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Dokumentation Grundtvig 2

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05-08-2008-II._Themen-3_Modul:<strong>Dokumentation</strong> <strong>Grundtvig</strong> 2 25.08.2008 16:41 Seite 59<br />

CURRICULUM - TRANSITION - Ausbildung zum/r Übergangsbegleiter/in für frühkindliche Bildungsprozesse - Socrates <strong>Grundtvig</strong> 1.1 Projekt<br />

II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

(Dr. Wolfgang Ettrich und Barbara Ettrich)<br />

4. Modul „Bildungslaufbahnberatung“<br />

(Professor Dr. Dr. Wolf Peschl)<br />

5. Modul „Werteerziehung“<br />

Professor Dr. Dr. Wolf Peschl)<br />

6. Modul „Musisch-künstlerische Bildung“<br />

(Professor Dr. Dr. Wolf Peschl)<br />

"Alte Werte – Neue Wege"<br />

(Professor Dr. Dr. Wolf Peschl)<br />

7. Modul „Naturwissenschaftliche Bildung“<br />

(Birgitta Henriksson)<br />

II. Themen<br />

59


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60<br />

CURRICULUM - TRANSITION - Ausbildung zum/r Übergangsbegleiter/in für frühkindliche Bildungsprozesse - Socrates <strong>Grundtvig</strong> 1.1 Projekt<br />

II. Themen<br />

II. Themen<br />

Dr. med. Wolfgang Ettrich,<br />

verheiratet, 2 Kinder, katholisch<br />

1973-1975 an der Elfenbeinküste mit Schwerpunkt Sozialmedizin,<br />

Präventivmedizin, Kinderheilkunde,<br />

Kinderarzt seit 25.09.1979 durch die Landesärztekammer Baden-Württemberg<br />

und ab 1986 Oberarzt und Chefarztstellvertreter Kinderklinik Caritas-Krankenhaus Bad<br />

Mergentheim<br />

Tropenmedizin am 11.04.1988 durch die Landesärztekammer Baden-Württemberg<br />

Psychotherapie, 11.05.1989 durch die Landesärztekammer Baden-Württemberg<br />

Ordentliches Mitglied für Neuropädiatrie<br />

Ärztlicher Leiter am Sozialpädiatrischen Zentrum, Klinik am Eichert - Fachklinik für<br />

Kinderheilkunde und Jugendmedizin in Göppingen.<br />

Hofrat Professor MMag. DDr. h.c. Wolf Peschl,<br />

ist Präsident der Arbeitsgemeinschaft der Musikerzieher Österreichs (AGMÖ), Vizepräsident<br />

des Österreichischen Musikrates (ÖMR), Vorsitzender der Medien-Begutachtungskommission<br />

des österreichischen Bildungsministeriums, mehrfacher<br />

Buchautor, Redakteur zweier pädagogischer Fachzeitschriften, Autor von ca. 140 pädagogikwissenschaftlichen<br />

Publikationen, Dirigent und Chorleiter; er war Präsident<br />

der European Association Schoolmusic (EAS) und Direktor des Bundesgymnasiums<br />

Wien 3.<br />

Vortragsreisen führen ihn an zahlreiche Universitäten (Gastvorlesungen u.a. in Ankara,<br />

Cambridge, Krakau, Leuven, München, Nürnberg, Peking, Prag, Presov, Salzburg,<br />

Würzburg).<br />

In den letzten Jahren mehrfache Beteiligungen an internationalen Projekten im Rahmen<br />

von Erasmus und Sokrates.<br />

Er ist außerdem Autor zahlreicher Rundfunk- und Fernsehsendungen, von Unterrichtsmedien<br />

(VIDEOs, DVDs, Arbeitsmaterialien für den Unterricht) sowie Komponist<br />

von Bühnenmusik für Fernseh-Sendungen.<br />

Ich heisse Birgitta Henriksson.<br />

Ich bin Lehrerin an der Älta Schule (Schweden).<br />

Die Älta Schule ist eine Schwedische Qualitätsschule, die mehrere Auszeichnungen erhalten<br />

hat.<br />

Ich unterrichte Kinder im Alter zwischen 10 -13 Jahren.<br />

Gleichzeitig unterrichte ich auch Lehramtsstudenten an der Universität in Stockholm.


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CURRICULUM - TRANSITION - Ausbildung zum/r Übergangsbegleiter/in für frühkindliche Bildungsprozesse - Socrates <strong>Grundtvig</strong> 1.1 Projekt<br />

II. Themen<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Einleitung<br />

1. Bindung und Entwicklung des Selbst<br />

1.1 Bindung zwischen Kindern und ihren Bezugspersonen<br />

1.2. Konzeptionen des Selbst<br />

1.3. Ethnische Identität<br />

1.4. Selbstwertgefühl<br />

2. Emotionale Entwicklung<br />

2.1. Entwicklung von Emotionen in der Kindheit<br />

2.2. Die Regulierung von Emotionen<br />

2.3. Individuellle Unterschiede bei Emotionen und ihrer Regulierung<br />

2.4. Die emotionale Entwicklung von Kindern in ihrer Familie<br />

2.5. Kultur und die emotionale Entwicklung von Kindern<br />

2.6. Das Emotionsverständnis von Kindern<br />

3. Beziehung zu Gleichaltrigen und Sozialentwicklung<br />

3.1. Kindliche Sozialpartner<br />

3.2. Peer-Beziehungen<br />

3.3. Status in der Peer-Gruppe<br />

3.4. Spielentwicklung<br />

3.5. Die Rolle der Eltern bei Peer-Beziehungen der Kinder<br />

4. Moralentwicklung<br />

4.1. Moralisches Denken und Urteilen<br />

4.2. Die frühe Entwicklung des Gewissens<br />

4.3. Prosoziales Verhalten<br />

4.4. Antisoziales Verhalten<br />

4.5. Lernen über Gerechtigkeit durch Teilen mit anderen<br />

4.6. Verstehen sozialer Konventionen<br />

5. Körperliche Entwicklung<br />

5.1. Wachstum und Entwicklung des Körpers<br />

5.2. Entwicklung der Wahrnehmung<br />

5.3. Motorische Entwicklung<br />

6. Geistige Entwicklung<br />

6.1. Lernen<br />

6.2. Kognition<br />

6.3. Informationsverarbeitung (Aufmerksamkeit, Gedächtnis)<br />

6.4. Sprachentwicklung<br />

7. Zusammenfassung:<br />

Meilensteine der Entwicklung der frühen Kindheit und daraus ableitbare Entwicklungsdefizite<br />

II. Themen 61


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62<br />

CURRICULUM - TRANSITION - Ausbildung zum/r Übergangsbegleiter/in für frühkindliche Bildungsprozesse - Socrates <strong>Grundtvig</strong> 1.1 Projekt<br />

II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

„Entwicklungspsychologische<br />

Aspekte beim Übergang von<br />

der frühen Kindheit ins Kindergartenalter“<br />

II. Themen<br />

Einleitung<br />

Der Übergang von der Familie in die Großgruppe<br />

(Kindergarten) stellt für manches Kind eine Situation<br />

dar, in der das Kind selbst, seine Eltern<br />

und die ErzieherInnen eine Unterstützung benötigen.<br />

Aufgrund dieser Tatsache wurde ein Projekt ins<br />

Leben gerufen, bei dem Übergangshelfer diesen<br />

Schritt erleichtern sollen.<br />

In unserem Modul „Entwicklungspsychologie des<br />

frühen Kindesalters“ haben wir die aus unserer<br />

Sicht relevantesten Entwicklungsparameter herausgearbeitet.<br />

Wir stellen diese Entwicklungsparameter<br />

zunächst themenzentriert in einer<br />

zusammenfassenden Form vor, um sie anschließend<br />

als Curricula mit den wesentlichen Inhaltsaspekten<br />

als Unterrichtseinheiten darzustellen.<br />

Ziel ist einerseits die Vermittlung von Kenntnissen<br />

über den kindlichen Entwicklungsstand im<br />

Alter von 3 Jahren hinsichtlich der Hirnentwicklung,<br />

körperlichen Entwicklung, sowie der<br />

sprachlichen und kognitiven Fähigkeiten. Dazu<br />

die wesentlichsten Aspekte der emotionalen, sozialen<br />

und Ich- und Selbstentwicklung und der<br />

kindlichen Moralentwicklung.<br />

In dieser Darstellung sollen u. a. die Fähigkeiten<br />

herausgearbeitet werden, derer die Kinder in der<br />

Übergangssituation Elternhaus-Kindergarten besonders<br />

bedürfen (Bindungsfähigkeit, Bindung<br />

als Voraussetzung für Trennungsfähigkeit, Fähigkeit<br />

mit mehreren Personen in soziale Interaktion<br />

zu treten). Das Spannungsfeld von Trennungsangst<br />

und Akzeptanz von Neuem als Form der<br />

Unabhängigkeit entsprechend des Alters, sowie<br />

die Entwicklung von Empathie und das Verstehen<br />

von Zusammenhängen.<br />

Die Darstellung soll den Erziehenden sowie den<br />

Übergangshelfern die Möglichkeit geben, Kindern,<br />

die in den genannten Bereichen Schwierigkeiten<br />

haben Hilfestellung zu leisten (z.B.<br />

Bereitschaft der ErzieherInnen Elternersatzfunktionen<br />

zu übernehmen, die Abhängigkeit der<br />

Kinder zu akzeptieren, sowie die Gradwanderung<br />

zwischen Abhängigkeit und Selbstständigkeit<br />

zu erkennen, als richtiges Maß zwischen<br />

Forderung und Überforderung).<br />

Darüber hinaus sollen die Übergangshelfer in der<br />

Lage sein, spezifische Stärken und Schwächen<br />

des Kindes in den verschiedenen genannten Ent-


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CURRICULUM - TRANSITION - Ausbildung zum/r Übergangsbegleiter/in für frühkindliche Bildungsprozesse - Socrates <strong>Grundtvig</strong> 1.1 Projekt<br />

II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

wicklungsbereichen zu erkennen, um entsprechende<br />

Unterstützungsmöglichkeiten zu erarbeiten.<br />

1. Bindung und Entwicklung des Selbst<br />

1.1 Bindung zwischen Kindern und ihren Bezugspersonen<br />

Der Begriff der Bindungsentwicklung ist verknüpft<br />

mit den Namen Bowlby, Rene Spitz, Ainsworth<br />

und anderen.<br />

Aus Untersuchungen in Waisenhäusern schloss<br />

man, dass Babys in Einrichtungen wie Waisenhäusern<br />

unabhängig von Hygiene und Güte der<br />

Leitung einem hohen Entwicklungsrisiko ausgesetzt<br />

sind. Es wurde festgestellt, dass frühe emotionale<br />

Bindungen zwischen Eltern und Kind die<br />

soziale und emotionale Entwicklung von Kindern<br />

beeinflussen kann.<br />

Frühe Beziehung der Kinder zu ihren Eltern beeinflusst<br />

die Art ihrer Interaktionen mit anderen<br />

Menschen vom Kleinkind bis zum Erwachsenenalter.<br />

Diese frühe Bindung beeinflusst das Selbstwertgefühl.<br />

Es ist somit Ausdruck dieser früh einsetzenden<br />

interaktionellen, aktiv gesteuerten<br />

Beziehung zwischen dem Kind der Bezugsperson,<br />

der entsprechenden Ausbildung des Bindungsverhaltens<br />

und Selbst.<br />

Es soll hier noch mal betont werden, dass wir diesen<br />

Prozess einen hochaktiven Prozess von beiden<br />

Seiten betrachten, sowohl von der<br />

Bezugsperson als auch von dem Kind in schon<br />

sehr frühem Alter.<br />

Bindungsprozess scheint eine biologische Grundlage<br />

zu haben, entwickelt sich aber in Abhängigkeit<br />

vom familiären und kulturellen Kontext<br />

unterschiedlich.<br />

Also bewegt sich der Bindungsprozess im Spannungsfeld<br />

„Anlage und Umwelt“ sowie im soziokulturellen<br />

Kontext.<br />

So ist die Bindung zu den Eltern von unterschiedlicher<br />

Qualität und zeigt hohe individuelle<br />

Unterschiede in der sozialen und emotionalen<br />

Entwicklung des einzelnen Kindes.<br />

Harlow und Mitarbeiter (1965) zeigen bei isoliert<br />

aufgewachsenen Rhesusaffen mit 6 Monaten<br />

schwere soziale Störungen (zwanghaftes Beißen,<br />

hin und her werfen, unfähig zu sein mit anderen<br />

zu kommunizieren u. a.).<br />

Die Ergebnisse der Beobachtung von Kindern<br />

und Affen erwiesen sich so eindrücklich, dass<br />

Psychologen und Psychiater sich gezwungen<br />

sahen, ihre Vorstellung von der frühen Entwicklung<br />

zu überdenken.<br />

So entwickelte Bowlby die so genannten Bindungstheorien<br />

(Bowlby 1969)<br />

Nach Bowlby ist Bindung ein biologisch basierter<br />

Prozess, dessen Wurzeln in der Evolution liegen<br />

und die die Überlebenschancen des hilflosen kleinen<br />

Kindes erhöht. Die engste Bezugsperson ist<br />

„die sichere Basis“ von der aus das sicher gebundene<br />

Kind seine Umwelt erforschen kann<br />

und sich Wissen und Kompetenzen erwirbt.<br />

Bowlby unterscheidet hier in der anfänglichen<br />

Entwicklung von Bindung 4 Phasen:<br />

î 1. Vorphase der Bindung<br />

(Geburt bis 6 Wochen)<br />

î 2. Entstehende Bindung<br />

(6 Wochen bis 8 Monate)<br />

î 3. Ausgeprägte Bindung<br />

(6 Monate bis 2 Jahre)<br />

î 4. Reziproke Beziehungen<br />

von 1 ½ - 2 Jahren an.<br />

Das Kind entwickelt so ein so genanntes inneres<br />

Arbeitsmodell der Bindung, nämlich die kindliche<br />

mentale Repräsentation des Selbst, der Bindungsperson<br />

und der Beziehungen im<br />

Allgemeinen, die als Ergebnis der Erfahrungen<br />

mit den Betreuungspersonen entstehen.<br />

Das Arbeitsmodell leitet die Interaktionen der<br />

Kinder mit den Versorgern und anderen Personen<br />

in der Kindheit und im späteren Alter.<br />

Mary Ainsworth, die mit Bowlby seit 1950 zusammengearbeitet<br />

hat, lieferte die empirische<br />

Evidenz für die Bowlby’sche Theorie und erweiterte<br />

sie in entscheidender Hinsicht.<br />

(Ainsworth 1967).<br />

Um die Qualität der kindlichen Bindung an ihre<br />

primäre Bezugsperson zu prüfen, wurde die so<br />

genannte „fremde Situation“ von Ainsworth experimentell<br />

angegeben. Die Kinder werden typischerweise<br />

nach.<br />

II. Themen 63


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CURRICULUM - TRANSITION - Ausbildung zum/r Übergangsbegleiter/in für frühkindliche Bildungsprozesse - Socrates <strong>Grundtvig</strong> 1.1 Projekt<br />

II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

„sicher gebunden“:<br />

ein Bindungsmuster, bei dem ein Kind eine qualitativ<br />

hochwertige, relativ eindeutige Beziehung<br />

zu seiner Bindungsperson hat. In der fremden Situation<br />

weint ein sicher gebundenes Kind vielleicht,<br />

wenn die Bezugsperson weggeht, freut<br />

sich aber, wenn sie zurückkehrt und erholt sich<br />

schnell von seinem Unbehagen.<br />

Wenn Kinder sicher gebunden sind, können sie<br />

ihre Bezugspersonen als sichere Basis für die Erkundung<br />

ihrer Umwelt nutzen.<br />

oder<br />

„unsicher gebunden“:<br />

(unsicher ambivalent, unsicher – vermeidend, als<br />

desorganisiert oder desorientiert) eingeteilt.<br />

Die unsichere Bindung ist ein Bindungsmuster,<br />

bei dem Kinder eine weniger positive Bindung zu<br />

ihrer Bezugsperson haben als sicher gebundene<br />

Kinder. Unsicher gebundene Kinder können eingeteilt<br />

werden in unsicher ambivalent, unsicher<br />

vermeidend oder desorganisiert.<br />

Die unsicher ambivalente Bindung :<br />

ein Typ unsicherer Bindung, bei dem Säuglinge<br />

oder kleine Kinder klammern oder nahe bei der<br />

Bezugsperson bleiben, statt ihre Umwelt zu erkunden.<br />

In der „fremden Situation“ werden unsicher<br />

ambivalent gebundene Kinder häufig<br />

ängstlich, wenn die Bezugsperson sie alleine im<br />

Raum lässt und können von Fremden nicht gleich<br />

beruhigt werden. Wenn die Bezugsperson zurückkehrt,<br />

lassen sie sich nur schwer beruhigen.<br />

Einerseits suchen sie Trost, andererseits widersetzen<br />

sie sich den Bemühungen, sie zu trösten.<br />

Unsicher vermeidende Bindung:<br />

Ein Typ unsichere Bindung, bei dem Säuglinge<br />

und kleine Kinder gleichgültig gegenüber ihrer<br />

Bezugsperson erscheinen und diese – gegebenenfalls<br />

sogar meiden. In der fremden Situation<br />

erscheinen sie der Bezugsperson gegenüber<br />

gleichgültig, bevor diese den Raum verlässt und<br />

gleichgültig oder vermeidend, wenn sie zurückkehrt.<br />

Sie weinen und nachdem die Bezugsperson<br />

sie allein gelassen hat, können sie von einem<br />

Fremden ebenso leicht beruhigt werden wie von<br />

der Mutter oder dem Vater.<br />

II. Themen<br />

Desorganisiert – desorientierte Bindung:<br />

Ein Typ unsicherer Bindung, bei dem die Kinder in<br />

der „fremden Situation“ keine konsistente<br />

Stressbewältigungsstrategie zeigen. Ihr Verhalten<br />

ist oft konfus oder sogar widersprüchlich und sie<br />

erscheinen oft benommen oder desorientiert.<br />

Die Wahrscheinlichkeit für ein Kind sicher gebunden<br />

zu sein nimmt zu, wenn die Bezugspersonen<br />

sensibel sind und auf die Bedürfnisse<br />

reagieren.<br />

Die Ähnlichkeit des Verhaltens bei Kindern in der<br />

„fremden Situation“, zu Hause ist gegeben:<br />

mehr Freude am Körperkontakt, weniger aufgeregtes<br />

Verhalten, entdeckungsfreudiger.<br />

Das Verhalten von Kleinkindern ist in der „fremden<br />

Situation“ über zahlreiche Kulturen hinweg<br />

im Großen und Ganzen vergleichbar (China,<br />

Westeuropa, Afrika, Ilzendoorn und Sagi 1999).<br />

Kulturelle Besonderheiten fließen aber ein, besonders<br />

in die Unterformen des unsicher gebundenen<br />

Seins.<br />

Das Einfühlungsvermögen der Eltern ist ein wichtiger<br />

Faktor der zur Sicherheit der kindlichen Bindung<br />

beiträgt. Es besteht ein Zusammenhang<br />

zwischen dem Bindungsstatus der Eltern und<br />

ihrem Arbeitsmodell von Beziehungen und der<br />

Qualität ihrer Bindung zu ihren Kindern.<br />

Es gibt Hinweise für eine Kontinuität von der Bindung<br />

in der Kindheit zur Bindung im Erwachsenenalter.<br />

Das Temperament des Kindes zeigt eine vergleichsweise<br />

geringe Rolle bei der Bindungssicherheit.<br />

Beachtenswert sind allerdings gravierende Ereignisse,<br />

die in den Bindungsprozess mit einfließen<br />

können wie Scheidung, Krankheit, mütterliche<br />

Depression u.a.<br />

Interventionsprogramme zeigen, dass man mit<br />

Eltern ein sensibleres, aufmerksameres und stimulierendes<br />

Verhalten einüben kann, was bei<br />

den Kindern zu mehr Geselligkeit, Explorationsverhalten,<br />

Bindungssicherheit und der Fähigkeit,<br />

sich selbst zu beruhigen, führt.


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CURRICULUM - TRANSITION - Ausbildung zum/r Übergangsbegleiter/in für frühkindliche Bildungsprozesse - Socrates <strong>Grundtvig</strong> 1.1 Projekt<br />

II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

1.2 Konzeption des Selbst<br />

Das Selbst ist ein Konzeptsystem, das aus den<br />

Gedanken und Einstellungen über sich selbst entsteht.<br />

Gedanken über das eigene materielle Sein<br />

(Körper, Eigentum), soziale Merkmale (Beziehungen,<br />

Persönlichkeit, soziale Rollen) sowie innere<br />

Merkmale (Gedanken und psychische Vorgänge).<br />

Die Entwicklung des Selbst ist wichtig, weil die<br />

Selbstkonzepte des Individuums, einschließlich<br />

seiner Selbstsicht und seines Selbstgefühls, alle<br />

Gefühle von Wohlbefinden und Kompetenz beeinflussen.<br />

Kinder von 2-4 Monaten haben die Vorstellung<br />

von ihrer Fähigkeit, Objekte außerhalb ihrer<br />

selbst zu kontrollieren.<br />

Ca. 8 Monate alte Säuglinge reagieren mit Trennungsangst.<br />

2-Jährige sagen „ich„ und „mein„.<br />

Bei Selbstbeschreibungen beziehen sich jüngere<br />

Kinder oft auf das, was sie gerne mögen oder besitzen.<br />

Die Selbstbewertungen im Vorschulalter sind oft<br />

unrealistisch positiv. Es kommt zum zunehmenden,<br />

sozialen Vergleich der eigenen psychischen<br />

verhaltensbezogenen oder körperlichen Eigenschaften<br />

mit anderen, um die eigene Tüchtigkeit<br />

zu bewerten.<br />

Autoren, die sich mit dieser Problematik beschäftigt<br />

haben, werden hier erwähnt:<br />

î Lewis, Alessandri Sullivan (1990)<br />

î Rochat and Morgan (1995 und 2002)<br />

î Bullock and Lutkenhaus (1990).<br />

Im Folgenden wird die Stern’sche Theorie hier<br />

dargestellt mit einem Selbstentwicklungskonzept,<br />

das sich entwickeln kann.<br />

D.Stern unterteilt die frühe Lebenserfahrung des<br />

Säuglings in 5 Arten des Selbstempfindens.<br />

Die Phasen sind keine Zeitspanne in dem Sinne,<br />

dass eine nachfolgende Selbstempfindung die<br />

vorhergehende ablösen würde.<br />

Keine Selbstempfindungsart geht verloren, alle<br />

existieren nach ihrem Auftauchen lebenslang parallel<br />

und zeitgleich weiter.<br />

5 Selbstempfindungen tauchen nacheinander<br />

auf:<br />

î Zwischen 0 und 2 Monaten:<br />

Phase des auftauchenden Selbstempfindens.<br />

î Zwischen 2-3 und 7-9 Monaten:<br />

Phase des Kernselbstempfindens.<br />

î Zwischen 7-9 und 15-18 Monaten:<br />

Phase des intersubjektiven bezogenen<br />

Selbstempfindens.<br />

î Ab 15-18 Monaten:<br />

Phase des verbalen Selbstempfindens.<br />

î Ab 30-36 Monaten (und später):<br />

Phase des narrativen Selbstempfindens.<br />

Bereits während der ersten beiden Lebensmonate<br />

entwickeln Säuglinge aktiv ein Empfinden für ihr<br />

im Auftauchen begriffenes Selbst. Sie reagieren<br />

bereits im frühesten Stadium auf ihre soziale Umwelt.<br />

Sie suchen die für ihre Entwicklung angemessene<br />

sensorische Stimulierung. Sie äußern<br />

deutliche Vorlieben und Abneigungen gegenüber<br />

Sinneseindrücken und Wahrnehmungen.<br />

Das Gespür, was für sie „richtig“ ist, ist angeboren.<br />

Dabei lassen sich affektive und kognitive Prozesse<br />

nicht trennen. Wenn die vielfältigen,<br />

zunächst noch isolierten Erlebnisse des Säuglings<br />

dann auf irgendeine Weise miteinander in Beziehung<br />

gesetzt werden, so erlebt der Säugling das<br />

1. Auftauchen von Geordnetheit und Organisation.<br />

Ein Selbst-/Weiterempfinden kann überhaupt<br />

erst dann existieren, wenn schon eine<br />

irgendwie geartete Organisation entstanden ist,<br />

die als Bezugspunkt dient. Dieser erste Bezugspunkt<br />

ist der Körper. Seine Kohärenz, seine Bewegungen<br />

und Handlungen, sowie die mit ihm<br />

verbundenen Gefühle. Alle ersten Erfahrungen<br />

sind körpernahe Vorgänge, die gesamte spätere<br />

Entwicklung des Selbstgefühls, des Selbstbewusstseins<br />

und des Selbstwertgefühls nehmen<br />

ihren Ursprung in diesen ersten Körpererfahrungen.<br />

Unsere frühesten Erinnerungen sind im Körper<br />

gespeicherte Erinnerungen und unser<br />

ursprüngliches Selbst ist zunächst immer ein Körperselbst.<br />

Aus ihnen heraus bilden sich nacheinander<br />

ein Körper-Ich und ein Körperschema<br />

heraus.<br />

II. Themen 65


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CURRICULUM - TRANSITION - Ausbildung zum/r Übergangsbegleiter/in für frühkindliche Bildungsprozesse - Socrates <strong>Grundtvig</strong> 1.1 Projekt<br />

