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2 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

1. Bedeutung von „L3T“<br />

Weil das „Lehrbuch für Lernen und Lehren mit<br />

Technologien“ ein langer und vor allem sperriger<br />

Titel ist, haben wir ihn abgekürzt zu schlicht und<br />

einfach „L3T“. Wir bezeichnen so gleichermaßen das<br />

Lehrbuch wie auch das gesamt Projekt. Beides wird<br />

im Folgenden beschrieben sowie den rund 200 Mitwirkenden<br />

ein Dank ausgesprochen.<br />

2. Zielgruppe und Themenfeld<br />

Ein Lehrbuch richtet sich an Lernende, die sich ein<br />

Forschungs- und Praxisgebiet erschließen möchten<br />

und an Lehrende in Studiengängen im jeweiligen<br />

Themenfeld, die Anregungen und Unterlagen für<br />

ihren Unterricht suchen. Das Themenfeld „Lernen<br />

und Lehren mit Technologien“ ist dabei weit gefasst:<br />

Es beinhaltet alle Lern- und Lehrprozesse<br />

sowie -handlungen, bei denen technische, vor allem<br />

elektronische (zumeist auch digitale) Geräte<br />

und/oder dafür erstellte Anwendungen eingesetzt<br />

werden. Ein besonderes, aber nicht ausschließliches,<br />

Augenmerk liegt dabei auf Anwendungen und<br />

Geräte der Informations- und Kommunikationstechnologien<br />

(IKT). Dieses Lehrbuch für Lernen und<br />

Lehren mit Technologien wendet sich also an Studierende<br />

und Lehrende in einem interdisziplinären Themenfeld,<br />

das Aspekte von Pädagogik, Informatik,<br />

Psychologie und zahlreichen angrenzenden Wissenschaftsgebieten<br />

berührt.<br />

3. Inhalt im Überblick<br />

In fast 50 Kapiteln werden unterschiedliche Facetten<br />

und Aspekte des Fachbereichs ausgewählt. Der<br />

Bogen ist dabei weit gespannt: Von eher historischen<br />

Beiträgen, welche die Entwicklung von „Hypertext“<br />

oder des Fernunterrichts beschreiben, über<br />

eine Reihe von Beiträgen, die einzelne Theorien und<br />

Forschungsansätze aufgreifen, bis zu Beschreibungen<br />

des Einsatzes von Technologien in ausgewählten Bildungssektoren<br />

und Fachgebieten. Viele davon behandeln<br />

Themen, die derzeit in den (akademischen)<br />

Aus- und Weiterbildungsprogrammen behandelt<br />

werden. Es gibt aber auch eine Reihe von Beiträgen,<br />

die nicht zum eigentlichen Kerncurriculum des Fachbereichs<br />

gehören, aber deutlich machen, wie vielfältig<br />

und unterschiedlich der Einsatz von Technologien<br />

behandelt wird. Ein gutes Beispiel dafür sind die Beiträge<br />

zum Technologieeinsatz im Kindergarten und<br />

zur Entwicklungszusammenarbeit. Einige Kapitel<br />

sind für Studierende, die Informatik oder Pädagogik<br />

studieren weniger interessant, da sie ihnen bereits bekannte<br />

Inhalte beschreiben werden. Umgekehrt, und<br />

auch für all diejenigen, die keine Vorkenntnisse in der<br />

Informatik und Pädagogik haben, sollten diese einführenden<br />

Kapitel aber hilfreiche Unterstützung<br />

bieten.<br />

Viele der Themen, die im Lehrbuch behandelt<br />

werden, finden sich auf der nächsten Seite als Abbildung<br />

2 in der L3T-Landkarte wieder: Visualisiert<br />

als Städte, Gebirge, Seen, Inseln usw. kann man hier<br />

die Gegenden (Themengebiete) des Lehrbuchs erkunden.<br />

!<br />

4. Zugänge zum Lehrbuch<br />

Das Lehrbuch und seine Kapitel erscheinen in unterschiedlichen<br />

Formen. Zunächst einmal gibt es alle<br />

Kapitel mit freiem Zugang am Webportal von L3T:<br />

http://l3t.eu. Um das Einbinden der Kapitel, beispielsweise<br />

in Weblogs, zu ermöglichen gibt es alle<br />

Kapitel auch im L3T-Slideshare-Account (http://www.slideshare.net/L3Tslide).<br />

