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Exon-Skipping-Bericht, März 2013 - Duchenne Muskeldystrophie

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Dr. Günter Scheuerbrandt<br />

Forschungsbericht, <strong>März</strong> <strong>2013</strong><br />

Wege der Forschung nach einer Therapie der <strong>Duchenne</strong>-<strong>Muskeldystrophie</strong>.<br />

Im Jahr 2000 fand in der amerikanischen Gesundheitsbehörde<br />

National Institutes of Health in Bethesda nahe Washington<br />

in den USA eine Tagung zur Erforschung von<br />

Therapiemethoden für <strong>Duchenne</strong> <strong>Muskeldystrophie</strong> statt.<br />

Dort wurde mir bewusst, dass es für Familien mit an <strong>Duchenne</strong><br />

erkrankten Jungen, ihren Ärzten und anderen pflegenden<br />

Personen wichtig wäre zu wissen, welche Informationen<br />

Wissenschaftler und Klinikärzte während dieser<br />

Tagung über den aktuellen Stand ihrer Forschungsprojekte<br />

miteinander austauschten.<br />

Ich habe daraufhin meinen ersten <strong>Bericht</strong> geschrieben.<br />

Es sollten viele weitere <strong>Bericht</strong>e folgen. Ich schrieb sie alle<br />

nicht in einer schwer verständlichen Fachsprache, ich erklärte<br />

vielmehr in einfachen Worten, was in den Laboratorien<br />

für Ihre Jungen geleistet wird. Die Erklärungen sollten<br />

auch für alle verständlich sein, die nicht moderne Biochemie<br />

oder Genetik studiert haben. Auf meinen Internetseiten<br />

www.duchenne-information.eu können Sie die letzten<br />

dieser <strong>Bericht</strong>e auf Englisch, Deutsch und Spanisch lesen.<br />

Zudem finden Sie dort einige Interviews, die seit 2008<br />

veröffentlicht wurden.<br />

Ich beginne den ersten Teil meines <strong>Bericht</strong>es mit der<br />

Erklärung, wie Dystrophin in den Muskelzellen hergestellt<br />

wird und wie das Fehlen dieses wichtigen Proteins die<br />

Krankheit <strong>Duchenne</strong>-<strong>Muskeldystrophie</strong> verursacht. Da das<br />

<strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong> momentan die am weitesten vorangekommene<br />

Technik für eine wirkungsvolle Therapie ist,<br />

wird es in diesem Teil des <strong>Bericht</strong>es ausführlich beschrieben.<br />

Für dieses Verfahren wurden schon viele klinische<br />

Studien an <strong>Duchenne</strong>-Patienten durchgeführt, andere Studien<br />

laufen noch oder sind geplant.<br />

Im zweiten Teil dieses <strong>Bericht</strong>es, der später im Jahr<br />

<strong>2013</strong> zu lesen sein wird, werde ich die wichtigsten Forschungsansätze<br />

außerhalb der <strong>Skipping</strong>-Methode beschreiben.<br />

Dazu gehören Gentransfer, das Verwenden von<br />

Stammzellen, die Utrophin-Hochregulierung, die Hemmung<br />

von Myostatin, die Verwendung von Steroiden und<br />

die diagnostischen Verfahren, um die Mutationen des Dystrophin-Gens<br />

unserer jungen <strong>Duchenne</strong>-Patienten zu finden.<br />

Beide Teile des <strong>Bericht</strong>es enthalten hauptsächlich Informationen<br />

über therapeutische Forschung. Ich weiß, dass<br />

mir viele von Ihnen nach dem Lesen des <strong>Bericht</strong>es E-Mails<br />

senden werden. Sie werden mich zu den Forschungsansätzen<br />

fragen, besonders aber zu dem Thema, welche Regio-<br />

Teil 1 <strong>Exon</strong> <strong>Skipping</strong><br />

nen mit genetischer Information – <strong>Exon</strong>s – übersprungen,<br />

geskippt werden müssten, damit eine Behandlung Ihres<br />

kranken Kindes oder von Ihnen selbst möglich wird, wenn<br />

Sie ein erwachsener Patient sind.<br />

Am Ende dieses <strong>Bericht</strong>es werde ich in einem separaten<br />

Kapitel erklären, wie ich mit diesen Anfragen umgehen<br />

werde und wie ich die wenigen persönlichen Daten verwalten<br />

werde, die Sie mir schicken, damit wir in Kontakt<br />

bleiben können.<br />

In meinen Zusammenfassungen erwähne ich nur die<br />

Namen der Laborleiter, auch wenn diese Kollegen und<br />

Studenten haben, die als Team an den Projekten arbeiten,<br />

von denen hier berichtet wird. Es ist jedoch unmöglich,<br />

alle Namen aufzuführen. Ich habe die Namen der Wissenschaftler<br />

ohne ihre akademischen Titel aufgeführt. Die<br />

meisten von ihnen sind Professoren und alle haben einen<br />

Doktortitel in Medizin oder in Naturwissenschaften.<br />

Eine Liste der wichtigsten Veröffentlichungen finden<br />

Sie am Ende dieses <strong>Bericht</strong>es. Mit einer in Klammern gesetzten<br />

Nummer, z.B. (12) weise ich in meinen Zusammenfassungen<br />

an der Stelle im Text auf diese Artikel hin,<br />

zu der diese Ihnen mehr Einzelheiten zu dem betreffenden<br />

Thema geben können. Diese Veröffentlichungen sind für<br />

Sie als Laien sicher nicht einfach zu verstehen. Wenn Sie<br />

jedoch die eine oder andere Veröffentlichung gerne per<br />

E-Mail erhalten möchten, lassen Sie es mich wissen.<br />

Bitte stören Sie sich nicht daran, wenn ich das so häufig<br />

verwendete <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong> nicht ändere und das dazugehörige<br />

Verb wie ein deutsches schreibe: skippen, skippte, geskippt.<br />

Das ist einfacher als immer „überspringen“ schreiben<br />

zu müssen.<br />

Ich danke Frau Pat Furlong, Leiterin der amerikanischen<br />

Elterngesellschaft <strong>Muskeldystrophie</strong> Parent Project<br />

Muscular Dystrophy, PPMD, www.parentprojectmd.org<br />

und Frau Professor Kate Busby, Koordinatorin von<br />

TREAT-NMD, dem europäischen Netzwerk für neuromuskuläre<br />

Erkrankungen www.treat-nmd.eu für die Erlaubnis,<br />

ihre Logos verwenden zu dürfen. Dies zeigt, dass<br />

sie meine Arbeit, Ihnen die Forschungen nach einer Therapie<br />

Ihrer Kinder zu erklären, unterstützen und befürworten.<br />

Diesen <strong>Bericht</strong> habe ich zuerst auf Englisch geschrieben<br />

und im Januar <strong>2013</strong> veröffentlicht. Diese deutsche<br />

Übersetzung davon wurde von meinem Sohn Ralph<br />

Scheuerbrandt im Februar <strong>2013</strong> angefertigt.<br />

1


Gene sind Funktionseinheiten des genetischen Materials<br />

Desoxyribonukleinsäure, DNA. Seine Struktur sieht aus<br />

wie eine Wendeltreppe, die sogenannte Doppelhelix<br />

Doppelhelix. Sie<br />

wurde von James Watson und Francis Crick 1953 be-<br />

schrieben. Jede Stufe dieser Treppe enthält zwei der vier<br />

verschiedenen kleinen Moleküle, die Basen Adenin, Gua-<br />

nin, Cytosin und Thymin. Sie werden mit A, G, C und T<br />

abgekürzt, wir nennen sie die genetischen hen Buchstaben<br />

Buchstaben.<br />

Auf den Stufen der Treppe sind nur zwei Basenkom Basenkombinationen<br />

möglich, die Basenpaare A-T T und GG-C,<br />

die genau<br />

zwischen die beiden Stränge der Doppelhelix passen.<br />

Wenn zum Beispiel an einem Strang der DNA die Ba Basenfolge,<br />

die Sequenz, GGCTTAATCGT ist, muss die<br />

Basenfolge am anderen Strang komplementär dazu sein.<br />

Die Base A steht immer gegenüber der Base T und G gegenüber<br />

von C.<br />

-GGCTTAATCGT-<br />

|||||||||||<br />

-CCGAATTAGCA-<br />

Die Folge dieser Basen, dieser genetischen Buchsta Buchstaben, ist<br />

die genetische Information, , die notwendig ist für die<br />

Entwicklung und die Erhaltung von lebenden Organismen.<br />

Sie wird von einer Generation an die nächste weitergeg weitergegeben.<br />

Die meisten Gene enthalten Anweisungen für die biologische<br />

Synthese von Proteinen. Im Zellkern werden die<br />

genetischen Anweisungen von aktiven Genen kopiert, in<br />

eine andere genetische Substanz<br />

umgeschrieben, , die uunfertige<br />

oder<br />

Prä-Boten-Ribonuklein Ribonukleinsäure premRNA,<br />

die auch TTranskript<br />

ge-<br />

nannt wird.<br />

Die meisten Gene ene haben aktiv<br />

codierende Bereiche, ddie<br />

<strong>Exon</strong>s,<br />

die die Information n für die Produ Produk-<br />

tion der Proteine enthalten. Zw Zwischen<br />

den <strong>Exon</strong>s liegen die oft sehr<br />

viel längeren Intron Introns, die wichtige<br />

Informationen für die Steuerung<br />

der Aktivität der Gene enthalten.<br />

Die e Ribonukleinsäuren<br />

Ribonukleinsäuren, RNAs,<br />

verwenden die Base UU,<br />

Uracil, anstatt<br />

der ähnlichen Base T der<br />

DNA. Da die Struktur der RNA<br />

wichtig ist für das <strong>Exon</strong> <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong>,<br />

wird sie auf Seite 6 im Absatz über<br />

die beiden Arten von Antisense-<br />

Oligos erklärt.<br />

Nach dem m Kopie Kopiervorgang werden<br />

noch innerhalb des Zellkerns<br />

die Introns aus der pre-mRNA entfernt und die <strong>Exon</strong>s zusammengespleißt<br />

zur Boten-Ribonukleinsäure<br />

Ribonukleinsäure mRNA.<br />

Wie stellen Gene Proteine her?<br />

Englisch messenger RNA. Diese enthält dann nur <strong>Exon</strong>s<br />

mit der genetischen Information für die Biosynthese eines<br />

Proteins.<br />

Auch in deutschen wissenschaftlichen Texten werden,<br />

wie auch hier, die englischen Abkürzungen DNA, RNA,<br />

pre-RNA RNA und mRNA verwendet.<br />

Die mRNA verlässt den Kern und wandert zu den Ri-<br />

bosomen, den Protein aufbauenden Strukturen, die sich im<br />

Zellplasma außerhalb des Zellkerns befinden. Spleißstellen<br />

sind kurze Basensequenzen an den Grenzen von <strong>Exon</strong>s<br />

und Introns, die wichtig sind für die korrekte Entfernung<br />

der Introns aus der pre-mRNA. mRNA. Das Splei Spleißen selbst geschieht<br />

in Spleißosomen, , einem Komplex aus vielen Proteinen<br />

und kleinen RNAs.<br />

Der genetische Code. Um die „Sprache“ der Gene in die<br />

der Proteine übersetzen zu können, ist die genetische In-<br />

formation der mRNA in genetische Worte gefasst. Jedes<br />

Wort besteht aus drei aufeinanderfolgenden Basen, den<br />

Codons. Diese bedeuten – mit drei Ausnahmen – eine der<br />

20 verschiedenen Aminosäuren<br />

Aminosäuren, den Bauelementen des<br />

Proteins, nach dem genetischen Code. Es gibt 64 verschi verschie-<br />

dene Code-Wörter, die aus s je drei Buchstaben bestehen.<br />

Hier sind einige Beispiele:<br />

GUU = Valin, ACC = Serin, AUG = Methionin,<br />

ACG = Threonin, onin, CAC = Histidin, CCA = Prolin,<br />

UUU = Phenylalanin, CGA = Alanin, GCG = Alanin.<br />

Die meisten Aminosäuren ha haben mehr als ein RNA-Code-<br />

Wort. Es gibt keine Abstände zwischen den Codewörtern.<br />

So bedeutet beispielsweise die kurze Basen- Sequenz<br />

AUG-AGC-GCA-CCA- am Anfang eines Genes, dass das<br />

Protein, das vom Gen „herge gestellt“ wird, mit den Aminosäuren<br />

Methionin, Serin, Alanin und Proli Prolin beginnt. Es<br />

gibt also einen Leseraster, ein aus drei Buchstaben best bestehendes<br />

Wort nach dem anderen ohne Abstand zwischen<br />

ihnen. . Dieses Raster wird von dem ersten Code Code-Wort festgelegt,<br />

das immer AUG ist. Die Bindestriche in diesem<br />

Beispiel existieren nicht wirklich, sie verdeutlichen nur das<br />

Leseraster. Wenn im Beispiel oben der rote Buchstabe G<br />

zufällig entfernt wird durch eine Mutation, ändert sich die<br />

Sequenz in AUG-ACG-CAC CAC-CA.... Das Leseraster wird<br />

verschoben und die Code-Wörter Wörter ändern nach der Mutati-<br />

on ihre Bedeutung. Sie stehen hen dann für andere Aminosä Aminosäuren,<br />

in diesem Fall für Methionin, Threonin, Histidin. Di Diesen<br />

folgen dann weitere falsche Aminosäu Aminosäuren. Solche Leseraster-Verschiebungen<br />

Verschiebungen sind für das Verständnis des<br />

<strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong>s sehr wichtig. .<br />

In den Ribosomen werden die genetischen Code Code-Wörter<br />

der mRNA RNA gelesen und in die Sprache der Proteine<br />

übersetzt. . Diese setzen sich aus vielen tausenden Amin Aminosäuren<br />

zusammen. Die drei Ausnahmen, die zuvor erwähnt<br />

wurden, sind die Worte UAA, UAG und UGA. Diese ssind<br />

Stopp-Codons, Stoppzeichen, an denen der Zusammenbau<br />

des Proteins in den Ribosomen beendet wird.<br />

Dystrophin-Gen und -Protein Protein. <strong>Duchenne</strong> Muskeldys-<br />

trophie trifft nur Jungen. Die Häufigkeit beträgt etwa<br />

2


1:3500 aller neugeborenen Jungen. Frauen haben, wenn sie<br />

Überträgerinnen dieser geschlechtsgebundenen Krankheit<br />

sind, eine Mutation, einen Fehler, im Dystrophin-Gen auf<br />

einem ihrer beiden X- Chromosomen. Sie übertragen diesen<br />

Fehler im Durchschnitt auf jeden zweiten ihrer Söhne,<br />

die dann nur dieses eine X-Chromosom mit der Mutation<br />

haben. Da sie kein intaktes Dystrophin-Gen auf einem<br />

zweiten Chromosom haben wie die Frauen, verursacht diese<br />

Mutation die immer noch unheilbare Erbkrankheit <strong>Duchenne</strong>-<strong>Muskeldystrophie</strong>.<br />

Manchmal taucht eine derartige<br />

Mutation ganz neu in einer Familie auf.<br />

Das Dystrophin-Gen ist das zweitgrößte unserer<br />

20.488 Gene. Das Gen für das Muskelprotein Titin, das<br />

wichtig ist für die Elastizität der Muskelzellen, ist ungefähr<br />

100mal größer als das Dystrophin-Gen.<br />

Das nächste Bild zeigt den Ort des Gens auf dem kurzen<br />

Arm des X-Chromosoms. Seine DNA besteht aus<br />

2.220.381 genetischen Buchstaben, deren aktive Sequenzen<br />

in 79 <strong>Exon</strong>s zusammengefasst sind. Es sind auch 7<br />

Promoter zu sehen. Das sind Sequenzen, die für den Beginn<br />

der Produktion des normalen Proteins sowie seiner 6<br />

Varianten notwendig sind. Nach dem Spleißen enthält die<br />

mRNA nur noch 11.058 genetische Buchstaben, das sind<br />

0,5% der Buchstaben des gesamten Gens.<br />

In den Ribosomen wird das Dystrophin-Protein nach<br />

der genetischen Information in der mRNA aus 3.685 Aminosäuren<br />

zusammengesetzt. Diese Bausteine werden von<br />

einer anderen Art von RNA, der Transfer-RNA oder<br />

tRNA an den Ort der Biosynthese im Innern der Ribosomen<br />

gebracht.<br />

Die nicht aktiven Sequenzen zwischen den <strong>Exon</strong>s, die<br />

99,5% des gesamten Gens ausmachen, sind die Introns.<br />

Es ist jetzt bekannt, dass einige dieser Sequenzen wichtig<br />

sind für die Regulierung der genetischen Aktivitäten. Sie<br />

könnten auch noch andere, bisher unbekannte Funktionen<br />

haben, die zu den manchmal unterschiedlichen Symptomen<br />

von <strong>Duchenne</strong>-Patienten führen, obwohl diese die<br />

gleichen Mutationen in den <strong>Exon</strong>s haben.<br />

Das Dystrophin-Protein ist ein langgestrecktes Molekül<br />

mit 24 sich wiederholenden Aminosäure-Sequenzen, die<br />

von 4 Gelenkregionen getrennt sind. Seine beiden Endregionen<br />

werden N- und C-Terminals genannt. Es gibt auch<br />

eine Region mit vielen Cysteinen, das sind Aminosäuren<br />

die Schwefel enthalten. Im Bild wird auch ein Schnitt<br />

durch gesundes Muskelgewebe gezeigt. Die Dystrophin-<br />

Moleküle in den Zellmembranen wurden durch leuchtende,<br />

fluoreszierende Antikörper sichtbar gemacht.<br />

Größe des Dystrophin-Gens und seines Proteins. Die<br />

Doppelhelix-Struktur des Dystrophin-Gens ist 0,75 mm<br />

lang. Zusammen mit den etwa 20.000 anderen menschlichen<br />

Genen passt es in einen Zellkern, der einen Durchmesser<br />

von etwa 0,01 mm hat. Das ist möglich, weil das<br />

genetische Material darin extrem dicht gepackt ist.<br />

Ein Molekül des normalen Dystrophin-Proteins ist viel<br />

kürzer als sein Gen, es ist 125 nm, Nanometer, lang. Das<br />

sind 0,000125 mm. 8000 dieser Moleküle würden, wenn<br />

sie in einer geraden Linie aneinandergereiht wären, gerade<br />

einmal 1 mm lang sein. In einem Gramm Muskel gibt es<br />

114 Milliarden Dystrophin-Moleküle.<br />

Die Rolle des Dystrophins. Dystrophin wird für die mechanische<br />

Stabilität der Muskelzellen benötigt. Es befindet<br />

sich auf der Innenseite der Muskelzellmembranen. Sein<br />

C-terminales Ende ist mit einer Gruppe anderer Proteine in<br />

der Membran verbunden, dem Dystrophin-Glykoprotein-<br />

Komplex. Das andere Ende, das N-terminale, hat Verbindung<br />

zu den zusammenziehbaren, kontraktilen, Strukturen<br />

innerhalb der Muskelzellen. Die zentrale Struktur des Dystrophins<br />

besteht aus ineinander verdrehten Aminosäure-<br />

Ketten, die mehrfach auf sich selbst zurückgeklappt sind.<br />

Wenn das Zusammenziehen, die Kontraktion, der Muskelzelle<br />

das Dystrophin-Protein zwingt, seine Länge zu ändern,<br />

funktioniert seine gefaltete Struktur wie eine Feder<br />

oder wie ein Stoßdämpfer.<br />

Das Dystrophin übermittelt also die mechanische Energie,<br />

die im Actin-Myosin-Kontraktionsgefüge entsteht, an<br />

die Muskelzellmembranen und die Strukturen außerhalb<br />

der Zellen, dem Bindegewebe und den Sehnen. Dies geschieht<br />

in einer ausgeglichenen Art und Weise, die alle beteiligten<br />

Strukturen nicht überstrapaziert.<br />

Der Dystrophin-Glykoprotein-Komplex. Dystrophin hat<br />

mehrere Aufgaben: Es reguliert die komplizierte Struktur<br />

des Dystrophin-Glykoprotein-Komplexes und die Position<br />

vieler anderer Proteine. Es reguliert aber auch biologische<br />

Prozesse wie z.B. die Steuerung des Muskelwachstums<br />

und den richtigen Kalziumgehalt in den Zellen. Viele Einzelheiten<br />

dieser verschlungenen gegenseitigen Abhängigkeiten<br />

zwischen den zahlreichen Komponenten in einer<br />

lebenden Zelle sind noch nicht bekannt.<br />

3


<strong>Duchenne</strong>-Jungen haben entweder gar kein oder nur<br />

sehr wenig Dystrophin in ihren Muskelzellen. Wenn die<br />

Schutz- und Regulationseffekte von Dystrophin fehlen,<br />

verursacht das Zusammenziehen der Muskeln Risse und<br />

Löcher in den Muskelmembranen. Dadurch kann relativ<br />

viel Kalzium in die Fasern fließen.<br />

Überschüssiges Kalzium aktiviert Enzyme wie zum<br />

Beispiel Kalpain oder die Proteasen. Diese Enzyme spalten<br />

Muskelproteine auf und verursachen Zelltod-Programme,<br />

Apoptosen. Dann kommt es zu einer Reihe von Reaktionen<br />

wie Entzündungen und einer Aktivierung von Fibroblasten.<br />

Diese führen zur Fibrosen oder Narbengewebe,<br />

das die Regeneration der Muskeln verlangsamt und typische<br />

Symptome bei älteren <strong>Duchenne</strong>-Patienten hervorruft.<br />

Jungen mit der langsamer verlaufenden Becker-<strong>Muskeldystrophie</strong><br />

haben weniger Dystrophin-Protein in ihren<br />

Muskelzellmembranen, das oft auch in verkürzter Form<br />

vorliegt. Es kann seine Funktion zwar noch erfüllen, funktioniert<br />

meist jedoch weniger wirksam als das normale<br />

Dystrophin.<br />

Es leiden jedoch nicht nur die Skelettmuskeln, wenn<br />

Die Aufgabe der Forschung. Ein gesunder 5jähriger Junge,<br />

der 30 kg wiegt, hat ungefähr 12 kg Muskeln. Diese<br />

enthalten 1,5 Billiarden (1,5 x 10 15 ) Dystrophin-Moleküle.<br />

Ein 5jähriger <strong>Duchenne</strong>-Junge hat schon 30% seiner Muskeln<br />

verloren und hat demnach nur noch 8 kg Muskelmasse.<br />

Diese verbleibenden Muskeln haben nur noch Spuren<br />

oder gar kein Dystrophin mehr. Die Information des geschädigten<br />

Gens kann nicht korrekt gelesen werden für die<br />

Biosynthese des Proteins. Die geringe Zahl der Muskelzellen,<br />

die Spuren von Dystrophin enthalten, weniger als 3%,<br />

werden revertierte Fasern genannt. Ihr Dystrophin ist<br />

durch spontanes <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong> entstanden.<br />