II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

Lignov beschreibt auch ein pränatales Körperselbst.<br />

Das Kind im Mutterleib spürt und hört den<br />

Herzschlag der Mutter und ihre Stimme, sowie<br />

die Stimmen anderer Menschen und Tiere. Es<br />

vernimmt Geräusche ihres Körpers beim Verdauen,<br />

Schnarchen, Lachen etc., es ist nicht<br />

beunruhigt, denn seine Anpassung haben diese<br />

mit berücksichtigt.<br />

Die aktuellen Forschungsergebnisse Alessandra<br />

Piontellis beweisen, dass es ein erstaunlich differenziertes<br />

vorgeburtliches Erleben gibt, bis hin<br />

zum Empfinden dafür, ob ein Kind richtig und<br />

willkommen ist oder nicht. Diese Studie erhärtet<br />

Sterns Grundannahmen zur differenzierten Lebenserfahrung<br />

des Säuglings.<br />

Stern misst dem Säugling bereits unmittelbar<br />

nach der Geburt verschiedene Fähigkeiten zu, die<br />

in seiner frühesten Wahrnehmungswelt für Ordnung<br />

sorgen: vor allem die amodale Wahrnehmung<br />

und das Eintauchen in die Vitalitätsaffekte.<br />

Säuglinge verfügen über eine angeborene generelle<br />

Fähigkeit, Wahrnehmungen oder Informationen,<br />

die über verschiedene Sinneskanäle<br />

aufgenommen werden, miteinander in Beziehung<br />

zu setzen und zu vergleichen. Dies bezeichnet<br />

Stern als amodale oder transmodale<br />

Wahrnehmung. Die exakte Beobachtung dieses<br />

Phänomens hat frühere Vorstellungen über angeborene<br />

Fähigkeiten des Säuglings revolutioniert.<br />

Der Säugling hat sogar<br />

Wahrnehmungserwartungen im Sinne von<br />

„Richtig“ oder „Nicht Richtig“.<br />

Er reagiert unmittelbar, wenn er etwas als nicht<br />

stimmig erlebt. Durch diese transmodale Wahrnehmungsfähigkeit<br />

des Säuglings, mit der er verschiedene<br />

Merkmale von Menschen und Dingen<br />

wie Form, Bewegung, Gestalt, Rhythmus, u.a. als<br />

global registriert, lebt er in der Einheit der Sinne.<br />

Sein Erleben ist von Ganzheit geprägt. Dies<br />

schließt auch sein Empfinden für kategoriale oder<br />

diskrete Affekte wie Freude, Trauer, Zorn, Angst,<br />

Ekel usw. ein.<br />

Er empfindet zusätzlich Erlebnisqualitäten, die<br />

Stern Vitalitätsaffekte nennt. Dies meint die Aktivierungs-<br />

oder Intensitätskonturen seiner Welt,<br />

die genaue Stärke oder feinfühliger noch, die<br />

Tönung und Farben seiner Empfindungen. Sein<br />

Gefühlsleben ist dadurch bereits in hohem Maße<br />

differenziert.<br />

II. Themen<br />

Das auftauchende Selbstempfinden bedeutet,<br />

dass Säuglinge aufgrund sich wiederholender<br />

spürbarer Strukturen im Wahrnehmungs- und<br />

Affektbereich in sich und der Außenwelt zusammenhängende<br />

Gefüge, Regelmäßigkeit und<br />

gleichartige Konstellationen entdecken und dass<br />

dadurch ein Gefühl von auftauchender Ordnung<br />

entsteht. Diese Regelmäßigkeiten sind das Fundament<br />

des auftauchenden Selbstempfindens.<br />

Es gibt also keine anfängliche Hör-, Seh-, Körperund<br />

Fühlwelt, die im Laufe der Entwicklung seiner<br />

Einheit koordiniert werden muss, sondern<br />

eine ganzheitlich erlebte Welt, die sich im Laufe<br />

der Erfahrungen in viele einzelne unterschiedliche<br />

Welten aufgliedert. Die früheste Erlebniswelt<br />

des Säuglings ist nicht undifferenziert oder chaotisch,<br />

sondern in einer empfundenen Ganzheit<br />

und Richtigkeit. Es bleibt außerhalb des bewussten<br />

Gewahrseins und ist absolut präreflexiv und<br />

bewegt sich auf der Ebene unmittelbaren Erlebens.<br />

Das frühkindliche Erleben ist einheitlicher und<br />

globaler. Den Säugling kümmert es nicht, in welchem<br />

Bereich seine Erfahrungen auftreten. Er<br />

nimmt Empfindungen, Wahrnehmungen, Aktionen,<br />

Kognitionen, innere motivationale und Verhaltenszustände<br />

unmittelbar wahr. Als Intensität,<br />

Form-, Zeitmuster, als Vitalitätsaffekte, kategoriale<br />

Affekte, Lust oder Unlust. Bis in die Grundelemente<br />

des frühkindlichen subjektiven<br />

Erlebens. Alle Erfahrungen werden zu strukturierten<br />

Konstellationen sämtlicher Grundelemente<br />

des subjektiven Erlebens umgeformt.<br />

Die Ergebnisse der Säuglingsforschung über die<br />

ersten Lebenswochen des Säuglings widerlegen<br />

auch die Vorstellung von der Existenz eines normalen<br />

infantilen Autismus wie ihn Margret Mahler<br />

konzipiert hat. Der Säugling ist zu<br />

außerordentlich differenzierten Sinneswahrnehmungen<br />

in allen Wahrnehmungsmodalitäten in<br />

der Lage. Sein Koordinationsvermögen ist bereits<br />

stark ausgeprägt und er sucht den aktiven Austausch<br />

mit seiner Umwelt, im Sinne der für ihn<br />

richtigen sensorischen Stimulierung.<br />

Sterns Hauptthese: Es gibt zu keinem Zeitpunkt<br />

der Entwicklung eine undifferenzierte Verschmelzung<br />

von Selbst und Anderen (Symbiose).


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CURRICULUM - TRANSITION - Ausbildung zum/r Übergangsbegleiter/in für frühkindliche Bildungsprozesse - Socrates <strong>Grundtvig</strong> 1.1 Projekt<br />

II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

Margret Mahler nahm eine undifferenzierte<br />

Phase der Verschmelzung an. Für sie war die normale<br />

Symbiose das Primäre. Aus ihr entwickelte<br />

sich die Separation. Stern dagegen sieht die Getrenntheitserlebnisse<br />

als das Primäre. Zu deren<br />

Basis werden Gemeinschaftserlebnisse mit einem<br />

anderen möglich, die aber nicht das Gespür für<br />

das eigene getrennte Selbst auslöschen.<br />

Bevor der Säugling zielgerichtet motiviert Kontakte<br />

und Beziehungen zu anderen Menschen<br />

herstellt, entwickelt er anfänglich als erstes einmal<br />

das stabile Empfinden eines Kernselbst und<br />

eines Kernanderen.<br />

Aus vier verschiedenen Arten der Selbsterfahrung<br />

geht das Empfinden eines organisierten Kernselbst<br />

hervor: Der Urheberschaft, der Selbstkohärenz,<br />

der Selbstaffektivität und der<br />

Selbstgeschichtlichkeit. Das Entscheidende ist das<br />

Selbstempfinden als die Integration des Erlebens.<br />

Der ordnende Akt ist also keine Leistung des verstandesmäßigen<br />

Bewusstseins. In Form unmittelbaren<br />

Gewahrseins entwickelt das neugeborene<br />

Kind von den ersten Lebenstagen an ein Gefühl<br />

für die eigene Existenz, sowie den eigenen Lebensfluss.<br />

Ein beständiger Strom von Empfindungen<br />

durchzieht das Selbst, dass von Beginn<br />

an als integrierender psychischer Organisator<br />

tätig wird. Stern betrachtet die vier Arten der<br />

Selbsterfahrung auch als Selbstinvarianten. Auf<br />

dieser Grundlage identifiziert der Säugling über<br />

die Prozesse der wechselseitigen Regulierung das<br />

eigene Kernselbst und den Kernanderen. Die<br />

höchstsozialen Prozesse und Interaktionen in dieser<br />

Lebensphase sind kaum kognitive Vorgänge,<br />

sondern absoluten Vorrang hat die Regulierung<br />

von Affekten und Erregung.<br />

Die wichtigsten Invarianten des Kernselbsterlebens<br />

ist die Urheberschaft. Selbst Urheber der eigenen<br />

Handlung zu sein, wird unterteilt in<br />

Wirkungen, die dieses eigene Selbst verursacht<br />

und Wirkungen, die vom anderen verursacht<br />

werden.<br />

Durch verschiedene gleich bleibende Merkmale<br />

des interpersonalen Erlebens, nämlich Einheit des<br />

Ortes, Kohärenz der Bewegung, der zeitlichen<br />

Struktur, der Form, sowie der Intensitätsstruktur<br />

entsteht das Gefühl, eine eigene körperliche abgegrenzte<br />

Einheit zu sein, die der Ort und der Sitz<br />

von Empfindungen und Aktivitäten ist. Diese<br />

Selbstkohärenz ist die zweite wichtige Komponente<br />

des Kernselbstempfindens.<br />

Selbstaffektivität bedeutet die Wahrnehmung innerer<br />

unterschiedener Gefühlsqualitäten, die als<br />

Affekte in andere Selbsterfahrungen eingebettet<br />

sind. Wesentlich ist, dass diese Gefühle eindeutig<br />

als dem eigenen Selbst zugehörig empfunden<br />

werden.<br />

Selbstgeschichtlichkeit meint das Empfinden von<br />

Kontinuität. Das Selbst erlebt sich als eingebunden<br />

in ein fortdauerndes Sein. Auch wenn selbstbewirkte,<br />

oder von außen bewirkte<br />

Veränderungen eintreten, bleibt ein fortdauerndes<br />

Gefühl von Beständigkeit erhalten. Selbst<br />

und Objekt werden von Beginn an als getrennt<br />

empfunden. Es ist also ein organisiertes Empfinden<br />

vom eigenen Kernselbst und vom Kernanderen.<br />

Diese Unterscheidung von Selbst und<br />

Objekt ist präreflexiv. Eine Empfindung des früheren<br />

existenziellen Selbst ist keine Leistung im<br />

Sinne eines vorhandenen reflexiven Ich-Bewusstseins.<br />

Der Säugling hat frühe aktive Fähigkeiten, zwischenmenschliche<br />

Gemeinsamkeit herzustellen<br />

und zu integrieren. Ständig gegenseitige Abstimmungs-<br />

und Regulierungsvorgänge. Insofern<br />

ist hier auch ein selbstregulierender anderer vorhanden.<br />

Bei allen objektiven Vorgängen unserer<br />

primären Bedürfnisse wie Liebe, Geborgenheit,<br />

Körperkontakt und Sicherheit betreffend, werden<br />

so gemeinsam geschaffene Erfahrungen erlebt.<br />

Der Säugling übernimmt eine sehr aktive<br />

Rolle, um das für ihn richtige und angemessene<br />

Verhalten hervorzurufen. Über diesen Weg der<br />

wechselseitigen Regulierungsprozesse lernt das<br />

Kleinkind die lebenswichtigen Verbindungen und<br />

Themata.<br />

Für die prägende Rolle von Bewegung und Körperlichkeit<br />

entwickelt der Säugling zuerst grundlegende<br />

motorische Überzeugungen, die eine<br />

jede zwischenmenschliche Interaktion mit einbringt.<br />

Das Zusammenspiel von sensorischen,<br />

motorischen, affektiven und kognitiven Ebenen<br />

bezeichnet George Downing als affektmotorisches<br />

Schema.<br />

Viele Experimente mit Säuglingen beweisen, dass<br />

diese in den Interaktionen mit Bezugspersonen<br />

von Anfang an deutliche Erwartungen nach bestimmten<br />

Regelmäßigkeiten im Umgang mit die-<br />

II. Themen 67


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II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

sen haben. Diese betreffen Intensität, den Rhythmus,<br />

das Ausmaß an Stimulierung und richtige<br />

Wechselseitigkeit des Austauschs.<br />

Eine unangemessene Entgleisung löst sofort gegensteuernde<br />

Reaktionen, bzw. Unbehagen und<br />

Besorgnis aus.<br />

Die hohe Kompetenz des Kleinkindes in Wahrnehmungs-<br />

und Gefühlsbereich ist zwar als<br />

menschliche Grundausstattung vorgegeben,<br />

sollte aber durch seine Bezugsperson gefördert<br />

werden, um ihre optimale Ausprägung zu erhalten.<br />

Das Körperselbst als eine Quelle von Wirkungskraft<br />

und Macht muss deutlich und differenziert<br />

werden. Und damit einhergehend auch der andere<br />

Körper, der Objektkörper, als einer der erreichbar<br />

ist, oder dem Grenzen gesetzt werden<br />

können und ähnliches mehr.<br />

Die Verfeinerung der angelegten Fähigkeiten<br />

muss in immer neuen Situationen praktiziert und<br />

erprobt werden, um Lernerfahrung zu speichern,<br />

sowie sein affektmotorisches Handlungsrepertoir<br />

zu bereichern. Das geht nur, wenn Bezugspersonen<br />

ihn in seiner Umwelt auf die richtige Art und<br />

Weise effektiv stimulieren und regulieren. Der<br />

Säugling nimmt die Welt zunächst als Ganzes in<br />

sich auf, um später durch immer feinere Ausdifferenzierung<br />

zu lernen, wie es ist, am Leben zu<br />

sein. Entscheidend ist die angemessene Qualität<br />

der zwischenmenschlichen Berührung. Er muss<br />

das richtige Handeln motorisch affektiv mehrmals<br />

erleben, bevor es ihn das Selbst als Baustein stabil<br />

integriert wird.<br />

Durch die komplexe Wahrnehmung der eigenen<br />

Handlungsfähigkeit und Affektivität in Abstimmung<br />

mit dem anderen konsolidiert der Säugling<br />

zwischen dem 2./3. und 7./9. Lebensmonat<br />

die Empfindung eines Kernselbst als eigenständige<br />

kohärente und abgegrenzte körperliche Einheit.<br />

Er lebt keine undifferenzierte symbiotische<br />

Phase. Das subjektive Erleben von intensiver<br />

Zweisamkeit, bzw. des Einseins mit einem anderen<br />

Menschen kann vielmehr erst entstehen,<br />

wenn das deutliche Empfinden eines Kernselbst<br />

und Kernanderen etabliert ist. Symbioseähnliche<br />

Verschmelzungserfahrungen werden als Gelingen<br />

einer aktiv herbeigeführten Gemeinsamkeit<br />

erlebt und nicht als passives Aufgesetztsein. Der<br />

Säugling zieht sich nur noch in den Situationen in<br />

II. Themen<br />

weniger differenzierte emotionale Haltungen zurück,<br />

die er mit seinen eigenen gegenwärtigen<br />

Kräften nicht bewältigen kann. Symbiose ist als<br />

Zufluchtsort des überforderten Säuglings (Dornes).<br />

Das Kernselbst wird zum tragenden Fundament<br />

eines Gefühls von existentieller Sicherheit.<br />

Als Urvertrauen ist es der sichere Hafen, von dem<br />

aus wir in die ruhigen Gewässer und in die<br />

Stürme des Lebens starten.<br />

Die Meisterung der Aufgabe, als vom anderen<br />

getrenntes Wesen eigenständig zu existieren, ist<br />

ein Lebensthema. Es ist aber gleichzeitig eine<br />

Freude, über regulierungsfähige Selbstgrenzen zu<br />

verfügen. Die Fähigkeit zur Abgrenzung geht so<br />

einher mit der Möglichkeit zur innigen Bindung<br />

unter Wahrung unseres inneren Kerns. Der Kern<br />

selbst nimmt es auf und ihn an einen anderen abzugeben<br />

bedeutet nicht, symbiotische Verschmelzung<br />

als beglückender passagerer<br />

Zustand, sondern Selbstaufgabe in Abhängigkeit.<br />

Im Kern selbst sind wir bleibend getrennt und<br />

vom Kern selbst aus stellen wir Gemeinsamkeit<br />

mit anderen her.<br />

Eine neue Qualität erlebt der Säugling in seinem<br />

Selbstempfinden, wenn er entdeckt, dass er über<br />

ein eigenes Gefühls- und Seelenleben verfügt<br />

und dass selbiges auch auf die anderen Personen<br />

zutrifft. Der Säugling wird jetzt in einem neuen<br />

Bereich der intersubjektiven Bezogenheit hineinkatapultiert.<br />

Eine neue organisierende subjektive<br />

Perspektive auf das Selbst taucht auf. Im zwischenmenschlichen<br />

Bereich bewegt man sich von<br />

der Interaktion, bei der affektbetonte Handlungsmuster<br />

ausgetauscht werden zur Beziehung,<br />

bei der das Gefühlserleben selber das Ziel,<br />

der erklärte Gegenstand des wechselseitigen<br />

Austauschs ist. Gemeinsames Erleben verschiebt<br />

sich von der Regulierung auf die Teilung innerer<br />

Wahrnehmungswelten. Hiermit ist das Empfinden<br />

im intersubjektiven Bereich durch die Verwandlung<br />

der zwischenmenschlichen Welt völlig<br />

verschieden von dem im Bereich der Kernbezogenheit.<br />

Diese bleibt bestehen. Im Bereich der<br />

Kernbezogenheit bleibt die empathische Reaktion<br />

der Bezugsperson für den Säugling als Prozess<br />

noch unbemerkt. Er nimmt nur die Reaktion<br />

für ihn selbst als richtig oder nicht richtig wahr.<br />

Im Bereich der intersubjektiven Bezogenheiten


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II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

nimmt er nun auch den empathischen Prozess als<br />

solchen wahr. Wie einfühlsam, bzw. uneinfühlsam<br />

seine Umwelt auf ihn reagiert, entscheidet<br />

über seine psychische Einbindung in die zwischenmenschliche<br />

Gemeinschaft, bzw. über<br />

seine psychische Einsamkeit. Spätestens zu diesem<br />

Zeitpunkt der Entwicklung wird die zukünftige<br />

existentielle Befindlichkeit eines Säuglings<br />

geprägt.<br />

Zwischenmenschliche Bezogenheit wird besonders<br />

durch drei innere Erlebnisweisen hergestellt:<br />

Durch die gemeinsame Aufmerksamkeit, die gemeinsame<br />

Absicht und die Gemeinsamkeit affektiver<br />

Zustände. Das auffälligste Merkmal der<br />

intersubjektiven Bezogenheit ist das geteilte Erleben<br />

von Gefühlen. Der Charakter ist überwiegend<br />

transmodal. Der Rhythmus wird für den<br />

Säugling zu einem Charakteristikum seiner Umwelt.<br />

In dieser Zeit lebt das Kind, obwohl bei diesen<br />

Ab- und Einstimmungsvorgängen<br />

organismische, motorische, affektive und kognitive<br />

Wahrnehmung zusammenspielen, auch in<br />

der Einheit der Sinne. Eine Wahrnehmung der<br />

Welt bleibt eine ganzheitliche. Die amodalen Abund<br />

Einstimmungsprozesse, die Genauigkeit<br />

ihres Zusammenspiels, ihre Richtigkeit für das<br />

Kind sind das Ziel, das in sich selbst entwicklungsfördernd<br />

sein soll.<br />

Gemeinsam geteilte Gefühle vermitteln die<br />

grundlegende Erfahrung, dass innere Zustände,<br />

soziale Prozesse und Beziehungsangelegenheit<br />

von tiefem sozialem Wesen sind. Der Wunsch<br />

nach vertrauter Nähe zum Objektiv ist ein angeboren<br />

und zutiefst menschlicher Impuls. Das<br />

Wesen der Intersubjektivität besteht darin, affektive<br />

Zustände mit anderen zu teilen und sich mitzuteilen,<br />

somit primäres Bedürfnis nach Kontakt<br />

und Berührung. Die Nähe ist psychischer, konkret<br />

körperlicher Natur. Die Entwicklung vom Körpergefühl<br />

und Beziehungsfähigkeit ist nicht so entscheidend<br />

wie die stimmige Interaktion im<br />

Rahmen eines engen Körperkontaktes. Die Qualität<br />

der Berührung ist entscheidend. Harmonierende<br />

Stimmigkeit und Erfahrung des<br />

Kleinkindes, das es selbst willentlich Berührung<br />

und körperlichen Austausch herstellen und regulieren<br />

kann.<br />

Orientiert sich der Körperkontakt nur an den Bedürfnissen<br />

des anderen, verliert das Kind das<br />

Empfinden, für seine körperliche Urheberschaft<br />

und eigenes Wirkungsvermögen in der Gestaltung<br />

von Beziehungen. Misslingt die Begegnung,<br />

bleibt die Sehnsucht nach stimmiger Berührung<br />

lebenslang in den Zellen gespeichert und der Körper<br />

ruft nach einer korrigierenden Erfahrung. Obwohl<br />

hier schon Laute und Vokalisierung eine<br />

erhebliche Rolle spielen, bewegt sich das Kind<br />

immer noch im vorsprachlichen Stadium seines<br />

Selbsterlebens. Mit dem Eintritt in die Welt der<br />

Symbole und Sprache findet eine einschneidende<br />

Veränderung im Selbsterleben statt.<br />

Etwa in der Mitte des 2. Lebensjahres beginnen<br />

Kinder, sich die Welt um sie herum auch mit Hilfe<br />

von Symbolen, Zeichen und Bildern vorzustellen,<br />

oder wie man sagt, psychisch zu repräsentieren.<br />

Dies verändert ihre Weltsicht fundamental. Sie<br />

können sich selbst zunehmend zum Objekt der<br />

eigenen Reflexionen machen, über Personen und<br />

Dinge kommunizieren, die nicht mehr direkt anwesend<br />

sind, im Spiel symbolisch handeln, oder<br />

Gefühle und empathisches Verhalten in Worte<br />

fassen. Sie beginnen von sich selbst als Person zu<br />

sprechen und konsolidieren ihre Geschlechtsidentität.<br />

Neue Formen der Kommunikation als<br />

Gemeinsamkeit über die Sprache werden möglich.<br />

Dabei führt der Spracherwerb aber zu einem<br />

Selbst- wie zu einem interpersonalen Problem,<br />

der Einordnung von Bedeutung dessen, was<br />

wahrgenommen wird. Bedeutung im Sinne eines<br />

Bindegliedes zwischen erfahrener oder gedachter<br />

Welt und Wörtern ist nun keine naturgegebene,<br />

unmittelbar einleuchtende Tatsache mehr.<br />

Sie muss vielmehr zwischen dem Kind und den<br />

Eltern wechselseitig ausgehandelt werden. Bedeutungen<br />

ergeben sich fortan als Verhandlungen<br />

zwischen Kind und Bezugspersonen, die<br />

vereinbaren, was sie als gemeinsam verstehen. In<br />

dem individuellen Erleben von Wirklichkeit muss<br />

über gemeinsame Ich-, Du- und Wir-Bedeutungen<br />

auch eine gemeinsame Konstruktion von<br />

Wirklichkeit hergestellt werden. Das Kind wird<br />

mit zusätzlichen Anforderungen konfrontiert, die<br />

sein bisheriges Welterleben und sein Gefühl von<br />

Eigenmächtigkeit zutiefst verändern.<br />

Die Phase im Leben, in der es selbstständig zu<br />

gehen und zu sprechen beginnt, ist eine hochkritische<br />

Phase. Es wird jetzt auf eine fremde soziale<br />

Ordnung hin umorientiert. Es wird vom Kind<br />

II. Themen 69


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II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

plötzlich verlangt, sein Handeln auf lebenspraktische<br />

sozial festgelegte Ziele hin auszurichten: Es<br />

soll selbstständig werden und sich sein Spielzeug<br />

selber holen. Es sollte bestimmte Verhaltensweisen<br />

beherrschen und ohne Hilfe aus seiner Tasse<br />

trinken. Es soll sich sozialen Maßstäben gemäß<br />

gut benehmen, es soll sozial hochkomplexe Situationen<br />

meistern und „danke“ sagen. Es soll<br />

seine Bedürfnisse kontrollieren lernen und auf<br />

seine geliebten Kekse warten können usw., das<br />

Kind möchte vieles aus eigenem Antrieb lernen,<br />

es wird andererseits erheblich verunsichert und<br />

fürchtet die unpersönlichen Normen der nur<br />

schwer zu verstehenden sozialen Ordnung, die<br />

es soweit von der persönlichen Ordnung seiner<br />

frühen Kindheit fortführt.<br />

Auch der Spracherwerb konfrontiert das Kind mit<br />

vielen neuen Lebensanforderungen und so wird<br />

die Welt der Sprache zur zweischneidigen Angelegenheit.<br />

Das Kind verlässt vor allen Dingen den Bereich<br />

des nonverbalen ganzheitlichen Erlebens. Durch<br />

das Fassen in Worte kann das anfängliche globale<br />

Erleben jetzt zerrissen, entstellt oder unzugänglich<br />

wiedergegeben werden. Zum Beispiel<br />

das eigentliche Empfinden eines Kernselbst kann<br />

in Sprache überhaupt nicht erfasst werden. Die<br />

Sprache greift einen Teil heraus. Grunderfahrungen<br />

bleiben real, lebensbestimmend, das transmodale<br />

ganzheitliche Erleben wird also<br />

aufgebrochen, oder in den Untergrund verbannt.<br />

Der Erwerb der Sprache hat 2 Gesichter. Die Welt<br />

der Sprache ist anfälliger für Verwirrung in den<br />

Beziehungen, als die nonverbalen Interaktionssysteme,<br />

zu Zeiten der Kernbezogenheit und der<br />

intersubjektiven Bezogenheit. Das Kind erlebt<br />

echte Missverständnisse in Bezug auf Inhalt und<br />

Bedeutung von Wörtern. Es versucht innere Befindlichkeiten,<br />

Gefühle, Affekte und persönliche<br />

Überzeugungen in angemessene Sprache zu kleiden.<br />

Das Auseinanderfallen von verbalen und affektiven<br />

Botschaften in double-bind-Situationen<br />

nimmt im Erleben des Kindes über dies die sichere<br />

Eindeutigkeit.<br />

Die Sprache trennt die zwei simultanen Formen<br />

von zwischenmenschlichen Erleben: Die Form,<br />

wie wir in der Personalität direkt leben und die<br />

Form, wie wir sie verbal ausdrücken. Wenn wir<br />

das, was wir sprachlich ausdrücken, vom Kind<br />

zunehmend als das Wirkliche betrachtet wird,<br />

II. Themen<br />

unterliegt sein Erleben in den anderen Wahrnehmungsbereichen<br />

einer Entfremdung. Durch den<br />

von der Sprache erzwungenen Zwischenraum<br />

zwischen erlebter und sprachlich repräsentierter<br />

Erfahrung wird also eine Spaltung im Selbsterleben<br />

bewirkt. Zusätzlich verlagert die Sprache die<br />

Bezogenheit von der persönlichen unmittelbaren<br />

Ebene der Selbstempfindungsbereich auf die eigene<br />

unpersönliche und abstrakte Ebene.<br />

Während der Phase des verbalen Selbst lernt das<br />

Kind den grundlegenden Gebrauch von Wörtern.<br />

Die Phase des narrativen Selbst setzt ein, wenn<br />

Kinder über die reine Bezogenheit mit Wörtern<br />

hinaus ihre Gefühle, Erlebnisse und Absichten in<br />

erzählender Form organisieren. Narrative sind<br />

Geschichten über das Leben und zugleich über<br />

seine Grundbausteine.<br />

Die Geschichten haben eine Oberflächen- und<br />

eine tiefe Struktur. Die erstere ist die explizit erzählte<br />

Geschichte. Die tiefe Struktur dagegen erfasst<br />

den intuitiv empfundenen Teil des<br />

zwischenmenschlichen Lebens, der nicht in<br />

Worte zu fassen ist.<br />

Die Tiefenstruktur eines Narrativs gehört damit<br />

zur Kategorie des prozeduralen und impliziten<br />

Wissens. Neugeborene verfügen von Geburt an<br />

über ein implizites Beziehungswissen, wie sie sich<br />

in bestimmten Situationen richtig verhalten. Dies<br />

ist unbewusst.<br />

Implizites Wissen hat eine erzählähnliche narrative<br />

Struktur, obwohl es nicht verbalisiert wird.<br />

Der Säugling begreift sich als Urheber von Handlungen,<br />

er verfolgt Ziele und bringt Orte wie Akteure<br />

in Zusammenhang mit dem erlebten<br />

Geschehen. Er verfügt damit über alle Elemente<br />

einer interaktiven Handlung.<br />

Während der Phase der intersubjektiven Bezogenheit<br />

kommt die Fähigkeit hinzu, Gefühlszustände<br />

zu teilen. Sie werden jedoch noch nicht<br />

nachdenkend in Worte gefasst. Selbst wenn die<br />

persönliche Wirklichkeit eines Kindes mit beginnender<br />

verbaler Bezogenheit zunehmend durch<br />

ihre Reflexion im Spiegel der Sprache gesprochen<br />

wird und es beginnt , sie in Sätze zu fassen,<br />

spricht es noch nicht in der episodischen Erzählform.