Alle Kapitel sind mit einer Creative-Commons-<br />

Lizenz versehen, die es erlaubt, die Beiträge im Unterricht<br />

zu nutzen, sie zu versenden oder sie auch auf<br />

anderen Plattformen zur Verfügung zu stellen. Wer<br />

sicher gehen will, eine aktuelle Version eines Kapitels<br />

zu haben, sollte jedoch direkt auf die L3T-Website<br />

zugreifen. Den genauen Text der Lizenz (siehe Abbildung<br />

1) kann man im Internet nachlesen beziehungsweise<br />

bei Unsicherheit oder zu weiteren Absprachen<br />

bei uns auch erfragen (siehe http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/).<br />

Abbildung 1: Die verwendete Lizenz<br />

Für Nutzer/innen von iPhone und Android Mobiltelefonen<br />

gibt es jeweils eine App, die das komfortable<br />

Lesen der Kapitel auf den entsprechenden mobilen<br />

Endgeräten möglich macht.<br />

!<br />

Das Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien<br />

ist auf der Homepage hKp://l3t.eu zugänglich. Dort<br />

findet man viele weitere Möglichkeiten und InterakE-­‐<br />

onsangebote, die es erlauben, zu diskuEeren oder<br />

weitere Inhalte zu erlangen.<br />

Sie können jederzeit mit den Herausgebern des<br />

Buches in Kontakt treten, entweder unter marEn.eb-­‐<br />

ner@l3t.eu oder sandra.schoen@l3t.eu.


