, gibt es denn<br />

keine Konstante mehr außer der katholischen Kirche? ... Ich fall' vom Glauben ab.<br />

Ein wenig orientierungslos, eure,<br />

Dogma Pillenknick<br />

www.gruene-jugend-nrw.de das LETZTE<br />

<strong>02.2008</strong>

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