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3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

Strukturierte Narrative entwickeln sich erst, wenn<br />

ein Kind selbst reflexiv Geschichten über sein eigenes<br />

Leben zu erzählen beginnt. Von diesem<br />

Zeitpunkt an zerlegen wir unser gesamtes Leben<br />

in narrationsähnliche Episoden, die uns als verdichtete<br />

Erfahrungen ein Gefühl von Kontinuität<br />

und Bedeutung vermitteln. Entwickelt werden<br />

die selbstbiographischen Geschichten aus dem<br />

gemeinsamen Leben mit anderen. Es ist ein hochentwickelter<br />

Prozess, weil beide Seiten gemeinsam<br />

den Teil der Realität gestalten, der die Form<br />

eines Einzelnarrativs annimmt. Es ist eine gemeinsame<br />

Konstruktion von Wirklichkeit. Was<br />

die Akteure so miteinander entwickeln, ist die offizielle<br />

autobiographische Version ihres Lebens,<br />

bzw. ihre historische Wahrheit.<br />

Narrative als verdichtetes erzähltes Leben können<br />

nur reichhaltig werden, wenn sie die gelebte Dynamik,<br />

den Rhythmus, die Spannungsbögen des<br />

Geschehens, sowie die Farben und Tönungen der<br />

emotionalen Empfindungen beinhalten. Bleibt<br />

die Gemeinsamkeit unbelebt, verblassen die Farben<br />

in den Geschichten des Lebens.<br />

1.3 Ethnische Identität<br />

Die Entwicklung einer ethnischen Identität umfasst,<br />

sich selbst als Mitglied einer ethnischen<br />

Gruppe zu erkennen, ein Verständnis einer ethnischen<br />

Beständigkeit zu entwickeln und ethnisches<br />

Sollverhalten zu zeigen. Das Wissen über<br />

die eigene ethnische Gruppe zu erwerben, Familie<br />

und Gemeinschaft beeinflussen diese Prozesse.<br />

Nach Bernal, Mark Knight, Ocampo, Garza and<br />

Cota 1993 werden 5 Komponenten der ethnischen<br />

Identität unterschieden:<br />

î a) ethnisches Wissen<br />

Das Wissen der Kinder, dass ihre Volksgruppe<br />

bestimmte Unterscheidungsmerkmale<br />

aufweist, die sie von anderen Gruppen abgrenzen<br />

(Verhaltensweisen, Persönlichkeitseigenschaften,<br />

Werte, Gebräuche, Stile und<br />

Sprache).<br />

î b) ethnische Selbstidentifikation<br />

Die Kinder kategorisieren sich selbst als Mitglieder<br />

ihrer ethnischen Gruppe.<br />

î c) ethnische Beständigkeit<br />

Das Verständnis der Kinder, dass sich die besonderen<br />

Merkmale ihrer ethnischen Gruppe,<br />

die sie in sich tragen, abhängig von Zeit<br />

und Raum nicht verändern und dass sie immer<br />

ein Mitglied ihrer ethnischen Gruppe<br />

sein werden.<br />

î d) ethnisches Rollenverhalten<br />

Die Beteiligung der Kinder an Verhaltensweisen,<br />

die charakteristische Merkmale ihrer<br />

ethnischen Gruppe widerspiegeln.<br />

î e) ethnische Gefühle und Vorlieben<br />

Die Gefühle der Kinder gegenüber ihrer Zugehörigkeit<br />

zu einer ethnischen Gruppe<br />

und ihre Vorlieben für deren charakteristische<br />

Merkmale und Mitglieder .<br />

1.4 Selbstwertgefühl<br />

Das Selbstwertgefühl ist die allgemeine Einschätzung<br />

der Wertigkeit des Selbst und der Gefühle,<br />

die dadurch erzeugt werden. Faktoren in diesem<br />

Zusammenhang sind:<br />

î - genetische Veranlagung<br />

î - Qualität der Beziehung des Kindes zu Eltern<br />

und Gleichaltrigen.<br />

î - ihr Aussehen und die körperliche Attraktivität<br />

î - verschiedene kulturelle Faktoren.<br />

Somit bietet die Entwicklung des Selbstwertes ein<br />

hochgradig transparentes Beispiel für die Interaktion<br />

für die Anlage und Umwelt einschließlich<br />

des soziokulturellen Kontextes.<br />

Selbstwertgefühl ist ein psychischer Funktionsbereich,<br />

der durch große individuelle Unterschiede<br />

gekennzeichnet ist.<br />

Harper hat ein Wahrnehmungsprofil für Kinder,<br />

ein häufig verwendetes Messinstrument für<br />

Selbstwertgefühl und Selbstwahrnehmung entwickelt.<br />

Faktoren, die in diesem Profil eine Rolle<br />

spielen, sind:<br />

î schulische Fähigkeit<br />

î soziale Akzeptanz<br />

î sportliche Fähigkeit<br />

î körperliches Aussehen<br />

î Verhalten und Betragen<br />

î allgemeiner Selbstwert.<br />

(Harper 1999)<br />

Geschlechtsunterschiede bei den Sorgen Jugendlicher<br />

über ihr Aussehen, ihr Verhalten und<br />

ihre Fähigkeiten und ihr Benehmen, bestehen<br />

darin, dass Mädchen sich mehr Sorgen über ihr<br />

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II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

Aussehen und ihr Sozialverhalten machen, während<br />

Jungen mehr um ihre Fähigkeiten und ihr<br />

Benehmen besorgt sind.<br />

Thematisch muss diskutiert werden, wie sich das<br />

Selbstwertgefühl bei Kindern aus Minderheiten<br />

darstellt. Öfter sind sie eher Vorurteilen von Erwachsenen<br />

und Jugendlichen ausgesetzt. Es wird<br />

somit angenommen, dass das Selbstwertgefühl<br />

von Kindern stark durch die Bewertung Anderer<br />

beeinflusst wird und dass Minoritätenkinder<br />

einen geringeren Selbstwert aufweisen als deutsche<br />

Kinder. Es ist aber ein sehr differenziert zu<br />

betrachtendes Problem, das in dieser Simplizität<br />

nicht gehalten werden kann. Im Jugendalter<br />

kehrt sich oft dieser Trend langsam um.<br />

2. Emotionale Entwicklung<br />

Emotion ist durch eine motivationale Kraft oder<br />

Handlungstendenz gekennzeichnet und durch<br />

Veränderung der Physiologie der subjektiven Erfahrungen<br />

und des Beobachten baren Verhaltens.<br />

Die emotionale Intelligenz ist eine Summe von<br />

Fähigkeiten, die zur Kompetenz im sozialen und<br />

emotionalen Bereich beitragen. Die Fähigkeiten<br />

umfassen, sich selbst zu motivieren, trotz Frustration,<br />

Kontrollimpulsen und Belohnungsaufschub<br />

hartnäckig zu bleiben, eigene Gefühle und<br />

die Gefühle anderer zu erkennen, zu verstehen,<br />

eigene Stimmungen und den Gefühlsausdruck in<br />

sozialen Interaktionen zu regulieren und sich in<br />

die Emotionen anderer hinein versetzen.<br />

2.1 Entwicklung von Emotionen in der Kindheit<br />

In der Theorie der diskreten Emotionen (Basisemotionen)<br />

Izard 1991 und Tomkins 1962 werden<br />

Emotionen als angeboren und seit frühester<br />

Kindheit voneinander abgetrennt betrachtet. Es<br />

wird weiter angenommen, dass jede Emotion mit<br />

einem spezifischen und unverwechselbaren Satz<br />

körperlicher und mimischer Reaktionen einhergeht.<br />

Ein weiterer theoretischer Ansatz ist der funktionalistischer<br />

Ansatz (Campos, Mumme 1994) .<br />

Diese Theorie sieht die Grundfunktion von Emotionen<br />

darin, zielgerichtete Handlungen zu fördern.<br />

Nach diesem Ansatz sind Emotionen nicht<br />

gegen einander abgegrenzt und können je nach<br />

sozialer Umwelt in bestimmtem Ausmaß variieren.<br />

II. Themen<br />

Es gibt ausgefeilte Systeme für die Codierung<br />

und Klassifizierung der emotionalen Bedeutung<br />

kindlicher Gesichtsausdrücke. Diese Systeme<br />

identifizieren Emotionen anhand der Codierung<br />

dutzender Anhaltspunkte im Gesicht (ob die Augenbrauen<br />

gehoben oder zusammen gezogen<br />

sind, die Augen weit geöffnet, eng geschlossen<br />

oder verengt sind, die Lippen einen Schmollmund<br />

formen, leicht gerundet oder gerade nach hinten<br />

gezogen sind). Es ist oft schwierig, exakt zu bestimmen,<br />

welche Emotionen die Säuglinge erleben,<br />

es ist besonders schwierig zwischen den<br />

verschiedenen negativen Emotionen zu unterscheiden.<br />

Besonders die negativen Emotionen<br />

sind schwieriger zu interpretieren als die positiven<br />

Emotionen.<br />

Ca. in der 6.-7. Lebenswoche steht das so genannte<br />

soziale Lächeln, das an Menschen gerichtet<br />

ist (Wihte 1985). Es tritt vor allen Dingen<br />

häufig während der Interaktion mit der Bezugsperson<br />

auf. Es ruft gewöhnlich Freude und Interesse<br />

und Zuneigung hervor. Menschen bringen<br />

ein Kind viel eher zum Lächeln als Objekte. Aktives<br />

Hervorrufen können einer Aktion (z.B. Musik<br />

auslösen durch aktive Betätigung an einer<br />

Schnur) zeigen die Säuglinge mehr Interesse und<br />

lächeln, als wenn es nur ein passives Anbieten ist.<br />

Im Alter von ungefähr 8 Monaten fangen die<br />

Kinder an, hauptsächlich bekannte Menschen<br />

und nicht immer Menschen allgemein anzulächeln.<br />

Selektives Lächeln. Ab einem Alter von<br />

ungefähr 3-4 Monaten gibt es viele Aktivitäten,<br />

wo ein Kind viel lacht oder lächelt, z.B. kitzeln,<br />

auf den Knien reiten lassen u.a.<br />

Die Entstehung und Entwicklung negativer Emotionen<br />

in der Kindheit ist schwieriger zu bestimmen.<br />

Bei 2 Monaten alten Kindern wurden<br />

allerdings Gesichtsausdrücke, die Wut oder Traurigkeit<br />

darstellen beobachtet und zuverlässig voneinander<br />

und gegen Unbehagen und Schmerz in<br />

einigen Kontexten abgegrenzt. Ob genau das<br />

Missbehagen differenziert werden kann, ist in<br />

Diskussion.<br />

Die emotionale Entwicklung in der frühen Kindheit<br />

wird unterstützt durch die zunehmende innere<br />

Repräsentationsfähigkeit sowie die<br />

Entwicklung der Sprache und des Selbstkonzeptes.<br />

In diesem Alter (2-6 Jahre) gewinnt das Kind<br />

ein besseres Verständnis seiner eigenen Gefühle<br />

und der Gefühle anderer Menschen. Es verbes-


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II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

sert sich auch die Fähigkeit, den Emotionenausdruck<br />

zu regulieren. Die Entwicklung parallel des<br />

Selbst trägt dazu bei, das selbstbezogene Emotionen<br />

wie Scham, Verlegenheit, Schuld, Eifersucht<br />

und Stolz vermehrt auftauchen. Es ist<br />

schwer anzugeben, wann Wut entsteht, weil<br />

Schmerz/ Unbehagen und Wut in den ersten Lebensmonaten<br />

schwer voneinander zu trennen<br />

sind. Kinder können mit 2 Monaten Wut als Reaktion<br />

auf Kontrollverlust erleben. In den ersten<br />

Monaten ist es ähnlich schwer Angst und Unbehagen<br />

zu unterscheiden. Wahrscheinlich entsteht<br />

Angst im Alter von 6 oder 7 Monaten, wenn Kinder<br />

damit beginnen, Angst vor Fremden zu empfinden.<br />

Alle Kinder zeigen auch Traurigkeit,<br />

besonders wenn sie von ihren Lieben für eine<br />

längere Zeitspanne getrennt sind.<br />

Die selbstbewussten Emotionen<br />

(Verlegenheit/Stolz/Scham/Schuld) entstehen<br />

etwas später als die meisten anderen Emotionen,<br />

wahrscheinlich während des 2. Lebensjahres. Ihre<br />

Entstehung ist teilweise mit der Entwicklung<br />

einer elementaren Wahrnehmung des Selbst verknüpft<br />

sowie mit der Erkenntnis, dass andere auf<br />

diese selbst reagieren. Welche Situation diese<br />

Emotionen hervorrufen, variiert zwischen den<br />

Kulturen.<br />

2.2 Regulierung der Emotionen<br />

Während des ganzen Lebens ist die Fähigkeit, die<br />

eigenen Emotionen zu regulieren entscheidend,<br />

um eigene Ziele zu erreichen. Emotionale Selbstregulierung<br />

ist ein komplexer Prozess.<br />

î a) innere Gefühlszustände (die subjektive Erfahrung<br />

von Emotionen)<br />

î b) emotionsbezogene physiologische Prozesse<br />

(z.B. Pulsfrequenz, hormonale oder<br />

andere physiologische Reaktionen, die mit<br />

Emotionen einhergehen)<br />

î c) emotionsbezogene Kognitionen (z.B. Gedanken<br />

darüber machen, was man<br />

will oder wie eine Situation zu interpretieren ist)<br />

î d) emotionsbezogenes Verhalten (z.B. der<br />

Gesichtsausdruck von Gefühlen und Aggressionen<br />

auf Grund von Wut).<br />

Die Bemühungen der Kinder, ihre Emotionen und<br />

ihr emotional angetriebenes Verhalten zu regu-<br />

lieren verändern sich mit dem Alter. Während<br />

sich Säuglinge noch ganz darauf verlassen, dass<br />

ihnen Erwachsene helfen, ihre Emotionen zu regulieren,<br />

entwickeln Kleinkinder bereits Mittel<br />

der Selbstregulation von eigenen Emotionen und<br />

Verhaltensweisen.<br />

Dazu gehören Methoden wie der Versuch, die<br />

Aufmerksamkeit von der Stressquelle abzuwenden,<br />

sich selbst zu beruhigen oder sich mit anderen<br />

Aktivitäten abzulenken.<br />

Die kindliche Fähigkeit, Handlungen zu unterdrücken,<br />

verbessert sich ebenfalls mit dem Alter.<br />

Verbesserung des Regulierungsvermögens der<br />

Kinder basieren wahrscheinlich darauf, dass Kinder<br />

ihre Aufmerksamkeit und ihren Körper immer<br />

besser zu kontrollieren lernen wie auch Veränderungen<br />

in den Erwartungen, die Erwachsene an<br />

Kinder richten.<br />

Im Gegensatz zu Kleinkindern, die oft versuchen<br />

mit ihren Emotionen durch unmittelbares Handeln<br />

umzugehen, sind ältere Kinder auch in der<br />

Lage, kognitive Bewältigungsstrategien anzuwenden,<br />

z.B. zu versuchen etwas anderes zu<br />

denken oder sich auf positive Aspekte einer negativen<br />

Situation zu konzentrieren.<br />

Außerdem wächst die Fähigkeit Wege der<br />

Selbstregulation der Stressbewältigung auszuwählen,<br />

die den Anforderungen der jeweiligen<br />

Situation entsprechen.<br />

Die Fähigkeiten, die eigenen Emotionen und das<br />

darauf bezogene Verhalten zu regulieren und<br />

konstruktiv mit stressvollen Situationen umzugehen,<br />

gehen mit hoher sozialer Kompetenz einher.<br />

2.3 Individuelle Unterschiede bei Emotionen und<br />

ihre Regulierung<br />

Temperament bezieht sich auf individuelle Unterschiede<br />

bei verschiedenen Aspekten der kindlichen<br />

emotionalen Reaktivität, Regulierung und<br />

andere Merkmale wie Verhaltenshemmung und<br />

Aktivitätsniveau.<br />

î Aktivitätsniveau<br />

î Rhythmus<br />

î Ablenkbarkeit<br />

II. Themen 73


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II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

î Annäherung und Rückzug<br />

î Anpassungsfähigkeit<br />

î Aufmerksamkeitsspanne und Ausdauer<br />

î Reaktionsintensität<br />

î Reaktionsschwelle<br />

î Stimmungsqualität<br />

(Mary Rothbarth und John Bates 1998)<br />

Dem Temperament wird eine veranlagungsbedingte<br />

Grundlage zugeschrieben, aber es wird<br />

auch durch Umwelterfahrungen beeinflusst,<br />

wozu vor allem soziale Interaktionen gehören.<br />

Das Temperament scheint im Zeitverlauf stabil zu<br />

sein, wiewohl das Ausmaß dieser Stabilität über<br />

Temperamentstendentionen der Individuen hinweg<br />

variiert.<br />

Das Temperament spielt eine wichtige Rolle bei<br />

der Anpassungsfähigkeit. Ein schwieriges und<br />

nicht zu zügelndes Temperament während der<br />

Kindheit sagt häufig Verhaltensprobleme in der<br />

Kindheit und im Erwachsenenleben vorher. Kinder,<br />

die als Kleinkinder ängstlich und passiv gegenüber<br />

neuen Objekten oder Menschen waren,<br />

haben später manchmal Schwierigkeiten bei<br />

ihren Interaktionen mit anderen auch gleichaltrigen<br />

Menschen. Kinder, die auf Grund ihres Temperamentes<br />

für eine geringe<br />

Anpassungsfähigkeit anfälliger sind, entwickeln<br />

sich jedoch oft gut, wenn sie eine vernünftige<br />

und geeignete Erziehung erhalten und wenn<br />

eine gute Passung zwischen ihrem Temperament<br />

und ihrer sozialen Umwelt besteht.<br />

2.4 Die emotionale Entwicklung von Kindern in<br />

ihrer Familie<br />

Ähnlich wie Temperamentsdimensionen, die sich<br />

auf die emotionale Entwicklung beziehen und<br />

mit Vererbung zusammenhängen, gibt es auch<br />

weitere Aspekte der Persönlichkeit, die den Rahmen<br />

des Temperamentes erweitert. Die Persönlichkeit<br />

ist das Muster verhaltensbezogener und<br />

emotionaler Neigungen, Überzeugung und Interessen<br />

sowie der intellektuellen Fähigkeiten, die<br />

ein Individuum charakterisieren. Die Wurzeln der<br />

Persönlichkeit liegen im Temperament, aber sie<br />

werden durch die Interaktionen mit der sozialen<br />

und physikalischen Welt geformt.<br />

Die Sozialisation emotionaler Reaktionen von<br />

Kindern sind Prozesse, durch die Individuen auf<br />

Grund von Erfahrungen mit anderen Menschen<br />

II. Themen<br />

Fähigkeiten sowie Denk -und Gefühlswelten entwickeln,<br />

ebenso wie Normen und Werte, mit<br />

deren Hilfe sie sich einer Gruppe anpassen und<br />

mit anderen Menschen leben können. Eltern,<br />

Lehrer und andere Erwachsene sind wichtige Sozialisationsinstanzen<br />

für Kinder, wobei allerdings<br />

auch andere Kinder, die Medien und soziale Institutionen<br />

eine wichtige Rolle bei der Sozialisation<br />

spielen können.<br />

Kinder, die eine sichere Bindung an ihre Eltern<br />

haben, haben tendenziell mehr positive Emotionen<br />

und mehr emotionales Verständnis als Kinder,<br />

deren Beziehung zu ihren Eltern unsicher ist.<br />

Ein weiterer Einflussfaktor auf die Gefühlsentwicklung<br />

von Kindern ist die elterliche Sozialisation<br />

emotionaler Reaktionen . Dazu gehört auch,<br />

welche Emotionen Eltern gegenüber ihren Kindern<br />

und Anderen ausdrücken und wie sie dies<br />

tun, Eltern auf negative Emotionen ihrer Kinder<br />

reagieren und ob und wie Eltern Gefühle mit<br />

ihren Kindern besprechen.<br />

2.5 Kultur der emotionalen Entwicklung von Kindern<br />

Die Emotionalität und die emotionale Regulierung<br />

der Kinder sind nicht nur durch Vererbung<br />

beeinflusst, sondern auch durch die Qualität der<br />

Eltern – Kind – Beziehung und durch die emotionale<br />

Sozialisation der Eltern. Weiterhin werden<br />

die emotionalen Funktionen von Kindern durch<br />

Erwartungen und Wahrnehmungen von sich<br />

selbst und anderen beeinflusst, die sie dadurch<br />

entwickeln, dass sie die Emotionen anderer Menschen<br />

sehen und das andere Menschen auf ihre<br />

eigenen und andere Emotionen reagieren und<br />

das Emotionen im Gespräch auf bestimmte<br />

Weise behandelt werden.<br />

Tendenzen von Kindern Emotionen in spezifischer<br />

Weise zu erleben und zu regulieren können<br />

durch Temperamentsunterschiede beeinflusst<br />

sein, wie sie zwischen verschiedenen Gruppen<br />

von Menschen bestehen, ebenso durch kulturelle<br />

Unterschiede in den Überzeugungen, hier Emotionen<br />

einen hohen Wert besitzen und wann<br />

bzw. wo Emotionen ausgedrückt werden sollen.<br />

Es unterscheiden sich weiterhin Mädchen und<br />

Jungen ein wenig in ihrem Ausdruck von Emotionen<br />

und diese Unterschiede sind wahrscheinlich<br />

auf die Sozialisation in der Familie und Kultur<br />

zurückzuführen.


