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<strong>Kleines</strong> <strong>Jubiläum</strong><br />
Es war Anfang 2003, als wir dieses<br />
Magazin, damals noch unter dem<br />
Namen Essener <strong>Revue</strong>, übernahmen.<br />
Von Anfang an haben wir über<br />
Essen hinaus in das gesamte <strong>Ruhr</strong>gebiet<br />
geblickt. Gleich die erste Ausgabe (siehe<br />
Abbildung) enthielt zum Beispiel eine<br />
große Fotostrecke über das damals neue<br />
Konzerthaus Dortmund.<br />
So hat das Magazin im Laufe der<br />
Jahre immer mehr Freunde in einer Metropolenregion<br />
gefunden, der wir mit der<br />
Schönheit unserer liebevoll gestalteten<br />
Seiten mit jeder neuen Ausgabe ein kleines<br />
Denkmal gesetzt haben. Für uns<br />
war es deshalb nur folgerichtig, dass das<br />
<strong>Ruhr</strong>gebiet zur Kulturhauptstadt Europas<br />
2010 gekürt wurde. Schließlich haben<br />
wir unseren Beitrag dazu geleistet.<br />
Und wir leisten ihn weiter und mit<br />
Begeisterung – seit nunmehr einem Jahr<br />
unter dem Inhalt wie Verbreitung des<br />
Magazins wesentlich angemesseneren<br />
Titel RUHR REVUE und dem Untertitel<br />
KULTURHAUPTSTADTMAGAZIN.<br />
Im Augenblick, und nicht nur, weil<br />
Weihnachten bevorsteht, halten wir aber<br />
einmal kurz inne zum Staunen, dass wir<br />
tatsächlich schon fünf Jahre mit diesem<br />
Verlag unterwegs sind, und das in einer<br />
Zeit nie gekannten, eisigen Wettbewerbs<br />
— Haben Sie schon ein Abonnement<br />
der RUHR REVUE? Wenn<br />
nicht: Es kostet nur 16 Euro im<br />
Jahr – inklusive Zustellung. Einen<br />
Bestellschein zum Heraustrennen<br />
finden Sie auf Seite 97.<br />
im Leser- und Anzeigenmarkt. Vielleicht<br />
ist die Wärme des Gefühls für unsere<br />
Heimatregion, die kritische Liebe zu ihr,<br />
die viele Leser in unseren Heften empfinden<br />
und schätzen, der Grund dafür, dass<br />
das so ist. Jedenfalls reiben wir uns derzeit<br />
die Augen wie die Kinder unter dem<br />
Weihnachtsbaum und stellen fest, dass<br />
wir ein kleines <strong>Jubiläum</strong> haben und mit<br />
diesem <strong>Jubiläum</strong>, diesen fünf Jahren, inzwischen<br />
mehr als ein Zehntel der langen<br />
Geschichte von Deutschlands ältestem<br />
— Eine schöne Idee, besonders zu<br />
Weihnachten: ein Geschenk-Abo<br />
der RUHR REVUE – für nahe<br />
Freunde, ferne Verwandte und alle,<br />
die gute Lektüre schätzen. Rufen<br />
Sie an: 0201-879 57 57.<br />
— Titelthema von Heft 1/2003 war<br />
die frisch renovierte Essener Lichtburg.<br />
Aber schon damals blickten wir ins<br />
ganze <strong>Ruhr</strong>gebiet.<br />
— Diesen schönen „Kulturbeutel“<br />
aus Textil schenken wir allen, die<br />
einen neuen Abonnenten oder<br />
eine Abonnentin für uns werben.<br />
Kultivierter kann man an der <strong>Ruhr</strong><br />
nicht Geschenke kaufen gehen.<br />
WILLKOMMEN<br />
regionalen Kulturmagazin bestreiten.<br />
Denn 2010, wenn das <strong>Ruhr</strong>gebiet Kulturhauptstadt<br />
Europas ist, hat diese Zeitschrift<br />
ein halbes Jahrhundert hinter sich.<br />
Wir wünschen Ihnen ein heiteres Weihnachtsfest,<br />
Gesundheit und ein frohes<br />
Herz für das neue Jahr. Katholikin, die<br />
ich bin, mag ich auch gern noch Gottes<br />
Segen dazu wünschen.<br />
Ihre<br />
Dr. Dagmar Gaßdorf und Team<br />
— Alles Wissenswerte über die<br />
RUHR REVUE erfahren Sie unter<br />
www.ruhr-revue.com. Online<br />
abonnieren, Anzeigen aufgeben,<br />
Leserbriefe schreiben? Bitte sehr:<br />
www.ruhr-revue.com<br />
Diese Ausgabe enthält eine Beilage vom Unperfekthaus, ein Teil auch Beilagen vom Jagdhaus Schellenberg und kook-Erlebniskochen.<br />
<strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> | 3
INHALT<br />
16<br />
<strong>Kleines</strong> <strong>Jubiläum</strong> 3<br />
<strong>Revue</strong> 8<br />
Leserbriefe 12<br />
2010 Aktuell 13<br />
Wir Himmelsstürmer 14<br />
Glosse von Jörg Bartel<br />
Neues von Fritz & Olli 15<br />
Cartoon von Nel<br />
24 38<br />
70<br />
Auf den Punkt gebracht 16<br />
Die elementare Malerei des Kuno Gonschior<br />
Olbrichts Kunstzirkus Nr. 1 22<br />
Schmucke Stücke 24<br />
Zu Besuch bei Jung-Designern an der <strong>Ruhr</strong><br />
Wanderer vom Niederrhein 36<br />
Rüdiger Oppers, neuer NRZ-Chefredakteur<br />
Bochum Spezial 38<br />
Im Land der Wollgrenze 52<br />
Das <strong>Ruhr</strong>gebiet und seine Sprachen<br />
8 13 10 15 14 22 18 36 30 52 44<br />
60<br />
Der Impresario von Zollverein 56<br />
Claudius Tanski<br />
Die Thyssens 60<br />
Stahlfamilie mit Hang zum Adel<br />
Lebensthema Farbe 70<br />
Neuer Schmuck für alte Häuser<br />
Essen am Kamin 78<br />
Kulinarische Streifzüge mit Rainer Giesen<br />
Zwischen den Jahren 85<br />
Dr. Försters Gesundheitskolumne<br />
46 56 78 52 85 70 80 86 90 88 98 99<br />
90<br />
INHALT<br />
Gesundheit 86<br />
Neues aus der Medizin-Hochburg<br />
Wir wollen es wissen 88<br />
Academic Data befragt Leser<br />
Quo vadis? 90<br />
Ereignisse im <strong>Ruhr</strong>gebiet<br />
Abo-Bestellschein 97<br />
So dankbar 98<br />
In eigener Sache<br />
Impressum · Bildnachweis
mega-in<br />
2.000 Quadratmeter groß war das Megaposter, das<br />
jüngst am Gasometer Oberhausen für die WAZ warb.<br />
Es machte augenfällig, was es heißt, Medien für den<br />
größten Ballungsraum Europas zu machen, allen<br />
voran Deutschlands größte Regionalzeitung. Die<br />
WAZ hat wie kein anderes Medium dem <strong>Ruhr</strong>gebiet<br />
eine selbstbewusste Identität gegeben. Und der<br />
Konzern, der ihren Namen trägt, ist das mediale<br />
Zentrum der Kulturhauptstadt Europas 2010.<br />
Foto: Matthias Duschner commedia
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REVUE<br />
Kurz vor seinem 70. Geburtstag hat sich Bodo<br />
Harenberg aus dem Geschäftsleben zurückgezogen.<br />
Der Verleger und Kunstförderer wird<br />
aber allein schon durch das spektakuläre Harenberg<br />
City Center in Dortmund unvergessen bleiben.<br />
Mit dem höchsten Haus der Stadt hat er<br />
dem <strong>Ruhr</strong>gebiet zugleich einen Tempel für Kunst<br />
und Kultur geschenkt. Wir erinnern an unser<br />
Porträt in der Ausgabe 4/04, die Sie unter Telefon<br />
0201-879 57 57 bestellen können.<br />
• • • • • • • • • •<br />
So sieht der komplette LUEG-Vorstand aus: (von links) Olaf Réum, Thomas Holtgräfe und Karl Neuhaus.<br />
Neue Namen gibt es bei der LUEG-Gruppe in Bochum. Bereits Anfang<br />
September hat Thomas Holtgräfe (47) Alexander von<br />
Gizycki als Vorstandschef der AG abgelöst. Anfang November kam<br />
Olaf Réum (43) für die van Eupen Gruppe in den Vorstand und Karl<br />
Neuhaus (56) für die Ressorts Finanzen und Personal. Den größten<br />
LUEG-Standort in Essen leitet bereits seit Anfang Oktober Holger<br />
Birr (41). Der bisherige Center-Leiter Martin Carl ist nun Leiter des<br />
LUEG-Centers Bochum.<br />
• • • • • • • • • •<br />
Das Wallberg-Restaurant in der Philharmonie<br />
Essen hat seit dem Sommer einen neuen Direktor:<br />
Björn Schindler hat die Aufgaben von Veit<br />
G. Reisberger übernommen. Der gebürtige Bonner<br />
ist ein absoluter Fachmann: Bisher leitete der<br />
35-Jährige als Direktor Catering`s Best die Eventcatering-Sparte<br />
des 5-Sterne-Hotels InterContinental<br />
in Frankfurt am Main.<br />
• • • • • • • • • •<br />
Seit dem 1. November hat die<br />
Allbau AG in Essen mit Dirk<br />
Miklikowski (43) einen<br />
neuen Vorstandsvorsitzenden.<br />
Sein Vorgänger Dr. Dietrich<br />
Goldmann wird künftig die<br />
Interessen des Allbau im Kuratorium<br />
der Allbau Stiftung<br />
vertreten und damit eine<br />
wichtige kulturelle Aufgabe<br />
übernehmen.<br />
Stabwechsel bei Allbau:<br />
Dr. Dietrich Goldmann (links)<br />
mit seinem Nachfolger<br />
Dirk Miklikowski<br />
Den CDU-Wirtschaftsrat zu Gast hatte die Gebr. Eickhoff Maschinenfabrik<br />
und Eisengießerei in Bochum. Der Betriebsrundgang<br />
zeigte ein <strong>Ruhr</strong>-Unternehmen zum Staunen: die Gießerei, die Bergbautechnik<br />
(Exportquote 95 Prozent), die auf Kokereimaschinen und<br />
Schienenfahrzeuge spezialisierte Schalker Eisenhütte Maschinenfabrik<br />
und schließlich die Eickhoff Maschinenfabrik, einen der führenden Lieferanten<br />
von geräuscharmen Windkraftgetrieben. Das Unternehmen,<br />
1864 als Gießerei gestartet, hat sich nach Kohle- und Stahlkrise gesundgeschrumpft<br />
– zur Risikostreuung in Form von vier GmbHs. Zur<br />
Zeit entsteht bei Dresden ein neues Werk, das ebenfalls Getriebe für<br />
Windkraftanlagen produzieren soll.<br />
PS-starkes Vergnügen für Freunde<br />
des Automobils: Die Essen Motor<br />
Show startet zum 40. Mal.<br />
Den Gedanken an<br />
steigende Sprit-Preise<br />
am besten mal ganz<br />
weit weg schieben,<br />
liebe Auto-Narren!<br />
Denn am 9. Dezember<br />
startet in der<br />
Messe Essen wieder die „Essen Motor Show“ – auf 100.000 Quadratmetern!<br />
Zum 40. Mal geht die Weltmesse für Automobile, Tuning,<br />
Motorsport und Classics über die Bühne. Glückwunsch! Das Foto zeigt<br />
zwei Audi-Werkspiloten, die in der DTM und bei den 24 Stunden von<br />
Le Mans erfolgreich waren.<br />
Nicht verschollen, nur vorübergehend<br />
untergetaucht ist das<br />
Kindermuseum Atlantis in<br />
Duisburg. Am 4. November<br />
hat es seine Pforten am Duisburger<br />
Innenhafen geschlossen<br />
– um hoffentlich im Frühjahr<br />
2008 in Duisburg oder einer<br />
benachbarten Stadt wiederzueröffnen.<br />
„Wir sind jetzt dabei,<br />
die Exponate in unser Außenlager<br />
zu transportieren und nutzen<br />
die Zeit, sie zu überholen“,<br />
so Philine Gerlach vom Museum.<br />
Das neue Zuhause soll<br />
unter anderem mehr Raum<br />
bieten für das Mitmach-Labor<br />
• • • • • • • • • •<br />
• • • • • • • • • •<br />
Silvester? Nein. Das Feuerwerk, das<br />
den krönenden Abschluss der Eröffnungsparty<br />
für die 58. Essener Lichtwochen<br />
auf dem Essener Kennedyplatz<br />
bildete. Noch bis zum 5. Januar<br />
heißt es in der Essener City „Europa in<br />
Essen“, und diesmal widmet sich das<br />
von Essen Marketing GmbH organisierte<br />
Lichtfestival Norwegen.<br />
• • • • • • • • • •<br />
In den letzten Wochen wurde im Wehrhahnspeicher<br />
geschraubt, abgebaut und in Kisten verpackt.<br />
und Wechselausstellungen. Im alten Wehrhahnspeicher vollzieht sich<br />
ein fliegender Wechsel: Hier zieht nun ein Legoland-Discovery-Center<br />
ein. Sie wollen mehr lesen über das Kindermuseum? Dann rufen Sie<br />
an und bestellen Sie unsere Ausgabe 2/07. (Tel. 0201-879 57 57).<br />
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Künstlerische Experimente ohne Erfolgsgarantie und ohne Gegenleistung<br />
sind im Unperfekthaus in Essen möglich. Für seinen mäzenatischen<br />
Ansatz hat die Kulturpolitische Gesellschaft Berlin dem Gründerzentrum<br />
Ende November den mit 2.000 Euro dotierten Kulturpreis<br />
verliehen.<br />
• • • • • • • • • •<br />
Der von Regionalverband <strong>Ruhr</strong> und Literaturbüro <strong>Ruhr</strong> vergebene<br />
Literaturpreis <strong>Ruhr</strong> 2007 ging diesmal an zwei Autoren, Vater und<br />
Tochter: Der in Duisburg geborene Schriftsteller Nicolas Born erhielt<br />
posthum den mit 10.000 Euro dotierten Hauptpreis für sein Gesamtwerk,<br />
Katharina Born bekam die Auszeichnung für ihre editorische<br />
und essayistische Leistung bei der Herausgabe der Gedichte und Briefe<br />
ihres Vaters. Förderpreise gingen an Brigitte Werner (Bochum) und<br />
Christina Müller-Gutowski (Düsseldorf).<br />
• • • • • • • • • •<br />
Diesem Mann<br />
hört man gerne<br />
zu: Prof. Dr. Dr.<br />
Bert Rürup,<br />
bekannt als Chef<br />
der „Wirtschaftsweisen“,<br />
auf deren<br />
Urteil Kanzler<br />
beiderlei Geschlechts<br />
zu hören<br />
gut beraten sind,<br />
schlug eine Tausendschaft<br />
von<br />
Zuhörern in der<br />
Philharmonie<br />
Essen durch ebenso<br />
Geistreiches<br />
wie Erhellendes<br />
zur Wirtschaft der Nation komplett in seinen Bann. So geschehen<br />
beim Börsenforum der National-Bank, erstmals unter der Leitung<br />
des neuen Vorstandschefs Thomas A. Lange. Rürup ist übrigens<br />
Essener Junge und einer der ganz wenigen Menschen, deren lange<br />
Reden nicht die Stühle, sondern die Herzen bewegen.<br />
• • • • • • • • • •<br />
Über den 12. Künstlerinnenpreis des Landes NRW im Bereich<br />
Theaterregie freuen sich Katja Lauken (Hauptpreis) und Carolin Mader<br />
(Förderpreis). Im Rahmen der Preisverleihung am 10. November im<br />
Theater Oberhausen feierte John Osbornes „Blick zurück im Zorn“<br />
unter der „ausgezeichneten“ Regie von Katja Lauken Premiere.<br />
• • • • • • • • • •<br />
Bei nass-kaltem Novemberwetter konnten es sich kleine Kino-Fans<br />
in den Lichtspielhäusern der Region so richtig gemütlich machen.<br />
Auf dem Programm der 24. Kinderfilmtage im <strong>Ruhr</strong>gebiet standen<br />
18 Filme – von „Pippi Langstrumpf“ in Oberhausen, „Die kleine<br />
Hexe“ in Mülheim bis „Schweinchen Wilbur“ in Essen. Für die achtköpfige<br />
Kinderjury hingegen bedeutete das „Glotzen“ harte Arbeit<br />
und heiße Diskussionen: Sie hatte erstmals die „Emmi“ für den besten<br />
deutschen Kinderfilm zu vergeben. Unter donnerndem Applaus<br />
(„bis der Balkon abstürzt“) nahm Produzentin Uschi Reich bei der<br />
Abschlussveranstaltung in der Essener Lichtburg den Preis für „Die<br />
wilden Hühner und die Liebe“ entgegen. Den „Emo“ für den besten<br />
..<br />
Kinderdarsteller verlieh eine bereits erwachsene Jury Zoe Mannhardt<br />
für ihre Rolle in „Hände weg von Mississippi“. Für das geduldige<br />
Publikum gab es zur Belohnung Zauberei und die Vorpremiere des<br />
wunderbar poetischen Familienfilms „Der Fuchs und das Mädchen“<br />
von Luc Jacquet.<br />
Großer Bahnhof für<br />
den Ernst Schneider<br />
Preis der deutschen<br />
IHKn, 2006 vergeben<br />
in Essen, diesmal im<br />
Haus des Rundfunks<br />
in Berlin. Die besten<br />
Wirtschaftsbeiträge aus<br />
Fernsehen, Rundfunk<br />
und Zeitungen, ausgewählt<br />
aus 600 Wettbewerbsbeiträgen,wurden<br />
mit insgesamt<br />
60.000 Euro ausgezeichnet. Aus unserer Region räumte diesmal der<br />
WDR richtig gut ab. Die Moderation lag bei Tom Buhrow. Das Foto<br />
zeigt das begehrte Preissymbol, hier übergeben von Ernst Schneider<br />
Preis-Vorstandsmitglied Dr. Dagmar Gaßdorf an einen der Preisträger,<br />
Ronny Gert Bürckholdt von der Badischen Zeitung.<br />
• • • • • • • • • •<br />
Ein Viergenerationen-Foto gelang uns bei der Verabschiedung von<br />
Klaus Beckmann, Hauptgeschäftsführer der IHK Essen, Mülheim,<br />
Oberhausen: In einer Reihe sind hier Beckmanns Vorgänger Dr.<br />
Werner Thoma und Rolf H. Nienaber zu sehen, dann Klaus Beckmann<br />
selbst und schließlich der neue Mann im Amt: Dr. Gerald<br />
Püchel, zur Zeit noch IHK Köln.<br />
• • • • • • • • • •<br />
REVUE<br />
Im Oktober haben im<br />
<strong>Ruhr</strong>gebiet gleich zwei<br />
neue Mayersche<br />
Buchhandlungen<br />
eröffnet. In Bottrop<br />
und in Essen-Rüttenscheid<br />
gibt es auf rund<br />
400 Quadratmetern<br />
eine Auswahl aus circa<br />
25.000 verschiedenen<br />
Titeln – das sind rund<br />
75.000 Warenstücke –<br />
vom Sachbuch bis zum<br />
Roman, von Kinderund<br />
Jugendliteratur bis<br />
zum Reiseführer, von Hörbüchern bis zur DVD. Zudem lädt die Mayersche<br />
in ihren neuen Filialen zum Verweilen ein: Hörbücher können<br />
über Kopfhörer gehört werden, und in der Leselounge kann man sich<br />
gemütlich für ein Buch entscheiden. 190 Jahre alt ist das Traditionsunternehmen<br />
Mayersche und denkt gerade deshalb an die Zukunft –<br />
die Kinder. Für sie gibt es fantasievoll eingerichtete Kinderbereiche<br />
und ein besonders umfangreiches Leseangebot. Tipp: Falls Sie nicht<br />
Abonnent sind, sondern Einzelkäufer, können Sie die RUHR REVUE<br />
künftig auch in den neuen Filialen der Mayerschen erwerben.<br />
<strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> | 11
REVUE<br />
Ein bereits international bekannter Schriftsteller wird am 9. Dezember<br />
in Dortmund ausgezeichnet: Rafik Schami erhält den mit 15.000 Euro<br />
dotierten Nelly-Sachs-Preis. Der deutsch-syrische Schriftsteller setzt<br />
sich für ein wechselseitiges Verständnis und die Aussöhnung zwischen<br />
Israel und Palästina ein.<br />
12 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong><br />
• • • • • • • • • •<br />
Ein solcher Name<br />
sichert Aufmerksamkeit:<br />
Dr. Patrick<br />
Adenauer, Präsident<br />
der Familienunternehmer<br />
(früher ASU), ein<br />
Enkel des unvergessenenBundeskanzlers,<br />
war zu Gast<br />
beim traditionellen<br />
Jazz-Frühschoppen des Regionalkreises <strong>Ruhr</strong> der Vereinigung. Rund<br />
70 Familienunternehmer, dazu Gäste aus Politik, Wirtschaft und Kultur,<br />
trafen sich im Hause RST in Essen. Die Familienunternehmer wissen<br />
es; aber manche Gäste staunten nicht schlecht über die Zahlen,<br />
die Adenauer zur Bedeutung der Familienunternehmen für den Standort<br />
Deutschland präsentierte. Aber auch der gesellige Teil kam mit<br />
einem Trio um den bekannten Folkwang-Jazzprofessor Hufschmidt<br />
nicht zu kurz. „Das wiederholen wir im nächsten Jahr“, versprachen<br />
die Gastgeber Axel Witte und Dr. Markus Rohner von RST, im<br />
Bild links und rechts neben Dr. Patrick Adenauer.<br />
• • • • • • • • • •<br />
Interessante Termine gab es jüngst beim Verband Deutscher<br />
Unternehmerinnen: Im Oktober waren die VdU-Damen von Rhein<br />
und <strong>Ruhr</strong> zu Gast im Hause Grillo in Duisburg, wo sie von Gabriela<br />
Grillo, vielen noch bekannt als erfolgreiche Dressurreiterin, empfangen<br />
wurden. Frau Grillo, heute selbst erfolgreiche Unternehmerin in einem<br />
Hause, dessen großes Thema in seiner langen Geschichte „Zink“<br />
heißt, gewann die Unternehmerinnen mit einem sympathischen Vortrag<br />
über das Unternehmen mit der Grille im Wappen und durch ihr<br />
klares Bekenntnis zum Charme von Familienunternehmen.<br />
Im November folgte<br />
für die VdU-Frauen<br />
ein weiteres Highlight<br />
durch einen<br />
Besuch in der Konzernzentrale<br />
von<br />
Karstadt in Essen.<br />
Peter Wolf, Chef<br />
der Warenhaus-Sparte<br />
und Vorstandsmitglied<br />
bei der Mutter<br />
Arcandor (im Foto<br />
links mit Eva Kornblum,Landesvorsitzende<br />
VdU), gewährte<br />
den Unternehmerinnen,<br />
darunter auch<br />
Gäste aus den Niederlanden,<br />
Einblicke<br />
in den spannenden<br />
Markt der Warenhäuser.<br />
Auf unterhaltsame<br />
Weise,<br />
wie das Foto unten<br />
belegt.<br />
Leserbriefe<br />
Glückwunsch<br />
Herzlichen Glückwunsch zum Beitrag über Die Krupps.<br />
Er ist anschaulich und informativ, fair und ausgewogen,<br />
verschweigt aber nicht, wie so oft üblich, Schattenseiten<br />
der Familien- und Werksgeschichte.<br />
Siegfried Maruhn, Hattingen<br />
(WAZ-Chefredakteur i.R., d. Red.)<br />
• • • • • • • • • •<br />
Schön zu sehen<br />
Wie schön ist es, zu verfolgen, wie<br />
Gutes immer besser wird! Als Ur-<br />
Essener und Abonnent der ersten<br />
Stunde freue ich mich mittlerweile<br />
auf jede neue Ausgabe der <strong>Ruhr</strong><br />
<strong>Revue</strong>, die sich auf so angenehme<br />
Weise von dem sonst üblichen „Blätterwald“<br />
hervorhebt. Nicht nur, dass<br />
die Symbiose von Kultur, Wirtschaft und Lifestyle perfekt<br />
gelungen ist, auch die erfolgreich verlaufene Erweiterung<br />
auf unsere Region „Metropole <strong>Ruhr</strong>“ bietet hochinteressante<br />
Einblicke in unsere unmittelbare Nachbarschaft.<br />
Danke für den wunderbaren Artikel über Mülheim, hoffentlich<br />
folgt Ähnliches von den anderen Nachbarstädten.<br />
Besonderes Lob gebührt an dieser Stelle auch dem<br />
Autor des Beitrages über die Geschichte des Hauses<br />
Krupp. Hervorragend recherchiert, wurde diese umfangreiche<br />
Historie spannend und prägnant auf den Punkt<br />
gebracht. Schön zu sehen, dass ein zukunftsorientiertes<br />
Magazin auch die Vergangenheit nicht vernachlässigt.<br />
Die <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> ist übrigens das einzige Magazin, bei<br />
dem ich auch die Anzeigen interessiert lese. Während ich<br />
im Stern, Spiegel, etc. meist gelangweilt weiterblättere,<br />
erhalte ich hier doch oft überraschende Anregungen, da<br />
sie unseren persönlichen Lebensraum, unsere Nachbarschaft<br />
betreffen. Auch aus Ihrem Terminplaner „Quo<br />
vadis“ wurde schon manche gute Idee zur Freizeitgestaltung<br />
gewonnen. Bitte weiter so!!!<br />
Michael Grundmann, Essen<br />
• • • • • • • • • •<br />
Mit Begeisterung<br />
Ich habe die Rubriken „Gesund im Alter“ und „Wohnen<br />
im Alter“ mit Begeisterung gelesen. Vielleicht interessiert<br />
es Sie, dass es noch viele andere interessante Angebote<br />
für alte und demenzerkrankte Menschen gibt... Ich male<br />
in Seniorenhäusern, in der Geriatrie in Krankenhäusern<br />
sowie im eigenen Atelier vorrangig mit demenzerkrankten<br />
Menschen. Bei den Erfolgen, die beim Malen mit<br />
demenzkranken Menschen erzielt werden, sollte es so<br />
etwas in jeder Senioren-Einrichtung geben.<br />
Christiane Kutz, Datteln<br />
2010 Aktuell<br />
Jetzt haben sie reichlich zu tun bei<br />
„<strong>Ruhr</strong> 2010“, aber sie haben es ja<br />
nicht anders gewollt: Mehr als 1800<br />
Projektvorschläge für das Programm<br />
der Kulturhauptstadt sind<br />
eingegangen; knapp vor Ende der Bewerbungsfrist stapelten sich die<br />
Mappen und Modelle in den Räumen der 2010-Macher. Natürlich,<br />
2010-Geschäftsführer Oliver Scheytt hat das immer wieder gesagt,<br />
kann nur ein kleiner Teil der Vorschläge zentral verwirklicht werden.<br />
Viele könnten wohl noch in den städtischen Programmen für 2010<br />
berücksichtigt werden, aber es werde eben auch Absagen geben.<br />
Bleibt zu hoffen, dass erstens das „2010“-Team dem Publikum zwischendurch<br />
mal einen kleinen Einblick in die schwierige Arbeit der<br />
Auswahl geben wird – und dass zweitens, langfristig gesehen, keiner<br />
der Vorschläge ganz vergebens ersonnen wurde. Es gibt ja auch ein<br />
Kulturleben nach 2010...<br />
• • • • • • • • • •<br />
Große 2010-Projekte wird er damit nicht fördern<br />
können – trotzdem dürfte Fritz Pleitgen sich<br />
über die Verleihung des nicht dotierten „Kulturgroschens<br />
2007“ sehr gefreut haben. Der<br />
Groschen ist die höchste Auszeichnung des Deutschen<br />
Kulturrats für kulturelles und kulturpolitisches<br />
Engagement. „<strong>Ruhr</strong> 2010“-Geschäftsführer<br />
Pleitgen wird vor allem für kulturelles Engagement geehrt, das er als<br />
Intendant des WDR bewiesen hatte. Pleitgen befindet sich nun in<br />
bester Gesellschaft mit Preisträgern wie Daniel Barenboim, Johannes<br />
Rau (†) oder Karl Ganser.<br />
• • • • • • • • • •<br />
Mit einem Workshop auf Zollverein startete jetzt das 2010-Projekt<br />
„PROMETHIADE 2007-2010“. Die Stiftung Zollverein koordiniert<br />
dieses Projekt zusammen mit der „Istanbul Foundation for Culture<br />
and Arts“ und dem „Athens Festival“; in Theateraufführungen, Konzerten,<br />
Ausstellungen und Symposien wird der Prometheus-Mythos<br />
als Bestandteil der gesamteuropäischen Kulturgeschichte thematisiert.<br />
Zeche und Kokerei Zollverein als Spielorte finden sich in sehr ehrenwerter<br />
Gesellschaft mit der Kirche Hagia Irene, Istanbul, und dem antiken<br />
Theater von Epidaouros, Griechenland.<br />
MELEZ, das interkulturelle Festival,<br />
nimmt schon seit einiger<br />
Zeit als erstes der nachhaltig angelegten<br />
„<strong>Ruhr</strong> 2010“-Projekte<br />
sichtbar Gestalt an. Eine ganze<br />
Woche lang konnte man sich in<br />
Konzerthäusern und Kulturzen-<br />
tren Essens, Hernes und Bochums<br />
gerade davon überzeugen;<br />
den Höhepunkt bildete<br />
ein Fest in der Jahrhunderthalle.<br />
Da brachten zum Beispiel die<br />
Bochumer Symphoniker und<br />
200 Schulkinder ihre Version<br />
REVUE<br />
Insgesamt konnte man bislang der<br />
Ansicht sein, „<strong>Ruhr</strong> 2010“ habe<br />
sich in den letzten Monaten öffentlich<br />
allzu sehr mit Personalia beschäftigt,<br />
habe sich inhaltlich, was das<br />
Jahr 2010 angeht, zu selten und zu wenig in die Karten gucken lassen.<br />
Der Energieriese Eon hat nun mit einem Paukenschlag zwei<br />
ganz konkrete Projekte bekanntgegeben, die dem Jahr 2010 zweifellos<br />
Glanz verleihen werden: Eon sponsert die beiden ersten Ausstellungen<br />
im dann neu eröffneten Essener Museum Folkwang. Das<br />
Unternehmen bewegt sich dabei auf vertrauten Pfaden: „Mach das,<br />
was de am besten kannst“, sagte bei der Präsentation ein sichtlich<br />
gut gelaunter Achim Middelschulte, der auch dieses Kulturprojekt<br />
für Eon betreut. Die erste Ausstellung im Frühjahr 2010 wird sich aus<br />
gegebenem Anlass mit der Geschichte des Museums befassen und<br />
Folkwang 1933 auf dem Höhepunkt seiner glanzvollen Vorkriegs-Karriere<br />
zeigen. Dafür wird die damalige Sammlung in Teilen rekonstruiert;<br />
einige der nach 1933 in alle Welt verstreuten Werke kehren vorübergehend<br />
nach Essen zurück. Da der Ruhm des Folkwang-Museums<br />
1933 untrennbar mit seiner bald folgenden, schändlichen Demontage<br />
durch die Nazis verbunden ist, also einem heiklen Thema, hat Eon für<br />
dieses Engagement besonderes Lob verdient. Im Herbst 2010 folgt<br />
dann „Die Impressionisten in Paris. Bilder einer Metropole“ – kuratiert<br />
und konzipiert von François Cachin, der Chefin des Pariser Musée<br />
d’Orsay. Die noch geheime Wunschliste, mit der die Organisatoren<br />
derzeit in den Museen der Welt vorsprechen, ist lang; man darf im<br />
Ergebnis wohl mit achtzig – wie sagt man in solchen Fällen: „hochkarätigen“<br />
– Werken rechnen.<br />
Zur ersten gemeinsamen Sitzung trafen sich in Essen Mitglieder des<br />
illustren Kuratoriums der „<strong>Ruhr</strong> 2010“ – darunter Jutta Limbach,<br />
Präsidentin des Goethe-Instituts, Richard von Weizsäcker, Rita Süßmuth<br />
und Berthold Beitz. Ministerpräsident Jürgen Rüttgers wurde<br />
zum Vorsitzenden des Kuratoriums gewählt. Dass diese ehrwürdigen<br />
Häuptlinge sich in täglicher Arbeit für die Kulturhauptstadt 2010 verschleißen<br />
werden, ist kaum zu erwarten. Doch wenn sie ihre zahlreichen<br />
Verbindungen nutzen, um das Projekt zu fördern und allenthalben<br />
noch bekannter zu machen, ist dem Unternehmen zweifellos<br />
sehr geholfen.<br />
von Strawinskys „Petruschka“<br />
auf die Bühne, außerdem trat<br />
der türkische Popstar Ferhat<br />
Göçer auf, und „<strong>Ruhr</strong>pott Battle“<br />
vereinte Breakdancer aus<br />
Deutschland, Frankreich, Italien<br />
und den Niederlanden.<br />
• • • • • • • • • •<br />
Parallel zu dieser bühnenwirksamen<br />
Mischung brütete das<br />
MELEZ.07-Labor über grundsätzlichen<br />
interkulturellen Fragen,<br />
wurden zukunftsweisende<br />
Projekte und Initiativen aus<br />
NRW präsentiert.<br />
<strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> | 13
GLOSSE<br />
Wer sich keine Ziele setzt, der<br />
kommt nicht von der Stelle.<br />
Der Satz ist so wahr<br />
wie trocken Brot,<br />
und weil er wahr<br />
ist, kann man in<br />
letzter Zeit den<br />
Initiativkreis<br />
<strong>Ruhr</strong>gebiet nur<br />
ganz verschwommen<br />
erkennen:<br />
immer in Bewegung, ssrth!,<br />
immer ein bisschen verhuscht die famosen<br />
Damen und Herren.<br />
Allen vorneweg natürlich wieder<br />
Evonik-Chef Werner Müller. Der will,<br />
wie zu lesen war, künftig alle zehn Jahre<br />
ein Großereignis im <strong>Ruhr</strong>gebiet ausgerichtet<br />
wissen. Wo doch schon die Fußball-<br />
WM so gut geklappt hat und das Kulturhauptstadtjahr<br />
ins europäische Haus steht.<br />
2020, sagt er, könne dann die Weltausstellung<br />
kommen, wenn sie wolle,<br />
und dann, festhalten, die Olympischen<br />
Spiele 2028 oder 2032. Nun ist es zwar<br />
so, dass das <strong>Ruhr</strong>gebiet bereits amtierender<br />
Weltmeister im Olympia-Bewerben<br />
ist, aber das soll uns nicht schrecken.<br />
Vielleicht lag das unglückliche Scheitern<br />
immer daran, dass wir uns bisher nur für<br />
die Olympischen Sommerspiele beworben<br />
haben, und die Sommer, Herr, waren nie<br />
sehr groß an der <strong>Ruhr</strong>. Es lebe der Wintersport!<br />
Dass es hier keine Berge gibt,<br />
ist wahr, aber kein Gegenargument, hör<br />
ich schon die Düsseldorfer ätzen: „Ihr<br />
seid ja auch Kulturhauptstadt geworden!“<br />
Dabei, Hand aufs gold-silber-bronzene<br />
Herz, gäbe es in der Weite und Breite<br />
eine geeignetere Region zur Austragung<br />
von Rödeln und Schiefliegen? Fürs sausende<br />
Bergab und den Riesen-Slalom?<br />
Im <strong>Ruhr</strong>gebiet ist immer schon die Kurve<br />
die kürzeste Verbindung zwischen zwei<br />
Punkten gewesen. Und überhaupt: Könnte<br />
man den Strukturwandel vom schwarzen<br />
Kohlenpott zur schleiflackweiß designtenKreativwirtschaftsmetropolenhauptstadt<br />
der Welt besser präsentieren<br />
14 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong><br />
Wir Himmelsstürmer<br />
von Jörg Bartel<br />
als durch kunstschneevoll verschneite<br />
Halden? Wir zeigen ja auf Zollverein<br />
auch so ziemlich alles außer Kohle. Und<br />
die Alpin-Stadt Bottrop hat alles, was ein<br />
Skifahrer braucht, für den Trickski-Wettbewerb<br />
reicht die Halle locker.<br />
Ein Maskottchen muss man auch<br />
nicht lange suchen, und das wäre garantiert<br />
origineller als seine grenzdebilen<br />
Vorfahren von Izzy und Goleo bis zu<br />
Waldi und dem Eisberg Gliz. Wie wär‘s<br />
mit Knut? Früher, vor dem ganzen<br />
Strukturgewandel und als das Revier<br />
noch knallrot war, da hätten<br />
wir quasi im Reflex einen<br />
schwindsüchtigen kanadischen<br />
Schwarzbären genommen,<br />
mit Ring durch<br />
die Nase und Polka im Blut,<br />
jetzt ist da ein irre sympathischer<br />
bärenstarker Eisbär erste Wahl,<br />
den alle doll liebhaben. Mit regionaler<br />
Färbung natürlich:<br />
Es lebe unser Knutkowski!<br />
Und nachdem das<br />
geklärt wäre: Was<br />
machen wir 2040? Formel 1-<br />
Finale auf der A 40 zwischen<br />
Spaghettiknoten und Stau<br />
vor Dortmund-Kley oder<br />
die erste ganzjährige<br />
Love-Parade in Essen?<br />
Spätestens 2050 wär‘s<br />
dann Zeit für den<br />
Umzug des Münchner<br />
Oktoberfests nach Wanne-Eickel und<br />
2060 für den ersten bemannten Flug<br />
vom Mars nach Essen-Huttrop. Und<br />
zurück, klar.<br />
2070 feiern wir die Wiederinbetriebnahme<br />
der Rolltreppe am Essener Hauptbahnhof;<br />
2080 feiern wir groß Werner<br />
Müllers 134. Geburtstag und 2090, dass<br />
die Kulturhauptstadt a.D. Essen endlich<br />
wieder mehr als 100.000 Einwohner<br />
zählt und die Stadtrechte wieder hat. ●<br />
Jörg Bartel, geboren in Essen, ist seit 1991 Feuilletonchef<br />
der Neuen <strong>Ruhr</strong>/ Rhein Zeitung (NRZ). Als Autor der<br />
