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eines Artikels von Kollegin Christina Schaffrath - Kessel

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» STADT<br />

Sind wir nicht alle ein<br />

bisschen Schlossplatz?<br />

Städtekampagnen sind eine feine Sache. Während<br />

alle anderen Stuttgart immer noch nicht toll genug<br />

finden, wissen wir es längst besser. Wie aber<br />

überzeugt man Nicht-Stuttgarter <strong>von</strong> ihrem<br />

Glück? Eine Stadt auf der Suche nach Identität.<br />

14................LIFT 04 10<br />

» Wer möchte nicht in der Stadt leben, die mit<br />

dem griffigen Slogan „Wir in Langenfeld haben<br />

gut lachen“ wirbt? Wen zieht es nicht nach „Schweinfurt<br />

– Wir haben mehr auf Lager!“ Freunde der klaren<br />

und einfachen Aussage gehen wahrscheinlich nach<br />

„Krefeld – schön hier!“ Und Leute mit einem Alters -<br />

problem eher nach „Bochum macht jung“.<br />

Wenn die Stadtsäckel leer sind, brauchen Kommunen<br />

ein Gefühl, das sie zusammenhält. Dann muss ein<br />

besonderes Image nach Innen und Außen her. „In Zeiten<br />

der finanziellen Not ist jede Stadt darauf angewiesen,<br />

sich zu profilieren“, sagt Marketingexperte Franco<br />

Rota, Prorektor der Hochschule der Medien. Es<br />

geht darum, attraktiv zu erscheinen: für Tourismus,<br />

Industrie- und Gewerbeansiedlung.<br />

„Die Städte stehen in einem enormen Wettbewerb<br />

untereinander. Das geht runter bis zu 10.000-Seelen-<br />

Orten.“ Ziel ist es, die eigene Stadt zur Marke werden<br />

zu lassen, die ein ganz bestimmtes Image transportiert.<br />

Auch Stuttgart soll nun Marke werden. Bis zum<br />

Sommer soll für die gesamte Region ein neues Vermarktungskonzept<br />

vorliegen.<br />

Armin Dellnitz hat Großes vor: Er will, dass sich die<br />

Wahrnehmung <strong>von</strong> Stuttgart nachhaltig ändert. Dellnitz<br />

ist seit Sommer 2009 Touristikchef der Landeshauptstadt.<br />

Unter seinem Vorgänger Klaus Lindemann hat der<br />

Tourismus eine hohe Wertschätzung erfahren. Für die<br />

Zukunft will der Neue das Bild der Region unter dem<br />

touristischen Blickwinkel grundsätzlich schärfen.<br />

„Die Region Stuttgart ist bislang noch zu sehr eine<br />

politische Region. Als touristische Region hat sie in<br />

meinen Augen noch nicht das erforderliche Profil.“<br />

Jetzt sollen Impulse gegeben werden, damit das Interesse<br />

steigt, nach Stuttgart zu reisen. Mehr noch: Das<br />

Strategiekonzept soll auch den Naherholungstourismus<br />

umfassen. Dellnitz betont: „Es geht mir immer<br />

um Stuttgart und die Region. Da wird es keine Differenzierung<br />

im Erscheinungsbild geben.“<br />

Großen Wert legt Dellnitz auf die Feststellung, dass<br />

seine Initiative keine Werbekampagne sein soll, sondern<br />

ein Markenaufbau-Prozess. „Eine Werbekampag<br />

ne wäre viel zu kurzfristig gegriffen“, erklärt Dellnitz.<br />

„Über Jahre hinweg wollen wir versuchen, das Image<br />

<strong>von</strong> der Region Stuttgart aufzufrischen.“


In diesem Sinne hat die Auswahlkommission<br />

auch die Entscheidung für die Berliner Agentur<br />

Embassy getroffen. „Der Markt ist frei“, sagt der<br />

Touristikchef. „Eine Agentur, die <strong>von</strong> außerhalb<br />