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II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

2.6 Das Emotionsverständnis von Kindern<br />

Im Alter von 8-12 Monaten beginnen Kinder zu<br />

zeigen, das sie emotionalen Gesichtsaudrücken<br />

und emotionalen Stimmungen Ereignisse in der<br />

Umwelt zuordnen können. Diese Fähigkeiten<br />

sind offenkundig beim so genannten sozialen Referenzieren<br />

der Kinder. Es ist die Verwendung mimischer,<br />

gestischer oder stimmlicher Hinweise<br />

der Eltern um zu entscheiden, wie mit neuen,<br />

mehrdeutigen oder potentiell bedrohlichen Situationen<br />

umzugehen ist. ( Rosicky and Didball<br />

2001 u.a.).<br />

Das Verständnis von Emotionen spielt bei Kindern<br />

eine wichtige Rolle in ihrem Leben. Obwohl<br />

Kleinkinder Unterschiede bei verschiedenen Emotionsausdrücken<br />

wie Freude oder Überraschung<br />

schon im Alter von 4-7 Monaten entdecken können,<br />

beginnen sie erst mit etwa 7 Monaten mit<br />

den Emotionen. Im Alter von 8-12 Monaten beginnen<br />

Kinder den emotionalen Gesichtsausdruck<br />

oder den emotionalen Ton der Stimme mit<br />

Aktionen in Verbindung zu bringen, was in ihrem<br />

Gebrauch des sozialen Referenzieren sichtbar<br />

wird. Im Alter von 3 Jahren zeigen Kinder elementare<br />

Fähigkeiten, Gesichtsausdrücke zu benennen<br />

und einfache Situationen zu verstehen,<br />

die Freude auslösen sollten.<br />

Wenn Kinder die Vor- und Grundschule durchlaufen<br />

wächst ihr Verständnis von Emotionen<br />

und Situationen, die Emotionen hervorrufen,<br />

hinsichtlich Ausmaß und Komplexität. Sie werden<br />

sich zunehmend darüber bewusst, dass die<br />

Emotionen, die Menschen zeigen , nicht ihre<br />

wahren Gefühle widerspiegeln müssen. Außerdem<br />

verstehen die Kinder mit zunehmendem<br />

Alter besser, dass sie und andere mehr als eine<br />

Emotion zur selben Zeit empfinden könne und<br />

dass verschiedene Emotionen miteinander interagieren<br />

und einander beeinflussen.<br />

3. Beziehung zu Gleichaltrigen und Sozialentwicklung<br />

3.1 Kindliche Sozialpartner<br />

Soziale Kompetenz ist gekennzeichnet durch die<br />

Fähigkeit mit anderen Kindern zurechtzukommen,<br />

sich mit ihnen zu verständigen, zu kooperieren,<br />

Konflikte zu bewältigen, von ihnen zu<br />

lernen und eigenes Wissen weiterzugeben. Mit<br />

dem Erwerb sozialer Kompetenz wird häufig begründet,<br />

warum Kinder in den Kindergarten<br />

gehen sollten. Soziale Kompetenz wird als eine<br />

für den Schulstart unerlässliche Grundvoraussetzung<br />

gesehen. Welche Bedeutung haben Peer-<br />

Kontakte in den ersten drei Lebensjahren für den<br />

Erwerb sozialer Kompetenz aber wirklich? Diesbezüglich<br />

differieren die Meinungen der Wissenschaftler:<br />

Schneider und Wüstenberg<br />

(1993,2001) beschreiben, dass Kinder schon in<br />

den ersten Lebensjahren andere Kinder brauchen.<br />

Sie sehen die Gleichaltrigengruppe als<br />

wichtiges Setting, das förderlich auf die Sozialentwicklung<br />

wirkt. Erwachsenen-Kind-<br />

Beziehungen wirken durch ihr asymmetrisches<br />

Kräfteverhältnis, bei dem immer der eine dominiert<br />

und kontrolliert eher erfahrungshemmend<br />

auf die kindliche Sozialentwicklung. Umso wichtiger<br />

erscheinen daher die symmetrisch-reziproken<br />

Beziehungen (d.h. Wechselseitig und auf<br />

gleichem Niveau) unter Gleichaltrigen. Nach Ahnert<br />

(2003) gibt es jedoch bislang noch keine<br />

Studie, die Entwicklungsdefizite oder -abweichungen<br />

aufgezeigt hätte, wenn diese Entwicklung<br />

erst im Vorschulalter einsetzt. Daher gilt die<br />

Frage, inwieweit die frühen Anfänge der Peer-Interaktion<br />

auf die Phänomene späterer Peer-Beziehungen<br />

hinführen, als noch weitgehend<br />

unbeantwortet.<br />

Anhand zahlreicher Beobachtungen läßt sich eindeutig<br />

feststellen, dass Kleinstkinder und auch<br />

Säuglinge bereits ein soziales Interesse an anderen<br />

Kindern zeigen und auf diese anders reagieren<br />

als auf Erwachsene. Von Anfang an sind sie<br />

aktiv an der Kommunikation beteiligt und benutzen<br />

dafür vorsprachliche Verständigungsformen<br />

wie Mimik, Gestik, Laute und Lächeln.<br />

Bereits mit einem halben Jahr sind sie in der Lage,<br />

ihre Kontaktversuche in Abstimmung mit der Reaktion<br />

des anderen Kindes zu steuern. Wollen<br />

Kinder beispielsweise ein anderes Kind berühren,<br />

so versuchen sie zunächst dessen Interesse zu<br />

wecken. In der Regel kommt es nur dann tatsächlich<br />

zu Berührung, wenn das Gegenüber auf<br />

diese Kontaktinitiative, auch mit Interesse reagiert<br />

(Schneider und Wüstenberg, 1993). Gegenstände<br />

werden bereits ab der zweiten Hälfte<br />

des ersten Lebensjahres benutzt, um in Kontakt<br />

zu treten. Die wichtigste Fähigkeit, um Kontakt<br />

herzustellen, ist die Imitationsfähigkeit. Im Alter<br />

von ein bis zwei Jahren dient sie als Mehrzweckstrategie,<br />

da sie sowohl die entscheidende Methode<br />

zur Initiierung und Aufrechterhaltung von<br />

II. Themen 75


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II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

Interaktionen ist, als auch aufgrund der Nachahmung<br />

von Sprache und Lauten, Gestik, Mimik<br />

und Körperbewegungen durch ein anderes Kind<br />

das eigene Selbstbild emotional bestätigt wird<br />

(Schneider und Wüstenberg, 2001). Beim Nachahmen<br />

geht es um wesentlich mehr, als um simples<br />

Kopieren von Verhaltensweisen: Nachahmen<br />

erfordert erste Abstimmungsprozesse, z.B. darüber,<br />

wer vormacht und wer nachahmt. Zudem<br />

werden stetig neue Varianten eingebracht und<br />

somit die kreative Ausgestaltung gefördert.<br />

Das Besondere an der Beziehung zwischen Kindern<br />

ist die Ähnlichkeit der Spielpartner: Die<br />

Chance, dass eine gemeinsame Problemlösung<br />

erarbeitet und keine durch Erwachsene vorgefertigte<br />

übernommen wird, ist in einer symmetrisch-reziproken<br />

Beziehung größer (von Salisch,<br />

1993). Zudem zwingt der Austausch zwischen<br />

Gleichaltrigen zu frühem Nachdenken über die<br />

Vorstellungen und Gefühle des anderen und beschleunigt<br />

somit die Entwicklung von Perspektivenübernahme<br />

und Moralvorstellungen<br />

(Schneider und Wüstenberg, 2001). Auch werden<br />

kognitive Konzepte gefördert. So beschreibt<br />

Durkin (1997) beispielsweise, dass Kleinkinder,<br />

die in Gruppen gemeinsam an den Versuchen zu<br />

Mengeninvarianz von Piaget arbeiten und sich<br />

gegenseitig durch verschiedene Sichtweisen anregen,<br />

erfolgreicher, als wenn die Kinder dies alleine<br />

tun.<br />

3.2 Peerbeziehungen<br />

Peerbeziehungen bieten für die Kindesentwicklung<br />

besondere Chancen. In der Psychologie werden<br />

Peers als Individuen definiert, die etwa das<br />

gleiche Alter haben. Meist ist der Altersunterschied<br />

geringer als zwischen Geschwistern. In<br />

den meisten anderen Beziehungen, insbesondere<br />

gegenüber Erwachsenen, besteht eine Statusungleichheit.<br />

Im Umgang mit den Peers sind die<br />

Kinder relativ gleichberechtigt, was ihre Macht<br />

und ihren sozialen Status betrifft (Furmann &<br />

Buhrmester, 1985).<br />

Piaget ging davon aus, dass Kinder wegen dieser<br />

relativen Statusgleichheit gegenüber Peers offener<br />

und spontaner sind als gegenüber Erwachsenen.<br />

Er bemerkte, dass Kinder die<br />

Überzeugungen und Regeln der Erwachsenen<br />

oftmals nur aus Gehorsam akzeptieren und nicht<br />

auf der Basis von Verständnis und Zustimmung.<br />

(Youniss, 1980). Es ist wahrscheinlicher, dass die<br />

II. Themen<br />

Kinder gegenüber Gleichaltrigen die Vorstellungen<br />

anderer offen kritisieren, um Rückmeldung<br />

bitten oder ihre eigenen Ideen erläutern (Kruger<br />

& Tomasello, 1986). So entwickeln Peers gemeinsam<br />

ihre eigenen Regeln, Auffassungen und<br />

Erklärungen dafür, warum oder auf welche<br />

Weise Dinge funktionieren.<br />

Auch Wygotski (1978) ging davon aus, dass Kinder<br />

durch Interaktion mit Gleichaltrigen neue Fertigkeiten<br />

erlernen und ihre kognitiven<br />

Fähigkeiten erweitern. Im Gegensatz zu Piaget<br />

betonte Wygotski jedoch die Bedeutung der Kooperation<br />

zwischen Peers. Wygotski betont die<br />

Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen den<br />

Kindern, die ihnen hilft, neue Fähigkeiten aufzubauen<br />

und sich gegenseitig die Wissensinhalte<br />

und Fähigkeiten, die in ihrer Kultur Wert und Bedeutung<br />

besitzen, zu vermitteln. Youniss (1980)<br />

betonte die sozialen und emotionalen Gewinne<br />

der Peer- Interaktion. Für ihn bilden die Gleichaltrigen<br />

in der Vorschul- und Schulzeit eine wichtige<br />

Quelle der Begleitung und Unterstützung im<br />

Umgang mit Problemen und Aufgaben. Mit zunehmendem<br />

Alter nimmt die Bedeutung der<br />

Peers als Quelle der emotionalen Unterstützung<br />

an Bedeutung zu. Sullivan (1953) nahm an, dass<br />

Freundschaften bei älteren Kindern für ihr Wohlbefinden<br />

unerlässlich sind. Er betonte, dass Kinder<br />

im frühen Jugendalter beginnen, enge intime<br />

Beziehungen mit gleichgeschlechtlichen Peers<br />

einzugehen. Solche kameradschaftlichen Beziehungen<br />

bieten den Kindern die erste Erfahrung<br />

einer intimeren zwischenmenschlichen Beziehung,<br />

die auf Gegenseitigkeit und Austausch<br />

zwischen Gleichgestellten aufbaut. Sullivan ging<br />

davon aus, dass Kinder, die von ihren Peers abgelehnt<br />

werden, Gefühle der Minderwertigkeit<br />

und Einsamkeit entwickeln und über ihre eigenen<br />

Fähigkeiten verunsichert sind.<br />

Die Theoretiker Piaget, Wygotski und Sullivan<br />

sehen Peer-Beziehungen als einzigartigen Kontext<br />

für die kognitive, soziale und emotionale<br />

Entwicklung. Sie gehen davon aus, dass sich infolge<br />

der Gleichberechtigung, der Gegenseitigkeit,<br />

Kooperation und Vertrautheit von<br />

Peer-Beziehungen die Denkfähigkeit der Kinder<br />

und ihre Berücksichtigung der Belange anderer<br />

verbessern. In den Freundschaften der Kinder finden<br />

sich zwischen Gleichaltrigen am häufigsten<br />

Gleichberechtigung und Vertrautheit.


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II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

3.3 Status in der Peergruppe<br />

Ältere Kinder und Jugendliche machen sich häufig<br />

sehr viele Gedanken über ihren Status bei den<br />

Gleichaltrigen: Beliebt zu sein ist von größter<br />

Wichtigkeit, und die Zurückweisung durch die<br />

Peers kann drastische Folgen haben, die sich vor<br />

allem auf Entwicklungsebene zeigen. Beispielsweise<br />

anhand eines Schulabbruchs oder problematischen<br />

Verhaltens (Gest, Graham – Bermann<br />

& Hartup, 2001).<br />

Für die Beliebtheit spielt offensichtlich die körperliche<br />

Attraktivität eine große Rolle. Attraktive<br />

Kinder sind mit größerer Wahrscheinlichkeit beliebt<br />

als unattraktive Kinder (Langlois et al.2000).<br />

Dieses Muster entsteht bereits in der frühen<br />

Kindheit und wird in der Adoleszenz besonders<br />

offensichtlich. Nach Hanna (1989) kann körperliche<br />

Attraktivität im Jugendalter wichtiger sein<br />

als Geselligkeit, wenn es darum geht bei den<br />

Peers Anerkennung zu finden und positive<br />

Freundschaften zu entwickeln. Darüber hinaus<br />

tragen sportliche Fähigkeiten, besonders bei Jungen,<br />

zum Peer-Status bei. Sportler werden von<br />

den Peers meist als beliebt eingeschätzt (Rodkin<br />

et al., 2000). Weiterhin hängt der Peer-Status mit<br />

dem Status der eigenen Freunde zusammen: beliebte<br />

Freunde zu haben wirkt sich positiv auf die<br />

eigene Beliebtheit aus (Eder, 1985). Das Sozialverhalten<br />

des Kindes, seine Persönlichkeit, die<br />

Kognitionen über sich und anderer sowie die<br />

Ziele bei Interaktion in Peers sind weitere Faktoren,<br />

die den soziometrischen Status beeinflussen.<br />

Beliebte Kinder besitzen zahlreiche soziale Fähigkeiten,<br />

die dazu beitragen, dass sie gemocht werden.<br />

Beispielsweise sind sie in der Lage<br />

Interaktionen mit Peers zu beginnen und positive<br />

Beziehungen zu anderen aufrecht zu erhalten<br />

(Rubin et al., 1989). Stoßen beliebte Kinder zu<br />

einer Gruppe von Kindern hinzu, versuchen sie<br />

zuerst abzuschätzen, was in der Gruppe gerade<br />

los ist, um sich dann der Gruppe anzuschließen.<br />

Sie sprechen über das selbe Thema oder beteiligen<br />

sich an der selben Aktivität wie die Gruppe<br />

und werden somit selten unangebrachte Aufmerksamkeit<br />

auf sich ziehen, wenn sie einer<br />

Gruppe beitreten (Putallaz, 1983; Dodge et al.<br />

1983). Beliebte Kinder sind meistens kooperativ,<br />

freundlich und verständnisvoll gegenüber anderen<br />

und werden so auch von Lehrern und Peers<br />

wahrgenommen (Dodge et al. 1997; Rubin et al.<br />

1998). Darüber hinaus neigen sie nicht zu starken<br />

negativen Gefühlen und können sich gut<br />

selbst regulieren (Eisenberg et al. 1993).<br />

Mit Blick auf Aggressivität, die der Durchsetzungsfähigkeit<br />

dient (hierzu zählt auch Schubsen<br />

und Kämpfen) unterscheiden sich beliebte Kinder<br />

meist nicht von durchschnittlichen Kindern<br />

(Newcomb et al., 1993).<br />

Abgelehnte Kinder können in zwei Kategorien<br />

eingeteilt werden: den übermäßig aggressiven<br />

oder den verschlossenen Kindern.<br />

Aggressiv abgelehnte Kinder: 40-50% der abgelehnten<br />

Kinder sind häufig aggressiv. Hierbei<br />

überwiegt feindliches, drohendes, störendes und<br />

kriminelles Verhalten sowie körperliche Aggression<br />

(Hinshaw et al., 1997; Newcomb et al.,<br />

1993). Viele abgelehnte Kinder betreiben Beziehungsaggression<br />

wenn sie wütend sind oder<br />

ihren Willen durchsetzten wollen. Das bedeutet,<br />

dass sie Gerüchte über Peers verbreiten, Freundschaft<br />

vorenthalten, um Verletzungen zuzufügen<br />

oder andere Kinder ignorieren und ausschließen<br />

( Crick et al., 1997). Es kann nicht mit Sicherheit<br />

angegeben werden, ob Aggression die Ablehnung<br />

der Peers verursacht oder von ihr verursacht<br />

wird. Einige Forschungsergebnisse sprechen jedoch<br />

dafür, dass der Zurückweisung durch die<br />

Peers häufig aggressives Verhalten zugrunde<br />

liegt. Bei der Beobachtung von Peers, die sich gerade<br />

kennen lernen, zeigte sich, dass die aggressiven<br />

Kinder mit der Zeit abgelehnt werden (Coie<br />

& Kupersmidt, 1983). In Langzeitstudien konnte<br />

gezeigt werden, dass aggressive, negative und<br />

störende Kinder von ihren Peers im Verlauf eines<br />

Schuljahres zunehmend abgelehnt werden ( Little<br />

& Garber, 1995; Maszk et al., 1999).<br />

Verschlossen-abgelehnte Kinder<br />

10 bis 20 % der abgelehnten Kinder gehören in<br />

die Gruppe der verschlossen-abgelehnten Kinder.<br />

Kennzeichen dieser Gruppe sind soziale Zurückgezogenheit,<br />

Argwohn, Schüchternheit und<br />

Ängstlichkeit (Cillessen et al., 1992; Rubin et al.,<br />

1998). Viele dieser Kinder fühlen sich isoliert und<br />

einsam. Dennoch zeigen Forschungsergebnisse,<br />

dass nicht alle sozial verschlossenen Kinder abgelehnt<br />

werden. Vielmehr ist es die Kombination<br />

aus verschlossenem Verhalten mit negativen<br />

II. Themen 77


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II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

Handlungen oder Gefühlen, das zur Zurückweisung<br />

durch die Peers führt.<br />

Ein Teil der zurückgezogenen Kinder kann als<br />

ignorierte Kinder klassifiziert werden, weil sie von<br />

ihren Peers weder positiv noch negativ wahrgenommen<br />

werden. Diese Kinder sind oft weniger<br />

gesellig, aggressiv und störend als durchschnittliche<br />

Kinder (Rubin et al.,1998). Auch halten sie<br />

sich von aggressiven Peer-Interaktionen meistens<br />

fern (Coie &Dodge, 1988).Diese Kinder fürchten<br />

sich nicht vor sozialen Interaktionen, obwohl sie<br />

mit ihren Peers weniger interagieren als Kinder<br />

mit durchschnittlichem soziometrischen Status<br />

(Hatzichristou & Hopf, 1996; Rubin et al.,1998).<br />

Ignorierte Kinder zeigen kaum Verhaltensweisen,<br />

die sich von denen anderer Kinder unterscheiden,<br />

sie scheinen vor allem deshalb ignoriert zu werden,<br />

weil sie von ihren Peers einfach nicht bemerkt<br />

werden (Bukowski et al., 1993).<br />

Kontroverse Kinder sind Kinder, die von einigen<br />

Peers gemocht, von anderen jedoch abgelehnt<br />

werden. Diese Kinder besitzen oft Eigenschaften<br />

sowohl von beliebten als auch von abgelehnten<br />

Kindern ( Rubin et al., 1998). Beispielsweise können<br />

sie kooperativ, gesellig, sportlich und humorvoll<br />

sein, zugleich jedoch auch häufig auch<br />

aggressiv, störend und schnell wütend ( Bukowski<br />

et al., 1993; Coie & Dodge, 1988). Sie sind einerseits<br />

sozial sehr aktiv, andererseits gerne auch<br />

Gruppenführer (Coie et al., 1990). Jedoch werden<br />

kontroverse Kinder häufig als arrogant und<br />

snobistisch erlebt, weshalb sie von einigen Peers<br />

abgelehnt werden (Hatzichristou & Hopf,1996).<br />

3.4 Spielentwicklung<br />

Die Annäherung an andere Kinder erscheint für<br />

den oberflächlichen Beobachter oft zufällig und<br />

erfolgt stufenweise. Insbesondere das früher oft<br />

als unreifes Verhalten abgewertete Parallelspiel<br />

erweist sich bei näherem Hinsehen als aktive soziale<br />

Strategie zur Gruppenintegration (Schneider<br />

und Wüstenberg, 1993).<br />

î das Kind blickt während des eigenen Tuns<br />

ab und zu auf<br />

î es beobachtet direkt die Aktivität der ande-<br />

II. Themen<br />

ren Kinder<br />

î das Kind zeigt Anteilnahme an der Aktivität<br />

der anderen Kinder<br />

î es wird von der allgemeinen Atmosphäre<br />

angesteckt<br />

î das Kind übernimmt bei anderen Gesehenes<br />

ins eigene Spiel<br />

î erste vorsichtige, direkte Kontakte werden<br />

geknüpft.<br />

î andere Kinder und deren Verhaltensweisen<br />

können kennen gelernt werden<br />

î Spielverläufe können beobachtet und verstanden<br />

werden<br />

î es kann aus „sicherer“ Distanz heraus passiv<br />

an Handlungen teilgenommen, und somit<br />

damit vertraut, werden<br />

î Bewegungen und Aktivitäten können imitiert<br />

und nachempfunden werden<br />

î Anregungen für das eigene Spiel können erhalten<br />

werden<br />

î es können Informationen über Abläufe, Kinder<br />

und Objekte erhalten werden<br />

î das Kind kann selbst über die Stufen der<br />

Annäherung, bzw. der Interaktion entscheiden.<br />

Bereits in den ersten Lebensjahren kennzeichnen<br />

spielerische und andere prosoziale Verhaltensweisen<br />

die Kontakte zwischen den Kindern deutlich<br />

öfter als Konflikte. In einer Krippenstudie<br />

zeigte sich, dass die mit gemeinsamem Spiel verbrachte<br />

Zeit mit steigendem Alter zunimmt (Bensel,<br />

1994). Die spielerischen Interaktionen<br />

reichten hierbei von einfachen Geben-Nehmen-<br />

Spielen oder dem Tauschen von Spielzeug über<br />

Bewegungsspiel (z.B. gemeinsames Hüpfen auf<br />

Matratzen) bis hin zu kleinen Rollenspielen (z.B.<br />

Kochen, Großwildjagd in Afrika). Hierbei spielten<br />

die Kinder vorwiegend zu zweit. In den Fällen, in<br />

denen mehr als zwei Kinder am Spiel beteiligt<br />

waren handelte es sich vorwiegend um Spiele bei<br />

denen Geräusche erzeugt wurden, und in die<br />

leicht einzusteigen war. Alle diese Kinder waren<br />

älter als zwei Jahre.<br />

Konflikte sind zwischen Kleinkindern selten und<br />

kurz. Paradox erscheinen mag hierbei, dass v.a.


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II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

befreundete Kinder die heftigsten Auseinandersetzungen<br />

führen. Dies wird jedoch verständlich,<br />

wenn man Auseinandersetzungen nicht als Gegensatz<br />

zu Kooperation, sondern als Teil von ihr<br />

versteht (Dittrich et al., 2001). Konflikte allgemein<br />

dienen dazu, Kräfte zu messen, Rechte auszuhandeln,<br />

Kontakt aufzunehmen oder die<br />

bestehende Situation zu ändern. Stoßen bei befreundeten<br />

Spielpartnern verschiedene Spielideen,<br />

Meinungen und Interessen aufeinander,<br />

so ist das Konfliktrisiko besonders hoch. Gerade<br />

diese Konflikte fördern jedoch die Sozial- und<br />

Denkentwicklung (Schneider und Wüstenberg,<br />

2001). Bereits Einjährige verfügen über Konfliktlösestrategien.<br />

Zweijährige sind in der Lage nach<br />

sozialen Regeln wie beispielsweise der „Priorität<br />

früherer Besitzrechte“ zu handeln. Das bedeutet,<br />

dass sie meist auch ohne die Intervention Erwachsener<br />

weggenommene und vom Erstbesitzer<br />

wieder eingeforderte Objekte zurückgeben.<br />

Besitzstreitigkeiten (die Hauptursache für Konflikte<br />

in den ersten Jahren) haben eindeutig soziale<br />

Gründe und drehen sich weniger um das<br />

Spielzeug an sich. Besitzansprüche („meins“)<br />

werden selbst dann geltend gemacht, wenn beiden<br />

streitenden Kindern ein identisches Spielzeug<br />

zur Verfügung steht.<br />

î Ahnert, L. (2003): Die Bedeutung von Peers<br />

für die frühe Sozialentwicklung des Kindes.<br />

In: Keller, H. Handbuch der Kleinkindforschung<br />

(S. 489-524). Bern: Hans Huber<br />

î Bensel, J. (1999): Vertrauen schaffen von<br />

Anfang an. Wie eine gute Eingewöhnung<br />

gelingen kann. ZeT (1), S.8-10.<br />

î Bensel, J. (2000): Aller Abschied ist schwerdie<br />

Entwöhnung. Warum die letzten Wochen<br />

in der Tagespflege von großer Bedeutung<br />

sind. ZeT (3), S.8-11.<br />

î Dittrich, G., Dörfler, M., Schneider, K.<br />

(2001): Wenn Kinder in Konflikt geraten.<br />

Eine Beobachtungsstudie in Kindertagesstätten.<br />

Neuwied: Luchterhand.<br />

î Durkin, K. (1997): Entwicklungssozialpsychologie.<br />

In: Stroebe, W., Hewstone, G.,<br />

Stephenson, M., Sozialpsychologie. Eine<br />

Einführung (S. 49-78). Berlin: Springer.<br />

î Haug-Schnabel, G. (2004): Verhaltensbiologische<br />

ERkenntnisse aus der Mutter-Kind-<br />

Bindungsforschung. Die Hebamme 17 (3),<br />

S. 144-151.<br />

î Haug-Schnabel, G., Bensel, J. (2004): Vom<br />

Säugling zum Schulkind- Entwicklungspsychologische<br />

Grundlagen. kindergarten heute<br />

spezial. Freiburg: Herder.<br />

î Haug-Schnabel, G. Bensel, J. (2005): Grundlagen<br />

der Entwicklungspsycologie. Die ersten<br />

10 Lebensjahre. Freiburg: Herder.<br />

î Keller, H. (1998): Entwicklung im Kontext.<br />

Entwicklungspsychologische Konsequenzen<br />

für eine außerfamiliäre Betreuung des Kleinkindes.<br />

In: Ahnert, L., Tagesbetreuung für<br />

Kinder unter 3 Jahren (S.164-172). Bern:<br />

Hans Huber.<br />

î Schneider, K., Wüstenberg, W. (1993): Kinderfreundschaften<br />

im Krabbelalter. In: Deutsches<br />

Jugendinstitut, Was für Kinder. Aufwachsen<br />

in Deutschland (S.127-134). München,<br />

Kösel.<br />

î Schneider, K., Wüstenberg, W. (2001): Entwicklungspsychologische<br />

Forschungen und<br />

ihre Bedeutung für Peer-Kontakte im Kleinkindalter.<br />

In: von Schlippe, A., Lösche, G.,<br />

Hawellek, C., Frühkindliche Lebenswelten<br />

und Erziehungsberatung. Die Chancen des<br />

Anfangs (S. 67-78). Weinheim: juventa.<br />

î Suess, G.J. (2005): Sicherer Halt für den<br />

Aufbruch ins Leben. Neueste Erkenntnnisse<br />

der Bindungsforschung. kindergarten heute<br />

(11-12), S.6-12.<br />

î von Salisch, M. (1993): Kind-Kind-Beziehungen.<br />

Symmetrie und Asymmetrie unter<br />

Peers, Freunden und Geschwistern. In: Auhagen,<br />

A.E. von Salisch, M., Zwischenmenschliche<br />

Beziehungen (S.59-78). Göttingen:<br />

Hogrefe.<br />

Im Alter zwischen 3 und 5 Jahren werden die<br />

gleichaltrigen Spielkameraden immer wichtiger.<br />

Während bislang Erwachsene als Spielpartner bevorzugt<br />

wurden, sind es nun die gleichaltrigen<br />

Spielkameraden. Dank der nun vorhandenen<br />

Sprachfähigkeit ist eine echte Verständigung<br />

möglich. Die Kinder beginnen gemeinsam zu planen,<br />

zu organisieren, zu besprechen und zu entscheiden.<br />

Sie kommentieren Abläufe und<br />

beratschlagen und beratschlagen sich bei Misserfolgen.<br />

Die Kinder bilden Teams und lernen sich<br />

einzugliedern. Bald zeigen sich Spezialisten, die<br />

irgendetwas besonders gut können und deshalb<br />

II. Themen 79


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80<br />

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II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