Einleitung. Zum Lehrbuch und dem etwas anderen Lehrbuchprojekt— 3


4 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

!<br />

Die Apps im Überblick:<br />

▸ iPhone: hKp://itunes.apple.com/de/app/iojs/-­‐<br />

id396906126?mt=8<br />

▸ Android: hKp://213.173.74.11/Open%20Journal<br />

%20Systems%20for%20Android.apk<br />

Weiters gibt es auch ein Kapitel (siehe #ipad) als iPad<br />

App:<br />

▸ hKp://itunes.apple.com/at/app/l3tmedia/id41546<br />

5498?mt=8<br />

Ergänzend gibt es das Lehrbuch ab Mai 2011 auch<br />

als gedrucktes Buch. Zwei Varianten werden dabei<br />

zur Verfügung stehen: Eine hochwertige, fest gebundene<br />

und farbige Version („Bibliotheksversion“)<br />

und eine einfache, in schwarz-weiß gedruckte, kostengünstige<br />

Variante („Studierendenversion“). Das<br />

Buch ist als Service für alle gedacht, die gerne blätternd<br />

schmöken, mit dem Stift markieren, bei gleißendem<br />

Sonnenschein lesen möchten oder wenn ausnahmsweise<br />

kein digitales Endgerät vorhanden ist.<br />

5. Gliederung des Lehrbuchs<br />

Es ist nicht simpel, nahezu 50 Kapitel in eine Reihenfolge<br />

zu bringen, die für alle Leser/innen mit unterschiedlichen<br />

Voraussetzungen die richtige ist. Es ist<br />

wohl auch nicht möglich. Die Kapitel wurden zunächst<br />

drei Hauptgruppen zugeteilt: Beiträge, die als<br />

Einstiegstexte Übersichten geben, welche für viele<br />

weitere Kapitel Voraussetzungen sind, wurden dem<br />

Abschnitt „<strong>Einführung</strong>“ zugeordnet. Dann gibt es<br />

eine Reihe von Beiträgen, von denen wir annehmen,<br />

dass sie derzeit zum Kerncurriculum gehören, da sie<br />

Themen ansprechen, die in den Basismodulen aktueller<br />

Fortbildungsangebote aufgezählt werden (siehe<br />

Kapitel #telweiterbildung). Diese Beiträge finden<br />

sich im Abschnitt „Vertiefung“. Obwohl die Zahl<br />

der Beiträge groß ist, werden in dieser ersten<br />

Ausgabe von L3T noch nicht alle Grundlagenthemen<br />

abgedeckt, hier werden Ergänzungen notwendig sein.<br />

Schließlich gibt es noch – auch in großer Zahl –<br />

Kapitel, die über das (aktuelle) Kerncurriculum hinausgehen.<br />

Diese wurden schließlich dem Abschnitt<br />

„Spezial“ zugeordnet. Es sind Beiträge, die den<br />

Einsatz von Technologien zum Lernen und Lehren<br />

in bestimmten Bildungssektoren oder zu Fachgegenständen<br />

(„Schulfächern“) beschreiben. Zu diesem Bereich<br />

gehören aber auch Beiträge die den Einsatz von<br />

Werkzeugen und Methoden beschreiben oder einzelne<br />

theoretische Zugänge und Forschungsansätze<br />

beschreiben. Es kann übrigens durchaus sein, dass<br />

die Beiträge in diesem Sektor für das eigene Studium<br />

oder Lehrgebiet zentral sind!<br />

In der Online-Version des Lehrbuchs und auf der<br />

ersten Seite der Kapitel gibt es jeweils eine Reihe von<br />

weiteren Schlagworten, mit denen die Kapitel versehen<br />

wurden. Diese Schlagworte sind kleingeschrieben<br />

und beginnen mit einem Doppelkreuz,<br />

dem sogenannten „Hash“ (engl. „hashtag“). Das<br />

erste Schlagwort ist der eindeutige Begriff für dieses<br />

Kapitel, unter dem es adressierbar und damit referenzierbar<br />

ist. Die weiteren wurden mehrfach vergeben,<br />