Kolumne „Kolumbus & Co“ amüsiert er allwöchentlich die<br />
Leser der NRZ am Sonntag. Seit Juni 2007 schreibt der<br />
Theodor-Wolff-Preisträger außerdem für die RUHR REVUE.<br />
Als Gastdozent lehrt Bartel an der Uni Duisburg/Essen. Er<br />
lebt mit Frau, zwei Kindern und zwei Katzen in Mülheim-<br />
Heimaterde und hat bislang drei Bücher vorgelegt: „Und<br />
träumt jetzt schön, verdammt noch mal!“ (Rohr Verlag,<br />
München 2006), „Auf die Katz’ gekommen“ (Kiepenheuer<br />
& Witsch, München 2002) und „Kinder, Katzen, Katastrophen“<br />
(dtv, München 2006).<br />
Wie Fritz & Olli sich vor 1.800 Weihnachtsgeschenken retten<br />
CARTOON<br />
<strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> | 15
KUNST<br />
Auf den Punkt<br />
gebracht<br />
Die elementare Malerei des Kuno Gonschior<br />
Die besten Bilder malt Kuno Gonschior in der Einsamkeit. Wie im Rausch expe-<br />
rimentiert er dann mit Pinsel, Farbe und Leinwand. Wie im Rausch fühlt sich der<br />
Betrachter seiner Arbeiten: schwarze, gelbe, rote, orange Farbkleckse flirren<br />
über die Leinwand – nebeneinander, übereinander, gegeneinander. Scheinbar<br />
wahllos und doch mit Bedacht gesetzt. Der Bochumer gehört zu den stillen Stars<br />
unter den zeitgenössischen Malern. Viel Lärm wird erst seit einigen Jahren um<br />
ihn gemacht: New York, Miami, Australien und Südkorea rufen nach seinen Bil-<br />
dern, die die Malerei auf den Punkt bringen.<br />
16 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong><br />
— Kuno Gonschior liebt das Experimentieren<br />
mit Farben. Er spielt mit<br />
Phänomenen der Wahrnehmung und<br />
überkommenen Sehgewohnheiten.<br />
KUNST<br />
<strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> | 17
KUNST<br />
— An bis zu zehn 1,50 mal 2 Meter großen Bildern malt Kuno Gonschior gleichzeitig. Den nötigen Platz dafür hat er in einer großen Halle in Hattingen gefunden.<br />
| Gegen die Einsamkeit<br />
Gonschior war Einzelkind und oft allein.<br />
Also malte er: „Schon als Dreijähriger<br />
konnte ich mich stundenlang mit Stift<br />
und Papier beschäftigen. Als ich älter<br />
wurde, fing ich an, alles Mögliche abzumalen,<br />
zum Beispiel Postkarten,“ erinnert<br />
sich der heute 72-Jährige und holt eine<br />
Schneelandschaft hervor: „Die habe ich<br />
mit etwa sieben Jahren gemalt.“ Wer das<br />
Bild mit Blicken durchwandert, kann fast<br />
das Knirschen des Schnees hören – und<br />
kaum glauben, dass ein kleiner Junge so<br />
realistisch gemalt haben kann. Wer mag<br />
es da dem Kunstlehrer verübeln, dass er<br />
18 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong><br />
die ersten Hausaufgaben des kleinen<br />
Kuno schlecht bewertete, weil er glaubte,<br />
jemand anderes hätte sie gemalt? Dabei<br />
gab es in Gonschiors Umfeld niemanden,<br />
der für besondere künstlerische Begabung<br />
bekannt gewesen wäre: „Erst als ich später<br />
aus dem Haus ging, fing meine Mutter<br />
an zu malen und brachte Beachtliches<br />
zustande.“<br />
Früh im Leben wusste Gonschior,<br />
was er wollte: sich ungestört der Malerei<br />
widmen und eine Familie gründen. „So<br />
suchte ich nach einem Beruf, der mir<br />
Spaß machen und mit dem ich später<br />
auch eine Familie ernähren könnte.“ Um<br />
Kunsterzieher zu werden, bewarb er sich<br />
an zwei Hochschulen. Von beiden bekam<br />
er eine Zusage. In einer Klasse, der auch<br />
Gerhard Richter angehörte, studierte er<br />
an der Kunstakademie in Düsseldorf bei<br />
K.O. Götz, einem der großen Informellen<br />
der ersten Stunde. „Mal wie Du willst!“,<br />
riet Götz seinem Studenten.<br />
| Vom Fleck weg<br />
Wie wollte Gonschior malen? „Ich wollte<br />
eine elementare Malerei. Das, was da auf<br />
dem Bild zu sehen ist, ist alles. Es verweist<br />
auf nichts, das außerhalb liegt. Alles<br />
das, was man sieht, das sieht man.“ Die<br />
— Tupfen für Tupfen trägt der Künstler wohlbedacht auf die Leinwand auf. So entsteht ein faszinierendes, flirrendes und klingendes Gewebe in mehreren Schichten.<br />
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KUNST<br />
— Wenn Kuno Gonschior malt, dann vergisst er die Welt um sich herum völlig. Stundenlang kann er sich in eine Art Rausch malen.<br />
<strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> | 19
KUNST<br />
Befreiung vom Gegenstand – das war<br />
nicht neu in der Malerei. „Ich machte<br />
Inventur: Was gibt es schon? Monochromie,<br />
Informel, strukturierte Flächen –<br />
und landete beim Fleck.“ So analytisch<br />
das auch klingt, seine Bilder sind nicht<br />
konzeptuell. Sie entstehen im Fluss.<br />
Tagelang mischt der Künstler Farben.<br />
Setzt dann die ersten Tupfen auf die<br />
Leinwand, spielt mit Simultankontrast,<br />
Komplementäreffekt, Nachbildern. Punkt<br />
20 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong><br />
— Die Bilder von Kuno Gonschior möchte man am liebsten berühren; so plastisch wirken die mit dicker Farbe aufgetragenen Tupfen. — Ja, man darf sie berühren: Die Acrylfarben sind dank einer speziellen Paste elastisch.<br />
für Punkt verdichtet sich die Arbeit in<br />
mehreren Schichten zu einem vernetzten,<br />
flirrenden, klingenden Gewebe, das bei<br />
jedem neuen Hinsehen neu sehen lässt.<br />
„Seit Jahren beschäftige ich mich mit Phänomenen<br />
der Wahrnehmung im Bereich<br />
der Farbe und Farbtheorie. Im Gegensatz<br />
zum Wissenschaftler hantiere ich mit diesem<br />
Material – ich greife, begreife, fühle<br />
und rieche es. Ich experimentiere damit<br />
und stelle meine Mittel in Frage, ebenso<br />
überkommene Ansichten, Sehgewohnheiten<br />
und Anwendungsweisen.“ Fast automatisch<br />
streckt der Betrachter seiner Bilder<br />
die Hand aus, möchte die mit dicker<br />
Paste aufgetragenen, so plastisch wirkenden<br />
Farb-Tupfen berühren: „Nur zu“,<br />
sagt der Künstler dann und verblüfft.<br />
Tatsächlich ist seine Kunst eine zum Anfassen:<br />
Eine ganz spezielle Paste, mit der<br />
er die Acrylfarben mischt und so elastisch<br />
macht, ermöglicht dies.<br />
| Weltvergessen<br />
Bis zu zehn 1,50 mal 2 Meter große Bilder<br />
entstehen in Gonschiors Atelier im<br />
Jahr. Sein Umfeld ist nicht luxuriös, auch<br />
wenn er sich das bei einem Bildpreis von<br />
inzwischen rund 60.000 Euro vielleicht<br />
leisten könnte. Er arbeitet in einer riesigen<br />
Halle in der Nähe von Hattingen.<br />
Den Platz braucht er, denn oftmals malt<br />
er an zehn Bildern gleichzeitig. „Ich<br />
spüre dann weder Kälte noch Wärme,<br />
weder Hunger noch Durst. Stundenlang<br />
kann ich mich in eine Art Rausch malen.“<br />
Über das Malen die Welt zu vergessen,<br />
war vor einigen Jahren nach einem Trauerfall<br />
erneut Gonschiors Rettung: „Um<br />
darüber hinweg zu kommen, habe ich<br />
mich tagsüber müde gemalt.“ Entstanden<br />
sind Bilder von faszinierender Farbigkeit<br />
und verblüffender Leichtigkeit. „Immer<br />
wenn es mir besonders schlecht ging“, so<br />
Gonschior, „habe ich die besten Bilder<br />
KUNST<br />
gemalt.“ Seine „10 Landschaften für<br />
Ulrike“ hat er nach Amerika verkauft,<br />
in New York ist er inzwischen bei einem<br />
bekannten Galeristen unter Vertrag, in<br />
Miami, Toronto und Australien hat er<br />
demnächst Ausstellungen und in unserer<br />
Region 2008 eine museale Präsentation<br />
großer Werkkomplexe in der Küppersmühle<br />
Duisburg. ● mg<br />
<strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> | 21
KUNST<br />
B(Bildende) Kunst hat mich schon immer<br />
bewegt im Kopf. Inzwischen ist die Beschäftigung<br />
mit diesem Kulturfeld zu<br />
einem festen Teil meines Lebens geworden.<br />
Die Reflexion mit alten Meistern<br />
tut gut. Die Auseinandersetzung mit den<br />
Künstlern und ihren Werken von heute<br />
ist mir aber wichtiger. Das frisst viel Energie,<br />
gibt aber zugleich neuen Supertreibstoff.<br />
Ist aber auch fast schon zu teuer geworden.<br />
Stellt sich die Frage, wie lange<br />
der Boom noch so anhält.<br />
Als neues Beiratsmitglied der RUHR<br />
REVUE möchte ich Wissen zur Kunst<br />
aus unserer Region vermitteln, aber auch<br />
regelmäßig über den Kunstzirkus in der<br />
Welt berichten, genauer: über „Contemporary<br />
Art“, Kunst der Gegenwart.<br />
Im Oktober wurde ich zur Frieze Art<br />
in London geladen. Diese Messe ist seit<br />
einigen Jahren der „Hot Spot“ der Kunstszene<br />
in Europa. Die Kunstmesse in Basel<br />
eher die alte, aber immer noch dominante<br />
Tante.<br />
— Klara Kristalova,<br />
Katastrofen (The Catastrophy), 2007<br />
Courtesy Galleri Magnus Karlsson, Stockholm<br />
22 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong><br />
Olbrichts<br />
Das „Who is Who“ der Kunst, die Schönen<br />
und die Reichen, waren nach London<br />
gekommen – und natürlich all die anderen,<br />
die meinen dazuzugehören. Wer also<br />
dorthin ging, war entweder ein reiner<br />
„Gucker“ oder wild entschlossen, sich<br />
auf höchstem Niveau demütigen zu lassen.<br />
Jetzt wollen Sie natürlich wissen<br />
warum …<br />
Wer etwas erwerben wollte und nicht<br />
schon eine „In-Größe“ war, musste dieses<br />
frustrierende Stakkato „Sorry, this work<br />
of art is already sold“ über sich ergehen<br />
lassen. Wer also mehr an Kunst interessiert<br />
war als an Masochismus, war gut<br />
beraten, seinen Qualitätsblick anderswo<br />
zu schulen. Er nutzte das reichhaltige<br />
Beiprogramm von Sonderveranstaltungen<br />
in Museen, Galerien und privaten Präsentationen<br />
und wurde reich belohnt.<br />
Den „Selbstmörder“ von Otto Dix<br />
(eine seltene Lithografie) suchte ich seit<br />
zwanzig Jahren; hier habe ich sie nun<br />
endlich entdeckt!<br />
Kunstzirkus<br />
Nr. 1<br />
Prof. Dr. Dr. Thomas Olbricht, von Profession<br />
Chemiker und Mediziner, besitzt<br />
eine der bedeutendsten Avantgarde-<br />
Kunstsammlungen der Welt. Ein Teil<br />
davon war in diesem Sommer im Museum<br />
Folkwang zu sehen (s. RUHR REVUE<br />
vom Juni 2007). Prof. Olbricht ist neu im<br />
Beirat der RUHR REVUE und wird uns<br />
von nun an regelmäßig aus seinem<br />
Kunstzirkus berichten.<br />
Trotz allem, nächstes Jahr wird mich<br />
die Frieze Art doch wieder nach London<br />
locken, vielleicht spiele ich dann den Masochisten.<br />
Aber bis dahin geht viel Zeit<br />
ins Land. In der nächsten Ausgabe werde<br />
ich Ihnen über den Kunstrummel in New<br />
York berichten. Noch verkaufen die großen<br />
Auktionshäuser Zeitgenössische Kunst<br />
wie geschnitten Brot. Ich bin gespannt,<br />
ob die (Kunst-)Blase dann schon ein<br />
wenig Luft lässt. ●<br />
— Banks Violett, Kill Yourself (Twin), 2006<br />
Courtesy of Collection Migros Museum für<br />
Gegenwartskunst, Zürich<br />
Deutschlands größter Filmpalast<br />
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TITEL<br />
24 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong><br />
— Unser Model Susanna arbeitet<br />
normalerweise für so bekannte Marken<br />
wie Reebok und Lancôme. Hier trägt<br />
sie eine Kette aus der Kollektion von<br />
„Zwei machen Schmuck“ in Essen.<br />
Schmucke Stücke<br />
Zu Besuch bei Jung-Designern an der <strong>Ruhr</strong><br />
Sie sind jung, kreativ und erfolgreich. Man findet sie fernab der Haupteinkaufs-<br />
straßen, weit weg vom Rummel des Weihnachtsgeschäfts. Sie arbeiten in der<br />
Garage der Eltern, zu Hause im stillen Kämmerlein oder schon im eigenen<br />
Atelier. Manuela Gravius und Martina Biederbeck waren im <strong>Ruhr</strong>gebiet unter-<br />
wegs auf der Suche nach außergewöhnlichem Schmuckdesign und haben einige<br />
„Juwelen“ aufgetan, von denen bestimmt noch zu hören sein wird.<br />
| Spitze<br />
In einem Holzschrank mitten in ihrem<br />
Wohnzimmer in Moers verbirgt Frauke<br />
Grundmann säuberlich aufgereiht ihre<br />
Arbeitsutensilien, Entwürfe und fertigen<br />
Schmuckstücke. Ganz frisch ist die 29-<br />
Jährige im Geschäft: Erst vor einem guten<br />
Jahr hat sie ihr Diplom als Schmuck-<br />
designerin an der Fachhochschule Wismar<br />
erworben. Erfrischend sind auch ihre<br />
Konzeptionen, die nicht unbedingt aus<br />
Gold und Silber bestehen: „Ich arbeite<br />
gern mit Plexiglas und Kunststoff, auch<br />
mit Wolle und Garn“, bekennt Grundmann<br />
und holt ein Stück von einem alten<br />
Häkeldeckchen hervor. „Meine Diplomar-<br />
TITEL<br />
beit habe ich zum Thema Spitze gemacht<br />
und Menschen befragt, was sie damit verbinden.<br />
Eine Freundin erinnerte sich an<br />
die Tischdecke ihrer Oma; dieses scheinbar<br />
kitschige Objekt habe ich dann in<br />
eine Brosche aus Plexiglas übersetzt.“<br />
Trotz des festen Materials erinnern<br />
die zart farbigen, transparenten Schmuckstücke<br />
an die feine, textile Handarbeit<br />
aus Großmutters Zeiten. Tragen werden<br />
diese Broschen allerdings, so hofft die<br />
Designerin, vor allem junge Menschen.<br />
Dazu der Clou: Jede Brosche kann in<br />
drei Teile gebrochen, jedes Element weiter<br />
gereicht werden. Der Schmuck wird<br />
so zum Bindeglied von Menschen, die<br />
sich nahe stehen. An Spitze erinnern<br />
auch die Halsketten aus Kunststoff in<br />
knalligen Farben, welche die Jungdesignerin<br />
zum nächsten Oktoberfest anbieten<br />
will – Entwürfe, mit denen sie sich für<br />
— Beim Ring vorne greift Frauke Grundmann das Thema Spitze auf, die Kette dahinter zeigt das Innenleben einer Perlenkette.<br />
Die Brosche rechts ist in der sogenannten „Blähtechnik“ entstanden, bei der Messing oder Silber zu einem Würfel zusammen gelötet<br />
und anschließend über ein Röhrchen mit Wassser gefüllt werden. Durch Erhitzen des Wassers bläht der Körper sich dann auf.<br />
<strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> | 25<br />
13
TITEL<br />
den Red Dot Award angemeldet hat.<br />
Wichtig ist Frauke Grundmann das Konzept<br />
hinter einem Entwurf, obwohl sie als<br />
gelernte Goldschmiedin auch das Handwerk<br />
bestens beherrscht. „Ich entwerfe<br />
lieber mit dem Zeichenprogramm am<br />
Computer als am Werktisch zu sitzen“,<br />
verrät sie. Verständlich, denn der Werk-<br />
26 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong><br />
— Frauke Grundmann aus Moers arbeitet<br />
gern mit Plexiglas, Kunststoff, Wolle und<br />
Garn. Mit den dreiteiligen Broschen oben<br />
nimmt sie am Red Dot-Award teil. Mit der<br />
gehäkelten Kette hatte sie in Berlin Erfolg.<br />
tisch steht noch in der Garage der Eltern,<br />
zwischen Umzugskisten und anderem<br />
Gerät. Dort werden Ringe und Ketten geschmiedet.<br />
Ein Entwurf zeigt das Innenleben<br />
einer Perlenkette: Die Perlen sind<br />
durch Ringe ersetzt, wodurch der Faden<br />
und seine Verknotung sichtbar werden.<br />
Auch auf Messen werden die Stücke bald<br />
„Mode beginnt auf der Haut“<br />
in einem der führenden Fachgeschäfte Deutschlands<br />
Mitten in Mülheim<br />
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zu sehen sein: „Da kann man gut auf sich<br />
aufmerksam machen.“ Denn leicht ist es<br />
nicht, in dieser Branche Fuß zu fassen.<br />
Besonders dann nicht, wenn man Unikate<br />
mit Sinn anbietet: „Mit Dingen, die einfach<br />
nur schön sind, könnte man sicher<br />
leichter Geld verdienen“, weiß Frauke<br />
Grundmann.<br />
| Verspielt<br />
Erst der zweite Weg hat das Designer-<br />
Duo Kirstin Jankowski und Julia Steinhoff<br />
zum beruflichen Glück geführt – nach<br />
Essen-Rüttenscheid. Dort führen die beiden<br />
seit 2001 ein kleines Schmuckatelier.<br />
Eigentlich hatten beide andere Pläne:<br />
„Ich habe zunächst ein paar Semester<br />
bredeneyer goldschmiede<br />
Kunstgeschichte und Pädagogik studiert,<br />
Julia hatte sich für Kommunikationsdesign<br />
beworben,“ erzählt Kirstin Jankowski.<br />
Doch sie bemerkten schnell, dass das<br />
nicht das Richtige für sie war und machten<br />
das, wozu sie schon immer Lust verspürt<br />
hatten: eine Ausbildung zur Goldund<br />
Silberschmiedin mit anschließendem<br />
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TITEL<br />
— Der Name ist Programm – „Zwei machen Schmuck“: Julia Steinhoff und Kirstin<br />
Jankowski aus Essen designen und fertigen originelle Kleinserien und exklusive<br />
Unikate, die angenehm zu tragen sind.<br />
Besuch der Fachschule für Gestaltung in<br />
Essen. Dort haben sie sich auch kennen<br />
gelernt: „Wir haben von Anfang an gemeinsam<br />
gestaltet und entworfen. Wir liegen<br />
auf einer Wellenlänge,“ so Steinhoff.<br />
Und wie sieht die aus? „Unser<br />
Schmuck ist handwerklich sehr gut ausgeführt<br />
und angenehm tragbar, hat aber<br />
<strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> | 27
TITEL<br />
— Häufig übersetzen Julia Steinhoff und Kirstin Jankowski Alltagsgegenstände in Schmuck. Links diente eine Tablettenverpackung als Vorbild.<br />
immer ein gewisses Etwas. Häufig übersetzen<br />
wir Alltagsgegenstände in<br />
Schmuck.“ Steinhoff holt einen Ring aus<br />
der Vitrine, mit dem man am liebsten<br />
gleich losspielen würde. Angelehnt ist<br />
er an die Geduldsspiele, die viele noch<br />
aus ihrer Kindheit kennen: Man muss<br />
ein kleines Kästchen solange drehen und<br />
wenden, bis jede Kugel in je ein Loch gekullert<br />
ist. Bei diesem Ring sind die Kugeln<br />
edle Perlen hinter Glas. Ein Spiel,<br />
das man immer dabei hat – am Finger.<br />
Das Herumspielen mit dem Ring also<br />
endlich legitimiert!<br />
Ideen für originellen Schmuck findet<br />
das Duo überall. Da wird ein alter Knopf<br />
zum Ring, eine Tablettenverpackung zur<br />
Inspiration für eine Brosche mit Bernsteinen<br />
in Pillenform. Schöne Sachen in<br />
einen neuen Kontext bringen – das führt<br />
zu originellen Kleinserien und exklusiven<br />
— Schlichtes Design, verspielter Hintergedanke: links ein modernes Amulett mit Glücksbringer, rechts der von einem Geduldsspiel abgeleitete Ring von oben<br />
— Ungewöhnliche Verschlüsse wie der „Schnörkelverschluss“ sind die Spezialität von Stephanie Dietrich und Barbara Szramek aus Bochum.<br />
Unikaten, zum Besonderen. Klare Formen<br />
und das Zusammenspiel von Materialien<br />
wie Edelstahl, Acrylglas und Filz mit<br />
klassischem Edelmetall und Edelsteinen<br />
ist typisch für die Preziosen von „Zwei<br />
machen Schmuck“ und zugleich Ausdruck<br />
der Persönlichkeiten: „Ich bin<br />
eigentlich eher die streng Geradlinige,<br />
Julia die Lieblichere,“ so Jankowski. Die<br />
Kombination von beidem scheint ihr<br />
Erfolgsrezept.<br />
| Moderne Nostalgie<br />
Noch ein Geheimtipp für Freunde ausgefallenen<br />
Schmucks ist das Atelier von<br />
Stephanie Dietrich und Barbara Szramek<br />
in der „Alten Timmer Schule“ in Bochum-Linden.<br />
Hinter einer monumentalen<br />
Backsteinfassade öffnet sich die<br />
Schatztruhe. Das helle Atelier atmet Nostalgie,<br />
mit zarten Blumenmustern auf Stoffen<br />
und der Auskleidung der Schmuckvitrinen.<br />
Ein paar antike Fundstücke<br />
vertragen sich gut mit dem geradlinigem<br />
Mobiliar. Eine Büste schmückt sich mit<br />
einer Blütenkette – nicht ganz so filigran<br />
wie „anno dazumal“, dafür erschwinglich.<br />
In den lichten Raum haben sich die<br />
beiden Gold- und Silberschmiedemeisterinnen,<br />
beide „staatlich geprüfte Gestalterinnen“,<br />
schon verliebt, als sie ihre Abschlusszeugnisse<br />
noch nicht hatten. Das<br />
war vor fünf Jahren. „Erst wollten wir<br />
ihn nur als Werkstatt“, erzählt Barbara<br />
Szramek. Nun finden sie die Kombination<br />
von Werkstatt und Verkaufsraum ideal.<br />
Barbara Szramek kommt mit staubigen<br />
Händen aus „unserem Chaos“: dem<br />
Werkstattarbeitsplatz mit allem, was dazu<br />
gehört – von der Walze bis zum Korb<br />
Hätten Sie’s gewusst?<br />
Der Goldschmied schmiedet nicht etwa<br />
nur Gold und der Silberschmied nur Silber.<br />
Der Goldschmied macht Schmuck,<br />
der Silberschmied dagegen zum Beispiel<br />
Schalen und Besteck. In der Ausbildung,<br />
die dreieinhalb Jahre dauert, lernt man in<br />
der Regel beides. Bei den Gold- und Silberschmieden<br />
ist selbst der Abfall noch<br />
wertvoll: Der feine Staub vom Feilen und<br />
Schmirgeln wird im „Fell“ gesammelt<br />
und recycelt. In großen Werkstätten gab<br />
es früher sogar Auffangsiebe in den<br />
Waschbecken der Mitarbeiter.<br />
28 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> | 29<br />
TITEL<br />
mit „Atelierhund“ Lauryn. Denn wenn<br />
gerade keine Kundschaft da ist, nutzen<br />
die Künstlerinnen die Zeit, um neue<br />
Schmuckstücke anzufertigen.<br />
Ihre Nische haben Stephanie Dietrich<br />
und Barbara Szramek nicht nur räumlich<br />
gefunden. Als „moderne Nostalgie“ bezeichnen<br />
sie ihren Stil der überlieferten<br />
Techniken in moderner Verpackung.<br />
Die Spezialität der jungen Gestalterinnen<br />
sind ungewöhnliche Verschlüsse wie der<br />
„Schnörkelverschluss“, der sich an germanische<br />
Gewandschließen anlehnt.<br />
„Er gefällt vielen unserer Kunden.“ Aber<br />
an der türkisfarbenen Amazonitkette<br />
macht sich der traditionelle Knebelverschluss<br />
nun wieder hervorragend.<br />
Wenn es gilt, einen Edelstein auf<br />
außergewöhnliche Weise einzufassen,<br />
arbeiten Dietrich und Szramek mit<br />
einem Edelsteinfasser in Idar-Oberstein<br />
zusammen. Diesen Spezialisten, der sich<br />
auf alte Fasstechniken versteht, haben<br />
sie nach langer Suche gefunden. So trifft<br />
man im Schmuckatelier immer wieder<br />
auf Edelsteine, die „verstochen eingefasst“<br />
sind: eine sternförmige Fasstechnik,<br />
die man sonst kaum noch findet.
TITEL<br />
— Ob Schnörkelverschluss (links) oder sternförmige Fassung (rechts): Ein Hauch Nostalgie prägt die Schmuckstücke von Barbara Szramek und Stephanie Dietrich. — Während Barbara Szramek Steine für die neue Kollektion aussucht, glüht Stephanie Dietrich einen Ring aus. Dadurch wird das Material wieder geschmeidig.<br />
Das Lieblingsmaterial in diesem Atelier<br />
heißt 750er Gelbgold: „Es lässt sich wunderbar<br />
verarbeiten, und die Farbe ist fantastisch“,<br />
schwärmt Stephanie Dietrich.<br />
Eine strikte Arbeitsteilung gibt es nicht:<br />
Vom Entwurf an arbeiten Stephanie Dietrich<br />
und Barbara Szramek eng zusammen<br />
30 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong><br />
– oft sogar an demselben Schmuckstück.<br />
Das hat auch praktische Gründe: „Den<br />
Schnörkelverschluss arbeitet Stephanie<br />
wesentlich schmaler als ich“, erklärt<br />
Barbara Szramek; „wenn ein runderer<br />
Schnörkel gefragt ist, fertige ich ihn an.“<br />
Inspirationsquelle ist die Haute Couture<br />
mit ihrem Gefühl für Zeitgeist und kommende<br />
Formen und Farben. Auch der<br />
Besuch des Edelsteinschleifers aus Velbert<br />
führt regelmäßig zu Ideen. Denn: „Mit<br />
seinen Schliffformen und Schleiftechniken<br />
versteht er es, aus jedem Stein das Beste<br />
herauszuholen.“<br />
| Schmuckgeschichten<br />
„Das Leben hat immer Recht“, findet<br />
Andrea Schmidt. Der Sinnspruch hängt<br />
deshalb in ihrer Galerie für zeitgenössischen<br />
Schmuck in Dortmund. Mit Recht<br />
darf man jedenfalls behaupten, dass dieses<br />
Geschäft ein Blickfang ist: sowohl die<br />
Innenarchitektur als auch der Schmuck<br />
in den Vitirinen, die auf weißen Kieselsteinen<br />
stehen. Die Diplom-Designerin<br />
zeigt hier neben ihrer eigenen Kollektion<br />
handgefertigte Stücke international renommierter<br />
Schmuckkünstler – ein Konzept,<br />
das es im <strong>Ruhr</strong>gebiet so nur noch<br />
KUNO GONSCHIOR<br />
TITEL<br />
ein weiteres Mal in Castrop-Rauxel gibt.<br />
„Eigentlich wollten meine Eltern, dass<br />
ich Bürokauffrau werde. Ich wollte aber<br />
immer Künstlerin sein. Meine Mutter<br />
war Schneiderin; schon als kleines Mädchen<br />
habe ich immer in der Knopfkiste<br />
gewühlt,“ erzählt Andrea Schmidt. Heute<br />
GALERIE FRANK SCHLAG & CIE.<br />
Meisenburgstraße 173 * 45133 Essen * 0201/ 1 80 77 72 * www.german-modern-art.com<br />
<strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> | 31
TITEL<br />
— Die Glasringe von Birgit Okulla kann man mit dem Sand aus dem letzten Urlaub füllen. Die Kette von Andrea Schmidt besteht aus Flusskieseln.<br />
öffnet sie mit leuchtenden Augen die eleganten<br />
Schubladen in ihrer Galerie und<br />
holt ein spannendes Schmuckstück nach<br />
dem anderen hervor. Zu jedem einzelnen<br />
weiß sie etwas zu erzählen, denn: „Ich<br />
will nicht einfach nur Schmuck verkaufen.“<br />
Das gilt für ihre eigenen Entwürfe<br />
wie für die der Künstler, die sie präsentiert.<br />
Am schönsten findet sie es, „wenn<br />
der Schmuck Geschichten erzählt.“ So<br />
wie ihre Panta Rhei-Ringe, die in der Auseinandersetzung<br />
mit Heraklits Aussage<br />
32 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong><br />
— Der Körperschmuck von Andrea Schmidt kann die Kleidung schmücken oder die Kleidung selbst sein...<br />
„alles fließt“ entstanden sind. Drei Ringe,<br />
unterschiedlich geschwungen, die sich,<br />
je nachdem wie man sie dreht, immer<br />
wieder verändern. „Auf jeden Ring lässt<br />
sich seitlich ein Name eingravieren, zum<br />
Beispiel einer für jedes Familienmitglied.<br />
Wie die Ringe, so sind auch die Beziehungen<br />
der Menschen nicht statisch, sondern<br />
im Fluss,“ erklärt Schmidt.<br />
Die Befindlichkeit des Menschen, sie<br />
ist Andrea Schmidt immer wieder Inspiration<br />
zu außergewöhnlichen Stücken,<br />
wobei die Grenze zwischen Schmuck<br />
und Kunst fließend ist. Die „Lebensspirale“<br />
etwa kann ihr Besitzer entweder<br />
als Anhänger tragen – oder eingerahmt<br />
an die Wand hängen. Auf einer runden<br />
Blankette aus Silber werden spiralenförmig<br />
wichtige Ereignisse des Lebens eingraviert:<br />
„Wir haben einen Kunden, der<br />
kommt nur einmal im Jahr. Kurz vor dem<br />
Hochzeitstag lässt er für seine Frau ein<br />
weiteres Wort hinzufügen, dass das vergangene<br />
Ehejahr widerspiegelt.“ Ein<br />
— Alles im Fluss – nichts statisch: Der Panta Rhei-Ring von Andrea Schmidt symbolisiert die Aussage Heraklits.<br />
— Die Stücke in der Galerie für zeitgenössischen Schmuck in Dortmund erzählen Geschichten, wie die Lebensspirale (links) oder die Glasphiole (Mitte).<br />
beliebtes Geschenk zum Hochzeitstag ist<br />
auch Schmidts Körperschmuck. Hände,<br />
Ohren, Hals schmückt fast jeder. Aber ein<br />
Schmuckstück, das in klaren Linien den<br />
gesamten Oberkörper umfließt? Das ist<br />
schon etwas Besonderes. „Diesen extravaganten<br />
Schmuck kann man am Abend<br />
zur passenden Kleidung tragen, er kann<br />
aber auch die Kleidung selbst sein,“ erläutert<br />
Schmidt und lacht.<br />
| Reine Zierde<br />
Stücke von insgesamt 26 Schmuckdesignern<br />
und Nachwuchskünstlern aus ganz<br />
Deutschland präsentiert Andrea Schmidt<br />
regelmäßig in ihrer modernen, lichtdurchfluteten<br />
Galerie. Darunter auch die einer<br />
Designerin aus dem <strong>Ruhr</strong>gebiet: Tanja<br />
Friedrichs. Ihre aktuellen Entwürfe bestehen<br />
aus reinem Ziermaterial, so genanntem<br />
Perldraht. „Der wurde früher<br />
— Birgit Okulla (links) ist freie Mitarbeiterin, Andrea Schmidt Besitzerin der Galerie, die 26 Schmuck-Designer aus ganz Deutschland vertritt.<br />
TITEL<br />
unter anderem benutzt, um Sakralgerät<br />
oder Bestecke zu verzieren“, erzählt<br />
Friedrichs. Beim Blättern in einem Katalog<br />
hat die Diplom-Designerin das silberne<br />
Material entdeckt. „Sneike“, „Loop“<br />
und „Quiril“ heißen die Ringe, für die sie<br />
den manchmal etwas störrischen Draht<br />
entweder in Endlosschlaufen wickelt oder<br />
zu einzelnen Ringen miteinander verflicht.<br />
Dazu bietet sie jeweils passenden<br />
<strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> | 33
ESSEN: HAUMANNPLATZ<br />
Was erwarten Mandanten von ihren Anwälten?<br />
Ausgeprägtes Wissen, kompetente Erfahrung, kreatives Mitdenken,<br />
konzeptionelle Phantasie, durchsetzungsstarke Prozessführung.<br />
Wir wissen das. Und versuchen, diesem Anspruch tagtäglich<br />
gerecht zu werden. Darauf beruht das Vertrauen der Unternehmer<br />
und Unternehmen, Freiberufler und Einzelpersonen, die wir<br />
betreuen – teilweise seit Jahrzehnten.<br />
Unsere Aufgaben sind immer dieselben: Optimale Strukturen<br />
schaffen für Unternehmen, Familie und Vermögen. Und das<br />
Geschaffene ausbauen und konsequent verteidigen.<br />
Haumannplatz 28/30 • 45130 Essen • www.soh.de<br />
Dr. Gerhard Schmidt<br />
Dr. Jochen Schmidt<br />
Dr. Emil Huber<br />
Dr. Bernd Klein LL.M.<br />
Dr. Manfred Friedrich<br />
Dr. Franz-Josef Dahm<br />
Dr. Carl Otto Stucke<br />
Dr. Christiane Wilkening<br />
Dr. Till Wegmann<br />
Dr. Almut Gathmann M.A.<br />
Dr. Regine Cramer<br />
Dr. Notker Lützenrath LL.M.<br />
Dr. Rainer Burghardt<br />
Dr. Ulf Rademacher<br />
Dr. Stefan Bäune<br />
Dr. Lars Kolks<br />
Dr. Daniel Fischer<br />
Dr. Cay Fürsen<br />
commedia<br />
Ohrschmuck an. Weiß, schwarz oder<br />
golden ist die Kollektion, je nachdem, ob<br />
Friedrichs das Silber weisssiedet, schwärzt<br />
oder goldplattiert. „Ich mag am liebsten<br />
die dunklen Stücke, sie werden erst<br />
durch das Tragen heller und erhalten so<br />
eine schöne graue Patina. Meine Kollektion<br />
zeigt den Perldraht, ein heute nur<br />
noch sehr selten verwendetes Material,<br />
in einem neuen, frischen Kontext.“<br />
Materialien aus ihrem gewöhnlichen<br />
Kontext herausnehmen und in einen<br />
neuen setzen – das reizt die Designerin<br />
besonders. Selbst mit einem Material,<br />
das für Hitzeschilde in der Raumfahrt<br />
eingesetzt wird, hat sie schon gearbeitet<br />
und verblüffend funkelnde Broschen entworfen<br />
– absolute Unikate. Tanja Friedrichs<br />
versteht sich denn auch weniger<br />
als Handwerkerin. Dass sie Gold und<br />
Silber dank entsprechender Ausbildung<br />
schmieden kann, war für sie nur die Voraussetzung<br />
für das spätere konzeptionell<br />
— Designerin Tanja Friedrichs aus Duisburg<br />
bei der Arbeit an einem Perldraht. Sie liebt es,<br />
Materialien in neue Kontexte zu stellen.<br />
künstlerische Arbeiten. Neue Kollektionen<br />
entstehen bei ihr nicht ausschließlich<br />
am Werktisch, sondern zu Hause am<br />
Computer.<br />
Bei den Stücken, die während ihrer<br />
Diplomarbeit zum Thema „Im Augenblick“<br />
entstanden, rückten der Moment<br />
und seine Vergänglichkeit immer wieder<br />
in den Mittelpunkt. Ob bei der Brosche,<br />
die als Abrisskalender konzipiert ist, oder<br />
beim Goldstempel, der sich für einen<br />
TITEL<br />
besonderen Anlass als Symbol auf die<br />
Haut auftragen lässt und mit der Zeit verschwindet,<br />
so wie die Erinnerung an das<br />
Ereignis selbst. Friedrichs Schmuckstücke<br />
sind eben doch mehr als bloße Zierde. ●<br />
— Für ihre Kollektion „reine Zierde” wickelt Tanja<br />
Friedrichs den Perldraht entweder in Endlos-Schleifen<br />
oder verflicht zu einzelnen Ringen.<br />
<strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> | 35
PORTRÄT<br />
36 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong><br />
— Der neue Chefredakteur der NRZ, Rüdiger Oppers, und die ihm seit dem 1. Dezember anvertraute Regionalzeitung<br />
Wanderer vom Niederrhein<br />
Rüdiger Oppers ist neuer NRZ-Chefredakteur<br />
Einst war er Kind der NRZ, jetzt wird die NRZ sein Kind: Rüdiger Oppers (47),<br />
Niederrheiner mit WDR-Karriere, als 17-Jähriger schon freier Mitarbeiter der<br />
NRZ und seit Mitte Februar ihr Vizechef, ist seit Anfang Dezember ihr Chefre-<br />
dakteur. Die RUHR REVUE hat Oppers besucht.<br />
Das Büro, in dem wir sitzen, 4. Etage im<br />
Pressehaus an der Essener Sachsenstraße,<br />
riecht nach Rauch. An dem neuen Bewohner<br />
kann es nicht liegen: „Ich habe<br />
mir das 1990 abgewöhnt“, sagt Oppers,<br />
„zusammen mit meiner Frau.“ Tochter<br />
Jacqueline Desirée, inzwischen 12, ist<br />
ausweislich ihres zweiten Vornamens<br />
nämlich ein Wunschkind; da opfert man<br />
manches. Nein, das Aroma dieses Raumes<br />
haben die Vorgänger geprägt: erst<br />
der inzwischen verstorbene, legendäre<br />
Jens Feddersen, danach Dr. Richard Kießler,<br />
ab sofort als Sonderkorrespondent für<br />
die gesamte WAZ-Mediengruppe unterwegs<br />
auf den Kontinenten.<br />
Dürfen die Handwerker kurz reinkommen?<br />
Klar doch. Sie wollen ja nur wissen,<br />
wo genau an Stelle des Immendorff-<br />
Gemäldes der Flachbildmonitor an die<br />
Wand soll. Einer wie Oppers will den im<br />
Blick haben, keine Frage. Er war schließlich<br />
Sprecher beim WDR in Köln, zwei<br />
Jahre auch für die gesamte ARD, bevor<br />
er nach Essen kam. Sein Chef Pleitgen,<br />
damals noch WDR-Intendant am Rhein<br />
und heute als Teil 1 des Duos „Fritz &<br />
Olli“ in Sachen Kulturhauptstadt selbst<br />
an der <strong>Ruhr</strong> unterwegs, ließ den Mann<br />
nur ungern ziehen, hätte aber selbst wohl<br />
kaum anders entschieden. Trotz verlockender<br />
Alternativen beim Fernsehen –<br />
hier Politik, da Sport – ging Oppers zur<br />
NRZ, seit über 30 Jahren die Rhein-<strong>Ruhr</strong>-<br />
Stimme innerhalb der WAZ-Gruppe.<br />
„Die WAZ-Mediengruppe“, urteilt<br />
Oppers über das Haus, dem er auch als<br />
„Beauftragter für Strategische Kommunikation<br />
und Neue Medien“ dient, „ist<br />
mitten in einem Transformationsprozess:<br />
vom Verlagshaus zum Medienhaus.“ Das<br />
findet er spannend, aber vor allem ist er<br />
gekommen, um Chefredakteur der NRZ<br />
zu werden. Von so etwas, Chef einer<br />
großen und vielzitierten Qualitätszeitung<br />
zu werden, träumen auch Intendanten<br />
von Rundfunk- und Fernsehanstalten, zumal<br />
wenn sie ihre Ausbildung bei der Zeitung<br />
gemacht haben. Wie war das doch<br />
gleich? Print gewinnt.<br />
Für ein gewinnendes Printmedium<br />
NRZ hat Oppers sich einiges vorgenommen.<br />
Den berühmten Newsdesk ohne<br />
„Gartenzäune“ zwischen den Ressorts<br />
haben sie bereits. Mit einer täglichen<br />
„Schaltkonferenz“ wollen sie die lokalen<br />
Themen aus Duisburg und Mülheim,<br />
Wesel und Moers noch näher an die Zentrale<br />
heranführen. Wenn schon Hartz IV,<br />
dann aus der Sicht der Betroffenen. Im<br />
Februar soll eine große Image-Kampagne<br />
für die NRZ starten: „Klartext an Rhein<br />
und <strong>Ruhr</strong>“ heißt es dann, was nicht nur<br />
dank des „Presenters“ Schimanski alias<br />
Götz George eindeutiger runtergeht als<br />
der bisherige Brause-Slogan „erfrischend<br />
anders“. Dass der Mann, der sonst für<br />
Werbung nicht zu haben ist, für die NRZ<br />
gewonnen werden konnte! Da scheint der<br />
Moerser Oppers, „wie alle Niederrheiner<br />
in Duisburg geboren“, seine Finger im<br />
Spiel gehabt zu haben. A propos Spiel:<br />
Eine tägliche Kinderseite soll die NRZ<br />
auch bekommen und mindestens einmal<br />
die Woche eine Hochschulseite – Studi-<br />
Sicht versprochen, Studentenabos auch.<br />
Wie sind die Herren beim Konzern<br />
auf ihn gekommen? „Über die Arbeit an<br />
der Mediathek“, jene Gemeinschaftsproduktion<br />
von WDR und WAZ-Gruppe,<br />
geschaffen zur Beförderung des NRW-<br />
Bewusstseins aus Anlass des 60. Landesgeburtstages,<br />
sind Konzerngeschäftsführer<br />
Bodo Hombach und Oppers sich näher<br />
gekommen. Parteibuchdenken habe dabei<br />
keine Rolle gespielt. „Viele halten mich<br />
für einen CDU-Mann“, lacht Oppers. Das<br />
ist er nicht, aber bekennender Katholik<br />
und bekennender Niederrheiner, der auch<br />
in seiner Kölner Zeit in Moers wohnen<br />
geblieben ist, dem Ort, wo sein inzwischen<br />
verstorbener Vater Stadtdirektor<br />
war, dem Ort, wo die Tochter des „militanten“<br />
Vaters nach „Mama“ als zweites<br />
Wort „Kuh“ lernte. Einmal war er allerdings<br />
mit seiner Frau Martina, von Beruf<br />
Erzieherin, schon übereingekommen,<br />
dass man nach New York ginge. Es lockte<br />
die Studioleitung der ARD. Eine Wohnung<br />
war bereits gefunden, ein Platz in<br />
der UNO-Schule fürs Töchterlein auch.<br />
Doch dann starb der Vater, und der Sohn<br />
blieb und kümmerte sich. Die Chance Big<br />
Apple hatte sich damit erledigt. Oppers<br />
kommentiert’s wie die Kölner: „Wer<br />
weiß, wofür et jut war!“<br />
PORTRÄT<br />
Und jetzt Essen? Ja, er kann sich tatsächlich<br />
vorstellen, hierher umzuziehen.<br />
Rund um den Baldeneysee bestaunt er<br />
gern die Schönheit der Landschaft, auch<br />
wenn wahrscheinlich nicht ohne Grund<br />
keine seiner Sendungen im WDR „so beliebt<br />
war wie meine Wanderungen am<br />
Niederrhein.“ Hat Oppers denn Verständnis<br />
für die Niederrheiner aus dem Kreis<br />
Wesel, die sich neuerdings mit Gedanken<br />
tragen, aus dem Regionalverband <strong>Ruhr</strong><br />
auszuscheren? „Die wären schlecht beraten,<br />
wenn sie‘s täten“, urteilt Oppers.<br />
„Wenn es um RUHR 2010 geht, gibt es<br />
doch keine Kommune, die nicht auch<br />
eine Woche im Jahr Kulturhauptstadt<br />
sein möchte!“<br />
Nicht auszuschließen, dass der NRZ-<br />
Chef, ein erklärter Freund der Kulturhauptstadt,<br />
da ab sofort erfolgreich missioniert<br />
– als Bindeglied zwischen<br />
Rheinland und Westfalen; denn das ist<br />
der Niederrheiner nach Oppers Überzeugung.<br />
Und Düsseldorf, wo die NRZ hart<br />
gegen eine übermächtige Rheinische Post<br />
kämpft? Für die Landeshauptstadt will er<br />
„Extra-Meilen gehen“, bekennt Oppers;<br />
da will er punkten. Und wie ist sein Verhältnis<br />
zu Ulrich Reitz, dem Chefredakteur<br />
der WAZ, der (s. früheres Porträt)<br />
von der RP gekommen war? „Der Uli<br />
Reitz und ich, wir sind die gleiche Generation<br />
und beide dynamische Typen“,<br />
so Oppers. „Gerade haben wir in Duisburg-Rheinhausen<br />
eine Gemeinschaftsredaktion<br />
eingerichtet.“ Pragmatiker ist er<br />
also auch. Muss man wohl auch sein in<br />
Zeiten von DerWesten.de. ● dg<br />
<strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> | 37
BOCHUM SPEZIAL<br />
Bochum – eine Stadt, die im letzten Jahrhundert durch Krieg, Stahl- und Kohle-<br />
krise heftig gebeutelt wurde. Zugleich eine Stadt, die sich nicht so leicht unter-<br />
kriegen lässt und den Wandel als Chance begreift. Über Wege und Ziele der<br />
Standortentwicklung befragte die RUHR REVUE Dr. Ottilie Scholz, Oberbürger-<br />
meisterin der Stadt.<br />
38 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong><br />
Bochums OB Ottilie Scholz:<br />
Wir brauchen junges Denken<br />
RR: Im März 2005 haben Sie das<br />
„Handlungskonzept 2015“ vorgestellt,<br />
ein Grundsatzpapier zur wirtschaftlichen,<br />
wissenschaftlichen und kulturellen Entwicklung<br />
der Stadt. Wie ist der Stand<br />
der Dinge?<br />
Scholz: Einen wichtigen Meilenstein<br />
haben wir schon dadurch erreicht, dass<br />
seit 2005 alle maßgeblichen Akteure an<br />
einem Strang ziehen. Die Finanzierung<br />
des Projekts Bochum 2015 ist über das<br />
Jahr 2008 hinaus gewährleistet. In enger<br />
Abstimmung mit den Hochschulen, mit<br />
der IHK und mit einzelnen Bochumer<br />
Unternehmen haben wir in den vergangenen<br />
Monaten die Arbeitsfelder definiert,<br />
in denen Bochum 2015 tätig werden soll.<br />
Ein Team von 16 Mitarbeitern arbeitet<br />
an den Teilprojekten. Mit „Senkrechtstarter“<br />
haben wir den ersten branchenübergreifenden<br />
Gründungswettbewerb in<br />
— In neuem Glanz: der Bochumer Hauptbahnhof<br />
— „Mein Lieblingsort in Bochum?<br />
Das Rathaus!“ Dr. Ottilie Scholz,<br />
Oberbürgermeisterin der Stadt<br />
Bochum ins Leben gerufen, der mit derzeit<br />
150 angemeldeten Teilnehmern einen<br />
Glanzstart hingelegt hat. Der im Handlungskonzept<br />
angemahnte Schulterschluss<br />
mit der Wirtschaft ist bei Bochum 2015<br />
bereits Realität: Seit April arbeitet ein<br />
Opel-Mitarbeiter als festes Teammitglied<br />
an Konzepten zur Entwicklung des Automotive-Standorts<br />
Bochum.<br />
RR: Wo besteht noch Handlungsbedarf?<br />
Scholz: Ich weiß durch regelmäßige Besuche<br />
bei Bochum 2015, was dort alles<br />
in Vorbereitung ist. Ich glaube, dort wird<br />
bereits an den richtigen Stellschrauben<br />
gedreht. Ich bin sicher, die nächsten Pro-<br />
jekte laufen ähnlich erfolgreich an wie<br />
der Senkrechtstarter. Ab 2008 werden<br />
wir weitere Teilprojekte präsentieren.<br />
RR: Wo sehen Sie Bochums Stärken?<br />
Scholz: Bochums wertvollsten Standortfaktor<br />
sehe ich in der stark besetzten<br />
Hochschullandschaft. Wir verfügen über<br />
ausgezeichnete Lehrstühle und Institute<br />
mit exzellentem Ruf. Das wollen wir<br />
künftig noch mehr für die Stärkung des<br />
Standortes nutzen. Unsere Hochschulen<br />
sorgen ja für die qualifizierten Fachkräfte<br />
und für die kreativen Köpfe, ohne die<br />
wirtschaftliches Wachstum nicht funktioniert.<br />
Bochums Unternehmen sind besonders<br />
stark auf vier Gebieten: 1. in der<br />
Verkehrstechnik, hier besonders in Fahrzeugbau<br />
und Automotive, 2. in Klinik-<br />
Exzellenz und Medizintechnik, 3. in<br />
Maschinen- und Anlagenbau und 4. in<br />
der Informationstechnologie, vor allem<br />
der IT-Sicherheit. Bochum hat zwar noch<br />
weitere Stärken; aber um mit Bochum<br />
2015 optimale Ergebnisse zu erzielen,<br />
Meilensteine bis zur Neuzeit-Schwelle<br />
Um 800 Gründung der Stadt<br />
1735 In Bochum gibt es 25 kleine Zechen.<br />
1837 Die ersten Koksöfen entstehen.<br />
1842 Der erste Tiefbauschacht auf der Zeche Präsident wird abgeteuft.<br />
Beginn der großindustriellen Kohlegewinnung.<br />
1855 Jacob Mayer, Gründer des Bochumer Vereins und Erfinder des<br />
Stahlformgusses, stellt die erste Kirchenglocke aus Gussstahl her.<br />
Bald ist der Betrieb neben Krupp der zweitgrößte Stahlkonzern des Reiches.<br />
1864 Bochum zählt 12.000 Einwohner, 10.000 mehr als 50 Jahre zuvor.<br />
1870 Carlos Otto begründet die Bochumer Kohlechemie, die unter anderem<br />
Benzol erzeugt, und legt damit den Grundstein für die spätere Aral AG.<br />
1877 Der Stadtpark wird fertig gestellt, die ersten Villenviertel entstehen.<br />
1929 Mit 74 Schachtanlagen ist Bochum die zechenreichste Stadt in Europa.<br />
1930 Die Idee eines Bergbaumuseums entsteht.<br />
1945 Im Zweiten Weltkrieg wird die Stadt stark zerstört.<br />
1960 Beginn der Kohlekrise: Von 17 großen Bergwerken wird das erste<br />
geschlossen.<br />
1961 Das Zweigwerk der Adam Opel AG bringt 20.000 neue Arbeitsplätze.<br />
1965 Eröffnung der <strong>Ruhr</strong>-Universität Bochum<br />
— „Elite-Uni der Herzen“: Die <strong>Ruhr</strong>-Universität zählt<br />
zu den besten Unis Deutschlands. Trotz des knappen<br />
Scheiterns im Finale des Exzellenz-Wettbewerbs will<br />
sie Kernpunkte ihres Zukunftskonzeptes umsetzen.<br />
konzentrieren wir uns in den nächsten<br />
Jahren auf die genannten vier Fokusbranchen<br />
und auf die Vernetzung der Hochschulen<br />
mit den örtlichen Unternehmen.<br />
RR: Alle reden vom demographischen<br />
Wandel an der <strong>Ruhr</strong>. Sie sagen in Ihrer<br />
aktuellen Kampagne: „Bochum macht<br />
jung“. Warum?<br />
Scholz: Weil Jugend nicht nur etwas mit<br />
dem biologischen Alter von Menschen zu<br />
tun hat. Sondern auch mit Neugier und<br />
1973 Das letzte Bergwerk schließt. 60.000 Arbeitsplätze sind in Kohle und<br />
Stahl verloren gegangen.<br />
BOCHUM SPEZIAL<br />
Zuversicht und mit der Bereitschaft, die<br />
Zukunft aktiv zu gestalten. Junges, nach<br />
vorn gerichtetes Denken ist für unsere<br />
Stadt lebensnotwendig. Wir sehen diese<br />
Qualität in vielen Bereichen des Bochumer<br />
Lebens, wollten aber mit dem Slogan<br />
Diskussionen hervorrufen zu den Fragen:<br />
Was heißt jung? Was macht jung? Kann<br />
Bochum jung machen? Ganz offensichtlich<br />
ist uns dies im Großen und Ganzen<br />
gelungen. Schade, dass vor allem darüber<br />
diskutiert wird, wen dieser Slogan ausgrenzt,<br />
statt darüber, was er bedeuten<br />
könnte. Dabei würden die Bochumerinnen<br />
und Bochumer nämlich erstaunlich<br />
viel Positives über ihre Stadt herausfinden.<br />
● mb<br />
Mehr Lust auf Historisches?<br />
Deutsches Bergbau-Museum mit Anschauungsbergwerk,<br />
weltgrößtes Fachmuseum<br />
seiner Art, Tel. 0234/5877-0,<br />
www.bergbaumuseum.de<br />
Stadtarchiv, Tel. 0234/910-9510,<br />
www.bochum.de/stadtarchiv<br />
— Flanieren anno dazumal – im Bochumer Stadtpark<br />
— Im Stil der 20er-Jahre erbaut: das Alte Rathaus<br />
— 1944 zerstört: der ursprüngliche Theaterbau<br />
<strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> | 39
BOCHUM SPEZIAL<br />
40 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong><br />
Bochum schafft Platz<br />
Kunst statt Kübel<br />
— „Kunst hat die Aufgabe, Gedächtnis zu sein.“ Jochen Gerz und der Platz des europäischen Versprechens<br />
„Diesen Platz mit seiner Hässlichkeit<br />
kann man nicht mit Blumenkübeln<br />
verschönern,“ sagt Jochen Gerz mit<br />
Blick auf den Asphalt vor der Bochu-<br />
mer Christuskirche. 2005 hat der<br />
Künstler mit dieser Ehrlichkeit Bo-<br />
chums Dezernenten überzeugt, die<br />
sich am NRW-Wettbewerb „Stadt<br />
macht Platz“ beteiligen wollten. Jetzt<br />
ist mehr daraus geworden: Der „Platz<br />
des europäischen Versprechens“ ist<br />
eines der Bochumer Leitprojekte für<br />
<strong>Ruhr</strong> 2010.<br />
| Platz des Versprechens<br />
Gerz empfahl dem Gremium, dem Platz<br />
eine Bedeutung zu geben. „Das ist billiger<br />
als die Design-Gymnastik, die ihr<br />
ohnehin in fünf Jahren wieder abreißen<br />
wollt“, versprach er. Nun sind Bewohner<br />
aus Stadt und Region und die Bürger<br />
Europas eingeladen, den Platz neu zu<br />
gründen. Jeder Teilnehmer trägt seinen<br />
Namen bei, der in eine große Steinplatte<br />
gemeißelt wird. Und jeder Name steht für<br />
ein Versprechen, das der „Autor“ einem<br />
neuen Europa gibt – ein geheimes, ein<br />
freies Versprechen.<br />
„Das ist kein Unternehmen für den<br />
besseren Menschen“, betont der gebürtige<br />
Berliner, der als international geschätzter<br />
Künstler in Paris lebt. Jochen Gerz<br />
kennt die Realität: Er wohnt in einem<br />
Pariser Vorort, in dem eine Mehrheit der<br />
Menschen gegen die europäische Verfassung<br />
gestimmt haben. „Alle sollen sich<br />
am Platz des europäischen Versprechens<br />
beteiligen – auch Neonazis und Vandalen,<br />
die dabei nichts Gutes im Sinn haben.“<br />
Das Bewusstsein dieser Menschen will<br />
er mit seiner Arbeit durchaus verändern:<br />
Nach seiner Überzeugung erzieht der<br />
ästhetische Prozess die Öffentlichkeit.<br />
„Das hat etwas mit meiner Biografie zu<br />
tun“, sagt der Künstler. Er sei acht Mal<br />
ausgebombt worden und „so auf Europa<br />
angewiesen wie andere auf ein Glas<br />
Milch.“<br />
Die Idee zu seiner Arbeit kam Gerz,<br />
als er die „Helden-Gedenkhalle“ von 1931<br />
im Turm der Christuskirche besuchte. In<br />
einem goldenen Mosaik sind dort nicht<br />
nur die Namen im Ersten Weltkrieg gefallener<br />
Bochumer Bürger verewigt, sondern<br />
auch eine Liste mit den Namen der 28<br />
„Feindstaaten“ Deutschlands. Diesen beiden<br />
Listen der Toten und der Feinde will<br />
Gerz eine dritte, die Liste der Lebenden,<br />
gegenüberstellen. 1.577 Namen hatten er<br />
und sein Team Anfang November bereits<br />
gesammelt, 10.000 sollen es mindestens<br />
werden. „Vier Fräsmaschinen müssen<br />
zwei Jahre lang fünf Tage pro Woche laufen,<br />
um die Platten vorzubereiten“, berichtet<br />
Jochen Gerz. Anfang 2008 sollen<br />
diese Arbeiten starten; am 31. Dezember<br />
2010, dem letzten Tag des Kulturhauptstadtjahres,<br />
will er den Platz seinen Autoren<br />
übergeben. ● mb<br />
Wer den Platz des europäischen Versprechens<br />
mitgestalten möchte, findet Infos<br />
unter www.pev2010.de.<br />
Bochum 2010<br />
Zu den Bochumer Projekten für 2010<br />
gehören ein neuer Schreibwettbewerb<br />
der Literarischen Gesellschaft, die Ausstellung<br />
„750 Jahre Knappschaft“ im<br />
Bergbaumuseum und ein Führer über<br />
Kunstwerke im öffentlichen Raum.<br />
Außerdem beteiligt sich Bochum an<br />
revierweiten Aktivitäten, so an einer<br />
Aktion auf der A40 und am internationalen<br />
Melez-Festival. Als „Local Hero“<br />
steht Bochum 2010 eine Woche lang<br />
im Zentrum der Kulturhauptstadt. Dafür<br />
hat sich die Stadt den Zeitraum des Musikfestivals<br />
„Bochum Total“ Mitte Juli<br />
ausgesucht.<br />
Das etwas andere Bochum<br />
von Werner Conrad<br />
Tief im Süden, wo die Sonne<br />
übers <strong>Ruhr</strong>tal scheint,<br />
ist Bochum ganz anders als<br />
man glaubt. <strong>Ruhr</strong>-Universität,<br />
Opel, Bermuda-Dreieck,<br />
Bergbau-Museum, Schauspielhaus,<br />
Starlight Express –<br />
so kennt man die Metropole<br />
im mittleren <strong>Ruhr</strong>gebiet.<br />
Dörfliche Idylle, Ruhe und<br />
Beschaulichkeit, ein kleines<br />
Kirchlein, umgeben von<br />
einem historischen Friedhof – das erwartet man eher nicht. Und<br />
doch gibt es dieses etwas andere Bochum. Das wird im nächsten<br />
Jahr aus dem Dornröschenschlaf erweckt, denn dann wird „1000<br />
Jahre Dorfkirche Bochum-Stiepel“ gefeiert.<br />
„Sie ist ein Kleinod, ein Schatz“, sagt stolz Bochums Oberbürgermeisterin<br />
Dr.Ottilie Scholz über die Stiepeler Dorfkirche, die eines<br />
der ältesten Bauwerke der Stadt ist. Das seltene Ensemble im<br />
Süden der Großstadt<br />
zeigt sich zu<br />
seinem 1000. Geburtstag<br />
innen und<br />
außen komplett<br />
restauriert und saniert.<br />
Um 1008,<br />
so wird überliefert,<br />
errichtete Imma,<br />
Ehefrau des Grafen<br />
Luitger aus dem<br />
Geschlecht der Billunger,<br />
in Stiepel<br />
eine Eigenkirche. Aus der Saalkirche wurde im 12.Jahrhundert eine<br />
romanische Basilika. Im 15.Jahrhundert zur heutigen Hallenkirche<br />
ausgebaut, dient sie seit der Reformation bis heute als evangelisches<br />
Gotteshaus. Besondere Bedeutung hat dieses Kulturdenkmal<br />
an der <strong>Ruhr</strong> über Deutschland hinaus durch seine vielgestaltige,<br />
farbige Ausmalung des Innenraums. Hier in Stiepel kann man<br />
noch sehen, wie die heute kahlen romanischen Kirchen in Westfalen<br />
einmal ausgeschmückt waren.<br />
Bürgerschaftliches Engagement bewegt in Bochum viel. Das half<br />
auch der Dorfkirche Stiepel. Ein ehrenamtlicher Freundeskreis<br />
brachte in zehn Jahren über 1,7 Mio. Euro für die Restaurierung<br />
der Kirche und des Friedhofs zusammen. Für 2008 hat er ein riesiges<br />
Jubel-Jahres-Programm vorbereitet. Mit politischer Unterstützung<br />
gelang ein besonderer Coup: Die Post wird erstmals für<br />
Bochum eine Sonderbriefmarke herausgeben – mit der kleinen<br />
Stiepeler Dorfkirche aus dem tiefen Süden. Bochum eben einmal<br />
ganz anders. Und sehr sehenswert auf jeden Fall.<br />
Werner Conrad leitet die WAZ-Redaktion in Bochum,<br />
der Gründungsstadt der größten deutschen Regionalzeitung.<br />
Er veröffentlichte unter anderem das Buch „Unsere 50er Jahre<br />
in Bochum – Es geht wieder aufwärts!“ (Wartberg-Verlag).<br />
Neu in Bochum<br />
Café, Pizzeria, Taverne (Tapas)<br />
Erlebnisgastronomie<br />
La Vie • Kortumstraße 135 • 44787 Bochum<br />
Fon 0234.51 65 799
BOCHUM SPEZIAL<br />
Elmar Goerden, der das Haus<br />
seit August 2005 als Intendant<br />
führt, ist mit sechs Premieren<br />
innerhalb von zwei Wochen in<br />
seine dritte Spielzeit gestartet.<br />
Mit seiner Inszenierung von<br />
„Wie es euch gefällt“ knüpft<br />
er an die Tradition der Shakespeare-Inszenierungen<br />
am<br />
Schauspielhaus Bochum an.<br />
Das Stück selbst kommt aller-<br />
42 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong><br />
Schauspielhaus Bochum<br />
Große Bühne für junge Talente<br />
Auf ihr Schauspielhaus sind die Bochumer stolz. Zu Recht:<br />
Es zählt zu den besten deutschsprachigen Bühnen. Seine<br />
Geschichte ist verknüpft mit Namen wie Peter Zadek und<br />
Claus Peymann, in der jüngeren Vergangenheit Leander<br />
Haußmann und Matthias Hartmann.<br />
dings alles andere als traditionell<br />
daher: Bunt ist das Treiben<br />
auf der Bühne, zauberhaft und<br />
verrückt. Goerden setzt auf das<br />
schauspielerische Potential seines<br />
jungen Ensembles, allen<br />
voran die unglaublich wandelbare<br />
Claude De Demo als Rosalind<br />
und der charismatische<br />
Christoph Pütthoff als Orlando.<br />
Goerdens Vertrauen in junge<br />
Talente trägt Früchte. Das beweist<br />
die 29-jährige Hausregisseurin<br />
Lisa Nielebock, nach<br />
ihrem Erfolg mit „Penthesilea“,<br />
in dieser Spielzeit erneut durch<br />
Henrik Ibsens „Gespenster“ in<br />
den Kammerspielen. Ein großer<br />
Publikumserfolg ist die<br />
Inszenierung von Tennessee<br />
Williams’„Katze auf dem heißen<br />
Blechdach“ durch Regisseur<br />
Markus Dietz – mit Charles<br />
Brauer als Big Daddy und<br />
den jungen Schauspielern Marc<br />
Oliver Schulze und Louisa<br />
Stroux als Brick und Margaret.<br />
Im kleinen „Theater Unter<br />
Tage“ gelang dem jungen Regisseur<br />
und Autor Kristo Sagor<br />
die Uraufführung von „Genannt<br />
Gospodin“, Erstlingswerk von<br />
Philipp Löhle. Ein wunderbar<br />
— Leidenschaftliche Verwirrungen:<br />
Rosalind und Orlando in<br />
„Wie es euch gefällt“<br />
schräger Theaterabend, der<br />
schon jetzt beim jungen Publikum<br />
Kultstatus hat.<br />
Das Junge Schauspielhaus<br />
unter der Leitung von Martina<br />
van Boxen ist für Elmar Goerden<br />
so wichtig, dass er mit<br />
Beginn seiner Intendanz hier<br />
deutlich ausgebaut hat. Im November<br />
feierten das von Pinocchio<br />
inspirierte Stück „Troi“<br />
(für Kinder ab drei) und das<br />
Familienstück „Der Zauberer<br />
von Oz“ Premiere. Nicht nur<br />
im Publikum, auch auf der<br />
Bühne sind Kinder und Jugendliche<br />
gern gesehene Gäste: 75<br />
Bochumer Hauptschüler beteiligen<br />
sich an einer Aufführung<br />
des Projektes „Hauptschule in<br />
Bewegung“, die im März auf<br />
die Bühne kommt. ● mb<br />
Noch mehr Theater<br />
■ beständig: das Prinz Regent Theater, eine der führenden Produktions-<br />
und Spielstätten für professionelles Off-Theater in NRW<br />
■ kultig: das Thealozzi, Proben- und Spielstätte der Bochumer Subkultur<br />
■ hochkarätig: Aufführungen im Rahmen der <strong>Ruhr</strong>-Triennale in der<br />
Jahrhunderthalle<br />
■ luftig: Freilichtbühne Wattenscheid mit Veranstaltungen für unterschiedliche<br />
Zielgruppen – vom Kabarett bis zum Rockkonzert<br />
■ zügig: Starlight Express mit elf Millionen Besuchern seit 1988<br />
■ spritzig: Jochen Schröders Comödie Bochum<br />
Bochum musikalisch<br />
Bochum macht nicht nur Theater, sondern auch Musik – von<br />
Kindesbeinen an mit Musikschul-Projekten wie Jedem Kind ein<br />
Instrument (siehe RR 3/2007) und über kulturelle Grenzen hinweg<br />
(Kemnade International). Zum alljährlichen Musikfestival<br />
Bochum Total strömen rund eine Million vorwiegend junge Besucher<br />
in die Stadt, um bei freiem Eintritt und unter freiem Himmel<br />
Musik von Jazz bis Hardrock zu hören. Kult sind auch die<br />
New York Nights von Pamela Falcon jeden Mittwoch Abend in<br />
der Bermudahalle.<br />
RUHR REVUE-Tipps<br />
BOCHUM SPEZIAL<br />
— Erstklassige Besetzung und ausgezeichnete<br />
Regie: „Gespenster“. Unten:<br />
ein vorweihnachtliches Geschenk des<br />
Schauspielhauses, der Adventskalender<br />
Bis zum 24. Dezember öffnet sich täglich um 17 Uhr<br />
an der Schauspielhaus-Fassade zur Königsallee ein<br />
Adventskalender: In jedem der 24 Fenster halten<br />
Mitglieder des Ensembles eine Überraschung bereit.<br />
Am 19. Januar feiert Schillers „Maria Stuart“ unter<br />
der Regie von Elmar Goerden Premiere: mit zwei starken<br />
Frauen (Imogen Kogge und Ulli Maier), außergewöhnlichen<br />
Kostümen und einem beeindruckenden<br />
Bühnenbild.<br />
Mehr unter www.schauspielhausbochum.de<br />
Auf dem Platz vor der Marienkirche werden bis 2010 die Bochumer<br />
Symphoniker ihr eigenes Haus beziehen (siehe RR 2/2007).<br />
Drei Viertel der Investitionssumme von 30 Millionen Euro haben<br />
Stadt und Bürgerschaft bereits aufgebracht, für den Rest haben<br />
sich die „BoSy“ allerhand einfallen lassen: So wird der spätere<br />
Bauplatz vor der Marienkirche als Parkplatz bewirtschaftet; die<br />
Einnahmen kommen der „Bochumer Symphonie“ zugute. Die<br />
Mitglieder des Orchesters engagieren sich in ihrer Freizeit, indem<br />
sie unentgeltlich jeden Samstag in der Mayerschen Buchhandlung<br />
oder bei privaten Feiern auftreten („Spenden statt<br />
Geschenke“). Das normale Konzertprogramm läuft<br />
natürlich weiter: Neu ist die Reihe „BoSy HautNah“,<br />
bei der Musiker in kurzweiligen Programmen ihre<br />
Instrumente und deren Besonderheiten erläutern und<br />
vorstellen (zum Beispiel am 9. Januar im Schauspielhaus<br />
Bochum).<br />
Und noch ein RUHR REVUE-Tipp<br />
Die größte Musikinstrumentensammlung NRWs ist<br />
in der Wasserburg Haus Kemnade zu sehen. Die<br />
Sammlung von Hans und Hede Grumbt umfasst<br />
rund 1.800 Einzelstücke aus aller Welt.<br />
<strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> | 43
BOCHUM SPEZIAL<br />
Das Wunder von Weitmar Situation Kunst<br />
Wer die „Situation Kunst“ besuchen<br />
möchte, steht erst einmal vor einem<br />
hohen Zaun. Doch keine Angst: Der<br />
Druck auf den Klingelknopf ist durch-<br />
aus erwünscht; die Studentinnen und<br />
Studenten, die während der Öffnungs-<br />
zeiten Aufsicht führen, gewähren ger-<br />
ne Einlass. Wer sich traut, wird reich<br />
belohnt – und versteht, weshalb es<br />
wichtig ist, dieses Biotop der Kunst vor<br />
unliebsamen Einflüssen zu schützen.<br />
| Das Biotop<br />
Fast alles ist hier anders als in einem<br />
klassischen Museum: Es gibt weder Kasse<br />
noch Garderobe, auch einen Pfad, der<br />
den Besucher leitet, sucht man vergeblich.<br />
Ein wenig ratlos stehe ich auf grobem<br />
grauem Schotter, umgeben von<br />
quaderförmigen Gebäuden aus hellem<br />
Klinker. Gut, dass Bettina Eickhoff dabei<br />
ist. Als Vorsitzende des Fördervereins<br />
kennt sie hier fast jeden Stein. „In der<br />
Situation Kunst gibt es mit Absicht keine<br />
vorgegebenen Wege und keine Hierarchien“,<br />
erklärt sie. Auch im Folgenden<br />
ermutigt sie dazu, den Kunstwerken möglichst<br />
unbefangen gegenüberzutreten.<br />
Also stelle ich mich der raumfüllenden<br />
Malerei von Gotthard Graubners „Nänie“,<br />
das sich mir in seiner Körperlichkeit entgegendrängt.<br />
„Vorwissen spielt hier keine<br />
Rolle“, betont Bettina Eickhoff. Das sei<br />
ein wichtiger Gedanke bei der Konzeption<br />
gewesen – ein Gedanke, der mit der<br />
Kunstauffassung von Max Imdahl korrespondiere.<br />
Dem 1988 verstorbenen, ehemaligen<br />
Ordinarius für Kunstgeschichte<br />
an der <strong>Ruhr</strong>-Universität Bochum ist die<br />
„Situation Kunst“ gewidmet: eine Landschaft<br />
aus Architektur, Natur und Kunst.<br />
Entstanden ist sie in den Jahren 1988 bis<br />
1990 aus der Initiative des Galeristen<br />
— Bettina Eickhoff in ihrem zweiten Zuhause. Sie<br />
engagiert sich ehrenamtlich für die Situation Kunst.<br />
Alexander von Berswordt-Wallrabe. „Er<br />
war eng mit Max Imdahl befreundet<br />
und hat einen großen Teil seiner privaten<br />
Sammlung in die Situation Kunst eingebracht“,<br />
erzählt die Vorsitzende des<br />
Fördervereins, der die beeindruckende<br />
Sammlung von Gegenwartskunst 1991<br />
der <strong>Ruhr</strong>-Universität als Schenkung übergeben<br />
hat.<br />
| Von monumental bis sakral<br />
Großzügigkeit ist auch bei der Gesamtkonzeption<br />
die Devise: Jedem Künstler<br />
ist, wenn nicht gleich ein ganzes Gebäude,<br />
so doch zumindest ein eigener Raum<br />
gewidmet. Die gesamte Anlage wurde in<br />
enger Zusammenarbeit mit den vertretenen<br />
Künstlern entworfen. „Orts- und<br />
raumbezogene Kunst hat es schwer im<br />
Museum“, weiß Bettina Eickhoff. Kunstwerke<br />
wie Norbert Krickes „Raumplastik<br />
Weiß“ oder Richard Serras monumentale<br />
Stahlplatten-Skulptur „Circuit“ benötigen<br />
viel Raum, optimales Licht und eine<br />
besondere Akustik. Die emotionalen Fotoübermalungen<br />
von Arnulf Rainer verlangen<br />
dagegen nach Intimität, die ihnen<br />
ein separater, nur durch einen schmalen<br />
Eingang erreichbarer Raum gewährt.<br />
Oder David Rabinowitch, bei dem der gesamte<br />
Raum ein Kunstwerk ist: Andächtig<br />
stehen wir in dem sakral anmutenden<br />
Raum, der dabei frei von jeglicher religiöser<br />
Symbolik ist.<br />
Situation Kunst (für Max Imdahl)<br />
ist der Teil Kunstsammlungen der <strong>Ruhr</strong>-<br />
Universität. Das Gebäude-Ensemble im<br />
Park von Haus Weitmar zeigt eine Dauerausstellung<br />
bedeutender Werke der<br />
Gegenwartskunst sowie Werke alter<br />
Kunst aus Afrika und Ostasien. Die<br />
Sammlung dient auch zur praktischen<br />
Ausbildung von Studenten der Kunstgeschichte,<br />
die sich hier in verschiedenen<br />
musealen Tätigkeiten üben können.<br />
Nevelstraße 29 c · 44795 Bochum<br />
Tel. 0234-29 88 901<br />
www.situation-kunst.de<br />
Öffnungszeiten: Mi. + Fr. 14 – 18 Uhr,<br />
Sa. + So. 12 – 18 Uhr<br />
Der Eintritt ist frei. Führungen nach<br />
Absprache (Tel. 0234-32-286 44)<br />
BOCHUM SPEZIAL<br />
— Jedem Künstler seinen Raum: Im Innenhof Richard Serras Arbeit „Tod“, daneben Neon-Skulpturen von Dan Flavin. Rechts im Bild: Fingermalereien von Arnulf Rainer.<br />
Mitte 2006 hat sich die Situation<br />
Kunst vergrößert: Leicht erhaben, auf<br />
einer Ebene mit den vier „Hausbäumen“<br />
der vier ursprünglichen Pavillons, thront<br />
ein weiteres Gebäude, das neben Lichtkünstlern<br />
wie Dan Flavin, François Morellet<br />
und Colombo in zwei gedämpft<br />
beleuchteten Räumen Werke alter Kunst<br />
aus Afrika und Ostasien beherbergt. Ziel<br />
dieses Exkurses in die Vergangenheit sei<br />
es, so erklärt Bettina Eickhoff, „die Lücke<br />
