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Download des Erfahrungsberichts als pdf - Aplastische Anämie ev

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Erfahrungsbericht von Ina Specht<br />

Begonnen hat alles mit der Geburt meiner 2. Tochter im November 1998. Während<br />

der Entbindung wurde ein Blutbild gemacht um <strong>ev</strong>tl. Infektionen auszuschließen.<br />

Dabei fiel auf, dass ich nur 37.000 Thrombos hatte. Mein HB lag bei 8,0. Man sagte<br />

mir in der Klinik, dass so etwas nach einer Geburt schon mal auftreten könne, ich<br />

aber regelmäßig mein Blutbild kontrollieren lassen sollte. Bis zum Februar 1999<br />

stiegen die Thrombos auf 67.000 an, der HB verbesserte sich unter der Einnahme<br />

von Eisenpräparaten auch ein wenig. Doch im gleichen Monat kam es zu einem<br />

erneuten Einbruch und die Thrombos fielen wieder auf 38.000 ab. Daraufhin wurde<br />

beim Hämatologen die erste Punktion vorgenommen und 5-6 Wochen später erhielt<br />

ich dann die niederschmetternde Diagnose. Das Gespräch mit dem Hämatologen<br />

war leider nicht sehr informativ, was Behandlungsmöglichkeiten und<br />

Zukunftsaussichten anging. Er hatte für mich gleich einen Termin in der<br />

Medizinischen Hochschule Hannover gemacht, bis zu dem noch 14 Tage Zeit waren,<br />

in denen aber alles ganz anders kam.<br />

Die erste Woche verbrachte ich mit meinem Mann und meinen 2 Kinder an der<br />

Ostsee. Die ersten vier Tage nur mit dem Gedanken, dass es das für mich jetzt wohl<br />

gewesen ist. Dann kam an meinem 30. Geburtstag der erlösende Anruf meiner<br />

Schwester, die sich durch das Internet gekämpft hatte und alles mögliche über die<br />

aplastische <strong>Anämie</strong> nachgelesen hatte. So erfuhr ich das erste Mal etwas über IST<br />

und die Möglichkeit der Knochenmarktransplantation. Im Gegensatz zu „keine<br />

Hoffnung“ war das ja schon eine ganze Menge und mein Optimismus war halbwegs<br />

zurückgekehrt.<br />

Kaum aus dem Urlaub zurück, bekam ich die ersten blauen Flecken am<br />

Oberschenkel. Ich rief meinen Hausarzt an, der durch den Hämatologen über meine<br />

Krankheit aufgeklärt worden war, und bekam von ihm die Auskunft, dass das bei<br />

dieser Erkrankung ganz normal wäre. Außerdem bekam ich so schlaue Tipps wie mir<br />

in der Apotheke irgendwelche Tücher zu kaufen, die ich mir auf Wunden tun sollte,<br />

damit die Blutung schneller gestoppt wird. Als ich am nächsten Tag neue Blutergüsse<br />

hatte, rief ich den Hämatologen an. Der wies mich an, sofort in die Medizinische<br />

Hochschule zu fahren. In Begleitung meines Mannes und unserer 5 Monate alten<br />

Tochter, die zu diesem Zeitpunkt bis auf eine Mahlzeit noch voll gestillt wurde,<br />

machte ich mich auf den Weg. Wir wurden an die Notaufnahme verwiesen, da es<br />

Gründonnerstag Nachmittag war und in der Ambulanz niemand mehr war. 10.000<br />

Thrombos, ein HB von 8,0 und Leukos von 4.000 erforderten einen sofortigen<br />

Handlungsbedarf. Ich musste über Nacht in der Klinik bleiben und bekam um ca.<br />

23.00 Uhr meine erste Thrombozyten-Transfusion. Es war eine wirklich schlimme<br />

Nacht für mich. Ich teilte mein Zimmer mit einer Frau, die auf Entzug war und die<br />

ganze Nacht gebrochen hat. Dazu die Angst vor der jetzt zur akuten Bedrohung<br />

gewordene Krankheit und die Schmerzen durch das spontane Abstillen. Zu Hause<br />

wurde meine kleine Tochter zur gleichen Zeit von drei Erwachsenen bekniet, aus der<br />

Flasche zu Trinken – mit dem Ergebnis, dass Papa sie ihr dann mit dem Teelöffel<br />

eingeflösst hat.<br />

Es begannen 3 anstrengende Monate. In der hämatologischen Ambulanz lief es erst<br />

sehr schlecht an. Als erstes wurde ich nochm<strong>als</strong> zur Punktion bestellt. Nach 4<br />

Stunden Wartezeit teilte man mir dann mit, dass das erst nächstes Mal gemacht wird,<br />

da noch irgendein Bericht fehlte. Ich war geplättet.