auch oft gefragt sind. Die Kinder sind nun in der<br />

Lage Projekte zu planen, die sich über mehrere<br />

Tage erstrecken und gemeinsam mit anderen an<br />

einem Vorhaben zu arbeiten.<br />

Die Gebilde, die das Kind beim Konstruktionsspiel<br />

baut werden zunehmend größer und komplizierter.<br />

Von sich aus greifen die meisten Kinder<br />

nun zu Schere und anderen Hilfsmitteln, um<br />

mehr Gestaltungsmöglichkeiten zu haben. Durch<br />

eifrig tätige Mitspieler lassen sich die Kinder leicht<br />

zum Selbstausprobieren animieren. Das Symbolspiel<br />

wird zunehmend phantastischer. Alltagssituationen<br />

werden immer seltener nachgeahmt.<br />

Nun beginnt das Rollenspiel d.h. Dass die Kinder<br />

im Zusammenspiel fiktive Rollen einnehmen. Das<br />

kooperative Rollenspiel ist bei Dreijährigen noch<br />

kaum zu finden. Normalerweise zeigen es jedoch<br />

bereits alle Vierjährigen. Im Alter von 4 bis 5 Jahren<br />

nimmt die Dauer diese fiktiven Spiele deutlich<br />

zu. Beim Rollenspiel werden von den Kindern<br />

höhere soziale und kognitive Fähigkeiten gefordert.<br />

Ein gemeinsam abgesprochenes Handeln<br />

muss über einen längeren Zeitraum aufrecht erhalten<br />

und koordiniert werden. Im Rollenspiel<br />

kann das Kind seine Wünsche und Ängste ausdrücken<br />

sowie seine Erlebnisse, Erwartungen und<br />

Erfahrungen verarbeiten. Durch die Übernahme<br />

einer überlegeneren Position kann es z.B. eigene<br />

Ängste für kurze Zeit abmildern. Indem es in<br />

fremde Rollen hinein schlüpft, erlebt es die mit<br />

der Rolle verbundenen Gefühle ( Vorgang der<br />

Identifikation). Hierdurch lernt es, sich in andere<br />

Personen hineinzuversetzen und übt sein Sozialverhalten.<br />

Die zuletzt auftauchende Grundform des Spiels<br />

ist das Regelspiel. Hierzu ist die Gruppenfähigkeit<br />

und die Entwicklung anschaulichen Denkens<br />

nötig. Beim Regelspiel handelt es sich um ein soziales<br />

Spiel, bei dem nicht nur nach festgelegten<br />

Regeln gehandelt wird, sondern diese Regeln<br />

müssen auch eingehalten werden und machen<br />

zugleich den Reiz des Spiels aus. Die meisten Regelspiele<br />

sind Wettkampfspiele (Verstecken,<br />

Hüpfspiele, Fangen). Der Wettbewerbscharakter<br />

spielt hierbei mit zunehmendem Alter eine immer<br />

größere Rolle (Brettspiele, Gesellschaftsspiele,<br />

Sportspiele). Beim Regelspiel gibt es meist Sieger<br />

und Verlierer. Hierdurch beginnen die Kinder ihre<br />

Leistung mit der Leistung der anderen Kinder zu<br />

II. Themen<br />

vergleichen. Bereits mit etwa dreieinhalb Jahren<br />

erwacht beim Kind die Leistungsmotivation. Es<br />

erkennt, dass es darauf ankommt zu gewinnen<br />

und möchte Sieger sein. Oft ist das Verkraften<br />

von Misserfolgen nicht einfach. So wird beispielsweise<br />

das Spiel abgebrochen, die Kinder<br />

leugnen, dass sie verloren haben, schieben die<br />

Schuld auf äußere Umstände oder weisen darauf<br />

hin, dass sie dafür andere Dinge gut können. Im<br />

Alter von 4 Jahren spielen die Kinder gerne in<br />

kleinen Gruppen und fangen an, sich vorgegebenen<br />

Spielregeln unterzuordnen. Die Kinder<br />

wissen zwar, dass sie auch verlieren können, dennoch<br />

stellen Niederlagen eine große emotionale<br />

Belastung dar. Etwa in der Mitte des 4. Lebensjahres<br />

taucht im Spiel der Kinder eine neue Form<br />

der Kommunikation auf. Die Anweisungen für<br />

das gemeinsame Rollenspiel werden zunehmend<br />

komplexer, fast drehbuchartig. Es werden sogar<br />

Absprachen über die Form des Sprechens während<br />

des Spiels getroffen. Diese Kommunikation<br />

über die Kommunikation wird als Metakommunikation<br />

bezeichnet. Bei der Metakommunikation<br />

werden die Mitspieler immer mehr in die<br />

eigene Gedankenwelt miteinbezogen.<br />

( Bensel, J. & Haug-Schnabel, G. 2004)<br />

3.5 Die Rolle der Eltern bei Peer- Beziehungen der<br />

Kinder<br />

Die Bindungstheorie behauptet, dass es von der<br />

sicheren oder unsicheren frühen Bindung eines<br />

Kindes an die Eltern abhängt, wie seine zukünftige<br />

soziale Kompetenz und die Qualität seiner<br />

Beziehungen mit anderen, einschließlich Gleichaltrigen,<br />

beschaffen sein wird. Bindungstheoretiker<br />

gehen davon aus, dass eine sichere Bindung<br />

zwischen Elternteil und Kind die Kompetenz im<br />

Umgang mit Peers auf mindesten dreierlei Art<br />

fördert (Elicker et al. 1992):<br />

î sicher gebundene Kinder entwickeln positive<br />

soziale Erwartungen. Sie sind leicht bereit,<br />

mit anderen Kindern zu interagieren<br />

und erwarten, dass diese Interaktionen positiv<br />

und belohnend sein werden.<br />

î Dank ihrer Erfahrungen mit einer verständnisvollen<br />

und interessierten Bezugsperson<br />

entwickeln sie die Basis, um das Prinzip der<br />

Wechselseitigkeit in Beziehungen zu verstehen.<br />

Sie lernen in Beziehungen zu geben<br />

und zu nehmen und auf andere einzugehen.


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II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

î Sicher gebundene Kinder sind mit großer<br />

Wahrscheinlichkeit zuversichtlich, begeisterungsfähig<br />

und emotional positiv eingestellt.<br />

Dadurch werden sie für andere Kinder<br />

attraktiv, was ihnen soziale Begegnungen<br />

erleichtert.<br />

Umgekehrt nehmen Bindungstheoretiker an,<br />

dass eine unsichere Bindung die Fähigkeit eines<br />

Kindes mit seinen Peers zu interagieren beeinträchtigt.<br />

Sind Eltern zurückweisend, unfreundlich<br />

oder nachlässig, werden jüngere Kinder<br />

häufig selbst unfreundlich und erwarten von<br />

ihren Mitmenschen nichts Gutes. Als Folge nehmen<br />

sie ihre Peers eher feindlich wahr und verhalten<br />

sich ihnen gegenüber aggressiv. Alternativ<br />

erwarten diese Kinder von ihren Peers Zurückweisung<br />

und vermeiden diese Erfahrung, indem<br />

sie Peer-Interaktionen von vornherein umgehen<br />

(Furmanet al., 2002; Renken et al., 1989).<br />

Die ersten Fähigkeiten für den Umgang mit den<br />

Peers erlernen die Kinder im Familienumfeld. Eltern<br />

können die Interaktion ihrer Kinder mit<br />

Gleichaltrigen hierbei sowohl auf direkte Weise<br />

(beispielsweise indem sie versuchen, Einfluss auf<br />

die Beziehungen der Kinder untereinander zu<br />

nehmen), wie auch indirekt (beispielsweise durch<br />

ihren Erziehungsstil und durch ihr eigenes Spielverhalten)<br />

(Ladd & Pettit, 2002).<br />

Ladd et al. (1993) fanden, dass Kinder, deren Eltern<br />

es ermöglichen, in den Vorschuljahren häufig<br />

mit ihren Freunden zu spielen, über ein<br />

größeres soziales Netzwerk verfügen und geübter<br />

sind im sozialen Umgang. Die Eltern schaffen<br />

die Möglichkeit für das gemeinsame Spiele. Hierdurch<br />

zeigen sie ihren Kindern, wie sie selbst in<br />

Kontakt zu Gleichaltrigen treten können. Zudem<br />

stehen sie ihren Kindern stets mit Rat und Tat beiseite<br />

und vermitteln somit, wie sie sich anderen<br />

Menschen verhalten sollten. Durch ihre Problemlösevorschläge<br />

nehmen sie Einfluss auf die soziale<br />

Kompetenz und die Peer-Akzeptanz des Vorschulkindes.<br />

Beispielsweise indem die Eltern den<br />

Umgang mit Konflikten aufzeigen, dem Kind zu<br />

verstehen geben, dass gegenseitiges Aufstacheln<br />

vermieden werden sollte oder auch durch den<br />

Besuch einer Spielgruppe (Laird et al., 1994; Mize<br />

& Pettit, 1997).<br />

Vieles am elterlichen Verhalten ist darauf ausgerichtet,<br />

die Interaktion unter Kindern zu fördern.<br />

Häufig wirkt sich dies auch auf deren Beziehungen<br />

untereinander aus. In zahlreichen Studien<br />

konnte beispielsweise eine sichere Bindung zu<br />

den Eltern in Beziehung gebracht werden mit<br />

aufeinander eingehende harmonische Interaktionen<br />

unter Gleichaltrigen (Bost et al.,1998;<br />

Schneider, Atkinson & Tardif, 2001).<br />

Hierfür ist der emotional expressive und unterstützende<br />

Kommunikationsstil, der auch zur Bindungssicherheit<br />

beiträgt, verantwortlich. Es<br />

wurden Zusammenhänge festgestellt zwischen<br />

emotional positiven Eltern-Kind-Konversationen<br />

und dem prosozialen Verhalten des Kindes sowie<br />

positiven Peerbeziehungen ( Clark & Ladd, 2000;<br />

Lindsay & Mize, 2000).<br />

4. Moralentwicklung<br />

Ab dem 2 . Lebensjahr reagiert ein Kind mit<br />

Stress auf Handlungen, die aggressiver Natur<br />

sind. Sie verwenden Wörter wie „ gut“ oder<br />

„schlecht“.<br />

Es entwickelt sich eine zunehmende Fähigkeit<br />

Recht von Unrecht zu unterscheiden. Die Eltern<br />

reagieren darauf, indem sie Kinder zunehmend<br />

für ihr eigenes Verhalten zur Verantwortung ziehen.<br />

Kinder können zunehmend moralische Regeln<br />

aufzählen ( „ Sag die Wahrheit… „ ). Das Gewissen<br />

entsteht in der frühen Kindheit. Zunächst<br />

ist die Moral des Kindes extern kontrolliert.<br />

Nach und nach wird die Moral des Kindes durch<br />

die inneren Standards reguliert.<br />

Alle wichtigen Theorien zeigen eine gewisse<br />

Übereinstimmung. Die psychoanalytische Sichtweise<br />

legt das Hauptaugenmerk auf die emotionale<br />

Seite des Gewissens: Identifikation und<br />

Schuldgefühl als Antriebeskräfte guten Verhaltens.<br />

„Die erklärende Erziehungsmaßnahme“ ist eine<br />

effektive Methode , um Selbstkontrolle und prosoziales<br />

Verhalten zu fördern<br />

„Die soziale Lerntheorie“: hier ist Stärkung und<br />

das Modell-Lernen die Grundlage moralischen<br />

Handelns.<br />

II. Themen 81


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CURRICULUM - TRANSITION - Ausbildung zum/r Übergangsbegleiter/in für frühkindliche Bildungsprozesse - Socrates <strong>Grundtvig</strong> 1.1 Projekt<br />

II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

Effektive Erwachsenenrollenmodelle für moralisches<br />

Urteilen sollten warmherzig sein und eine<br />

positive Autorität ausstrahlen. Erwachsene sollten<br />

das, was sie dem Kind demonstrieren, auch<br />

selbst tun. Häufige harte Bestrafung ist nicht förderlich<br />

auf die Internalisierung.<br />

Alternativen wären verordnete Auszeiten und der<br />

Entzug von Privilegien. Bei Strafe ist Konsequenz<br />

wichtig und die Aufrechterhaltung einer warmherzigen<br />

Beziehung zum Kind. Es sollte dann<br />

auch Klärung verbal angeboten werden.<br />

4.1. Moralisches Denken und Urteilen<br />

Wie Kinder über moralische Angelegenheiten<br />

denken, bildet eine Grundlage ihres moralischen<br />

oder unmoralischen Verhaltens.<br />

Piagen beschrieb 2 moralische Stadien – die heteronome<br />

und die autonome Moral und eine dazwischen<br />

liegende Übergangsphase (Piagen<br />

1932 )<br />

Auf der ersten Stufe betrachten Kinder Regeln als<br />

festgelegt und gewichten bei der Bewertung von<br />

Handlungen die Folgen stärker als die Absichten.<br />

Piagen ist die Kombination aus kognitiver Entwicklung<br />

und gleichberechtigter, kooperativer Interaktion<br />

mit Gleichaltrigen , die Kinder ins<br />

autonome Stadium bringt , in dem sie erkennen,<br />

dass Regeln im Einvernehmen der Gruppe geändert<br />

werden können und die moralische Qualität<br />

von Handlungen auf der Basis ihrer Absichten<br />

und weniger ihrer Folgen beurteilen. Kritisiert<br />

wurden Aspekte von Piagen Theorie dahingehend,<br />

dass Kinder Handlungsabsichten viel früher<br />

als er glaubte zu nutzen, um Verhalten zu<br />

bewerten. Dies gilt aber als Grundlage für Kohlbergs<br />

Arbeiten über die Stufen des moralischen<br />

Denkens und Urteilens.<br />

Kohlberg umschrieb 3 Niveaus des moralischen<br />

Urteils: präventionelle, konventionelle und postkonventionelle<br />

Moral, die jeweils 2 Stufen umfassen.<br />

Man nahm an, dass seine Stufenfolge<br />

diskontinuierliche Veränderungen im altersabhängigen<br />

moralischen Denken wider spiegelt, so<br />

dass Kinder weltweit dieselben Stufen durchlaufen.<br />

… sätze werden hinterfragt. Forschungsarbeiten<br />

über andere Typen von moralischen<br />

Urteilen, etwas prosoziale moralische Urteile weisen<br />

darauf hin, dass die Berücksichtigung der Bedürfnisse<br />

anderer Menschen im früheren Alter<br />

auftritt, als Kohlbergs Arbeiten andeuten.<br />

II. Themen<br />

Es gibt wichtige Unterschiede zwischen den moralischen,<br />

sozial-konventionalen und persönlichen<br />

Bereich von Verhalten und Beurteilungen,<br />

die auch Kinder schon kennen. Zum Beispiel<br />

glauben jüngere Kinder, dass moralische Verfehlungen,<br />

aber nicht konventionale oder persönliche<br />

Regelverletzungen grundsätzlich falsch sind,<br />

gleich ob Erwachsene sie für inakzeptabel halten<br />

oder nicht.<br />

Gewissen gilt als eine Instanz, die internalisierte<br />

moralische Normen reflektiert. Es hält das Kind<br />

davor zurück, sich unmoralisch zu verhalten und<br />

bringt im Falle des Fehlverhaltens Schuldgefühle<br />

mit sich. Im Gegensatz zu den Annahmen Freuds<br />

entwickelt sich das Gewissen beginnend schon<br />

vor dem 2. Lebensjahr, langsam im Laufe der Zeit.<br />

Kinder internalisieren die elterlichen Normen<br />

eher, wenn sie sichere Bindungen an ihre Eltern<br />

haben und wenn ihre Eltern bei der Disziplinierung<br />

vernünftige Erklärungen abgeben und nicht<br />

nur auf ihre elterliche Gewalt setzen. Je nach<br />

Temperament des Kindes wird die Gewissensentwicklung<br />

durch etwas andere Faktoren gefördert.<br />

4.2. Prosoziales Verhalten<br />

Ursprünge des altruistischen prosozialen Verhaltens<br />

liegen in der Fähigkeit begründet, Empathie<br />

und Mitleid zu empfinden.<br />

Empathie ist ( Einfühlungsvermögen ) die Fähigkeit,<br />

sich in andere hineinzuversetzen, eine emotionale<br />

Reaktion auf den Zustand eines anderen<br />

Menschen dessen Gefühlslage des anderen Menschen<br />

ähnelt.<br />

Mitleid ist eine häufige Folge, wenn man sich in<br />

die negativen Gefühle oder Lebenslagen einer<br />

anderen Person hineinversetzen kann.<br />

Mitleid ist eine Anteilnahme und Sorge um eine<br />

andere Person oder auch um ein Tier als Reaktion<br />

auf deren Zustand. Oft ist es das Resultat<br />

des Verständnisses für die negativen Gefühle des<br />

anderen oder dessen ungünstige Situation.<br />

Prosoziales Verhalten entsteht im 2. Lebensjahr<br />

und tritt in den Kleinkindjahren immer häufiger<br />

auf. In den Vorschul- und Grundschuljahren erhöhen<br />

sich die Häufigkeit und Einfühlsamkeit des<br />

prosozialen Verhaltens weiter. Zu den früheren<br />

individuellen Unterschieden im prosozialen Ver-


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II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

halten lassen sich entsprechende Verhaltensunterschiede<br />

in den späteren Jahren bereits vorhersagen.<br />

Das prosoziale Verhalten wird mit dem Alter zum<br />

Teil deshalb häufiger, weil sich bei den Kindern<br />

die Fähigkeiten zur Anteilnahme und zur Perspektivenübernahme<br />

entwickeln. Unterschiede<br />

zwischen den Kindern, was ihr Einfühlungsvermögen,<br />

ihr Mitleid, ihr persönliches Unbehagen<br />

und ihre Perspektivenübernahme betrifft, tragen<br />

zu den individuellen Unterschieden im prosozialen<br />

Verhalten von Kindern bei. Zudem wirken<br />

sich wahrscheinlich biologische Faktoren, die zu<br />

den Temperamentsunterschieden zwischen Kindern<br />

beitragen, darauf aus, wie empathisch und<br />

prosozial Kinder werden.<br />

Die Entwicklung des prosozialen Verhaltens<br />

hängt auch damit zusammen, wie die Kinder erzogen<br />

werden. Im Allgemeinen geht eine positive<br />

Beziehung zwischen Eltern und Kindern mit<br />

einer prosozialen Moralentwicklung einher, besonders<br />

wenn unterstützende Eltern effektive Erziehungsstile<br />

und Erziehungspraktiken einsetzen.<br />

Eine autoritative, positive Regelerziehung, einschließlich<br />

des Einsatzes vernünftiger Erklärungen<br />

seitens der Eltern und der Lehrer sowie der<br />

Kontakt mit prosozialen Modellen, Werte und<br />

Tätigkeiten gehen mit der Entwicklung von Mitgefühl<br />

prosozialen Verhaltens einher.<br />

4.3. Antisoziales Verhalten<br />

Aggressives Verhalten tritt im 2. Lebensjahr erstmal<br />

auf und wird in der Folge häufiger. Körperliche<br />

Aggression geht im Kindergartenalter<br />

zurück. In der Grundschule zeigen Kinder meistens<br />

mehr nicht körperliche Aggressionen ( z.B.<br />

Beziehungsaggression ) als in jüngeren Jahren<br />

und einige Kinder üben zunehmend antisoziale<br />

Verhaltensweise aus z.B. Stehlen. Frühe interindividuelle<br />

Unterschiede bei Aggressivität und Verhaltensproblemen<br />

sagen antisoziales Verhalten in<br />

der späteren Kindheit, im Jugend- und Erwachsenenalter<br />

vorher. Kinder , die mit ihren aggressiven<br />

, antisozialen Verhalten erst im frühen bis<br />

mittleren Jugendalter beginnen, setzen ihr antisoziales<br />

Verhalten mit geringerer Wahrscheinlichkeit<br />

über die A….leszend hinaus fort,<br />

verglichen mit Kindern, die schon in jüngeren<br />

Jahren aggressiv und antisozial sind.<br />

Biologische Faktoren, einschließlich derer, die mit<br />

Temperament und neurologischen Störungen zu<br />

tun haben, wirken sich wahrscheinlich darauf<br />

aus, wie aggressiv ein Kind wird. Auch die soziale<br />

Kognition hängt auf vielfältige Weise mit Aggressivität<br />

zusammen. Dazu gehört die Unterstellung<br />

feindseliger Motive bei anderen, das<br />

eigene Verfolgen feindseliger Ziele, die Entwicklung<br />

und Ausführung aggressiver Reaktionen in<br />

schwierigen Situationen und die Bewertung aggressiver<br />

Reaktion als vorteilhaft. Die Aggression<br />

von Kindern wird durch ein ganzes Spektrum an<br />

Umweltfaktoren beeinflusst, außerdem durch<br />

Vererbung. Im Allgemeinen gehen geringe elterliche<br />

Unterstützung, schlechte Beaufsichtigung<br />

und der Einsatz misshandelnder und inkonsequenter<br />

Disziplinierungsmaßnahmen mit hohem<br />

Grad an antisozialem Verhalten der Kinder einher.<br />

Elterliche Konflikte in der Familie und viele<br />

Stressoren, die mit familiären Veränderungen (<br />

z.B. Scheidungen ) und Armut einhergehen, können<br />

die Wahrscheinlichkeit kindlicher Aggressivität<br />

erhöhen. Außerdem trägt es wahrscheinlich<br />

auch zum antisozialen Verhalten beim, mit antisozialen<br />

Peers zu tun zu haben und im Fernsehen<br />

viel Gewalt zu sehen.<br />

Es gibt starke individuelle Unterschiede bei den<br />

Aggressionen bei anderen Formen antisozialen<br />

Verhaltens. Vom Kindergarten an sind Jungen<br />

körperlich aggressiver als Mädchen und zeigen<br />

häufiger kriminelles Verhalten. Bei einem Aggressionstyp<br />

finden sich jedoch die Mädchen mit<br />

größerer Wahrscheinlichkeit wieder – bei Versuchen,<br />

die sozialen Beziehungen anderer Menschen<br />

zu verletzen = Beziehungsaggression.<br />

II. Themen 83


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CURRICULUM - TRANSITION - Ausbildung zum/r Übergangsbegleiter/in für frühkindliche Bildungsprozesse - Socrates <strong>Grundtvig</strong> 1.1 Projekt<br />

II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

5. Körperliche Entwicklung<br />

5.1 Wachstum und Entwicklung des Körpers<br />

In den ersten beiden Lebensjahren ist das Körperwachstum am stärksten ausgeprägt und verlangsamt sich<br />

zunehmend in der frühen Kindheit. Das Körperwachstum beträgt durchschnittllich 5-8 cm/Jahr, an Gewicht<br />

nehmen die Kinder etwa 2 kg/Jahr zu. Die Durchschnittsgröße von Jungen ist etwas höher als die von Mädchen.<br />

II. Themen


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II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

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II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

5.2 Entwicklung der Wahrnehmung<br />

Früher glaubte man, dass Babys in eine verwirrende<br />

Welt mit verschwommenen Formen und<br />

seltsamen Geräuschen geboren werden. Die<br />

meisten Eltern und auch die Forscher glaubten,<br />

dass nur ältere Kinder in der Lage seien, Gesichter<br />

zu sehen, Stimmen wieder zu erkennen, oder<br />

zwischen verschiedenen Geschmacksrichtungen<br />

und Gerüchen zu unterscheiden. Dank neuer<br />

Methoden in der Wahrnehmungsforschung bei<br />

Kindern weiß man heute, dass Babys bereits direkt<br />

nach der Geburt über beachtliche Fähigkeiten<br />

bezüglich der Sinneswahrnehmung verfügen<br />

(Trawick-Smith, 2006).<br />

Neugeborene können Objekte, die zwischen ca.<br />

18 cm und 39 cm entfernt sind, bereits ziemlich<br />

gut sehen (Bronson, 1990). Interessanterweise<br />

entspricht dies in etwa dem Abstand zwischen<br />

dem elterlichen Gesicht und dem Gesicht des<br />

Kindes, wenn es gehalten wird. Die visuellen Fähigkeiten<br />

von Babys verbessern sich insbesondere<br />

im Verlauf der ersten Lebensmonate; es wird angenommen,<br />

dass die Entwicklung der visuellen<br />

Wahrnehmung im Alter von einem Jahr nahezu<br />

abgeschlossen ist (Haith, 1990). Hinweise darauf,<br />

dass Babys bereits klar sehen können bekam man<br />

durch die Beobachtung, dass sie einige Muster<br />

oder Objekte länger betrachten, als andere (Frick,<br />

Colombo & Saxon, 1999).<br />

Fantz (1963) stellte fest, dass Neugeborene Muster<br />

gegenüber soliden Formen bevorzugen. In<br />

weiterführenden Studien konnte gezeigt werden,<br />

dass sie mäßig komplexe Muster gegenüber einfachen<br />

oder hoch komplexen, sowie gebogene<br />

Linien gegenüber geraden und große Vierecke<br />

gegenüber kleinen Vierecken bevorzugen (Colombo,<br />

Frick, Ryther & Gifford, 1996; Fantz,<br />

Fagan & Miranda, 1975).<br />

Bereits im Alter von 4 Monaten können Babys<br />

Farben differenzieren und bevorzugen blau und<br />

rot gegenüber gelb. Somit zeigen sie die gleichen<br />

Farbpräferenzen wie Erwachsene (Bornstein,<br />

1992).<br />

Neugeborene scheinen den Anblick von Gesichtern<br />

zu bevorzugen ( Fantz, 1961; Rose, Futterweit<br />

& Jankowski, 1999).Tatsächlich konnte in<br />

einer Studie gezeigt werden, dass Neugeborene<br />

Zeichnungen mit Gesichtern, die Merkmale in ty-<br />

II. Themen<br />

pischer Reihenfolge zeigen, länger betrachten als<br />

Zeichnungen, die Gesichtern ähneln, bei denen<br />

die Merkmale aber durcheinander angeordnet<br />

sind ( Fantz 1963). Diese Ergebnisse konnten jedoch<br />

in folgenden Studien nicht repliziert werden<br />

(Small, 1990). Es kann sein, dass sehr kleine<br />

Kinder Gesichter nicht per se erkennen, sie jedoch<br />

intensiv betrachten, da sie sehr interessante<br />

visuelle Muster sind. Beispielsweise kann das Lächeln<br />

eines sechs Wochen alten Babys beim Anblick<br />

des Gesichts seiner Mutter hauptsächlich<br />

seine Antwort auf ein Bild mit starken Kontrasten<br />

sein. Eltern sind sich über diesen Sachverhalt<br />

nicht bewusst; sie interpretieren das Lächeln des<br />

Kindes als Zeichen des Wiedererkennens. Demzufolge<br />

unterstützt das dem Neugeborenen bereits<br />

bei der Geburt innewohnende visuelle<br />

Interesse die elterliche Bindung.<br />

In einigen Studien konnte gezeigt werden, dass<br />

Babys sich in ihrem Blickverhalten unterscheiden<br />

(Frick et al., 1999; Rose et al., 1999). Jüngere<br />

Babys sind „ Langgucker“ d.h. sie betrachten ein<br />

neues Objekt einmalig aber über längere Zeit.<br />

Wenn die Babys älter werden, werden sie oft „<br />

Kurzgucker“. Sie betrachten ein neues Objekt<br />

nur kurz, jedoch immer wieder. Sie bewegen<br />

ihren Blick schnell von einem Merkmal eines Objekts<br />

zu einem anderen oder von Objekt zu Objekt.<br />

Interessanterweise fand Colombo ( 1995 ),<br />

dass Babys, die in früher Kindheit bereits „ Kurzgucker“<br />

waren, besser in der Lage sind, Informationen<br />

zu verarbeiten und folglich zu lernen.<br />

Babys, die weiterhin „ Langgucker“ bleiben, sind<br />

weniger kompetent in der Informationsverarbeitung.<br />

Zwei weitere Fähigkeiten, die Babys bei ihrer<br />

Wahrnehmung der Welt unterstützen, sind zum<br />

einen die Fähigkeit, ein bewegtes Objekt mit den<br />

Augen zu verfolgen, zum anderen die Fähigkeit,<br />

alle Merkmale eines Objektes zu betrachten, um<br />

so ein komplettes Bild zu erhalten.<br />

Nach Aslin, 1987 machen bereits neugeborene<br />

Babys Versuche, ihre Köpfe zu bewegen und ihre<br />

Augenbewegungen anzupassen, um interessante<br />

Dinge in ihrem Blickfeld zu behalten. Ihre<br />

Bemühungen sind ineffizient und nur wenig kontrolliert.<br />

Sie müssen den gesamten Kopf drehen<br />

und in kurzen Abständen neu fokussieren, wenn<br />

sich ein Objekt vor ihnen bewegt. Sie folgen den<br />

bewegten Objekten nur von einer Seite zur an-


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CURRICULUM - TRANSITION - Ausbildung zum/r Übergangsbegleiter/in für frühkindliche Bildungsprozesse - Socrates <strong>Grundtvig</strong> 1.1 Projekt<br />