zwischen der Sammlung antiker Kunst<br />
der <strong>Ruhr</strong>-Uni und der Sammlung von<br />
Gegenwartskunst aufzufüllen“. Mehr<br />
noch als der weibliche Bodhisattva-Kopf<br />
aus China – einer der wenigen erhaltenen<br />
und als „echt“ verifizierten Exemplare –<br />
faszinieren mich jedoch die beiden Außenraumskulpturen<br />
zur Linken und zur<br />
Rechten des Erweiterungsbaus: Links ist<br />
ein Kunstwerk der Natur zu sehen, ein<br />
Stück der 400 Jahre alten Süntelbuche<br />
aus dem benachbarten Schlosspark. Das<br />
Pendant auf der rechten Seite bildet eine<br />
Skulptur aus zwei Brammen und zwei<br />
Findlingen, die der koreanische Künstler<br />
Lee Ufan der „Situation Kunst“ gestiftet<br />
hat. Von den Findlingen ist nur einer zu<br />
sehen, der zweite befindet sich – vielleicht<br />
als Sinnbild für den Übergang zwischen<br />
Diesseits und Jenseits – unter der<br />
schweren Metallplatte. Auf einen Lieblingskünstler<br />
oder Lieblingsraum in dem<br />
Ensemble will Bettina Eickhoff sich nicht<br />
festlegen: das sei stimmungsabhängig.<br />
Als meditativ empfinde sie die Arbeit<br />
Noch mehr Kunst in Bochum<br />
■ Das Museum Bochum zeigt bis zum<br />
6.1. Deutsche Malerei seit 1968 aus der<br />
Sammlung Berg. Im Eigenbesitz sind<br />
etwa 4.000 Bilder, Skulpturen und Objekte<br />
mit Schwerpunkt auf zeitgenössischer<br />
ost- und mitteleuropäischer Kunst.<br />
■ Die berühmteste Plastik der Stadt ist<br />
das 1979 aufgestellte „Terminal“ von<br />
Richard Serra am Bochumer Hauptbahnhof.<br />
Die zwölf Meter hohe Skulptur des<br />
amerikanischen Künstlers verweist auf<br />
die von der Stahlindustrie geprägte<br />
Geschichte der Stadt.<br />
■ Die Stadt verfügt über eine Reihe<br />
interessanter Galerien. Gleich neben der<br />
„Situation Kunst“ liegt zum Beispiel die<br />
Avantgarde-Galerie m (siehe RUHR<br />
REVUE 2/2007).<br />
des Italieners Colombo, „das Ein- und<br />
Ausatmen des Lichts“, die dieser bereits<br />
in den 60er-Jahren entwickelt habe. Wie<br />
Licht atmen kann? Nun, wer es wissen<br />
möchte, möge der Beschilderung „Situation<br />
Kunst“ ab Weitmar-Mitte folgen und<br />
einmal beherzt auf den Klingelknopf<br />
drücken. ● mb<br />
— Die ganze Bandbreite der Kunst – von David Rabinowitchs Raumskulptur über Lichtkunst von François Morellet bis hin zu einer Außenraumskulptur von Lee Ufan<br />
44 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> | 45
BOCHUM SPEZIAL<br />
Bochumer Buchhandlungen empfehlen<br />
Lesefreude zum Verschenken<br />
Humorvoller Nachruf<br />
Die Figur des weltfremden,<br />
doch liebenswerten<br />
Professors hat<br />
schon Nabokov in seinem<br />
Roman Pnin verewigt.<br />
McCall Smith,<br />
Autor der beliebten Krimis<br />
um Mma. Ramotswe,<br />
hat Pnin nun einen<br />
Bruder im Geiste an die<br />
Seite gestellt: Prof.<br />
Moritz-Maria von Igelfeld, Autor der großartigen,<br />
aber unverkäuflichen Abhandlung<br />
Unregelmäßige portugiesische Verben. Im<br />
Gegensatz zu Pnin ist von Igelfeld zutiefst<br />
von seiner eigenen Wichtigkeit überzeugt.<br />
Die Ironie dieser Existenz, die immer wieder<br />
den angestammten Platz in der Kantine<br />
verteidigen oder dafür sorgen muss, dass<br />
das eigene Buch in der Bibliothek an gut<br />
sichtbarer Stelle steht, wird in diesem humorvollen<br />
Roman entfaltet. Von Igelfeld<br />
hat gegen uni-interne Intrigen und viele<br />
Tücken des Alltags zu kämpfen und wächst<br />
einem in seiner rührenden Gehemmtheit<br />
rasch ans Herz. Das Buch zaubert ein ständiges<br />
Lächeln der Vorerwartung auf unsere<br />
Lippen und gefällt bis zu seinem furiosen<br />
Finale.<br />
Leider wird es diesen Professorentypus<br />
an unseren zunehmend von Wissensmanagern<br />
geleiteten Universitäten bald gar nicht<br />
mehr geben. Somit ist der Roman schon<br />
ein Nachruf auf einen aussterbenden<br />
Berufszweig.<br />
Heinz Kischkel<br />
Janssen Universitätsbuchhandlung<br />
Alexander McCall Smith:<br />
Die verschmähten Schriften des Professor<br />
von Igelfeld ■ Roman ■ Blessing 2007 ■<br />
447 S. ■ 19,95 €<br />
46 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong><br />
Schenken ist schwierig. Bücher schenken auch, denn es kommt darauf an, den literarischen Geschmack des<br />
Beschenkten möglichst exakt zu treffen. Um Ihnen dabei ein wenig zu helfen, haben wir uns in Bochumer<br />
Buchhandlungen umgehört. Lesen Sie selbst, über welches Buchgeschenk sich die Experten gefreut hätten –<br />
vielleicht ist die eine oder andere Anregung für Sie dabei.<br />
Spannende Zeitreise<br />
Kirsten Boie, auf<br />
der Frankfurter Buchmesse<br />
für ihr Gesamtwerk<br />
mit dem<br />
Deutschen Jugendliteraturpreisausgezeichnet,<br />
begeistert<br />
nun schon seit 20<br />
Jahren ihre Leser<br />
mit so liebenswerten<br />
Figuren wie dem<br />
kleinen Ritter Trenk oder den Kindern aus<br />
dem Möwenweg. Boston, der Held in<br />
Boies jüngst erschienenen Werk „Alhambra“,<br />
hat sich seine Sprachreise nach Granada<br />
wahrscheinlich ein wenig gefahrloser<br />
vorgestellt. Eben befand er sich noch auf<br />
dem Markt, und plötzlich ist alles anders.<br />
Durch ein Tor in der Zeit ist Boston in das<br />
Jahr 1492 geraten, das Jahr, in dem Spanien<br />
endgültig aus maurischer Hand befreit<br />
wird. Die neuen Herrscher betreiben<br />
die Bekehrung Andersgläubiger mit größter<br />
Härte. Auch Boston gerät als vermeintlicher<br />
Teufelsbündner in die Fänge der Inquisition.<br />
Doch seine neuen Freunde, die<br />
als Muslim und Jude selbst verfolgt werden,<br />
stehen ihm bei seiner Rückkehr in<br />
die Gegenwart zur Seite. Diese hängt aber<br />
entscheidend von der Entdeckung Amerikas<br />
ab. So sieht sich Boston mit der Frage<br />
konfrontiert: Wie wäre die Weltgeschichte<br />
ohne die Entdeckung der Neuen Welt verlaufen?<br />
Kirsten Boie versteht es, Zeitreise und<br />
Abenteuer-Historie zu einer spannenden<br />
und detailreichen Erzählung zu vereinen.<br />
Ein absolut lesenswertes Buch für Jung<br />
und Alt!<br />
Stefan Cieslak<br />
Buchhandlung Schaten<br />
Kirsten Boie: Alhambra ■ Oetinger Verlag<br />
2007 ■ 432 S. ■ 17,90 €<br />
Einfühlsame Porträts<br />
Während des amerikanischen<br />
Bürgerkrieges<br />
zieht der Nordstaaten-<br />
General Sherman mit<br />
einer Armee von 60.000<br />
Mann gegen die abtrünnigen<br />
Südstaaten<br />
zu Felde. Doctorow<br />
schildert den Marsch<br />
von Shermans Verbänden<br />
durch Georgia und<br />
die Carolinas, indem er<br />
an verschiedenen Schauplätzen jeweils einzelne<br />
Personen hervorhebt, deren Lebensund<br />
Sterbewege sich im Verlauf des Romans<br />
kreuzen. Wunderbar einfühlsame<br />
Porträts sind darunter, etwa von befreiten<br />
Sklaven, von Frauen, die sich in den Wirren<br />
des Krieges behaupten oder von einfachen<br />
Soldaten, deren Menschlichkeit auch unter<br />
grausamsten Umständen hell leuchtet. Und<br />
auf nachgerade meisterhafte Weise läßt<br />
Doctorow die komplexe Persönlichkeit General<br />
Shermans deutlich werden. Ihm und<br />
den Soldaten auf beiden Seiten ist mit diesem<br />
großartigen Epos ein Denkmal gesetzt.<br />
Johannes Fischer<br />
Buchhandlung Napp<br />
E.L. Doctorow: Der Marsch ■ Kiepenheuer<br />
& Witsch 2007 ■ 411 S. ■ 22,90 €<br />
Elly Altegoer<br />
Die Rakete von Ehrenfeld<br />
„Von sechs bis sechs bin ich da. Kommen Sie einfach vorbei“, sagt Elly Altegoer<br />
am Telefon. Seit fast vierzig Jahren führt sie ihren Tante-Emma-Laden an der<br />
Königsallee 72, schräg gegenüber vom Bochumer Schauspielhaus. Hier kann man<br />
sein Hemd reinigen lassen und sein Herz ausschütten, hier gibt es frisch belegte<br />
Brötchen und praktische Lebenshilfe.<br />
Zwischen Plastikbechern mit dampfendem<br />
Kaffee findet Elly mit ihren Frühstücksgästen<br />
am Stehtisch für jedes Problem<br />
eine Lösung. Ein neues Heim für<br />
den Dackel einer verstorbenen Kundin?<br />
Eine dauerhafte Bleibe für den Intendanten<br />
des Schauspielhauses? „Matthias<br />
Hartmann kam schon zu mir, bevor seine<br />
Intendanz begann“, erinnert sich Elly<br />
Altegoer an die Zeit, als der ehemalige<br />
Bochumer Intendant noch in der Gästewohnung<br />
„Villa Wahnsinn“ wohnte.<br />
„Wenn er morgens mal nicht reinkam,<br />
hat er sich extra telefonisch abgemeldet.“<br />
Er wusste wohl, was er an seiner Elly<br />
hatte, die ihm bei jeder Premiere einen<br />
Glückspfennig in die Tasche steckte und<br />
– wo nötig – auch mal eine Kerze für ihn<br />
anzündete. Dass Hartmann nach Zürich<br />
gezogen ist, nimmt sie ihm immer noch<br />
BOCHUM SPEZIAL<br />
— Hinter dem abgewetzten Verkaufstresen fühlt<br />
Elly Altegoer sich zu Hause. Sie ist die Kommunikationszentrale<br />
des Bochumer Stadtteils Ehrenfeld.<br />
ein bisschen krumm. Aber sein Nachfolger<br />
Elmar Goerden wohnt ebenfalls gleich<br />
um die Ecke. „Der Elmar ist auch sehr<br />
nett“, schiebt Elly Altegoer schnell nach.<br />
Beim alljährlichen Sommerfest in Ellys<br />
Laden backe er immer die Reibekuchen.<br />
Für einen guten Zweck, versteht sich,<br />
„wir sind hier eine kleine Sozialstation.“<br />
| Sekt mit Herbert<br />
Das ehrliche Interesse der Elly Altegoer<br />
führen in Zeiten ungeduldiger Kassiererinnen<br />
Menschen aus dem ganzen Stadtteil<br />
Ehrenfeld immer wieder in das Lädchen<br />
an der Königsallee, darunter auch solche,<br />
die so berühmt geworden sind wie Herbert<br />
Grönemeyer. Von ihren Begegnungen<br />
mit der gebürtigen Bochumerin zeugen<br />
gerahmte Fotos im linken Teil von<br />
Ellys Laden, wo es Schreibwaren und<br />
„Schnuckerkram“ gibt. „Als der Herbert<br />
vor zwei Jahren an Heiligabend auf einmal<br />
in meinem Laden stand, sagte er:<br />
Elly, du hast dich überhaupt nicht verändert.“<br />
Dabei hatten die beiden sich dreißig<br />
Jahre lang nicht gesehen. Mit einem<br />
Gläschen Sekt standen sie dann zwischen<br />
Dosen mit sauren Schnullern, Papierwaren<br />
und Geschenkartikeln und plauderten<br />
über alte Zeiten. „Mein Vater hat bei Grönemeyers<br />
immer den Garten gemacht.“<br />
Als Herbert dann berühmt wurde, kam<br />
er nur noch selten. „Aber seine Mutter,<br />
die wohnt noch in der Arnikastraße.“<br />
Zum 30-jährigen Geschäftsjubiläum<br />
hat Armin Rohde, ebenfalls prominenter<br />
Kunde von Elly Altegoer, ihr per Urkunde<br />
den Titel „Rakete von Ehrenfeld“ verliehen.<br />
Recht hat er: Sie ist die Kommunikationszentrale<br />
des Stadtteils. Ihre Antennen<br />
sind stets auf Empfang, sie genießt<br />
das ständige Kommen und Gehen, das<br />
gemeinsame Lachen und Mutmachen.<br />
„Morgens zum Kaffeetrinken kommen<br />
immer dieselben Leute. Die stehen sogar<br />
zwanzig Minuten früher auf, um sich<br />
hier zu treffen. Von mir kriegen sie dann<br />
noch einen Kombucha.“ Wer’s alleine<br />
nicht mehr zu Ellys Laden schafft, den<br />
holt sie persönlich. Kein Wunder, dass<br />
ihre Kunden mit allen Mitteln versuchen,<br />
sie hier zu halten. Was sie bei Elly bekommen,<br />
gibt es eben nicht an jeder<br />
Tankstelle. ● mb<br />
<strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> | 47
BOCHUM SPEZIAL<br />
Begehen oder erfahren<br />
Auch wenn Heerscharen von<br />
Spaziergängern, Radlern, Joggern<br />
und Inline-Skatern einen<br />
anderen Eindruck vermitteln:<br />
Der Kemnader Stausee ist<br />
nicht das einzige Ausflugsziel<br />
in Bochum. Schon wenige<br />
Meter entfernt von der Rennstrecke<br />
rund um den See wird<br />
der Leinpfad schmaler und<br />
holpriger und die Landschaft<br />
idyllischer. Ebenso empfehlenswert<br />
ist es, von der <strong>Ruhr</strong>-Universität<br />
abwärts ins Lottental<br />
zu wandern oder einen Ausflug<br />
in den Botanischen Garten<br />
der Uni zu unternehmen.<br />
In traumhafter Lage hoch über<br />
dem Stausee thront der Bochumer<br />
Golfplatz – nicht nur<br />
geeignet zum Putten und Pit-<br />
48 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong><br />
Das grüne Bochum<br />
chen, sondern auch als Ausgangspunkt<br />
für Wanderungen.<br />
Ein schönes Waldgebiet<br />
mit Spazierwegen und Wildgehege<br />
ist das Weitmarer Holz,<br />
das sich von Bochum-Weitmar<br />
nach Bochum-Linden erstreckt.<br />
In Weitmar liegt ein kleiner<br />
— Herbst-Impressionen vom Kemnader Stausee (links und rechts unten) und aus<br />
dem Botanischen Garten (oben); nostalgisch: eine Fahrt mit der <strong>Ruhr</strong>talbahn<br />
— Treppen steigen lohnt sich: schöner Rundumblick vom Bismarckturm<br />
Schlosspark mit jahrhundertealten<br />
Bäumen und Schlossruine.<br />
Mit dem Fahrrad oder zu<br />
Fuß gelangt man von dort aus<br />
über eine ehemalige Bahntrasse<br />
zum Bahnhof Dahlhausen.<br />
Hier lohnt ein Abstecher zum<br />
Eisenbahnmuseum Dahlhausen<br />
mit seiner beeindruckenden<br />
Fahrzeugsammlung oder eine<br />
Fahrt mit der nostalgischen<br />
<strong>Ruhr</strong>talbahn (Info: www.eisenbahnmuseum-bochum.de).<br />
Die Innenstadt bezaubert<br />
mit dem 1876 im Stil eines<br />
englischen Gartens angelegten<br />
Stadtpark, der zu jeder<br />
Jahreszeit seinen Reiz hat.<br />
Ebenfalls zentral gelegen: der<br />
Westpark. Während die Jahrhunderthalle<br />
Kulturerlebnisse<br />
unterschiedlichster Art bietet,<br />
lädt das ehemalige Krupp-Gelände<br />
mit Radwegen, Wiesen<br />
und der kürzlich eröffneten<br />
Wasserwelt zur Erholung ein.<br />
Radeln kann man von hier<br />
aus bequem zum Industriedenkmal<br />
„Zeche Hannover“<br />
mit dem Kinderbergwerk<br />
„Zeche Knirps“. ● mb<br />
— Viel sattes Grün in der City<br />
bietet der Bochumer Stadtpark.<br />
Reservieren Sie sich den besten Platz.<br />
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die Straße zur Bühne. Denn es bietet nicht nur einen beeindruckend<br />
großen Laderaum, sondern auch ausgesprochen<br />
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Bummel in Bochum<br />
„Gehse inne Stadt ...“<br />
Der rote Teppich ist jetzt ausgerollt und geleitet Bochumer<br />
und ihre Gäste vom frisch renovierten Hauptbahnhof aus<br />
geradewegs in die Fußgängerzone.<br />
Die Huestraße führt direkt ins<br />
„Quartier“, wo sich kleine<br />
Boutiquen mit Mode, Schuhen,<br />
Taschen, Wäsche und<br />
Accessoires niedergelassen haben.<br />
Am entgegen gesetzten<br />
Ende der Fußgängerzone, im<br />
ehemaligen Gerberviertel,<br />
befindet sich die Bochumer<br />
„Wohnmeile“: In Möbelhäusern<br />
wie „Blennemann“ und<br />
„Die Einrichter.home“, einem<br />
Leuchtengeschäft, einem gut<br />
sortierten Haushaltwarengeschäft<br />
und Dickerhoffs „Design<br />
+ Handwerk“ findet man viele<br />
schöne Dinge zum Wohnen<br />
und Wohlfühlen. Zwischen<br />
nördlicher und südlicher Innenstadt<br />
liegen das große,<br />
1827 eröffnete Modehaus<br />
50 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong><br />
Baltz, das denkmalgeschützte<br />
Kortumhaus – inzwischen leider<br />
kein Kaufhaus mehr – und<br />
die Einkaufszentren Drehscheibe<br />
und City-Point.<br />
Appetit bekommen? Im<br />
„Alten Brauhaus Rietkötter“,<br />
dem ältesten erhaltenen Wohnhaus<br />
der Bochumer Innenstadt,<br />
lässt es sich in gepflegter<br />
Tradition speisen. Zum neudeutschen<br />
„Business Lunch“<br />
treffen sich Geschäftsleute<br />
gern im „Living Room“. Wer<br />
weniger Zeit und Geld zur<br />
Verfügung hat, ist mit einem<br />
kleinen Imbiss gut bedient.<br />
„Gehse inne Stadt, wat macht<br />
dich da satt – ‘ne Currywurst“,<br />
empfiehlt Herbert<br />
Grönemeyer. Dabei meint er<br />
— Einkaufen vor historischer Fassade: das Kortumhaus an der gleichnamigen Straße<br />
gewiss „die Echte“ von Dönninghaus,<br />
die man in Bochum<br />
seit Generationen verputzt.<br />
„Mittlerweile liefern wir auch<br />
nach Sylt, Stuttgart und München“,<br />
berichtet Geschäftsführer<br />
Dirk Schulz, dessen Großvater<br />
das Unternehmen vor<br />
— Ein junges Geschäft in der Nähe des Schauspielhauses: Wohnbar<br />
Jedes Jahr wieder die gleiche Frage: Was verschenke ich zu Weihnachten?<br />
Verschenken Sie doch Erinnerungen.<br />
Wir digitalisieren in unserem Filmstudio Ihre Super 8, Videofilme und Dias<br />
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ist eine Film-, TV- und Multimedia Produktion mit Sitz in Mülheim an der <strong>Ruhr</strong><br />
BOCHUM SPEZIAL<br />
— Bochum bietet beides: gepflegte Gastlichkeit, zum Beispiel im Alten Brauhaus Rietkötter, und lebendiges Sehen-und-gesehen-werden im Bermuda3eck.<br />
rund 70 Jahren gegründet und<br />
die Rezeptur für die Kultwurst<br />
samt Soße kreiert hat. 2007<br />
gab es dafür von der Deutschen<br />
Lebensmittelgesellschaft<br />
die Goldmedaille. Klasse trotz<br />
Masse: 40.000 bis 50.000<br />
Würste und 300 bis 400 Liter<br />
Currysoße produziert Dirk<br />
Schulz mit seinem Team allwöchentlich.<br />
Wer es etwas leichter mag,<br />
dem sei die „Aubergine“ in der<br />
Nähe des Bochumer Schauspielhauses<br />
empfohlen: mediterrane<br />
Kost in geschmackvollem<br />
Ambiente, dazu ein<br />
schönes Glas Wein. Zu fortgeschrittener<br />
Stunde treffen sich<br />
hier Theaterleute und Theaterfreunde.<br />
Der Stadtteil Ehrenfeld<br />
rund um das Schauspiel-<br />
haus wird langsam, aber sicher<br />
vom Geheimtipp zum Szeneviertel.<br />
Hier gibt es – in gebührendem<br />
Abstand zur Kneipenmeile<br />
„Bermuda3eck“ –<br />
Gastronomiebetriebe mit Charakter<br />
(Orlando, Freibad) und<br />
neuerdings auch ein paar kleine<br />
Geschäfte, die sich mit originellen<br />
Konzepten von der<br />
Masse abheben: „Stückgut“ in<br />
— Erfolgreicher „Herr der Würste“: Dönninghaus-Chef Dirk Schulz macht Currywurst nach Großvaters Rezeptur.<br />
der Königsallee führt Modedesign<br />
aus dem <strong>Ruhr</strong>gebiet;<br />
Wohnkultur, Kunst und Handwerk<br />
offeriert gleich um die<br />
Ecke die „Wohnbar“. Wer seinen<br />
Schmuck selbst gestalten<br />
möchte, findet in der „Perle“<br />
eine reiche Auswahl an Materialien,<br />
und das „Meilenweit“<br />
versorgt Reiseradler mit der<br />
passenden Ausstattung. ● mb<br />
Riesig einkaufen<br />
... kann man auch außerhalb<br />
der Bochumer City. Der<br />
<strong>Ruhr</strong>-Park in Bochum-Werne,<br />
Deutschlands größtes Einkaufszentrum,<br />
liegt unmittelbar<br />
an der A 40 und ist auch<br />
mit öffentlichen Verkehrsmitteln<br />
gut zu erreichen. Der 9.<br />
Dezember ist ein verkaufsoffener<br />
Sonntag: 13 bis 18 Uhr.<br />
<strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> | 51
SPRACHE<br />
Im Land der Wollgrenze<br />
52 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong><br />
Das <strong>Ruhr</strong>gebiet und seine Sprachen<br />
In Dortmund sacht man „woll“, nicht wahr – aba in Bochum nich, ne? Wie kommt dat?<br />
Über den Verlauf der „Wollgrenze“, über langlebige, ressentimentgeladene Klischees von<br />
der <strong>Ruhr</strong>-Sprache und über die korrekte Aussprache von „Gelsenkiachen“ unterhielten<br />
wir uns mit dem Bochumer Experten Prof. Heinz H. Menge.<br />
— Stadtgrenze in Somborn: Kopfstein ist typisch<br />
Bochum. Rechts Dortmund und damit Woll-Gebiet.<br />
Auch eine Art, sich jünger zu<br />
machen: Am Telefon klingt<br />
der Professor nach etwa fünfzig<br />
Lebensjahren. In Wahrheit<br />
ist er 63. Aber er spricht mit<br />
deutlichem <strong>Ruhr</strong>-Akzent. Das<br />
ist, wie er bestätigt, eher ungewöhnlich<br />
für einen Akademiker<br />
seines Alters. Solch selbstbewusstes<br />
Wechseln vom<br />
Hochdeutschen in die Umgangssprache<br />
leisten sich meist<br />
nur Bildungsbürger, die mindestens<br />
zehn Jahre jünger sind<br />
als Menge. Sie formten ihre<br />
Sprachgewohnheiten zu Zeiten,<br />
da man das Idiom nicht<br />
mehr so drastisch wie einst<br />
stigmatisierte: als Proletendeutsch<br />
mit falscher Aussprache,<br />
verstümmelter Grammatik<br />
und fremden Einsprengseln.<br />
| Sag Gelsenkirchen<br />
Heinz Menge ist Germanist<br />
und als solcher fokussiert auf<br />
linguistische und mediävistische<br />
Themen. <strong>Ruhr</strong>deutsch ist<br />
sein wissenschaftliches Hobby.<br />
Gelernt hat er es von der Pike<br />
auf: geboren in Herten, zur<br />
Schule gegangen in Recklinghausen,<br />
1965 als Pionier-Student<br />
an der Bochumer RUB<br />
immatrikuliert. Dass die Erziehung<br />
zum Hochdeutschen bei<br />
ihm nicht in aller Konsequenz<br />
gewirkt hatte, merkte Menge<br />
so recht bei seinen vielen<br />
beruflichen Auslands-Aufenthalten.<br />
„Heinz, sag’ mal Gelsenkirchen“,<br />
frozzelten ihn<br />
Schweizer Kollegen, und wenn<br />
er es dann tat, „lachte alles“.<br />
Menge aber fragte sich: Worüber<br />
lachen die eigentlich?<br />
Gängige Erklärung sei damals<br />
das fehlende „r“ in der<br />
Aussprache gewesen, sagt<br />
Menge. Aber wer nördlich des<br />
Mains sprach denn „Gelsenkirrrrchen“<br />
überhaupt noch<br />
mit bühnenreif gerolltem „r“?<br />
Tatsächlich, überlegte Menge,<br />
ist der gelängte Kurzvokal vor<br />
dem verschwundenen „r“ die<br />
<strong>Ruhr</strong>-Spezialität, wobei das „r“<br />
durch einen kurzen „e“- oder<br />
„a“-Laut ersetzt wird: Statt<br />
eines knappen „Kurs“, „Kerl“<br />
oder „Kirchen“ hört man dann<br />
„Kuues“, „Keeal“ oder eben<br />
„Gelsenkiiachen“. Und das<br />
klang für die Schweizer komisch.<br />
Heinz Menge meint, dass<br />
es eigentlich nicht viel ist, was<br />
das <strong>Ruhr</strong>deutsche in der Aussprache<br />
vom Hochdeutschen<br />
unterscheidet: Das fehlende<br />
„r“, die langen Vokale, wo sie<br />
nicht hingehören, ebenso die<br />
kurzen (wie in „Omma“ statt<br />
„Oma“). Und natürlich „dat<br />
und wat“. Dazu kommen<br />
grammatikalische Eigenwilligkeiten<br />
wie die Verlaufsform<br />
(„et is am reechnen“), die<br />
Possessivkonstruktion „unser<br />
Omma ihr Häusken“, das<br />
„nach“ statt „zu“ („nach Aldi<br />
gehen“), Zusammenziehungen<br />
(„kumma“) und nicht zuletzt<br />
die falsche Verwendung von<br />
Dativ und Akkusativ („im Bett<br />
gehen“). Gerade das Letztere,<br />
so Menge, habe früher als<br />
sprachliche Todsünde gegolten,<br />
als Beweis für die bodenlose<br />
Dummheit des Sprechers,<br />
mindestens aber dafür, dass<br />
Deutsch an der <strong>Ruhr</strong> durch<br />
eine ungebildete, entwurzelte,<br />
oft fremdsprachige Industriearbeiterschaft<br />
zu einer Art „Pidgin“<br />
verstümmelt worden sei.<br />
| Wo der Mottek hängt<br />
Da ist wenig Wahres dran. Der<br />
bis heute vielzitierte polnische<br />
Einfluss auf die Sprache an der<br />
<strong>Ruhr</strong> zum Beispiel hat praktisch<br />
nicht stattgefunden, sagt<br />
Heinz Menge. Daran ändert<br />
auch der unweigerlich genannte<br />
„Mottek“ (Hammer) nichts.<br />
Warum auch, so Menge, hätten<br />
die Deutschen an der <strong>Ruhr</strong><br />
polnische Spracheigenheiten<br />
übernehmen sollen? Das passiere<br />
nur, wenn die zugewanderte<br />
Sprachgruppe ein hohes<br />
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SPRACHE<br />
<strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> | 53
SPRACHE<br />
Prestige habe. Die „Pollacken“<br />
aber wurden damals mindestens<br />
so skeptisch betrachtet<br />
wie später die Türken, und wo<br />
man ihre Ausdrucksweise imitierte,<br />
machte man sich über<br />
sie lustig: Polen fingen Sätze<br />
halt oft mit dem Verb an, wie<br />
in ihrer eigenen Sprache, sie<br />
ließen den Artikel weg, weil<br />
sie ihn nicht kannten, und sie<br />
streuten mal ein polnisches<br />
Wort ein. Das haben Deutsche<br />
dann nachgeäfft: „Hab ich genommen<br />
Mottek und…“ Aber<br />
sprachprägend war das Polnische<br />
so wenig wie heute das<br />
Türkische. Kuckstu…<br />
In Wahrheit ist <strong>Ruhr</strong>deutsch<br />
sehr bodenständig; fast alle<br />
seine Merkmale sind auf das<br />
früher allgegenwärtige Platt<br />
zurückzuführen, sagt Heinz<br />
Menge. Das gilt für „dat“ und<br />
„wat“, und gerade auch für die<br />
Vertauschung von Dativ und<br />
Akkusativ. Im Niederdeutschen<br />
gibt es dafür nur einen „Einheitskasus“;<br />
Schwierigkeiten<br />
mit dem Hochdeutschen sind<br />
programmiert. Trotzdem setzten<br />
Lehrer um 1900 gerade<br />
diese Eigenheit nahezu mit<br />
Schwachsinn gleich – in den<br />
wachsenden Städten des <strong>Ruhr</strong>gebiets<br />
vermutlich rigoroser<br />
als auf dem Land, weil sie sich<br />
der Wurzeln der Alltagssprache<br />
weniger bewusst waren.<br />
| Das Platt weggebügelt<br />
Die Lehrer setzten alles daran,<br />
den Kindern ihr heimatliches<br />
Platt vollständig auszutreiben.<br />
Die moderne Vorstellung, verschiedene<br />
sprachliche „Register“<br />
für unterschiedliche Gelegenheiten<br />
zu verwenden, war<br />
ihnen völlig fremd. Platt ist<br />
denn auch seit Jahrzehnten<br />
praktisch ausgestorben. Weil<br />
die Leute gedrängt wurden,<br />
auch im Alltag „richtig“ zu<br />
sprechen, obwohl die hochdeutsche<br />
Prägung durch eine<br />
Volksschulkarriere sicher nicht<br />
54 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong><br />
— Dat muss auch Spässken bringen:<br />
Professor Heinz H. Menge ist die Lust<br />
am <strong>Ruhr</strong>deutschen anzusehen.<br />
vollständig sein konnte, entstand<br />
erst recht jene Mischform,<br />
die als typisch „ruhrdeutsch“<br />
empfunden wird. So<br />
gesehen, meint Heinz Menge,<br />
seien die bildungsbeflissenen<br />
Lehrer selbst für das Entstehen<br />
jener Sprache verantwortlich,<br />
die sie dann jahrzehntelang so<br />
verteufelten.<br />
Warum aber hat gerade das<br />
<strong>Ruhr</strong>deutsche einen so hartnäckig<br />
schlechten Ruf? Das sei<br />
eine sehr schwierige Frage,<br />
sagt Menge. Von der besonders<br />
„verdächtigen“ Vertauschung<br />
von Dativ und Akkusativ abgesehen,<br />
spiele wohl das Image<br />
der Region eine große Rolle bei<br />
der Bewertung des jeweiligen<br />
Dialekts. Sächsisch, zum Beispiel,<br />
rangiere bei Umfragen<br />
seit langer Zeit ganz unten in<br />
der Beliebtheitsskala. Wer nun<br />
eilfertig meint, das sei bei dem<br />
Klang auch kein Wunder, sollte<br />
sich hüten: „Sächsisch war<br />
einmal durchaus prestigeträchtig“,<br />
erklärt Menge, „das hat<br />
sich erst gedreht, als Sachsen<br />
sich zum Industriegebiet entwickelte.“<br />
So ähnlich muss es<br />
an der <strong>Ruhr</strong> gewesen sein:<br />
Was die zusammengewürfelte<br />
Masse ungebildeter Arbeiter<br />
im dreckigen Schmelztiegel<br />
spricht, das kann eben nichts<br />
sein.<br />
Als sich die ersten Forscher<br />
über das sprechende <strong>Ruhr</strong>volk<br />
beugten, taten sie das mit unglaublicher<br />
Arroganz. Da wurden<br />
als Beispiel für Bergarbeitersprache<br />
sogar Schriftproben<br />
eingewanderter Polen benutzt,<br />
die prompt als Belege für geistige<br />
Beschränktheit gewertet<br />
wurden. Dabei hatten die Polen<br />
ihr Deutsch auf einleuchtende<br />
Weise „phonetisch“ ge-<br />
schrieben – so, wie heutzutage<br />
Erstklässler schreiben dürfen.<br />
Gern hielt man dem <strong>Ruhr</strong>menschen<br />
auch die begrenzte Zahl<br />
jiddischer Wörter in ihrem<br />
Sprachschatz vor: „Maloche“,<br />
„Tinnef“ oder „Achiele“ (das<br />
Essen) galten natürlich spätestens<br />
nach 1933 als Beweise für<br />
die Verderbtheit der politisch<br />
ohnedies zweifelhaften <strong>Ruhr</strong>arbeiter.<br />
| Mamma somma komm<br />
Seit den siebziger Jahren gab<br />
es eine neue Welle des wissenschaftlichen<br />
Interesses am<br />
<strong>Ruhr</strong>deutschen, wobei die Fragestellung<br />
ganz im Geist der<br />
Zeit meist auf die mögliche<br />
soziale Benachteiligung der<br />
Dialektsprecher zielte. Das<br />
Thema ist bis heute nicht vom<br />
Tisch. Auch <strong>Ruhr</strong>deutsch-<br />
Freund Menge ist keineswegs<br />
der Ansicht, nun solle jedes<br />
Kind einfach so sprechen, wie<br />
ihm der Schnabel gewachsen<br />
ist. Wer etwa im Vorstellungsgespräch<br />
seinen möglichen<br />
Arbeitgeber mit „Könnsema...“<br />
um nähere Stellenbeschreibung<br />
bitte, der habe bei anspruchsvolleren<br />
Jobs eher schlechte<br />
— Professor Menge und eine Sprachkarte über die Verbreitung von „ne“, „woll“ und anderen „nicht wahr“-Variationen.<br />
Karten.<br />
Ein derber<br />
<strong>Ruhr</strong>-Akzent in<br />
solcher Situation<br />
gibt nach wie vor<br />
Anlass zu Zweifeln an der<br />
Qualifikation des Kandidaten.<br />
„Mach mich ma’n Pils“ an der<br />
Theke ist in Ordnung, wenn es<br />
nicht gekünstelt ist. Aber beim<br />
Kundengespräch sollte allenfalls<br />
eine Spur von <strong>Ruhr</strong> mitklingen.<br />
Es scheint jedoch,<br />
dass <strong>Ruhr</strong>deutsch Sprechende<br />
zunehmend über die Fähigkeit<br />
verfügen, sich dem Hochdeutschen<br />
situationsgerecht mehr<br />
oder minder anzunähern; die<br />
„schlimmsten“ Fehler wie<br />
Dativ- und Akkusativverwechslung<br />
sind auf dem Rückzug.<br />
Es sind Untersuchungen<br />
zum Thema erschienen, so<br />
hochgelehrt, da kannze nur<br />
mitti Ohren schlackern – über<br />
die „Klitisierung von Pronomina<br />
und Artikelformen im<br />
<strong>Ruhr</strong>deutschen“ und ihre<br />
„prosodisch-phonetischen<br />
Eigenschaften“ zum Beispiel.<br />
Es geht dabei, wenn wir recht<br />
verstehen, um unsere ausgeprägte<br />
Neigung, gewisse Wortteile<br />
zu verschleifen und verschlucken,<br />
bis hin zu Extremen<br />
wie „Samma Mamma<br />
somma komm’“ („Sag mal<br />
der Mama, sie solle mal kommen.“)<br />
Die Arbeit ist vor einigen<br />
Jahren entstanden – in<br />
Köln. Den Eindruck, dass<br />
das Thema bei uns „vor Ort“<br />
an Schwung verloren habe,<br />
bestätigt Heinz Menge: Im<br />
Vergleich sei die regionale<br />
Sprachforschung im <strong>Ruhr</strong>gebiet<br />
schwach etabliert, und in letzter<br />
Zeit fehle es an Geld –<br />
„obwohl die Studierenden sehr<br />
großes Interesse zeigen“. Und<br />
obwohl, so könnte man hinzufügen,<br />
der bewusste Umgang<br />
mit dem <strong>Ruhr</strong>deutschen auch<br />
einen wachsenden Stolz auf<br />
die Region und ihre Sprache<br />
verrät.<br />
| Krauses Bäumchen<br />
Untersuchungen aber sind aufwändig,<br />
zumal das Idiom zwischen<br />
Dortmund und Duisburg<br />
keinesfalls einheitlich ist. Gerade<br />
die Verwurzelung im alten<br />
Platt hat zur Folge, dass es<br />
ganz kleinräumige Unterschiede<br />
gibt. Das trifft auch auf die<br />
„Wollgrenze“ zu. Eigentlich<br />
verläuft die alte Sprachgrenze<br />
zwischen westfälischer und<br />
niederfränkischer Mundart bei<br />
Essen grob nordsüdlich durchs<br />
<strong>Ruhr</strong>gebiet. Und „woll“ für<br />
„nicht wahr“ ist eine Eigenheit,<br />
die sich in einem relativ<br />
kleinen, südwestlichen Grenz-<br />
gebiet Westfalens findet. Also<br />
müsste die Wollgrenze eigentlich<br />
auch bei Essen verlaufen.<br />
Tut sie aber nicht.<br />
Eher ist sie zwischen Bochum<br />
und Dortmund zu vermuten.<br />