Während<strong>des</strong>sen lief die Typisierung meiner zwei Geschwister, die der Hämatologe,<br />

der die Diagnose gestellt hat, gleich angeleiert hatte. Ich musste in dieser Zeit<br />

sämtliche notwendigen Untersuchungen für die KMT durchführen lassen. Dazu<br />

gehörte auch, dass man mir 3 Zähne zog, die im Röntgenbild irgendwelche<br />

möglichen Entzündungen zeigten.<br />

Kurz darauf kam heraus, dass meine Schwester <strong>als</strong> Spender geeignet wäre. Ganz<br />

toll, fand mein Arzt und rief gleich seinen Kollegen aus der KMT-Ambulanz herüber.<br />

Dieser wiederum fragte nur nach meinem Alter und sagte dann, dass ich zu alt für die<br />

KMT wäre, da die Behandlungsrichtlinien folgen<strong>des</strong> vorgäben:<br />

- Bis 25 Jahre bei schwerer aplastischer <strong>Anämie</strong> (SAA) KMT<br />

- Ab 25 Jahre KMT nur bei sehr schwerer aplastischer <strong>Anämie</strong> (VSAA),<br />

ansonsten erstrangig IST<br />

Da bei mir zu dieser Zeit die SAA vorlag, kam <strong>als</strong>o nur die IST in Betracht. An diesem<br />

Tag fuhren meine Emotionen Achterbahn und das sollte auch in den nächsten Tagen<br />

so bleiben. Am nächsten Tag war mein Blutbild dann nämlich so schlecht, dass von<br />

der VSAA und somit auch wieder von der KMT die Rede war. In den nächsten Tagen<br />

pendelten meine Granulozyten, die diesen Unterschied zwischen schwer und sehr<br />

schwer bei mir ausmachten, auf und ab und die Meinungen der Ärzte hin und her. Ich<br />

fühlte mich irgendwann total veräppelt. Meine Nerven lagen ziemlich blank. Ich<br />

dachte über einen Klinikwechsel nach und rief schließlich bei Prof. Bergmann von der<br />

Uniklinik Ulm an, <strong>des</strong>sen Namen ich einem Bericht über die<br />

Behandlungsmöglichkeiten der aplastischen <strong>Anämie</strong> entnommen hatte. Das war ein<br />

so gutes Gespräch, dass allein dieser Mann Grund genug für einen Klinikwechsel<br />

gewesen wäre, aber er machte mir Mut, stand mir Rede und Antwort und sagte mir,<br />

dass ich bei Professor Ganser in Hannover an einer der besten Adressen wäre.<br />

Gestärkt durch dieses Gespräch sagte ich am nächsten Tag meinem Arzt die<br />

Meinung und von da an lief alles sehr gut. Jeden Tag kam ich mit neuen Fragen, die<br />

ich mir zu Hause immer in einem Notizbuch notierte, und mein Arzt nahm sich immer<br />

genug Zeit, mir diese zu beantworten.<br />

Kurz darauf entschied man sich dann dafür, mich mit der IST zu behandeln. Auf<br />

meine Frage, ob man sich das Zähneziehen hätte sparen können, bekam ich nie<br />

eine Antwort.....................<br />

Ende Mai begann dann die Therapie mit dem stationären Teil zur Infusion <strong>des</strong> ALG.<br />

Weitere Medikamente:<br />

- Tavanic 500 mg/Tag (Antibiotikum zur Vorbeugung, bis die Neutrophilen bei<br />

1000 waren)<br />

- Ampho-Moronal 6 Pipetten/Tag gegen Pilzbefall im Mund<br />

- Orgametril 2 Stk./Tag (Dauerpille zur Unterdrückung der Menstruation)<br />

- Sandimmun Optoral 375 mg/Tag<br />

- Pantozol 40 mg 1Tbl./tgl.<br />

- Decortin H über einen Monat ausschleichend (Cortison gegen die<br />

Nebenwirkungen <strong>des</strong> ALG)<br />

- Neupogen 30 2 Spritzen täglich (zur Anregung der weißen Blutkörperchen)


Nach Therapiebeginn tat sich erst einmal 4 Wochen lang gar nichts. Dann wurden<br />

ganz langsam die Abstände zwischen den Transfusionen größer. Diese Zeit war<br />

noch einmal sehr aufreibend. Ich musste oft täglich in die Klinik zur Kontrolle, da<br />

nicht genau abzusehen war, ob schon nach einem oder doch erst nach zwei Tagen<br />

Transfusionsbedarf bestand. Am 21.07.1999 brauchte ich dann endlich meine letzte<br />

Bluttransfusion. Die Werte fingen wieder an zu steigen.<br />

Bis November 2000 nahm ich das Sandimmun relativ unverändert ein, so dass der<br />

Spiegel immer so zwischen 140 und 170 ng lag. Dann wurde mit einer langsamen<br />

Reduktion begonnen, bis ich im April 2002 mit einem Glas Sekt die letzte Tablette<br />

schluckte.<br />

Seit diesem Tag ist mein Blutbild stabil. Ich habe über 200.000 Thrombos, einen HB<br />

von 14 und die Leukos liegen auch immer im unteren Normbereich. Ich bin sehr froh,<br />

dass alles so glimpflich abgegangen ist und mit jedem Tag, den ich gesund<br />

verbringe, wird die Angst ein bisschen kleiner. Viel Kraft gibt mir der Kontakt mit einer<br />

„Leidensgenossin“, den ich durch diesen Verein knüpfen konnte. Ich finde es sehr<br />

hilfreich, mit jemandem zu reden, dem man seine Gefühle nicht groß erklären muss,<br />

weil er von selbst weiß was man meint. Deshalb danke ich Euch an dieser Stelle<br />

noch einmal für Eure Arbeit und ich freue mich schon sehr auf ein Kennenlernen bei<br />

der Jahreshauptversammlung am 8. März 2003!<br />

Ina Specht<br />

Hid<strong>des</strong>torf , den 25.02.2003<br />

Fette.Schnecke@t-online.de

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