kommt, kann zusätzliche Impulse bringen. Zudem<br />

ist Embassy eine Agentur, die auf den Markenbildungsprozess<br />

spezialisiert ist. Das hat sie mit Städten<br />

wie Berlin und Riga schon eindeutig bewiesen.“<br />

Bei der Auswahl sollten die Agenturen ein genaues<br />

Konzept vorlegen, wie der Prozess der Markenbildung<br />

<strong>von</strong> ihnen angegangen wird. Es ging<br />

dabei weniger um eine frühe Visualisierung als<br />

viel mehr um eine Skizzierung des Ablaufes. Das<br />

war Dellnitz wichtig. „Ich möchte selbst an diesem<br />

Prozess teilhaben können. Ich muss das Schiff<br />

lenken. Embassy hat mich am meisten überzeugt.“<br />

„Be late, be frozen, be Berlin“<br />

Embassy ist verantwortlich für die „Be Berlin“-<br />

Kampagne, die 2008 begonnen hat. Jeder Berliner<br />

soll Botschafter der Stadt sein, hat Gelegenheit, seine<br />

Berlin-Geschichte im Internet zu veröffentlichen.<br />

Begleitet <strong>von</strong> einem Dreiklang wie etwa, „Sei<br />

überraschend – sei erfolgreich – sei Berlin“ und einer<br />

stilisierten Sprechblase wird das „sei-Berlin-<br />

Gefühl“ in die Stadt getragen – oder eben nicht.<br />

Kai Roeger, Chefredakteur beim Berliner<br />

Stadtmagazin Zitty: „Be Berlin ist im Bewusstsein<br />

der Berliner nicht vorhanden.“ In Umfragen aus<br />

dem Jahr 2008 finden 60 Prozent der Berliner die<br />

Kampagne schlecht. Ein Blogger nennt sie „die<br />

kleine Zahnspangenschwester <strong>von</strong> ,Du bist<br />

Deutschland‘“. Es scheint, als habe sich der Dreiklang<br />

verselbstständigt – um Protest auszudrücken.<br />

Mit „Be late, be frozen, be Berlin“ beschreiben<br />

Fahrgäste die Misere der Berliner S-<br />

Bahn. Dennoch: Zahlreiche Berliner schreiben ihre<br />

Berlin-Geschichte, Senatssprecher Richard<br />

Meng spricht <strong>von</strong> einer gelungenen Präsentation<br />

Berlins als freie und offene Stadt.<br />

In Stuttgart hat sich Embassy gegen elf Agenturen<br />

durchgesetzt. Die zwei Konkurrenten der<br />

Endauswahl stammen beide aus Stuttgart: Strichpunkt<br />

und Jung Kommunikation. Es sei nichts<br />

dabei, auch als renommierte Agentur eine Ausschreibung<br />

zu verlieren, sagt Jochen Rädeker <strong>von</strong><br />

der Agentur Strichpunkt. „Doch wann immer die<br />

Stadt, die Region oder das Land in den letzten Jahren<br />

große Etats zu vergeben hatten, sind diese<br />

meist nach Berlin gegangen.“ Rädeker denkt dabei<br />

vor allem an die „Wir können alles außer<br />

Hochdeutsch“-Kampagne oder an „Das neue<br />

Herz Europas“, mit dem das Bahnprojekt Stuttgart-Ulm<br />

beworben wird. Und nun kommt wieder<br />

eine Berliner Agentur.<br />

Stuttgart selbst sieht sich als Benz-Town, als Porsche-City<br />

– als Motor Deutschlands. Glanz und Lebensart<br />

holt man sich lieber <strong>von</strong> außerhalb. Wenn<br />

das eigene Image schon nicht glänzt, dann müssen<br />

Berliner Agenturen ran, so scheint es. Dabei ist<br />

man im Ländle stolz auf die Kreativwirtschaft.<br />

„Stuttgart ist in der Kreativwirtschaft ein richtig<br />

toller Player“, betont Rädeker. „Hier leben und<br />

arbeiten bedeutende Designer, Fotografen und<br />

Architekten. Es wundert mich einfach, dass man<br />

immer dann woanders hingeht, wenn wir uns öffentlich<br />