so dass sich mit ihrer Hilfe die Kapitel auf weitere<br />

Arten auswählen und gruppieren lassen. Man kann<br />

zum Beispiel so schnell einen Überblick über Inhalte<br />

bekommen, die eher Theorien und Forschung thematisieren<br />

(versehen mit #theorieforschung).<br />

!<br />

Das Lehrbuch verwendet zur Referenzierung der ein-­‐<br />

zelnen Kapitel Hashtags (#). Damit können Verweise<br />

ohne einer weiteren Nummerierung gesetzt bezie-­‐<br />

hungsweise auch Verknüpfungen mit Online-­‐Diensten<br />

hergestellt werden (durch die Eingabe der entspre-­‐<br />

chenden Tags).<br />

Ebenso auf der ersten Seite im Kasten befinden sich<br />

drei „Doktorhüte“. Sie stellen eine Visualisierung<br />

der sprachlichen Anforderungen, die die Kapitel an<br />

die Leser/innen stellen, dar. Es ist für uns ein erster<br />

Versuch, visuell zu kennzeichnen, wie herausfordernd<br />

es für Leser/innen, ist, vor allem für solche mit wenig<br />

einschlägigem Vorwissen, das jeweilige Kapitel zu<br />

lesen: Artikel mit einem Doktorhut sind tendenziell<br />

einfacher verständlich als solche mit zwei. Die Einschätzung<br />

erfolgte dabei auf Grundlage sorgfältiger<br />

Analysen einer Studentin, die beispielsweise die Zahl<br />

der Fremdwörter, die Länge der Sätze und die Anschaulichkeit<br />

der Sprache feststellt. Ob und inwieweit<br />

diese Einschätzung und deren Visualisierung den Leserinnen<br />

und Lesern hilft, wird sich zeigen. Jedenfalls<br />

wird diese Einstufung von jener Studentin weiter evaluiert.<br />

Über Rückmeldungen freuen wir uns natürlich.<br />

6. Gestaltung der Kapitel<br />

Allen Kapiteln ist gemein, dass sie neben einer Zusammenfassung,<br />

einer kurzen Einleitung sowie einem<br />

kurzen Fazit in das Themenfeld einführen und einen<br />

Überblick geben. Die Autorinnen und Autoren<br />

wurden dabei gebeten, wichtige Aussagen oder Bemerkenswertes<br />

zu kennzeichnen; solche Aussagen<br />

wurden in Kästchen gesetzt (Kennzeichnung: Rufzeichen).<br />

Ebenso erhalten alle Kapitel eine Reihe von<br />

Aufgaben unterschiedlicher Natur, die ebenso markiert<br />

wurden (Kennzeichung: Fragezeichen). Neben<br />

Reflexions- und Wiederholungsfragen für einzelne


Lernende und Leser/innen sind dies auch oft Aufgaben,<br />

die im Rahmen von Seminaren in kleinen<br />

Gruppen bearbeitet werden können.<br />

Fast alle Kapitel haben abschließend auch eine<br />

oder mehrere graue Kästen, die mit „In der Praxis“<br />

überschrieben werden. Hier wird versucht, die konkrete<br />

Praxis zu beschreiben und Einblick in die tägliche<br />

Arbeit zu geben. In Forschungskapiteln kann<br />

dies auch als „Forschungspraxis“ zur Beschreibung<br />

von einzelnen Untersuchungen und Experimenten<br />

ausgewiesen sein.<br />

7. Weitere Materialien zu den Kapiteln<br />

Das erste Schlagwort im grauen Kasten auf der<br />

ersten Seite (bei dieser Einleitung ist es zum Beispiel<br />

#einleitung) ermöglicht es, diesem Kapitel auch noch<br />

weitere Materialien zuzuordnen, die im Internet zu<br />

finden sind. Wir nutzen dabei insbesondere, aber<br />

nicht ausschließlich, den Social-Tagging-Service<br />

Mister Wong (http://www.mister-wong.de-<br />