Warum? Weiß man<br />
nicht. Das seien eben, sagt<br />
Menge, diese typisch kleinräumigen<br />
Sprachunterschiede.<br />
Auch der genaue Verlauf der<br />
Wollgrenze sei nicht etabliert.<br />
Dass sie den zwischen Bochum<br />
und Dortmund zweigeteilten<br />
Vorort Somborn exakt<br />
durchschneidet, wie unser Bild<br />
suggeriert, wird man kaum<br />
annehmen können. Irgendwo<br />
zwischen Lütgendortmund<br />
und Langendreer? So ungefähr.<br />
Wie die Grenze weiter verläuft?<br />
Witten sagt „woll“, Hattingen<br />
„ne“, so viel ist klar.<br />
Aber auf welcher Seite Castrop<br />
im Norden liegt, ist schon<br />
zweifelhaft. Und wie sich das<br />
„woll“ weiter entwickelt, liegt<br />
auch im Nebel. In Dortmund,<br />
glaubt Menge, sei es auf dem<br />
Rückzug, „aber in Schwerte<br />
lebt es fröhlich weiter. Warum,<br />
SPRACHE<br />
— Die Wollgrenze aufs gestalterische<br />
Geratewohl: In Wahrheit ist ihr Verlauf<br />
im Norden und Süden ungewiss.<br />
das ist schwer<br />
zu sagen.“ Um solch<br />
kleinräumige Sprachgewohnheiten<br />
zu dokumentieren,<br />
müssten<br />
Studenten ausschwärmen,<br />
„da muss man an<br />
die Türen und Zäune“, sagt<br />
der Professor, „und zum Beispiel<br />
die Kleingärtner interviewen.“<br />
So könnte man auch<br />
die vielen nur ganz lokal bekannten<br />
Ausdrücke katalogisieren,<br />
die populäre „<strong>Ruhr</strong>-Wörterbücher“<br />
leider oft in einem<br />
Wust kurzlebiger Wendungen<br />
aus dem Jugendjargon verstecken.<br />
Mit der <strong>Ruhr</strong>sprache ist<br />
die Wissenschaft also „noch<br />
lange nich am Krausen Bäumchen“<br />
(wie Essener sagen).<br />
Ein Forschungsinstitut zur<br />
Geschichte und Entwicklung<br />
der <strong>Ruhr</strong>gebietssprache – wäre<br />
das nicht was für die „Kulturhauptstadt“?<br />
Für die „<strong>Ruhr</strong><br />
2010 GmbH“? Die regionalen<br />
Sponsoren? Hallo? Hallo!<br />
„Hallo“, sagte einst in<br />
Essen der Straßenbahnfahrer,<br />
schloss die Tür und rauschte<br />
dem keuchenden Fahrgast vor<br />
der Nase weg, „Hallo is in<br />
Stoppenberch!“ Aber das muss<br />
ja nicht die letzte Bahn gewesen<br />
sein. Und eine Kulturhauptstadt,<br />
die nichts von<br />
ihrer eigenen, einzigartigen<br />
Sprache wissen will, wäre<br />
schon irgendwie komisch, ne?<br />
● -na<br />
<strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> | 55
PORTRÄT<br />
56 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong><br />
— „Wir sind die Konzertreihe<br />
der Zukunft“. Claudius Tanski<br />
ist überzeugt vom Konzept der<br />
Zollverein-Konzerte.<br />
— Fünf Hallen stehen für die Zollverein-<br />
Konzerte zur Verfügung, und jede<br />
einzelne bietet eine einzigartige Akustik.<br />
PORTRÄT<br />
Claudius Tanski<br />
Der Impresario von Zollverein<br />
Hartnäckig war Claudius Tanski schon als Sechsjähriger. Damals leierte er sei-<br />
nen Eltern den ersten Flügel seines Lebens aus den Rippen. Nun ist der Wunder-<br />
knabe, der mit 14 Jahren ein Klavierstudium an der Folkwang Hochschule in<br />
Essen begann, schon eine Weile erwachsen; doch die Fähigkeit, Menschen für<br />
seine Ideen zu begeistern, hat er sich bewahrt. Diesem Talent ist es zu verdan-<br />
ken, dass die kleine, extravagante Reihe der Zollverein Konzerte soeben ihr<br />
zehntes <strong>Jubiläum</strong> feiern konnte.<br />
| Ideen würfeln<br />
Tanski, geboren 1959 in Essen, ist ein<br />
vielfach ausgezeichneter, international<br />
renommierter Pianist. Seit 1988 unterrichtet<br />
er am „Mozarteum“, der berühmten<br />
Hochschule für Musik und darstellende<br />
Kunst in Salzburg. Seit 1997 gestaltet<br />
er zudem als Künstlerischer Leiter das<br />
Programm der Zollverein Konzerte auf<br />
dem Gelände des Essener Weltkulturerbes.<br />
Weit über 100 Aufführungen – vom<br />
Soloabend bis zum philharmonischen<br />
Konzert – hat er im Laufe der Jahre mit<br />
kleinem Budget und großem Engagement<br />
auf die Beine gestellt. Mittlerweile sind es<br />
20 pro Jahr. „Wir sind die Konzertreihe<br />
der Zukunft“, verkündet Tanski selbstbewusst,<br />
aber ohne Arroganz.<br />
Mit einem Anruf eines Freundes, des<br />
inzwischen verstorbenen Galeristen Jochen<br />
Krüper, fing 1996 alles an. Krüper,<br />
der damals schon sein Quartier in Halle 6<br />
auf Zollverein bezogen hatte, fragte: „Sag<br />
mal, wollen wir dort was mit Musik<br />
machen? Du kennst dich doch aus.“ Tanski<br />
hatte zu dem Zeitpunkt keinerlei Erfahrung<br />
als Intendant und sagte dennoch Ja.<br />
„Wir haben dann Ideen gewürfelt.“ Herausgekommen<br />
ist eine Mischung aus Klassik,<br />
Weltmusik und Jazz, die Experimente<br />
wagt und das Publikum begeistert.<br />
Gern erinnert sich Tanski an das erste<br />
Konzert am 5. September 1997 mit zwölf<br />
Cellisten der Berliner Philharmoniker.<br />
Auch andere Aufführungen gingen in die<br />
Geschichte des Weltkulturerbes ein, zum<br />
Beispiel 2002 die Open Air Stummfilmvorführung<br />
des „Panzerkreuzer Potemkin“<br />
mit der Staatskapelle Weimar oder<br />
die Freiluft-Aufführung von Fritz Langs<br />
„Metropolis“ unter dem Förderturm, musiziert<br />
von der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz.<br />
Im wahrsten Sinne des Wortes<br />
Staub aufgewirbelt hat der Argentinier<br />
Dino Saluzzi mit seinem Bandoneon, der<br />
noch vor dem Umbau der Kohlenwäsche<br />
dort gastierte. „Das war ein ganz besonderes<br />
Publikum: fast alles Bandoneon-<br />
Spieler“, erinnert sich Tanski.<br />
| Von Brendel bis Niedecken<br />
So unterschiedlich wie die Zuhörer sind<br />
die Musiker: 2007 marschierte das Ausbildungsmusikkorps<br />
der Bundeswehr<br />
übers Gelände, um im Salzlager der Kokerei<br />
gemeinsam mit dem Orchester der<br />
Folkwang Hochschule die Oper „Le Prophète“<br />
in ihrer ursprünglichen Fassung<br />
uraufzuführen. Erst kurz zuvor hatte<br />
man noch Teile des Werkes entdeckt. Mit<br />
seinen Beziehungen zur internationalen<br />
Musikszene gelingt es Tanski immer wieder,<br />
Weltstars für Konzerte auf Zollverein<br />
zu gewinnen. So seinen früheren Lehrer,<br />
den Pianisten Alfred Brendel, den Saxophon-Virtuosen<br />
Jan Garbarek, den BAP-<br />
Frontmann Wolfgang Niedecken, die in<br />
Bayreuth berühmt gewordene Mezzosopranistin<br />
Waltraud Meier und erst jüngst<br />
<strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> | 57
PORTRÄT<br />
— Freiluft-Aufführung unterm Förderturm: Fritz Langs „Metropolis“, musiziert von der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, begeisterte 2002 das Publikum.<br />
die gefeierte Bratschistin Tabea Zimmermann<br />
– übrigens Ehefrau von Steven<br />
Sloane.<br />
Üppige Gagen sind es nicht, die diese<br />
und andere namhafte Künstler dem Ruf<br />
nach Zollverein folgen lassen; es ist der<br />
genius loci in Verbindungen mit Tanskis<br />
ansteckendem Idealismus. Diese Tugend<br />
sei übrigens typisch für das <strong>Ruhr</strong>gebiet,<br />
meint Tanski: „Hier zählen Risiko- und<br />
Leistungsbereitschaft.“ Salzburg, wo Tanski<br />
mit seiner Familie lebt, ist da etwas<br />
58 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong><br />
anders: Die Stadt sei „wie ein Museum,<br />
mit wenig Platz für Innovationen.“ Dankbar<br />
kann der gebürtige Essener Salzburg<br />
trotzdem sein: Im Studium hat er dort<br />
in der „langweiligsten Vorlesung“ seine<br />
schweizerische Ehefrau kennen gelernt,<br />
die heute ebenfalls am Mozarteum Klavier<br />
unterrichtet. Die beiden haben zwei<br />
musikalische Kinder, Elena (15) und Adrian<br />
(19), und auch sie haben bereits mehrere<br />
Zollverein-Abende gestaltet. Wenn<br />
es nach dem Vater geht, machen sie die<br />
— Nicht selten ist der mehrfach ausgezeichnete Pianist auf Zollverein selbst auf der Bühne zu erleben.<br />
Musik aber nicht zu ihrem Hauptberuf.<br />
Immer kämpfen müssen, um seinen Lebensunterhalt<br />
zu bestreiten – das sei<br />
„furchtbar“.<br />
| Heimat<br />
Obwohl Claudius Tanski nur alle zwei<br />
Wochen ein paar Tage in seiner Heimat<br />
verbringt, fühlt er sich dem Ruhgebiet<br />
eng verbunden. Die Mutter, Kind ostpreußischer<br />
Einwanderer, ist auf Essens<br />
Margarethenhöhe aufgewachsen. Für<br />
Tanski ist die Vergangenheit mit Kohle<br />
und Stahl nicht negativ besetzt. „Die<br />
Leute waren Teil einer großen Familie“,<br />
sagt er und verweist auf die Kruppsche<br />
Sozialfürsorge. Er selbst ist im Stadtteil<br />
Schonnebeck groß geworden. „In unserem<br />
Hinterhof sah es aus wie im Wunder<br />
von Bern“, erinnert sich Tanski. „Stilles<br />
Glück“ nennt er das. Für Nostalgie ist<br />
allerdings kaum Zeit, wenn Tanski bei<br />
seinen Eltern zu Besuch ist. Es gilt, die<br />
nächsten Konzerte zu organisieren, Gespräche<br />
und Verhandlungen zu führen,<br />
Presse und Sponsoren zu interessieren.<br />
| Halle 12<br />
Auf der ganzen Welt konzertieren, in<br />
Salzburg unterrichten, in Essen eine Konzertreihe<br />
leiten – wie bekommt Tanski<br />
das unter einen Hut? „Alles meine Hobbys“,<br />
lautet die einfache Antwort. Und<br />
das ist heute nicht viel anders als in seiner<br />
Kindheit. Der Großvater spielte Harmonium,<br />
in der Familie wurde viel ge-<br />
sungen. Folglich ging der kleine Claudius<br />
bereits in den Bach-Chor, übte am Harmonium<br />
und erkämpfte sich schließlich<br />
besagten Flügel. Der steht jetzt noch im<br />
Wohnzimmer seiner Eltern, wo wir den<br />
Musiker treffen. „Es sieht hier noch genauso<br />
aus wie vor dreißig Jahren“, freut<br />
sich Tanski, „nur die Sessel haben einen<br />
neuen Bezug bekommen.“ Im Flur hängen<br />
vergilbte Plakate, die Tanskis Auftritte<br />
ankündigen. Eines davon hat er in Polen<br />
von einer Wand gekratzt, ein anderes<br />
wirbt für sein erstes gemeinsames Konzert<br />
mit Tabea Zimmermann, die er<br />
zwanzig Jahre später beim <strong>Jubiläum</strong>skonzert<br />
auf Zollverein begleiten sollte. Deren<br />
Begeisterung für die Akustik der Halle 12<br />
hat Tanski erneut in seinem Engagement<br />
für den Standort bestätigt. „Sie hat gesagt:<br />
Das ist der Kammermusiksaal!“<br />
| Noten und Nöte<br />
Solches Lob entschädigt für manche unangenehme<br />
Verhandlung: „Die Managerin<br />
des WDR Rundfunkchors musste ich fragen,<br />
ob ihre Musiker bereit seien, ohne<br />
Bezahlung zu spielen.“ In solchen Situationen<br />
ist Tanski hin- und hergerissen<br />
zwischen der Solidarität mit den Künstler-<br />
Kollegen und dem Wissen um die Finanzzwänge.<br />
„Ich muss mich oft fragen: Was<br />
ist die peinlichste Gage, die ich anbieten<br />
kann? Davon nehme ich dann die Hälfte.“<br />
Rund 60.000 Euro – 20.000 von der Stiftung<br />
Zollverein, dazu bis zu 40.000 Euro<br />
von den Freunden und Förderern des<br />
Weltkulturerbes – stehen für 20 hochkarätige<br />
Konzerte im Jahr zur Verfügung.<br />
An jeder Ecke muss Tanski sparen, und<br />
sei es, indem er die Texte fürs Programmheft<br />
selbst schreibt. „Gott sei dank finde<br />
ich immer wieder Partner und Sponsoren,<br />
wenn ich Unternehmen abklappere.“<br />
| „Das Unzulängliche“<br />
Fragt er nach öffentlichen Mitteln, bekommt<br />
Tanski oft zu hören: „Wozu?<br />
Läuft doch alles prima!“ Dass er ein engagiertes<br />
Team und fünf wunderbare<br />
Hallen habe, will Tanski nicht bestreiten.<br />
„Ich kann aber nicht langfristig planen“,<br />
bemängelt er – und tut es dennoch: Für<br />
den 8. Mai 2008 hat der Künstlerische<br />
Leiter zum Beispiel die japanische Stargeigerin<br />
Midori verpflichtet. Tanski, der<br />
gern mehr Verantwortung auf Zollverein<br />
übernehmen würde, träumt von einer<br />
Symbiose aus Musik, Lesung, Symposium,<br />
Kabarett und Kleinkunst. „Es könnte<br />
noch ganz anders laufen“, meint er,<br />
„Ideen gibt es genug.“ Eine davon verrät<br />
er auch gleich: Für 2010 plant er eine<br />
Open Air-Aufführung von Gustav Mahlers<br />
dann 100 Jahre alter 8. „Symphonie der<br />
1.000“. In ihr hat Mahler die Schlussszene<br />
des „Faust II“ vertont. „Wenn das kein<br />
Motto ist für 2010!“, begeistert sich Tanski<br />
und zitiert: „Alles Vergängliche ist nur<br />
ein Gleichnis. Das Unzulängliche, hier<br />
wird’s Ereignis.“ ● mb<br />
Das steht an auf Zollverein<br />
25. Januar 2008<br />
WDR Big Band Köln und Nicholas Payton<br />
29. Januar 2008<br />
„Voilà la France“. Symphoniekonzert<br />
des Orchesters der Folkwang Hochschule<br />
unter David de Villiers in Kooperation<br />
mit der Philharmonie Essen. Ein riesiges<br />
Plakat am Förderturm soll den Bruderkuss<br />
von Adenauer und de Gaulle zeigen.<br />
„Eine Kindheitserinnerung von<br />
mir“, so Tanski.<br />
15. Februar 2008<br />
WDR Big Band Köln „Very Personal“<br />
18. April 2008<br />
WDR Big Band Köln und McCoy Tyner<br />
8. Mai 2008<br />
Midori<br />
C<br />
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PORTRÄT<br />
<strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> | 59
RUHR-FAMILIEN<br />
— August Thyssen am Eingang seines<br />
Schlosses. Im Vergleich zur herrischen<br />
Pose des hochaufgeschossenen Alfred<br />
Krupp wirkt der kleine Mann harmlos.<br />
Der Eindruck täuscht.<br />
60 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong><br />
Die Thyssens waren späte Zuwanderer<br />
aus Eschweiler bei<br />
Aachen. Dort war die Familie<br />
seit Generationen gutbürgerlich<br />
verwurzelt. Erst 1867 kam<br />
August Thyssen ins <strong>Ruhr</strong>gebiet.<br />
Sein Vater war technischer Leiter<br />
einer Drahtfabrik in Eschweiler<br />
gewesen und hatte sich<br />
dann mit einem Bankgeschäft<br />
selbstständig gemacht. Genau<br />
diese Kombination aus technischem<br />
und ökonomischem<br />
Wissen wählte auch August<br />
Thyssen bei seiner Ausbildung,<br />
ehe er für kurze Zeit ins väterliche<br />
Geschäft einstieg und<br />
bald darauf mit 25 Jahren nach<br />
Duisburg kam.<br />
Dort hatten die wallonischen<br />
Industriellen Bicheroux<br />
ein Bandeisenwalzwerk gegründet.<br />
In diese Familie hatte<br />
August Thyssens Schwester<br />
Balbina eingeheiratet, und so<br />
erhielt der junge August die<br />
Chance, mit 8000 Talern vom<br />
Vater in das Unternehmen einzusteigen<br />
und die kaufmännische<br />
Leitung zu übernehmen.<br />
Er muss das gut gemacht haben,<br />
denn die Firma florierte.<br />
Doch Thyssen wollte nach<br />
vier Jahren mehr unternehmerische<br />
Freiheit. Er investierte<br />
sein ansehnlich vermehrtes<br />
Firmenkapital und einen gleich<br />
hohen Beitrag von seinem Vater<br />
in ein eigenes Unternehmen,<br />
diesmal in Styrum (heute<br />
Mülheim). Am 2. Oktober<br />
1871 begann das Bandeisenwalzwerk<br />
„Thyssen & Co.“ mit<br />
der Produktion. Das war die<br />
Keimzelle des späteren Stahlriesen<br />
Thyssen.<br />
Die Thyssens<br />
Stahlfamilie mit Hang zum Adel<br />
Seit fast zehn Jahren gehören die beiden Familiennamen<br />
zusammen wie Castrop und Rauxel: ThyssenKrupp, schrift-<br />
bildlich so eng beieinander, dass auch nicht das dünnste<br />
Blech dazwischenpasst. Als Familie waren die Thyssens,<br />
im Vergleich mit den Krupps, an der <strong>Ruhr</strong> kaum verwurzelt.<br />
Ihre aktive Heiratspolitik nach Art der Habsburger zielte<br />
nur kurz aufs Mülheimer Bürgertum – und dann auf den<br />
europäischen Adel. Das sprichwörtliche Glück der Öster-<br />
reicher hatten sie dabei insgesamt eher nicht.<br />
Als Vater Thyssen gestorben<br />
war, trat 1877 August Thyssens<br />
jüngerer Bruder Joseph als<br />
Mitinhaber ein. Er kümmerte<br />
sich vorwiegend um die internen<br />
Abläufe, während August<br />
Thyssen die Firma nach außen<br />
vertrat und bald zügig erweiterte.<br />
Die beiden Brüder scheinen<br />
ein seltenes Beispiel familiär-unternehmerischer<br />
Eintracht gewesen zu sein.<br />
Der Umstand, dass ihre<br />
Schreibtische in einem Raum<br />
beieinander standen, gilt in<br />
der Unternehmenschronik als<br />
Beweis für ihre Vertrautheit.<br />
Die Zusammenarbeit endete<br />
erst 1915, als Joseph Thyssen<br />
auf dem Werksgelände verunglückte<br />
und an den Verletzungen<br />
starb.<br />
— August (links) und Joseph Thyssen arbeiteten brüderlich zusammen.<br />
RUHR-FAMILIEN<br />
In die Zeit der brüderlichen<br />
Unternehmensleitung fällt die<br />
gewaltige Expansion der Firma<br />
Thyssen & Co. Unter mehreren<br />
Bergwerken, Kalksteinbrüchen<br />
und Roheisenproduzenten, die<br />
Thyssen zur Versorgung seines<br />
Unternehmens kaufte, war die<br />
Gewerkschaft „Deutscher Kaiser“<br />
in Hamborn der dickste<br />
Fisch. Was Thyssen an der Zeche<br />
besonders reizte, waren<br />
ihre Gleisanbindungen und ein<br />
eigener Rheinhafen. Nach und<br />
nach kaufte er das wenig ergiebige<br />
Gelände über den Grubenfeldern<br />
auf und errichtete<br />
dort ein gewaltiges Stahl- und<br />
Walzwerk, das bis heute den<br />
Kern des Stahlunternehmens<br />
ThyssenKrupp bildet.<br />
| Der kleine Stahlbaron<br />
Bis zum Ersten Weltkrieg<br />
wuchs Thyssen zu einem führenden<br />
Stahlproduzenten und<br />
Bergwerksunternehmen heran<br />
– im Vergleich zum Nachbarn<br />
Krupp ein blitzartiges Wachstum.<br />
Der Name Thyssen war<br />
binnen 30 Jahren zu einem<br />
Synonym für die Schwerindustrie<br />
an der <strong>Ruhr</strong> geworden,<br />
nicht aber so berühmt oder<br />
berüchtigt wie Krupp. Denn<br />
Thyssen lieferte zwar rüstungstauglichen<br />
Stahl, produzierte<br />
aber selbst keine Waffen. Den<br />
Ruhm eines Kanonenkönigs<br />
machte der kleine Stahlbaron<br />
August Thyssen (er maß 1,56<br />
Meter) seinen Konkurrenten<br />
Alfred und Friedrich Alfred<br />
Krupp nicht streitig.<br />
Weniger Glück als mit der<br />
Firmenexpansion hatten die<br />
<strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> | 61
RUHR-FAMILIEN<br />
Brüder Thyssen beim Versuch,<br />
eine Familiendynastie zur weiteren<br />
Beherrschung des Unternehmens<br />
zu etablieren. Dabei<br />
hatten beide ganz sichergehen<br />
wollen und in Mülheimer Unternehmerfamilieneingeheiratet.<br />
Joseph Thyssen heiratete<br />
Klara Bagel; beide Söhne traten<br />
auch in die Firma ein.<br />
Doch ihre schwache Gesundheit,<br />
so die Firmenchronik,<br />
erlaubte aktive Mitarbeit nur<br />
für kurze Zeit. August Thyssen<br />
62 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong><br />
— Schloss Landsberg kurz nach dem Einzug August Thyssens. Heute gibt es diese Perspektive so nicht mehr; der nachwachsende Wald hat das Haus versteckt.<br />
wählte die Unternehmertochter<br />
Hedwig Pelzer, doch außer<br />
schnellem Kindersegen in Gestalt<br />
von Fritz, August junior,<br />
Heinrich und Hedwig war der<br />
Ehe kein Glück beschieden.<br />
Wie Alfred Krupp hatte der<br />
Workaholic August Thyssen<br />
wenig Zeit und Interesse für<br />
die Wünsche seiner jungen<br />
Frau. Wie Bertha Krupp verbrachte<br />
Hedwig immer mehr<br />
Zeit fern von der <strong>Ruhr</strong> und<br />
genoss das gesellschaftliche<br />
Leben in vornehmen Badeorten.<br />
Dass sie dabei die Grenzen<br />
des Schicklichen überschritt,<br />
hatte „nicht zu verheimlichende<br />
Folgen“, wie es<br />
in der Firmenchronik dezent<br />
heißt. Obwohl das Kind nicht<br />
lebend zur Welt kam, ließ<br />
August Thyssen sich scheiden.<br />
Hedwig Thyssen ging ihrer<br />
Wege; die Kinder kamen unter<br />
die Obhut des Kindermädchens.<br />
Vater August hat sich<br />
wenig um sie gekümmert;<br />
alles andere wäre für einen<br />
vielbeschäftigten Mann seiner<br />
Zeit aber auch sehr ungewöhnlich<br />
gewesen.<br />
| Umzug ins Grüne<br />
Dreißig Jahre lang wohnte<br />
August Thyssen mit seiner<br />
Familie in jener Villa, die er<br />
bei seiner Mülheimer Firma<br />
hatte bauen lassen. Dass sie<br />
zunehmend eingeengt war<br />
zwischen Fabrikhallen, Gleisanlagen<br />
und dem benachbar-<br />
ten Gaswerk, war für einen<br />
aktiven Firmenherrn wie Thyssen<br />
nicht unüblich: So konnte<br />
er im Werk jederzeit zur Stelle<br />
sein. Als alter Mann und Single<br />
folgte Thyssen schließlich<br />
doch dem Trend und zog, wie<br />
andere Industrielle auch, aus<br />
dem Dunstkreis seiner Werke<br />
ins Grüne. Schließlich gab es<br />
inzwischen Telefon. Anders als<br />
Alfred Krupp baute Thyssen<br />
sich keinen eigenen Palast; er<br />
kaufte ein Schloss und ließ es<br />
großzügig umbauen: Landsberg<br />
bei Kettwig.<br />
— Links August Thyssens Arbeitszimmer; rechts der wunderschöne Wintergarten. Der Architekt schwelgte in verschiedenen alten Stilen, aber mit Geschmack. — Die Küche lieferte Exquisites per Aufzug aus dem Souterrain.<br />
Thyssen auf Schloss Landsberg,<br />
Krupp auf Villa Hügel –<br />
die Namen legen falsche Vorstellungen<br />
nahe. Tatsächlich<br />
hat Krupps „Villa“ weit eher<br />
die Dimensionen eines herrschaftlichen<br />
Schlosses, während<br />
der alte Adelssitz Landsberg<br />
von bescheidenerem<br />
Zuschnitt ist und nach dem<br />
Umbau für Thyssens Bedürfnisse<br />
durchaus als größere<br />
Fabrikanten-Villa gelten kann.<br />
Und während „Villa Hügel“<br />
unübersehbar über dem <strong>Ruhr</strong>tal<br />
thront, versteckt sich<br />
Landsberg geradezu im Wald<br />
oberhalb der Kettwiger <strong>Ruhr</strong>.<br />
Wer den Weg hinauf zum<br />
Schloss findet, gar bei einer<br />
Führung einen Blick ins Innere<br />
werfen kann, stellt sofort fest,<br />
um wie vieles intimer dieses<br />
Haus wirkt.<br />
RUHR-FAMILIEN<br />
— August Thyssens Schlafzimmer mit<br />
dem kurzen Bett zeigt überraschend<br />
feminines Dekor. Im prächtigen Jugendstilbad,<br />
inspiriert durch die Pariser<br />
Weltausstellung, soll der Hausherr<br />
böse hingefallen sein.<br />
Gleichwohl hat August<br />
Thyssen sein Schloss hauptsächlich<br />
zu Repräsentationszwecken<br />
gekauft. Gut möglich,<br />
dass der alte Fuchs damit „antizyklisch“<br />
handelte: 1902,<br />
als er das Projekt anstieß, litt<br />
seine Firma unter einer allgemeinen<br />
Stahl-Absatzkrise und<br />
war zeitweise knapp bei Kasse.<br />
Da konnte es nicht schaden,<br />
so ThyssenKrupp-Chefarchivar<br />
Manfred Rasch, mit dem Kauf<br />
des Schlosses Solidität zu demonstrieren.<br />
Das Erdgeschoss<br />
verfügt denn auch über eine<br />
Flucht repräsentativer Räume,<br />
bei denen der oft als geizig<br />
beschriebene Thyssen gewiss<br />
nicht auf den Pfennig gesehen<br />
hat. Sein Architekt bediente<br />
sich in jedem Raum auf andere<br />
Weise aus dem großen<br />
Fundus des Historismus, aber<br />
gediegen und keineswegs vulgär.<br />
Von besonderem Reiz ist<br />
der Jugendstil-Wintergarten.<br />
| Schloss ohne Familie<br />
Die restaurierten Privaträume<br />
im Obergeschoss spiegeln das<br />
Leben eines allein lebenden,<br />
von Personal umsorgten älteren<br />
Herrn – und den praktischen<br />
Sinn des alten Thyssen.<br />
Wenn er sich zurückzog und<br />
nach oben ging, führte der<br />
<strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> | 63
RUHR-FAMILIEN<br />
Weg von der Treppe geradewegs<br />
ins Alltags-Bad samt WC.<br />
Und von dort ging es in sein<br />
kleines Schlafzimmer mit dem<br />
verblüffend kurzen Einzel-Himmelbett.<br />
Die Einrichtung zeigt<br />
dunkles Eichenholz, wie es<br />
sich für einen gesetzten, konservativen<br />
Mann geziemt –<br />
aber auch eine floral gemusterte,<br />
überraschend „romantische“<br />
Tapete. Dass Thyssen<br />
hingegen für Literatur wenig<br />
übrig hatte, zeigt ein Blick ins<br />
Arbeitszimmer: Die Bibliothek<br />
darf als „übersichtlich“ bezeichnet<br />
werden.<br />
August Thyssen lebte allein<br />
auf Schloss Landsberg, aber er<br />
war kein kränkelnder Eigenbrötler<br />
wie Alfred Krupp in seinen<br />
letzten Jahren auf Hügel.<br />
Er war zwar mit seinen 1,56<br />
64 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong><br />
— August Thyssens Kinder mit ihrem früheren Kindermädchen: (von links) August jr., Fritz, Heinrich und Hedwig.<br />
Metern, seiner hohen Stimme<br />
und dem trippelnden Schritt<br />
kein körperlich eindrucksvoller<br />
Mann; von schwachen Augen<br />
abgesehen, war er jedoch bis<br />
kurz vor seinem Tod gesund<br />
und fit. Und angesichts des<br />
Doppelbetts im „besten Gästezimmer“<br />
werden Besucher<br />
mit der überraschenden Tatsache<br />
vertraut gemacht, dass<br />
Thyssen eine Gefährtin hatte,<br />
die unten in Kettwig vor der<br />
Brücke wohnte, aber oft oben<br />
auf Landsberg zu Gast war.<br />
| Streit mit den Kindern<br />
Als August Thyssen im April<br />
1926 auf Landsberg starb, war<br />
die Geschichte des großen<br />
Familienunternehmens Thyssen<br />
praktisch schon beendet,<br />
die Familie selbst zerbrochen.<br />
Landsberg wurde nie, wie<br />
Thyssen in seinem Testament<br />
gewünscht hatte, zum Treffpunkt<br />
seiner Kinder und<br />
Enkel. Das alles ging wohl<br />
letztlich auf Augusts gescheiterte<br />
Ehe zurück. Weil seine<br />
Frau eine beträchtliche Mitgift<br />
ins Unternehmen eingebracht<br />
hatte, übertrugen sie bei der<br />
Trennung ihr gemeinsames<br />
Vermögen schon auf die Kinder.<br />
August Thyssen indessen<br />
behielt sich das Verfügungsrecht<br />
über die Werke vor. Darüber<br />
kam es besonders mit<br />
Tochter Hedwig und August<br />
junior zu bitterem Streit, unter<br />
dem der alte Thyssen litt.<br />
Möglich, dass der Vater nun<br />
die Quittung dafür bekam,<br />
dass seine Kinder praktisch<br />
elternlos aufgewachsen waren.<br />
Ausgerechnet August junior,<br />
eigentlich der Lieblingssohn,<br />
war ein unsteter Charakter<br />
und geradezu das schwarze<br />
Schaf der Familie. Er und Hedwig<br />
wurden früh ausbezahlt<br />
und hatten mit der Firma<br />
Thyssen nichts mehr zu tun.<br />
Fritz Thyssen, der älteste,<br />
war die tragische Figur seiner<br />
Familie. Seinetwegen, glaubt<br />
Firmenarchivar Manfred<br />
Rasch, hat Patriarch August<br />
1925 beschlossen, den größten<br />
Teil seines gewaltigen Unternehmens<br />
in die „Vereinigten<br />
Stahlwerke“ einzubringen.<br />
Diesen Trust hatten führende<br />
Unternehmen der Branche gegründet,<br />
um durch Rationalisierung<br />
die anhaltende Krisenanfälligkeit<br />
zu beenden. Krupp<br />
war dem Zusammenschluss am<br />
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RUHR-FAMILIEN<br />
— Hang zum Adel: links Baron Heinrich und Margareta Thyssen-Bornemisza mit Kindern. Rechts oben Bürger August Thyssen mit Tochter Hedwig und ihren Kindern<br />
aus zwei Ehen: Sie heißen von Berg und von Neufforge. Unten der alte Thyssen (links) 1924 bei seiner letzten Grubenfahrt, mit Gussi und Konrad Adenauer.<br />
Ende fern geblieben. Augusts<br />
zweitgeborener Sohn, Heinrich,<br />
hielt auch Thyssen allein<br />
für stark genug. Doch die Führung<br />
der Firma wäre Fritz zugefallen,<br />
dem Ältesten. Den<br />
aber, da ist sich Manfred Rasch<br />
sicher, erkannte August Thyssen<br />
letztlich als idealistischen<br />
Wirrkopf, der Chefrolle nicht<br />
gewachsen.<br />
| Ende des Imperiums<br />
So ging der größte Teil des<br />
Thyssen-Imperiums 1926 in<br />
die Vereinigten Stahlwerke<br />
über, wo der Stinnes-Manager<br />
Albert Vögler als Vorstandschef<br />
die Zügel fest in der Hand<br />
hielt. Fritz Thyssen blieb als<br />
Aufsichtsratsvorsitzender dem<br />
laufenden Geschäft fern. In<br />
dieser Rolle jedoch beging<br />
Thyssen eine Dummheit, die<br />
viel zum – weitgehend falschen<br />
– Ruf der Schwerindus-<br />
66 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong><br />
trie als frühem Förderer der<br />
Nationalsozialisten beitrug.<br />
Thyssen hatte sich nämlich<br />
in die Idee vom „Ständestaat“<br />
verguckt, wie sie damals von<br />
mehreren Vordenkern am<br />
rechten politischen Rand propagiert<br />
wurde. In der Praxis<br />
war das wenig mehr als eine<br />
mittelalterlich-romantische Verbrämung<br />
für autoritäre Staatsführung,<br />
wie bei den italienischen<br />
und österreichischen<br />
Faschisten. In Deutschland<br />
spielten unter anderem der<br />
machthungrige Kurzzeit-Kanzler<br />
Franz von Papen und die<br />
Nazis mit der Idee.<br />
Fritz Thyssen förderte die<br />
NSDAP und mühte sich, das<br />
Misstrauen seiner Industriekollegen<br />
gegenüber dem radikalen<br />
Schreihals Hitler zu zerstreuen.<br />
Berüchtigt wurde in<br />
diesem Zusammenhang eine<br />
„staatsmännische“ Rede Hitlers<br />
im Düsseldorfer Industrieclub<br />
1932. Thyssen wurde Parteimitglied<br />
und 1933 von der<br />
neuen Regierung mit Ämtern<br />
überhäuft. In Düsseldorf durfte<br />
er ein „Institut für Ständewesen“<br />
gründen, das aber schon<br />
1936 wieder geschlossen wird.<br />
Thyssen hatte zu viele Konkurrenten<br />
im NS-Kompetenzdschungel,<br />
und der „Ständestaat“<br />
war out. Schon im Sommer<br />
1934 hatte Fritz Thyssen<br />
wohl fast alle seine Illusionen<br />
hinsichtlich der Nazi-Führung<br />
verloren: als sie nämlich ihre<br />
blutige „Säuberung“ in der SA<br />
vollzog und dabei gleich auch<br />
ein paar ehemalige Verbündete<br />
aus dem rechten Lager umbringen<br />
ließ – darunter Edgar<br />
Jung, einen der Ständestaatsideologen.<br />
Die wachsende Distanz<br />
zwischen Vorzeige-Industriellem<br />
und Regime wird öffent-<br />
lich, als der Abgeordnete Fritz<br />
Thyssen im September 1939<br />
nicht zur Reichstagssitzung<br />
erscheint und statt dessen seinen<br />
Protest gegen den gerade<br />
begonnenen Polenkrieg an Göring<br />
telegrafiert. Thyssen geht<br />
in die Schweiz und will über<br />
Frankreich zu seiner Tochter<br />
nach Argentinien emigrieren.<br />
1940 bürgern ihn die Nazis<br />
aus und beschlagnahmen sein<br />
Vermögen, haben wollen sie<br />
ihn aber doch. Bei der Flucht<br />
bleiben die Thyssens in Vichy-<br />
Frankreich hängen und werden<br />
an Deutschland ausgeliefert.<br />
Dort werden sie interniert<br />
und schließlich bis Kriegsende<br />
in Konzentrationslagern festgehalten.<br />
Man kann wohl sagen, dass<br />
Fritz Thyssen teuer bezahlt<br />
hat für seinen Nazi-Irrtum. Er<br />
wurde denn auch beim Entnazifizierungsverfahren<br />
als „min-<br />
RUHR-FAMILIEN<br />
— Heinrich Thyssen-Bornemisza (links) um 1946; er starb 1947. Sein Sohn baute das Unternehmen mit großem Erfolg neu aufbauen. Rechts Fritz Thyssen bei seinem<br />
Entnazifizierungsverfahren 1948. Seine tragische Rolle als früher Förderer und späteres Opfer der Nazis wurde gewürdigt. Drei Jahre darauf starb er in Argentinien.<br />
derbelastet“ eingestuft, erhielt<br />
sein Vermögen zurück und<br />
ging 1950, mit zehnjähriger<br />
Verspätung, nach Argentinien.<br />
Ein Jahr später starb Thyssen<br />
dort an einem Herzschlag. Die<br />
„Vereinigten Stahlwerke“ wurden<br />
nach dem Krieg entflochten.<br />
Aus den meisten Thyssen-<br />
Teilen wurde nach und nach<br />
wieder ein großer Stahlkonzern<br />
namens Thyssen zusammengefügt,<br />
mit Schwerpunkt<br />