II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

deren innerhalb ihres Blickfeldes. Nur selten blicken<br />

sie nach oben oder unten. Diese Fähigkeit<br />

wird innerhalb der ersten sechs Lebensmonate<br />

schnell flüssiger und genauer (Bronson, 1990).<br />

Wenn Erwachsene in einem Museum ein ungewöhnliches<br />

Gemälde oder eine Skulptur betrachten,<br />

so tasten sie mit den Augen schnell<br />

seine visuellen Details ab und bekommen somit<br />

einen Eindruck von dem Gemälde als Ganzes.<br />

Neugeborene können das noch nicht. Stattdessen<br />

blicken sie nur auf ein Merkmal eines Stimulus.<br />

Beispielsweise blicken sie nur auf eine Ecke<br />

eines Dreiecks oder auf ein Ohr eines Teddybärs.<br />

Innerhalb von drei Monaten werden die Babys<br />

sehr viel kompetenter beim visuellen Abtasten<br />

eines ganzen Objektes (Bronson, 1994). Sie blicken<br />

schnell von einem Merkmal zum nächsten<br />

bis sie das gesamte Objekt abgetastet haben.<br />

Hieran ist leicht zu verstehen, dass ein „ Kurzgucker“<br />

besser in der Lage ist, ein gesamtes Objekt<br />

abzutasten. „ Langgucker“ können unter Umständen<br />

noch über einen großen Zeitraum hinweg<br />

dabei bleiben, nur ein Merkmal zu<br />

betrachten (Rose et al., 1999).<br />

Eine weitere visuelle Fähigkeit von Kindern ist die<br />

Tiefenwahrnehmung. Gibson und Walk (1960)<br />

entdeckten, dass Babys, die jünger sind als sechs<br />

Monate auch dann nicht über einen visuellen Abgrund<br />

hinauskriechen, wenn sie von ihren Müttern<br />

dazu ermuntert werden (der Abgrund<br />

bestand in diesem Fall aus einer durchsichtigen<br />

Plastikoberfläche, die nur den Eindruck eines Abgrundes<br />

vermittelte). Dies zeigt, dass Babys bereits<br />

sehr früh in der Lage sind, Tiefe<br />

wahrzunehmen. In einer weiterführenden Studie<br />

mit zehn und zwölf Monate alten Kindern fanden<br />

McKenzie et al. (1993), dass diese ein ziemlich<br />

differenziertes Entfernungsempfinden – eine<br />

Form der Tiefenwahrnehmung – haben. So griffen<br />

die Babies häufiger zu Objekten, die nah bei<br />

ihnen waren, als zu Objekten in größerer Entfernung.<br />

Bower (1975) fand, dass selbst Neugeborene,<br />

bereits ihre Augen weiter öffen, ihren Kopf<br />

nach hinten strecken und ihre Hände ausstrecken,<br />

wenn sie sehen, dass sich Objekte auf sie<br />

zu bewegen.<br />

Bertenthal & Campos (1990) fanden, dass Erfahrung<br />

bei der Fortbewegung zur Fähigkeit, Tiefe<br />

und Entfernung wahrzunehmen beiträgt. Ein<br />

Baby, das die Möglichkeit hat, sich uneinge-<br />

schränkt in seiner Umgebung zu bewegen,<br />

macht beispielsweise zahlreiche praktische Erfahrungen<br />

im Umgang mit Höhe: beim Sturz<br />

vom Sofa oder wenn es den Keks, der auf dem<br />

Tisch liegt nicht erreicht. Ein Baby das häufig in<br />

einem Laufgitter oder Gitterbett untergebracht<br />

wird, wird möglicherweise nicht so schnell visualisieren<br />

können oder die Konzepte von Entfernung<br />

und Tiefe verstehen können.<br />

Ab der 24. Schwangerschaftswoche beginnt der<br />

Fötus auf Geräusche zu reagieren, wenn auch<br />

das Hören noch begrenzt ist, da sich Teile des Systems<br />

noch entwickeln müssen. Es werden vorwiegend<br />

Töne einer niedrigen Frequenz gehört,<br />

da die Töne, die den Fötus erreichen zunächst<br />

Flüssigkeit passiert haben. Die Stimme der Mutter<br />

ist das am einprägsamsten und am häufigsten<br />

gehörte Geräusch ( Abrams et al., 1995). Es<br />

konnte gezeigt werden, dass der Herzschlag der<br />

Babys schneller wird als Reaktion auf Geräusche,<br />

so dass angenommen wird, dass Geräusche bereits<br />

gehört werden auch wenn es schwierig ist<br />

festzustellen, was der Fötus hört. Neugeborene<br />

Babys ziehen eine gefilterte Aufnahme der mütterlichen<br />

Stimme eine ungefilterten Aufnahme<br />

vor, so dass man annimmt, dass das Baby die<br />

Stimme der Mutter im Uterus wiedererkennt, wo<br />

die Geräusche gefiltert werden ( Spence & Freeman,<br />

1996). Sansavini et al. ( 1997 ) fanden,<br />

dass bestimmte Geräusche wie z.B. Singen oder<br />

Herzschlag Babys beruhigt wohingegen sie durch<br />

andere, plötzliche oder hohe Töne aufgeregt<br />

werden.<br />

Neugeborene neigen dazu ebenfalls anzufangen<br />

zu schreien, wenn sie ein anderes Kind schreien<br />

hören (Sagi & Hoffmann, 1976). Dies lässt darauf<br />

schließen, dass die Eigenschaft, menschliches<br />

Schreien und sich darüber aufzuregen, dem<br />

Menschen angeboren ist. Beispielsweise werden<br />

Eltern eher auf das Schreien ihres eigenen Babys<br />

reagieren, da sie dazu prädisponiert sind, von diesem<br />

Schreien angesprochen zu werden.<br />

Glenn et al. (1981) konnten zeigen, dass Babys<br />

bestimmten Geräuschen mehr Aufmerksamkeit<br />

widmen. Beispielsweise ziehen sie Singen und<br />

weibliche Stimmen anderen Geräuschen vor. Besonders<br />

aufmerksam lauschen sie der Stimme der<br />

eigenen Mutter (DeCasper & Spence, 1991).<br />

Babys im Alter von zwei Tagen können bereits<br />

II. Themen 87


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CURRICULUM - TRANSITION - Ausbildung zum/r Übergangsbegleiter/in für frühkindliche Bildungsprozesse - Socrates <strong>Grundtvig</strong> 1.1 Projekt<br />

II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

zwischen einem Gespräch zwischen Erwachsenem<br />

und Kind, das durch eine übertriebene und<br />

hohe Intonation gekennzeichnet ist, und einem<br />

Gespräch unter Erwachsenen unterscheiden<br />

(Cooper & Aslin, 1990). Bereits fünf Monate alte<br />

Säuglinge können zwischen den Intonationen,<br />

die Anerkennung und Missbilligung ausdrücken<br />

unterscheiden, selbst wenn sie in unterschiedlichen<br />

Sprachen geäußert werden (Fernald, 1993).<br />

Nach Lewkowicz (1996) und Pickens (1994) erlangen<br />

Säuglinge bereits im Alter von fünf Monaten<br />

die Fähigkeiten, die Richtung aus der<br />

Geräusche kommen zu lokalisieren, nach ihrer<br />

Quelle zu suchen und diese ausfindig zu machen<br />

und selektiv auf ein Geräusch zu hören und ein<br />

anderes zu unterdrücken. Bezüglich dieser Fähigkeiten<br />

konnten kulturelle Unterschiede festgestellt<br />

werden. Diese scheinen teilweise auf<br />

genetische, teilweise auf Erfahrungen in der Familie<br />

oder der Gesellschaft zurückgeführt werden.<br />

Das Gleichgewichtssystem liegt im knöchernen<br />

Labyrinth des Schädels und ist dem Hörsystem<br />

angegschlossen. Es besteht aus drei Strukturen<br />

des Innenohres: den Bogengängen, dem Sacculus<br />

und dem Utriculus. Die Bogengänge registrieren<br />

die Geschwindigkeit, Kraft und Richturng<br />

einer Kopfbewegung (beispielsweise bei der<br />

Kopfdrehung oder dem Schaukeln). Sacculus und<br />

Utriculus hingegen reagieren auf die Schwerkraft<br />

und lineare Bewegungen.<br />

Informationen des Gleichgewichtssystems tragen<br />

bei zu:<br />

î - Regulation des Muskeltonus und der Koordination<br />

î - Balance und Gleichgewicht<br />

î - okulomotorischer Kontrolle (z.B. Kontrolle<br />

der Augenbewegungen, um während einer<br />

Bewegung ein stabiles Gesichtsfeld aufrecht<br />

zu erhalten).<br />

î - Erregungszustand (z.B. Aufrechterhalten<br />

und Wechseln zwischen Wachheitszuständen<br />

und Schlaf).<br />

î - Aufmerksamkeitslevel (z.B. gezieltes Richten<br />

und Aufrechterhalten des Aufmerksamkeitsfokusses)<br />

î - emotionaler Zustand.<br />

II. Themen<br />

Bei Babys, die am Termin geboren werden, ist das<br />

Gleichgewichtssystem bereits relativ ausgereift.<br />

Wie die Liste der Funktionen vermuten lässt, hat<br />

dieses System bedeutende Auswirkungen auf die<br />

Erfahrungen von Kindern, Krabbelkindern und ,<br />

natürlich, von uns allen .Eltern und Betreuungspersonen<br />

lernen schnell, dass sanftes, rhythmisches<br />

Wiegen ein Baby beruhigt, und dass<br />

schnelle, arrhythmische Bewegungen das Aktivitätsniveau<br />

erhöhen.<br />

Betrachten wir einmal einen Vater bei wildem<br />

Spiel mit seiner 9 Monate alten Tochter. Er sitzt<br />

auf dem Sofa und lässt sie energisch auf seinem<br />

Schoß springen. Sie quietscht vor Freude (hohes<br />

Erregungsniveau), schaut ihn intensiv an (erhöhte<br />

Aufmerksamkeit) und kichert vor Vergnügen (positiver<br />

emotionaler Affekt). Ihre Muskeln spannen<br />

sich an (erhöhter Muskeltonus) und sie versucht<br />

beim Sitzen aktiv die Balance zu halten (Gleichgewichtsreaktionen).<br />

Ihr visuelles und ihr Gleichgewichtssystem<br />

arbeiten zusammen um das Kind<br />

unbewusst darüber zu informieren, ob sie sich<br />

bewegt, ob ihr Vater sich bewegt oder ob sie sich<br />

zusammen bewegen. Noch mehr wird das<br />

Gleichgewichtssystem aktiviert, wenn ihr Vater<br />

beginnt, das Kind in die Luft zu werfen. Ihre Antwort<br />

ist eine generelle Zunahme der Erregbarkeit.<br />

Bevor sie in einen Zustand der sensorischen Übererregung<br />

gerät, wiegt der Vater sie langsam und<br />

rhythmisch in seinen Armen. Dieser vestibuläre<br />

Input hat , im Gegensatz zu dem vorangegangenen<br />

wilden Spiel, einen beruhigenden Effekt auf<br />

den Erregungszustand und die emotionale Befindlichkeit<br />

seiner Tochter. Sie beginnt sich zu<br />

entspannen, wird etwas schläfrig und fühlt sich


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CURRICULUM - TRANSITION - Ausbildung zum/r Übergangsbegleiter/in für frühkindliche Bildungsprozesse - Socrates <strong>Grundtvig</strong> 1.1 Projekt<br />

II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

behaglich. Ihre physische Anspannung und der<br />

Muskeltonus entspannen sich. In kurzer Folge<br />

kam sie durch den Einfluss unterschiedlicher vestibulärer<br />

Inputs im Rahmen eines Spiels von<br />

einem aktiven Zustand der Aufmerksamkeit zu<br />

einem Zustand ruhiger Aufmerksamkeit oder<br />

Schläfrigkeit.<br />

Williamson, G.G. & Anzalone, M.E, (2001). Sensory<br />

integration and Self-Regulation in Infants<br />

and Toodlers. Washington, DC: ZERO TO THREE:<br />

National center for Infants, Toddlers and Families.<br />

Unter den verschiedenen Sinnessystemen entwickeln<br />

sich der Geruchs- und der Geschmackssinn<br />

sehr früh. Bereits intrauterin erlangt der Fötus die<br />

Fähigkeit zwischen verschiedenen Geschmäckern<br />

und Gerüchen zu unterscheiden (Bradley, R.M.,<br />

1972). Neugeborenen können zwischen fünf Geschmacksrichtungen<br />

unterscheiden: sauer, bitter,<br />

salzig, süß und neutral (Rosenstein & Oster,<br />

1988; Smith, B.A. & Blass, 1996). Sie haben klare<br />

Geschmackspräferenzen. So saugen sie an einer<br />

süßen Flüssigkeit kontinuierlicher und langsamer<br />

als an salzigen Lösungen. Diese werden in kleinen<br />

Schlucken und nur über eine kurze Zeitspanne<br />

getrunken (Blass & Ciaramitaro, 1994;<br />

Crook, 1987).<br />

Neugeborene können zwischen angenehmen<br />

und unangenehmen Gerüchen unterscheiden<br />

(Steiner, 1979). Ebenso sind sie in der Lage zu<br />

identifizieren, woher ein Geruch kommt. Kommt<br />

ein unangenehmer Geruch aus einer Richtung,<br />

so drehen sie schnell ihren Kopf in die andere<br />

Richtung (Reiser et al., 1976).<br />

Geschmackssinn und Geruchssinn sind entscheidend<br />

für das Überleben des Neugeborenen. Dadurch<br />

das das Kind süße, nicht salzige Lösungen<br />

bevorzugt wird das frühe Füttern erleichtert. In<br />

einer Reihe von Studien konnte gezeigt werden,<br />

dass das Füttern des Säuglings auch geruchsgeleitet<br />

ist. Babys im Alter von einigen Tagen bevorzugen<br />

den Geruch von Stilleinlagen der<br />

eigenen Mutter gegenüber dem Geruch von<br />

nicht verwandten stillenden Frauen (Porter et al.,<br />

1992; Schaal, 1986). Die Autoren kommen zu<br />

dem Schluß, dass der Geruch die Babys anzieht<br />

und ihnen bei der Suche nach der Brust hilft.<br />

Diese Geruchspräferenzen existieren nicht bei<br />

Babys, die mit der Flasche gefüttert werden. Das<br />

lässt annehmen, dass diese Präferenzen auf frühe<br />

Erfahrungen mit dem mütterlichen Geruch zurückzuführen<br />

sind (Balogh & Porter, 1989). Auch<br />

hier handelt es sich um eine komplexe Interaktion<br />

zwischen Vererbung und Erfahung.<br />

Die unterschiedlichen Rezeptoren des taktilen<br />

Systems liegen innerhalb der verschiedenen<br />

Hautschichten. Die Haut ist das größte Sinnesorgan<br />

des Körpers. Sie bedeckt die gesamte Körperoberfläche.<br />

Intrauterin entwickelt sich das<br />

taktile System als erste Sinnesmodalität, bei Geburt<br />

ist diese die bereits am weitesten entwickelte<br />

(Kandel, Schwartz & Jessell, 2000; Royeen<br />

& Lane, 1991). Viele der primitiven aber wichtigen<br />

Annäherungs- oder Vermeidungsreflexe der<br />

Neugeborenen (z.B. kuscheln, ablösen) werden<br />

durch taktile Stimuli hervorgerufen.<br />

Das taktile System hat zwei große Aufgaben:<br />

Schutz und Diskriminierung. Die Schutzfunktion<br />

spielt eine wichtige Rolle beim Überleben und genereller<br />

taktiler Wahrnehmung der Umwelt. Es<br />

wird durch viele unterschiedliche Stimuli angesprochen,<br />

wie beispielsweise Veränderungen der<br />

Hauttemperatur oder sanfter Berührungen. Die<br />

Schutzkomponente des taktilen Systems dient<br />

einer primitiven Funktion, ist jedoch lebenswichtig.<br />

Die größte Aktivität zeigt sie in der Neugeborenenperiode,<br />

und in Zeiten größter<br />

Anspannung und Gefahr. Die Schutzkomponente<br />

des taktilen Systems hängt reziprok mit<br />

dem Erregungszustand und der Berührungsempfindlichkeit<br />

einer Person zusammen. Beispielsweise<br />

kann ein übermüdetes und gereiztes Kind<br />

eine sanfte Berührung als Bedrohung interpretie-<br />

II. Themen 89


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CURRICULUM - TRANSITION - Ausbildung zum/r Übergangsbegleiter/in für frühkindliche Bildungsprozesse - Socrates <strong>Grundtvig</strong> 1.1 Projekt<br />

II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

ren. Ist das Kind hingegen ausgeruht und aufmerksam,<br />

kann die gleiche Berührung als Ausdruck<br />

der Zuneigung oder Verspieltheit<br />

empfunden werden. Eine der wichtigsten Funktionen<br />

der Schutzkomponente ist ihr Beitrag zur<br />

Bindungsentwicklung zwischen Eltern und Kindern<br />

(Stern, 1985). Wenn eine Mutter beispielsweise<br />

ihr Baby beim Spielen oder Füttern berührt<br />

und anfasst, wird sich ihr Kind der Berührung zuwenden<br />

und sie normalerweise als angenehm<br />

empfinden. Hierdurch finden Kind und Mutter<br />

gemeinsam in ein gleichmäßiges und synchrones<br />

Geben und Nehmen. Berührung stellt die Basis<br />

eines positiven emotionalen Klimas dar. Wohingegen<br />

wir in Zeiten von Bedrohung oder Stress<br />

Berührung besonders intensiv wahrnehmen. Beispielsweise<br />

kann eine Berührung in einem überfüllten<br />

Bus am Ende eines stressreichen Tages<br />

besonders unangenehm empfunden werden.<br />

Dieses Konzept der Orientierung hin zu positiver<br />

Berührung und der Abwendung von schmerzhafter<br />

oder verwirrender Berührung stimmt mit<br />

den Ergebnissen von Als (1989) überein. Als<br />

(1989) beobachtete, dass Frühgeborene bereits<br />

deutlich zwischen positiver Berührung (Erkennbar<br />

an der Hinwendung z.B. beim Wickeln oder<br />

Füttern) und dem Vermeiden negativer Berührung<br />

(Erkennbar am Abwenden z.B. bei medizinischen<br />

Prozeduren) unterscheiden.<br />

Eine weitere wichtige Funktion des taktilen Systems<br />

ist die Diskriminierung. Die diskriminierende<br />

Komponente des taktilen Systems entwickelt sich<br />

über die Zeit. Das Kind muss hierzu verschiedenartige<br />

Oberflächen, Konturen und Figuren durch<br />

Berührung erforschen. Wir lernen Diskriminierung<br />

durch die Integration starken Drucks, leichter<br />

Berührung, koordinierter Bewegung und<br />

genauer Lokalisierung der Berührung. Die Fingerspitzen<br />

besitzen die höchste Dichte an diskriminativen<br />

Rezeptoren am menschlichen Körper.<br />

Folglich drücken und bewegen wir ein unbekanntes<br />

Objekt in unserer Hand, um hierdurch<br />

die Diskriminierung zu verbessern und etwas<br />

über die Oberfläche, Form oder Dichte des Objektes<br />

zu erfahren. Die Fähigkeit zur Diskriminierung<br />

ist wichtig um mit unterschiedlichsten<br />

Objekten umzugehen, und sie in adäquater<br />

Weise einzusetzen.<br />

Selbstverständlich sind die Diskriminierung und<br />

Schutzfunktion des taktilen Systems nicht vollständig<br />

voneinander zu trennen. Einige der tak-<br />

II. Themen<br />

tilen Rezeptoren dienen sowohl dem Schutz, als<br />

auch der Diskriminierung. Beispielsweise kann<br />

eine sanfte Berührung Erregung fördern (Schutzantwort)<br />

oder spezifische Informationen über<br />

Oberflächenstruktur einer Feder liefern (diskriminative<br />

Antwort). Dieses Zusammenspiel kann bei<br />

Kindern, die Berührung als unangenehm empfinden<br />

(hier überwiegt die Schutzfunktion des<br />

taktilen Systems) dazu führen, dass ihre Möglichkeiten,<br />

diskriminative Fähigkeiten zu erlangen<br />

durch vermindertes taktiles Explorationsverhalten,<br />

limitiert werden (Williamson & Anzalone,<br />

2001).<br />

Kandel, E.R., Schwartz, J.H. & Jessell, T.M. (2000).<br />

Principles of Neural Science (4th Ed). New Yoek:<br />

McGraw-Hill.<br />

Royeen, C.B. & Lane, S.J. (1991). Tactile processing<br />

and sensory defensiveness. In Fisher, A.G.,<br />

Murray, E.A. & Bundy, A.C. (Eds.), Sensory integration:<br />

Theory and practice (pp. 108-131). Philadelphia:<br />

F.A. Davis Co.<br />

Stern, D.N. (1985). The interpersonal world of<br />

the infant. New York: Basic Books.<br />

Als, H. (1989). Self-regualtion and motor development<br />

in preterm infants. In Lockman, J. &<br />

Hazen, N. (Eds) Action in social context: Perspectives<br />

on early development (pp. 65-97). New<br />

York: Plenum Press.<br />

Williamson, G.G. & Anzalone, M.E, (2001). Sensory<br />

integration and Self-Regulation in Infants<br />

and Toodlers. Washington, DC: ZERO TO THREE:<br />

National center for Infants, Toddlers and Families.<br />

Die Rezeptoren des propriozeptiven Systems liegen<br />

in den Muskeln, Sehnen und Gelenken und<br />

geben Informationen über Bewegung oder die<br />

Stellung des Körpers im Raum. Vereinfacht gesagt<br />

ist Propriozeption der Stellungssinn - ein<br />

kontinuierliches, inneres Bewusstsein über die<br />

Stellung des Körpers. Sitzen wir beispielsweise<br />

auf einem Stuhl, so wissen wir ohne zu gucken,<br />

ob wir zu einer Seite gelehnt oder mittig sitzen,<br />

ob unsere Beine übereinander geschlagen sind,<br />

ob wir uns nach vorne legen oder aufrecht halten,<br />

und ob unser Kopf geneigt ist. Propriozeption<br />

ist auch ein Bewegungssinn - wir sind uns zu<br />

jedem Zeitpunkt bewusst, wann ein Teil unseres


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II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

Körpers in Bewegung ist und wo er sich befindet.<br />

Insbesondere erhalten wir über die Propriozeption<br />

Informationen über:<br />

î - die Orientierung des Körpers im Raum und<br />

die Beziehung der Körperteile zueinander.<br />

î - das Maß und die zeitliche Koordinierung<br />

von Bewegungen.<br />

î - die eingesetzte Muskelkraft.<br />

î - wie viel und wie schnell sich ein Muskel<br />

verlängert oder verkürzt.<br />

î - die Veränderungen der Winkel an jedem<br />

Gelenk, wenn wir uns bewegen.<br />

Darüber hinaus erhalten wir über die Propriozeption<br />

auch Informationen über die Position<br />

und Bewegungen unserer inneren Organe. Pacinische<br />

Körperchen beispielsweise<br />

sind Rezeptoren<br />

des propriozeptiven Systems<br />

in der Magenschleimhaut.<br />

Werden diese<br />

gedehnt, wenn Speise in<br />

den Magen kommt, so senden<br />

sie Signale zum Nervensystem,<br />

die uns ein<br />

Gefühl der Sättigung melden.<br />

Propriozeption trägt<br />

bei zur Entwicklung eines<br />

Körperschemas - dem internen<br />

Bewusstsein der Körperteile,<br />

in welcher<br />

Beziehung sie zu dem Gesamten<br />

stehen und wie sie sich durch den Raum<br />

bewegen. Propriozeption ist auch zentraler Bestandteil<br />

der motorischen Kontrolle, da sie eine<br />

herausragende Rolle bei der Antizipation und Planung<br />

von Bewegungen spielt. Auch reguliert sie,<br />

wie wir sensorisches Feedback während und<br />

nach einer Bewegung nutzen, um die Genauigkeit<br />

unserer Handlungen zu verbessern und motorische<br />

Fähigkeiten zu entwickeln. Denken wir<br />

beispielsweise an das Hochheben eines Koffers.<br />

Wenn wir glauben, der Koffer ist leer, werden wir<br />

bei der Bewegungsplanung das propriozeptive<br />

Feedback früherer Erfahrungen beim Hochheben<br />

leerer Koffer verwenden. Wir werden eine ausreichende<br />

Anzahl an motorischen Einheiten "rekrutieren",<br />

die uns genug Kraft geben, um einen<br />

leichten Koffer anzuheben. Ist der Koffer tatsächlich<br />

leer, so gelingt unsere geplante Bewe-<br />

gung. Ist der Koffer jedoch voll, war das zur Planung<br />

benutzte propriozeptive Feedback inadäquat,<br />

so wird der Versuch den Koffer anzuheben<br />

scheitern. Diese nicht erfolgreiche Bewegung<br />

muss dann anhand von propriozeptivem und visuellem<br />

Feedback modifiziert werden (Williamson,<br />

G.G. & Anzalone, M.E, (2001)).<br />

Jede Sinnesmodalität - diejenigen, die in Verbindung<br />

zur äußeren Welt stehen und die somatosensorischen<br />

Sinnesmodalitäten - haben<br />

einzigartige Eigenschaften und dienen wichtigen<br />

Funktionen. Während es nützlich ist, jede Sinnesmodalität<br />

einzeln zu besprechen, erfahren wir<br />

unimodale Sinneswahrnehmungen im täglichen<br />

Leben nur selten. Vielmehr begreifen wir durch<br />

die Konvergenz (oder die Integration) der Wahrnehmungen<br />

unterschiedlicher Sinnesmodalitäten<br />

die Bedeutung von Dingen in der Welt und lernen<br />

mit den Anforderungen, die die Umwelt an<br />

uns stellt umzugehen (Lewkowicz & Lickliter,<br />

1994). Die Vorstellung der Konvergenz ist zentraler<br />

Bestandteil der Theorie der Sensorischen Integration<br />

und der daraus abgeleiteten<br />

Interventionsmöglichkeiten. Diese Theorie geht<br />

davon aus, dass der Vorteil der gegenseitigen Beeinflussung<br />

unterschiedlicher Sinnessysteme<br />

dazu genutzt werden kann, Kindern, die bei der<br />

Modulation oder Diskriminierung in irgendeinem<br />

Sinneskanal Schwierigkeiten haben, zu helfen<br />

(Williamson, G.G. & Anzalone, M.E, (2001)).<br />

II. Themen 91


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CURRICULUM - TRANSITION - Ausbildung zum/r Übergangsbegleiter/in für frühkindliche Bildungsprozesse - Socrates <strong>Grundtvig</strong> 1.1 Projekt<br />