/user/l3t/). Mit den entsprechenden Schlagworten<br />

lassen sich hier Internetadressen zu Videos und weiteren<br />

Informationen zu den Artikeln finden, beispielsweise<br />

Anwendungsbeispiele oder auch Vertiefungsliteratur<br />

(sofern sie frei im Web zugänglich ist).<br />

!<br />

Für dieser Einleitung hat uns Harald Schmid eine<br />

Reihe von empfehlenswerten Webquellen gesammelt,<br />

die bei Mister Wong mit #l3t und #beispiel zu finden<br />

sind.<br />

8. Das etwas andere Projekt<br />

L3T ist kein klassisches Lehrbuch. Auch der Prozess<br />

der Entstehung unterscheidet sich von anderen vergleichbaren<br />

Lehrbüchern. So gab es weder ein kleines<br />

Autorenteam für das Gesamtwerk noch Einladungen<br />

an ausgewählte Wissenschaftler/innen einzelne Kapitel<br />

zu schreiben. Es gab vielmehr im April 2010<br />

einen offenen Aufruf an alle Interessierten, sich zu<br />

bewerben. Neben ausführlichen schriftlichen Informationen<br />

sorgte ein Video bei YouTube mit dem<br />

Aufruf zum Mitmachen für große Resonanz.<br />

Abbildung 3: Screenshot vom Call-­‐for-­‐Chapters<br />

Einleitung. Zum Lehrbuch und dem etwas anderen Lehrbuchprojekt— 5<br />

Mehr als 130 potentiellen Mitschreiber/innen<br />

wurden danach Themen zugeordnet und wurden gebeten,<br />

sich mit den ihnen teils unbekannten Personen<br />

in Autorenteams zu finden und gemeinsam Artikel<br />

zu schreiben. Das war kein leichtes Unterfangen und<br />

klappte auch nicht immer reibungslos.<br />

Es war keine Vorraussetzung oder Notwendigkeit,<br />

aber vielfach wurden Werkzeuge eingesetzt, um die<br />

die Zusammenarbeit zu unterstützen, die auch in<br />

diesem Lehrbuch vorgestellt werden: beispielsweise<br />

Videokonferenzen, Wikis und geteilte Dokumente<br />

(zum Beispiel Etherpad oder Google Docs; siehe Kapitel<br />

#kollaboration). Zu der Kooperation der Teams<br />

wurden von einer Studentin im Rahmen einer Masterarbeit<br />

Befragungen durchgeführt, die bisher noch<br />

nicht veröffentlicht wurden.<br />

Auch die Begutachtung der Kapitel erfolgte nicht<br />

auf dem üblichen Weg einer anonymen Begutachtung:<br />

Nachdem die Namen der Autorinnen und<br />

Autoren, zumindest deren erste Zusammensetzung<br />

bekannt war, wollten wir den Gutachterinnen und<br />

Gutachtern nicht den „Schutz“ der Anonymität<br />

geben, sondern vielmehr einen offenen und konstruktiven<br />

Austausch über die Verbesserungsmöglichkeiten<br />

der Kapitel initiieren und bieten. Wir<br />

hatten den Eindruck, dass die Gutachten auch durch<br />

diese Transparenz insgesamt detaillierter und konstruktiver<br />

waren, als es bei anonymen Gutachten der<br />

Fall ist, wie man sie von herkömmlichen Konferenzen<br />

kennt. Hilfreich war offensichtlich auch für<br />

viele Autorinnen und Autoren, dass sie andere Kapitel<br />

und deren Vorgehensweise lesen konnten.<br />

Um alle Beteiligten und Interessierte auf dem Laufenden<br />

zu halten, um die Aktivitäten zu koordinieren<br />

sowie, um auch potentielle Leser/innen zu gewinnen,<br />

wurde unter anderem eine Facebook-Seite angelegt<br />

(http://facebook.com/l3t.eu). Zahlreiche Socia-<br />

Media-Aktivitäten, beispielsweise ein „Dankeschön“-<br />