in Duisburg und Verwaltungssitz<br />
in Düsseldorf. Er wuchs<br />
und veränderte sich, übernahm<br />
andere Traditionsfirmen<br />
und dabei von der „Rheinstahl“<br />
auch den Bogen als Firmenlogo.<br />
1997 verschmolzen<br />
die Stahlsparten von Thyssen<br />
und Krupp; seit 1999 sind die<br />
beiden Firmen eins. Die Erben<br />
Fritz Thyssens traten als Leiter<br />
des Unternehmens nicht in Erscheinung,<br />
hielten aber noch<br />
bedeutende Anteile daran. Seit<br />
sie 1996 verkauften, sind Thyssens<br />
nicht mehr an der Firma<br />
beteiligt.<br />
| Hang zum Adel<br />
Ganz anders erging es Fritz’<br />
jüngerem Bruder, Heinrich<br />
Thyssen-Bornemisza. Der<br />
fremd klingende Zusatzname<br />
weist auf den erstaunlichen<br />
Hang der Thyssens zu großer<br />
Gesellschaft und Adel hin. Der<br />
alte August hatte, wie Alfred<br />
Krupp, eine Auszeichnung<br />
durch Adelstitel noch bürgerstolz<br />
zurückgewiesen. Und<br />
sein ältester Sohn, Fritz, hatte<br />
wiederum eine Mülheimer<br />
Unternehmertochter geheiratet,<br />
was dem Alten begreiflicherweise<br />
auch wieder nicht<br />
recht war. August junior dagegen<br />
bestand darauf, seine Militärzeit<br />
bei einem bis dato rein<br />
adeligen Regiment abzuleisten.<br />
Augusts Tochter Hedwig heiratete<br />
zuerst Freiherrn Ferdinand<br />
von Neufforge, später Baron<br />
Max von Berg. Fritz’ einzige<br />
Tochter Anita tat es ihr bald<br />
gleich; sie wurde durch Heirat<br />
mit Gabor Graf Zichy zu Anita<br />
Gräfin Zichy-Thyssen.<br />
Den Ton vorgegeben hat<br />
Heinrich Thyssen. 1905 ging<br />
er nach Ungarn, wurde ungarischer<br />
Staatsbürger und heiratete<br />
1906 Margareta Baronesse<br />
Bornemisza de Kászon. Sie<br />
war einziges Kind ihrer Eltern;<br />
ein Jahr später adoptierte der<br />
Vater seinen Schwiegersohn.<br />
Kaiser Franz Joseph, da gibt<br />
es wieder eine Parallele zu den<br />
Krupps, erteilte höchstselbst<br />
die Genehmigung und erlaubte<br />
Heinrich und seinen Nachfahren,<br />
Namen und Titel „Baron<br />
Bornemisza de Kászon“ zu<br />
führen. Heinrichs Glück: Da<br />
es sich um einen ungarischen<br />
Titel handelte und nicht um<br />
einen österreichischen, galt<br />
dieses Privileg über den Untergang<br />
der k.u.k. Monarchie<br />
hinaus.<br />
Vom Trust der „Vereinigten<br />
Stahlwerke“ hielt Heinrich<br />
nichts. Sein gemischtes Erbe<br />
aus einigen deutschen Thyssen-Werken<br />
und ausländischen<br />
Handelsaktivitäten mit Schwerpunkt<br />
in den Niederlanden<br />
führte er selbstständig weiter,<br />
unauffällig. Einen Namen<br />
machte er sich zusehends als<br />
Kunstfreund. Die Sammlung<br />
mit Werken von der Renaissance<br />
bis zur Romantik brachte<br />
er 1932 im schweizerischen<br />
Lugano unter. Sie galt schon<br />
damals als einer der weltweit<br />
größten privaten Kunstschätze.<br />
Als Heinrich Thyssen-Bornemisza<br />
1947 in Lugano starb,<br />
schien ihm außer der Sammlung<br />
nichts geblieben zu sein;<br />
<strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> | 67
RUHR-FAMILIEN<br />
das Unternehmen war im Krieg<br />
zu großen Teilen zerschlagen<br />
worden.<br />
Weit gefehlt. Was 1950<br />
wirklich verloren ging, war der<br />
Barons-Titel. Auf den musste<br />
Heinrichs Sohn Hans Heinrich<br />
verzichten, als er Bürger der<br />
erzrepublikanischen Schweiz<br />
wurde. Das Unternehmen aber<br />
machte Hans Heinrich nach<br />
und nach zu einem weltweit<br />
operierenden Mischkonzern<br />
„Thyssen-Bornemisza Group“,<br />
fernab aller Stahlkrisen und<br />
höchst erfolgreich. Berühmt<br />
wurde „Heini“ als besessener<br />
Sammler moderner Kunst –<br />
und auf dem gesellschaftlichen<br />
Parkett als Sammler schöner<br />
Frauen, von denen er fünf<br />
auch geheiratet hat. Dass es<br />
mit dem Adel nach der Einbürgerung<br />
in die Schweiz und<br />
der Scheidung von seiner ersten<br />
Frau – einer Prinzessin zur<br />
Lippe-Weißenfeld – eigentlich<br />
vorbei war, nahmen die Berichterstatter<br />
der einschlägigen<br />
Presse nie so genau. Als Thyssen<br />
nach einem neuen Standort<br />
für seine öffentlich zugängliche<br />
Sammlung suchte und in<br />
der Schweiz wenig Entgegenkommen<br />
fand, gab die Her-<br />
68 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong><br />
kunft seiner letzten Ehefrau<br />
den Ausschlag. So kommt es,<br />
dass es seit 1992 ein „Museo<br />
Thyssen-Bornemisza“ in Madrid<br />
gibt. Hans Heinrich Thyssen-Bornemisza,<br />
Schweizer<br />
Staatsbürger mit deutsch-ungarischem<br />
Namen, geboren<br />
in Den Haag, starb 2002 in<br />
Spanien.<br />
| Thyssen mit ü<br />
Alles in allem haben die Thyssens<br />
an der <strong>Ruhr</strong> nur ein kurzes<br />
Gastspiel gegeben. Etwa<br />
30 Jahre lang waren sie von<br />
1872 eine Mülheimer Familie,<br />
wenn auch seit 1885 mit mehr<br />
schlecht als recht „alleinerziehendem“<br />
Vater, ehe sie in alle<br />
Winde verstreut wurden. Erst<br />
im Tod sind einige von ihnen<br />
wieder an der <strong>Ruhr</strong> vereint: In<br />
der Familiengruft auf Schloss<br />
Landsberg ruhen neben dem<br />
alten August Thyssen auch<br />
Fritz, dessen Frau und deren<br />
einzige Tochter, sowie Heinrich<br />
und Hans Heinrich Thyssen-Bornemisza.<br />
Im übrigen wurde das<br />
Schloss während des Krieges<br />
vom „<strong>Ruhr</strong>stab“ des speerschen<br />
Rüstungsministeriums<br />
genutzt, anschließend von den<br />
alliierten Besatzern, diente<br />
dann jahrzehntelang unter<br />
wechselnder Trägerschaft als<br />
Kinder- und Freizeitheim.<br />
1989 wurde das Schloss zur<br />
Tagungs- und Seminarstätte<br />
der Thyssen AG, später ThyssenKrupp<br />
umgebaut. Dabei<br />
wurde das ganze Haus, einschließlich<br />
der Privatzimmer,<br />
liebevoll restauriert. Es ist fast<br />
so, als könnte jeden Moment<br />
— Schloss Landsberg als mustergültig<br />
restauriertes Tagungsgebäude. An<br />
einigen Stellen findet sich das Monogramm<br />
des Bauherrn: A.T.<br />
mit trippelnden Schritten der<br />
kleine, große Hausherr die<br />
Szene betreten: August Thyssen.<br />
Müsste man ihn, alte Frage,<br />
mit „Tüssen“ ansprechen<br />
oder mit „Tissen“? Archivar<br />
Manfred Rasche sagt, es gebe<br />
zwar keine Tonaufnahmen,<br />
doch habe der Alte seinen Namen<br />
stets mit zwei Pünktchen<br />
überm „y“ geschrieben. Also<br />
wohl: Tüssen. ● -na<br />
— Erst Im Tode vereint: Die Gruft der Thyssens im Bergfried des Schlosses<br />
Landsberg ist tatsächlich eine Familiengruft. August ist nicht mehr allein.<br />
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ARCHITEKTUR<br />
— Mit Villen in Witten fing es an. Auch dieses Haus<br />
wurde nach Vorgaben von Dr. Darmstadt restauriert.<br />
Zuvor hatte es hatte Abrisspläne gegeben …<br />
Ornament als Verbrechen – um 1900 mag das angemessene Polemik gegen zeittypischen Architektur-Schwulst gewesen<br />
sein. Doch nach 1945 ist der Ausspruch wie manch anderes Postulat der Moderne gröblich missbraucht worden: als Vor-<br />
wand für zahllose Verbrechen am Ornament, für Abriss oder brutale „Sanierung“ reich verzierter, alter Häuser. Die Bo-<br />
chumer Kunsthistorikerin Dr. Christel Darmstadt ficht seit über 35 Jahren einen zähen, zunehmend erfolgreichen Kampf<br />
gegen solchen Kahlschlag, für die Rehabilitierung von Schmuck und Stuck. Manches Verbrechen hat sie verhindert, vielen<br />
misshandelten Gebäuden hat ihr fachlicher Rat wieder zu einem Gesicht verholfen.<br />
70 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong><br />
Neuer Schmuck für alte Häuser<br />
Lebensthema Farbe<br />
| Jugendstil – wegsaniert<br />
„Häuser instand setzen – stilgerecht und<br />
behutsam“ heißt ein Ratgeber, den Darmstadt<br />
für alle geschrieben hat, die beruflich<br />
oder als Eigentümer mit alten Häusern zu<br />
tun haben. Darin findet sich eine Bildfolge,<br />
welche die ganze Misere ornamentfeindlicher<br />
Sanierung fühlbar macht. Erstes Bild:<br />
ein dreistöckiges Mietshaus mit Jugendstilfassade,<br />
Ende der sechziger Jahre, irgendwo<br />
im <strong>Ruhr</strong>gebiet. Der Putz ist verwaschen-grau<br />
und zeigt viele Wasserflecken.<br />
Doch die Fenster sind jugendstilig geschwungen,<br />
vielfach unterteilt, mit roten<br />
Holzrahmen. Man erahnt florale Verzierungen<br />
um die Fenster herum. Die Dachtraufe<br />
schwingt sich in der Mitte zu einem<br />
Bogen. Ein zweigeschossiger Erker trägt<br />
oben einen kleinen Balkon, und auch vom<br />
unteren Erkerzimmer geht links eine Tür<br />
zu einem angefügten Balkon.<br />
Heute wäre die Reaktion der meisten<br />
Menschen wohl einhellig: Wunderbar!<br />
Unbedingt renovieren und mit passenden<br />
Farben wieder zu einem Schmuckstück<br />
machen! Doch wer alt genug ist, kann<br />
sich an typische Kommentare der Zeit<br />
erinnern: Verschnörkelte Bruchbude! Bestimmt<br />
mit Kohleheizung. Diese schrecklich<br />
hohen Räume! Und die kleinteiligen<br />
Sprossenfenster – wer soll das putzen??<br />
So mögen selbst die Mieter gedacht haben.<br />
Auf dem zweiten Bild von etwa 1975<br />
sieht man: Nur das Nötigste wurde inzwischen<br />
investiert in das Haus – der graue<br />
Putz ist noch schrundiger. Aber einige Klagen<br />
seiner Mieter hat der Besitzer erhört:<br />
Das Haus starrt jetzt aus elf identischen,<br />
rechteckigen Fenstern auf die Straße.<br />
Zweiflügelig, leicht zu putzen, sicher mit<br />
Kunststoffrahmen. Öde und tot. Die besonders<br />
verzierten Oberlichter der Fenster<br />
sind verschwunden – grob zugemauert.<br />
Das gleiche bei der Eingangstür, die jetzt<br />
nicht mehr aus Holz ist, sondern aus Glas<br />
und Aluminium. Verschwunden ist auch<br />
der Dachbogen, sind die seitlichen Fenster<br />
und Türen an den Erkern; die Balkone<br />
sind brutal abgeschlagen.<br />
Bild drei aus den achtziger Jahren zeigt:<br />
Der Vermieter hat dann doch noch mal<br />
Geld in die Hand genommen, um sein<br />
räudiges Jugendstilhaus auch optisch zu<br />
sanieren. Es erhielt eine dicke Schicht aus<br />
beigefarbenem Reibeputz. Nun sieht es<br />
endlich aus wie tausend andere belangund<br />
gesichtslose Häuser aus den fünfziger<br />
Jahren. Von Jugendstil ist überhaupt nichts<br />
mehr zu sehen. Nur der schmucklose,<br />
ohne Balkonanbau seltsam asymmetrische<br />
Erker lässt ahnen, dass da mal mehr gewesen<br />
sein muss. Ein Jammer.<br />
| Gegen die Abrisswut<br />
Christel Darmstadt stammt aus dem Rheinland,<br />
und das hört man bis heute, obwohl<br />
sie schon Mitte der sechziger Jahre mit<br />
ihrem Mann ins <strong>Ruhr</strong>gebiet zog. Ihre erste<br />
Wohnung fanden sie in Witten. Dort bemerkte<br />
Christel Darmstadt schnell die vie-<br />
ARCHITEKTUR<br />
— Schmuck am Bau<br />
ist keineswegs ein<br />
Verbrechen. Auf die<br />
angemessene Restaurierung<br />
kommt es an,<br />
wie bei diesen Details<br />
des Wittener Hauses.<br />
len Häuser und Villen im Historismus- und<br />
Jugendstil, wie sie fürs <strong>Ruhr</strong>gebiet typisch<br />
sind. Und sie bemerkte auch, wie wenig<br />
diese Häuser galten: Wo nicht gleich abgerissen<br />
wurde, hat man den Häusern doch<br />
bei Sanierungen unbekümmert den Putz<br />
und Stuck heruntergeschlagen. „Das muss<br />
weg, hieß es damals“, sagt Darmstadt. Sie<br />
aber fragte sich. „Warum?“ Und kam darüber<br />
zur nächsten Frage: „Warum haben<br />
die Architekten diesen Schmuck überhaupt<br />
erst angebracht?“<br />
| Stuck mit Verstand<br />
So kam die Studentin Darmstadt auf das<br />
Thema ihrer Abschlussarbeit; dass es ein<br />
Lebensthema werden sollte, hat sie<br />
schwerlich geahnt, zumal es damals wirklich<br />
quer zum Zeitgeist lag. Gebäude des<br />
Historismus und Jugendstils in Witten waren<br />
ihr Gegenstand, und ihre These lief<br />
auf eine Rehabilitierung des viel geschmähten<br />
Historismus hinaus. Er galt weithin als<br />
architektonische Inkarnation des gernegroßen<br />
Wilhelminismus, als schwülstige Abwehr<br />
gegen die beginnende Moderne,<br />
wobei historische Baustile beliebig eklektisch<br />
vermengt wurden und der Hauptakzent<br />
auf überflüssigem Dekor lag. Christel<br />
Darmstadt sammelte Belege dafür, dass<br />
gute Architekten des Historismus die alten<br />
Prinzipien durchaus mit Sinn, Verstand<br />
und Geschmack anwandten und in freier<br />
Interpretation des jeweiligen Themas auch<br />
zu neuen, eigenen Lösungen kamen.<br />
<strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> | 71
ARCHITEKTUR<br />
— Die Innengestaltung der Lutherkirche am Bochumer Stadtpark hat Christel Darmstadt in allen Details entwickelt.<br />
Beruflich ging Christel Darmstadt zunächst,<br />
wie geplant, in die Erwachsenenbildung.<br />
In Witten, wo ihre „missionarische<br />
Tätigkeit“ begonnen hatte und sie<br />
„wie besessen alte Häuser fotografiert“<br />
hatte, gab es derweil ersten Zuspruch für<br />
ihre Arbeit. Sie wurde zu einem Vortrag<br />
gebeten. Weil sie im Begriff war, nach Bochum<br />
umzuziehen, meinte ein Wittener<br />
Sympathisant besorgt: „Und da nehmen<br />
Sie jetzt all das Material mit?“ Da beschloss<br />
Christel Darmstadt, einen Bildband<br />
über alte Häuser in Witten zu machen.<br />
72 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong><br />
Einen Verlag für das „abseitige“ Thema zu<br />
finden, schien aussichtslos, und so brachte<br />
sie das Buch 1973 im Selbstverlag heraus,<br />
auf eigene Kosten, „dafür habe ich auf<br />
meine neue Küche verzichtet.“<br />
| Schrittmacherin<br />
Der Verzicht – er galt nicht für alle Zeiten<br />
– brachte Erfolg: „In acht Monaten wurden<br />
1200 Exemplare von dem Buch verkauft“,<br />
sagt Darmstadt, und gewiss habe<br />
ihr Engagement dazu beigetragen, dass in<br />
Witten weniger alte Fassaden abgerissen<br />
und abgeschlagen wurden. Als 1980 das<br />
Denkmalschutzgesetz ein allmähliches<br />
Umdenken signalisierte und überall Listen<br />
denkmalwerter Gebäude erstellt wurden,<br />
konnte man in Witten bei Christel Darmstadt<br />
abschreiben: „Wir haben erst mal Ihr<br />
Buch genommen“, sagte ihr ein Denkmalpfleger.<br />
Ihre Stelle in der Erwachsenenbildung<br />
gab Christel Darmstadt während der siebziger<br />
Jahre nicht auf, aber „die Häuser“<br />
verlangten weiter Aufmerksamkeit und<br />
brachten erste Aufträge: ein Buch über alte<br />
— Dr. Christel Darmstadt in der kürzlich fertiggestellten Lutherkirche. Die Gestaltung passender Leuchter gehört zu den Spezialitäten der Kunsthistorikerin.<br />
Häuser in Krefeld zum Beispiel und, 1977,<br />
fachliche Beratung beim Restaurieren der<br />
Bochumer Arbeitersiedlung „Dahlhauser<br />
Heide“. In dieser Zeit kam Christel Darmstadt<br />
schließlich auf ihr ganz besonderes<br />
Thema, und das ließ dann irgendwann keinen<br />
Raum mehr für die Erwachsenenbil-<br />
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dung: Farbe. „In den siebziger Jahren<br />
schwappte die Farbwelle über Deutschland“,<br />
erinnert sich Darmstadt. Diese Lust<br />
an der Farbe hatte mit Mode zu tun und<br />
mit neuer Farbtechnologie. Die Frage,<br />
welche Farbe zu welchem alten Haus<br />
passte, stellte sich immer öfter und durch<br />
ARCHITEKTUR<br />
— Der Innenraum der Lutherkirche: Zurückhaltende Farbgestaltung lässt den alten Wandbildern überm Altar genügend Wirkung.<br />
das Denkmalschutzgesetz auch immer<br />
ernsthafter. Dass die Modefarben der Siebziger,<br />
dass Kombinationen von Dunkelbraun,<br />
Gruseldunkelgrün und Knatschorange<br />
auf historischen Hausfassaden<br />
wenig zu suchen hatten, war noch recht<br />
offensichtlich. Was aber passte von den<br />
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<strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> | 73
ARCHITEKTUR<br />
klassischen Farben? Muss eine Stuckfassade<br />
immer in Weiß und Lichtgrau strahlen,<br />
wie es zeitweise Mode wurde? Warum<br />
sieht ein Haus in Gelb gut aus und das<br />
andere schauerlich? Solche Fragen bescherten<br />
Christel Darmstadt anfangs der achtziger<br />
Jahre Vollbeschäftigung. Erstens machte<br />
sie daraus ihre Doktorarbeit, in der sie<br />
aus eigenen Befunden und Quellenaussagen<br />
eine Art Regelwerk für die Farbigkeit<br />
verschiedener Baustile destillierte. Die<br />
frischgebackene Dr. Darmstadt brachte<br />
dann eine „Fassadenfibel“ heraus, in der<br />
74 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong><br />
sie zum ersten Mal der wachsenden Zahl<br />
jener Hausbesitzer Rat gab, die ihre Gebäude<br />
stimmig und denkmalgerecht gestalten<br />
wollten. Später folgte das grundlegende<br />
Buch „Fassaden gestalten mit Farbe“, dessen<br />
fünfte Auflage derzeit in Arbeit ist.<br />
| Dreimal Europa Nostra<br />
Vor allem aber gab es nun eine wachsende<br />
Zahl von Beratungsaufträgen bei Restaurierungen<br />
historischer Häuser, wobei es natürlich<br />
half, dass „ihre“ Häuser bald Preise<br />
in Fassadenwettbewerben gewannen. An-<br />
fangs, sagt Darmstadt, seien Architekten<br />
und Bauleute oft noch skeptisch gewesen:<br />
Frau am Bau, „da kommt wohl so eine<br />
Seidenmalerin.“ Inzwischen hat Christel<br />
Darmstadt sich den Ruf erworben, am Bau<br />
durchaus ihren Mann zu stehen, zumal sie<br />
sich unerschrocken auf dem Gerüst auch<br />
um hochliegende Details kümmert. Das<br />
ist übrigens der Grund, warum sie ihre<br />
Arbeit, trotz bundesweiter Reputation, fast<br />
ganz auf das <strong>Ruhr</strong>gebiet und seine nähere<br />
Umgebung beschränkt: „Ich muss schnell<br />
mal beim Objekt draußen sein können.“<br />
Außerdem weiß sie in der Region, welches<br />
Untenehmen welche Arbeit zu welchen<br />
Preisen ausführen kann.<br />
Schwerpunkt der Beratungsarbeit waren<br />
zunächst Wohn- und Geschäftshäuser sowie<br />
Siedlungen. Die Arbeit an einer Bergarbeiter-Kolonie<br />
in Kamp-Lintfort führte<br />
dann zu einem besonders spannenden Projekt:<br />
„Wir haben da noch eine Lohnhalle“,<br />
sagte der Bergwerksdirektor von „Friedrich<br />
Heinrich“ – ob Frau Doktor Darmstadt da<br />
nicht eine Farbe vorschlagen könne? Die<br />
Sache war nicht ganz so einfach. Modernisierungen<br />
und Wasserschäden hatten das<br />
Innere des Jugendstilgebäudes weitgehend<br />
entstellt. Christel Darmstadt musste erst<br />
einmal forschen. Muster und Ornamente<br />
der Ausmalung und die Form der alten<br />
Leuchten konnte man in alten Schwarz-<br />
— Auch das Bochumer Haus „Gesellschaft Harmonie“<br />
mit Restaurant wurde nach ihren Entwürfen<br />
jüngst komplett neu gestaltet.<br />
— „Die beste Entscheidung unseres Lebens“: Birgit und Peter Höppeler in der Küche ihres Landhauses<br />
weißfotos erkennen. Die ursprünglichen<br />
Farben fanden sich unter Schichten späterer<br />
Übermalungen. So konnte die Halle originalgetreu<br />
als repräsentativer Prachtraum<br />
wieder entstehen. 1987 brachte dieser Entwurf<br />
Darmstadt ihr erstes Diplom der EU-<br />
Denkmalorganisation „Europa Nostra“ ein.<br />
Natürlich bieten Kirchen sich an, wenn es<br />
um die Restaurierung prächtiger Innenräume<br />
geht, und tatsächlich hat Christel<br />
Darmstadt bis heute 14 Kirchen neu gestaltet,<br />
ganz ökumenisch je sieben katholische<br />
und evangelische. Für eine dieser Arbeiten<br />
erhielt Darmstadt 1996 ihr zweites Diplom<br />
von „Europa Nostra“: die Neugestaltung<br />
der expressionistischen Parabel-Kirche<br />
„Heilig Kreuz“ in Gelsenkirchen-Ückendorf<br />
(siehe <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> 01/07). Dieses herausragende<br />
Denkmal allerdings hat das katholische<br />
Bistum Essen im vergangenen September<br />
wie geplant „stillgelegt“. Christel<br />
Darmstadt gehört zu den heftigsten Kritikern<br />
der allenthalben diskutierten Kirchenschließungen.<br />
Vor allem der Plan des Bis-<br />
ARCHITEKTUR<br />
— Ein Bild von einem Bahnhof: Für die Neugestaltung des Hammer Hauptbahnhof erhielt die Denkmalschutzexpertin 2001 ihr drittes Diplom von „Europa Nostra“.<br />
tums Essen, gleich 96 „sonstige“ Kirchen<br />
aufzugeben, bringt die Kunsthistorikerin in<br />
Rage. Sie bestreitet, dass Finanznot diese<br />
Schließungen erzwingt und führt ins Feld,<br />
dass sich andere, nach Zahl der Gläubigen<br />
kleinere Bistümer mit viel weniger Schließungen<br />
begnügten. Vor kurzem erst hat<br />
sie dem Bischof einen Brief in der Sache<br />
geschickt. „Das musste einfach sein“, sagt<br />
sie, auch wenn danach mit Aufträgen aus<br />
dem Bistum gewiss kaum mehr zu rechnen<br />
sei.<br />
— Da kommt man gerne an: Auch die Deckenausmalung<br />
und die Leuchter hat Christel Darmstadt<br />
entworfen – und alles wurde trotz knapper Fristen<br />
rechtzeitig fertig.<br />
<strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> | 75
ARCHITEKTUR<br />
— Eine Reihe Geschäftshäuser in der Bochumer Innenstadt: Dezente Gold-Details an passender Stelle sind so etwas wie ein Markenzeichen von Christel Darmstadt.<br />
| „Der Bahnhof ist schief!“<br />
Alte Bahnhöfe standen, was die innere<br />
und äußere Pracht angeht, den Kirchen<br />
nicht nach. Und mit einem Bahnhof erwarb<br />
Christel Darmstadt sich 2001 das<br />
dritte Diplom von „Europa Nostra“; außer<br />
ihr schaffte das bislang nur ihr britischer<br />
Kollege Dr. Donald Insall. Dass der neobarocke<br />
Hauptbahnhof Hamm den Krieg<br />
überstand, grenzt an ein Wunder, da gerade<br />
dieser Bahnknotenpunkt immer wieder<br />
76 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong><br />
bombardiert wurde. Dass die DB ihm dann<br />
mit allerlei schäbigen An- und Umbauten<br />
auf den Leib rückte, überrascht weniger.<br />
Erstaunlich wiederum, dass sich die Bahn<br />
später zur Renovierung entschloss; ohne<br />
die „IBA“ wäre das sicher nicht geschehen.<br />
Für Christel Darmstadt war das ein<br />
aufregendes Unterfangen, denn die Zeit<br />
bis zur geplanten Fertigstellung war sehr<br />
knapp, und schließlich gab es auch noch<br />
Hiobsbotschaften wie „Dr. Darmstadt, der<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Bahnhof ist schief!“ Da mussten die Deckenmuster<br />
unauffällig so verändert werden,<br />
dass niemand merkte, was bei den<br />
Wänden nicht so ganz passt.<br />
Angesichts solch großer Projekte legt<br />
Christel Darmstadt Wert auf die Feststellung,<br />
dass sie nach wie vor Freude an<br />
kleineren Projekten habe und dass sie<br />
ihre Honorare auch für Privatleute „bezahlbar“<br />
halte. Es gehe ihr keineswegs<br />
darum, Hausbesitzern Wolkenkuckucks-<br />
heime aufzudrängen – im Gegenteil:<br />
Denkmalschutz erschwinglich zu gestalten,<br />
sei die Herausforderung. Teuer bauen<br />
könne jeder – sie aber habe Bauherren<br />
schon öfter damit überrascht, dass am<br />
Ende vom Budget noch etwas übrig blieb.<br />
| Ersatz fürs eigene Haus<br />
Es drängt sich natürlich die Frage auf,<br />
warum wir Christel Darmstadt nicht in<br />
ihrem eigenen, mustergültig restaurierten<br />
alten Haus besucht und porträtiert haben.<br />
Die Antwort ist einfach: Es gibt dieses<br />
Haus nicht. Das habe sich irgendwie nie<br />
ergeben, sagt Darmstadt. In einem Fall<br />
kam dem Ehepaar ein anderer Interessent<br />
zuvor. Ein Wittener Haus kam nicht mehr<br />
in Frage, als Dr. Helmut Darmstadt Beigeordneter<br />
in Bochum geworden war und als<br />
solcher gehalten, in der Stadt zu wohnen.<br />
Dann hatten sie ein Bochumer Haus im<br />
Auge, „aber da hätten wir eine alte Dame<br />
ARCHITEKTUR<br />
— Die Lohnhalle der Zeche „Friedrich Heinrich“: Muster und Farben wurden nach alten Fotos und Farbresten rekonstruiert.<br />
und ihre Tochter als Mieter rauswerfen<br />
müssen, das wollten wir nicht.“ Also:<br />
es klappte einfach nicht zur rechten Zeit.<br />
Es sei schon wahr, gibt Christel Darmstadt<br />
zu, dass ihr Beruf in dieser Hinsicht<br />
auch so eine Art Ersatz bietet – zumal,<br />
wenn sie Häuser oder Räume gestaltet,<br />
die sie insgeheim gern auch für sich gehabt<br />
hätte. Schon allein deshalb hat sie<br />
noch viel vor auf dem Gebiet. ● -na<br />
<strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> | 77
GENIESSEN GENIESSEN<br />
Behaglich speisen in Essen und Mülheim Essen am Kamin<br />
Wenn es draußen kalt ist, grau und nass, wenn man durchgefroren ist und hun-<br />
grig, dann kommt die Lust auf knisterndes Feuer, auf gemütliches Sitzen und<br />
leckeres Essen am wärmenden Kamin. Winterzeit ist Hoch-Zeit vor allem für<br />
Restaurants, die keinen Biergarten haben, aber eben mit lodernden Flammen<br />
locken können. Folgen Sie Rainer Giesen auf seinem kulinarischen Weg ins<br />
Warme.<br />
— Einen farbenfrohen Augenschmaus aus Meeresfrüchten serviert Daniel Sommer im „Kamin“ in Essen-Werden.<br />
| Feuer im Kamin<br />
Ein altes Haus mit viel Tradition, ein junger<br />
Mann nicht aus Werden, nicht mal<br />
aus Essen – geht das? „Im Januar bin<br />
ich schon acht Jahre hier – so etwas ist<br />
in Werden fast eine Kunst“, sagt Daniel<br />
Sommer, Patron und Koch im „Kamin“<br />
in Essen-Werden und spielt damit auf die<br />
vielen Wechsel in der Gastronomie im<br />
Stadtteil an der <strong>Ruhr</strong> an. Da hat er noch<br />
so einiges an Kunst vor sich: Das Ehepaar<br />
Scharpmann war vor ihm 30 Jahre lang<br />
im „Kamin“...<br />
223 Jahre hat das Fachwerkhaus am<br />
kleinen Leinewebermarkt hinter sich und<br />
war immer schon für Gäste da. „Und in<br />
dieses Ur-Werdener Traditionslokal kam<br />
ich dann, 27 Jahre jung, in Bochum geboren...“<br />
Immerhin ist Daniel Sommer<br />
aber in Essen aufgewachsen. Er lernte<br />
u.a. in Freudenstadt und Baiersbronn,<br />
kam dann zurück nach Essen, ging zu<br />
Hannes Schmitz ins Jagdhaus Schellenberg<br />
und von da „ins Dorf Werden“, in<br />
das Restaurant „Am Kamin" des Werdener<br />
Unternehmers Horst Giesen (Tabak<br />
Giesen, Tobaccoland, Lekkerland).<br />
— Der kachelverkleidete Kamin ist zwar gasgespeist, fackelnde Flammen und behagliche Wärme liefert er aber dennoch.<br />
So ganz einfach hatte es der junge<br />
Mann anfangs nicht mit den Werdenern.<br />
„Heute sage ich: Gut, dass ich damals<br />
so jung war. Ich konnte kaum so schnell<br />
lernen, wie ich musste. Aber jetzt bin<br />
ich sozusagen etabliert.“ Das Stammpublikum<br />
hat er (fast) vollzählig zurückerobert,<br />
neue Gäste gewonnen. Nur mit<br />
dem gastronomischen Sommerloch hat<br />
er Schwierigkeiten wie alle Gastronomen<br />
ohne Biergarten: „Ich muss im Winter<br />
alles nachholen, was im Sommer nicht<br />
reingekommen ist.“ Hilfreich ist es da<br />
nicht, dass die Stadt ihm auf dem alten<br />
Kopfsteinplatz vorm Haus keine Außengastronomie<br />
erlaubt.<br />
Der Koch Daniel Sommer bleibt bei<br />
der „deutschen Küche“, allerdings auf<br />
die feine Art. „Ich will nicht in die medi-<br />
— Das traditionsreiche Haus steht bereits seit<br />
223 Jahren am kleinen Leinewebermarkt.<br />
terrane Richung. Die ist zwar gut, aber...“<br />
Das Aber spielt auf die italienische Eroberung<br />
der Gastronomie in Essen, ganz<br />
besonders aber in Werden an. Was Sommer<br />
natürlich nicht hindert, etwa Fischsuppe,<br />
aber nach Art des Hauses (9,50 €)<br />
anzubieten oder Wolfsbarschfilet mit<br />
Garnelen in Thymian und Knoblauch<br />
gebraten. Für Kinder gibt‘s Nürnberger<br />
Rostbratwürstchen (4,30 €) oder Fischstäbchen<br />
(4 €). Jetzt aber ist Saison für<br />
Wild und Gans, im Kamin in jeder Variation<br />
zu finden (zwischen 15,90 und<br />
21,90 €) und zu essen, rustikal entweder<br />
gegenüber dem Tresen im „Beichtstuhl“,<br />
über dem auf „Waddisch“ (Werdener<br />
Platt) zu lesen steht: „En dössem Hus de<br />
höchste Ehr es godde Korn on lecker<br />
Beer“, oder im gemütlichen Restaurant<br />
vor flackerndem Feuer im kachelverkleideten<br />
Kamin – das allerdings ist inzwischen<br />
gasgespeist. „Das haben die Nachbarn<br />
durchgedrückt“, sagt Daniel Sommer<br />
und ist not amused, fügt aber hinzu:„Wer<br />
es nicht weiß, merkt es kaum, und auf<br />
jeden Fall ist es schön warm.“<br />
Da passt dann der Spruch draußen<br />
über der Tür: „Gott schütze dieses Haus<br />
vor Feuer, vor Stadtplanung und Steuer“.<br />
Am Kamin · Leinewebermarkt 7<br />
45239 Essen · Fon 0201-49 17 36<br />
www.amkamin-werden.de<br />
78 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> | 79
GENIESSEN<br />
80 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong><br />
— Frischer Fisch bildet die Basis für das gegrillte Edelfischpotpourri oder die Istrianische Fischsuppe.<br />
Mediterranes und Internationales kommt im „Dömchen“ auf den Tisch.<br />
| Feuer im Dom<br />
Das Gasthaus „Zum Dömchen“, sagt<br />
Slavo Palurovic, „wurde 1954 zwischen<br />
zwei Kirchen gebaut, einer katholischen<br />
und einer evangelischen. Und wenn damals<br />
die Frauen zum Gottesdienst gingen,<br />
zogen die Männer in ihre eigene kleine<br />
„Kirche“, das Dömchen eben...“ So jedenfalls<br />
die Legende. Er und seine Frau Peggy<br />
(„ich bin echte Mülheimerin und heiße<br />
wirklich so!“, lacht sie) hatten das Haus<br />
im Vorbeifahren gesehen – das gute Ende<br />
einer langen Suche nach einem eigenen<br />
Restaurant. Die beiden hatten sich im<br />
ehemaligen Jugoslawien kennengelernt,<br />
sie war im Urlaub, er im Hotel-Dienst.<br />
Und nach Adressen-Tausch und einigem<br />
Foto-Hin-und-Herschicken kam Slavo<br />
Palurovic schließlich nach Deutschland,<br />
vor 16 Jahren. Er bekam einen Job in<br />
Mülheims bekannter „Walkmühle“ – sie<br />
nach Ausbildung in Moers ebenfalls.<br />
„Da waren wir über 14 Jahre, das war<br />
genug, wir wollten selbstständig werden.“<br />
Im Juni 2006 war es so weit. Er legt ordentlich<br />
Holz nach, doch der Kamin im<br />
Gastraum hat es tagsüber nicht leicht:<br />
Gegen den Blick in die flackernden Flammen<br />
konkurriert der Blick durch große<br />
Fenster in den Garten.<br />
Die Dömchen-Küche ist „mediterran,<br />
international, frisch“, sagt Slavo Palurovic.<br />
„Wir wechseln die Speisekarte ständig<br />
und suchen immer Neues, versuchen, die<br />
Trends rechtzeitig aufzuspüren. Aber die<br />
Köche haben es nicht leicht mit mir: Ich<br />
koche selbst gern und gut.“ Nein, meint<br />
er dann auf die unausgesprochene Frage,<br />
„nicht gut genug, leider, um hier selbst<br />
am Herd zu stehen.“ So bietet die Küche<br />
etwa Irische Lammhüfte aus dem Ofen<br />
(16,90 €), Gegrilltes Edelfischpotpourri<br />
auf dem Reisbett (17,50 €) oder Istrianische<br />
Fischsuppe (6,90 €) an.<br />
Persönlich<br />
gebraut in der<br />
6. Generation.<br />
Die kleine Persönlichkeit.<br />
GENIESSEN<br />
— Die Liebe zum Detail schmeckt man. Und das Auge freut sich auch!<br />
Privatbrauerei Jacob Stauder · Stauderstraße 88 · 45326 Essen · Telefon 0201-3616-0 · Fax 0201-3616-133<br />
Internet: http://www.stauder.de · E-Mail: info@stauder.de<br />
<strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> | 81
GENIESSEN<br />