Es ist nicht bekannt, wie viel Dystrophin notwendig ist,<br />

um das Fortschreiten der Krankheit zu verhindern, es ist<br />

jedoch besser als nichts (1). Das neue Dystrophin, das<br />

durch <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong> entsteht, muss nicht genauso lang<br />

sein wie das normale Dystrophin, es kann kürzer sein, aber<br />

es muss richtig arbeiten können.<br />

<strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong>, eine Gentherapie für <strong>Duchenne</strong>. Während<br />

einer Diskussion Mitte der 1990-Jahre erklärte mir<br />

Gertjan van Ommen von der Universität Leiden in den<br />

Niederlanden, wie eine Gentherapie diese Aufgabe lange<br />

Zeit ohne ernste Nebenwirkungen erfüllen könnte. Diese<br />

Therapie wird jetzt <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong> genannt. Sie wurde in<br />

den letzten 15 Jahren von vielen Forschungsgruppen, vor<br />

allem in den Niederlanden, in Frankreich, Japan, Australien,<br />

dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten<br />

von Amerika weiter entwickelt und zwar so intensiv,<br />

dass dieses Verfahren nicht nur an Tieren in Labors, sondern<br />

auch in klinischen Studien an <strong>Duchenne</strong>-Patienten<br />

getestet wird .<br />

<strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong> bedeutet das Springen von einem <strong>Exon</strong><br />

zum nächsten. <strong>Exon</strong>s sind die aktiven Abschnitte der Basen-Sequenzen<br />

eines Gens. Im Dystrophin-Gen von <strong>Duchenne</strong>-Jungen<br />

ist es zu Mutationen gekommen, so dass<br />

ein oder mehrere <strong>Exon</strong>s fehlen, das Gen hat dann Deletio-<br />

<strong>Exon</strong> <strong>Skipping</strong><br />

Dystrophin fehlt, sondern auch die glatten Muskeln und<br />

die Herzmuskeln. Schäden an den Herzmuskeln führen zu<br />

Kardiomyopathien, Herzmuskelerkrankungen. Die<br />

Schwächung der glatten Muskulatur hat viele Folgen:<br />

Blutgefäße können schlechter entspannen, wenn sich der<br />

Blutdurchfluss erhöht. Dies wiederum führt zu Atemschwierigkeiten<br />

und anderen Problemen. Der Magen-<br />

Darmtrakt wird in Mitleidenschaft gezogen, wenn die Bewegungen<br />

der Därme eingeschränkt werden. Ein einziges<br />

beschädigtes Gen kann also große Teile des Körpers in<br />

Mitleidenschaft ziehen.<br />

Auf Seite 12 habe ich ein Kapitel unter der Überschrift<br />

„Muskelreparatur, eine allgemeine Einführung“ eingefügt.<br />

Sie wurde von Annemieke Aartsma-Rus geschrieben mit<br />

vielen Einzelheiten über die Entwicklung und den Verlauf<br />

der <strong>Duchenne</strong>-<strong>Muskeldystrophie</strong>. Hier wird auch empfohlen,<br />

das <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong>, das ich als nächstes beschreiben<br />

werde, sobald wie möglich nach der Geburt zu beginnen,<br />

wenn die meisten Muskeln der <strong>Duchenne</strong>-Jungen noch<br />

vorhanden sind.<br />

nen. Es gibt auch Verdopplungen, Duplikationen, oder<br />

Fehler in der Buchstabenfolge eines Wortes, Punkt-Mutationen.<br />

Solche Mutationen haben das Leseraster bei den<br />

kranken Jungen um einen oder zwei Buchstaben verschoben,<br />

so daß ein normales Raster, in-frame, zu einem nicht<br />

normalen Raster wird, out-of-frame. Kurz nach der Mutation<br />

entsteht dann ein vorzeitiges Stopp-Codon.<br />

Der Leseprozess der genetischen Information für die<br />

Biosynthese des Proteins ist unterbrochen an solch einem<br />

Stoppzeichen. Es kann kein Dystrophin mehr produziert<br />

werden. Diese Fehler können korrigiert werden, d.h. die<br />

Protein-Produktion kann wieder gestartet werden, wenn<br />

ein oder mehrere der noch vorhandenen Nachbar-<strong>Exon</strong>s in<br />

der pre-mRNA so blockiert werden, dass der Mechanismus,<br />

der die <strong>Exon</strong>s verbindet, spleißt, sie überspringt, sie<br />

skippt, und sie nicht mehr in die mRNA aufnimmt (2).<br />

Für diese Blockade sind Antisense-Oligonukleotide,<br />

notwendig, abgekürzt Antisense Oligos, oder in diesem<br />

<strong>Bericht</strong> oft nur Oligos genannt. Sie sind kurze Stücke von<br />

genetischem RNA-Material, die eine besondere Sequenz<br />

von nur 20-30 genetischen Buchstaben haben. Sie können<br />

sich innerhalb der zu skippenden <strong>Exon</strong>s durch die Watson-<br />

Crick-Basenpaarung an komplementäre, genau passende<br />

Sequenzen anlagern und so deren Spleißen mit den anderen<br />

<strong>Exon</strong>s verhindern.<br />

Wo geschieht das <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong>? Wie zuvor beschrieben,<br />

werden die 2,2 Millionen genetischen Buchstaben des<br />

Dystrophin-Gens im Muskelzellkern kopiert und in die<br />

pre-mRNA umgeschrieben. Die meistens sehr langen Intron-Sequenzen<br />

werden dann herausgeschnitten und nur<br />

die 79 <strong>Exon</strong>-Sequenzen – diese sind nur insgesamt 11.000<br />

Buchstaben lang – werden zu der sehr viel kürzeren<br />

mRNA gespleißt, zusammengesetzt. Das <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong><br />

passiert während dieses Spleißens. Die verkürzte Boten-<br />

Ribonukleinsäure, mRNA, ohne die durch Mutation entfernten<br />

und die geskippten, übersprungenen, <strong>Exon</strong>s ver-<br />

4


lässt den Kern und wandert zu den Ribosomen im Zellplasma.<br />

Dort wird die genetische Information der mRNA<br />

gelesen und in die Sprache der Proteine übersetzt, in die<br />

Aminosäure-Frequenz des Dystrophins, das dort produziert<br />

wird.<br />

<strong>Duchenne</strong>- wird in Becker-Dystrophie umgewandelt.<br />

Wegen der fehlenden <strong>Exon</strong>s – der durch die Mutation entfernten<br />

und der zusätzlich geskippten – werden auch die<br />

Aminosäuren, die durch die fehlenden <strong>Exon</strong>s bestimmt<br />

werden, in dem neu hergestellten Dystrophin fehlen. Das<br />

neue Dystrophin hat also eine Aminosäuren-Kette, die weniger<br />

als die normale Zahl, 3.685, an Aminosäuren enthält.<br />

Oft jedoch ist es noch fähig, die Muskelzellmembranen<br />

bis zu einem gewissen Ausmaß vor den mechanischen Belastungen<br />

einer Muskelkontraktion zu schützen.<br />

Bei den klinischen Versuchen mit Patienten wird zunächst<br />

<strong>Exon</strong> 51 geskippt. Hier erkläre ich die molekularen Einzelheiten<br />

dieses <strong>Skipping</strong>s bei einem Patienten mit der Deletion<br />

von <strong>Exon</strong> 50. Das Ziel dieses Skippens ist es, das<br />

Leseraster in der mRNA wiederherzustellen, das durch die<br />

Deletion von <strong>Exon</strong> 50 im Gen verschoben worden war.<br />

Zunächst zeige die Basensequenzen vom Anfang und<br />

Ende der <strong>Exon</strong>s 50 und 51 der normalen mRNA des Gens<br />

und auch vom Ende von <strong>Exon</strong> 49 und dem Anfang von<br />

<strong>Exon</strong> 52. Im <strong>Exon</strong> 50 sind 29 Codons nicht aufgeführt und<br />

auch nicht 52 Codons im <strong>Exon</strong> 51. Unter jedem Codon<br />

Molekulare Einzelheiten des Skippens von <strong>Exon</strong> 51.<br />

Die Symptome der Krankheit werden dadurch weniger<br />

ausgeprägt, der Abbau der Muskeln erfolgt langsamer und<br />

die Lebenserwartung der Patienten steigt deutlich. Sie erreicht<br />

in manchen Fällen sogar die normale Lebenserwartung.<br />

Die <strong>Duchenne</strong>-Dystrophie wäre dann in eine Becker-<br />

<strong>Muskeldystrophie</strong>, die mildere Variante der Krankheit,<br />

umgewandelt worden.<br />

Eine Therapie, jedoch noch keine Heilung. Das Ziel des<br />

<strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong>s ist es also, die Krankheit in eine mildere<br />

Variante umzuwandeln und dadurch das Fortschreiten der<br />

Krankheit zu verlangsamen. <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong> ist also nur<br />

eine Therapie, keine Heilung. Mit dieser Gentechnologie<br />

wird das geschädigte Gen selbst nicht verändert, es wird<br />

weder ersetzt noch repariert, es wird lediglich der Mechanismus<br />

seines Informationsflusses korrigiert.<br />

steht der abgekürzte Name der Aminosäure im Dystrophin-Protein,<br />

die von dem Codon determiniert wird. Die<br />

Aminosäuren werden in den Ribosomen aneinandergereiht.<br />

Sie sind nicht, wie hier gezeigt, mit den Codons verbunden.<br />

Die Codons folgen aufeinander ohne Zwischenräume,<br />

die Bindestriche zeigen nur das Leseraster an und<br />

die senkrechten Striche die Grenzen der <strong>Exon</strong>s. Die drei<br />

Basen des versteckten Stoppsignals UGA sind rot markiert.<br />

<strong>Exon</strong> 50 hört nach der ersten Base des letzten Codons auf,<br />

das dann zu UCU mit den ersten beiden Basen von <strong>Exon</strong><br />

51 komplettiert wird (blau markiert).<br />

Ende <strong>Exon</strong> 49 | Start <strong>Exon</strong> 50 Ende <strong>Exon</strong> 50 | Start <strong>Exon</strong> 51<br />

---CAG-CCA-GUG-AAG | AGG-AAG-UUA-GAA---AUU-GGA-GCC-U | CU-CCU-ACU-CAG-ACU-<br />

gln pro val lys | arg lys leu glu ile gly ala ser| pro thr gln thr<br />

verstecktes Stoppcodon<br />

---GUU-ACU-CUG-GUG-ACA-CAA---AAA-CUA-GAA-AUG-CCA-UCU-UCC-UUG-AUG-UUG-GAG---<br />

val thr leu val thr gln lys leu glu met pro ser ser leu met leu glu<br />

Ende <strong>Exon</strong> 51 | Start <strong>Exon</strong> 52<br />

---AUG-AUC-AUC-AAG-CAG-AAG | GCA-ACA-AUG-CAG-GAU-UUG---<br />

met ile ile lys gln lys | ala thr met gln asp leu<br />

Wenn <strong>Exon</strong> 50 im Gen und also auch in der mRNA deletiert<br />

ist, folgt auf <strong>Exon</strong> 49 direkt das <strong>Exon</strong> 51. Dies verschiebt<br />

das Leseraster im <strong>Exon</strong> 51 um eine Base nach<br />

rechts mit der Konsequenz, dass in den Ribosomen acht<br />

falsche Aminosäuren in die wachsende Dystrophinkette<br />

eingebaut werden, bis schließlich das zuvor versteckte,<br />

Ende <strong>Exon</strong> 49 | Start <strong>Exon</strong> 51<br />

---CAG-CCA-GUG-AAG | CUC-CUA-CUC-AGA-CUG-UUA-<br />

gln pro val lys | leu leu leu arg leu leu<br />

aber jetzt aktivierte, vorzeitige Stoppsignal UGA erreicht<br />

wird. Die verschobenen Basensequenzen und die falschen<br />

Aminosäuren sind rot markiert. Die Biosynthese des Proteins<br />

Dystrophin wird vorzeitig abgebrochen, es bleibt unfertig<br />

und wird zerstört. Dadurch entwickelt sich <strong>Duchenne</strong>-<br />

<strong>Muskeldystrophie</strong>.<br />

aktives Stoppcodon Antisense-Oligoribonukleotid<br />

UC-UUU-ACG-GUA-GAA-GGA-ACU<br />

-CUC-UGG-UGA-CAC AAG---AAC-UAG-AAA-UGC-CAU-CUU-CCU-UGA-UGU-UGG--<br />

leu trp STOPP!<br />

Ende <strong>Exon</strong> 51 | Start <strong>Exon</strong> 52<br />

---AU-GAU-CAU-CAA-GCA-GAA-G | GC-AAC-AAU-GCA-GGA-UUU---<br />

5


Das von den holländischen Forschern verwendete exonskippende<br />

Antisense-Oligoribonukleotid PRO051, hier<br />

blau markiert, bindet sich durch Watson-Crick-Paarung an<br />

20 Basen im <strong>Exon</strong> 51. Es blockiert dort die ESE-Sequenz,<br />

die zum Spleißen notwendig ist, und verursacht das Skippen<br />

von <strong>Exon</strong> 51 in der mRNA des mutierten Gens, die in<br />

diesem Beispiel die Sequenz des <strong>Exon</strong>s 50 nicht enthält.<br />

Wenn zusätzlich zum deletierten <strong>Exon</strong> 50 das <strong>Exon</strong> 51<br />

durch Skippen entfernt wurde, dann folgt auf <strong>Exon</strong> 49 direkt<br />

<strong>Exon</strong> 52. Das Leseraster ist nicht mehr gestört, weil<br />

<strong>Exon</strong> 49 mit einem vollständigen Codon aufhört und <strong>Exon</strong><br />

52 mit einem vollständigen Codon von drei Basen anfängt.<br />

Ende <strong>Exon</strong> 49 | Start <strong>Exon</strong> 52<br />

---CAG-CCA-GUG-AAG | GCA-ACA-AUG-CAG-GAU-UUG---<br />

gln pro val lys | ala thr met gln asp leu<br />

Jetzt gibt es kein vorzeitiges Stoppsignal mehr im <strong>Exon</strong> 52<br />

oder später, aber 77 Aminosäuren fehlen von den 3.685<br />

des normalen Proteins, diejenigen, deren Information in<br />

den Sequenzen der <strong>Exon</strong>s 50 und 51 enthalten war. Sie<br />

fehlen im mittleren Teil des verkürzten Dystrophins, des-<br />

sen Funktion aber wahrscheinlich wenig beeinträchtigt ist,<br />

so daß die schweren Symptome der <strong>Duchenne</strong>- in die weniger<br />

schweren der Becker-<strong>Muskeldystrophie</strong> abgeschwächt<br />

werden.<br />

Antisense Oligoribonukleotide, die potentiellen <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong>-Medikamente.<br />

Verschiedene Typen von Antisense-Oligos. Für die Tierversuche<br />

und die ersten klinischen <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong> Studien,<br />

die von den Firmen Prosensa und Sarepta ausgeführt wurden,<br />

wurden zwei Arten von Antisense-Oligos verwendet.<br />

Sie haben die Basis-Struktur von Ribonukleinsäuren,<br />

RNAs, die neben der DNA die zweitwichtigste natürliche<br />

Nukleinsäure ist.<br />

Die RNA besteht aus einer langen Kette von sich abwechselnden<br />

Einheiten der zuckerartigen Substanz Ribose<br />

und einer Phosphorsäure. Jede Ribose-Einheit trägt eine<br />

der 4 genetischen Buchstaben: Adenin (A), Guanin (G),<br />

Cytosin (C) und, in diesem Fall, Uracil (U), welches ähnlich<br />

dem Buchstaben T (Thymin) der DNA ist. Die Reihenfolge<br />

dieser Buchstaben ist wichtig für die Funktion<br />

von vielen langen und kurzen RNAs, da sie sich selbst an<br />

die komplementären Sequenzen von DNAs und anderen<br />

RNAs durch die Watson-Crick-Basenpaarung anlagern<br />

können. G steht dann gegenüber von C und A gegenüber<br />

von U (oder T in der DNA). Dies funktioniert wie ein effizienter<br />

Reißverschluss mit 4 verschiedenen Zähnen.<br />

Die potentiellen Medikamente zum <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong>, die<br />

Antisense-Oligos, sind kurze RNA-Stücke mit nur ca. 20-<br />

30 genetischen Buchstaben. Diese kurzen Sequenzen genügen,<br />

um sicherzustellen, dass sie sich nur an diejenigen<br />

RNA- oder DNA-Sequenzen anlagern, die blockiert werden<br />

sollen. Das passiert, obwohl unsere gesamte DNA in<br />

all unseren 46 Chromosomen in jeder Zelle Sequenzen von<br />

mehr als 3 Milliarden Buchstaben aufweist, von denen ungefähr<br />

1%, also nur 30 Millionen zu unseren 20.000 Genen<br />

gehören und daher in RNA kopiert wird, wenn es nötig ist.<br />

Dies ist sehr wichtig, weil ein Antisense-Oligo gegen<br />

<strong>Duchenne</strong> nur die genetische Information des Dystrophin-<br />

Gens auf dem X-Chromosom von kranken Jungen beeinflussen<br />

darf und keine anderen Gene. Jegliche Art von falschen<br />

Verbindungen zu anderen Genstrukturen könnte<br />

schwere Nebenwirkungen zur Folge haben, wenn ein zukünftiges<br />

<strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong>-Medikament einem <strong>Duchenne</strong>-<br />

Jungen gegeben wird während der hoffentlich vielen Jahre<br />

seines verlängerten Lebens.<br />

Die Antisense Oligos müssen nach der Injektion so lange<br />

wie möglich im Blutkreislauf überleben. Sie müssen<br />

Zeit haben, von den Blutgefäßen in die Zellen aller Mus-<br />

keln zu gelangen. Dort müssen sie die vielen Kerne in jeder<br />

Zelle eindringen und ihre Aufgabe erfüllen: Ein oder<br />

mehrere <strong>Exon</strong>s der mutierten pre-mRNA während des<br />

Spleißens blockieren, um so eine verkürzte, mRNA zu erzeugen.<br />

Wenn die ankommenden Oligos die normale<br />

RNA-Struktur hätten, würden sie von Enzymen als fremde<br />

Nukleinsäuren erkannt und zerstört werden. Aus diesem<br />

Grund müssen die Oligos chemisch geschützt werden, so<br />

dass diese Enzyme sie nur sehr langsam oder gar nicht zerstören.<br />

Die niederländischen Wissenschaftler verwenden 2’O-<br />

Methyl-Phosphorothioate, in diesem <strong>Bericht</strong> auch 2’O-<br />

Methyle genannt. Sie haben eine Methylgruppe, die aus<br />

einem Kohlenstoff- mit drei Wasserstoff-Atomen besteht,<br />

an dem Sauerstoffatom des zweiten Kohlenstoffatoms der<br />

Ribose-Einheiten, sowie ein Schwefelatom anstatt eines<br />

der Sauerstoffatome an den Phosphatbrücken. Die Morpholinos,<br />

die von der Firma Sarepta verwendet werden,<br />

haben eines der Phosphat-Sauerstoffatome durch eine<br />

Dimethylamid-Gruppe ersetzt. Dies ist ein Stickstoff-Atom<br />

mit zwei Methylgruppen. Und alle Ribose-Einheiten sind<br />

durch Morpholinoringe ersetzt. Dies sind sechsgliedrige<br />

Ringe, die aus 4 Kohlstoffatomen, 1 Sauerstoffatom und 1<br />

Stickstoffatom bestehen.<br />

Ich zeige Ihnen auf der nächsten Seite die chemische<br />

Struktur dieser zwei Arten von geschützten Antisense-<br />

Oligos mit nur zwei ihrer genetischen Buchstaben, die als<br />

„Base“ gekennzeichnet sind. Die Kohlenstoffatome werden<br />

nicht gezeigt, sie sitzen an den Ecken und den Enden<br />

der Linien dieser vereinfacht dargestellten Strukturen. Jedes<br />

Kohlenstoffatom hat ein oder mehrere Wasserstoffatome,<br />

die auch nicht gezeigt werden. Eine dritte Art von<br />

Antisense-Oligos wird Vivo-Morpholino genannt. Es wird<br />

in einem Absatz über das Multiexon-<strong>Skipping</strong> auf Seite 21<br />

beschrieben.<br />

Um das <strong>Exon</strong> 51 in den zahlreichen klinischen Studien<br />

mit Patienten zu skippen, wird das 2’O-Methyl Antisense-<br />

Oligo verwendet. Diese Studien werden von den Firmen<br />

Prosensa und GlaxoSmithKline, GSK, durchgeführt. Dieses<br />

Oligo PRO051, das jetzt Drisapersen genannt wird,<br />

hat 20 genetische Buchstaben mit folgender Sequenz:<br />

6


UCUUUACGGUAGAAGGAACU<br />

Das Morpholino-Antisense-Oligo, das von der Firma Sarepta,<br />

die früher AVI hieß, in den Studien eingesetzt wurde,<br />

hieß zunächst AVI-4658 und heißt jetzt Eteplirsen. Es<br />

hat 30 Buchstaben, die 20 Buchstaben des niederländischen<br />

Oligos sind darin enthalten und hier unterstrichen:<br />

GAUCUUUACGGUAGAAGGAACUACAACCUC<br />

2’O-Methyl-Antisense-Oligo<br />

Morpholino-Antisense-Oligo<br />

Die Moleküle dieser Antisense-Oligos mit ihren 20<br />

oder 30 genetischen Buchstaben haben recht komplizierte<br />

chemische Strukturen. Drisapersen besteht aus 699 Atomen<br />

und Eteplirsen aus mehr als 1000. Dies zeigt, dass<br />

diese möglichen Medikamente für unsere <strong>Duchenne</strong>-Jungen<br />

sich von kleineren Arzneimittel-Molekülen stark unterscheiden.<br />

Sie können mit jeder gewünschten Sequenz<br />

ihrer Buchstaben von automatischen Maschinen in denjenigen<br />

Labors hergestellt werden, die vorklinische Versuche<br />

an Gewebekulturen und Tieren durchführen. Wenn bei<br />

diesen Versuchen ein vielversprechendes Oligo gefunden<br />

wurde, werden klinische Studien an <strong>Duchenne</strong>-Jungen geplant<br />

und durchgeführt. Die Oligos dafür müssen als klinische<br />

Reagenzien unter strengen Regeln und Vorschriften<br />

von spezialisierten Firmen hergestellt werden.<br />

Verschiedene Eigenschaften der Antisense-Oligos. Die<br />

Moleküle der Antisense-Oligos sind nicht so groß wie Proteine<br />

und Nukleinsäuren. Deswegen werden sie vom Körper<br />

durch die Nieren schnell ausgeschieden. Die 2’O-Methyle<br />

sind elektrisch geladen und verbinden sich mit verschiedenen<br />

Proteinen im Blut. Sie werden daher nicht so<br />

schnell mit dem Urin ausgeschieden wie die Morpholinos,<br />

die elektrisch neutral sind.<br />

Wie bei Versuchen mit Mäusen gezeigt wurde, beträgt<br />

die Halbwertzeit im Serum, d.h. die Zeit, bis die Hälfte der<br />

Oligos aus dem Serum entfernt wird, bei 2’O-Methylen ca.<br />

4-5 Wochen und bei Morpholinos nur etwa 2-3 Stunden.<br />

Daher haben die 2’O-Methyle viel mehr Zeit als die Morpholinos,<br />

um in die Muskelzellen aufgenommen zu werden,<br />

wo sie dann ihre therapeutische Wirkung entfalten<br />

können. Die Situation beim Menschen ist wahrscheinlich<br />

ähnlich, da bei diesen zwei verschiedenen Typen von An-<br />

tisense Oligos – und das werde ich später erklären – bei<br />

ersten klinischen Studien an Patienten zur Erzielung von<br />

ähnlichen Ergebnissen viel höhere Dosen und längere Behandlungszeiten<br />

für Morpholinos nötig waren als bei den<br />

2’O-Methylen.<br />

Da eine <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong>-Behandlung wahrscheinlich<br />

während des ganzen Lebens der Jungen notwendig sein<br />

wird, sind Injektionen unter die Haut praktischer als intravenöse<br />

Injektionen in den Blutkreislauf. Solche subkutane<br />

Injektionen können zu Hause von Laien oder dem Patienten<br />

selbst durchgeführt werden. Injektionen in die Vene<br />

setzen häufige Besuche in einer Arztpraxis voraus. Aus<br />

diesem Grunde werden die in Wasser löslichen 2’O-Methyle<br />

während der klinischen Studien bereits subkutan angewendet.<br />

Morpholinos können in hohen Dosen jedoch<br />

nicht in Wasser aufgelöst werden und erfordern daher Injektionen<br />

oder Infusionen in ein Blutgefäß.<br />

Wie zuvor erklärt, haben die Muskelzellen von <strong>Duchenne</strong>-Jungen<br />

kein oder nur sehr wenig Dystrophin unter<br />

den Zellmembranen. Die vielen verschiedenen Proteine,<br />

die mit Dystrophin in Verbindung stehen, fehlen ebenso.<br />

Die Membranen haben also keinen „Stoßdämpfer“ mehr,<br />

der normale Membranen vor der mechanischen Belastung<br />

muskulärer Kontraktionen schützt. Mit der Zeit lösen sich<br />

diese Membranen auf oder bekommen Risse und Löcher.<br />

Durch sie gelangen Teile des Zellinhalts in den Blutkreislauf<br />

wie zum Beispiel das Enzym Creatinkinase, CK. Die<br />

Konzentration dieses Enzyms steigt dramatisch an und gibt<br />

einen ersten Hinweis darauf, dass ein Junge <strong>Muskeldystrophie</strong><br />

haben kann.<br />

Andererseits können Substanzen von außen die beschädigten<br />

Zellmembranen einfacher und schneller passieren<br />

als gesunde Muskelzellmembranen. Für Techniken wie das<br />

<strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong>, die darauf angewiesen sind, dass ihre aktiven<br />