Film für die Gutachter/innen oder gesungene und<br />

gezeichnete Adventsgrüße, die im Adventskalender<br />

von e-teaching.org versteckt waren, sorgten für kontinuierlich<br />

wachsende Aufmerksamkeit und regelmäßigen<br />

Austausch von vielen Mitwirkenden.<br />

!<br />

Die Social-­‐Media AkEvitäten von L3T im Überblick:<br />

▸ Facebook: hKp://facebook.com/l3t.eu<br />

▸ TwiKer: Verwendung des Hashtags #l3t<br />

▸ Mister Wong: hKp://www.mister-­‐wong.de/user-­‐<br />

/l3t/<br />

▸ Flickr-­‐Gruppe: hKp://www.flickr.com/groups/l3t/<br />

▸ Vodpod: hKp://vodpod.com/l3tvideo<br />

▸ Slideshare: hKp://www.slideshare.net/L3Tslide<br />

▸ CiteULike: hKp://www.citeulike.org/group/13885


6 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

Dankeschön!<br />

Autorinnen und Autoren<br />

Mehr als 130 wollten mitmachen, 115 Wissenschaqler/innen<br />

und PrakEker/innen haben schließlich bei den Beiträgen mit-­‐<br />

geschrieben die veröffentlicht wurden (in alphabeEscher Rei-­‐<br />

henfolge): Heidrun Allert, Nicolas Apostolopoulos, Ralf<br />

Appelt, Patricia Arnold, Michael E. Auer, Andreas Auwärter,<br />

Peter Babnik, Peter Baumgartner, Gabriele Bäuml-­‐Westebbe,<br />

Andrea Belliger, ChrisEan Böhler, Taiga Brahm, Klaus Bredl,<br />

Gerlinde Buchberger, Ilona Buchem, Philipp Budka, Johanna<br />

Chardaloupa, Johannes Dorfinger, MarEn Ebner, Marc Egloff-­‐<br />

stein, Jan Ehlers, Ulf-­‐Daniel Ehlers, Andreas Eitel, Bernhard<br />

Ertl, Corinna Fink, Roland Gabriel, Claudia Gartler, MarEn<br />

Gersch, Susanne GruKmann, Andreas Hebbel-­‐Seeger, Verena<br />

Heckmann, Lambert Heller, Kathrin Helling, Jacqueline<br />

Henning, Erich Herber, Ilona Herbst, Wolf Hilzensauer, An-­‐<br />

dreas Holzinger, Tanja Jadin, Tobias Jenert, Susan Jolie,<br />

Sascha Kaiser, Marco Kalz, Frank Kappe, Stefan Karlhuber,<br />

Uwe Katzky, Severin Kierlinger-­‐Seiberl, Dirk Krause, Rolf<br />

Kretschmann, David Krieger, Clemens Kroell, Marc Krüger,<br />

Son Le, ChrisEan Lehr, André Lenich, Volker Lichtenthäler,<br />

Conrad Lienhardt, MarEn Lindner, Markus Linten, Anja<br />

Lorenz, Mark Markus, Johannes Maurek, Klaus Meschede,<br />

Johannes Metscher, Günter Mey, Klaus Miesenberger, Katja<br />

Mruck, Ursula Mulley, Walther Nagler, Manuela Pächter, Ste-­‐<br />

fanie Panke, Georgios Perperidis, Markus Peschl, Andreas<br />

Pester, Birgit Peterson, Günter Podlacha, Robert Pucher,<br />

Peter Purgathofer, Gergely Rakoczi, Klaus Reich, Gabi<br />

Reinmann, Christoph Richter, Jochen Robes, BrigiKe<br />

Römmer-­‐Nossek, Detlev Roth, ChrisEan Safran, Werner<br />

Sauter, Steffen Schaal, Claudia Schallert, Elisabeth Schallhart,<br />

Mandy Schiefner, Bernhard Schmidt-­‐Hertha, Sandra Schön,<br />

Rolf Schulmeister, Heike Seehagen-­‐Marx, Kai Sostmann,<br />

ChrisEan Spannagel, Marcus Specht, KersEn Stöcklmayr,<br />

Maria Süß, Michael Tesar, Thorsten Trede, Claus Usener,<br />

Markus Vogel, Frank Vohle, Stephan Waba, Günter Wage-­‐<br />

neder, Peter Weber, Kirsten Wessendorf, Marc Widmer,<br />

Diana Wieden-­‐Bischof, Sabine Zauchner, Olaf Zawacki-­‐<br />

Richter, Elisabeth Zimmermann und Isabel Zorn.<br />

Gutachterinnen und Gutachter:<br />