— Die Palurovics haben sich in Jugoslawien kennen gelernt. Seit 2006 sind sie im „Dömchen“ zuhause.<br />
Außer dem Herd liebt der Patron im<br />
Dömchen den Wein. „Wein ist meine<br />
Leidenschaft“, sagt er, „ich bin auf dem<br />
Bauernhof aufgewachsen und mit Wein<br />
groß geworden.“ Vor allem italienische<br />
Weine haben es ihm angetan, er hat eine<br />
gut ausgestattete Sammlung, und die<br />
enthält er auch seinen Gästen nicht vor.<br />
Nachdenklich legt er mal wieder Holz<br />
nach: „Man muss gut sein in der Gastronomie,<br />
dann kommen auch Gäste, und<br />
dann kommen sie auch wieder. Und ich<br />
Restaurant Hülsmannshof<br />
Lehnsgrund 14a · 45149 Essen-Margarethenhöhe<br />
Telefon: 0201 - 87 125-0 · Telefax: 0201 - 87 125-20<br />
www.huelsmannshof.de<br />
Täglich geöffnet von 11 - 24 Uhr<br />
82 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong><br />
bin gerne in der Gastronomie, ich mache<br />
das aus Überzeugung!!!“ Slavo Palurovic<br />
sagt das wirklich mit drei Ausrufezeichen.<br />
Pause, neues Holz ins Feuer. „Aber<br />
wenn ich nochmal die Wahl hätte, dann<br />
würde ich in die Küche gehen!“<br />
Zum Dömchen · Nachbarsweg 110<br />
45481 Mülheim a. d. <strong>Ruhr</strong><br />
Fon 0208-46 68 585<br />
www.zumdoemchen.eu<br />
Festliche Stunden<br />
— Bei Gino im alten Stiftshaus genießen die Gäste<br />
bei knisterndem Feuer gutes Essen und ein Glas Bier.<br />
| Feuer im Stift<br />
Der Kamin ist riesig und beherrscht<br />
den ganzen alten Raum. Ob Chef Gino<br />
oder Kellner Roberto – jeder, der vorbeikommt,<br />
schaut nach, ob‘s noch gut<br />
brennt, und legt gern neue Scheite auf.<br />
Man sieht: Im alten Gewölbe des neuen<br />
Hauses macht ihnen die Arbeit Spaß. Geschlossene<br />
Gesellschaften müssen aufs<br />
Feuer nicht verzichten: Im gemütlichen<br />
Gewölbekeller brennt‘s dann auch im<br />
Kamin.<br />
Das Gebäude an der Frankenstraße<br />
stammt aus dem 13. Jahrhundert und<br />
wurde von Äbtissin Mathilde gegründet,<br />
einer Enkelin Kaiser Otto I. des Großen.<br />
Gino und Sybille Guariniello haben das<br />
Alte Stiftshaus 2006 übernommen und<br />
im September neu eröffnet. „Drei Monate<br />
haben wir renoviert“, sagt Gino. Seither<br />
heißt es „Bei Gino im Alten Stiftshaus“,<br />
In der Weihnachtszeit ist unser Haus immer besonders liebevoll dekoriert. Genießen Sie im Advent<br />
festliche Stunden in unserem Anwesen aus dem Jahre 1344. Unser engagiertes Service-Team serviert<br />
Ihnen auf drei lichtdurchfluteten Etagen frische deutsche und internationale Küche und in den Nachmittagsstunden<br />
verwöhnen wir Sie mit frischem Kuchen. Unsere vielfältigen Wild- und Gänsespezialitäten<br />
erfreuen sich großer Beliebtheit.<br />
Ob Hochzeiten, Geburtstage, Jubiläen – wir bieten Ihnen für 20 bis 150 Personen das passende<br />
Ambiente. Feiern Sie Ihren „besonderen“ Tag bei uns – wir freuen uns auf Sie.<br />
Unser Tipp: Lassen Sie sich auch an den Festtagen von uns verwöhnen und fragen Sie nach den Menüs.<br />
und seine Stammgäste sind alle wieder<br />
da: Für sie war Gino zuvor schon 19 Jahre<br />
da – ein paar 100 Meter die Frankenstraße<br />
hoch, am Stadtwaldplatz. Sein<br />
Chefkoch Arndt Klumb, der in Rino Frattesis<br />
„La Grappa“ lernte, und vor allem<br />
seine Frau Sybille hatten ihn überredet,<br />
„mal etwas Größeres zu machen“.<br />
Rino und Sybille – das ist eine der<br />
seltenen Liebesgeschichten dieser Zeit:<br />
Rino, in Italien „in der Gastronomie geboren“,<br />
wollte genau dieser und der elterlichen<br />
Trattoria entrinnen, besuchte<br />
seinen Bruder in Essen – und lernte die<br />
15-jährige Sybille kennen, die gerade ihre<br />
Ausbildung in der Kantine des damaligen<br />
Kaufhauses Loosen machte „Ja, und da<br />
bin ich hier hängengeblieben.“<br />
Und in der Gastronomie – die Flucht<br />
war misslungen. Zu Anfang, sagt er, „ha-<br />
GENIESSEN<br />
— Wie wär’s mit „Seeteufel alla Chef“? Chef Gino und Kellner Roberto präsentieren das Fischangebot des Tages.<br />
be ich alles selbst gemacht. Drei Gerichte<br />
täglich, was anderes gab es nicht.“ Die<br />
Gäste waren zufrieden. Das blieb so, als<br />
er 1996 den ersten Koch einstellte, und<br />
erst recht, als Arndt Klumb den Herd<br />
übernahm. Aber auch im Stiftshaus macht<br />
Gino noch (fast) alles selbst: Er kauft ein,<br />
er begrüßt seine Gäste („fast alle per<br />
Handschlag, ich kenne sie alle“), er trägt<br />
aus, „und wenn es nötig ist, putz‘ ich
GENIESSEN<br />
den Boden. Und genauso machen es alle<br />
im Team.“ Für einen, der der Gastronomie<br />
entfliehen wollte, ist er eher ein<br />
Besessener: „Ich bin morgens der erste,<br />
der reinkommt, und abends der letzte,<br />
der rausgeht.“<br />
Auf seiner Speisekarte mit nostalgischen<br />
Hintergrund-Schattenbildern stehen<br />
die traditionellen italienischen Gerichte<br />
Rainer Giesen<br />
Der gebürtige Bremer, seit seinem siebten<br />
Lebensjahr <strong>Ruhr</strong>-Mensch in Duisburg,<br />
Mülheim und Essen, war zuletzt<br />
Leiter der NRW-Redaktion WELT am<br />
SONNTAG und ist jetzt freier Journalist<br />
und Gastro-Kritiker.<br />
84 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong><br />
— Traditionelle italienische Gerichte zu moderaten Preisen – das freut Liebhaber von Antipasti & Co.<br />
zu moderaten Preisen: Gnocchi Gorgonzola<br />
(8 €), Lammfilet al pepe (18,50 €),<br />
Seeteufel alla Chef (16,50 €). Er hat sie<br />
seit vielen Jahren nicht verändert.<br />
„Warum auch?“, fragt er und antwortet<br />
selbst: „Ich habe herausgefunden, dass<br />
86 Prozent meiner Gäste nicht nach der<br />
Speisekarte bestellen, sondern auf unsere<br />
Empfehlung.“<br />
RUHR REVUE-Gastro-Tipps<br />
Fisch Kluge in Essen führt frische Fische<br />
– und erhielt dafür ein dickes Lob vom<br />
„Feinschmecker“: Die Redaktion würdigt<br />
das Fisch-Feinkost-Geschäft auf der<br />
„Rü“ als beste Adresse für den Fischkauf<br />
im <strong>Ruhr</strong>gebiet.<br />
Wer gerne mal gepflegt „zappeln“ geht,<br />
kann das in der Ende November eröffneten<br />
„Buddha Lounge“ im GOP Varieté<br />
Theater an der Rottstraße in Essen tun.<br />
Zur Musik „für das anspruchsvollere<br />
Publikum ab 25 Jahre“ gibt’s Sushi und<br />
Die wird dem Gast ausführlich am<br />
Tisch rezitiert, und wer es vorher wissen<br />
will, kann sich auf Ginos Webseite die<br />
aktuellste Empfehlung ansehen.<br />
Bei Gino im alten Stiftshaus<br />
Stiftsplatz 1 · 45134 Essen,<br />
Fon 0201-44 48 52 · www.beigino.de<br />
Christian Grote (links) und Matthias Peiniger präsentieren das Logo<br />
Cocktails. Der Nachtklub öffnet freitags,<br />
samstags und vor Feiertagen ab 20 Uhr.<br />
Nicht nur für Varieté-Gäste ist der Eintritt<br />
im Dezember frei.<br />
Weihnachten: das Fest der köstlichen<br />
Kohlenhydrate und der gebratenen<br />
Festtagsfette. Da nimmt es nicht Wun-<br />
der, wenn in manchem fröhlichen<br />
Weihnachtsschlemmer hinterher die<br />
Diätreue aufsteigt und er zu Silvester<br />
zumindest Änderung gelobt. Doch wel-<br />
che der vielen Diäten befreien nach-<br />
haltig von den Weihnachtskringeln?<br />
Seit Kains Agrarreform tappen wir in<br />
dieser entscheidenden Frage im Dunkeln.<br />
Die einen verdammen die „mighty muffins“,<br />
die anderen die fette Pfanne. Auch<br />
Gottvater legte sich nicht fest. Zwar roch<br />
er lieber den Bratenduft statt den Bratapfel,<br />
dennoch ließ er seinen Favoriten<br />
Abel, den Vertreter der Fleischeskost,<br />
Opfer eines eifersüchtigen Brudermordes<br />
werden. Seither sind die Diätgläubigen<br />
tief entzweit und bekämpfen<br />
sich auf Messer und<br />
Gabel.<br />
Auf Messer und Gabel<br />
„Zwischen<br />
den Jahren“<br />
von Dr. Helmut Förster<br />
Es geht um die Wurst, nämlich um<br />
das Alleinverschuldungsprinzip der Fettsucht.<br />
Macht nun Zucker oder Fett dick?<br />
Dabei schieben sich die Kohlenhydratund<br />
die Fettgemeinde gegenseitig die<br />
Schuld in die Schuhe – mit wechselndem<br />
Kriegsglück. Eiweiß ist da bisher außen<br />
vor, aber seine Herkunft, ob von Schwein,<br />
Rind, Fisch oder Pflanze, löst schon wieder<br />
heftige Emotionen aus. Tierisches<br />
Eiweiß steht und fällt mit dem Ansehen<br />
seines Lieferanten. Schweine sind eben<br />
keine Unschuldslämmer und Rinderpupse<br />
verpesten die Atmosphäre. Aber darf man<br />
alternativ Fisch-Eiweiß genießen, wo die<br />
Meere bald leer gefischt sind?<br />
Wenn sich der Diätgläubige gerade<br />
erst mühevoll aus den tierischen Fettnäpfchen<br />
nach der Devise „low fat“ befreit<br />
und sich „rein in die Kartoffeln“ gestürzt<br />
hat, muss er schon wieder raus. Denn<br />
die sind schnell ins Blut einschießende<br />
Kohlenhydrate und als potente Insulinlocker<br />
in Verruf geraten. Sie sind momentan<br />
die Hauptangeklagten im Rechtsstreit<br />
Körper gegen Übergewicht.<br />
Zu viel Insulin bestraft Naschkatzen<br />
auf die Dauer mit Fettsucht, Hochdruck<br />
und durch den Erwachsenen-Diabetes.<br />
Die BSE-Angst ist der<br />
Angst vor den<br />
GESUNDHEIT<br />
— Der in Essen lebende Dr. Helmut Förster<br />
ist ein gefragter Medizin-Autor.<br />
BE‘s (Broteinheiten) gewichen. Aus „Low<br />
Carb“ wurde inzwischen „Slow Carb“,<br />
„langsame Kohlenhydrate“, die der Darm<br />
erst mühsam aus ihren pflanzlichen Verpackungen<br />
herausholen muss wie manche<br />
Obstsorten und vor allem Gemüse.<br />
Doch die Fettfans geben nicht so<br />
schnell auf. Beweis: Die Kreter leben am<br />
längsten in Europa und essen das meiste<br />
Fett. Allerdings das heimische Olivenöl,<br />
ähnlich gut wie Fischfettsäuren. Ultima<br />
ratio: Man nehme sich aus allen Diäten<br />
das Beste heraus, und zwar das, was<br />
schmeckt und verschlankt. Am besten<br />
ein Dauerabo beim Italiener oder Griechen:<br />
2 bis 3mal Fisch die Woche und<br />
wenig Tierisches aus heimischen Ställen.<br />
Rotwein in Maßen und nur zum Essen,<br />
dann aber nachweislich gut fürs Herz<br />
und Hirn! Entscheidend ist also nicht<br />
„low carb“ oder „low fat“, sondern das<br />
Verhältnis zwischen kalorienarmen und<br />
nährstoffreichen Lebensmitteln. Machen<br />
Sie den Braten (am besten gebratenes<br />
Seelachsfilet) zur Beilage und<br />
die Beilage (Salate<br />
und Brokkoli) zum<br />
Hauptgericht! ●<br />
<strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> | 85
GESUNDHEIT<br />
— Dr. Johannes Bruns von der Deutschen Krebsgesellschaft (Mitte) übergibt das<br />
Zertifikat an Dr. Rolf Hartwig und Prof. Dr. Michael Betzler vom „AKK“.<br />
Ausgezeichnetes Darmzentrum<br />
Alfried Krupp Krankenhaus Essen zertifiziert<br />
Das Darmzentrum am Alfried<br />
Krupp Krankenhaus erhielt als<br />
erstes Essener Krankenhaus<br />
das Qualitätssiegel der Deutschen<br />
Krebsgesellschaft. In<br />
einem fast zweitägigen Audit<br />
wurden bei einer externen<br />
Überprüfung Diagnostik, Therapie<br />
und Nachsorge, die Qualität<br />
von Operateuren und<br />
Behandlern, die Geräteausstattung<br />
und die Arbeitsabläufe<br />
intensiv geprüft. Im <strong>Ruhr</strong>gebiet<br />
gibt es nur zwei zertifizierte<br />
Zentren, in Deutschland nur<br />
18 Kliniken, die das Gütesiegel<br />
führen dürfen. „Alle Patienten<br />
mit einer Darmkrebserkrankung<br />
erhalten in unserem<br />
Darmzentrum eine umfassende<br />
Behandlung nach neuesten<br />
Erkenntnissen und aus einer<br />
Hand“, so Prof. Dr. Michael<br />
86 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong><br />
Betzler, Leiter des Zentrums<br />
und Ärztlicher Direktor des<br />
„AKK“. Im Darmzentrum<br />
arbeiten Chirurgen, Gastroenterologen,<br />
Radiologen, Pathologen,<br />
Strahlentherapeuten,<br />
Onkologen und Psychoonkologen<br />
eng mit niedergelassenen<br />
Ärzten, Stoma-Therapeuten<br />
und Selbsthilfegruppen zusammen.<br />
Das Zentrum versteht<br />
sich als Netzwerk, in dem<br />
sämtliche Fachkompetenzen<br />
zur Behandlung der Patienten<br />
gebündelt sind. Darmkrebs<br />
gehört in Deutschland zu den<br />
häufigsten bösartigen Erkrankungen.<br />
Im Jahr 2000 erkrankten<br />
nach Schätzungen des Robert-Koch-Instituts<br />
32.600<br />
Männer und knapp 34.200<br />
Frauen an Krebs des Dick- oder<br />
Mastdarms.<br />
— Bewegung, hier im Essener Lutherhaus, ist wichtig für Osteoporose-Patienten.<br />
Osteoporose-Schulung<br />
Vorbildliches Essener Lutherhaus<br />
Sieben Millionen Menschen<br />
sind in Deutschland an Osteoporose<br />
erkrankt, und nach<br />
Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation<br />
wird sich<br />
diese Zahl in den nächsten<br />
20 Jahren fast verdoppeln.<br />
Eine verringerte Knochenmasse<br />
und eine poröse Knochenstruktur<br />
führen bei diesen Patienten<br />
immer wieder zu Knochenbrüchen.<br />
Durch eine entsprechende<br />
Lebensweise und<br />
frühzeitige Therapie lässt sich<br />
Osteoporose allerdings gut<br />
behandeln. Eine der ersten<br />
ganzheitlichen und interdisziplinärenOsteoporose-Schulungen<br />
für Frauen und Männer<br />
deutschlandweit findet nun im<br />
Gesundheitszentrum am Lutherhaus<br />
in Essen statt. Ein<br />
Team aus Fachärzten, Psychologen,<br />
Ernährungsberatern und<br />
Physiotherapeuten vermittelt<br />
in sechs Doppelstunden wissenschaftlich<br />
fundierte Informationen<br />
über die Krankheit<br />
und ihre Behandlung mit richtiger<br />
Ernährung, sinnvollen<br />
Medikamenten und Hilfsmitteln.<br />
Jede Kurseinheit enthält<br />
außerdem ein 60-minütiges<br />
medizinisches Aufbautraining.<br />
Denn die sollen die „morschen<br />
Knochen“ nicht etwa schonen:<br />
Empfohlen wird regelmäßiges<br />
Kraft-Aufbau-Training.<br />
Weitere Infos unter Telefon<br />
0201/8050<br />
— EEG-Messungen in allen Positionen und Aktionen ermöglicht die Erfindung der<br />
Universität Duisburg-Essen und des Duisburger St. Anna-Krankenhauses.<br />
Neues EEG ganz mobil<br />
Prototyp aus Duisburg/Essen<br />
Forscher der Universität Duisburg-Essen<br />
und Mediziner des<br />
Duisburger St. Anna-Krankenhauses<br />
haben einen Prototypen<br />
zur mobilen Hirnstromüberwachung<br />
entwickelt. Das tragbare<br />
Elektroenzephalographie-<br />
Gerät (EEG) überträgt die<br />
Daten drahtlos an einen Computer,<br />
an dem ein Arzt dann<br />
den Signalverlauf beobachten<br />
kann. Das neue Konzept<br />
ermöglicht EEG-Messungen<br />
bei Patienten in verschiedenen<br />
Positionen und Aktionen, sogar<br />
im Wasser. Die gemessenen<br />
Gehirnströme mit ihren Spannungsschwankungen<br />
verraten<br />
mancherlei: So können zum<br />
Beispiel entzündliche oder<br />
stoffwechselbedingte Erkrankungen<br />
durch Veränderungen<br />
der elektrischen Gehirnaktivität<br />
erfasst werden.<br />
Forum für Umweltmedizin<br />
Neugründung in Herne<br />
Chronische Krankheiten durch<br />
Umweltbelastungen sind auf<br />
dem Vormarsch. Um Betroffene<br />
darüber zu informieren,<br />
wie umweltbedingte Erkrankungen<br />
erkannt und behandelt<br />
werden können, hat sich<br />
in Herne jetzt das „Forum für<br />
UmweltMedizin und Umwelt-<br />
ZahnMedizin NRW“ gegründet.<br />
Initiatoren sind der Allgemein-<br />
und Umweltmediziner<br />
Dr. Frank Bartram, Vorsitzender<br />
des Berufsverbandes der<br />
GESUNDHEIT<br />
— Sie haben das Forum für Umweltmedizin in Herne gegründet: Der 2. Vorsitzende<br />
der Internationalen Gesellschaft für Zahnmedizin, Dr. Wolfgang H. Koch, und<br />
der Allgemein- und Umweltmediziner Dr. Frank Bartram.<br />
Umweltmediziner Deutschlands,<br />
und Dr. Wolfgang H.<br />
Koch, 2. Vorsitzender der Internationalen<br />
Gesellschaft für<br />
Zahnmedizin. Sie arbeiten mit<br />
Ärzten aus Schlafmedizin, Innerer<br />
Medizin, Schmerz- und<br />
Physiotherapie zusammen.<br />
Wissenschaftler schätzen, dass<br />
bis zu 90 Prozent aller Erkrankungen<br />
in den Industrienationen<br />
umweltbedingt sind.<br />
Weitere Infos unter<br />
www.haranni-clinic.de.<br />
<strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> | 87
AKTION<br />
88 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong><br />
Wir wollen es wissen!<br />
„Guten Tag. Mein Name ist Katharina Erdstein, und ich rufe im Auftrag von<br />
Academic Data an.“ Wenn Sie diese oder eine ähnlich sympathische Stimme in<br />
Academic Data befragt die RUHR REVUE-Leser<br />
den nächsten Tagen am Telefon hören, dann reagieren Sie bitte nicht wie inzwi-<br />
schen jeder Zweite: Legen Sie nicht einfach auf!<br />
| Schenken Sie uns fünf Minuten!<br />
„Keine Frage, unser Job ist in den letzten<br />
Jahren schwieriger geworden“, stellt Dr.<br />
Elke Esser fest. Sie ist Inhaberin des Meinungsforschungsinstitutes<br />
Academic Data<br />
in Essen. Für die RUHR REVUE werden<br />
Elke Esser und ihr Team aus 45 Interviewerinnen<br />
im Dezember unsere Abonnenten<br />
befragen: zur Lesedauer und zum<br />
Leseverhalten, zu den Inhalten der RUHR<br />
REVUE und zu dem, was man daran<br />
ändern und was auf jeden Fall so bleiben<br />
sollte. Einfache Fragen, die in drei bis<br />
höchstens fünf Minuten beantwortet sind.<br />
Dem Verlag helfen die hochgerechneten<br />
Antworten der befragten Leser gleich<br />
zweifach: Die Redaktion erfährt, welche<br />
Themen sich die Leser wünschen, und<br />
die Anzeigenabteilung bekommt valide<br />
Argumente für die Anzeigenkunden des<br />
Kulturhauptstadtmagazins.<br />
| Klingeln am Abend<br />
Seit Call Center in den letzten Jahren<br />
wie Pilze aus dem Boden geschossen und<br />
an der <strong>Ruhr</strong> auch zu einem bedeutenden<br />
Wirtschaftsfaktor geworden sind, ist die<br />
Arbeit für die Meinungsforscher schwieriger<br />
geworden. Wer als Berufstätiger einmal<br />
einen Urlaubstag zu Hause verbringt,<br />
merkt spätestens dann, wie viele fremde<br />
Menschen täglich anrufen: Das große<br />
— Elf Jahre nach der Gründung von Academic Data<br />
zählt Dr. Elke Esser zu den erfahrenen Marktforschern.<br />
Glück per Lotterie wird am Telefon genauso<br />
verkauft wie Sicherheit durch eine<br />
Versicherung. „Da haben es unsere Interviewerinnen<br />
schwer, die Menschen am<br />
anderen Ende der Leitung zu überzeugen,<br />
dass wir nicht ihr Geld wollen, sondern<br />
nur ihre Meinung“, weiß Dr. Elke Esser.<br />
Fast genau so schwierig ist es, tagsüber<br />
überhaupt jemanden an die Strippe zu bekommen:<br />
„Für eine seriöse Umfrage, die<br />
repräsentativ sein soll, benötigen wir<br />
natürlich auch die Meinung der Berufstätigen“,<br />
sagt die Academic Data-Inhaberin.<br />
Doch beruflich aktive Menschen sind oft<br />
auch noch nach Feierabend unterwegs,<br />
weil sie Sport machen, einkaufen, essen<br />
gehen oder sich gesellschaftlich engagieren.<br />
Kein Wunder, dass der Betrieb bei<br />
Academic Data auf der Huyssenallee mit<br />
Blick auf die Essener Philharmonie erst<br />
gegen 16 Uhr losgeht. „Ab dieser Zeit bis<br />
21 Uhr haben wir die besten Chancen,<br />
unsere gewünschten Gesprächspartner<br />
zu erwischen“, weiß Dr. Elke Esser aus<br />
ihrer langjährigen Meinungsforschungs-<br />
Erfahrung.<br />
Weihnachten steht vor der Tür.<br />
unser Service für Sie: Wir versenden, von Ihnen ausgesuchte<br />
Weinpräsente, an Geschäftspartner, Freunde und Verwandte.<br />
Bitte sprechen Sie uns an.<br />
— Auch die Aufbereitung der per Telefon erhobenen<br />
Daten gehört zum Service von Academic Data.<br />
| Frauensache<br />
Vor elf Jahren hat sich die studierte Sozialwissenschaftlerin<br />
nach zehn Jahren<br />
Forschung und Lehre an der Universität<br />
Bochum und mehrjähriger Referententätigkeit<br />
in der Kommunalverwaltung der<br />
AKTION<br />
Stadt Oberhausen und als Prokuristin<br />
beim Initiativkreis <strong>Ruhr</strong>gebiet selbstständig<br />
gemacht: „Jetzt machst du mal was,<br />
was du nicht nur richtig gut kannst, sondern<br />
was dir auch großen Spaß macht“,<br />
erinnert sich Dr. Elke Esser an ihre Gründerzeit.<br />
Academic Data war geboren.<br />
Heute zählen Universitäten, große Verbände<br />
wie der Regionalverband <strong>Ruhr</strong>gebiet<br />
und öffentlich-rechtliche Anstalten<br />
wie die Filmförderungsanstalt in Berlin<br />
zum Kundenkreis. Neben der Datenerhebung,<br />
die meist per Telefon, aber auch<br />
schon einmal durch eine Gruppendiskussion<br />
oder durch Beobachtung erfolgt,<br />
komplettieren Analyse, Bewertung und<br />
Aufbereitung der gewonnenen Informationen<br />
das Angebot. Die Mitarbeiter des<br />
Essener Meinungsforschungsinstitutes<br />
sind übrigens fast durch die Bank weiblich.<br />
Dr. Elke Esser: „Wenn abends um<br />
21 Uhr das Telefon klingelt, fühlen sich<br />
die Menschen, egal ob alt oder jung,<br />
Mann oder Frau, durch eine Frauenstimme<br />
einfach weniger gestört. Das hat<br />
wohl was mit Vertrauen zu tun.“ ● ak<br />
<strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> | 89
TERMINE<br />
Noch<br />
bis 9. Dezember<br />
Messe Essen<br />
Vroummmmm…<br />
Weihnachten oder nicht – Männer<br />
denken doch immer nur an das eine.<br />
Wer jetzt noch schnell ein bisschen<br />
Gas gibt, kann die letzten Stunden der<br />
40. (!) Essen Motor Show miterleben –<br />
mit jeder Menge PS natürlich bei den<br />
aktuellen Automobil-Neuheiten und<br />
mit noch mehr PS in der Tuning-Abteilung.<br />
Es gibt aber, wie stets, auch eine<br />
Abteilung für Klassik-Autos und Oldtimer,<br />
bei denen es nicht unbedingt auf<br />
PS und Geschwindigkeitsrausch ankommt.<br />
Also: letzte Gelegenheit, noch<br />
mal richtig Benzinluft zu schnuppern,<br />
ehe Räuchermännchen und Co. das<br />
weihnachtliche Aroma vorgeben ■<br />
Info: 0201/3101-100<br />
■ www.essen-motorshow.de<br />
bis 15. Dezember<br />
Wissenschaftspark Gelsenkirchen<br />
Am Apparat<br />
„Kunst – Zukunft – <strong>Ruhr</strong>gebiet“ ist das<br />
Thema dieser Ausstellung, gemeinsam<br />
veranstaltet vom Wissenschaftspark<br />
Gelsenkirchen und vom Institut Arbeit<br />
und Technik. Wie eine Antwort auf die<br />
berühmte Frage „Wo bleibt das Positive?“<br />
versammelt sie optimistisch stimmende<br />
Ergebnisse des Strukturwandels<br />
an der <strong>Ruhr</strong>, dargestellt mit Hilfe von<br />
„apparativer Kunst“. Keine Angst: Das<br />
ist neben Computer-Kunst und „Copy-<br />
Art“ auch die gute, alte Fotografie. Das<br />
inhaltliche Spektrum reicht von Nanotechnologie<br />
bis zum Tanz in ehemaligen<br />
Industriebauten ■<br />
Info: 0209/167-1000<br />
■ www.wipage.de<br />
90 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong><br />
Quo vadis?<br />
Ereignisse im <strong>Ruhr</strong>gebiet<br />
Zu diesem Kalender<br />
bis März 2008<br />
Ein Kalender für drei Monate im Voraus kann in einer so spannenden<br />
Region wie unserer nur eine Auswahl treffen aus einer<br />
riesigen Ereignisfülle. Darum fragen wir uns: Was würden wir, die<br />
Macher der RUHR REVUE, selbst gern besuchen? Weisen Sie uns<br />
aber gern auf anstehende Ereignisse hin! Und nutzen Sie die Tatsache,<br />
dass unser Kalender immer wieder zur Hand genommen<br />
wird, für Ihre Anzeigen!<br />
bis 29. Dezember bis 5. Januar<br />
Galerie Schütte Essen<br />
Anders<br />
„Different“ ist der Titel dieser Ausstellung.<br />
Anders, ungewöhnlich für unsere<br />
Breiten ist gewiss die Herkunft der<br />
29-jährigen Fotografin: Laura Ribero<br />
ist aus Kolumbien. 2005 war sie schon<br />
einmal in Essen zu Gast; die Ausstellungen<br />
bei Schütte und im Stellwerk<br />
Zollverein zählten zu ihren ersten Einzelschauen<br />
überhaupt. Inzwischen hat<br />
ihre Karriere mit zahlreichen Ausstellungen<br />
an verschiedenen Orten Fahrt<br />
aufgenommen. „Different“ zeigt, ob<br />
und wie sich ihre Fotografie seit dem<br />
Debut verändert hat ■<br />
Info: 02054/87 17 53<br />
■ www.galerie-schuette.de<br />
Eine der bei Schütte ausgestellten<br />
Fotografien von Laura Ribero: „arrive“<br />
Obrist Gingold Galerie Essen<br />
Eine feine Gesellschaft<br />
Und noch eine junge Südamerikanerin:<br />
Nach erfolgreicher Teilnahme an<br />
Kunstmessen in Moskau und Toronto<br />
bekommt die Argentinierin Marcela<br />
Böhm ihre erste Einzelausstellung in<br />
Essen. Auch eine Art der Globalisierung.<br />
Menschen auf Parties, Familienfesten<br />
– und Ausstellungseröffnungen<br />
(!) gaben die Motive für Böhms ironische<br />
Darstellung „feiner Gesellschaften“<br />
– Variation ihrer bekannten Porträts<br />
und Alltagsszenen ■<br />
Info: 0201/72 66-203<br />
■ www.obrist-gingold.com<br />
bis 6. Januar<br />
Museum Morsbroich Leverkusen<br />
Sound<br />
Nico Dockx, Florian Hecker, Marcellvs<br />
L. und Astrid Nippoldt wurden mit<br />
dem Förderpreis Bildende Kunst 2007<br />
des „Kulturkreises der deutschen Wirtschaft<br />
im Bundesverband der Deutschen<br />
Industrie“ ausgezeichnet. Ihre<br />
Sound-Installationen im Gefolge John<br />
Cages werden unter dem Titel „ars<br />
viva 07/08“ in Leverkusen gezeigt,<br />
ehe die Ausstellung nach Hannover<br />
und Vilnius weiterzieht ■<br />
www.museum-morsbroich.de<br />
Ein Motiv aus Tamás T. Kaszás’<br />
Installation im RWE-Turm<br />
bis 20. Januar<br />
Henrichshütte Hattingen<br />
Kontakt<br />
Diese Ausstellung basiert auf der gewagten<br />
These, dass Liebe etwas mit<br />
Kommunikation zu tun habe – kein<br />
Wunder: Das Frankfurter Museum für<br />
Kommunikation hat sie entworfen. Sie<br />
zeigt, welche Wege die „Botschaften<br />
des Herzens“ im Lauf der Zeit genommen<br />
haben. Von der ersten Kontaktanzeige<br />
aus dem Jahr 1738 über Tischtelefone<br />
in plüschigen Single-Cafés bis<br />
zum heutigen Internet-Chat. Das alles<br />
präsentiert in der eher unwahrscheinlichen<br />
Kulisse der alten Hattinger<br />
Stahlhütte. Kritiker könnten einwenden,<br />
dass ein Bahnhof der passendere<br />
Ort gewesen wäre – aber für solchen<br />
Zynismus fehlt uns jedes Verständnis.<br />
bis 25. Januar<br />
RWE Turm Essen<br />
Ungarische Orientierung<br />
Das Museum Folkwang und die RWE<br />
AG setzen ihre Kooperation zur Förderung<br />
zeitgenössischer Kunst fort.<br />
Im Turm der RWE-Hauptverwaltung<br />
realisiert der Ungar Tamás T. Kaszás<br />
zusammen mit der Gruppe „Intercultural<br />
Orientation“ eine Installation<br />
namens „They who know the truth<br />
don’t advertise it – Die die Wahrheit<br />
kennen werben nicht mit ihr“ ■<br />
Info: 0201/12-1 5253<br />
■ www.rwe.com<br />
bis 20. Januar<br />
Kunsthalle Düsseldorf<br />
Blinky Palermo<br />
Angeblich hat es ihm sein Düsseldorfer<br />
Lehrer Beuys gesagt: „Mit<br />
dem Namen Peter Heisterkamp<br />
kannste nie was werden als<br />
Künstler.“ Wahr oder nicht: Der<br />
junge Mann machte keine halben<br />
Sachen und nannte sich fortan<br />
Blinky Palermo. Möglicherweise<br />
würde er heute zu den ganz Großen<br />
gehören; befreundet war er<br />
schon als Student mit „Kollegen“<br />
wie Sigmar Polke, Gerhard Richter<br />
bis 27. Januar<br />
Museum am Ostwall Dortmund<br />
Unterm Schnee<br />
Im Salzlager der Essener Zeche Zollverein<br />
sind Ilya und Emilia Kabakov<br />
seit geraumer Zeit mit einer Dauer-<br />
Installation vertreten. In Dortmund<br />
wird jetzt Ilya Kabakovs Werkkomplex<br />
„Under the Snow“ von 2004 bis 2006<br />
erstmals vollständig gezeigt. 23 großformatige<br />
Gemälde nebst 32 Aquarellen<br />
und Buntstiftzeichnungen variieren<br />
das Thema einer Schneedecke, unter<br />
der immer wieder Fragmente der darunter<br />
verborgenen – russischen, sowjetischen<br />
– Realität sichtbar werden ■<br />
Info: 0231/5023247<br />
■ www.museumamostwall.de<br />
Von der Heydt-Museum Wuppertal<br />
Renoir!!<br />
„Renoir und die Landschaft des Impressionismus“<br />
– der Titel verheißt<br />
den reinen, sinnlichen Genuss. Nun<br />
– pourquoi pas? Wir zitieren: „Der<br />
Schwerpunkt dieser Ausstellung liegt<br />
auf dem späten Werk, in dem sich<br />
Renoirs Häuser, Büsche, Bäume und<br />
Autsch! Hinz und Kunz machen im GOP<br />
Blödsinn mit Instrumenten.<br />
und Imi Knoebel. Ob der „James<br />
Dean der Kunst“ die Erwartungen<br />
à la longue tatsächlich hätte<br />
erfüllen können, ist umstritten:<br />
Palermo starb 1977 mit erst 33<br />
Jahren. Diese erste (!) umfassende<br />
Werkschau gibt Gelegenheit,<br />
sich ein Bild von dem jedenfalls<br />
einflussreichen Künstler und seinen<br />
Arbeiten zu machen.<br />
Info: 0211/8996243<br />
www.kunsthalle-duesseldorf.de<br />
Berge in pure Farbe aufzulösen scheinen.<br />
Hier befreit sich die Gestaltung<br />
vom Gegenstand, und die Farbe und<br />
das grandiose Licht Südfrankreichs<br />
gewinnen ein Eigenleben.“ Kunst muss<br />
und darf nicht immer bloß Genuss<br />
sein. Aber manchmal halt schon…<br />
Info: 0202/563 6231 ■<br />
■ www.von-der-heydt-museum.de<br />
Renoirs „Zwei Schwestern“ kommen<br />
auch nach Wupperrtal.<br />
TERMINE<br />
<strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> | 91
TERMINE<br />
Noch<br />
Claudia Spielmanns „Sturzflug“ ist Teil<br />
der Schau im Essener KWI.<br />
bis 8. Februar<br />
Kulturwissenschaftliches Institut Essen<br />
Großes Zeichen<br />
Das Essener KWI ist als Ausstellungsort<br />
noch ein recht unbeschriebenes Blatt.<br />
Gute Gelegenheit, es kennenzulernen.<br />
Aber Vorsicht: Die Ausstellung ist nur<br />
nach Anmeldung zu besichtigen! Geboten<br />
werden Arbeiten der Hamburger<br />
Malerin Claudia Spielmann – vorwiegend<br />
Landschaften, die indes japanischen<br />
Einfluss und Elemente der Kalligraphie<br />
erkennen lassen; die Künstlerin<br />
begann ihre Karriere 1994 mit<br />
einem Stipendium der japanischen<br />
Regierung und ist dem Land weiterhin<br />
verbunden ■ Info: 0201/7204-0<br />
■ www.kwi-nrw.de<br />
bis 24. Februar<br />
Ludwig Galerie Schloss Oberhausen<br />
Schadenfreude<br />
Er war Karikaturist, hat die bewegte<br />
Bilderwelt des Cartoons erfunden und<br />
war nach einem Ausspruch August<br />
Mackes der „erste Futurist“: Wilhelm<br />
Busch. Kein Kinderkram. Diese Ausstellung<br />
mit 100 seiner Arbeiten und<br />
mit 80 Beiträgen prominenter Nachfolger<br />
zeigt, „dass die Karikatur von der<br />
Bösartigkeit, Gehässigkeit und Schadenfreude<br />
lebt“. Das reinste Vergnügen<br />
also – man sollte es sich nicht entgehen<br />
lassen ■ Info: 0208/412 4928<br />
■ www.ludwiggalerie.de<br />
Das tut weh: Ein überaus Busch-typischer<br />
Schmied hat den Teufel im Griff.<br />
92 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong><br />
Museum Küppersmühle Duisburg<br />
Immendorff<br />
Die Kunstakademie hatte manchmal<br />
ihre liebe Not mit (künftigen) Professoren.<br />
Wie Beuys wurde auch Jörg<br />
Immendorff mal gefeuert – da war er<br />
noch Student, kein Star. 1996 kehrte<br />
er als Professor und Kunst-Star an den<br />
Rhein zurück, und so wird auch ihm<br />
nun die Ehre zuteil, in „AKADEMOS“<br />
präsentiert zu werden, einer Ausstellungsreihe<br />
über das Werk Düsseldorfer<br />
Akademieprofessoren. Rund 90 Arbeiten<br />