Substanzen so schnell und so wirksam wie möglich in<br />

die Muskelzellen gelangen, ist diese defekten Zellmembranen<br />

also ein Vorteil. Es wurde sogar schon gesagt, dass<br />

die <strong>Duchenne</strong>-<strong>Muskeldystrophie</strong> die Zellmembranen öffnet,<br />

um die Arzneimittel einzulassen, weil sie „gerne geheilt<br />

werden möchte“.<br />

Wie wird die therapeutische Wirkung eines möglichen<br />

<strong>Duchenne</strong> Arzneimittels gemessen? In den klinischen<br />

Studien mit dem <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong> muss bewiesen werden,<br />

dass die Antisense-Oligos tatsächlich den Abbau der dystrophen<br />

Muskeln bei <strong>Duchenne</strong>-Jungen über viele Jahre<br />

hinweg verlangsamen. Eine Möglichkeit dies zu tun ist der<br />

Sechs-Minuten-Gehtest, 6MWT – englische Abkürzung.<br />

Dies ist eine sogenannte „outcome measure“, eine Ergebnis-Messung,<br />

die von der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde<br />

FDA und der Europäischen Arzneimittelbehörde<br />

EMA akzeptiert wird, um die Wirkung einer Behandlung<br />

auf die Muskelfunktion zu messen. <strong>Duchenne</strong>-<br />

Jungen, die noch unabhängig gehen können, sollen 6 Minuten<br />

lang so schnell sie können gehen, nicht laufen, z.B.<br />

hin und zurück im Flur eines Krankenhauses.<br />

Die durchschnittliche Entfernung, die an verschiedenen<br />

Tagen vor der ersten Injektion zurückgelegt wurde, ist der<br />

durchschnittliche 6MWT-Ausgangswert. Ein 10 Jahre alter<br />

Junge kann in 6 Minuten etwa 300 bis 400 Meter gehen.<br />

Während der Studie – z.B. alle 6 Wochen – wird dieser<br />

7


Test wiederholt. Normalerweise nimmt die zurückgelegte<br />

Strecke ab, weil der Muskelabbau voranschreitet. Die Abnahme<br />

in Metern zu verschiedenen Zeiten wird in einem<br />

Diagramm festgehalten, das damit das Schlechterwerden<br />

der Muskelfunktionen und das Fortschreiten der Krankheit<br />

dokumentiert. Um die kombinierten Ergebnisse größerer<br />

Patientengruppen zu zeigen, wird der durchschnittliche<br />

6MWT-Ausgangswert für alle Patienten dieser Gruppe auf<br />

null gesetzt. Dort starten die Kurven, die durch verschiedene<br />

Dosen und die Ergebnisse der Placebo-Gruppe zustande<br />

kommen.<br />

Die Punkte in den Kurven stehen für die durchschnittlichen<br />

Veränderungen aller Jungen einer Gruppe in Metern<br />

zu verschiedenen Zeiten. Diese Veränderungen sind wegen<br />

der geringeren Gehstrecken in 6 Minuten, meist negativ.<br />

Der Zweck dieser graphischen Darstellung ist es zu<br />

zeigen, ob die Behandlung in der klinischen Studie den<br />

gewünschten Effekt hat oder nicht. Um dies jedoch zuverlässig<br />

und objektiv und ohne „menschliche“ Einflüsse zu<br />

bewerkstelligen, muss die Studie doppelblind durchgeführt<br />

werden. Ein Drittel, manchmal auch die Hälfte der Patienten<br />

in einer Studie erhalten nicht das aktive Arzneimittel,<br />

sondern ein Placebo. Das ist Material wie z.B. Milchzucker,<br />

das wie das Arzneimittel aussieht, aber keine medizi-<br />

Die Linie in der Mitte wurde mit den Jungen in der Placebo-Gruppe<br />

erhalten. Die obere Linie zeigt die Ergebnisse<br />

der Jungen, die die niedrigere Dosis erhielten, 40 mg Ataluren/kg/Woche.<br />

Die untere Linie zeigt die Ergebnisse der<br />

Jungen, die die höhere Dosis erhielten, 80 mg Ataluren/kg/<br />

Woche. Sie können sehen, dass die Linien der Placebo-<br />

und der Hochdosis-Gruppe sehr ähnlich sind. Die Linie der<br />

Niedrigdosis-Gruppe zeigt jedoch, dass die Distanz, die in<br />

6 Minuten zurückgelegt wurde, nicht so schnell abnahm<br />

wie bei den anderen beiden Gruppen. Es sieht also so aus,<br />

als ob die niedrige Dosis die Krankheit in einem Jahr wirksam<br />

verlangsamt hat im Vergleich zu den Jungen, die keine<br />

Behandlung erfuhren. Eine hohe Dosis hat den Verlauf<br />

der Krankheit nicht beeinflusst. Ich werde im zweiten Teil<br />

meines <strong>Bericht</strong>es auf dieses unerwartete und noch nicht zu<br />

erklärende Ergebnis und seine Folgen zurückkommen.<br />

nische Wirkung hat.<br />

Die Entscheidung, ob ein Patient das Arzneimittel oder<br />

das Placebo erhält wird per Zufall gefällt, denn er wird zufällig<br />

einer der Teilnehmergruppen in der Studie zugeteilt.<br />

Weder die Eltern noch die Patienten noch das Klinik- oder<br />

Laborpersonal wissen, zu welcher Gruppe der Patient gehört<br />

bevor die Studie abgeschlossen und analysiert wird.<br />

Solch eine graphische Darstellung, die auch Daten einer<br />

Placebo-Gruppe enthält, gibt es noch nicht für die klinischen<br />

Studien, mit denen das <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong> geprüft wird.<br />

Wir werden noch auf das Ende der langen Phase III-Studie<br />

zum Skippen des <strong>Exon</strong>s 51 und die Auswertung aller Daten<br />

warten müssen. Vor Ende <strong>2013</strong> werden wir sie wohl<br />

nicht sehen.<br />

Eine solche Darstellung mit Placebo-Daten existiert jedoch<br />

für die Phase- IIb-Studie mit Ataluren, das auch als<br />

PTC124 bekannt war. Diese Studie wurde im <strong>März</strong> 2010<br />

unterbrochen, da das vorher bestimmte primäre Messergebnis<br />

nicht erreicht wurde. Die Ergebnisse des 6-Minuten-Gehtests<br />

bei 174 Patienten über 48 Wochen hinweg<br />

wurden im April 2010 (3) veröffentlicht. Es gab 2 Patientengruppen<br />

mit verschiedenen Dosen und eine Placebo-<br />

Gruppe. Ich zeige Ihnen hier die Ergebnisse als Beispiel,<br />

wie die Daten einer klinischen Studie präsentiert werden.<br />

Sobald die Ergebnisse der Phase III der <strong>Exon</strong>-51-Studie<br />

analysiert und in ähnlicher Weise veröffentlicht sind, werde<br />

ich sie in die aktualisierte Fassung dieses <strong>Bericht</strong>es aufnehmen,<br />

wenn ich diese Forschungsberichte weiterhin<br />

schreiben kann.<br />

Die Mutationen des Dystrophin-Gens. Nach der Veröffentlichung<br />

von Annemieke Aartsma-Rus und ihren Kollegen<br />

im Jahr 2006 (4) machen die Deletionen, das Fehlen<br />

eines oder mehrerer <strong>Exon</strong>s bis zu 72% aller Mutationen<br />

aus. Verdoppelungen eines oder mehrerer <strong>Exon</strong>s werden<br />

in 7% aller Patienten gefunden, 20% der Patienten haben<br />

Punktmutationen. Das sind kleine Deletionen oder Einschübe<br />

oder Änderungen von einem oder einiger weniger<br />

genetischer Buchstaben. Das verbleibende 1% setzt sich<br />

aus mehreren seltenen Mutationen zusammen – wie z.B.<br />

8


diejenigen die Spleißstellen stören oder große Teile der<br />

Genstruktur neu ordnen.<br />

Die Leseraster-Regel. Die Autoren kommen zu dem<br />

Schluss, dass für 91% aller Patienten diese Regel gilt. Das<br />

bedeutet, dass out-of-frame-Mutationen <strong>Duchenne</strong> verursachen,<br />

hier bleibt das Raster nicht erhalten, und inframe-Mutationen<br />

Becker <strong>Muskeldystrophie</strong>. Sie sagen<br />

weiterhin, dass bei den meisten Patienten, deren Mutationen<br />

Ausnahmen zu dieser Leseraster-Regel sind, die Struktur<br />

ihrer mRNA dieser Regel jedoch folgt. In den meisten<br />

Fällen wird die mRNA-Sequenz aber nicht bestimmt,<br />

wenn eine Genanalyse durchgeführt wird. Bevor eine<br />

<strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong>-Behandlung begonnen wird, ist es anzuraten,<br />

in einem Gewebe-Kultur-Versuch zu bestätigen, dass<br />

diese Behandlung zu einer in-frame-mRNA führen würde.<br />

Anwendbarkeit des <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong>s. Obwohl <strong>Duchenne</strong><br />

Patienten mehr oder weniger ähnliche klinische Symptome<br />

haben, gibt es viele verschiedene Ursachen für ihre Krankheit.<br />

Das liegt daran, dass Mutationen auf dem sehr langen<br />

Dystrophin-Gen an vielen verschiedenen Stellen auftreten<br />

können. <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong> ist daher mutations-spezifisch. Es<br />

wird eine personalisierte Therapie sein. Jeder Patient benötigt<br />

eine ganz bestimmtes Antisense-Oligo, aber jedes<br />

Antisense-Oligo kann oft für eine Gruppe von Patienten<br />

mit verschiedenen Mutationen verwendet werden, bei denen<br />

ein oder mehrere ganz bestimmte <strong>Exon</strong>s geskippt werden<br />

müssen.<br />

Annemieke Aartsma-Rus und ihre Kollegen haben die<br />

Anwendbarkeit des Skippens für <strong>Duchenne</strong>-Patienten mit<br />

Deletionen, Punktmutationen und Verdoppelungen aufgelistet<br />

(5), die in den Leiden <strong>Duchenne</strong> Muscular Dystrophy<br />

Seiten verzeichnet sind. Ihre Liste enthält 130 Patientengruppen,<br />

die das Skippen eines oder zweier ganz bestimmter<br />

<strong>Exon</strong>s benötigen in Prozent aller <strong>Duchenne</strong>-Patienten<br />

mit allen möglichen verschiedenen Mutationen. Die Autoren<br />

fanden heraus, dass 83% aller <strong>Duchenne</strong>-Patienten<br />

Mutationen haben, die durch das <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong> möglicherweise<br />

„repariert“ werden können.<br />

Die verbleibenden 17% haben Mutationen, die zu<br />

schwierig für eine „Reparatur“ mit der <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong>-<br />

Methode sind. Diese Patienten würden aber von pharmakologischen<br />

und anderen Therapien profitieren, die nicht<br />

mutationsspezifisch sind und daher allen Patienten zugutekommen<br />

würden. Im zweiten Teil dieses <strong>Bericht</strong>es werde<br />

ich die Ergebnisse der wichtigsten dieser Forschungsprojekte<br />

zusammenfassen.<br />

Die ersten 11 der 130 Patientengruppen sind in der folgenden<br />

kurzen Liste aufgeführt. Unter ihnen sind auch diejenigen,<br />

für die in den nächsten Jahren <strong>Skipping</strong>-Medikamente<br />

von den Firmen GSK/Prosensa und Sarepta entwickelt<br />

werden.<br />

Wie Sie sehen können, benötigen 13% aller Patienten<br />

das Skippen ihres <strong>Exon</strong>s 51. Das 51-Antisense-Oligo ist<br />

damit ein mögliches <strong>Skipping</strong>-Medikament für die größte<br />

Gruppe aller <strong>Duchenne</strong>-Patienten. Daher wurde für die ersten<br />

abgeschlossenen und noch laufenden klinischen Studien<br />

des <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong>s dieses <strong>Exon</strong> ausgesucht, da es der<br />

größten Patientengruppe möglichst bald helfen würde.<br />

Rang zu skippendes <strong>Exon</strong> % aller Patienten<br />

1 51 51 51 13.0<br />

2 45 45 45 8.1<br />

3 53 53 53 7.7<br />

4 44 44 6.2<br />

5 46 4.3<br />

6 52 52 4.1<br />

7 50 50 4.0<br />

8 43 3.8<br />

9 6+7 3.0<br />

10 8 2.3<br />

11 55 55 2.0<br />

Rot: Prioritätsliste von Prosensa/GSK, 41.1%<br />

Blau: Prioritätsliste von Sarepta, 32.8%<br />

Wird das <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong> eine Therapie für meinen<br />

Sohn sein? Viele <strong>Duchenne</strong>-Familien aus der ganzen Welt<br />

stellen mir diese Frage. Ich erkläre Ihnen daher hier, wie<br />

Sie selbst das mögliche <strong>Skipping</strong>-Medikament für Ihren<br />

Sohn finden können.<br />

Da das <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong> jedoch eine mutations-spezifisches<br />

Verfahren ist, besteht der erste Schritt darin, die genaue<br />

Mutation im Dystrophin-Gen Ihres kranken Jungen<br />

zu kennen. Die Mutation kann am besten mit der MLPA-<br />

Methode (multiplex ligation-dependent probe amplification)<br />

in einem modernen genetischen Labor bestimmt werden,<br />

die alle 79 <strong>Exon</strong>s bei <strong>Duchenne</strong>-Jungen, ihren Müttern<br />

und anderen weiblichen Verwandten analysiert. Diese<br />

und andere diagnostische Verfahren werden im zweiten<br />

Teil dieses <strong>Bericht</strong>es ausführlich beschrieben.<br />

Wenn die genaue Mutation bekannt ist – hauptsächlich<br />

Deletionen, Verdoppelungen oder Punktmutationen – können<br />

Sie selbst die Sequenz der 11.040 genetischen Buchstaben<br />

der kombinierten 79 <strong>Exon</strong>s der Dystrophin-mRNA<br />

anschauen, die die Anweisungen für die Zusammensetzung<br />

der 3.685 Aminosäuren des normalen Dystrophin-<br />

Proteins enthält. Sie können sich die 15 Seiten mit diesen<br />

elftausend Buchstaben dieser Sequenz von den Leiden<br />

Muscular Dystrophy Pages im Internet herunterladen:<br />

www.dmd.nl/seqs/murefDMD.html. Aus dieser Sequenz<br />

können Sie bestimmen, ob die Mutation Ihres Sohnes das<br />

Leseraster verschiebt oder beibehält. So lässt sich feststellen,<br />

ob diese genetische Information auf eine <strong>Duchenne</strong>-<br />

oder Becker-<strong>Muskeldystrophie</strong> bei Ihrem Kind hinweist.<br />

Wenn Sie die Sequenzen an den Grenzregionen der<br />

<strong>Exon</strong>s betrachten, können Sie auch bestimmen, welches<br />

<strong>Exon</strong> oder welche <strong>Exon</strong>s geskippt werden müssen, um das<br />

Leseraster aus einer „out-of-frame“-Situation zurück in<br />

eine „in-frame“-Situation zu bringen.<br />

Es gibt noch einen einfacheren Weg, das <strong>Exon</strong> oder die<br />

<strong>Exon</strong>s zu finden, die geskippt werden müssen, wenn Sie<br />

die Mutation des Dystrophin-Gens kennen. Die Anordnung<br />

der 79 <strong>Exon</strong>s in der mRNA können Sie in dem Bild<br />

auf der nächsten Seite sehen, das ich von Annemieke<br />

Aartsma-Rus erhalten habe:<br />

Um bei einer Deletion herauszufinden welches <strong>Exon</strong><br />

geskippt werden muss, streichen Sie das fehlende oder die<br />

fehlenden <strong>Exon</strong>s und entscheiden, ob das <strong>Exon</strong> vor oder<br />

nach der Deletion oder eventuell beide geskippt werden<br />

9


müssen, so dass das Ende des vorangehenden <strong>Exon</strong>s mit<br />

dem Anfang des folgenden <strong>Exon</strong>s zusammenpaßt, wenn<br />

das deletierte <strong>Exon</strong> und das oder die geskippten <strong>Exon</strong>s fehlen.<br />

Wenn z.B. die Deletion aus den 8 <strong>Exon</strong>s 45-52 besteht,<br />

kann man sehen, dass die beiden <strong>Exon</strong>s 44 und 53, die vor<br />

und nach der Deletion kommen, nicht zusammenpassen.<br />

Wenn jedoch <strong>Exon</strong> 53 übersprungen wird, würde das Ende<br />

von <strong>Exon</strong> 44 zum Anfang von <strong>Exon</strong> 54 passen. Sie werden<br />

auch sehen, dass die Deletion der <strong>Exon</strong>s 44-50 repariert<br />

werden könnte, indem man die beiden benachbarten <strong>Exon</strong>s<br />

43 und 51 skippt, so dass die <strong>Exon</strong>s 42 und 52 zusammenpassen.<br />

Sie werden auch erkennen, dass die Deletion von<br />

<strong>Exon</strong> 44 nicht zusammenpassende <strong>Exon</strong>-Enden verursacht,<br />

also das Leseraster verschiebt und so zu <strong>Duchenne</strong> führt.<br />

Eine Deletion der <strong>Exon</strong>s 48-51 hingegen produziert passende<br />

<strong>Exon</strong>-Enden, die das Leseraster nicht verschieben,<br />

was zu einer Becker-Dystrophie führen könnte. Diese<br />

Vorgehensweise funktioniert auch für Verdoppelungen<br />

und Punktmutationen.<br />

Dieses Bild zeigt die relative Größe der <strong>Exon</strong>s, die Linie<br />

am linken unteren Rand zeigt die Länge von 100<br />

Nukleotiden, genetischen Buchstaben. Hellblaue <strong>Exon</strong>s<br />

sind „in-frame“-<strong>Exon</strong>s. Wenn sie fehlen oder geskippt<br />

werden müssen, wenn sie eine Punktmutation enthalten,<br />

würden sie das Leseraster nicht verschieben. Dunkelblaue<br />

<strong>Exon</strong>s sind „out-of-frame“-<strong>Exon</strong>s. Ihre Deletion kann repariert<br />

werden, wenn sie und ein benachbartes <strong>Exon</strong> geskippt<br />

werden, so dass die Enden der verbleibenden <strong>Exon</strong>s<br />

wieder zueinanderpassen.<br />

Die dritte und einfachste Möglichkeit besteht darin, auf<br />

die <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong>-Listen der Doktorarbeit von Annemieke<br />

Aartsma-Rus zu schauen. Hier können Sie direkt ablesen,<br />

welches <strong>Exon</strong> oder welche <strong>Exon</strong>s geskippt werden<br />

müssen, wenn Sie die Einzelheiten der Mutation Ihres<br />

Sohnes kennen. Diese Listen können Sie im Internet wie<br />

folgt finden:<br />

Deletionen. www.humgen.nl@lab-aartsmarus/Table%20deletions.pdf<br />

Verdoppelungen: www.humgen.nl/lab-aartsmarus/Table%20duplications.pdf<br />

Punktmutationen: www.humgen.nl/lab-aartsmarus/Table%20point%20mutations.pdf<br />

Als Beispiel habe ich hier 10 Einträge aus der Liste der<br />

Deletionen aufgeführt:<br />

Deletierte <strong>Exon</strong>s zu skippende <strong>Exon</strong>(s)<br />

40 – 43 44<br />

43 – 45 46<br />

43 – 50 51<br />

43 – 52 53<br />

44 43 oder 45<br />

44 – 50 43+51<br />

46 – 47 45<br />

46 – 52 45+53 oder 53+54<br />

48 – 50 51<br />

51 – 53 50<br />

Wenn Sie die genaue Mutation Ihres <strong>Duchenne</strong>-Jungen in<br />

seinem Dystrophin-Gen kennen und wenn Sie das <strong>Exon</strong><br />

oder die <strong>Exon</strong>s gefunden haben, die in seiner mRNA geskippt<br />

werden müssen, dann haben Sie meine Erklärungen<br />

hier verstanden. Sie sollten wissen, dass dies keine Garantie<br />

dafür ist, dass seine schweren <strong>Duchenne</strong>-Symptome in<br />

die milderen Symptome der Becker-Dystrophie umgewandelt<br />

werden, wenn er seine personalisierte <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong>-<br />

Arznei bekommt, die auf diesem Weg bestimmt wurde.<br />

Alles was gesagt werden kann, ist, dass das spezielle<br />

Skippen, das Sie korrekt identifiziert haben, das Leseraster<br />

der genetischen Information der mRNA von einer „out-offrame“-Situation<br />

zurück in eine „in-frame“-Situation verschiebt.<br />

Es besagt nicht, dass diese „in-frame“-Situation in<br />

jedem Fall eine Becker-Dystrophin produzieren wird, da<br />

die Leseraster-Regel Ausnahmen hat.<br />

Die Gründe für diese Ausnahmen sind nicht für alle<br />

Fälle bekannt. Die Grenzen der Deletionen im Dystrophin-<br />

Gen stimmen in den meisten Fällen beispielsweise nicht<br />

mit den Grenzen der <strong>Exon</strong>s überein, sondern liegen etwas<br />

innerhalb der oft sehr langen Introns zwischen den <strong>Exon</strong>s.<br />

Diese Grenzen werden normalerweise nicht durch die üblichen<br />

genetischen Testmethoden gefunden und können<br />

unterschiedlich sein bei Patienten, die die gleichen Deletionen<br />

haben. Da die Introns Sequenzen haben, die wichtig<br />

für die Regulierung der Gene sind, kann ihr Vorhanden-<br />

oder Nicht-Vorhandensein verschiedene Krankheitssymptome<br />

hervorrufen.<br />

Andererseits hat das Dystrophin-Protein eine Struktur<br />

mit Regionen, die unterschiedlich wichtig sind. Einige Deletionen<br />

können zusammen mit den geskippten <strong>Exon</strong>s in<br />

einigen Fällen eine veränderte Proteinstruktur zur Folge<br />

10


haben, die es nicht erlaubt, dass das verkürzte Dystrophin<br />

mehr oder weniger normal funktioniert.<br />

Obwohl also die <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong>-Therapie in vielen Fällen<br />

ein Protein produziert, das die <strong>Duchenne</strong>-Symptome<br />

verringern könnte, kann es Überraschungen geben, die<br />

während der klinischen Studien und den eigentlichen Behandlungen<br />

zutage treten werden.<br />

Mutationen, die nicht mit dem <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong> repariert<br />

werden können. Wie ich zuvor erwähnte, haben<br />

17% aller <strong>Duchenne</strong>-Jungen Mutationen, die nicht mit<br />

<strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong> behandelt werden können. Dies ist zum<br />

Beispiel der Fall, wenn das erste oder letzte <strong>Exon</strong> fehlt<br />

oder wenn die Mutationen in der Region der <strong>Exon</strong>s 64-70<br />

auftreten, die für das wichtige Cystein-reiche Ende des<br />

Proteins notwendig ist. Ebenfalls nicht behandelbar sind<br />

lange Deletionen oder wenn sie die Actin-bindenden Teile<br />

des Proteins betreffen. Nicht reparabel sind auch große<br />

Umstrukturierungen wie das Verdrehen der Reihenfolge<br />

oder das Platzieren von Sequenzen an andere Stellen des<br />

Gens, was die genetische Information unkontrollierbar<br />

durcheinanderbringt.<br />

Wenn die genetischen Testergebnisse Ihres Sohnes Ihnen<br />

nicht erlaubt, nach meiner Anleitung hier das zu skippende<br />

<strong>Exon</strong>, oder die <strong>Exon</strong>s, zu finden, oder wenn Sie andere<br />

Fragen haben, was für ihren Sohn getan werden könnte,<br />

bitte schreiben Sie eine persönliche E-Mail an mich:<br />

gscheuerbrandt@t-online.de, und ich werde sobald wie<br />

möglich antworten.<br />

Wie werden <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong>-Medikamente entwickelt?<br />

Nachdem Sie meine Erklärungen gelesen haben, wissen<br />

Sie, welche Art von <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong> möglicherweise eine<br />