Etliche Autorinnen und Autoren waren auch als eine/r der<br />

über 80 Gutachter/innen akEv. Darüberhinaus waren im<br />

Einsatz: Tanja Adamus, Corinna Bath, Gerhard Bisovsky,<br />

MaKhias Bohling, Conny Christl, Kai Du, Bernhard Ertl, Rü-­‐<br />

diger Fries, Gudrun Gaedke, Dörte Giebel, Ortrun Gröblinger,<br />

Wolfgang Greller, Leo Hamminger, Ralf Hauber, Kurt<br />

Hoffmann, Sandra Hovues, Veronika Hornung-­‐Prähauser,<br />

Sieglinde Jakob-­‐Kühn, Anja Janus, Doris Junghuber, Rene<br />

Kaiser, Inge-­‐Anna Koleff, Monika Lehner, Stephanie Lipp,<br />

Bernhard Maier, Claus Rainer Michalek, Johannes Moskaliuk,<br />

Günter Nimmerfall, Annabell Preussler, Guido Rössling,<br />

Herwig E. Rehatschek, Gudrun E. Reimerth, Wolfgang Rein-­‐<br />

hardt, Anita Reitz, Wolfgang Renninger, MarEn Schön, Chri-­‐<br />

stoph Scheb, Harald M. Schmid, Joel Schmidt, ChrisEna<br />

Schwalbe, Anastasia Sfiri, Almut Sieber, ChrisEan SiKe, Helge<br />

Städtler, Helmut Stemmer, Behnam Taraghi, Olaf Thiemann,<br />

Ellen Trude, Frank Weber und Ulrich Weber.<br />

Illustra3onen<br />

Es konnte auch kreaEv an L3T mitgewirkt werden, viele<br />

haben speziell für L3T gezeichnet, fotografiert und illustriert.<br />

Das waren einige Autorinnen und Autoren, aber auch Wey-­‐<br />

Han Tan, Miriam Krekels und Oliver Toman. Darüber hinaus<br />

auch allen ein herzliches Dankeschön, die L3T Abdruckrechte<br />

erteilten oder ihre Materialien mit entsprechend freien Li-­‐<br />

zenzen zur Verfügung stellen.<br />

Und dann sind da noch:<br />

Schließlich hat L3T auch für große weitere Unterstützung ge-­‐<br />

funden: Es entstanden eine Reihe von Videos mit Exper-­‐<br />

Ennen und Experten, es gab auch AkEvitäten für Kapitel, die<br />

sich zerschlagen haben und dennoch mühevoll waren, auch<br />

gab es vielfälEge Unterstützung bei der Bewerbung des<br />

Aufrufs für Einreichungen und des Projektes. Wir danken –<br />

neben allen bereits genannten – hier: Josef Altmann, An-­‐<br />

dreas Auinger, Theo BasEens, Markus Deimann, ChrisEan<br />

Glahn, Marion R. Gruber, Herwig Habenbacher, JeaneKe<br />

Hemmecke, Klaus Himpsl, Peter A. Henning, Nina Heinze,<br />

Kurt Hoffmann, Stefan Iske, Narayanan Kulathuramaiyer,<br />

Hermann Maurer, KersEn Mayrberger, Andre Mersch, Felix<br />

Mödritscher, Herbert Mühlburger, Joachim Niemeier, Alex-­‐<br />

ander Nischelwitzer, MarEn Raske, Karin Redl, Siegfried<br />

Reich, Verena Rexeis, Heimo Sandtner und Harald Schmid.<br />

Zu guter Letzt: Der enge Kreis<br />

Ein ganz besonderen Dank gilt dem engen Kreis um L3T:<br />

Gregor Brandweiner, Michael Kopp, Clemens Kroell, Walther<br />

Nagler, Verena Rexeis, Barbara Rossegger sowie MarEn<br />

Schön und dem Verein „bims e.V.“. Weil wir jetzt in Schwung<br />

sind, bedanken wir uns auch gleich gegenseiEg: Danke<br />

MarEn, danke Sandra für die gute Laune bis zum Schluss!<br />

Und schließlich: Einen lieben Dank bei unseren großarEgen<br />

Kindern, die uns voll Tatendrang unterstützten – ob es Filme<br />

drehen, BuKons gestalten, WerbemiKel bekleben oder<br />

Cartoon zeichnen war, oder sie uns auch einfach von der<br />

vielen Arbeit ablenkten: Ihr seid großarEg und wir haben<br />

Euch sehr, sehr lieb!