international und national darstellen<br />

wollen.“<br />

Doch jetzt ist erst einmal Embassy am Zug.<br />

Und die werden es gar nicht so leicht haben. Marketingexperte<br />

Franco Rota <strong>von</strong> der HdM: „Viele<br />

Städteslogans sind undifferenziert, denn es ist<br />

schwierig, die vielen Eigenschaften einer Stadt auf<br />

einen Punkt zu bringen.“ Gerade Städte ohne ein<br />

historisch gewachsenes Profil sind nicht leicht zu<br />

positionieren. Dann bedarf es schon einer ungewöhnlichen<br />

Botschaft, um sie ins Gespräch zu<br />

bringen.<br />

Armin Dellnitz will deshalb weg <strong>von</strong> der bisherigen<br />

Präsentation der Vielfalt, stattdessen mit<br />

eindeutigen Impulsen werben. Dellnitz weiß dabei<br />

um die Schwächen seiner neuen Heimat. Mit<br />

dem „Schwaben“ ist kein uneingeschränkt positives<br />

touristisches Bild verbunden.<br />

Ein Marktforschungsinstitut eruiert derzeit,<br />

wie Stuttgart und die Region wahrgenommen<br />

STADT »<br />

werden. Diese Informationen sollen ein klares<br />

Bild entstehen lassen. „Das vorherrschende Image<br />

<strong>von</strong> Stuttgart ist das, wie Stuttgart vor vielen Jahren<br />

war. Dieses Bild <strong>von</strong> der pietistischen, leicht<br />

verschlafenen Stadt ist heute nicht mehr gerechtfertigt“,<br />

sagt Dellnitz.<br />

Ob eine Kampagne wirklich nachhaltig das<br />

Image einer Stadt verändern kann, ist fraglich.<br />

Rota hält es immerhin für möglich. „Wenn eine<br />

Kampagne den entsprechenden Werbedruck ausübt<br />

und bei einer Zielgruppe eine positive Reaktion<br />

auslöst, kann man etwas erreichen. Doch<br />

man muss inhaltlich und medial dran bleiben –<br />

und es ist immer auch eine Frage des Etats.“<br />

Berlin hat sich seine „Be Berlin“-Kampagne<br />

insgesamt zehn Millionen Euro kosten lassen. In<br />

Stuttgart sollen zunächst 150.000 Euro in den<br />

Aufbau einer Stuttgart-Marke gesteckt werden.<br />

Was die Kampagne letztlich kostet, lässt Dellnitz<br />

offen. Fest steht, dass 2011 das gesamte Marketing<br />

umgestellt und der Werbe-Etat <strong>von</strong> rund zwei<br />

Millionen Euro neu verteilt wird.<br />

Das Ergebnis wird mit Spannung erwartet.<br />

Hans H. Pfeifer, Sprecher der City Initiative, hat<br />

große Hoffnungen. „Das Lebensgefühl hat sich<br />

positiv entwickelt. Wir sind lebendiger, offener<br />

und internationaler geworden. Wir versprechen<br />

uns durch die Kampagne mehr Aufmerksamkeit.“<br />

Es wird nicht einfach, die Breite <strong>von</strong> Angeboten<br />

in Stuttgart auf einen Punkt zu bringen. Touristik-Chef<br />

Dellnitz hat versprochen, dass am Ende<br />

des Prozesses ein neues Erscheinungsbild stehen<br />

soll, und nicht zwanghaft ein Slogan. So sind<br />

wir hoffentlich vor „Stuttgart – Es muss kesseln“<br />

gefeit. Und können gleich einen Vorschlag einbringen:<br />

eine Stuttgarter Besonderheit, ein Platz,<br />

der glänzt, ein Punkt, der eint. Alle für diesen Text<br />

Befragten nannten als typisch Stuttgart und besonders<br />

schön: den Schloss platz!<br />

<strong>Christina</strong> <strong>Schaffrath</strong><br />

LIFT 04 10 ................15

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