Therapie für Ihren Sohn sein könnte. Jetzt erkläre ich Ihnen,<br />

wie diese möglichen Medikamente entwickelt werden.<br />

Das geschieht in drei Teilen: Im ersten wird beschrieben,<br />

welche klinischen Studien gemacht werden müssen.<br />

Dann beschreibe ich, welche <strong>Skipping</strong>s zuerst entwickelt<br />

werden und schließlich beschreibe ich, welche klinischen<br />

Studien schon abgeschlossen sind, welche gerade laufen<br />

und welche für die nähere Zukunft geplant sind.<br />

Welche Art von klinischen Studien müssen durchgeführt<br />

werden? Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde<br />

FDA in Atlanta, die Europäische Arzneimittelbehörde<br />

EMA in London und andere Regulierungsbehörden verlangen,<br />

dass die „normale“ Entwicklung eines klassischen<br />

Medikamentes mit den folgenden Phasen durchlaufen<br />

werden muss:<br />

Vorklinische Phase. Laborstudien und Tierversuche, um<br />

die Sicherheit, die biologische Aktivität und die beste Verabreichungsmethode<br />

des neuen Arzneimittels zu prüfen.<br />

Klinische Phase I. Studien an 20 – 100 gesunden Freiwilligen,<br />

um die Sicherheit bei Menschen zu prüfen.<br />

Klinische Phase II. Studien an 100 – 500 Patienten, um<br />

optimale Dosierungen, die Sicherheit und die Wirksamkeit<br />

zu prüfen.<br />

Klinische Phase III. Studie an 1.000 – 5.000 Patienten,<br />

um die Sicherheit und Wirksamkeit des Arzneimittels zu<br />

bestätigen, wenn es über einen längeren Zeitraum eingenommen<br />

wird.<br />

Die Kosten aller drei klinischer Forschungsstudien<br />

können sich auf bis zu 500 Millionen US-Dollar für ein<br />

Arzneimittel belaufen. Es kann bis zu 15 Jahre von der ersten<br />

Idee für ein neues Medikament bis zu seiner Marktzulassung<br />

dauern.<br />

Diese Vorschriften wurden entstanden zu einer Zeit, als<br />

patientenspezifische Forschungsansätze wie das <strong>Exon</strong>-<br />

<strong>Skipping</strong> noch nicht existierten. Um ein personalisiertes<br />

„genetisches“ <strong>Duchenne</strong>-Medikament durch diese Phasen<br />

zu bekommen, müssen verschiedene Herausforderungen<br />

gemeistert und überwunden werden.<br />

Die Studien mit Antisense-Oligos an gesunden Freiwilligen<br />

in Phase I könnte zum Beispiel das Leseraster in einer<br />

normalen Dystrophin mRNA verschieben und so,<br />

wenn sie wirksam genug sind, zu <strong>Duchenne</strong>-Dystrophie<br />

bei diesen gesunden Freiwilligen führen. Dies wäre eine<br />

sehr ernstzunehmende Nebenwirkung, die nichts mit normalen<br />

widrigen Umständen zu tun hat.<br />

Eine andere große Sorge besteht in unerwünschten<br />

Wirkungen, sogenannten „off-target“-Effekten. Es könnten<br />

<strong>Exon</strong>s in den genetischen Informationen anderer Gene als<br />

dem Dystrophin-Gen geskippt werden und somit schwerwiegende<br />

und möglicherweise unbekannte Krankheiten<br />

verursachen.<br />

Ein weiteres Problem, das nicht in der normalen Arzneimittelentwicklung<br />

auftritt, könnte spezifisch für die<br />

<strong>Duchenne</strong>- Dystrophie sein: Da Dystrophin fehlt, haben<br />

die Zellmembranen der <strong>Duchenne</strong>-Muskeln Risse und Löcher,<br />

durch die die <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong> Arzneien in das Zellplasma<br />

der Zellen gelangen und auch in die Kerne, wo sie<br />

für ihre therapeutischen Wirkungen gebraucht werden. Es<br />

könnte also nur bei <strong>Duchenne</strong>-Patienten zu negativen<br />

Auswirkungen kommen, die bei Personen ohne diese<br />

Krankheit nicht auftreten. Daher können klinische Studien<br />

der Phase I mit gesunden Freiwilligen mit möglichen<br />

<strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong> Arzneimitteln nicht durchgeführt werden.<br />

Teilnahme an klinischen Studien. Klinische Studien an<br />

Patienten sind unverzichtbare Bestandteile in der Entwicklung<br />

einer <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong>-Therapie. Es ist verständlich,<br />

dass Familien versuchen, dass ihre kranken Kinder für diese<br />

Studien akzeptiert werden. Sie hoffen, dass ihr Kind<br />

dann eine Chance hat, früher eine Therapie zu bekommen<br />

anstatt noch mehrere Jahre auf die endgültige Zulassung<br />

dieser personalisierten Medikamente warten zu müssen.<br />

Klinische Studien sind jedoch nur Experimente an<br />

Menschen, die auch schiefgehen können. Familien sollten<br />

also den Informationen der Klinikärzte, die diese Studien<br />

durchführen, genau beachten, bevor sie ihre Einwilligung<br />

nach Aufklärung geben. Eine Teilnahme hat auch Nachteile,<br />

die von Kate Bushby von TREAT-NMD in einem Interview<br />

erklärt wurden, das ich mit ihr im <strong>März</strong> 2009 aufgezeichnet<br />

habe:<br />

„Ich glaube nicht, dass es praktisch für die Kinder ist,<br />

von weit her zu kommen, um an klinischen Studien teilzunehmen,<br />

da sie jede Woche für Injektionen in den klini-<br />

11


schen Zentren sein müssen und eine Menge Blutproben<br />

genommen werden. Es ist also besser, wenn sie in der Nähe<br />

dieser Zentren wohnen.<br />

Auch wenn sie in der Nähe wohnen, müssen die Familien<br />

ihr gesamtes Leben umstellen. Sie sollten sich im Klaren<br />

sein, dass die Studien nur Studien sind. In den späteren<br />

Wirksamkeitsstudien könnte ihr Kind in der Placebo-Gruppe<br />

sein. Das kann ihm während der Studie nicht helfen und<br />

es kann unvorhergesehene Nebenwirkungen geben. Studien<br />

bedeuten wirklich harte Arbeit. Ich würde sogar sagen,<br />

dass die Kinder in den Studien fast einen Nachteil haben.<br />

Sie müssen diese ganzen Unannehmlichkeiten über sich<br />

ergehen lassen, um etwas zu bekommen, von dem später<br />

jeder profitieren wird – vorausgesetzt, dass es funktioniert.<br />

Wir sind den Familien und Jungen wirklich sehr dankbar,<br />

die all die Zeit und Anstrengung investieren, um an diesen<br />

Studien teilzunehmen, die hoffentlich die Sache für jeden<br />

ein Stück voranbringt.“<br />

Es gibt jedoch einen wichtigen, potenziellen Vorteil für<br />

die Studien-Teilnehmer: Wenn die Studien der Phase II<br />

oder Phase III zeigen, dass sie bis zu einem gewissen Grad<br />

wirksam sind, dann kann der Studie eine offene Verlängerungs-Phase<br />

über mehrere Jahre folgen, in der alle Jungen<br />

– auch die, die während der Studie Placebos erhalten haben<br />

– die wirksamste Dosis, die in der Studie verwendet<br />

wurde, erhalten und zwar bis die Arznei in ihrem Land zugelassen<br />

wird.<br />

Muskelreparatur, eine allgemeine Einführung. Der<br />

Text dieses Abschnittes wurde von Annemieke Aartsma-<br />

Rus nach einer Tagung über Muskelstammzellen geschrieben,<br />

die im Juli 2012 in New Orleans in den USA<br />

stattfand.<br />

„<strong>Muskeldystrophie</strong>n wie zum Beispiel die <strong>Duchenne</strong>-<br />

<strong>Muskeldystrophie</strong> zeichnen sich durch eine kontinuierliche<br />

Schädigung von Muskelgewebe aus, die schließlich zum<br />

Verlust von Muskelgewebe und Muskelfunktion führt.<br />

Wie die meisten Gewebe sind Muskeln fähig sich zu regenerieren,<br />

wenn sie beschädigt wurden. Im Gegensatz zu<br />

den meisten anderen Gewebsarten, bestehen Muskeln jedoch<br />

nicht aus Einzelzellen, sondern aus Fasern, die aus<br />

Einzelzellen zusammengeschmolzen wurden. Danach<br />

können sich die Muskelfasern mehr teilen oder regenerieren.<br />

Auf den Muskelfasern liegen spezialisierte Einzelzellen,<br />

sogenannte Satellitenzellen, die sich teilen können, um<br />

Muskelzellen zu reparieren. Sobald Muskelfasern beschädigt<br />

sind, werden Proteine als Schadenssignale ausgesendet,<br />

die die Satellitenzellen aktivieren. Diese fangen sich<br />

dann an zu teilen, wandern zu den beschädigten Stellen<br />

und reparieren sie, indem sie mit den Muskelfasern zu-<br />

Die Entwicklung von personalisierten, genetischen <strong>Exon</strong>-<br />

<strong>Skipping</strong>-Medikamenten muss durch Firmen erfolgen, die<br />

über genügende finanzielle Mittel verfügen, um technische<br />

und ethische Probleme zu überwinden, die mit dieser neuen<br />

Art von Arzneimitteln einhergehen, die aber nicht ein<br />

Gen des Menschen verändern, sondern nur seine genetische<br />

Information reparieren.<br />

Klinische Studien zum <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong><br />

sammenschmelzen oder – wenn die Beschädigung sehr<br />

groß ist – sie schmelzen untereinander zusammen um eine<br />

neue Faser zu bilden. Um sicherzustellen, dass der Muskel<br />

nach der nächsten Beschädigung auch repariert werden<br />

kann, wird eine dieser Zellen eine inaktive Satellitenzelle,<br />

die sich wieder auf der neuen oder reparierten Muskelfaser<br />

ansiedelt.<br />

Jeder erleidet gelegentlich Schäden an seinen Muskeln.<br />

Das Regenerationssystem stellt sicher, dass die Beschädigung<br />

repariert wird und die Muskeln dicker und stärker<br />

wachsen, damit einer zukünftigen Beschädigung vorgebeugt<br />

wird. Das Problem bei <strong>Duchenne</strong>-<strong>Muskeldystrophie</strong><br />

besteht darin, dass die Muskelfasern sehr viel empfindlicher<br />

gegenüber Beschädigungen sind, da ihnen wichtige<br />

Proteine fehlen, die die Muskelfasern während der Kontraktion<br />

stabilisieren. Diese Proteine sind z.B. Dystrophin<br />

und die mit ihm verbundenen anderen Proteine.<br />

Muskelfasern von <strong>Duchenne</strong>-Patienten werden leichter<br />

und öfter beschädigt als bei gesunden Personen. Dies verursacht<br />

chronischen Stress im Reparatursystem und führt<br />

zu Entzündungen. Normalerweise spielen Entzündungszellen<br />

bei Muskelbeschädigungen eine wichtige Rolle. Sie<br />

lösen nämlich das beschädigte Gewebe auf, um neuen<br />

Muskelfasern Platz zu machen. Sie sind also eine Art Abfallbeseitigungssystem.<br />

Aufgrund der chronischen Natur<br />

der Krankheit, liegt eine ständige Entzündung vor, die<br />

schließlich zur Fibrose führt.<br />

Dabei wird statt neuem Muskelgewebe ein Bindegewebe<br />

geformt, da die Entzündungszellen Signalpeptide aussondern,<br />

die dazu führen, dass Satellitenzellen Fibroblasten<br />

werden anstatt muskelaufbauende Zellen.<br />

Fibroblasten produzieren Signalpeptide, kurze Aminosäureketten,<br />

die die Fibrose verstärken bzw. aufrechterhalten.<br />

Es kommt zu einem Teufelskreis, indem mehr und<br />

mehr Fibrose produziert wird und Muskelreparaturen immer<br />

weniger stattfinden. Da Muskelgewebe weiterhin beschädigt<br />

wird, werden schließlich die meisten Muskelfasern<br />

durch Fibrose-Gewebe ersetzt, die Muskelfunktion<br />

geht verloren.“<br />

Nach dieser Erklärung versteht man, wie wichtig das<br />

ist, was die <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong>-Therapie mit sich bringen<br />

wird: das Wiedererlangen des stabilisierenden Proteins<br />

Dystrophin und der mit ihm im Dystrophin-Komplex verbundenen<br />

Proteine in den überlebenden Muskelfasern.<br />

Dies verlangsamt oder stoppt den Fibroseprozess. Das bereits<br />

bestehende Bindegewebe bleibt allerdings erhalten.<br />

<strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong> sollte daher so früh wie möglich im Leben<br />

eines <strong>Duchenne</strong> Jungen gestartet werden, möglichst bevor<br />

der Fibrose-Prozesse einsetzt und die meisten Muskelfasern<br />

noch vorhanden sind.<br />

Ich nenne hier drei Firmen, die das <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong> zu<br />

dem am weitest entwickelten Verfahren zur Therapie von<br />

<strong>Duchenne</strong>-<strong>Muskeldystrophie</strong> gebracht haben. Mit weltweit<br />

etwa 400.000 Patienten, gehört <strong>Duchenne</strong>-<strong>Muskeldystrophie</strong><br />

zusammen mit Mukoviszidose zu den häufigsten Erbkrankheiten<br />

des Kindesalters.<br />

12


Ich beschreibe Ihnen diese Firmen hier nicht mit meinen<br />

eigenen Worten, sondern gebe Ihnen ihre Namen und<br />

Adressen, so dass Sie sich auf ihren Internet-Seiten über<br />

ihre <strong>Duchenne</strong>-Forschungsarbeiten informieren können:<br />

Prosensa Therapeutics BV in Leiden, Niederlande,<br />

www.prosensa.com<br />

GlaxoSmithKline PLC (GSK) mit Zentrale in London,<br />

www.gsk.com. Geben Sie „<strong>Duchenne</strong>“ in das Suchfeld<br />

oben rechts ein und klicken Sie auf „go“.<br />

Sarepta Therapeutics (ehemals AVI Biopharma) in<br />

Cambridge, MA, USA, www.sareptatherapeutics.com<br />

Die vier ersten klinischen Studien über das Skippen von <strong>Exon</strong> 51 bei <strong>Duchenne</strong>-Jungen.<br />

Es erforderte viele Jahre von vorklinischen Arbeiten an<br />

Antisense-Oligos mit Muskelkulturen im Labor, mit dystrophen<br />

mdx-Mäusen, die ein vorzeitiges Stopp-Codon in<br />

ihrem <strong>Exon</strong> 23 haben, und mit Mäusen, die das menschliche<br />

Dystrophin-Gen haben, bevor die vier klinischen Studien<br />

zum <strong>Exon</strong>- 51-Skippen mit <strong>Duchenne</strong>-Jungen in den<br />

Jahren 2006 bis 2009 durchgeführt werden konnten.<br />

Zwei von ihnen waren lokale Studien, bei denen nur<br />

unwichtige einzelne Muskeln behandelt wurden. Von ihnen<br />

konnten die teilnehmenden Jungen daher keine Änderung<br />

ihrer Symptome erwarten. Die beiden anderen Studien<br />

waren systemische Studien, bei denen die <strong>Exon</strong>- 51-<br />

Antisense-Oligos in die Blutbahn gespritzt wurden, um<br />

alle Muskeln zu erreichen.<br />

Diese vier Studien sollten vor allem die Frage beantworten,<br />

ob diese Antisense-Behandlung sicher ist, ob es<br />

Beweise für neu gebildetes Dystrophin gibt und ob eine<br />

Verbesserung der Muskelfunktion zu erwarten ist. Wenn<br />

das neue Medikament Wirkung zeigt, muss es später den<br />

Jungen schließlich jahrelang während ihres hoffentlich<br />

verlängerten Lebens gegeben werden. Sie sollte daher keine<br />

ernsten Nebenwirkungen haben und sie sollte vor allen<br />

Dingen nur die genetischen Informationen des Dystrophin-<br />

Gens reparieren und nicht die anderen mehr als 20.000<br />

menschlichen Gene und ihre Informationen beeinflussen.<br />

Lokale offene-Phase-II-Studie in den Niederlanden<br />

zum Skippen von <strong>Exon</strong> 51. Die erste an Menschen vorgenommene<br />

Studie mit der <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong>-Technik wurde<br />

von Judith van Deutekom, Jan Verschuuren und anderen<br />

Mitarbeitern der Firma Prosensa Therapeutics und des<br />

medizinischen Universitätszentrums in Leiden zwischen<br />

Januar 2006 und <strong>März</strong> 2007 vorgenommen. Sie war lediglich<br />

darauf ausgelegt, einen Grundsatzbeweis zu erbringen.<br />

Es war eine lokale Studie an einer kleinen Stelle des<br />

Tibialis-anterior-Muskels, des vorderen Schienbeinmuskels,<br />

der mit PRO051, dem 2’O-Methyl-Antisense-Oligo<br />

gegen <strong>Exon</strong> 51 behandelt wurde.<br />

Die vier nicht mehr gehfähigen Jungen in dieser offenen<br />

Studie ohne Placebos waren zwischen 10 und 13 Jahren<br />

alt. Sie hatten Deletionen der <strong>Exon</strong>s, 50, 52, 48-50 und<br />

49-50. Jeder Junge erhielt eine einmalige Dosis von 0,8<br />

mg PRO051, die direkt in den Schienbeinmuskel gespritzt<br />

wurde. Nach 4 Wochen wurde in einer Biopsie Muskelgewebe<br />

von der Injektionsstelle entnommen und auf die geskippte<br />

mRNA und neues Dystrophin-Protein hin untersucht.<br />

Bis zu 94% der Muskelfasern in den Biopsie-Proben<br />

zeigten neues Dystrophin an seiner normalen Position unter<br />

den Muskelzellmembranen. Verglichen mit gesundem<br />

Muskelgewebe lag das Dystrophin in Konzentrationen von<br />

33%, 35%, 17% und 25% vor. Die mRNAs wurden isoliert<br />

und zeigten Sequenzen, bei denen die genetischen Buchstaben<br />

der deletierten und des geskippten <strong>Exon</strong>s fehlten.<br />

Dies bewies, dass das <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong> tatsächlich das gewünschte<br />

<strong>Exon</strong> nicht nur in Mäusen, sondern auch im<br />

menschlichen Muskel überspringt, skippt.<br />

Diese erste Anwendung des <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong> Verfahrens<br />

an <strong>Duchenne</strong>-Jungen wurde am 27. Dezember 2007 in der<br />

Zeitschrift „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht<br />

(6).<br />

Systemische Studien der Phase IIa in Schweden und<br />

Belgien zum Skippen von <strong>Exon</strong>s 51 bei <strong>Duchenne</strong>-<br />

Jungen. Im nächsten Schritt dieser Entwicklung mussten<br />

die Wissenschaftler zeigen, dass das Antisense-Oligo<br />

PRO051 auch systemisch durch eine Injektion in den Blutkreislauf<br />

angewendet werden kann, so dass es alle Muskelzellen<br />

erreichen und therapieren kann.<br />

Zwischen Juli 2008 und Januar 2009 führte Prosensa<br />

seine erste systemische Studie mit 12 <strong>Duchenne</strong>-Jungen<br />

durch, die 5-13 Jahre alt waren. Dabei wurde das Antisense<br />

Oligo PRO051 unter die Haut, subkutan, gespritzt.<br />

Die Injektionen wurden von den Teams um Nathalie M.<br />

Goemans an der kinderneurologischen Abteilung der Universität<br />

in Löwen in Belgien und um Mar Tulinius im<br />

Königin-Silvia-Kinderkrankenhaus in Göteborg in Schweden<br />

vorgenommen.<br />

In dieser offenen Dosis-Eskalationsstudie haben vier<br />

Gruppen mit jeweils drei Jungen das 51-Antisense-Oligo<br />

einmal pro Woche über 5 Wochen hinweg erhalten. Die<br />

Dosen betrugen 0,5, 2, 4 und 6 mg/kg. In der ersten Gruppe<br />

wurde Muskelgewebe in Biopsien vor und nach der Behandlung<br />

entnommen. In der höher dosierten Gruppe wurden<br />

die Muskel-Proben zwei und sieben Wochen nach der<br />

Behandlung entnommen. Damit wollte man erfahren, ob<br />

das neu geformte Dystrophin stabil ist.<br />

Die Struktur der mRNA und des neuen Dystrophin-<br />

Proteins aus allen Biopsie-Proben wurden wie bei der lokalen<br />

Studie untersucht und zeigten, dass das <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong>-Antisense-Oligo<br />

die vorgesehenen <strong>Exon</strong>s geskippt<br />

hatte und dass das neue Dystrophin wie erwartet ein leicht<br />

geringeres Molekulargewicht hatte als normales Dystrophin.<br />

Zwei Wochen nach Ende der Studie, enthielten 56-<br />

100% der Muskelfasern immer noch neues Dystrophin,<br />

wobei die höchsten Prozentsätze bei denjenigen Jungen<br />

gefunden wurden, die die höchste Dosis bekommen hatten.<br />

Wegen der kurzen Behandlungszeit, war, wie erwartet,<br />

keine Verbesserung der Muskelfunktionen zu verzeichnen.<br />

Diese Studie zeigte jedoch, dass zum ersten Mal die<br />

subkutane Anwendung von PRO051 zu einem Skippen<br />

13


<strong>Exon</strong>s 51 führte und die Produktion von neuem Dystrophin<br />

begonnen hatte. Das Ausmaß der Produktion hing mit der<br />

Dosierung zusammen, die höchste Dosis brachte die größte<br />

Menge an Dystrophin.<br />

Diese erste systemische Studie mit der <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong>-<br />

Technik bei <strong>Duchenne</strong> sollte die wichtigste Frage beantworten:<br />

Ist diese genetische Behandlung sicher? Die Gesamtkörper-Therapie<br />

wurde gut vertragen, es gab keine<br />

negative Immunreaktion auf das neue Protein und es wurden<br />

keine anderen bedeutsamen klinischen Probleme bei<br />

den 12 <strong>Duchenne</strong>-Patienten der Studie festgestellt.<br />

Alle Einzelheiten dieser Studie wurden in der Zeitschrift<br />

„New England Journal of Medicine“ im <strong>März</strong> 2011<br />

veröffentlicht (7).<br />

Dieser Studie folgte und folgt immer noch eine offene<br />

Verlängerungsstudie, die auf Seite 16 beschrieben wird.<br />

Zusammenarbeit Prosensa – GSK. Das positive Resultat<br />

dieser zwei klinischen Studien der Phase II hat die Firmen<br />

Prosensa und GlaxoSmithKline, GSK, noch vor Bekanntgabe<br />

aller Einzelheiten davon überzeugt, dass eine weltweite<br />

exklusive Zusammenarbeit für die Entwicklung und<br />

Vermarktung ihrer <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong>-Technik unter Verwendung<br />

der 2’O-Methyl-Antisense-Oligoribonuleotide sinnvoll<br />

ist. In dieser Übereinkunft erhält GSK die Exklusiv-<br />

Lizenz für die Entwicklung und Vermarktung von Prosensas<br />

Antisense-Oligo für das Skippen des <strong>Exon</strong>s 51 auf dem<br />

Dystrophin-Gen. Beide Firmen werden weiter zusammenarbeiten,<br />

um dieses Oligo fortzuentwickeln.<br />

Als erster gemeinsamer Schritt wurde 2010 mit der entscheidenden,<br />

internationalen klinischen Studie der Phase<br />

III begonnen, an der mindestens 180 <strong>Duchenne</strong>-Jungen<br />

teilnehmen sollten, die ein Skippen des <strong>Exon</strong>s 51 benötigen.<br />

GSK wird alle Kosten dieser großen Studie übernehmen.<br />

Außerdem erhält GSK die Option, drei weitere Antisense-Oligos<br />

zu lizensieren und zwar für das Skippen des<br />

<strong>Exon</strong>s 44, und entweder der <strong>Exon</strong>s 45 und 53 oder 52 und<br />

55. Das Skippen von <strong>Exon</strong> 44 wird schon in einer Phase-<br />

II- Studie getestet. Ergebnisse werden hier im Laufe des<br />

Jahres <strong>2013</strong> erwartet. Klinische Studien zum Skippen der<br />

<strong>Exon</strong>s 45 und 53 werden im Jahr <strong>2013</strong> beginnen. GSKs<br />

Optionsrechte können bei einem erfolgreichen Abschluss<br />

der <strong>Exon</strong>-44-Studie in Anspruch genommen werden.<br />

Erste klinische Studien mit Morpholino-Antisense Oligos für das Skippen von <strong>Exon</strong> 51.<br />

Bevor ich die Studien, die von Prosensa und GSK durchgeführt<br />

werden, weiter beschreibe, fasse ich zwei <strong>Exon</strong>-<br />

<strong>Skipping</strong>-Studien und eine Erweiterungsstudie zusammen,<br />

die ähnlich waren wie die von Prosensa vorgenommenen<br />

Studien, die jedoch eine andere Art von Antisense-Oligos,<br />

die Morpholinos, verwendeten. Diese wurden von der Firma<br />

AVI BioPharma in Bothell nahe Seattle in den USA<br />

entwickelt. Die Firma heißt heute Sarepta Therapeutics<br />

und hat ihre Zentrale in Cambridge in der Nähe von Boston<br />

im US-Bundesstaat Massachusetts.<br />

Diese beiden Studien wurden im Vereinigten Königreich<br />

und nicht in den USA durchgeführt, da eine „ Starterlaubnis“<br />

von der Europäischen Arzneimittelbehörde<br />

EMA einfacher und schneller zu bekommen war, als von<br />

der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA.<br />

Erste lokale klinische Studie mit einem Morpholino-51<br />

Antisense Oligo im Vereinigten Königreich. Diese<br />

<strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong>-Studie der Phase IIa wurde im Vereinigten<br />