zeigen „40 Jahre Immendorff“,<br />
darunter Spätwerke, die der Schwerkranke<br />
seiner Behinderung mit Hilfe<br />
von Technik und Assistenten abtrotzte.<br />
Diese Ausstellung war noch mit Immendorff<br />
verabredet und besprochen<br />
worden ■ Info: 0203/30 19 48-11<br />
■ www.museum-kueppersmuehle.de<br />
Rheinisches Industriemuseum<br />
Oberhausen<br />
Nachtarbeit<br />
„Der Tag ist nicht genug“ erzählt von<br />
Menschen, die regelmäßig die Nacht<br />
zum Tage machen – nicht fröhlich feiernd,<br />
sondern in harter Arbeit: Krankenhauspersonal,<br />
Schichtarbeiter in<br />
Industriebetrieben oder, nun ja, auch<br />
die Stripperin an der Tanzstange. Fotos<br />
und Tondokumente lassen ahnen, wie<br />
sich die erzwungene Nachtaktivität<br />
auf den Schlaf und das Familienleben<br />
auswirkt ■ Info: 01805/74 34 65<br />
■ www.rim.lvr.de<br />
Dezember<br />
5.<br />
bis 3. März<br />
bis 29. Juni<br />
Mittwoch<br />
sowie 6., 7. und 8. Dezember<br />
jeweils 20 Uhr<br />
Maschinenhaus Zeche Carl Essen<br />
Speed<br />
Ganz frisch – Uraufführung am 2.<br />
Dezember – ist diese Produktion des<br />
Tanztheaters Christine Brunel. „Speed“<br />
heißt das Stück, die Zeit ist das Thema:<br />
Ein Kontinuum, dem sich nichts<br />
und niemand entziehen kann. Tanz,<br />
Musik und Lyrik sind die Elemente,<br />
und dafür hat sich die Französin Brunel<br />
mit dem amerikanischen Cellisten<br />
und Komponisten Scott Roller zusammengetan.<br />
Die Gedichte stammen von<br />
dem in Österreich geborenen Amerikaner<br />
Robert Lax. Insgesamt entsteht ein<br />
Raum, „erfüllt von purer Bewegung<br />
und reinem Klang“ ■<br />
Karten: 0201-837 84 24<br />
■ www.tanztheater-christine-brunel.de<br />
7.<br />
Freitag<br />
und Samstag, 8. Dezember<br />
jeweils 20 Uhr<br />
Domicil Dortmund/<br />
Katakomben-Theater Essen<br />
jazzwerk plus<br />
Drei Bands hat das „jazzwerkruhr“<br />
2007 als Förderprojekte unterstützt:<br />
„Ha!“, „the camatta“ und „Zodiak<br />
Trio“. An diesem Wochenende sind<br />
sie alle drei in Dortmund und Essen<br />
zu hören – und zwar zusammen mit<br />
einem Gast, den das jazzwerk aus<br />
Frankreich an die <strong>Ruhr</strong> geladen hat:<br />
Nguyen Le. Der seit über zwanzig Jahren<br />
erfolgreiche Gitarrist, Arrangeur<br />
und Komponist eröffnet mit seinem<br />
Auftritt die neue Initiative „jazzwerkruhr<br />
plays Europe“. Die beiden Konzerte<br />
bilden den Höhepunkt der Saison<br />
jazzwerkruhr 07 ■<br />
www.jazzwerkruhr.de<br />
Ab 20 Uhr<br />
Wuppertal-Elberfeld<br />
Kneip-Kur<br />
Einen Tag nach Nikolaus, einen Tag<br />
vor dem zweiten Advent, und Sie<br />
wollen zwischendurch mal was ganz<br />
Anderes machen? Bitte schön: In<br />
Wuppertal gibt’s heute einen geführten<br />
Kneipenbummel durch Elberfeld –<br />
vier Stunden lang! Uns scheint das<br />
eine gute Gelegenheit, diese durchaus<br />
charmante Nachbarstadt kennenzulernen,<br />
die man sonst meist nur nebenher<br />
wahrnimmt: beim Museums- oder<br />
Zoobesuch oder beim Schwebebahnfahren.<br />
6,50 Euro kostet die Tour –<br />
wir haben allerdings den Verdacht,<br />
dass darin bestenfalls ein Getränk enthalten<br />
ist ■ Info: 0202/5638052<br />
■ www.wuppertal.de<br />
In „Speed“ machen Christine Brunel<br />
und Scott Roller die Zeit zum Thema.<br />
8.<br />
Samstag<br />
15 Uhr<br />
Mondpalast Wanne-Eickel<br />
Peterchen hebt ab<br />
Peterchens Mondfahrt und Weihnachten<br />
gehören zusammen – das wusste<br />
der Verfasser dieser Zeilen auch nach<br />
vielen Jahren noch ganz genau. Aber<br />
warum und wie? Statt irgendwo nachzulesen,<br />
könnte man auch die Erfahrung<br />
wiederholen und das Stück noch<br />
einmal anschauen – mit dem Kind, mit<br />
dem Enkel. Und welcher Ort wäre als<br />
Startpunkt für diese Reise besser geeignet<br />
als der „Mondpalast“ in Wanne-<br />
Eickel? Heute und dann noch vier mal<br />
vor Weihnachten hebt Peterchen dort<br />
ab ■ Info: 02325/96 81 96<br />
■ www.mondpalast.com<br />
10.<br />
Montag<br />
20 Uhr<br />
Konzerthaus Dortmund<br />
Weihnachten gefiddelt<br />
Nun ist schon der zehnte Dezember –<br />
Zeit für etwas wirklich Weihnachtliches.<br />
Aber ein bisschen anders darf’s<br />
schon sein, oder? Mit Trommeln nämlich,<br />
Fiddeln, Flöten, Harfen und Tanz<br />
und mit dem seltsamen Weihnachtsgruß<br />
„Nollaig Shona Duit“: Irische<br />
Weihnachten mit dem Irish Harp Orchestra<br />
und mit der Planxty O’Rourke<br />
Dance Company ■<br />
Karten: 0231/22 696 200<br />
■ www.konzerthaus-dortmund.de<br />
11.<br />
Dienstag<br />
20 Uhr<br />
GOP Varieté Essen<br />
Heiter bis flockig<br />
…heißt das aktuelle Programm im<br />
GOP: Publikumsliebling Oli Materlik<br />
präsentiert sich selbst und ein international<br />
gemischtes Ensemble mit einem<br />
schillernden Mix aus Kabarett, Comedy,<br />
Artistik und Akrobatik – Varieté<br />
eben ■ Karten: 0201/247 9393<br />
■ www.variete.de<br />
12.<br />
Mittwoch<br />
19 Uhr<br />
Grugahalle Essen<br />
Holiday on Ice<br />
So verlässlich wie das Christkind<br />
kommt Holiday on Ice an Weihnachten<br />
in die Essener Grugahalle. Irgendwie<br />
war das immer schon so. Die diesjährige<br />
Show aber ist natürlich wieder<br />
eine ganz neue: „Elements“ handelt<br />
von Feuer und Wasser, von Luft und<br />
Erde, von fremden Ländern und Kulturen.<br />
Star des Jahres ist Tanja Szewczenko,<br />
die für „Holiday“ nach acht Jahren<br />
auf das Eis zurückkehrt. Howard Carpendale<br />
schrieb für die Show eine exklusive<br />
Ballade: „Durban South Africa“.<br />
Heute ist Premiere; dann folgen<br />
bis zum 16. Dezember noch acht Aufführungen<br />
■ Tickets: 01805/44 44<br />
■ www.holidayonice.com<br />
Samstag, 8. Dezember · 20 Uhr<br />
Bisschen spät, aber immerhin:<br />
80 Jahre nach der Uraufführung<br />
in den USA bringt das Gelsenkirchener<br />
MiR heute die deutsche<br />
Erstaufführung des Gershwin-<br />
Musicals „Strike up the Band“.<br />
Die Handlung ist ziemlicher Käse:<br />
Es geht um einen amerikanischen<br />
Cheese-Fabrikanten, der sein<br />
fades Produkt mit allen Mitteln<br />
gegen wohlschmeckende Schweizer<br />
Konkurrenz verteidigen will.<br />
Eine Szene aus Henrietta Horns<br />
„Freigang“ in der Folkwang Hocchschule<br />
13.<br />
Donnerstag<br />
20 Uhr<br />
Folkwang Hochschule Essen<br />
Zweimal Henrietta Horn<br />
Zwei Produktionen der Choreographin<br />
Henrietta Horn zeigt das Folkwang<br />
Tanzstudio im Dezember. Heute, morgen<br />
und übermorgen steht „Freigang“<br />
auf dem Programm: Zusammen mit<br />
dem Musiker, Performer und Improvisator<br />
Jens Thomas lotet Horn die<br />
Grenzen ihrer Kunstformen aus. Am<br />
19. und 20. Dezember folgt „Blauzeit“:<br />
Diese Choreographie von Horn<br />
zur Musik des 50jährigen Amerikaners<br />
David Lang spürt der Frage nach: Wie<br />
lang sind eigentlich fünf Minuten? ■<br />
Karten: 0201/4903-231<br />
■ www.folkwang-tanzstudio.de<br />
Musiktheater Gelsenkirchen<br />
Junger Käse<br />
Klingt gar nicht schlecht? Nun ja –<br />
Buchautor George S. Kaufmann<br />
hat immerhin auch für die Marx-<br />
Brothers gearbeitet. Die Songtexte<br />
stammen von Ira Gershwin und<br />
die Musik hat natürlich Bruder<br />
George geschrieben – einschließlich<br />
solcher Hits wie „Strike up<br />
the Band“, „The Man I Love“<br />
und „I’ve Got a Crush on You“.<br />
Karten: 0209/4097-200<br />
www.musiktheater-im-revier.de<br />
TERMINE<br />
Überraschen Sie mit dem schönsten Geschenk,<br />
das es gibt – dem Lachen!<br />
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und als Arrangement-Gutschein mit Menü ab 36 Euro.<br />
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Telefax: (02 01) 2 47 93-94, info-essen@variete.de<br />
<strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> | 93
TERMINE<br />
Dezember<br />
13.<br />
Donnerstag<br />
19.30 Uhr<br />
Harenberg Center Dortmund<br />
Whiskey für den<br />
Weihnachtsmann<br />
Und noch einmal irisch Weihnachtliches,<br />
wiederum in Dortmund. Otto<br />
Sander liest skurrile Geschichten des<br />
irischen Autors John B. Keane. Dort<br />
auf der Insel, so scheint es, muss der<br />
Geschenkelieferant auf seiner Tour so<br />
einiges vertragen – nicht nur den obligaten<br />
Rutsch durch den Kamin: „Mehr<br />
Whiskey für den Weihnachtsmann“<br />
ist der Abend überschrieben. Da ahnt<br />
man denn auch, woher Rentier Rudolf<br />
seine rote Nase hat ■ 0231/9056-166<br />
16.<br />
Sonntag<br />
18 Uhr<br />
Konzerthaus Dortmund<br />
Das Weihnachtsoratorium<br />
Und noch einmal Dortmund: Johann<br />
Sebastian Bach, Weihnachtsoratorium<br />
(Kantaten 1-3,6), BWV 248 – mehr<br />
muss man nicht sagen. Es singen und<br />
spielen: Letizia Scherrer (Sopran),<br />
Franziska Gottwald (Mezzosopran),<br />
Maximilian Schmitt (Tenor), Roderick<br />
Williams (Bass), der RIAS Kammerchor<br />
und die Akademie für Alte Musik<br />
Berlin unter der Leitung von Hans-<br />
Christoph Rademann ■<br />
Karten: 0231/22 696 200<br />
■ www.konzerthaus-dortmund.de<br />
Ab 16 Uhr<br />
Theater an der <strong>Ruhr</strong> Mülheim<br />
Dreimal Eduardo de Filippo<br />
Dramatiker, Schauspieler und Regisseur:<br />
Eduardo de Filippo (1900 –<br />
1984) war einer der ganz Großen des<br />
italienischen Theaters. Roberto Ciulli<br />
widmet ihm in dieser Saison einen<br />
Schwerpunkt und zeigt am Raffelberg<br />
gleich drei Stücke seines Landsmanns:<br />
„Verrückt“, „Diese Gespenster“ und<br />
„Die Kunst der Komödie“. Und heute<br />
ist geradezu ein Filippo-Festtag; wer<br />
mag, kann alle drei Stücke nacheinander<br />
erleben ■ Karten: 0208/59901-88<br />
■ www.theater-an-der-ruhr.de<br />
94 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong><br />
18.<br />
Dienstag<br />
und Freitag, 21. Dezember<br />
jeweils 15 Uhr<br />
Philharmonie Essen<br />
Errlische Weihnacht<br />
Ganz anders als die irische Version:<br />
Weihnachten en Français. „Joyeux<br />
Noel“. Die Essener Philharmonie bietet<br />
an zwei Nachmittagen französische<br />
Weihnachtschöre mit festlichem Orgelklang<br />
und „bezaubernden Weihnachtsliedern<br />
zum Mitsingen“. Wer da errötend<br />
an sein Schulfranzösisch denkt,<br />
sollte auf die mildernde Wirkung der<br />
Orgeltöne vertrauen und darauf, dass<br />
es den anderen genauso geht. Den Erzähler<br />
gibt Philharmoniechef Michael<br />
Kaufmann – natürlisch en Allemand ■<br />
Karten: 0201/8122-8801<br />
■ www.philharmonie-essen.de<br />
21.<br />
Freitag<br />
und Samstag, 22. Dezember<br />
20 Uhr<br />
Stadthalle Mülheim<br />
Weihnachtsmann Helge<br />
Wer kurz vor Weihnachten noch mal<br />
was ganz Anderes hören und sehen<br />
will, könnte sich den Zusammenbruch<br />
von Helge Schneider anschauen: „I<br />
brake together“. Und wo könnte man<br />
das besser tun als in Helges Heimat,<br />
an der Stätte seiner frühen Erfolge?<br />
Eben. Allerdings ist zu befürchten,<br />
dass es für die beiden Abende allenfalls<br />
Restkarten gibt. Deshalb wurde für<br />
Sonntag, 18 Uhr, noch ein Zusatztermin<br />
angesetzt, wobei „I brake together“<br />
halb unter dem Alias-Tourneenamen<br />
„Akopalüze Nau!“ antritt. Helge<br />
wird wissen, warum. Die FAZ jedenfalls<br />
schrieb: „In den Herzen wird’s<br />
warm“ – also doch ganz weihnachtlich<br />
■ Info: 0208/940960<br />
■ www.helge-schneider.de<br />
Diese Show bleibt an Weihnachten<br />
unter Dampf: Starlight Express Bochum.<br />
22.<br />
Samstag<br />
20 Uhr<br />
Starlight Expess Theater Bochum<br />
Unter Volldampf<br />
Wer sich und seinen Kindern eine<br />
weihnachtliche Auszeit gönnen möchte,<br />
muss nicht vor der Glotze enden.<br />
Als Klassiker – und Weihnachten ist<br />
schließlich die Zeit für Klassiker – bietet<br />
sich das Bochumer Musical „Starlight<br />
Express“ an. Die Truppe bleibt<br />
fast die ganze Zeit auf der Rolle und<br />
unter Dampf; spielfreie Tage sind nur<br />
Heiligabend und der 28. Dezember ■<br />
Karten: 0180/5152530<br />
■ www.starlight-express-musical.de<br />
Herzerwärmender Helge: Vor Weihnachten<br />
hat er ein Heimspiel in Mülheim.<br />
25.<br />
Dienstag<br />
19.30 Uhr<br />
Theater an der <strong>Ruhr</strong> Mülheim<br />
Der kleine Prinz<br />
Eine Weihnachtsgeschichte ist das<br />
gar nicht – und dennoch scheint heute<br />
genau der richtige Tag zu sein, eine<br />
Aufführung des bezaubernden „Kleinen<br />
Prinzen“ nach Antoine de Saint-<br />
Exupéry anzusehen. Theaterchef<br />
Roberto Ciulli und Maria Neumann<br />
spielen, und man darf zuversichtlich<br />
sein, dass sie der Versuchung widerstehen,<br />
dem Publikum eine zuckrige<br />
Kitsch-Version dieser Miniatur zu bieten<br />
■ Karten: 0208/59901-88<br />
■ www.theater-an-der-ruhr.de<br />
27.<br />
Donnerstag<br />
19.30 Uhr<br />
Zeche Zollern II/IV Dortmund<br />
Die Geier (ka)lauern<br />
Ja, ist denn schon Weihnachten vorbei?<br />
Allerdings. Und an diesem Abend hat<br />
der aktuelle „Geierabend“ Premiere,<br />
womit die – zum Glück alternative –<br />
Karnevalssaison nach weihnachtlicher<br />
Ruhe erneut ihr Haupt erhebt. „Wir<br />
lachen vor Madagaskar“ heißt das Programm,<br />
was dialektal sächsischen Einfluss<br />
befürchten lässt. Ansonsten aber<br />
sind die regionalen Recken wieder zu<br />
sehen – wie die „Zwei vonne Südtribüne“<br />
oder Kellnerinnen Lilli & Lotti.<br />
Auch der „Pannekopp des Jahres“ wird<br />
wieder gekürt und wird sich wie stets<br />
weigern, den rostigen Stahlorden zu<br />
tragen ■ Karten: 0231/5027710<br />
■ www.geierabend.de<br />
Januar<br />
6.<br />
Sonntag<br />
und Montag, 7. Januar<br />
Historische Stadthalle Wuppertal<br />
11 resp. 20 Uhr<br />
Eine Art Neujahrskonzert<br />
Wir haben Ihnen keine Silvesterfeiern<br />
ans Herz gelegt und auch keine der<br />
klassischen Neujahrskonzerte am<br />
ersten Januar – die Auswahl wäre zu<br />
schwer gewesen und die Gefahr zu<br />
groß, dass es längst eh keine Karten<br />
mehr gibt. Dieses Sinfoniekonzert in<br />
der historischen Stadthalle Wuppertal<br />
könnte passender Ersatz sein: „Königliche<br />
Audienz“ ist der Titel, und auf<br />
dem Programm steht ausschließlich Sir<br />
Edward Elgar: Konzert für Violoncello<br />
und Orchester e-Moll op. 85 und Sinfonie<br />
Nr. 1 As-Dur op. 55. Auch ohne<br />
„Pomp and Circumstances“ dürfte die<br />
gebotene Feierlichkeit zum Jahresbeginn<br />
garantiert sein ■<br />
Karten: 0202/569 44 44 ■<br />
www.sinfonieochester-wuppertal.de<br />
Das Londoner West End ist bekanntlich<br />
der Nabel der Musical-<br />
Welt. Hannes Schmitz, in Essen<br />
als Institution „Pumpen-Hannes“<br />
bekannt, holt die Atmosphäre des<br />
Theaterviertels ins <strong>Ruhr</strong>gebiet und<br />
veranstaltet in der Philharmonie<br />
eine <strong>Revue</strong> mit den „best musicals<br />
ever“. Die sechs Damen und<br />
11.<br />
Freitag<br />
Konzerthaus Dortmund<br />
20 Uhr<br />
St Martin in the Fields<br />
„Es spielt die Academy of Saint Martin<br />
in the Fields unter der Leitung von<br />
Sir Neville Marriner“ – unzählige Male<br />
hört man diese Ansage im Radio. London-Besucher<br />
wissen, dass es die Martinskirche<br />
wirklich gibt. Jetzt ist Gelegenheit<br />
zu erleben, dass auch Dirigent<br />
und Orchester durchaus lebendig sind:<br />
Der 83-jährige Sir Neville und die 1959<br />
von ihm gegründete Academy gastieren<br />
in Dortmund, im Gepäck Beethoven<br />
(Ouvertüre zu „Leonore“ und drittes<br />
Klavierkonzert) sowie Dvorak (achte<br />
Sinfonie) ■ Karten: 0231/22 696 200<br />
■ www.konzerthaus-dortmund.de<br />
18.<br />
Mittwoch, 16. Januar · 20 Uhr<br />
Freitag<br />
Philharmonie Essen<br />
London Calling<br />
20 Uhr<br />
Philharmonie Essen<br />
Die Duisburger<br />
Diese Philharmoniker unter Duisburgs<br />
„Darling“ GMD Jonathan Darlington<br />
genießen einen exzellenten Ruf, und<br />
seit einigen Monaten haben sie auch<br />
ihre neue Mercatorhalle mit viel gepriesener<br />
Akustik. Wer etwas weiter<br />
östlich wohnt und die Fahrt an den<br />
Rhein bislang gescheut hat, kann sich<br />
heute in Essen von der Qualität des<br />
Ensembles und seines Leiters überzeugen.<br />
Das Programm ist – Vive la<br />
France! – französisch geprägt mit<br />
Debussy, Saint-Saens und Messiaen.<br />
Dazu eine Prise Finnisches, natürlich<br />
von Sibelius ■<br />
Karten: 0201/8122-8801<br />
■ www.philharmonie-essen.de<br />
Herren der Thetartruppe „West-<br />
Enders“ kombinieren ihre Erfahrung<br />
aus zwanzig verschiedenen<br />
Musicals zu einer Show: Die<br />
Schöne und das Biest, Miss Saigon,<br />
Les Misérables, Jesus Christ<br />
Superstar…<br />
Karten: 0201/8122-8801<br />
www.philharmonie-essen.de<br />
26.<br />
Samstag<br />
Jonathan<br />
Darlington<br />
dirigiert seine<br />
Duisburger<br />
Philharmoniker.<br />
19 Uhr<br />
Aalto Theater Essen<br />
Mahagonny<br />
Heute fragen sie in Essens Aalto zum<br />
ersten Mal nach der nächsten Whiskybar:<br />
Barrie Kosky und Stefan Soltesz<br />
haben sich Bert Brechts und Kurt<br />
Weills „Aufstieg und Fall der Stadt<br />
Mahagonny“ vorgenommen – nach<br />
fast 80 Jahren längst kein Skandalstück<br />
mehr, eher schon ein Klassiker. Einen<br />
„Ort des Träumens, Erinnerns, Vergessens“<br />
nennt Barrie dieses Mahagonny,<br />
und das Stück eine „biblische Burleske<br />
für das 21. Jahrhundert“ ■<br />
Info: 0201/8122-200<br />
■ www.theater-essen.de<br />
20 Uhr<br />
Kaue Gelsenkirchen<br />
Der weiße Neger Wumbaba<br />
Dieser weiße Neger ist einem Phänomen<br />
zu verdanken, dem Autor Axel<br />
Hacke den ganzen Abend widmet:<br />
dass man sich bei gehörten (Lied-)Texten<br />
oft ganz gehörig verhört. Zum Beispiel,<br />
wenn die Südafrikanerin Miriam<br />
Makeba in „Pata Pata“ immerzu vom<br />
Grugabad zu singen scheint. Bei Matthias<br />
Claudius heißt es im „Abendlied“<br />
natürlich „und aus den Wiesen steiget/der<br />
weiße Nebel wunderbar“,<br />
doch was soll einer machen, der statt<br />
dessen immer vom Neger Wumbaba<br />
zu hören glaubt? Axel Hacke machte<br />
das seltsame Wesen zur Titelfigur eines<br />
sehr erfolgreichen Verhör-Buches. Nun<br />
bittet er mit der Fortsetzung erneut<br />
zum Verhör; er liest aus „Der weiße<br />
Neger Wumbaba kehrt zurück“ ■<br />
Info: 0209/95430 ■ www.kaue.de<br />
Dorothee Herting<br />
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in allen Lebenssituationen<br />
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zur klaren Selbstwahrnehmung<br />
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(Anorexie, Bulimie, etc)<br />
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Durchschlafstörungen<br />
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<strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> | 95
TERMINE<br />
Februar<br />
4.<br />
Montag<br />
Janztägisch<br />
Die Straßen von D und K<br />
Helau oder Alaaf<br />
Sie werden es merken: Dieser Montag<br />
ist kein normaler Montag. Es ist Rosenmontag.<br />
Wer nicht im ortsansässigen<br />
Karneval sicher verankert ist, muss sich<br />
nun entscheiden: wegducken oder mitmachen.<br />
Und wenn alle lokalen Karnevalisten<br />
uns ihre Orden um die Ohren<br />
hauen – wir meinen: Wenn schon,<br />
denn schon! Ins Auge des Sturms, und<br />
das bedeutet immer noch, nach Düsseldorf<br />
oder nach Köln. Düsseldorf<br />
liegt näher, ansonsten mischen wir uns<br />
in diese Rivalität nicht ein. Da sind uns<br />
alle Pappnasen gleich lieb und teuer ■<br />
Info: 0211/33 01 01 ■ www.comiteeduesseldorfer-carneval.de<br />
7.<br />
Donnerstag<br />
und Freitag, 8. Februar<br />
jeweils 20 Uhr<br />
Philharmonie Essen<br />
Orgelpunkte<br />
Händel und Bruckner – da scheinen<br />
zwei sehr voneinander entfernte Komponisten<br />
in einem Sinfoniekonzert<br />
vereint. Verbindendes Element ist die<br />
Orgel: Händels Konzert für Orgel und<br />
Orchester Nr. 14 A-Dur WV 296a ist<br />
eine Herausforderung an das improvisatorische<br />
Talent des Organisten;<br />
Jürgen Kursawa stellt sich ihr an der<br />
Orgel der Essener Philharmonie. Auch<br />
in Anton Bruckners berühmter siebter<br />
Sinfonie ist die Orgel gleichsam zu<br />
hören – weil der begnadete Organist<br />
Bruckner bei Konzeption und Instrumentierung<br />
des Werks mit typischen<br />
Mitteln der Orgelmusik arbeitete ■<br />
Karten: 0201/8122-200 ■<br />
www.theater-essen.de<br />
10.<br />
Sonntag<br />
11 Uhr<br />
Musiktheater Gelsenkirchen<br />
Ballett für Kinder<br />
Kinder und Tanz zusammenzubringen,<br />
ist schon seit langer Zeit ein<br />
besonderes Anliegen der Gelsenkirchener.<br />
Von heute an heißt es wieder:<br />
„Ballett Schindowski tanzt für Kinder“.<br />
Mit Tschaikowskis „Nussknacker“<br />
haben sie einen kindgerechten Stoff<br />
gewählt, ohne dass sich Erwachsene<br />
ausgeschlossen fühlen müssen ■<br />
Karten: 0209/4097-200<br />
■ www.musiktheater-im-revier.de<br />
96 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong><br />
Fritz Wotrubas „Große Liegende“<br />
in Duisburg bekommt Gesellschaft.<br />
12.<br />
Dienstag<br />
19 Uhr<br />
Lehmbruck Museum Duisburg<br />
Fritz Wotruba<br />
Mit dem österreichischen Bildhauer<br />
Fritz Wotruba (1907-1975) ist das<br />
Lehmbruck-Museum schon lange verbunden:<br />
1964 kaufte die Stadt Duisburg<br />
seine „Große liegende Figur“ für<br />
das neu gebaute Museum, und im gleichen<br />
Jahr reiste der Künstler zur Eröffnung<br />
des Lehmbruck-Museums an.<br />
Zu Wotrubas hundertstem Geburtstag<br />
zeigte die Neue Pinakothek München<br />
„Zeichnungen und Steine“; jetzt<br />
kommt die Ausstellung nach Duisburg.<br />
Die Ausstellung konzentriert sich auf<br />
Zeichnungen und Steinskulpturen,<br />
um anhand dieser „nackten Medien“<br />
Wotrubas Lebenswerk exemplarisch<br />
zu verdeutlichen ■<br />
Info: 0203/283 26 30<br />
■ www.lehmbruckmuseum.de<br />
20 Uhr<br />
Konzerthaus Dortmund<br />
Gewöhnung am Dativ<br />
Erstaunlich, welche Popularität dieser<br />
Autor mit seinen Sprachkolumnen<br />
erreicht hat. Nun tourt der „Grammatik-Papst“<br />
mit einer neuen „großen<br />
Bastian-Sick-Schau“ durch Deutschland.<br />
Und da der Genitiv mittlerweile<br />
definitiv tot sein dürfte, gewöhnen<br />
sich die Zuschauer mit Sick lustvoll<br />
am allgegenwärtigen Dativ: Gib mich<br />
dat Ding! ■ Karten: 0231/22 696 200<br />
■ www.konzerthaus-dortmund.de<br />
20.<br />
Mittwoch<br />
20 Uhr<br />
Philharmonie Essen<br />
Besuch aus Bochum<br />
Die Essener Philharmonie kommt gut<br />
weg in dieser Übersicht. Aber es ist<br />
natürlich sehr verdienstvoll, wenn sie<br />
nach den Duisburger Kollegen nun den<br />
noch immer konzerthauslosen Bochumer<br />
Symphonikern Gelegenheit gibt,<br />
aufzuspielen. Unter der Leitung von<br />
Steven Sloane präsentieren die „BoSy“<br />
Charles Ives’ „Hymn“ (Largo cantabile<br />
für Streichorchester) und Mahlers Sinfonie<br />
Nr. 3 d-Moll. Verstärkt werden<br />
sie kollegial durch Christa Meyer, Alt,<br />
und den Philharmonischen Chor Essen<br />
■ Karten: 0201/8122-8801<br />
■ www.philharmonie-essen.de<br />
22.<br />
Freitag<br />
Diese markante Nase gehört<br />
unverkennbar dem Liedermacher<br />
Hannes Wader.<br />
und Samstag, 23. Februar<br />
jeweils 20 Uhr<br />
Westfalenhalle DO/Tonhalle D<br />
Flames of Classic<br />
Hier kommen Freunde des „Son et<br />
Lumière“ auf ihre Kosten: Das Berliner<br />
KammerOrchester unter der Leitung<br />
von Roland Mell spielt Ohrwürmer aus<br />
Carmen, Schwanensee, Nussknacker<br />
und Aida; dazu gibt es ein optisches<br />
Spektakel aus Feuerzauber und Laserlicht<br />
■ Karten: 0180/557 0000<br />
■ www.flamesofclassic.de<br />
Laserlicht und Feuer zu Klassik-Hits –<br />
gespielt vom Berliner KammerOrchester<br />
25.<br />
Montag<br />
20 Uhr<br />
Musiktheater Gelsenkirchen<br />
Hannes Wader<br />
„Was macht eigentlich“ – die Frage<br />
wäre bei Hannes Wader berechtigt.<br />
Seit den großen Zeiten der Liedermacher<br />
hat man den Kollegen von Reinhard<br />
Mey, Schobert und Black und<br />
anderen ein wenig aus den Augen verloren.<br />
Nun – der Mann mit der markanten<br />
Nase blickt auf höchst bewegte<br />
Zeiten zurück, und seine Wandlungen<br />
muss man nicht alle gutheißen. Aber<br />
er singt noch. Was und wie und ob<br />
es den „Tankerkönig“ noch gibt, das<br />
kann man an diesem Abend hören ■<br />
Info: 0209/ 14 77 999<br />
■ www.hanneswader.de<br />
März<br />
7.<br />
Freitag<br />
Theater Oberhausen<br />
Die Frau vom Meer<br />
Nun biegt Intendant Johannes Lepper<br />
allmählich in die Zielgerade ein, seine<br />
Tage in Oberhausen sind bekanntlich<br />
gezählt. Heute hat seine Inszenierung<br />
von Henrik Ibsens „Frau vom Meer“<br />
Premiere – ein psychologisches Drama<br />
um Protagonistin Ellida. Darin variiert<br />
der Norweger sein Thema der Frauen<br />
als Gefangene bürgerlicher Konventionen<br />
■ Info: 0208/85 78 184<br />
■ www.theater-oberhausen.de<br />
14.<br />
Freitag<br />
und Samstag, 15. März<br />
jeweils 20 Uhr<br />
Villa Hügel Essen<br />
Konzert im Park<br />
Nun ist schon fast wieder Frühling.<br />
Mit etwas Glück kann man einen Sonnenspaziergang<br />
im prächtigen Hügelpark<br />
einplanen, ehe abends in der Villa<br />
das Folkwang Kammerochester mit<br />
einem seiner Hügelkonzerte im Krupp-<br />
Palast aufspielt. Auf dem Programm<br />
Brittens „simple Symphony“, Sibelius’<br />
„Rastakava“, Introduction and Allegro<br />
op. 47 von Elgar sowie das Concerto<br />
for Marimba von Peter Klatzow. Solist<br />
am Marimbaphon ist Alexej Gerassimez;<br />
es dirigiert Eric Lindholm ■<br />
Info: 0201/23 00 34<br />
■ www.folkwang-kammerorchester.de<br />
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<strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong> | 97
IN EIGENER SACHE<br />
— Ratgeber über fünf<br />
Jahre und jetzt aus dem<br />
Beirat der RUHR REVUE<br />
ausgeschieden:<br />
Dr. Heinz Gaßdorf (links)<br />
und Ralf Lehmann.<br />
98 | <strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong><br />
So dankbar<br />
Aufmerksame Leser, und das sind RUHR REVUE-Leser, werden<br />
sehen, dass im Impressum unter „Beirat“ neue Namen stehen.<br />
Ja, richtig. Unser kleines <strong>Jubiläum</strong> (s. Vorwort) ist auch mit<br />
einem Abschied verbunden von zwei Beiratsmitgliedern, die<br />
uns fünf Jahre lang mit ihrem guten Rat und ihrer Sympathie<br />
begleitet haben und die sich jetzt – die Fotos täuschen – aus<br />
Altersgründen zurückgezogen haben: Ralf Lehmann und<br />
Dr. Heinz Gaßdorf. Der eine, vielen noch in Erinnerung als<br />
Chefredakteur der WAZ, hat uns geholfen, journalistisch auf<br />
den Weg einer Qualität zu kommen, die die gute Unterhaltung<br />
bis hin zu einer Prise Sexiness keinesfalls ausschließt. Vielleicht<br />
sagt er, wenn er dieses Heft in die Hand bekommt und den<br />
Titel sieht: „Na endlich!“ Seine Glossen, die er exklusiv für uns<br />
schrieb, waren so köstlich, dass wir unbedingt den anderen heimischen<br />
Superstar dieses Fachs, Jörg Bartel, gewinnen mussten,<br />
um unsere Leser den Verlust verschmerzen zu lassen. Der andere,<br />
der uns als ehemaliger Verlagsmanager mit kritischer Liebe<br />
begleitet hat, ist einer, der mir persönlich zum Glück, so lange<br />
er lebt oder ich lebe, erhalten bleiben wird: Dr. Heinz Gaßdorf.<br />
Den ausgeschiedenen Beiratsmitgliedern der RUHR REVUE<br />
gilt der Dank eines Teams, das unendlich viel von so erfahrenen<br />
Männern lernen durfte.<br />
Dem neuen Beirat gehören neben Prof. Oliver Scheytt, der uns<br />
zu unserer Freude trotz seiner umfangreichen Aufgaben bei<br />
RUHR 2010 weiter begleitet, zwei neue Gesichter an: ein Mann<br />
der Kunst, Prof. Dr. Dr. Thomas Olbricht, der uns nicht nur beraten<br />
wird, sondern Sie, liebe Leser, exklusiv an seinem „Kunstzirkus“<br />
teilhaben lassen wird, und ein Mann der Wirtschaft: Egon<br />
Galinnis, Geschäftsführer der Messe Essen. Wir freuen uns auf<br />
die kritische Begleitung unseres Tuns durch den neuen Beirat<br />
der RUHR REVUE. Das Niveau eines solchen Gremiums ist uns<br />
Ansporn, ein Magazin der Spitzenklasse für eine Region im Aufbruch<br />
zu machen: die kommende Kulturhauptstadt Europas.<br />
● Dagmar Gaßdorf<br />
— Der neue Beirat<br />
der RUHR REVUE:<br />
Prof. Dr. Oliver Scheytt,<br />
Prof. Dr. Dr. Thomas<br />
Olbricht und Egon Galinnis<br />
(von links nach rechts)<br />
<strong>Ruhr</strong> <strong>Revue</strong><br />
Kulturhauptstadtmagazin<br />
Gegründet 1960 von Madeleine Pape<br />
Herausgeberin Dr. Dagmar Gaßdorf<br />
Redaktion Martina Biederbeck, Manuela Gravius, Martin Kuhna<br />
Autor(inn)en Jörg Bartel, Werner Conrad, Dr. Helmut Förster,<br />
Dagmar Gaßdorf, Rainer Giesen, Andreas Kaymer,<br />
Thomas Olbricht<br />
Beirat Egon Galinnis, Prof. Dr. Dr. Thomas Olbricht,<br />
Prof. Dr. Oliver Scheytt<br />
Fotos Matthias Duschner<br />
Karikaturen Nel<br />
Design Herbert Schaar<br />
Anzeigen Eva Lupp (verantwortlich)<br />
Marianne Jäger (Verlagsrepräsentantin)<br />
Verlagsservice Kristin Meier zu Hartum<br />
Druck WAZ-Druck, Duisburg<br />
Verlag Essener <strong>Revue</strong> Verlagsgesellschaft mbH<br />
Anschrift Lenaustraße 12 · 45128 Essen<br />
Telefon 0201-879 57 57<br />
Telefax 0201-879 57 77<br />
E-mails herausgeber@ruhr-revue.com<br />
redaktion@ruhr-revue.com<br />
anzeigen@ruhr-revue.com<br />
vertrieb@ruhr-revue.com<br />
Bildnachweis<br />
<strong>Revue</strong>: Lueg: von dort, Schindler: Wallberg, Allbau: von dort, Essen<br />
Motor Show: Messe Essen, Essener Lichtwochen: Essen Marketing<br />
GmbH, Atlantis: von dort, Bert Rürup: National-Bank, Ernst Schneider<br />
Medienpreis: Lopata/axentis.de, Klaus Beckmann: IHK Essen, Mülheim,<br />
Oberhausen, Mayersche: von dort, Melez-Fotos: Christoph Kniel; Bochum<br />
Spezial: Presse- und Informationsamt der Stadt Bochum (9 Bilder), Schauspielhaus<br />
Bochum (Birgit Hupfeld, Wolfgang Silveri), Bochumer Symphoniker<br />
(s7udio, Arndt Sauerbrunn), Pressestelle der <strong>Ruhr</strong>-Universität<br />
Bochum (1), Buchseite: von den Verlagen; Wollgrenze: Regionalverband<br />
<strong>Ruhr</strong>gebiet (Karte), Kuhna; Thyssen: Historisches Archiv ThyssenKrupp;<br />
Gesundheit: Alfried Krupp Krankenhaus, Lutherhaus, Forum für Umweltmedizin<br />
(Bettina Engel-Albustin), Universität Duisburg-Essen. Kalender:<br />
„arrive“: Laura Ribero, RWE: von dort, Von der Heydt: von dort; Palermo:<br />
Angela Plathen, KWI: von dort; Ludwiggalerie: von dort; Brunel: von<br />
dort, Folkwang Hochschule/Horn: Ursula Kaufmann; Starlight: Jens<br />
Hauer, H. Schneider: von dort, Darlington: DU-Philharmoniker, Flames of<br />
Classic: Andreas Lander, Geierabend: StandOut.de, Wader: Axel Fidelak.<br />
Die RUHR REVUE wird gestaltet von<br />
commedia<br />
www.commedia.de<br />
Die nächste Ausgabe der RUHR REVUE erscheint am<br />
11. März 2008<br />
Anzeigen buchen Sie unter<br />
www.ruhr-revue.com oder Tel. 0201-879 57 18.