II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

Williamson, G.G. & Anzalone, M.E, (2001). Sensory<br />

integration and Self-Regulation in Infants<br />

and Toodlers. Washington, DC: ZERO TO THREE:<br />

National center for Infants, Toddlers and Families.<br />

Lewkowicz, D.J. & Lickliter, R. (1994). The development<br />

of intersensory perception: Comparative<br />

perspectives. Hillsdale, N.J.: Erlbaum.<br />

5.3 Motorische Entwicklung<br />

Die motorische Entwicklung beginnt bereits vor<br />

der Geburt. Ab der achten Schwangerschaftswoche<br />

beginnt sich das ungeborene Kind im Mikrokosmos<br />

der flüssigkeitsgefüllten Fruchtblase<br />

zu bewegen. Schon hier lernt es all die Bewegungen<br />

und Funktionen des Körpers, die nach<br />

der Geburt sein Überleben sichern. In der 13.<br />

Schwangerschaftswoche kann es die Hand zum<br />

Mund führen, an ihr saugen, Atembewegungen<br />

machen und Fruchtwasser schlucken. Während<br />

das Kind in den ersten Monaten im Mutterleib<br />

noch über viel Raum zum Strampeln verfügt,<br />

wird die Bewegungsfreiheit mit zunehmendem<br />

Wachstum immer mehr eingeschränkt. Ab dem<br />

5. Schwangerschaftsmonat kann die Mutter<br />

daher Bewegungen des Fötus wahrnehmen, im<br />

weiteren Verlauf der Schwangerschaft werden<br />

diese zunehmend intensiver. Die Geburt beendet<br />

die engen Raumverhältnisse, jedoch wird es dadurch<br />

für das Kind nicht unbedingt leichter. Jetzt<br />

muss es sich mit der Erdanziehungskraft auseinander<br />

setzen. Auch verfügt das Neugeborene<br />

über verschiedene Reflexe, von denen beispielsweise<br />

einige für das Überleben des Neugeborenen<br />

notwendig sind (hierzu zählen z.B. der<br />

Saugreflex, der Inspirationsreflex und der<br />

Schluckreflex). Insgesamt gelingt diese Anpassung<br />

spielerisch, durch ständiges Probieren und<br />

mit der Zeit immer bewusster.<br />

In der frühen Kindheit entwickeln sich - nach Abschluss<br />

der notwendigen Reifung des Nervenund<br />

Muskelsystems - die elementaren motorischen<br />

Fertigkeiten. Diese umfassen Sitzen, Krabbeln,<br />

Stehen und Laufen, aber auch das Greifen<br />

(Krombholz, 1999). Diese elementaren Grundfertigkeiten<br />

sind bei allen Kindern zu beobachten,<br />

wobei jedoch erhebliche interindividuelle<br />

Unterschiede im Zeitpunkt des Auftretens und in<br />

der gezeigten Qualität der Bewegungen bestehen.<br />

Die motorische Entwicklung folgt überwiegend<br />

inneren Gesetzmäßigkeiten und braucht<br />

II. Themen<br />

kein Vorbild. Aus diesem Grund sind Altersangaben<br />

für das Auftreten dieser motorischen Fähigkeiten<br />

nicht unproblematisch. Die Reihenfolge,<br />

in der die elementaren Grundfertigkeiten normalerweise<br />

auftreten, ist hierbei normalerweise<br />

gleich, jedoch variiert die Geschwindigkeit, in der<br />

die einzelnen Entwicklungsschritte stattfinden,<br />

erheblich. Auch können einzelne Entwicklungsschritte<br />

übersprungen werden (beispielsweise<br />

krabbeln einige Kinder angeblich nie). Das Entwicklungstempo<br />

der motorischen Fähigkeiten<br />

muss nicht mit dem auf anderen Gebieten gekoppelt<br />

sein. Beispielsweise verfügen motorisch<br />

bedächtigere Kinder oft bereits schon über einen<br />

erstaunlichen Wortschatz, während sich andere<br />

vorerst ganz auf das Laufen lernen konzentrieren<br />

und nur wenig Aufmerksamkeit für ihren aktiven<br />

Wortschatz übrig haben.<br />

Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Entwicklung<br />

der elementaren motorischen Fähigkeiten<br />

populations- und zeitabhängig abläuft.<br />

Beispielsweise zeigen afrikanische Kinder gegenüber<br />

europäischen und nordamerikanischen Kindern<br />

einen Entwicklungsvorsprung.<br />

Im Vorschulalter erfolgt eine zunehmende Vervollkommnung<br />

der elementaren motorischen<br />

Fertigkeiten. Zugleich werden diese Fertigkeiten<br />

modifiziert und neue entwickelt. Die Fähigkeit<br />

zur selbständigen Fortbewegung verbessert sich<br />

rasch, die Bewegungen werden sicherer und geschmeidiger.<br />

Im weiteren Verlauf der Entwicklung<br />

zeigen sich die Grundformen sportlicher Motorik,<br />

wie Laufen oder Rennen, Klettern, Springen,<br />

Balancieren, Fangen und Werfen. Auch die sport-


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CURRICULUM - TRANSITION - Ausbildung zum/r Übergangsbegleiter/in für frühkindliche Bildungsprozesse - Socrates <strong>Grundtvig</strong> 1.1 Projekt<br />

II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

lichen Grundformen werden weiter verfeinert,<br />

werden sicherer und flüssiger. Schließlich treten<br />

zu den Grundformen neue spezifische Fertigkeiten,<br />

wie Rollschuh laufen, Turn- und Geschicklichkeitsübungen,<br />

Schwimmen und Rad fahren<br />

hinzu (Krombholz, 1985).<br />

Kromholz, H.: Motorik im Vorschulalter. Ein<br />

Überblick. In: Motorik, 1985, 8, 83.96.<br />

Kromholz, H.: Körperliche, sensorische und motorische<br />

Entwicklung im 1. und 2. Lebensjahr. In:<br />

Deutscher Familienverband (Hrsg): Handbuch Elternbildung.<br />

Band1: Wenn aus Partnern Eltern<br />

werden. Opladen: Leske und Budrich, 1999, S.<br />

533-557.<br />

Meilensteine der motorischen Entwicklung:<br />

î 1-3 Monate :<br />

Das Kind reagiert auf Stimmen / Namen<br />

î 1-4 Monate :<br />

Das Kind lächelt andere Menschen an<br />

î 2-6 Monate :<br />

Das Kind kann seinen Kopf selbstständig<br />

halten<br />

î 5-10 Monate :<br />

Der kleine "Zwerg" sitzt jetzt meist ohne<br />

Hilfe<br />

î 9-14 Monate :<br />

Stehen will gelernt sein und gelingt ohne<br />

Fremdhilfe (wohl aber mit Festhalten)<br />

î 10-20 Monate:<br />

Laufen gelingt jetzt<br />

î 16-30 Monate:<br />

Sprechen von kurzen Sätzen (2-3 Wörter)<br />

î 2-3 Jahre :<br />

Selbstständiges Essen und Trinken<br />

î 2-3 Jahre :<br />

Kann seinen eigenen Namen nennen<br />

î 3-4 Jahre :<br />

Selbstständige Toilettenbenutzung ("trocken")<br />

6. Geistige Entwicklung<br />

6.1 Lernen<br />

Aus den Aktionen anderer zu lernen bietet sich<br />

an. Handlungen zu imitieren bedeutet einen weiteren<br />

Erfahrungsschritt nach vorn. Etwa ab dem<br />

7. bis 8. Lebensmonat beobachten Kinder intensiv<br />

die Tätigkeiten Erwachsener und versuchen es<br />

ihnen gleichzutun. Sie wissen bereits, was sie erreichen<br />

möchten und wie sie dabei vorgehen<br />

werden. Dies bezeichnet man als handlungsvorbereitende<br />

Vorstellungskraft (Imagination). Beispielsweise<br />

folgen die Augen des Kindes zuerst<br />

den mütterlichen Tätigkeiten. Bald darauf eilen<br />

die Augen des Kindes den mütterlichen Handlungen<br />

voraus. Das Kind ahnt also schon wie der<br />

nächste Schritt der Mutter aussehen wird. Manche<br />

Kinder „ durchlaufen“ den Gesamtvorgang<br />

nochmals allein mit den Augen, bevor sie dann<br />

die Handlung selbst ausführen. Bei komplizierten<br />

Abläufen kann die Mutter das Kind unterstützen,<br />

indem sie ihre Tätigkeiten benennt und kommentiert.<br />

Dieses Anlernen des Kindes ohne es sofort<br />

zum Aktiv werden und Mitmachen<br />

aufzufordern nennt man scaffolding ( Gerüst<br />

bauen). Traut sich das Kind eine Tätigkeit selber<br />

zu , ist ein nächster Entwicklungsschritt getan.<br />

Bereits 6 bis 7 Monate alte Säuglinge bringen<br />

Ordnung in die Vielzahl ihrer Eindrücke, indem<br />

sie sich beispielsweise an Dinge erinnern und<br />

deren Eigenschaften vergleichen. Mit raffinierten<br />

Experimenten konnte gezeigt werden, dass<br />

Babys Dinge anhand einzelnen Eigenschaften in<br />

Kategorien zusammenfassen und so Erfahrungen<br />

mit einem Gegenstand auf andere noch unbekannte<br />

Objekte übertragen können (Pauen,S.<br />

2003). In diesen Experimenten zeigte sich, dass<br />

II. Themen 93


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II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

beispielsweise zwischen den Kategorien „ belebt“<br />

und „unbelebt“ unterschieden wird.<br />

Vermutlich reagiert ein Kind auf Lebewesen interessierter<br />

und aufmerksamer als auf leblose Gegenstände<br />

aus evolutionären Gründen. Die<br />

Aufmerksamkeit für sich Bewegendes war schon<br />

früh in der Stammesgeschichte eine Anpassungsleistung<br />

von hohem Überlebenswert: Alles<br />

was sich bewegt kann für ein hilfloses Baby entweder<br />

Gefahr oder Fürsorge bedeuten. Man<br />

geht davon aus, dass angeborene Wahrnehmungsschemata<br />

die sicher Unterscheidbarkeit<br />

unterstützen. Bereits die Blicke neugeborener<br />

werden von allem, was sich bewegt, angezogen.<br />

Mit 3 bis 4 Monaten schauen Säuglinge dorthin,<br />

wo ein bewegliches Objekt gerade ruht und anschließend<br />

dorthin, wo es sich im nächsten Moment<br />

wahrscheinlich befinden wird. Sehen die<br />

Kinder, wie ein Tier und ein Ball nach dem Umeinanderrollen<br />

reglos in verschiedenen Ecken liegen,<br />

blicken die Babys gespannt auf das Tier, weil<br />

sie von ihm erwarten, dass es sich gleich wieder<br />

bewegen wird. Dies bedeutet, dass Kinder bereits<br />

in diesem Alter nicht nur die äußeren Eigenschaften<br />

sondern auch das typische<br />

Bewegungsverhalten von Lebewesen und unbelebten<br />

Gegenständen erfassen. Somit widerlegte<br />

die moderne Forschung die Vorstellung von Piaget,<br />

nach der Säuglinge nicht in der Lage sind<br />

Gegenstände von Lebewesen zu unterscheiden.<br />

Im Alter von 7 bis 9 Monaten können Kinder<br />

Tiere von Gegenständen unterscheiden, mit 9 bis<br />

11 Monaten Tiere von Menschen (Bensel und<br />

Haug-Schnabel, 2004).<br />

6.2 Kognition<br />

Jean Piaget prägte maßgeblich die kognitive Entwicklungspsychologie.<br />

Seine Lehre vom Konstruktivismus<br />

ist heute noch so aktuell wie zu<br />

seiner Zeit. Diese Lehre besagt, dass das Kind<br />

seine Welt, sein Denken und Wissen selbst konstruiert<br />

und sich dabei die Umwelt aktiv aneignet.<br />

Die moderne Säuglings – und<br />

Kindheitsforschung korrigierte und differenzierte<br />

jedoch einige seiner Entwicklungssvorstellungen.<br />

Beispielsweise ging Piaget davon aus, dass Aufgaben,<br />

die alle die gleiche logische Struktur<br />

haben, unabhängig davon, welchen Bereich sie<br />

betreffen, von Kindern einer bestimmten Entwicklungsstufe<br />

gleichermaßen gelöst werden<br />

können. Die Kinder entwickeln laut Piaget über-<br />

II. Themen<br />

greifende Hypothesen, die sie dann auf einzelne<br />

Aufgaben anwenden können. Dies ist jedoch<br />

nicht der Fall. Zwar erfordert das Lösen bestimmter<br />

Aufgaben aus verschiedenen Bereichen<br />

die gleiche Logik, die Kinder sind jedoch nicht in<br />

der Lage, dies zeitgleich für alle Bereiche zu generalisieren.<br />

Dieses hypothetisch-deduktive Denken<br />

wird überschätzt. Auch Erwachsene<br />

benutzen keineswegs immer diese Logik, wenn<br />

sie vor Problemen stehen.<br />

Piagets Theorie der bereichsübergreifenden, starren<br />

Entwicklungsstufen, die mit einem bestimmten<br />

Alter erreicht werden wurde durch die<br />

Theorie des bereichsspezifischen Wissenserwerbs<br />

abgelöst. In zahlreichen Experimenten konnte gezeigt<br />

werden, dass Kinder in den verschiedensten<br />

Entwicklungsbereichen bereits sehr früh über<br />

ein Teilwissen verfügen, das es ihnen bereits sehr<br />

viel früher ermöglicht, bestimmte Aufgaben zu<br />

lösen, als dies nach Piaget möglich wäre. Es<br />

zeigte sich, dass einige Kompetenzen in verschiedenen<br />

Bereichen bereits angeboren sind<br />

und somit bereits dem Säugling zur Verfügung<br />

stehen. Beispielsweise betrachten Säuglinge<br />

einen Gegenstand länger, wenn ihnen so genannte<br />

unmögliche Ereignisse präsentiert werden.<br />

Unter unmöglichen Ereignissen versteht<br />

man hierbei Ereignisse, die dem intuitiven physikalischen<br />

Wissen des Säuglings widersprechen<br />

(z.B. Kenntnis der Schwerkraft: Dinge fallen nach<br />

unten). Die Experimente von Piaget wurden variiert<br />

und differenziert. Zudem bot man den Kindern<br />

die Möglichkeit, ihr bereichsspezifisches<br />

Wissen einzusetzen. Daraufhin mussten viele Altersangaben<br />

für bestimmte Leistungen, die Piaget<br />

aufgestellt hat, nach unten korrigiert werden.<br />

Dies soll im Folgenden anhand eines Beispiels verdeutlicht<br />

werden:<br />

Versuch zur Mengeninvarianz<br />

Füllen Sie zwei gleiche Gefäße A und B mit<br />

der gleichen Menge einer farbigen Flüssigkeit.<br />

Lassen Sie vier- bis fünfjährige Kinder konstatieren,<br />

daß in A und B gleich viel "Saft" sei.<br />

Sie gießen nun den Inhalt von B in ein schmaleres<br />

Gefäß B' (vgl. Abb. 11.2) und fragen das<br />

Kind, ob B' mehr, weniger oder gleich viel Saft<br />

enthalte wie A.


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II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

Die überwiegende Mehrzahl der Kinder wird<br />

behaupten, es sei nicht gleich viel. Viele werden<br />

sagen, es sei mehr Saft in B', weil das Niveau<br />

hier höher ist. Manche werden sagen, es<br />

sei weniger, weil das Gefäß schmaler ist. Die<br />

Flüssigkeitsmenge wird also nicht als invariant<br />

oder konstant bei Formveränderung gesehen.<br />

Nach Piagets Beobachtungen können erst sechsbis<br />

siebenjährige Kinder richtig antworten. Er<br />

ging davon aus, dass sich erst in diesem Alter die<br />

„Konstanz der Anzahl“ (Mengeninvarianz) als<br />

unabhängige Denkkategorie ausbildet. Nachfolgeexperimente<br />

zeigten jedoch, dass bereits<br />

vierjährige Vorschulkinder bei entsprechenden<br />

Flüssigkeitsvergleichen schnell stutzig werden.<br />

Haben sie die Möglichkeit, die Umschüttung in<br />

die verschiedenen Gläser selbst vorzunehmen, so<br />

kommen sie durch Nachdenken zur richtigen Lösung<br />

(Bensel, J. & Haug-Schnabel, G., 2004).<br />

Einige kognitive Fertigkeiten der Vorschuljahre:<br />

Ungefähres Alter: 2-4 Jahre<br />

Kognitive Fertigkeiten:<br />

Zeigt einen dramatischen Anstieg in repräsentierender<br />

Aktivität, wie es in der<br />

Sprachentwicklung, dem Als-ob-Spiel<br />

und der Kategorisierung gespiegelt wird.<br />

Nimmt in vereinfachten, vertrauten Situationen<br />

und in der Kommunikation<br />

von Angesicht zu Angesicht die Perspektive<br />

anderer ein.<br />

Unterscheidet belebte Wesen von unbelebten<br />

Gegenständen: leugnet, dass Zauberei<br />

die alltäglichen Erfahrungen verändern<br />

kann.<br />

Bemerkt Transformationen, nimmt Umkehrprozesse<br />

im Denken vor und erklärt<br />

Ereignisse im vertrauten Kontext auf eine<br />

logische Weise.<br />

Kategorisiert Gegenstände auf der<br />

Grundlage der gebräuchlichen Funktion<br />

und des Verhaltens (nicht nur nach wahrgenommenen<br />

Merkmalen) und entwickelt<br />

Ideen über zugrunde liegende<br />

Merkmale, die einzelne Einheiten (Begriffe)<br />

von Kategorien gemeinsam haben.<br />

Ordnet vertraute Gegenstände in hierarchisch<br />

organisierte Kategorien.<br />

Ungefähres Alter: 4 – 7 Jahre<br />

Kognitive Fertigkeiten:<br />

Er wird ihm zunehmend bewusst, dass<br />

Als-ob (und andere Denkprozesse) repräsentierende<br />

Aktivitäten sind.<br />

Ersetzt magische annahmen über Feen,<br />

Zwerge und Ereignisse, die die Erwartungen<br />

verletzen, mit plausiblen Erklärungen.<br />

Zeigt verbesserte Fähigkeiten, zwischen<br />

Erscheinen und Wirklichkeit zu unterscheiden.<br />

Bensel, J. Und Haug-Schnabel, G.: Vom Säugling<br />

zum Schulkind. Entwicklungspsychologische<br />

Grundlagen. Herder GmbH, 2004.<br />

6.3 Informationsverarbeitung , Gedächtnis<br />

Informationsverarbeitung beinhaltet den Einsatz<br />

mentaler Strategien, die Kinder verwenden, um<br />

Eindrücke zu transformieren. Fortschritte in der<br />

frühen Kindheit bezüglich der Repräsentation<br />

und der Fähigkeit der Kinder, ihr eigenes Verhalten<br />

zu leiten, wirken sich positiv auf die Aufmerksamkeit,<br />

den Umgang mit Informationen<br />

und das Problemösen aus. Indem Vorschulkinder<br />

sich ihres eigenen mentalen Lebens bewusster<br />

werden fangen sie an, schulisch relevantes Wissen<br />

zu erwerben, eine Voraussetzung für ihren<br />

Erfolg in der Schule.<br />

Kinder im Vorschulalter verbringen nur relativ<br />

kurze Zeit mit Aufgaben und lassen sich leicht<br />

ablenken. Die Fähigkeit zur andauernden Aufmerksamkeit<br />

nimmt jedoch im Kleinkindalter<br />

nach und nach zu.<br />

Darüber hinaus entwickelt sich in der frühen<br />

Kindheit die Fähigkeit zu Planen. Unter Planen<br />

versteht man das vorausgenommene Probehandeln<br />

einer Abfolge von Handlungen und den<br />

entsprechenden Einsatz der kindlichen Aufmerksamkeit,<br />

um ein Ziel zu erreichen. Sind die Aufgaben<br />

vertraut und nicht zu komplex, so sind<br />

bereits Vorschulkinder in der Lage, zu verallgemeinern<br />

und einem Plan zu folgen. Beispielsweise<br />

suchen sie einen verlorenen Gegenstand<br />

auf dem Spielplatz bis zur Erschöpfung (Wellmann<br />

et al., 1979). Fordert man Vorschulkinder<br />

II. Themen 95


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II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

jedoch auf, Bilder mit vielen Details miteinander<br />

zu vergleichen, können sie nicht genau suchen.<br />

Bei komplexen Aufgaben sind sie nicht in der<br />

Lage, die erforderlichen Handlungsschritte in eine<br />

sinnvolle Reihenfolge bringen, oder vergessen<br />

wichtige Schritte (Friedmann & Scholnick, 1997;<br />

Ruff & Rothbart, 1996).<br />

Im Vorschulalter haben Kinder die sprachlichen<br />

Voraussetzungen, um Dinge, an die sie sich erinnern<br />

zu beschreiben. Auch können sie Anweisungen<br />

über einfache Gedächtnisaufgaben<br />

folgen.<br />

Vorschulkinder haben ein gutes Wiedererkennungs-Gedächtnis.<br />

Zeigt man einem Kleinkind<br />

beispielsweise einen Satz von zehn Bildern oder<br />

Spielzeugen, vermischt man diese mit einigen unbekannten<br />

Gegenständen und fordert dann das<br />

Kind auf, die vorher gesehenen Bilder oder Gegenstände<br />

zu zeigen, so wird es hierbei bereits<br />

gute Leistungen zeigen. Im Alter von vier bis fünf<br />

Jahren gelingt die Lösung dieser Aufgabe meist<br />

fehlerfrei.<br />

Nimmt man die Gegenstände jedoch aus dem<br />

Gesichtsfeld des Kindes und fordert es auf, die<br />

Namen der Gegenstände zu sagen, die es gesehen<br />

hat, so wird es eine weitaus weniger gute<br />

Leistung zeigen. Beim Lösen dieser Aufgabe<br />

muss das Kind die Dinge erinnern, d.h. ein mentales<br />

Bild des abwesenden Gegenstandes wieder<br />

abrufen. Im Alter von zwei Jahren können Kinder<br />

sich nur an einen oder zwei Gegenstände erinnern,<br />

mit vier Jahren werden drei oder vier<br />

Gegenstände erinnert (Perlmutter, 1984).<br />

Auch für Erwachsene ist das Wiedererkennen viel<br />

einfacher als das Erinnern. Im Vergleich zu Erwachsenen<br />

ist die Fähigkeit der Wiedererkennung<br />

der Kinder jedoch ziemlich mangelhaft. Das<br />

liegt daran, dass Kleinkinder noch nicht in der<br />

Lage sind, Gedächtnisstrategien effektiv anzuwenden.<br />

Gedächtnisstrategien sind mentale Aktivitäten,<br />

die die Chancen des Erinnerns<br />

verbessern (beispielsweise das Organisieren von<br />

Gedächtnisbestandteilen in Gruppen etc.). Anfänge<br />

des Einsatzes von Gedächtnisstrategien<br />

zeigen jedoch bereits Vorschulkinder. DeLoache<br />

& Todd (1988) führten eine Studie durch, bei der<br />

ein Erwachsener entweder eine Schokolinse oder<br />

II. Themen<br />

einen hölzernen Nagel in je einen von Zwölf identischen<br />

Behältern legte und einen nach dem anderen<br />

an die Kinder übergab, mit der<br />

Aufforderung, sich zu erinnern, wo die Süßigkeit<br />

versteckt war. Die Kinder im Alter von etwa vier<br />

Jahren stellten die Behälter mit den Süßigkeiten<br />

an einen Platz, die mit den Nägeln an einen anderen.<br />

Mithilfe dieser Strategie gelangten die<br />

Kinder fast immer zum richtigen Ergebnis. Dennoch<br />

wenden Vorschulkinder selbst wenn sie trainiert<br />

werden Gedächtnisstrategien nicht in neuen<br />

Situationen an und ihre Gedächtnisleistungen<br />

verbessern sich selten (Gathercole et al., 1994;<br />

Miller & Seier, 1994). Ein Grund hierfür liegt<br />

darin, dass die Strategien das begrenzte Arbeitsgedächtnis<br />

kleiner Kinder überlasten (Bjorklund<br />

& Coyle, 1995). Die Konzentration auf die zu lernende<br />

Information und das gleichzeitige Anwenden<br />

einer Strategie stellt für Vorschulkinder<br />

noch eine Überforderung dar.<br />

Bis zum Schulalter verwenden die Kinder einige<br />

einfache Strategien, wie z.B. Wiederholungsstrategien.<br />

Bei der Wiederholungsstrategie werden<br />

die zu erinnernden Gedächtnisinhalte bis zu<br />

ihrem Abruf Vor-sich-her-gesagt. Im Schulalter<br />

beginnen die Kinder, Gruppierungen der Inhalte<br />

vorzunehmen. Hasselhorn (1995) stellte fest,<br />

dass Kinder, denen Gedächtnisstrategien beigebracht<br />

werden, diese nicht verwenden, bevor sie<br />

nicht auch spontan erscheinen würden.<br />

Vertraute Ereignisse<br />

Vertraute, sich wiederholende Ereignisse können<br />

auch von Vorschulkindern bereits gut erinnert<br />

werden. Hierunter fällt zum Beispiel die Beschreibung<br />

der Abläufe im Kindergarten oder<br />

beim Abendessen. Die Erinnerung geschieht in<br />

Form von Skripten, d.h. Allgemeinen Beschreibungen<br />

dessen, was passiert und wann es passiert.<br />

Beispielsweise beschreibt ein Dreijähriger<br />

einen Restaurantbesuch folgendermassen: „Man<br />

geht hinein, bekommt das Essen, isst, und bezahlt<br />

dann.“ Die ersten Skripte der Kinder enthalten<br />

nur ein paar Handlungen. Diese<br />

Handlungen werden jedoch meist in der richtigen<br />

Reihenfolge erinnert (Bauer, 1997). Mit zunehmendem<br />

Alter werden die Skripte<br />

ausgefeilter.