Königreich zwischen Herbst 2007 und Ende 2008 unter<br />

Leitung von Kate Bushby von TREAT-NMD in Newcastle<br />

und Francesco Muntoni vom Imperial College in London<br />

durchgeführt.<br />

Während der vorklinischen Versuche zeigte Dominic<br />

Wells in London, dass sich das von Steve Wilton in Perth<br />

in Australien entwickelte Morpholino-Antisense-Oligo<br />

AVI-4658 als genügend stabil für eine langfristige klinische<br />

Behandlung eignet.<br />

Die Studie war lokal und diente dazu, die Sicherheit<br />

und die biochemische Wirksamkeit dieses Morpholino-<br />

<strong>Exon</strong>-51-Oligos zu untersuchen. Es wurde mit einer einzigen<br />

Injektion in den kleinen, unwichtigen Muskel, extensor<br />

digitorum brevis, EDB-Muskel, an der Außenseite des<br />

Fußes gespritzt. Sieben 11-16jährige <strong>Duchenne</strong>-Jungen,<br />

die das Skippen des <strong>Exon</strong>s 51 benötigen, nahmen an der<br />

Studie teil. Einige von ihnen konnten nicht mehr laufen.<br />

Jeder der 7 Patienten hatte weniger als 5% revertierter<br />

Fasern in seinen Muskeln. Das wurde im Muskelgewebe<br />

nach einer Biopsie vor der Behandlung festgestellt. Geringe<br />

Mengen dieser Dystrophin-haltigen Muskelfasern gibt<br />

es bei vielen <strong>Duchenne</strong>-Jungen. Sie entstehen durch spontanes<br />

<strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong>.<br />

Diese Studie war eine einfachblinde Studie. Die Forscher,<br />

die die Muskelproben untersuchten, wussten nicht,<br />

ob das Gewebe vom behandelten Muskel des Jungen<br />

stammte oder vom Vergleichsmuskel seines anderen Fußes.<br />

Zwei Jungen erhielten 0,09 mg des Morpholinos, die<br />

anderen fünf Jungen erhielten die 10fache Dosis, 0,90 mg.<br />

Drei bis vier Wochen nach den Injektionen wurden fast die<br />

gesamten behandelten EDB-Muskeln bei Biopsien entnommen.<br />

Die höhere Dosis führte zu einer neuen Dystrophin-<br />

Produktion in allen behandelten Muskeln. Die Menge des<br />

Dystrophins schwankte zwischen 22 und 32% verglichen<br />

mit der Intensität in Muskeln bei gesunden Menschen. Sie<br />

war 11-21% größer als die Menge des revertierten Dystrophins<br />

im Kontrollmuskel des anderen Fußes. Zusätzliche<br />

Tests ergaben, dass das neue Dystrophin tatsächlich ein<br />

reduziertes Molekulargewicht hatte, wie es vom verkürzten<br />

Becker-Dystrophin erwartet wird.<br />

In den Patienten, die die sehr geringe Dosis des Oligos<br />

erhalten hatten, wurde mRNA ohne die geskippten <strong>Exon</strong>s<br />

gefunden. Es konnte jedoch keine Zunahme des Dystrophin-Proteins<br />

nachgewiesen werden, da der Protein-Test<br />

nicht empfindlich genug war, um sehr kleine Unterschiede<br />

in der Proteinmenge feststellen zu können.<br />

Diese in-vivo-Studie zeigte, dass das Antisense-Oligo<br />

AVI-4658 das gewünschte Skippen des <strong>Exon</strong>s 51 verursachte<br />

und auch die Produktion des neuen Dystrophins.<br />

Dieses war an seinen normalen Platz an der Unterseite der<br />

Muskelzellmembran gewandert und hatte sich dort korrekt<br />

14


mit den Proteinen des Dystrophin-Glykoprotein-Komplexes<br />

verbunden.<br />

Wie bei allen lokalen Behandlungen war kein therapeutischer<br />

Nutzen für die teilnehmenden Jungen erwartet worden.<br />

Beide Lokalstudien, die niederländische und die englische<br />

Studie, sollten vor allem das Prinzip beweisen, dass<br />

das Skippen von <strong>Exon</strong>s beim Menschen funktioniert.<br />

Beide Studien haben gezeigt, dass das tatsächlich der<br />

Fall ist. Es gab einige technische Unterschiede zwischen<br />

den beiden Studien. Die Ergebnisse können daher nicht in<br />

allen Einzelheiten direkt verglichen werden. Die Einzelheiten<br />

dieser lokalen Studie wurden 2009 in der Fachzeitschrift<br />

„The Lancet Neurology“ (8) veröffentlicht.<br />

Erste systemische klinische Studie mit einem Morpholino-51-Antisense-Oligo<br />

im Vereinigten Königreich. In<br />

dieser offenen Studie der Phase II wurden 19 Jungen behandelt,<br />

die 6-13 Jahre alt waren, noch laufen konnten und<br />

ein Skippen des <strong>Exon</strong>s 51 benötigten. Die Studie wurde im<br />

Laufe des Jahres 2009 in London und Newcastle upon<br />

Tyne, ebenfalls unter Leitung von Kate Bushby und<br />

Francesco Muntoni durchgeführt. Die Jungen erhielten<br />

12 Wochen lang Dosen von 0,5 bis 20 mg/kg des AVI-<br />

4658 Antisense-Oligos. Dieses wurde durch wöchentliche<br />

intravenöse Injektionen in den Blutkreislauf gespritzt, damit<br />

alle Muskeln erreicht werden konnten. Ziel der Studie<br />

war es, die Sicherheit der Methode und die Verträglichkeit<br />

zu testen, nicht die Veränderungen der Muskelfunktionen<br />

und der Muskelstärke.<br />

Es wurde Muskelgewebe mit zwei Biopsien aus dem<br />

Bizeps jedes Jungen vor und nach der Behandlung entnommen.<br />

Hiermit sollte die niedrige Menge an Dystrophin<br />

in den revertierten Fasern vor dem Start der Studie und die<br />

Zunahme nach der Behandlung bestimmt werden.<br />

Bei den 7 Patienten, die höhere Dosen zwischen 2 und<br />

20 mg/kg/Woche erhalten hatten, wurde, verglichen mit<br />

der normalen Menge in gesunden Menschen, zwischen 9<br />

und 16% neues Dystrophin gefunden und zwar oberhalb<br />

der Menge des revertierten Dystrophins im Kontrollmuskel.<br />

Diese Ergebnisse wurden durch Analyse der geskippten<br />

mRNA und des verkürzten Proteins erhalten. Drei der<br />

vier Patienten, die die höchste Dosis von 20 mg/kg erhielten,<br />

wiesen nach der Behandlung in 21%, 15% und 55%<br />

ihrer Fasern Dystrophin auf.<br />

Nach der Behandlung traten auch einige mit Dystrophin<br />

assoziierten Proteine wieder an gewohnter Stelle in den<br />

Muskelzellmembranen auf, die bei <strong>Duchenne</strong>-Patienten<br />

mit dem Dystrophin verloren gehen. Während der gesamten<br />

Studie, gab es keine Nebenwirkungen, die mit dem<br />

Medikament in Verbindung gebracht werden konnten.<br />

Eine Verbesserung der Muskelfunktion war nicht erwartet<br />

worden, da die Studie zu kurz war, um eine Veränderung<br />

der Muskelleistung herbeizuführen, die zuverlässig<br />

gedeutet werden kann.<br />

Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass die Sicherheit<br />

der Behandlung und der Beweis, dass die systemisch angewandte<br />

Oligo AVI-4658 tatsächlich das <strong>Exon</strong> 51 geskippt<br />

hat, dass also AVI 4658 wahrscheinlich den Verlauf<br />

der <strong>Duchenne</strong> <strong>Muskeldystrophie</strong> beeinflussen kann (9).<br />

Verlängerungsstudie mit Sareptas Morpholino-51 Antisense-Oligo.<br />

NCT01396239. Diese Studie, die 4658-<br />

US-201 genannt wird, ist der doppelblinde Teil der von<br />

Sarepta durchgeführten Verlängerung der vorangegangenen<br />

systemischen Studie. Es wurden jedoch zwei höhere<br />

Dosen von Eteplirsen, 30 und 50 mg/kg/Woche und ein<br />

Placebo über 24 Wochen injiziert. Mithilfe von mehreren<br />

Muskelproben, die durch Biopsien nach Ende dieses doppelblinden<br />

Teils der Studie entnommen wurden, sollte herausgefunden<br />

werden, ob neues Dystrophin in den Muskeln<br />

entstanden war.<br />

Meine Zusammenfassung über die Durchführung und<br />

die Ergebnisse dieser Studie basieren auf einer Reihe von<br />

Veröffentlichungen von Sarepta. Die letzte Veröffentlichung<br />

erschien am 7. Dezember 2012 (10). Die Studie begann<br />

im Februar 2012 und wurde unter Leitung von Jerry<br />

Mendell und seinen Kollegen am Nationwide Children’s<br />

Hospital in Columbus im US-Bundesstaat Ohio durchgeführt.<br />

Während der ersten 24 Wochen haben 12 <strong>Duchenne</strong>-<br />

Jungen in 3 Gruppen wöchentliche intravenöse Injektionen<br />

erhalten. 4 Jungen bekamen eine Dosis von 30 mg/kg, 4<br />

weitere eine Dosis von 50 mg/kg, die restlichen 4 Jungen<br />

bekamen Placebos. Vor der ersten Injektion, nach 12 Wochen<br />

mit der 50 mg/kg-Dosis und nach 24 Wochen mit der<br />

30 mg/kg-Dosis wurden Proben nach Biopsien entnommen,<br />

um den Dystrophin-Gehalt zu bestimmen. Nach 48<br />

Wochen wurde von allen Jungen eine dritte Biopsie vorgenommen.<br />

Um festzustellen, ob diese Behandlungen die klinischen<br />

Symptome verbessert haben, wurden verschiedene Muskelfunktionstests<br />

durchgeführt. Am Ende des doppelblinden<br />

Teils der Studie zeigte jedoch der wichtigste Test, der<br />

6-Minuten-Geh-Test, bei der Gruppe mit den 30 und 50<br />

mg/kg-Dosierungen keine bedeutsamen Veränderungen<br />

nach 12 bzw. 24 Wochen.<br />

Nach 24 Wochen wurde daher die Studie ohne Zeitbegrenzung<br />

als offene Verlängerung unter dem Namen<br />

4658-US-202 fortgeführt, um zu sehen, ob unter diesen<br />

Umständen die Verbesserung der Muskelfunktion hauptsächlich<br />

durch den 6-Minuten-Geh-Test gemessen werden<br />

kann.<br />

Zwei der Placebo-Patienten wurden den 4 Jungen der<br />

Gruppe zugeordnet, die die 50 mg/kg-Dosis erhielt. Die<br />

anderen beiden Jungen wurden in die 30 mg/kg-Gruppe<br />

integriert. In der Zwischenzeit verloren zwei Jungen der 30<br />

mg/kg-Gruppe die Gehfähigkeit, so dass sie den 6-Minuten-Geh-Test<br />

nicht mehr ausführen konnten. Es gibt jetzt<br />

also 3 Gruppen: 4 Jungen, die die 50 mg/kg-Dosis jede<br />

Woche von Beginn an erhielten, 4 Jungen, die die 30<br />

mg/kg-Dosis jede Woche von Beginn an erhielten – von<br />

denen aber nur zwei noch am 6-Minuten-Geh-Test teilnehmen<br />

konnten – und 4 „Placebo-delayed“-Jungen, die<br />

24 Wochen lang Placebos erhielten und dann mit 30 bzw.<br />

50 mg/kg pro Woche behandelt wurden. Sie sind die Jungen,<br />

die eine durch Placebos verzögerte Behandlung erhalten<br />

haben. Ich werde für sie hier die englische kurze Bezeichnung<br />

„placebo-delayed“ verwenden.<br />

Da es über 62 Wochen hinweg keine merklichen Unterschiede<br />

in den Ergebnissen des 6-Minuten-Geh-Tests zwischen<br />

den 30 und 50 mg/kg-Dosierungen mit Eteplirsen<br />

15


gab, sollen hier nur die Ergebnisse von zwei Patientengruppen<br />

diskutiert werden: Gruppe I mit 6 Jungen, die von<br />

Beginn der Studie über 62 Wochen behandelt wurden, und<br />

Gruppe II mit den 4 „Placebo-delayed“-Jungen, die zunächst<br />

24 Wochen Placebos erhalten hatten und dann 38<br />

Wochen lang die 30 oder 50 mg/kg-Dosis Eteplirsen.<br />

Nach 62 Behandlungswochen liefen die 6 behandelten<br />

Jungen der Gruppe I 16 Meter weniger im 6-Minuten-Geh-<br />

Test als zu Beginn der Studie. Die 4 „Placebo-delayed“-<br />

Jungen liefen 78 Meter weniger.<br />

Die behandelten Jungen hatten gegenüber den „Placebo“-Jungen<br />

also den bedeutenden Vorteil, dass sie 62 Meter<br />

weiter laufen konnten. Diese Ergebnisse wurden unter<br />

den Jungen gemittelt und auf volle Meter gerundet.<br />

Die Tatsache, dass die behandelten Jungen in 62 Wochen<br />

(1 Jahr und 2,5 Monate) nur 16 Metern an Laufleistung<br />

einbüßten, bedeutet, dass sie weniger als 5% der 400<br />

Meter Laufleistung verloren hatten, die sie zu Beginn der<br />

Studie in 6 Minuten erbringen konnten. Die 4 „Placebodelayed“-Jungen<br />

verloren während der 38wöchigen Behandlung<br />

weniger als 10 m Laufleistung. Dies bedeutet,<br />

dass durch die <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong> Behandlung die <strong>Duchenne</strong>-<br />

<strong>Muskeldystrophie</strong>, wie erwartet, deutlich gebremst wurde<br />

und der Becker-Dystrophie ähnlicher wurde.<br />

Annemieke sagte dazu: „Diese Ergebnisse müssen mit<br />

Vorsicht betrachtet werden, da die Gruppen sehr klein sind<br />

und es bekannt ist, dass es bei den einzelnen Jungen erhebliche<br />

Unterschiede im Fortschreiten der Krankheit gibt.<br />

Dies wird noch dadurch unterstrichen, dass zwei der be-<br />

handelten Patienten während der Studie ihre Gehfähigkeit<br />

verloren.“<br />

Die positiven Ergebnisse der Dystrophin-Bestimmung<br />

im Muskelgewebe nach Biopsien, sind ein weiterer Hinweis,<br />

dass diese Art von <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong> funktioniert. Nach<br />

24 Wochen Behandlung führte das Morpholino-51 Antisense-Oligo<br />

Eteplirsen bei einer Dosis von 30 mg/kg pro<br />

Woche zu einem deutlichen Anstieg der Zahl der Fasern<br />

mit neuem Dystrophin zwischen 16 und 29%. Bei einer<br />

kürzeren Behandlung von 12 Wochen wurde selbst bei der<br />

höheren Dosis von 50 mg/kg pro Woche keine nennenswerte<br />

Zunahme von neuem Dystrophin gefunden. Dies<br />

zeigt, dass eine längere Behandlung als 6 Monate notwendig<br />

ist, bevor durch das Eteplirsen eine nennenswerte Zunahme<br />

von neuem Dystrophin bewirkt wird.<br />

Bei den Jungen, die über 48 Wochen behandelt wurden,<br />

stieg bei beiden Dosierungen der Prozentsatz der Muskelfasern,<br />

die neues Dystrophin erhielten, von weniger als 5%<br />

auf 47% der normalen Menge. Bei den „Placebo-delayed“-<br />

Jungen, die erst nach den ersten 24 Wochen wirklich behandelt<br />

wurden, enthielt nur 38% der Fasern neues Dystrophin.<br />

Eteplirsen erwies sich über den gesamten Zeitraum der<br />

Studie von 62 Wochen in beiden Dosierungen als sicher.<br />

Sarepta hat angekündigt, dass es diese Ergebnisse mit<br />

der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA besprechen<br />

will und im Jahr 2014 eine entscheidende, doppelblinde<br />

Studie der Phase III beginnen möchte.<br />

Klinische Studien zum Skippen des <strong>Exon</strong>s 51,<br />

die von GlaxoSmithKline (GSK) und Prosensa durchgeführt werden<br />

Zum Zeitpunkt des Niederschreibens dieses <strong>Bericht</strong>es, waren<br />

die ersten vier klinischen Studien zum Skippen des<br />

<strong>Exon</strong>s 51 beendet und ihre Ergebnisse veröffentlicht.<br />

Eine recht große Anzahl von zusätzlichen Studien zum<br />

Skippen des <strong>Exon</strong>s 51 ist derzeit am Laufen. Sie werden<br />

von GSK mit dem 51 Antisense-Oligo PRO051 von Prosensa<br />

ausgeführt. Dieses Oligo heißt jetzt Drisapersen und<br />

GSK2402968. Jede dieser Studien hat eine GSK-Identifikationsnummer,<br />

die mit DMD beginnt sowie eine NCT-<br />

Nummer unter der sie im Internet von den US-amerikanischen<br />

National Institutes of Health, NIH, dokumentiert<br />

sind und häufig aktualisiert werden.<br />

Um aktuelle Informationen über eine besondere Studie<br />

zu finden, gehen Sie bitte auf www.clinicaltrials.gov,<br />

geben die NCT-Nummer im Kästchen „search for study“<br />

ein und klicken dann auf „search“. Danach müssen Sie auf<br />

den Titel der Studie klicken.<br />

In den jetzt folgenden Absätzen gebe ich Ihnen kurze<br />

Zusammenfassungen der wichtigsten dieser <strong>Duchenne</strong>-<br />

Studien und erwähne ihre NCT-Nummern und ihre GSK-<br />

Namen, wenn sie von GSK durchgeführt werden.<br />

Prosensa offene Verlängerungsstudie PRO051-02.<br />

Nachdem Prosensa zwei offene 51-Studien durchgeführt<br />

hatte – eine lokale und eine systemische, siehe Seite 13 –<br />

erhalten jetzt alle 12 Jungen, die an der systemischen Studie<br />

teilgenommen hatten, die höchste Dosis an Drisapersen,<br />

6 mg/kg pro Woche, subkutan gespritzt in der offenen<br />

Verlängerungsstudie, die schon mehr als 3 Jahre läuft.<br />

Bisher sind noch keine ernstzunehmenden Sicherheitsprobleme<br />

aufgetreten.<br />

Bei der Tagung des Parent Projet Muscular Dystrophy,<br />

die im Juni 2012 in Fort Lauderdale im US-Bundesstaat<br />

Florida stattfand, wurden die vorläufigen Ergebnisse des<br />

6-Minuten-Geh-Tests nach 96 Wochen, = 22 Monate, vorgestellt.<br />

In dieser Zeit hatten 7 Jungen ihre Gehfähigkeit<br />

erhalten oder verbessert. Von den 10 Jungen, die zu Beginn<br />

der Studie den 6-Minuten-Geh-Test ausführen, konnten<br />

zwei nicht mehr allein gehen. Sie befanden sich bereits<br />

am Ende der Laufphase, als sie begannen, an der Studie<br />

teilzunehmen. Dies bedeutet, dass die Jungen mit einer<br />

besseren Laufleistung zu Beginn der Studie von der Behandlung<br />

im stärkeren Maße profitiert haben.<br />

Dies ist ein Indiz für die langfristige positive Wirkung<br />

des <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong>s. Die Ergebnisse müssen jedoch vorsichtig<br />

interpretiert werden, da alle Jungen behandelt wurden<br />

und es keine Placebo-Kontrollen gab. Ein Vergleich<br />

mit dem normalen Verlauf der Krankheit ist daher nicht<br />

möglich. Eine graphische Darstellung ähnlich wie für die<br />

Ataluren-Studie auf Seite 8 ist noch nicht verfügbar.<br />

Phase III der <strong>Exon</strong>-51 GSK-Studie GSK DMD 114044.<br />

NCT 01254019. Diese wichtige und entscheidende Studie<br />

ist eine Doppelblind-Studie der Phase III. Sie soll definitiv<br />

beweisen, dass das Skippen des <strong>Exon</strong>s 51 die Geschwindigkeit<br />

der <strong>Duchenne</strong>-Muskeldegeneration verlangsamt,<br />

16


die mit dem 6-Minuten-Geh-Test gemessen wird. Dadurch<br />

könnte das 51-Antisense-Oligo des Typs 2’O-Methyl, Drisapersen,<br />

durch die Regulierungsbehörden FDA in den<br />

USA und EMA in Europa zum Vertrieb zugelassen werden.<br />

Diese große Studie wird in 45 klinischen Zentren in<br />

21 Staaten durchgeführt: in Argentinien, Belgien, Brasilien,<br />

Chile, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, Japan,<br />

Kanada, in den Niederlanden, in Norwegen, Polen,<br />

Russland, Serbien, Spanien, Südkorea, Taiwan, in der<br />

Tschechischen Republik und in der Türkei.<br />

Die Vereinigten Staaten fehlen in dieser Liste, da die<br />

FDA andere Anforderungen stellte. Daher wird hier eine<br />

ähnliche Studie mit zwei verschiedenen Dosen durchgeführt.<br />

Sie wird in der rechten Spalte dieser Seite beschrieben.<br />

Die Injektionen dieser Phase-III-Studie begannen im<br />

Dezember 2010. Die letzten Jungen wurden im dritten<br />

Quartal 2012 aufgenommen. Die Studie wird also Ende<br />

<strong>2013</strong> abgeschlossen sein, wenn die letzten Jungen ein Jahr<br />

lang behandelt wurden. Ihre Ergebnisse werden voraussichtlich<br />

2014 zur Verfügung stehen. Sie werden dann auf<br />

dem ersten dafür geeigneten medizinischen Kongress vorgestellt<br />

und in einer wichtigen wissenschaftlichen Fachzeitschrift<br />

veröffentlicht.<br />

Für diese wichtige Studie wurden 186 <strong>Duchenne</strong>-Jungen<br />

aufgenommen, die mindestens 5 Jahre alt waren und<br />

vor Teilnahme an der Studie mindestens 6 Monate lang<br />

Steroide erhalten hatten. Die Jungen erhalten entweder 6<br />

mg/kg des potenziellen Medikaments oder eine nicht aktive<br />

Substanz als Placebo 48 Wochen lang jede Woche unter<br />

die Haut gespritzt.<br />

Es mußten mindestens 180 Jungen an der Studie teilnehmen,<br />

um sicherzugehen, dass die Ergebnisse statistisch<br />

signifikant sind, d.h. zuverlässig zumindest einen Unterschied<br />

von 30 Metern zwischen den behandelten und den<br />

Placebo-Jungen zeigen können, falls das 51-Antisense-<br />

Oligo wirksam ist.<br />

Die wichtigste Methode, eine Verbesserung der Muskelfunktion<br />

festzustellen, wird, wie in den meisten anderen<br />

<strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong>-Studien auch, der 6-Minuten-Geh-Test<br />

sein. Es werden jedoch auch andere Tests durchgeführt,<br />

die beispielsweise die Muskelstärke und die Atemleistung<br />

messen.<br />

Am Ende der Behandlung wird Muskelgewebe durch<br />

Biopsien entnommen, um auf neu entstandenes verkürztes<br />

Dystrophin zu testen. Während der gesamten Studie werden<br />

klinische Analysen in wiederholten Blutproben durchgeführt,<br />

um nachzuweisen, dass die Behandlung weiterhin<br />

sicher ist. Mit Fragebögen sollen die Eltern Veränderungen<br />

in der Lebensqualität dokumentieren.<br />

Das Vorhandensein des neuen, verkürzten Dystrophins<br />

in den Muskeln der behandelten Patienten reicht nicht aus,<br />

um zu beweisen, dass dieses <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong> tatsächlich<br />