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II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

Bereits gebildete Skripte können benutzt werden,<br />

um vorherzusagen, was passieren wird. Somit ermöglichen<br />

sie es den Kindern, sich wiederholende<br />

Ereignisse zu organisieren, zu<br />

interpretieren, Geschichten zu zu hören oder<br />

selbst zu erzählen. Auch werden Skripte in Alsob-Spielen<br />

eingebaut (beispielsweise, wenn sie<br />

vorgeben auf eine Reise zu gehen) und unterstützen<br />

die Fähigkeiten der Kinder zu planen, da<br />

sie Abfolgen von Handlungen repräsentieren, die<br />

zu einem erwünschten Ziel führen (Hudson et al.,<br />

1997).<br />

Unter dem Begriffe des autobiographischen Gedächtnisses<br />

versteht man die Repräsentationen<br />

persönlich bedeutsamer einmaliger Ereignisse.<br />

Mit der Verbesserung der kognitiven und kommunikativen<br />

Fähigkeiten der Vorschulkinder verbessern<br />

sich auch ihre Beschreibungen<br />

besonderer Ereignisse. Die Beschreibungen werden<br />

detaillierter, organisierter und die Kinder setzen<br />

sie in Beziehung zu größeren Kontexten ihres<br />

Lebens (Haden et al., 1997).<br />

6.4 Sprachentwicklung<br />

Die Fähigkeit, Sprachlaute zu produzieren, erfordert<br />

eine genaue Koordination zahlreicher Muskeln,<br />

die Lippen und Zunge steuern. Ab dem<br />

Alter von 6 bis 7 Monaten üben die Kinder spielerisch<br />

Sprachlaute. In verschiedensten Sprachkulturen<br />

produzieren Kinder in dieser sog.<br />

Lallphase dieselben Laute. Bereits zu diesem Zeitpunkt<br />

ist das Sprachverarbeitungszentrum sehr<br />

aktiv. Aus allem, was das Kind hört werden die<br />

für die Muttersprache relevanten lautlichen Charakteristika<br />

herausgefiltert und identifiziert. Zu<br />

Beginn der Lallphase experimentiert das Kind.<br />

Gegen Ende des ersten Lebensjahres beschränkt<br />

es sich mehr und mehr auf die Lalllaute, die in<br />

der jeweiligen Muttersprache tatsächlich vorkommen.<br />

Besondere Aufmerksamkeit hat der Säugling für<br />

das Gesicht der Mutter. Es vermittelt ihm Emotionen,<br />

die mit Sprachlauten verbunden sind. Beispielsweise<br />

bereiten mütterliche Mimik und<br />

akustische Wahrnehmungen den Säugling auf<br />

den Spracherwerb vor. Dahingegen kann ein<br />

Fernsehsprecher – und spricht er auch noch so<br />

perfekt – einen Säugling nicht auf das Sprechen<br />

vorbereiten. Das Kind schenkt dem Sprecher<br />

keine Beachtung. Eine gemeinsame Gefühlsbe-<br />

ziehung ist Voraussetzung dafür, dass der Säugling<br />

den Sprechenden beachtet (Bensel und<br />

Haug-Schnabel, 2004).<br />

Die Sprache ist zentral für das menschliche<br />

Leben, sie dient dem Ausdruck von Intentionen,<br />

Wünschen und Abneigungen. Sie ermöglicht die<br />

Kommunikation mit anderen Menschen. Sie<br />

steht in enger Beziehung zu kognitiven und sozialen<br />

Fähigkeiten. Viele Fortschritte des Denkens<br />

werden erst durch die Sprache ermöglicht. Die<br />

Sprache spielt weiterhin eine essentielle Rolle für<br />

den Erwerb kultureller Formen und kulturellen<br />

Wissens. Die sich entwickelnde Sprache verändert<br />

die Kognition in bedeutsamen Hinsichten<br />

und eröffnet ein Wissenspotential, das ohne die<br />

Sprache überhaupt nicht zugänglich wäre.<br />

Die Entwicklung der Sprache verläuft also nicht<br />

getrennt von der Entwicklung anderer Fähigkeiten<br />

und Leistungsbereiche. Das sprachliche Wissen<br />

entsteht vielmehr in enger Beziehung zu<br />

kognitiven und sozialen Fähigkeiten, sowie zur<br />

Verhaltensregulation. Die Störungen der sprachlichen<br />

Kompetenz verweisen entsprechend<br />

immer auch auf Störungen in diesen nicht<br />

sprachlichen Bereichen.<br />

Die prosodische Kompetenz ist über das Erkennen<br />

und die Produktion der Rhythmik von<br />

Spracheinheiten definiert, an der Tonhöhe, Lautheit,<br />

Länge der Sprachlaute, sowie die Pausengebung<br />

beteiligt sind. Schon sehr früh ist es<br />

Kindern möglich, prosodische Merkmale zu erkennen.<br />

Schon vor der Geburt reagiert der Fötus auf<br />

sprachliche Reize. Föten im Gestationsalter zwischen<br />

28. und36. SSW reagieren auf sprachliche<br />

Reize mit einem sehr kräftigen Augenzwinkern<br />

(Birnholz und Benacerrat 1983). Locke (1993)<br />

stellt fest, dass die Föten besonders auf solche<br />

Laute reagieren, deren Frequenzbereich den intensiveren<br />

Lauten der mütterlichen Stimme entspricht.<br />

Es zeigt sich, dass die Säuglinge nach der<br />

Geburt eine ganz klare Präferenz für die mütterliche<br />

Stimme zeigen.<br />

Drei Bereiche solcher Vorausläuferfähigkeiten:<br />

II. Themen 97


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II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

î a) die soziale Kognition<br />

î b) die Wahrnehmung<br />

î c) die Kognition<br />

Dies sind zunächst generelle Fähigkeiten der<br />

Wahrnehmung und der Kognition. Säuglinge<br />

sind also von Beginn an mit generellen Fähigkeiten<br />

genetisch ausgestattet, um überhaupt Dinge<br />

in der Welt lernen zu können. Hierzu gehören Fähigkeiten,<br />

die Aufmerksamkeit auf Objekte und<br />

Ereignisse zu richten, diese voneinander zu unterscheiden<br />

und die Unterschiede im Gedächtnis<br />

zu behalten. Säuglinge verarbeiten von Beginn<br />

an aktiv Informationen und suchen Regularitäten.<br />

Im Erlernen der Sprache werden diese in spezifischer<br />

Weise als sprachrelevante Operationen<br />

wirksam.<br />

Zusammenwirken dieser schrittweisen Operationen<br />

ermöglicht dann dem Kind erste Wörter zu<br />

produzieren und so sich schließlich Sprache anzueignen.<br />

Das Ergebnis ist schließlich eigenständiges<br />

Sprachmodul, das dann eine<br />

Komponentenstruktur aufweist (siehe Tabelle<br />

S.15).<br />

Das Sprachmodul ist also das Ergebnis eines Lernprozesses,<br />

der auf dem Zusammenwirken von<br />

Vorausläuferfähigkeiten beruht.<br />

Diese Sichtweise hat bedeutsame praktische<br />

Konsequenzen für die Diagnose und Intervention,<br />

da frühzeitige Störungen von Vorausläuferfähigkeiten<br />

als Hinweise interpretiert werden<br />

können, dass Störungen bei der Sprachentwicklung<br />

zu erwarten sind. So sind Kinder, die im<br />

Alter von 12 – 15 Monaten nur wenige Gesten<br />

verwenden, in ihrem späteren Wortschatzerwerb<br />

deutlich verzögert.<br />

Die Aufmerksamkeit des Säuglings ist besonders<br />

auf das Gesicht der Mutter gerichtet. Hier liegt<br />

eine Dynamik, wobei Gesichtsausdruck und<br />

stimmlicher Ausdruck eine affektive Einheit bilden.<br />

Die Mutter schaut den Säugling an, lächelt<br />

und spricht zu ihm mit zärtlicher und prosodisch<br />

stark modulierter Stimme. Das Kind reagiert<br />

schon am 2. Lebenstag auf diese affektive Mitteilung.<br />

Für Locke (1993, 1994) ist dieser frühe<br />

Mutter-Kind-Dialog die erste kritische Phase der<br />

Sprachentwicklung. Innerhalb der letzten Gestationsmonate<br />

bis zum 6. Lebensmonat steht der<br />

II. Themen<br />

Säugling unter prosodischer Kontrolle und lernt<br />

seine Vokalisation auf die mütterliche Stimme abzustimmen.<br />

Auch in der 2. Phase, die einen Zeitraum<br />

von etwa 14 Monaten umfasst, ahmt der<br />

Säugling soziale Gesten nach und beteiligt sich<br />

zunehmend aktiv an Spielen, die die Mutter inszeniert.<br />

Als besonders wichtig für den Spracherwerb<br />

hat sich die Herstellung eines<br />

gemeinsamen Aufmerksamkeitsfokus (Fokus of<br />

attention) erwiesen. Dem Säugling wird im Rahmen<br />

einer Spielroutine die Sprache durch die<br />

wiederholte Zentrierung der Aufmerksamkeit<br />

nahe gebracht. (siehe Bruner 1975). In dieser frühen<br />

primär-affektiven sozialen Phase arbeitet das<br />

Kind schon sehr aktiv an der Sprache, es hat offensichtlich<br />

eine starke Motivation mit der Mutter<br />

und anderen wichtigen Personen zu<br />

kommunizieren. Der Säugling verbringt also täglich<br />

Stunden damit, auf die Sprache zu achten,<br />

sowie Lautverbindungen zu imitieren. Er setzt<br />

dies als Instrument für den sozialen Austausch<br />

ein. So kann geschlossen werden, dass er die Beziehung<br />

zwischen Laut und Bedeutung verstanden<br />

hat.<br />

Ein kritischer Stellenwert der sozial-kognitiven<br />

Vorausläuferfähigkeiten, nämlich der Imitation,<br />

der Aufmerksamkeitszentrierung und der Verwendung<br />

von Gesten kommt für die Sprachentwicklung<br />

zu: (Locke 1994) . Je häufiger Mütter<br />

gemeinsam mit ihren Kleinkindern Episoden der<br />

geteilten Aufmerksamkeit des Typs „ Sieh her –<br />

das ist“ herstellen, desto größer ist der produktive<br />

Wortschatz der Kinder im Alter von 21 Monaten.<br />

Natürlich belegen auch Defizite die zentrale Bedeutung<br />

der sozialen kognitiven Vorausläuferfähigkeiten:<br />

Wenn Kinder zwischen 18 und 34<br />

Monaten eine Sprachentwicklungsverzögerung<br />

aufweisen, zeigen sie auch eine Verzögerung bei<br />

sozial orientierten Verhaltensweisen, wie beispielsweise<br />

im Nachahmen von motorischen<br />

Spielroutinen.<br />

Außerordentliche Sprachwahrnehmungsfähigkeiten<br />

sind schon bei sehr jungen Säuglingen vorhanden<br />

(Kuhl 1991). Sie nehmen von Geburt an<br />

innerhalb der ersten Lebenswoche alle in der<br />

Sprache benutzten Kontraste wahr.


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II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

Trehup und Trainor 1990 haben vier Regeln formuliert,<br />

denen die Säuglinge folgen:<br />

Regel 1: Von Beginn an unterscheiden Säuglinge<br />

sprachliche von nicht sprachlichen Lauten.<br />

Regel 2: Säuglinge zeigen schon kurz nach der<br />

Geburt eine Präferenz für die mütterliche<br />

Stimme. Auch eine Präferenz für die Muttersprache.<br />

Vier Tage alte Säuglinge können prosodische<br />

Merkmale nutzen, um die Muttersprache von der<br />

Fremdsprache zu unterscheiden.<br />

Als Untersuchungsmethode wird das Habituierungsexperiment<br />

eingesetzt.<br />

Gewählt wird dann oft die Saugrate zu Messung.<br />

Begriffe sind Habituierung und Dishabituierung.<br />

Es konnte gezeigt werden, dass Säuglinge die<br />

Muttersprache allein wegen ihrer besonderen<br />

Prosodierung vorziehen. Säuglinge diskriminieren<br />

nicht zwischen Fremdsprachen. Die Diskriminierungsleistung<br />

beruht auf einer größeren<br />

Vertrautheit mit der Muttersprache.<br />

Die vorgeburtlichen Erfahrungen mit der mütterlichen<br />

Sprache zeigen Präferenz der Säuglinge für<br />

diese Sprache. Spricht die Mutter während der<br />

Schwangerschaft eine andere Sprache, wird die<br />

Muttersprache nicht bevorzugt. (Bertoncini et al<br />

1989). Die vorgeburtliche Erfahrung wird also als<br />

Wiedererkennungs- und Differenzierungsleistung<br />

eingesetzt.<br />

Regel 3: Prosodische Merkmale werden für wichtige<br />

Differenzierungsleistungen genutzt. Säuglinge<br />

sind im Habituierungsexperiment in der<br />

Lage durch Veränderungen ihrer Saugrate die<br />

mütterliche Stimme aktiv hervorzurufen ( De Kasper<br />

et Fifer 1980).<br />

Säuglinge ziehen eine gut strukturierte Sprachgestalt<br />

einer weniger gut strukturierten vor.<br />

Interpretationsmöglichkeit: Muttersprache ist für<br />

das vorsprachliche Kind kein undifferenzierter<br />

Strom von Lauten, sondern eine erkennbare kohärente<br />

internationale Struktur (Hirsh/Pasek<br />

1987).<br />

Regel 4: Der Säugling nutzt die Aufmerksamkeit<br />

selektiv auf die kindgerichtet Sprache („Babytalk“).<br />

Babytalk hat eine überzogene Intonationskontur,<br />

einen hohen Tonfall, lange Pausen am Phrasen-<br />

Strukturgrenzen. Sprachepräferenz des Säuglings<br />

mit 4 Monaten. Die Sprache in einer Tonlage zwischen<br />

400 und 600 Hz entspricht der Fähigkeit<br />

des Babys höhere Töne besser differenzieren zu<br />

können als tiefere. Anpassung an die rhythmisch<br />

prosodische Struktur der Sprache.<br />

Die Motivation zum Spracherlernprozess ist zu<br />

Beginn hoch affektbetont, gewinnt im Laufe der<br />

Entwicklung zunehmend eine kognitive Qualität.<br />

Zwischen der Geburt und dem 9. Lebensmonat<br />

entwickelt sich die Fähigkeit, Begriffe und Kategorien<br />

zu bilden. Objektkategorien bilden die<br />

Basis für die Benennungsfunktion. Ab dem 10.<br />

Lebensmonat können die ersten Wörter produziert<br />

werden. Mitteilung über die Dinge wird an<br />

referentiellen und konventionalisierten Gesten<br />

deutlich (z.B. Kopfschütteln oder Winken mit der<br />

Hand). Die Gesten bestehen aus fest gefügten<br />

Bedeutungs- und Handlungszusammenhängen<br />

und haben so eine Brückenfunktion für den<br />

Übergang vom nicht sprachlichen zum sprachlichen<br />

Handeln. Die symbolisch verwendete Geste<br />

ist also eine Form eines Erreichens eines kognitiven<br />

Meilensteines, der den Gebrauch konventionalisierter<br />

sprachlicher Zeichen möglich macht.<br />

Kinder, die früh Gesten benutzen, werden auch<br />

frühe Sprecher, wohingegen späte Gestenbenutzer<br />

späte Sprechen sind.<br />

Alles wird im Gedächtnis gespeichert. Gedächtnis<br />

und Sprache haben viel miteinander zu tun. Gehörte<br />

Sprache muss phonologisch analysiert und<br />

repräsentiert werden, damit sie erkannt und artikulatorisch<br />

als Output wiedergegeben werden<br />

kann. Dies leistet der phonologische Kurzspeicher.<br />

Ist die phonologische Repräsentationsfähigkeit<br />

defizitär, so kann ein normaler<br />

Spracherwerbsprozess nicht erfolgen (Gathercole<br />

and Baddely 1989).<br />

7. Zusammenfassung:<br />

Der Säugling bringt angeborene oder sehr früh<br />

erworbene Voraussetzungen mit, um mit dem<br />

Medium Sprache zunehmend bereichsspezifischer<br />

Weise umzugehen. Bis ungefähr zum 10.<br />

Lebensmonat haben sich die 3 Bereiche der Vorausläuferfähigkeiten<br />

zunehmend entwickelt<br />

und interagieren miteinander. Intensive frühe Erfahrungen<br />

im kommunikativen Austausch mit<br />

der Umwelt tragen dazu bei, dass diese Entwicklungslinien<br />

zunehmend eigene Organisationen<br />

II. Themen 99


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CURRICULUM - TRANSITION - Ausbildung zum/r Übergangsbegleiter/in für frühkindliche Bildungsprozesse - Socrates <strong>Grundtvig</strong> 1.1 Projekt<br />

II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

ausweisen, die dann im weiteren Entwicklungsverlauf<br />

zu einem übergeordneten Sprachmodul<br />

zusammengeführt werden. Liegt eine Verzögerung<br />

irgendwelcher Art der Gehirnreifung vor, so<br />

verzögert sich dieser Prozess und führt zu<br />

sprachlichen Defiziten.<br />

Lernziele des Moduls 1:<br />

î - Vermittlung von Kenntnissen über den<br />

kindlichen Entwicklungsstand im Alter von 3<br />

Jahren.<br />

î - Herausarbeitung und Darstellung von Fähigkeiten,<br />

derer die Kinder in der Übergangssituation<br />

Elternhaus- Kindergarten besonders<br />

bedürfen (Bindungstheorie, Bindungsfähigkeit,<br />

Bindung als Voraussetzung<br />

für Trennungsfähigkeit, Fähigkeit mit mehreren<br />

Personen soziale Interaktionen einzugehen,<br />

Entstehung von Angst – Trennungsangst<br />

– Akzeptanz von Neuem – Unabhängigkeit,<br />

Entwicklung von Empathie, Verstehen<br />

von Zusammenhängen)<br />

î - Herausarbeitung und Darstellung von Fähigkeiten<br />

und Haltungen der Erziehenden,<br />

um den Kindern, die in diesen Bereichen<br />

Schwierigkeiten haben Hilfestellung zu leisten<br />

(Bereitschaft der ErzieherInnen Elternersatzfunktionen<br />

zu übernehmen, die Abhängigkeit<br />

der Kinder zu akzeptieren, Selbständigkeit:<br />

Richtiges Maß zwischen Forderung<br />

und Überforderung)<br />

î - Erkennen spezifischer Schwächen und<br />

Stärken des Kindes in den verschiedenen<br />

Entwicklungsbereichen (z.B. körperliche,<br />

geistige Behinderung oder Entwicklungsverzögerung),<br />

Erarbeitung von Unterstützungsmöglichkeiten.<br />

Mögliche Gliederung der Unterrichtseinheiten:<br />

î Kognitive Entwicklung<br />

î Piagets Stadien der kognitiven Entwicklung<br />

î Entwicklung von Konzepten<br />

î Geistige Entwicklung<br />

î Theorie der Informationsverarbeitung<br />

î (Lehrmaterial: Tabellen)<br />

II. Themen<br />

î Entwicklung von Moral<br />

î Kohlbergs Niveaus und Stufen des moralischen<br />

Urteils<br />

î Temperament und die Entwicklung des Gewissens<br />

bei Kleinkindern<br />

î Ebenen des prosozialen Verhaltens<br />

î (Lehrmaterial: Tabellen)<br />

î Emotionale Entwicklung<br />

î Temperamentsdimensionen auf verschiedenen<br />

Altersstufen<br />

î Meilensteine emotionaler Entwicklung während<br />

der ersten zwei Lebensjahre<br />

î Zwei verschiedenene Modellvorstellungen<br />

von Temperament<br />

î Bindung und Entwicklung des Selbst<br />

î Die Fremden-Situationen und ihre Episoden<br />

î Entwicklung des Selbst nach Daniel Stern<br />

î Beziehung zu Gleichaltrigen und Sozialentwicklung<br />

î Beliebte/abgelehnte/ignorierte Kinder<br />

î Zusammenhänge zwischen Bindung und sozialer<br />

Kompetenz<br />

î Körperliche Entwicklung<br />

î Wachstum und Entwicklung des Körpers<br />

î Entwicklung der Wahrnehmung<br />

î Motorische Entwicklung<br />

î Herausarbeitung und Darstellung von Fähigkeiten,<br />

derer die Kinder in der Übergangssituation<br />

Elternhaus- Kindergarten besonders<br />

bedürfen anhand des in den vorangegangenen<br />

Unterrichtseinheiten vermittelten Wissens<br />

über den kindlichen Entwicklungsstand.<br />

î Herausarbeitung und Darstellung von Fähigkeiten<br />

und Haltungen der Erziehenden, um<br />

den Kindern, die in diesen Bereichen<br />

Schwierigkeiten haben Hilfestellung zu leisten


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CURRICULUM - TRANSITION - Ausbildung zum/r Übergangsbegleiter/in für frühkindliche Bildungsprozesse - Socrates <strong>Grundtvig</strong> 1.1 Projekt<br />

II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

î Erkennen spezifischer Schwächen und Stärken<br />

des Kindes in den verschiedenen Entwicklungsbereichen,<br />

Erarbeitung von Unterstützungsmöglichkeiten.<br />

Zusammenfassung<br />

Wie in der Entwicklungspsychologie üblich, werden<br />

die einzelnen Entwicklungsbereiche dargestellt.<br />

In dieser Darstellung wird vor allem auf<br />

amerikanische Literatur zurückgegriffen. Es<br />

wurde versucht, schwerpunktmäßig die Entwicklungsaltersbereiche<br />

zu betonen, in denen für das<br />

Kind Übergänge stattfinden. Wir haben hier vor<br />

allem den Entwicklungsstand um das 3. Lebensjahr<br />

herausgearbeitet, weil dies das Alter ist, wo<br />

in der Regel in Deutschland die Kinder in den Kindergarten<br />

kommen.<br />

Etwas ausführlicher haben wir die „Selbst“ - Entwicklung<br />

dargestellt und haben uns hier an den<br />

„Selbst“ – Entwicklungsschritten, wie von Dr.<br />

Stern dargestellt, orientiert.<br />

Etwas ausführlicher haben wir die Sprachentwicklung<br />

formuliert, anlehnend an die Sprachentwicklungsuntersuchungen<br />

von Grimm.<br />

Die in den verschiedenen Entwicklungsbereichen<br />

dargestellten Parameter sollen dem Übergangshelfer<br />

behilflich sein, den Entwicklungsstand des<br />

jeweilig zu begleitenden Kindes zu verstehen und<br />

in der Integration beim Wechsel in die entsprechende<br />

Institution – Kindergarten, Schule – dem<br />

Kind und der Familie zur Seite zu stehen. Die vorgeschlagenen<br />

Curricula sollen dazu dienen, Verständnis<br />

für die Entwicklung des Kindes zu<br />

erzielen.<br />

II. Themen 101


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II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

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05-08-2008-II._Themen-3_Modul:<strong>Dokumentation</strong> <strong>Grundtvig</strong> 2 25.08.2008 16:42 Seite 103<br />

CURRICULUM - TRANSITION - Ausbildung zum/r Übergangsbegleiter/in für frühkindliche Bildungsprozesse - Socrates <strong>Grundtvig</strong> 1.1 Projekt<br />

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151.<br />

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Säugling zum Schulkind- Entwicklungspsychologische<br />

Grundlagen. kindergarten heute<br />

spezial. Freiburg: Herder.<br />

î Haug-Schnabel, G. Bensel, J. (2005): Grundlagen<br />

der Entwicklungspsychologie. Die ersten<br />

10 Lebensjahre. Freiburg: Herder.<br />

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î Maszk, P. Eisenberg, N. & Guthrie, I.K.<br />

II. Themen 103


05-08-2008-II._Themen-3_Modul:<strong>Dokumentation</strong> <strong>Grundtvig</strong> 2 25.08.2008 16:42 Seite 104<br />

104<br />

CURRICULUM - TRANSITION - Ausbildung zum/r Übergangsbegleiter/in für frühkindliche Bildungsprozesse - Socrates <strong>Grundtvig</strong> 1.1 Projekt<br />

II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

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II. Themen<br />

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CURRICULUM - TRANSITION - Ausbildung zum/r Übergangsbegleiter/in für frühkindliche Bildungsprozesse - Socrates <strong>Grundtvig</strong> 1.1 Projekt<br />

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II. Themen 105


05-08-2008-II._Themen-3_Modul:<strong>Dokumentation</strong> <strong>Grundtvig</strong> 2 25.08.2008 16:42 Seite 106<br />

106<br />

CURRICULUM - TRANSITION - Ausbildung zum/r Übergangsbegleiter/in für frühkindliche Bildungsprozesse - Socrates <strong>Grundtvig</strong> 1.1 Projekt<br />

II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

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05-08-2008-II._Themen-3_Modul:<strong>Dokumentation</strong> <strong>Grundtvig</strong> 2 25.08.2008 16:42 Seite 107<br />

CURRICULUM - TRANSITION - Ausbildung zum/r Übergangsbegleiter/in für frühkindliche Bildungsprozesse - Socrates <strong>Grundtvig</strong> 1.1 Projekt<br />

II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

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II. Themen 107


05-08-2008-II._Themen-3_Modul:<strong>Dokumentation</strong> <strong>Grundtvig</strong> 2 25.08.2008 16:42 Seite 108<br />

108<br />

CURRICULUM - TRANSITION - Ausbildung zum/r Übergangsbegleiter/in für frühkindliche Bildungsprozesse - Socrates <strong>Grundtvig</strong> 1.1 Projekt<br />

II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

Anhang:<br />

II. Themen


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CURRICULUM - TRANSITION - Ausbildung zum/r Übergangsbegleiter/in für frühkindliche Bildungsprozesse - Socrates <strong>Grundtvig</strong> 1.1 Projekt<br />

II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

II. Themen 109


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110<br />

CURRICULUM - TRANSITION - Ausbildung zum/r Übergangsbegleiter/in für frühkindliche Bildungsprozesse - Socrates <strong>Grundtvig</strong> 1.1 Projekt<br />

II. Themen<br />

3. Modul „Entwicklungspsychologische Ansätze<br />

II. Themen

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