funktioniert. Das neue Dystrophin könnte entstanden, jedoch<br />

nicht an seinem normalen Platz gewandert sein. Dann<br />

könnte es die Muskeln nicht stabiler machen und ihre<br />

Funktion verbessern. Der 6-Minuten-Geh-Test ist die beste<br />

Methode, um Änderungen der Muskelfunktion zu beweisen.<br />

Wenn das Medikament eine positive Wirkung hat,<br />

dann können die behandelten Jungen mehr Meter in 6 Minuten<br />

gehen als die Placebo-Patienten. Positive Ergebnisse<br />

Des 6-Minuten-Geh-Tests werden von der FDA und der<br />

EMA als der zuverlässigste Beweis akzeptiert, dass ein<br />

neues Medikament bei Muskelkrankheiten wirksam ist.<br />

Offene GSK Verlängerungsstudie DMD 114349, NCT<br />

01480245. Ähnlich wie die von Prosensa durchgeführte,<br />

systemische Studie der Phase II, siehe Seite 13, ist diese<br />

Studie eine Fortführung der Behandlung derjenigen Patienten,<br />

die die 48 Wochen der Injektionen der Phase III-Studie<br />

GSK 114044 und der Studie GSK 114117 mit periodischer<br />

Dosierung, siehe unten auf dieser Seite, abgeschlossen<br />

hatten.<br />

Alle teilnehmenden Patienten erhalten eine Dosis von 6<br />

mg/kg pro Woche, auch diejenigen, die während der ersten<br />

Studie Placebos erhalten hatten. Die Behandlung mit Steroiden<br />

muss ebenfalls ohne Unterbrechung aufrechterhalten<br />

werden. Diese Studie begann im September 2011 und<br />

wird im Dezember 2014 abgeschlossen werden. Die Jungen<br />

werden in den gleichen klinischen Zentren behandelt,<br />

in denen sie auch während der doppelblinden Studien behandelt<br />

wurden. Wahrscheinlich werden bis zu 200 Jungen<br />

teilnehmen. Die Ergebnisse werden Anfang 2015 zur Verfügung<br />

stehen und in einer wichtigen medizinischen Fachzeitschrift<br />

veröffentlicht.<br />

GSK Phase II-Studie mit zwei Dosen in den USA, DMD<br />

114876, NCT 01462292. Diese Studie ist ähnlich wie die<br />

internationale Studie der Phase III. Es werden jedoch zwei<br />

Dosen angewendet, 3 und 6 mg/kg pro Woche. Sie wird<br />

nur in den USA durchgeführt und zwar in Sacramento,<br />

Stanford (beide Kalifornien), Gulf Breeze (Florida), Iowa<br />

City (Iowa), Kansas City (Kansas), Baltimore (Maryland),<br />

Minneapolis (Minnesota), St. Louis (Missouri), New York,<br />

Durham (North Carolina), Cincinnati, Columbus (beide<br />

Ohio), Portland (Oregon) und Dallas (Texas).<br />

Es werden 54 <strong>Duchenne</strong>-Jungen, die mindestens 5 Jahre<br />

alt sind und noch allein gehen können, an der Studie<br />

teilnehmen. Jeder von ihnen erhält jede Woche einmal das<br />

potenzielle Medikament oder ein Placebo. Die Studie dauert<br />

24 Wochen lang. Danach schließt sich eine Beobachtungsperiode<br />

von 24 Wochen an, die auch GSK DMD<br />

114501 Verlängerungsstudie heißt. Die Injektionen wurden<br />

im Oktober 2011 begonnen, der letzte Junge wird seine<br />

ein Jahr dauernde Behandlung Ende <strong>2013</strong> abschließen.<br />

Die Methoden, um die Ergebnisse der Studien zu messen,<br />

sind der 6-Minuten-Geh-Test, das Bestimmen von<br />

Dystrophin in Muskelgewebe nach einer Biopsie und viele<br />

andere Tests, die die Sicherheit feststellen. Es werden auch<br />

Methoden zur Anwendung kommen, die die Pharmakokinetik<br />

untersuchen. Hier wird gemessen, wie schnell ein<br />

Medikament in die Muskeln gelangt und wie schnell es<br />

abgebaut und aus dem Körper ausgeschieden wird. Außerdem<br />

wird die neue und teure Magnetresonanzuntersuchung,<br />

MRI, angewendet werden, die den Zustand der<br />

Gliedmaßen, des Herzens und des Zwerchfellmuskels<br />

überprüft, um zu prüfen, welche Wirkung das 51-Antisense-Oligo<br />

hier hat.<br />

Skippen von <strong>Exon</strong> 51 mit periodischer Behandlung,<br />

GSK Studie DMD 114117, NCT01153932. Das Ziel dieser<br />

Studie der Phase II war es herauszufinden, ob eine pe-<br />

17


iodische Behandlung mit dem Antisense-Oligo 2402968<br />

von GSK zu einer besseren langfristigen Sicherheit mit<br />

gleicher therapeutischer Wirkung führt als eine Behandlung<br />

mit wöchentlichen Injektionen. Diese Studie wurde<br />

von September 2010 bis Ende 2012 in 13 klinischen Zentren<br />

in 9 Ländern durchgeführt: in Australien, Belgien,<br />

Deutschland, Frankreich, Israel, den Niederlanden, Spanien,<br />

in der Türkei und im Vereinigten Königreich.<br />

Es nahmen 53 <strong>Duchenne</strong>-Jungen teil, die mindestens 5<br />

Jahre alt waren und noch selbst gehen konnten. Sie mussten<br />

vorher mindestens 6 Monate lang Steroide erhalten haben<br />

und diese Behandlung auch während der Studie fortsetzen.<br />

Etwa ein Drittel der Jungen erhielt 6 mg/kg des<br />

Anti-51-Oligos 48 Wochen lang jede Woche unter die<br />

Haut gespritzt. Ein weiteres Drittel wurde in fünf 10-<br />

Wochen-Zyklen behandelt. In den Wochen 1, 3 und 5 erhielten<br />

die Jungen zweimal Injektionen von 6 mg/kg, in<br />

den Wochen 2, 4 und 6 nur einmal, in den Wochen 7-10<br />

fand keine Behandlung statt. Das letzte Drittel der Patienten<br />

erhielt Placebos unter den gleichen Bedingungen. Diese<br />

Studie war also eine Doppelblind-Studie. Das primäre<br />

Ergebnis dieser Studie war die Wirksamkeit nach einer<br />

Behandlungszeit von 24 Wochen.<br />

Als Ergebnis wurde gemessen die Veränderung der<br />

Muskelfunktion mit dem oft wiederholten 6-Minuten-Geh-<br />

Test. Außerdem wurde die Pharmakokinetik bestimmt, das<br />

Verhalten des Oligos im Körper, sowie die Sicherheit<br />

durch mehrere Blut- und Urinanalysen. Vor und nach der<br />

Studie wurde in Muskelgewebe nach Biopsien die Menge<br />

an neuem und verkürztem Dystrophin bestimmt, das durch<br />

das <strong>Skipping</strong> entstanden war. Die Ergebnisse werden veröffentlicht,<br />

sobald sie vollständig analysiert und ausgewertet<br />

sind.<br />

<strong>Skipping</strong> des <strong>Exon</strong>s 51 bei Rollstuhlpatienten, GSK<br />

Studie DMD 114118, NCT01128855. Das Ziel dieser systemischen<br />

Studie war es, die Sicherheit und Verträglichkeit<br />

des Skippens von <strong>Exon</strong> 51 bei 19 Patienten zu untersuchen,<br />

die nicht mehr gehen konnten. Die Patienten waren<br />

älter als 9 Jahre und mussten schon mindestens 1 Jahr,<br />

jedoch nicht länger als 4 Jahre, einen Rollstuhl benutzen.<br />

Da die anderen Studien mit Jungen, die noch gehen<br />

konnten, bisher zu keinen Sicherheitsproblemen führten,<br />

sollte diese Studie sicherstellen, dass bei Rollstuhlpatienten<br />

keine bisher unbekannten Sicherheitsprobleme auftreten.<br />

Weil diese Jungen weniger aktiv sind als die noch gehenden<br />

und sie deutlich weniger Muskeln haben, könnte<br />

sich das neue Medikament in den Muskeln anders verhalten<br />

und auch sein Ausscheiden aus dem Körper anders<br />

sein. Dies könnte zur Folge haben, dass sie eine andere<br />

Dosis bekommen müssten. Die Ergebnisse dieser Studie<br />

Klinische Phase-II-Studie zum Skippen von <strong>Exon</strong> 44.<br />

NCT 01037309. Prosensa führt diese offene Studie mit<br />

seinem Antisense-Oligo PRO044-CLIN-01 in vier klinischen<br />

Zentren durch: in Löwen in Belgien, in Leiden in<br />

den Niederlanden, in Göteborg in Schweden und in Ferrara<br />

in Italien. Die Studie wurde im Dezember 2009 begonnen<br />

werden wichtige Informationen zu weiteren Studien an älteren<br />

<strong>Duchenne</strong>-Jungen und jungen Männern liefern.<br />

Die 19 Teilnehmer dieser Studie wurden in zwei Gruppen<br />

von je 8 Jungen eingeteilt und in eine von 3 Jungen.<br />

Bei den zwei ersten Gruppen erhielten jeweils 6 Jungen<br />

einmalig subkutane Injektionen von 3 oder 6 mg/kg des<br />

GSK Anti-51-Oligos 2402968. Zwei Jungen in jeder dieser<br />

Gruppen erhielten die gleiche Dosis einer nicht aktiven<br />

Substanz als Placebo. Diese Studie war also eine Doppelblind-Studie.<br />

In der dritten Gruppe erhielten 2 Jungen 9<br />

mg/kg und 1 Junge ein Placebo. Eine und 4 Wochen nach<br />

den Injektionen wurden ausgedehnte klinische Tests<br />

durchgeführt. Es gab keine ernsten Nebenwirkungen.<br />

Die Studie wurde in Columbus im US-Bundesstaat Ohio<br />

und in Paris durchgeführt. Sie fand von Juli 2010 bis Februar<br />

2012 statt. Die Ergebnisse werden veröffentlicht, sobald<br />

sie vollständig analysiert sind.<br />

Die <strong>Exon</strong>-51-Studien müssen beweisen, dass das <strong>Exon</strong>-<br />

<strong>Skipping</strong> wirkt. Die Studien über das Skippen des <strong>Exon</strong>s<br />

51 sind die wichtigsten, um Antisense-Oligos gegen <strong>Duchenne</strong><br />

<strong>Muskeldystrophie</strong> in Europa und den Vereinigten<br />

Staaten für den Vertrieb zugelassen zu bekommen. Wenn<br />

die Ergebnisse aller <strong>Exon</strong>-51-Studien die beiden wichtigsten<br />

Zulassungsbehörden FDA und EMA überzeugen können,<br />

dass das Skippen des <strong>Exon</strong>s 51 wirksam und über viele<br />

Jahre hinweg eine sichere Therapie für Patienten ist,<br />

könnte das erste genetische Medikament zur Behandlung<br />

einer schweren Erbkrankheit innerhalb der nächsten Jahre<br />

für den Verkauf zugelassen werden.<br />

Das Skippen von <strong>Exon</strong> 51würde jedoch nur 13% aller<br />

<strong>Duchenne</strong>-Patienten helfen. Um eine <strong>Skipping</strong>-Therapie<br />

für die restlichen 70% der Patienten anbieten zu können,<br />

die <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong> brauchen, die aber weniger häufige<br />

oder seltene Mutationen haben, müssten mehr als 100 verschiedene<br />

Antisense-Oligos entwickelt werden. Um das<br />

<strong>Exon</strong>-51-Medikament bis zur Zulassung zu entwickeln,<br />

werden schließlich mehr als 10 Jahre vergangen sein. Es<br />

werden zudem viele Millionen Euro und Dollar in vorklinische<br />

Arbeiten und in die 3 Phasen der klinischen Studien<br />

investiert worden sein. Diese Zeitspanne und diese Kosten<br />

müssen deutlich reduziert werden, um die vielen anderen<br />

<strong>Skipping</strong>-Medikamente für die Mehrheit der <strong>Duchenne</strong>-<br />

Patienten zu entwickeln.<br />

Es laufen Diskussionen und Verhandlungen zwischen<br />

TREAT-NMD, PPMD sowie anderen Patienten-Organisationen<br />

und den Behörden FDA und EMA, um sie davon zu<br />

überzeugen, dass eine schnellere Entwicklung der vielen<br />

anderen Oligos unbedingt nötig ist, wenn sich das 51-<br />

Oligo und das 44-Oligo als zweites nach ausgiebiger Überprüfung<br />

als sicher und wirksam erwiesen haben, die zusammen<br />

schon 19,2% aller Patienten helfen würden.<br />

Klinische Studien zum Skippen anderer <strong>Exon</strong>s als 51.<br />

und wird in der zweiten Hälfte des Jahres <strong>2013</strong> abgeschlossen<br />

werden.<br />

Die 18 teilnehmenden <strong>Duchenne</strong>-Jungen sind zwischen<br />

5 und 16 Jahre alt. Es gibt 3 Jungen in jeder Dosierungsgruppe.<br />

Sie erhalten pro Woche subkutane Injektionen mit<br />

ansteigender Dosierung, 0,5-1,5-5-8-10 und 12 mg/kg. Ei-<br />

18


nige der Jungen werden mit intravenösen Injektionen von<br />

1,5, 5 und 12 mg/kg 5 Wochen lang nachdosiert.<br />

Dreizehn Wochen nach der Behandlung wird Muskelgewebe<br />

in Biopsien entnommen, um zu bestimmen, wie<br />

viel neues Dystrophin in den Muskelzellen entstanden ist.<br />

Außerdem werden andere Tests durchgeführt, um die Sicherheit,<br />

mögliche Nebenwirkungen und die Pharmakokinetik<br />

zu überprüfen.<br />

Wenn die Resultate dieser Studie der Phase II zeigen,<br />

dass das Skippen von <strong>Exon</strong> 44 genauso wirksam und sicher<br />

ist wie das Skippen von <strong>Exon</strong> 51, verlangen FDA und<br />

EMA vielleicht nicht eine zeitaufwendige und teure Studie<br />

der Phase III für dieses <strong>Exon</strong> 44, bevor sie beide <strong>Skipping</strong>-<br />

Medikamente zulassen.<br />

<strong>Skipping</strong> von anderen <strong>Exon</strong>s. In verschiedenen Pressemitteilungen<br />

hat Prosensa angekündigt, dass vorklinische<br />

Arbeiten für das Skippen der vier <strong>Exon</strong>s 45, 52, 53 und 55,<br />

die neben den <strong>Exon</strong>s 51 und 44 ebenfalls auf der Prioritätenliste,<br />

siehe Seite 9, stehen, bald abgeschlossen sein<br />

werden. Die ersten klinischen Studien zum Skippen der<br />

<strong>Exon</strong>s 45 und 53 werden <strong>2013</strong> beginnen, die Studien für<br />

die <strong>Exon</strong>s 52 und 55 werden bald folgen.<br />

Sarepta plant ähnliche Studien zum Skippen der <strong>Exon</strong>s<br />

45, 50 und 53.<br />

Neugeborenenscreening und klinische Studie mit sehr<br />

jungen <strong>Duchenne</strong>-Patienten. GSK plant, im Jahr <strong>2013</strong><br />

eine klinische Studie über das <strong>Skipping</strong> des <strong>Exon</strong>s 51 bei<br />

Jungen zu beginnen, die jünger als 5 Jahre alt sind<br />

Da <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong> nur Muskelfasern behandeln kann,<br />

die noch vorhanden sind und von dem Dystrophie-Prozess<br />

noch nicht zu sehr geschädigt wurden, können verschwundene<br />

Muskelfasern nicht ersetzt werden.<br />

Aus diesem Grund könnte <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong> wirksamer<br />

bei Jungen sein, die noch keine Symptome haben und die<br />

noch genügend Muskeln haben bevor die Krankheit mit<br />

etwa drei Jahren sichtbar wird.<br />

Die beste Lösung wäre es, die <strong>Skipping</strong>-Behandlung im<br />

ersten Jahr nach der Geburt zu beginnen. Um diese Jungen<br />

zu finden, wäre ein Screening männlicher Neugeborener<br />

mit einem Suchtest auf sehr hohe Aktivitäten des Enzyms<br />

Creatinkinase, CK, nötig. Dabei wird ein trockener Blutfleck<br />

der Neugeborenen auf Filterpapier untersucht. Sehr<br />

hohe CK-Aktivitäten von mehr als 1.000 U/L im Blut eines<br />

neugeborenen Jungen deuten auf <strong>Duchenne</strong>-Dystrophie<br />

oder eine andere muskuläre Erkrankung wie z.B. eine<br />

der Gliedergürteldystrophien hin.<br />

In einem Pilot-Screeningprogramm an Neugeborenen,<br />

das von der Gruppe um Jerry Mendell in Columbus im<br />

US-Bundesstaat Ohio durchgeführt wurde, war es sogar<br />

möglich, die Sequenz des Dystrophin-Gens in der DNA zu<br />

bestimmen, die man von den Leukozyten, den weißen<br />

Blutzellen in den trockenen Blutflecken der Jungen mit<br />

hohen CK-Aktivitäten, erhalten hatte (11).<br />

Man könnte damit nicht nur die <strong>Duchenne</strong>-Jungen<br />

gleich nach ihrer Geburt finden, sondern man wüsste auch<br />

kurz danach ihre Gen-Mutation und könnte innerhalb sehr<br />

kurzer Zeit eine Diagnose stellen. Eine wirksame <strong>Exon</strong>-<br />

<strong>Skipping</strong>-Therapie könnte dann sofort eingeleitet und ein<br />

Degenerieren der Muskeln gleich verhindert werden. Diese<br />

<strong>Duchenne</strong>-Jungen würden dann keine <strong>Duchenne</strong>-<strong>Muskeldystrophie</strong><br />

haben!<br />

In naher Zukunft werden in vielen Staaten solche <strong>Duchenne</strong><br />

Screening-Programme wahrscheinlich zusätzlich<br />

zu den schon bestehenden Neugeborenen-Untersuchungen<br />

derjenigen Krankheiten durchgeführt werden, die behandelt<br />

werden können. Der internationale Workshop des<br />

European Neuromuscular Center ENMC über <strong>Duchenne</strong>-<br />

Screening, der vom 14. – 16. Dezember 2012 in Naarden<br />

nahe Amsterdam stattfand, wird die Akzeptanz für diese<br />

Art von frühen Untersuchungen erhöhen, sobald Drisapersen,<br />

das von Prosensa und GSK entwickelte Medikament<br />

zum Skippen von <strong>Exon</strong>s 51, sich definitiv als sicher und<br />

wirksam erwiesen hat.<br />

Viele Leser meiner <strong>Bericht</strong>e wissen sicherlich, dass ich<br />

1974 ein privates Labor in meinem Haus in Breitnau, einem<br />

Dorf im Schwarzwald 30 km östlich von Freiburg,<br />

gegründet hatte und seitdem auf dem Gebiet der <strong>Muskeldystrophie</strong>n<br />

arbeite. Von <strong>März</strong> 1977 bis November 2011<br />

führte ich mit meinen Mitarbeitern in diesem Testlaboratorium<br />

Breitnau ein freiwilliges Früherkennungsprogramm<br />

auf <strong>Duchenne</strong>-<strong>Muskeldystrophie</strong> für ganz Deutschland<br />

durch. Zusammen mit Kollegen habe ich dieses Programm<br />

und den neuen Bioluminiszenz-Test zur Bestimmung der<br />

Creatinkinase in trockenen Blutflecken im Jahr 1986 beschrieben<br />

(12). Wir haben 537.000 Jungen getestet, unter<br />

denen wir 155 mit <strong>Duchenne</strong>- (1:3.600) und 35 Jungen mit<br />

Becker- <strong>Muskeldystrophie</strong> (1:15.300) innerhalb ihrer ersten<br />

Lebenswochen fanden.<br />

<strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong> mit Gentransfer. Die Wissenschaftler<br />

Luis García, Aurélie Goyenvalle, Dame Kay Davies und<br />

ihre Kollegen an den Universitäten in Versailles und Oxford<br />

arbeiten an einer Kombination des <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong>s<br />

mit einer Gentherapie. Ziel ist es, die Muskelzellen dazu<br />

zu bringen, die Antisense-Oligos selbst zu erzeugen. Sie<br />

hoffen, dass nur eine Injektion von Viren notwendig sein<br />

wird, die die genetische Sequenz zur kontinuierlichen Produktion<br />

von Antisense-Oligos in die Muskelzellen transportieren.<br />

Ständige, sich wiederholende Injektionen von<br />

freien Antisense-Oligos während des möglicherweise verlängerten<br />

Lebens der Patienten wären dann nicht mehr nötig.<br />

Im Jahr 2004 haben die Wissenschaftler bereits den<br />

gentherapeutischen Teil dieses Verfahrens entwickelt, in<br />

dem sie die RNA-Antisense-Sequenzen an U7-snRNAs<br />

angefügt haben. Diese sind kleine RNAs, die Teil der<br />

Spleißosomen sind, der biochemische Maschinerie, die die<br />

79 <strong>Exon</strong>s im Kern zur aktiven mRNA zusammensetzen,<br />

die dann die Information für das Protein Dystrophin enthält.<br />

Die veränderten U7-snRNAs wurden mit Vektoren,<br />

mit harmlosen adeno-assoziierten Viren, AAV, in die<br />

Muskelzellen transportiert, wo sie in die Zellkerne wandern,<br />

um dort das <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong> während des Spleiß-<br />

Prozesses zu veranlassen.<br />

Diese beladenen Viren wurden zunächst lokal in einzelne<br />

Muskeln von mdx-Mäusen gespritzt, danach dann<br />

systemisch in den Blutkreislauf. In den Muskelzellen hat<br />

das <strong>Skipping</strong> des <strong>Exon</strong>s 23 das Leseraster wieder hergestellt.<br />

Das neue, etwas kürzere Dystrophin trat in bis zu<br />

80% der Fasern der behandelten Muskeln auf. Es wanderte<br />

19


dann zu seiner normalen Position unterhalb der Zellmembranen<br />

und war dort mehr als ein Jahr stabil. Es gab keine<br />

Immunreaktionen.<br />

Die dystrophischen Prozesse in den mdx-Muskeln, d.h.<br />

ihre beschleunigte Degeneration und Regeneration, kamen<br />

komplett zum Erliegen. Die mdx-Mäuse, die systemisch<br />

behandelt wurden, entwickelten keine Muskelschäden, die<br />

normalerweise an nicht behandelten mdx-Mäusen auftreten<br />

(13).<br />

Vor fünf Jahren wurde dieses U7-Gentransferverfahren<br />

angewendet, um Golden-Retriever-Hunde klinisch zu behandeln,<br />

die wirklich krank waren wie <strong>Duchenne</strong>-Patienten.<br />

Diese Hunde haben eine Mutation an der Spleißstelle<br />

des <strong>Exon</strong>s 7, die durch ein <strong>Skipping</strong> der <strong>Exon</strong>s 6 und 8 behoben<br />

werden kann. Die Verwendung der für Hunde adaptierten<br />

U7-snRNAs, die Antisense-Sequenzen gegen die<br />

<strong>Exon</strong>s 6 und 8 enthielten, führte dazu, dass verkürztes<br />

Dystrophin in beinahe normalen Konzentrationen in vielen<br />

Muskeln gebildet wurde. Hierzu wurden Injektionen in die<br />

Muskeln vorgenommen und eine regionale, systemische<br />

Injektion in ein Bein, dessen Blutkreislauf mit einer Blutdruckmanschette<br />

blockiert war.<br />

Jetzt, fünf Jahre nach diesen Experimenten sind die<br />

langfristigen Ergebnisse dieser Behandlung von Adeline<br />

Vulin, Aurélie Goyenvalle, Luis García und ihren Mitarbeitern<br />

veröffentlicht worden (14). Nach dieser Zeit war<br />

das verkürzte Dystrophin in den 6 behandelten Hunden<br />

noch vorhanden, die Zahl der Fasern mit dem neuen Dystrophin<br />

hatte sich jedoch langsam verringert.<br />

Dies geschah nicht wegen einer Immunreaktion, sondern<br />

wahrscheinlich, weil es, wie bei der menschlichen<br />

Becker-<strong>Muskeldystrophie</strong>, zu einem langsam fortschreitenden<br />

dystrophischen Prozess kam. Der Hauptgrund ist<br />

jedoch wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass bei<br />

dem geretteten, verkürzten Dystrophin nicht nur das <strong>Exon</strong><br />

7 und die beiden geskippten <strong>Exon</strong>s 6 und 8 fehlten, sondern<br />

aus unerklärlichen Gründen auch das <strong>Exon</strong> 9, das je-<br />

Annemiekes Liste mit 130 <strong>Skipping</strong>-Medikamenten (5)<br />

enthält 77 zum Skippen eines einzelnen <strong>Exon</strong>s und 53, die<br />

zwei <strong>Exon</strong>s skippen würden. Das bedeutet, dass 64% aller<br />

Patienten vom Skippen einzelner <strong>Exon</strong>s profitieren würden,<br />

19% bräuchten das Skippen von zwei <strong>Exon</strong>s.<br />

Wie ich auf Seite 9 erwähnte, gibt es sieben <strong>Skipping</strong>s<br />

auf den Prioritätenlisten von Prosensa/GSK und Sarepta,<br />

die zusammen 45,1% aller Patienten helfen würden. Es<br />

handelt sich um die <strong>Exon</strong>s 44, 45, 50, 51, 52, 53 und 55.<br />

Nur einige wenige Arbeiten befassten sich bisher mit dem<br />

Skippen von zwei <strong>Exon</strong>s, zwei benachbarten oder zwei getrennten.<br />

Es gibt noch keine klinischen Studien für Doppelskipping,<br />

da die drei aktiven Firmen auf diesem Gebiet<br />

mit großem finanziellem Engagement sich vorerst auf die<br />

Entwicklung des <strong>Skipping</strong>s der einzelnen <strong>Exon</strong>s auf ihren<br />

Prioritätslisten konzentrieren.<br />

Wenn diese sich als sicher und wirksam erweisen und<br />

ohne Verzögerung zugelassen werden, können wir hoffen,<br />

dass die <strong>Skipping</strong>-Medikamente für die weniger häufigen<br />

oder seltenen und komplizierten Mutationen nicht die gleiche<br />

Zahl von Studien wie bisher durchlaufen müssen. Für<br />

Multiexon-<strong>Skipping</strong>.<br />

doch das Leseraster nicht verschiebt. In dem Protein fehlten<br />

also 158 Aminosäuren, die von den fehlenden <strong>Exon</strong>s<br />

6-9 definiert sind. Diese sind Teil der Struktur an einem<br />

Ende des Proteins, die es mit dem Actin-Netzwerk des<br />

Zellgerüsts der Muskelzellen verbindet. Da diese Verbindung<br />

dann nicht mehr perfekt ist, könnte dies zu der langsamen<br />

Degeneration der Muskeln beitragen.<br />

Die Autoren schlagen vor, dass dieses genetische <strong>Exon</strong>-<br />

<strong>Skipping</strong> als Beginn einer Langzeit-Therapie dienen könnte,<br />

die dann nach ein paar Jahren von normalen <strong>Exon</strong>-<br />

<strong>Skipping</strong>- Injektionen abgelöst werden könnte.<br />

Nachdem mit diesem Verfahren 2004 das Skippen des<br />

<strong>Exon</strong>s 23 in mdx-Mäusen möglich war, die aber nur wenig<br />

krank sind, wurde die gleiche Methode bei sogenannten<br />

doppel-KO-Mäusen angewandt. Diese hatten weder Dystrophin<br />

noch Utrophin in ihren Muskeln und waren daher<br />

so krank wie die <strong>Duchenne</strong>-Jungen (15). Nach einer einzigen<br />

intravenösen Injektion des AAV-Virus, das die Antisense-Sequenzen<br />

an der U7-snRNA gegen das <strong>Exon</strong> 23 der<br />

Mäuse mitbrachte, wurden fast normale Konzentrationen<br />

von Dystrophin in allen Muskeln gefunden, auch in den<br />

Herzmuskeln. Dies führte zu einer deutlichen Verbesserung<br />

ihrer Muskelfunktionen, einer Normalisierung der<br />

Muskelstrukturen und zu einer bemerkenswerten Verlängerung<br />

ihrer Lebenszeit von ca. 10 Wochen auf mehr als 1<br />

Jahr.<br />

Die Wissenschaftler haben jetzt spezifische U7snRNAs<br />

entwickelt, um <strong>Exon</strong>s in menschlichen Dystrophin-Genen<br />

zu skippen, damit diese Strategie auch bei DMD-Patienten<br />

angewandt werden kann (16). Sie haben auch gezeigt, dass<br />

mehrere verschiedene U7snRNAs durch dieses AAV-<br />

Virus transportiert werden kann, die dann das gleichzeitige<br />

Skippen mehrerer <strong>Exon</strong>s ermöglicht.<br />

Diese Arbeiten bedeuten einen wichtigen Schritt zur<br />

klinischen Anwendung an Patienten, die von Génethon zusammen<br />

mit dem Institut de Myologie und Forscherteams<br />

in Nantes für das Jahr 2015 geplant sind.<br />

ihre Entwicklung wäre dann wesentlich weniger Geld und<br />

Zeit nötig.<br />

Erster Versuch zum Skippen der <strong>Exon</strong>s 45 bis 55 mit<br />

2’O-Methylen. Es gibt jedoch eine Ausnahme zu dem<br />

eben beschriebenen Szenario. Es geht um das Skippen von<br />

mehr als zwei <strong>Exon</strong>s mit einem Gemisch, einem Cocktail,<br />

von mehreren Antisense-Oligos.<br />

Im Jahr 2007 haben Christophe Beroud und seine Mitarbeiter<br />

an der Universität von Montpellier in Südfrankreich<br />

ihre Prognose veröffentlicht (17), dass das gleichzeitige<br />

Skippen der 11 <strong>Exon</strong>s 45 bis 55 zu einem verkürzten<br />

Dystrophin führen würde, das eine Becker-Dystrophie mit<br />

sehr milden oder gar keinen Symptomen in bis zu 63% aller<br />

<strong>Duchenne</strong>-Patienten zur Folge hätte. Tatsächlich wurde<br />

bei einigen Becker-Patienten eine natürliche Deletion der<br />

<strong>Exon</strong>s 45 bis 55 beschrieben. Diese Patienten hatten fast<br />

keine Beeinträchtigungen.<br />

Im Jahr 2008 haben Annemieke Aartsma-Rus und ihre<br />

Kollegen versucht, in Zellkulturen diese 11 <strong>Exon</strong>s von<br />

der Dystrophin mRNA einer gesunden Person und von<br />

20


zwei <strong>Duchenne</strong>-Patienten zu entfernen. Ein Cocktail von<br />

2’O-Methyl-Oligos gegen alle 11 <strong>Exon</strong>s verursachte jedoch<br />

unregelmäßige Spleißprozesse, die eine Mischung<br />

von mRNAs produzierte, bei denen unterschiedlich viele<br />

<strong>Exon</strong>s geskippt wurden. Die Autoren kamen zu dem<br />

Schluss, dass dieses Verfahren eine klinische Entwicklung<br />

eines multiplen <strong>Skipping</strong>s der <strong>Exon</strong>s 45-55 zu der Zeit<br />

damals nicht rechtfertigte (18).<br />

Multiples <strong>Skipping</strong> bei dystrophen Hunden. Als nächster<br />

Schritt wurde das Skippen von zwei oder mehr <strong>Exon</strong>s<br />

mit einem Oligo-Cocktail versucht. In den Jahren 2008<br />

und 2009 haben Eric Hoffmann und Terence Partridge<br />

in Washington und Shin’ichi Takeda in Tokio mit ihren<br />

Kollegen Cocktails von 2’O-Methylen und Morpholino-<br />

Antisense-Oligos entwickelt, um mehrere <strong>Exon</strong>s in dystrophen<br />

Beagle-Hunden zu skippen (19). Im Gegensatz zu<br />

den mdx-Mäusen, die nur eine milde Dystrophie haben,<br />

haben diese Hunde <strong>Duchenne</strong>-ähnliche Symptome.<br />

Diese dystrophen Hunde haben eine Mutation an der<br />

Spleißstelle des <strong>Exon</strong>s 7 in ihrem Dystrophin-Gen. Sie<br />

verursacht die Deletion von <strong>Exon</strong> 7 in ihrer mRNA. Das<br />

Leseraster wird verschoben, es kommt zu einem vorzeitigen<br />

Stopp-Codon bald danach. Das Skippen der beiden<br />

benachbarten <strong>Exon</strong>s 6 und 8 würde das Leseraster wieder<br />

herstellen.<br />

Verschiedene Mischungen von 2’O-Methylen und Morpholinos<br />

wurden in Zellkulturen getestet, bis die wirksamste<br />

Cocktail-Mischung gefunden wurde. Diese enthielt<br />

zwei Oligos gegen <strong>Exon</strong> 6 und ein Oligo gegen <strong>Exon</strong> 8.<br />

Nach lokalen Injektionen in einen Muskel produzierten<br />

beide Typen von Oligo-Cocktails bis zu 80% an verkürztem<br />

mRNA und fast normale Konzentrationen an verkürztem<br />

Dystrophin. Es wurden jedoch aus unerklärlichen<br />

Gründen nicht nur die beiden gewünschten <strong>Exon</strong>s 6 und 8,<br />

sondern auch das <strong>Exon</strong> 9 geskippt. Dies ist ein „in-frame“<br />

<strong>Exon</strong>. Wenn es weggelassen wird, verschiebt sich das Leseraster<br />

nicht.<br />

In Tokio wurde eine systemische Behandlung an 3 zwei<br />

Monate alten Hunden durchgeführt. Diesen wurden drei<br />

Morpholino-Antisense Cocktails in die Venen im Bein gespritzt.<br />

Diese Injektionen wurden nach 5, 7 und 50 Wochen<br />

wiederholt. In allen getesteten Skelettmuskeln, jedoch<br />

nicht im Herzmuskel, wurde neues Dystrophin gefunden<br />

und zwar in einer Konzentration von bis zu 50%<br />

verglichen mit einer normalen Konzentration.<br />

Wie zuvor wurde auch das <strong>Exon</strong> 9 geskippt. Die körperliche<br />

Situation der Hunde stabilisierte sich und war wie<br />

zu Beginn der Behandlung. Ohne Behandlung hätte sie<br />

sich während dieser Zeit sehr verschlechtert.<br />

Diese Behandlung schien ihren Muskelverfall aufgehalten<br />

zu haben. Morpholino-Antisense-Oligos funktionieren<br />

also in größeren Säugetieren, die eine ähnliche Körperstruktur<br />

wie Menschen haben. Sie sind nicht giftig.<br />

<strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong> mit Vivo Morpholinos. Im Jahr 2009<br />

begann die gleiche Gruppe von Forschern in Washington<br />

und Tokio mit einem anderen Typ von Antisense-Oligos<br />

zu arbeiten. Diese waren zuvor von Qi Long Lu und seinen<br />

Kollegen am Carolinas Medical Center in Charlotte<br />

im US-Bundesstaat North Carolina entwickelt worden. An<br />

das eine Ende eines normalen Morpholino-Oligos hatten<br />

sie eine verzweigte Struktur aus 8 Guanidin-Gruppen angehängt.<br />

Dieses Octa-Guanidin-Morpholino wird Vivo-Morpholino<br />

genannt. Seine Struktur erlaubt es ihm, sehr wirksam<br />

in Skelettmuskeln einzudringen, auch in die Herzmuskeln.<br />

Es wurden mdx-Mäuse mit Vivo-Morpholinos gegen<br />

ihr <strong>Exon</strong> 23 behandelt, das ein vorzeitiges Stopp-Signal<br />

enthält. Eine systemische Behandlung, die im 2-Wochen-<br />

Rhythmus über 10 Wochen erfolgte, führte zu bis zu 50%<br />

neuem Dystrophin in allen Fasern der Skelettmuskeln und<br />

in bis zu 10% der Herzmuskeln. Auch die glatte Muskulatur<br />

der Blutgefäße und des Darms wiesen positive Veränderungen<br />

auf. Die Muskelfunktion verbesserte sich sichtbar,<br />

es kam zu keinen ernstzunehmenden Nebenwirkungen<br />

(20).<br />

Multiples <strong>Skipping</strong> mit Vivo-Morpholinos bei Hunden.<br />

Nachdem Vivo-Morpholinos bei der Behandlung von<br />

mdx-Mäusen positive Ergebnisse zeigten, haben die Wissenschaftler<br />

das Skippen der 3 Hunde-<strong>Exon</strong>s mit einem<br />

Cocktail aus Vivo-Morpholinos wiederholt (21).<br />

Sie arbeiteten mit 3-5 Monate alten Beagle-Hunden, die<br />

schon milde dystrophische Symptome aufwiesen. Ihnen<br />

wurde in fünf verschiedene Muskeln ein Milliliter eines<br />

Cocktails gespritzt, der 120 mg einer Mischung von 4 verschiedenen<br />

Vivo-Morpholino-Oligos enthielt. Zwei davon<br />

waren gegen das <strong>Exon</strong> 6 gerichtet und zwei gegen das<br />

<strong>Exon</strong> 8. Zwei und acht Wochen nach der Injektion wurde<br />

Gewebe bei Muskelbiopsien entnommen.<br />

Nach zwei Wochen enthielt bis zu 70% der Muskelfasern<br />

neues Dystrophin. Nach zwei Monaten waren es noch<br />

bis zu 60%. Obwohl nur die <strong>Exon</strong>s 6 und 8 Ziel der Antisense-<br />

Oligos waren, wurde wie im vorangegangenen Experiment<br />

auch <strong>Exon</strong> 9 geskippt.<br />

Annemieke erklärt dies wie folgt: „Das Intron 7 ist<br />

110.000 Buchstaben lang. Intron 8 hat nur 1.100 Buchstaben.<br />

Daher werden <strong>Exon</strong> 8 und 9 früher zusammengespleißt<br />

als <strong>Exon</strong> 7 und 8. Wenn Sie also <strong>Exon</strong> 8 alleine<br />

skippen möchten, skippen Sie auch <strong>Exon</strong> 9, da es schon<br />

mit <strong>Exon</strong> 8 verbunden ist.“<br />

Nach diesen Versuchen mit Hunden wurden noch keine<br />

Studien über Giftigkeit, Pharmakokinetik und zur biologischen<br />

Verteilung gemacht. Man muss sie aber durchführen,<br />

bevor ähnliche Vivo-Morpholinos in klinischen Studien<br />

bei <strong>Duchenne</strong>-Patienten angewendet werden.<br />

Multiexon-45-55-<strong>Skipping</strong> mit Vivo-Morpholinos bei<br />

mdx52-Mäusen. Bald nach den Hundestudien mit Vivo-<br />

Morpholinos haben die gleichen Forschergruppen in Tokio<br />

und Washington mit Vorbereitungen für das Skippen der<br />

21


11 <strong>Exon</strong>s 45-55 bei <strong>Duchenne</strong>-Patienten begonnen. Dies<br />

würde, wie ich zuvor erklärt hatte, eine Therapie für 63%<br />

aller Patienten bedeuten (22).<br />

Natürlich kannten die Forscher Annemiekes enttäuschende<br />

Ergebnisse bei ihrem Versuch, alle 11 <strong>Exon</strong>s mit<br />

2’O-Methyl-Oligos zu skippen. Die japanisch-amerikanische<br />

Forschergruppe wählte daher Vivo-Oligos mit Sequenzen<br />

aus, die Reaktionen zwischen den verschiedenen<br />

Oligos vermeiden. Auch Selbstreaktionen zwischen den<br />

beiden Enden ein und desselben Oligos wurden unterbunden.<br />

Zunächst mussten Experimente mit Mäusen durchgeführt<br />

werden. Es sollten aber keine normalen mdx-Mäuse<br />

verwendet werden, bei denen das <strong>Exon</strong> 23 geskippt werden<br />

muss, sondern speziell gezüchtete mdx52-Mäuse, bei<br />

denen das <strong>Exon</strong> 52 fehlt. Ihre unterbrochene Dystrophin-<br />

Produktion sollte durch das Skippen von <strong>Exon</strong> 52 neu gestartet<br />

werden. Das <strong>Exon</strong> 52 ist eines der <strong>Exon</strong>s, die beim<br />

multiplen <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong> entfernt werden würden.<br />

Das Experiment wurde im Labor mit Tests an Myotuben,<br />

Vorläufern von Muskelzellen, dieser Mäuse gestartet.<br />

Eine Mischung von 10 Vivo-Oligos gegen die ESE-<br />

Sequenzen der 10 <strong>Exon</strong>s 45-51 und 53-55, nicht <strong>Exon</strong> 52,<br />

wurden für das Skippen verwendet. Das Ergebnis war tatsächlich,<br />

dass der gesamte Block der 10 ausgewählten<br />

<strong>Exon</strong>s geskippt wurde. Dies wurde durch eine Sequenzierungen<br />

der mRNAs nach dem <strong>Skipping</strong> bewiesen. Erstaunlicherweise<br />

gab es keine teilweise geskippten mRNAs.<br />

Die nächsten Experimente wurden an lebenden, 45<br />

Wochen alten mdx52-Mäusen durchgeführt, die 1,5 Mikrogramm,<br />

1,5 Tausendstel Milligramm, des 10-Vivo-<br />

Oligo-Cocktails in einen Schienbeinmuskel injiziert bekamen.<br />

Nach 2 Wochen enthielten 70% der Muskelfasern<br />

das korrekt gekürzte Dystrophin ohne die Aminosäuren,<br />

deren genetische Codewörter in den 10 geskippten <strong>Exon</strong>s<br />

und im deletierten <strong>Exon</strong> 52 enthalten sind. Wiederum gab<br />

es keine Teilskippings, weder als mRNA noch als Protein.<br />

Alle Proteine des Dystrophin-Komplexes hatten wieder<br />

100% ihrer normalen Konzentration erreicht. Einzige Ausnahme<br />

war das Enzym Stickoxid-Synthase, NOS, das nicht<br />

so wichtig ist.<br />

Dann erhielten diese Mäuse systemische Injektionen.<br />

Fünf zweiwöchentliche intravenöse Injektionen mit 12<br />

mg/kg wurden vorgenommen. Das Ergebnis war, dass die<br />

Skelettmuskeln das Becker-Dystrophin in einer Konzentration<br />

von 8-15% und im Herzen von 2% der normalen Menge<br />

enthielten. Diese behandelten Mäuse zeigten eine bessere<br />

Muskelfunktion und eine längere Muskelausdauer. Die<br />

Bluttests zeigten keine Toxizität, und die vorher sehr hohe<br />

CK-Aktivität war stark herabgesetzt.<br />

Der Grund für die milde Becker-Dystrophie bei Patienten<br />

ohne die <strong>Exon</strong>s 45-55 ist nicht bekannt. Man weiß jedoch,<br />

dass dem Dystrophin dieser Patienten ein Teil der<br />

Aminosäurekette fehlt, die die dämpfende Funktion des<br />

Proteins nicht allzu sehr stört, nämlich die Zellmembranen<br />

vor dem mechanischem Stress durch die Muskelkontraktionen<br />

zu schützen.<br />

Vorteile dieses 45-55-<strong>Skipping</strong>s. Bis zu 63% der <strong>Duchenne</strong>-Patienten<br />

könnte von diesem Multi-<strong>Skipping</strong> profitieren.<br />

Die daraus resultierende Becker-<strong>Muskeldystrophie</strong><br />

wäre sehr schwach oder überhaupt nicht ausgeprägt. Es<br />

gäbe aber eine erhöhte CK-Aktivität.<br />

Dieses <strong>Skipping</strong> könnte auch schwerer betroffenen Becker-Patienten<br />

helfen, die „in-frame“-Deletionen in dieser<br />

Region haben. Wenn nur ein oder einige wenige der Vivo-<br />

Oligos von diesem Cocktail verwendet werden, könnte<br />

denjenigen Patienten eine <strong>Skipping</strong>-Therapie angeboten<br />

werden, bei denen in dieser Region ein oder mehrere<br />

<strong>Exon</strong>s geskippt werden müssten. Der nächste und wichtigste<br />

Schritt wird jetzt der Start von klinischen Studien an<br />

Patienten sein.<br />

Annemieke meint dazu: „Es gibt noch viele Herausforderungen<br />

beim Multiexon-<strong>Skipping</strong>. Vivo-Morpholinos<br />

sind giftig. Es wird sehr teuer werden, diese Mischung von<br />

11 Antisense-Oligos herzustellen, selbst wenn andere Antisense-Oligos<br />

verwendet werden. Es ist nicht bekannt, wie<br />

hier Sicherheitstests durchgeführt werden können. Wenn<br />

Sie manchmal nur 2 oder 3 Oligos aus dem Cocktail verwenden<br />

möchten, oder auch nur ein Oligo für eine andere<br />

Mutation, müssten Sie alles individuell testen. Sie würden<br />

also nicht davon profitieren, dass Sie einen einzigen Cocktail<br />

für eine Gruppe an Leuten mit verschiedenen Mutationen<br />

haben. Wenn Sie es als Cocktail entwickeln wollen, ist<br />

nicht bekannt, ob Sie diese Reagenzmischung als Ganzes<br />

testen können oder ob Sie individuelle Sicherheitstests mit<br />

den verschiedenen Komponenten durchführen müssen.“<br />

<strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong> für Verdoppelungen, Punktmutationen und seltene Mutationen.<br />

<strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong> zum Reparieren von Verdoppelungen.<br />

Verdoppelungen eines oder mehrerer <strong>Exon</strong>s, die ein Verschieben<br />

des Leserasters verursachen, kommen bei ungefähr<br />

7% aller <strong>Duchenne</strong>-Patienten vor.<br />

Prinzipiell können Verdoppelungen auch mit <strong>Exon</strong>-<br />

<strong>Skipping</strong> behandelt werden. Wenn es möglich wäre, die<br />

zusätzlichen <strong>Exon</strong>s zu entfernen ohne die originalen <strong>Exon</strong>s<br />

zu beeinträchtigen, würde das neue Dystrophin-Protein eine<br />

normale Größe haben. Wenn genügend neues und normales<br />

Dystrophin produziert würde, um die Degeneration<br />

der Muskeln zu stoppen, würde diese Behandlung zu einer<br />

Heilung führen. Sie wäre nicht nur eine Therapie.<br />

Das Problem besteht darin, dass die Antisense-Oligos<br />

beide <strong>Exon</strong>-Gruppen, das Original und die Kopie, erken-<br />

nen würden, da beide genau gleich sind. Wenn also versucht<br />

wird, ein <strong>Exon</strong> davon zu skippen, würden beide geskippt<br />

werden. Für Verdoppelungen eines einzelnen <strong>Exon</strong>s<br />

gäbe es eventuell einen Ausweg, da es in manchen Fällen<br />

möglich ist, ein drittes <strong>Exon</strong> vor oder nach dem doppelten<br />

<strong>Exon</strong> zu skippen, um dadurch das Leseraster wiederherzustellen.<br />

Größere Verdoppelungen zu reparieren wird sehr<br />

komplex und schwierig werden, hier ist eventuell auch gar<br />

keine Lösung möglich.<br />

Kevin Flanigan und seine Mitarbeiter am Nationwide<br />

Children’s Hospital in Columbus im US-Bundesstaat Ohio<br />

haben ein neues Projekt begonnen, um Verdoppelungen zu<br />

korrigieren.<br />

Da die Verdoppelung von <strong>Exon</strong> 2 die häufigste Ver-<br />

22


doppelung eines einzelnen <strong>Exon</strong>s bei <strong>Duchenne</strong>-Patienten<br />

ist, wurde eine neue Labor-Maus durch genetische Manipulation<br />

entwickelt. Sie hat eine solche <strong>Exon</strong>- 2-Verdoppelung<br />

in ihrem Dystrophin-Gen und entwickelt Symptome<br />

einer schweren Muskelkrankheit. Sobald eine genügende<br />

Zahl von diesen Mäusen vorhanden ist, werden an ihnen<br />

Experimente durchgeführt, um einen Weg zu finden, diese<br />

Verdoppelung zu reparieren.<br />

Die Wissenschaftler haben auch schon Zellkulturen von<br />

Patienten mit verschiedenen Verdoppelungen. Sie versuchen<br />

nun, diese Verdoppelungen mit den üblichen <strong>Exon</strong>-<br />

<strong>Skipping</strong>-Antisense-Oligos zu korrigieren, aber auch mit<br />

dem AAV-U7-snRNA-Verfahren.<br />

Dieses Projekt wird von der amerikanischen Elternvereinigung<br />

Cure <strong>Duchenne</strong> finanziert.<br />

<strong>Exon</strong> <strong>Skipping</strong> zum Reparieren von Punktmutationen.<br />

Punktmutationen sind kleine Veränderungen von einem<br />

oder einigen wenigen genetischen Buchstaben im Gen<br />

selbst. Wenn die Mutation z.B. einen einzigen oder zwei<br />

Buchstaben hinzugefügt oder entfernt hat, wird das Leseraster<br />

verschoben. Manchmal wird auch ein Buchstabe gegen<br />

einen anderen ausgetauscht. Dann wird zwar das Leseraster<br />

nicht verschoben, das genetische Code-Wort kann<br />

jetzt aber eine andere Aminosäure bedeuten.<br />

Wenn diese Veränderungen die Struktur des Dystrophins<br />

so gut wie nicht verändern, geschieht nichts. Wenn<br />

jedoch einer der drei Stopp-Codons TGA, TAG oder TAA<br />

durch die Mutation gebildet wird, dann verschiebt sich<br />

zwar das Leseraster nicht, die Protein-Produktion wird<br />

aber an solch einem vorzeitigen Stoppsignal angehalten.<br />

Das Ergebnis ist <strong>Duchenne</strong>-<strong>Muskeldystrophie</strong>.<br />

Solch eine Punktmutation kann oft repariert werden,<br />

indem das <strong>Exon</strong> geskippt wird, das dasn Stopp-Codon enthält.<br />

Dies gelingt jedoch nur, wenn es sich um ein „inframe“<br />

<strong>Exon</strong> handelt, das Ränder zwischen ganzen Codons<br />

hat, so dass sein Skippen das Leseraster nicht verschiebt.<br />

Wenn das Skippen aber doch eine Verschiebung verursacht,<br />

kann in einigen Fällen ein benachbartes <strong>Exon</strong> mitgeskippt<br />

werden, um das Leseraster zu erhalten.<br />

Das Medikament Ataluren, früher PTC124 genannt,<br />

wurde von der Firma PTC Therapeutics im Bundesstaat<br />

New Jersey in den USA entwickelt. Es sah so aus, als könne<br />

Ataluren die durch Punktmutationen verursachten vorzeitigen<br />

Stopp-Codons „überlesen“, also ignorieren.<br />

Schwierigkeiten während einer großen klinischen Studie<br />

haben jedoch zum vorzeitigen Abbruch der Studie geführt.<br />

Wie ich schon erwähnte, wird <strong>Exon</strong> <strong>Skipping</strong> am wirksamsten<br />

sein, wenn es sehr früh im Leben eines <strong>Duchenne</strong>-<br />

Jungen begonnen wird, da dann die meisten Muskeln noch<br />

vorhanden sind. <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong> wird sehr wahrscheinlich<br />

die Degeneration der überlebenden Muskelfasern verlangsamen<br />

oder sogar stoppen können, jedoch verlorene Muskelfasern<br />

nicht erneuern. Gertjan van Ommen und Annemieke<br />

Aartsma-Rus haben in ihren Interviews gesagt,<br />

dass ältere Patienten gerne eine Stabilisierung ihrer verbliebenen<br />

Muskeln wünschen könnten, auch wenn ihre<br />

<strong>Exon</strong> <strong>Skipping</strong> für ältere Patienten<br />

.<br />

Im zweiten Teil dieses <strong>Bericht</strong>es werde ich über den aktuellen<br />

Stand der Forschung an Ataluren berichten.<br />

<strong>Exon</strong> <strong>Skipping</strong> zum Reparieren von seltenen Mutationen.<br />

Auf Seite 9 hatte ich Ihnen Annemiekes Liste von<br />

130 Gruppen von Patienten vorgestellt, die das Skippen<br />

von ein oder zwei <strong>Exon</strong>s benötigen. <strong>Exon</strong> <strong>Skipping</strong> Methoden<br />

werden zur Zeit aber nur für 7 der ersten 11 Gruppen<br />

mit den häufigsten Mutationen entwickelt. Die restlichen<br />

38% der Patienten, denen ebenfalls mit <strong>Exon</strong> <strong>Skipping</strong><br />

geholfen werden könnte, gehören zu den anderen 123<br />

Patienten-Gruppen, für die derzeit keine <strong>Skipping</strong>-Medikamente<br />

entwickelt werden. Die große Mehrheit, nämlich<br />

114 Gruppen, enthalten jeweils nur bis zu 1%, die 30<br />

kleinsten Gruppen nur bis zu 0,02% aller Patienten.<br />

Wenn derzeit etwa 400.000 <strong>Duchenne</strong>-Patienten auf der<br />

gesamten Welt leben, so sind 1% davon 4.000 Patienten<br />

und 0,02% davon sind 80 Patienten. Es bestehen nur sehr<br />

geringen Chancen, dass „ihr“ <strong>Exon</strong> <strong>Skipping</strong>-Medikament<br />

bald entwickelt wird!<br />

Dazu zitiere ich aus meinem Interview mit Annemieke<br />

vom letzten Jahr: „Dies ist ein anderes Problem, denn es<br />

gibt weltweit nur sehr wenige Patienten für jede der mehr<br />

als 100 Gruppen an Jungen mit seltenen Mutationen. Es ist<br />

dann sehr schwierig, etwas zu entwickeln. Selbst wenn Sie<br />

klinische Studien durchführen wollen, gibt es so wenige<br />

Patienten, dass das statistisch sehr problematisch wird.<br />

Das Problem besteht darin, dass die meisten Jungen mit<br />

seltenen Mutationen, die eine richtige Diagnose bekommen<br />

haben, in der westlichen Welt leben. Die Mehrheit der<br />

Patienten lebt aber in China und in Indien. Es gibt einige<br />

Regionen in China und Indien, in denen Diagnosen sehr<br />

gut durchgeführt werden und die Patienten auch eine Betreuung<br />

erfahren. Für die große Mehrheit der Patienten<br />

gibt es aber keine richtige Betreuung wie in der westlichen<br />

Welt. Es gibt keine Diagnose, keiner kennt ihre Mutation<br />

und man kennt ihre Krankheit nicht einmal. Ich denke,<br />

dass das das erste Problem ist. Theoretisch könnte es mehr<br />

als 1.000 Patienten in einigen Gruppen mit seltenen Mutation<br />

geben, aber wir kennen sie nicht.“<br />

Es sollte also etwas getan werden, um diese Situation<br />

zu ändern. Ich denke z.B. daran, dass man die internationale<br />

Rotary-Organisation, zu der ich gehöre, fragen könnte,<br />

bei der Suche nach unerkannten Patienten zu helfen. Man<br />

könnte Kinder- und Familienärzten in den Rotary-Clubs<br />

sagen, wie diese Patienten gefunden werden und was vor<br />

allem in den weniger entwickelten Staaten für sie getan<br />

werden könnte.<br />

Krankheit fortgeschritten ist. Dies könnte ihnen helfen,<br />

trotz ihrer Behinderung ein sinnvolles Leben zu führen.<br />

Gertjan sagte: „Ich denke, dass <strong>Exon</strong> <strong>Skipping</strong> eine<br />

große Erleichterung für die Jungen sein wird, aber ihr Leben<br />

wird nicht gänzlich ohne Beeinträchtigungen verlaufen.<br />

Und wenn wir von <strong>Duchenne</strong>-Patienten sprechen, so<br />

verstehen die 10-16-Jährigen unter ihnen schon sehr oft,<br />

was mit ihnen passiert. Sie sehen auch, dass die Ärzte denken,<br />

dass sie alle lediglich länger leben wollen.<br />

Der größte Wunsch ist jedoch, besser zurechtzukom-<br />

23


men“, ihre Muskeln besser bewegen zu können oder z.B.<br />

auch ihre Hände auf den Tisch legen zu können, so dass<br />

sie mit einem Computer schreiben können. Ich habe ältere<br />

<strong>Duchenne</strong>-Jungen gesehen, die auch unter einer Steroid-<br />

Behandlung zu schwach wurden, um ihre Hände auf den<br />

Tisch legen und die Tastatur eines Computers bedienen zu<br />

können.<br />

Diese Fähigkeit zu verlieren, ist für diese Patienten<br />

wirklich ein großer Verlust. Wenn man dies hinauszögern<br />

könnte, würde das ihnen schon sehr helfen.<br />

Ich weiß, dass es Projekte in technischen Schulen und<br />

Firmen gibt, in denen moderne Hilfsmittel, „Bio-Roboter“,<br />

entwickelt werden, die den <strong>Duchenne</strong>-Jungen und den jungen<br />

Männern helfen würden, Bewegungen auszuführen,<br />

die sie wegen ihrer Schwäche nicht mehr selbst machen<br />

können.“<br />

Ich habe Annemieke gefragt: „Ist es denn wirklich die<br />

Mühe wert, das Leben von älteren <strong>Duchenne</strong>-Patienten mit<br />

modernen Betreuungs-Methoden zu verlängern, wenn sie<br />

durch die Krankheit schon sehr beeinträchtigt sind?“<br />

Annemieke antwortete: „Das ist eine gute Frage. Es<br />

gibt nur eine Person, der Sie sie stellen können: den Patienten<br />

selbst. Der Patient muss entscheiden, ob er eine Behandlung<br />

und Betreuung wünscht oder nicht. Aus unserem<br />

Blickwinkel heraus ist die Vorstellung, nur die Finger be-<br />

wegen oder heben zu können oder nur die Augen bewegen<br />

zu können, ein Horrorszenario. Ich kenne jedoch Patienten,<br />

die in dieser Situation sind und die sagen, dass ihr Leben<br />

ihnen sehr viel wert ist, dass sie ihr Leben lieben, dass sie<br />

einen Computer haben, ins Theater, ins Kino oder zu einem<br />

Fußballspiel gehen können und glücklich sind.“<br />

Ich denke, dass es die Entscheidung des Patienten ist,<br />

wenn er glücklich ist und leben will. Wenn er jedoch sagt:<br />

„Ich möchte nicht leben, ich möchte diese Art von Leben<br />

nicht haben“, dann ist das auch seine Entscheidung. Sobald<br />

der Patient erwachsen ist, kann er sich dafür entscheiden,<br />

eine Betreuung nicht weiterzuführen. Die positive Haltung<br />

von <strong>Duchenne</strong>-Patienten beschämt einen selbst. Wie oft<br />

beklagen wir uns über viele Dinge, wo wir doch laufen<br />

können und alles tun können, was wir wollen. Diese Menschen<br />

können nur so wenig tun und sind trotzdem sehr zufrieden<br />

und glücklich.<br />

Vor 20 oder 30 Jahren gab es keine maschinelle Beatmung<br />

für <strong>Duchenne</strong>-Patienten. Jetzt gibt es sie und die<br />

Qualität ihres Lebens wurde dadurch erheblich verbessert.<br />

Es ist einfach gut, wenn man genug Luft zum Atmen hat.<br />

Es wurde nicht nur ihr Leben verlängert, sondern auch ihre<br />

Lebensqualität verbessert, und das ist eigentlich noch<br />

wichtiger.“<br />

Eine zukünftige <strong>Duchenne</strong>-Therapie für Sie oder Ihren Sohn hängt<br />

von Ihrer bzw. Ihres Sohns persönlicher Dystrophin-Mutation ab.<br />

Nachdem Sie diesen <strong>Bericht</strong> gelesen haben, werden viele<br />

von Ihnen – Familien mit <strong>Duchenne</strong>-Jungen oder auch Sie,<br />

die älteren <strong>Duchenne</strong>-Patienten selbst – mir schreiben und<br />

mich bitten, Ihnen persönlich zu erklären, welche Forschung<br />

zu einer möglichen Behandlung für Sie oder Ihren<br />

kranken Sohn führen könnte. Insbesondere werden Sie fragen,<br />

welches <strong>Exon</strong> oder welche <strong>Exon</strong>s geskippt werden<br />

sollten. Jedes Mal, wenn ich einen neuen <strong>Bericht</strong> an alle<br />

meine etwa 1.500 Adressen verschickt habe, die auf meinen<br />

deutschen, englischen und spanischen E-Mail-Listen<br />

stehen, erreichen mich Ihre E-Mails in großer Zahl von<br />

überall auf der Welt. Es sind meist die Mütter, die mir oft<br />

verzweifelte Briefe schreiben. Sie benötigen besondere<br />

Aufmerksamkeit und sind manchmal der Beginn einer langen<br />

persönlichen Korrespondenz.<br />

Ich werde Ihnen ziemlich sicher eine ausführliche Antwort<br />

auf Ihre Fragen geben können, wenn Sie mir das Ergebnis<br />

eines Gentests mitteilen, der mir sagt, welche genaue<br />

Mutation im Dystrophin-Gen Ihres Sohnes oder bei<br />

Ihnen selbst gefunden wurde, die möglichst mit der<br />

MLPA-Methode bestimmt wurde. Bitte lassen Sie mich<br />

auch Ihr Alter bzw. das Ihres Sohnes wissen und auch das<br />

Land und in oder in der Nähe welcher größeren Stadt Sie<br />

wohnen. Ich brauche nicht das Geburtsdatum und auch<br />

nicht ihre Adresse. Die E-Mail-Adresse genügt mir, um<br />

Ihnen zu schreiben, wenn etwas für Sie Wichtiges passiert.<br />

Nach meiner Antwort auf Ihren E-Mail-Brief werde ich<br />

Ihre wenigen Daten in meine persönliche <strong>Duchenne</strong>-Familienliste<br />

aufnehmen. Diese ist nach dem oder den <strong>Exon</strong>s<br />

geordnet, die geskippt werden müssen, oder auch nach<br />

dem Namen einer anderen Therapiemethode, die Ihnen<br />

möglicherweise helfen wird.<br />

Bitte verstehen Sie, dass diese persönliche Liste nichts<br />

mit den offiziellen <strong>Duchenne</strong>-Datenbanken zu tun hat, die<br />

es in vielen Ländern gibt. Diese sind sehr anspruchsvoll<br />

und enthalten viel mehr persönliche Daten als meine Liste.<br />

Meine Liste enthält nur ein Minimum an Daten, die ich<br />

brauche, um mit Ihnen in Kontakt zu bleiben. Ich erwarte<br />

aber von Ihnen, denen ich antworte, dass Sie sich bzw. Ihren<br />

Sohn in Ihrem nationalen DMD-Register registrieren<br />

lassen! Das deutsche <strong>Duchenne</strong>-Patientenregister erreichen<br />

Sie unter der Adresse www.treat-nmd.de.<br />

Wenn Sie ein <strong>Duchenne</strong>-Register in einem anderen<br />

Land finden möchten, gehen Sie auf die Homepage von<br />

TREAT-NMD www.treat-nmd.eu, klicken Sie auf<br />

Ressources und dann auf Global Patient Registries. Auf<br />

der linken Seite klicken Sie dann auf registries: patient<br />

information, danach auf national DMD registries. Dann<br />

müssen Sie das Land suchen und schließlich auf click to<br />

register klicken. Dort werden Sie Hinweise dazu finden,<br />

wie Sie sich bzw. Ihren Sohn registrieren lassen können.<br />

Außerdem gibt es dort sehr viele Informationen über das<br />

jeweilige nationale Register.<br />

Ich möchte noch erwähnen, dass ich einen deutschen<br />

naturwissenschaftlichen Doktortitel von der Universität<br />

Freiburg habe, Dr. rer. nat., ich bin also kein Arzt und darf<br />

deswegen keine medizinischen Ratschläge geben und kann<br />

auch keine gesetzliche Haftung für die Informationen<br />

übernehmen, die ich Ihnen in diesem <strong>Bericht</strong> oder in meinen<br />

Briefen gebe. Sie sollten daher immer einen Arzt oder<br />

medizinischen Genetiker bitten, meine Informationen zu<br />

überprüfen und zu bestätigen.<br />

24


Andere Wege der Forschung. In n diesem eersten<br />

Teil meines<br />

<strong>Bericht</strong>es habe ich Ihnen ausführlich die <strong>Exon</strong>-Skip-<br />

ping-Technik beschrieben und ihre Anwenddung<br />

als Therapie<br />

für <strong>Duchenne</strong> <strong>Muskeldystrophie</strong>. Sie wird jedoch nicht<br />

alle Patienten in naher Zukunft helfen können können. Das liegt<br />

daran, dass bei diesen Patienten entweder die Mutation<br />

nicht durch das Skippen eines oder mehrerer <strong>Exon</strong>s rep repariert<br />

werden kann oder dass es sich um eine so seltene MMu-<br />

tation handelt, dass das <strong>Skipping</strong>-Medikament<br />

Medikament dafür in der<br />

übersehbaren Zukunft nicht entwickelt werden erden kann kann.<br />

Gertjan van Ommen hatte dazu in seinem einem von mir<br />

aufgezeichneten Interview im April 2012 gesagt:<br />

„Es Es werden Therapien entwickelt für <strong>Duchenne</strong> <strong>Duchenne</strong>-Patien-<br />

ten unabhängig von ihren Mutationen. Ich erwähne davon<br />

hier nur zwei: Die Verbesserung der Myogenese, genese, des Mus-<br />

kelwachstums, wachstums, durch die Hemmung von Myostatin, oder<br />

der Ersatz von Dystrophin durch die Hochregulierung von<br />

Utrophin.<br />

Fibrose, das Entstehen von Bindegewebe ewebe dort, wo Mus-<br />

kelzellen zellen untergegangen sind, ist auch ein Grund für die<br />

Muskelschwäche. kelschwäche. Wenn man in einem <strong>Duchenne</strong> <strong>Duchenne</strong>-Patienten<br />

die Fibrose vermindern könnte, würde seine Krankheit<br />

wahrscheinlich der sehr milden der mdx-Maus Maus ähneln.<br />

Ich denke also, dass mehrere dieser pharmazeutischen<br />

Methoden die Muskelsymptome verbessern werden. Sie<br />

könnten allein oder in Kombination mit <strong>Exon</strong> <strong>Exon</strong>-<strong>Skipping</strong><br />

angewendet werden.“<br />

Im zweiten Teil dieses <strong>Bericht</strong>es, der in einigen Mona-<br />

ten fertig sein wird, werde ich diese wichtigsten anderen<br />

Verfahren beschreiben.<br />

Dies ist mein letzter <strong>Bericht</strong>. Leider muss ich Ihnen mi mitteilen,<br />

dass dies mein letzter <strong>Bericht</strong> sein wird. Ich bin jetzt<br />

82 Jahre alt und sollte nun wirklich jemanden finden, der<br />

meine Arbeit fortsetzt und Ihnen hnen und vielen anderen DDu-<br />

chenne-Familien Familien in der Welt erklärt, was die Forscher in<br />

vielen Laboratorien auf der Welt tun, , um Therapien und<br />

möglicherweise sogar eine Heilung für Ihre <strong>Duchenne</strong><br />

<strong>Muskeldystrophie</strong> oder die Ihres Sohnes zu entwickeln. Ich<br />

habe versucht, einen Nachfolger zu finden, bisher jedoch<br />

ohne Erfolg.<br />

(1) Li D, Yue Y, Duan D. Marginal level dystrophin eex<br />

pression improves clinical outcome in a strain of dystr dystrophin/utrophin<br />

double knockout mice. PLoS One 2010; 5;<br />

e15286<br />

(2) van Ommen GJ, van Deutekom JT, Aartsma Aartsma-Rus A.<br />

The therapeutic potential of antisense-mediated mediated exon ski skipping.<br />

Curr. Opin. Mol. Ther. 2008; 10; 140--149.<br />

(3) Sarepta Therapeutics Announces Significant Clinical<br />

Benefit With Eteplirsen After 36 Weeks in Phase IIb Study<br />

for the Treatment of <strong>Duchenne</strong> Muscular Dystrophy Dystrophy. News<br />

Release, 24 July 2012.<br />

Die Zukunft meiner <strong>Bericht</strong>e.<br />

Referenzen<br />

Wenn Sie ie also jemanden kennen, der fähig wäre, meine<br />

<strong>Bericht</strong>e in ähnlicher Weise fortzuführen, wie ich es die<br />

vergangenen 12 Jahre getan habe, dann lassen Sie es mich<br />

bitte wissen. Er oder sie sollte die Krankheit <strong>Duchenne</strong><br />

und die <strong>Duchenne</strong>-Forschung Forschung kennen kennen, in Englisch und<br />

vielleicht in ein paar anderen Sprachen schreiben können können,<br />

und die <strong>Duchenne</strong>-Forscher Forscher persönlich kennenlernen und<br />

mit ihnen sprechen wollen. Außerdem sollte meine Nach-<br />

folgerin rin oder mein Nachfolger viel Zeit haben, dies alles<br />

zu tun und möglichst nicht auf eine Bezahlung ange angewiesen<br />

sein.<br />

Bis jemand anderes meine <strong>Bericht</strong>e fortsetzt fortsetzt, werde ich<br />

wahrscheinlich hin und wieder kurze <strong>Bericht</strong>e schreiben,<br />

wenn etwas Wichtiges passiert. ssiert. Vielleicht werde ich auch<br />

einfach diesen <strong>Bericht</strong> ab und zu aktualisieren. Auf jeden<br />

Fall werde ich weiterhin alle EE-Mails,<br />

die mich aus der<br />

ganzen Welt mit oft verzweifelten Fragen über diese<br />

schreckliche Krankheit erreichen, so gut ich kann beantworten,<br />

, nicht immer gleich, aber so schnell wie möglich.<br />

Ich bedanke mich bei allen, die mir geholfen haben, diese<br />

<strong>Bericht</strong>e zu schreiben, vor allem Annemieke Aartsma-<br />

Rus und Gertjan van n Ommen von der Universität Lei-<br />

den, Pat Furlong von PPMD PPMD, Kate Bushby von TREAT-<br />

NMD und bei den vielen anderen Wissenschaft<br />

Wissenschaftlern, über<br />

deren Arbeit ich berichtet habe und die sichergestellt hha<br />

ben, dass ich nicht zu viele Fehler gemacht habe.<br />

Auf Wiedersehen an alle!<br />

Dr. rer.nat. Guenter Scheuerbrandt<br />

Im Talgrund 2, 79874 Breitnau<br />

e-mail: gscheuerbrandt@t-online.de online.de,<br />

Internet: www.duchenne-information.eu<br />

information.eu<br />

8. <strong>März</strong> <strong>2013</strong><br />

(4) Aartsma-Rus Rus A, van Deutekom JCT, van Ommen GJB,<br />

den Dunnen JT. Entries in the Leiden <strong>Duchenne</strong> muscular<br />

dystrophy mutation database: An overview of mutation<br />

types and paradoxical aradoxical cases that conform the reading readingframe<br />

rule. Muscle & Nerve 2006; 34; 135 135-144.<br />

(5) Aartsma-Rus Rus A, et al. and van Deutekom J, van<br />

Ommen G-J, J, den Dunnen JT. Theoretic applicability of<br />

antisense-mediated mediated exon skipping for <strong>Duchenne</strong> muscular<br />

dystrophy mutations; Human Mutation 2009; 30; 293 293-299.<br />

25


(6) Van Deutekom JC, et al. and van Ommen GJB. Local<br />

dystrophin restoration with antisense oligonucleotide<br />

PRO051. N Engl J Med 2007; 357; 2677-86. Hoffman, EP.<br />

<strong>Skipping</strong> toward personalized molecular medicine. N Engl<br />

J Med 2007; 357; 2719-22.<br />

(7) Goemans NM, Tulinius M, et al. and van Deutekom<br />

JC. Systemic administration of PRO051 in <strong>Duchenne</strong>’s<br />

muscular dystrophy. N Enbg J Med 2011; 364; 1513-22.<br />

(8) Kinali M, Arechavala-Gomeza V, et al. and Bushby K<br />

and Muntoni F. Local restoration of dystrophin expression<br />

with the morpholino oligomer AVI-4658 in <strong>Duchenne</strong><br />

muscular dystrophy: a single-blind, placebo-controlled,<br />

dose-escalation, proof-of-concept study. The Lancet Neurology<br />

2009; 8; 918-928.<br />

(9) Cirak S, Arechavala-Gomeza V, et al. and Bushby K,<br />

Muntoni F. <strong>Exon</strong> skipping and dystrophin restoration in<br />

patients with <strong>Duchenne</strong> muscular dystrophy after systemic<br />

phosphorodiamidate morpholino oligomer treatment: an<br />

open-label, phase 2, dose escalation study. Lancet 2011;<br />

378; 595-605.<br />

(10) Sarepta Therapeutics announces a continued benefit<br />

on walking test through 62 weeks in phase IIb open-label<br />

extension study of Eteplirsen in <strong>Duchenne</strong> muscular dystrophy.<br />

News Release, 7 December 2012.<br />

(11) Mendell JR, et al. and Weiss RB. Evidence-based<br />

path to newborn screening for <strong>Duchenne</strong> muscular dystrophy.<br />

Ann Neurol 2012; 71; 304-313.<br />

(12) Scheuerbrandt G, Lundin A, Lövgren T, Mortier W.<br />

Screening for <strong>Duchenne</strong> muscular dystrophy: An improved<br />

screening test for creatine kinase and its application in an<br />

infant screening program. Muscle & Nerve, 1986; 9;11-23.<br />

(13) Goyenvalle, A, et al. and García L: Rescue of dystrophic<br />

muscle through U7 snRNA-mediated exon skipping.<br />

Science, 2004, 306, 1796-1799.<br />

(14) Vulin A, et al, and Goyenvalle A, García L: Muscular<br />

function recovery in golden retriever muscular dystrophy<br />

after AAV1-U7 exon skipping, Molecular Therapy, 2012,<br />

20, 2120-2133.<br />

Aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt von:<br />

Ralph Scheuerbrandt<br />

Dipl.-Übersetzer für Deutsch, Englisch, Spanisch<br />

Dorfstr. 2, 79874 Breitnau<br />

(15) Goyenvalle A, et al. and García L, Davies K.E.: Rescue<br />

of severely affected dystrophin/utrophin-deficient<br />

mice through scAAV-U7snRNA-mediated exon skipping,<br />

Hum. Mol. Genetics, 2012, 21, 2559-2571.<br />

(16) Goyenvalle A, et al. and Garcia L, Davies KE. “Engineering<br />

multiple U7snRNA constructs to induce single and<br />

multiexon-skipping for <strong>Duchenne</strong> muscular dystrophy”.<br />

Mol Ther 2012; 20;1212-21.<br />

(17) Béroud C, Matsuo M, et al. Multiexon skipping leading<br />

to an artificial DMD protein lacking amino acids from<br />

exons 45 through 55 could rescue up to 63% of patients<br />

with <strong>Duchenne</strong> muscular dystrophy. Human Mutation<br />

2007; 28; 196-202.<br />

(18) Van Vliet L, et al. and van Deutekom JCT, van Ommen<br />

G-JB, Aartsma-Rus A. Assessment of the feasibility<br />

of exon 45-55 multiexon skipping for <strong>Duchenne</strong> muscular<br />

dystrophy. BMC Medical Genetics 2008; 9; 105<br />

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