In Kenntnis pädagogischer Prinzipien, nämlich,<br />

dass man gemeinsames Lernen und Arbeiten auch<br />

feiern muss, hat der Verein bims e.V. zu Sylvester<br />

2010 auch im Namen von L3T eine Flash-Party<br />

steigen lassen und wir hoffen, dass sich auch viele<br />

beim Live-Stellen der Online-Ausgabe zum Mitfeiern<br />

finden.<br />

9. Danke, danke, danke!<br />

Natürlich muss so ein Projekt, das im Verlauf ständig<br />

wuchs und größere Ausmaße als geplant annahm,<br />

von zahlreichen Mitstreiterinnen und Mitstreitern<br />

mitgetragen und unterstützt werden. Wir möchten<br />

versuchen alle Beteiligten namentlich zu nennen und<br />

entschuldigen uns bei allen, die wir dann doch im<br />

Eifer des Gefechts übersehen haben. Es ist schwierig,<br />

bei ungefähr 200 Mitwirkenden den Überblick zu<br />

behalten (siehe Box „Dankeschön!“).<br />

10. Und so geht es weiter<br />

L3T war zu Beginn der ambitionierte Versuch, etwas<br />

Neues und Anderes zu schaffen: ein frei zugängliches,<br />

interdisziplinäres Lehrbuch, (auch) mit neuen<br />

Theorien und Werkzeugen, geschaffen von der<br />

„Community“. Daraus geworden ist ein großes<br />

Projekt mit einer beeindruckenden Zahl von Beteiligten,<br />

mit großem Engagement auf allen Seiten und<br />

viel Begeisterung aller Mitwirkenden.<br />

Natürlich muss es weitergehen, müssen auch die<br />

Kapitel verbessert und erneuert werden und müssen<br />

auch Artikel ergänzt werden. Trotzdem sehen wir<br />

auch nach der ersten L3T-Runde, dass hierzu nicht<br />

nur viel (private) Zeit notwendig ist, sondern, um es<br />

Einleitung. Zum Lehrbuch und dem etwas anderen Lehrbuchprojekt— 7<br />

nachhaltig gestalten zu können, auch finanzielle<br />

Grundlagen geschaffen werden müssen. Auch ist es<br />

uns ein Anliegen, den Beteiligten ein Exemplar des<br />

Buches kostenfrei oder wenigstens kostengünstiger<br />

zugänglich zu machen.<br />

In den folgenden Monaten werden wir daher versuchen,<br />

durch Patenschaften für Kapitel der<br />

Online-Ausgabe entsprechende Einnahmen zu erwirtschaften,<br />

die für laufende Ausgaben und die mittelfristige<br />

Ko-Finanzierung zukünftiger Ausgaben<br />

notwendig sind. Es wird trotzdem großes ehrenamtliches<br />

Engagement und institutioneller Unterstützung,<br />

beispielsweise durch die Arbeitgeber der<br />

Beteiligten, notwendig sein, hier Ressourcen zu<br />

sammeln um L3T in einer neuen Auflage zu veröffentlichen.<br />

Bis dahin gibt es jedoch allerhand zu tun, und zum<br />

Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Einleitung<br />

wissen wir selbst noch nicht im Detail, was alles im<br />

Bezug auf L3T passieren wird. Vor einem Jahr hatten<br />

wir die Idee, ein Lehrbuch zu initiieren ja noch nicht<br />

einmal ausgesprochen – wie sollen wir jetzt wissen,<br />

was in den nächsten drei Jahren passiert!<br />

11. Ach ja: Nobody is perfect<br />

… oder, auf Deutsch: Es ist noch keine Meisterin,<br />

kein Meister vom Himmel gefallen. Es ist unser<br />

erstes Lehrbuch und unser bisher größtes Projekt –<br />

was die Zahl der Mitwirkenden, nicht das Budget betrifft.<br />

Fehler bitten wir zu verzeihen und uns zu<br />

melden, danke!<br />

Die Herausgeber (info@l3t.eu)


MarBn Ebner, Sandra Schön und Walther Nagler<br />

<strong>Einführung</strong><br />

Das Themenfeld „Lernen und Lehren mit Technologien“<br />

Dieser Beitrag stellt einen ersten EinsBeg in das Themengebiet des Lernens und Lehrens mit Technologien<br />

dar. Was wird eigentlich darunter verstanden? Als zentrale Begriffe werden das technologiegestützte<br />

Lernen und Lehren (engl. „technology-­‐enhanced learning“), E-­‐Learning sowie das Lernen mit neuen<br />

Medien erklärt. Auch wird in die pädagogischen Grundbegriffe aus dem Bereich des Lernens und Lehrens<br />

sowie in Lerntechnologien eingeführt. Weil das Themen-­‐ und Forschungsfeld des technologiegestützten<br />

Lernens und Lehrens interdisziplinär ist, werden die wichBgsten Zugänge vorgestellt. Die zunehmende Zahl<br />

an Lehrstühlen, Forschungseinrichtungen und Studiengängen werden als Indizien für eine Konsolidierung<br />

des Themenfelds als Forschungsgebiet interpreBert. Die gebotene Kürze verhindert eine ausführliche Dis-­‐<br />

kussion, insbesondere der Grundbegriffe. Deshalb möchten wir darauf hinweisen, dass wir hier nur ausge-­‐<br />

wählte Zugänge und Meinungen präsenBeren können.<br />

Quelle: Ralf Appelt,<br />

URL: hDp://www.flickr.com/photos/adesigna/2946164861/ [2011-­‐01-­‐10]<br />

Jetzt Pate werden!<br />

#grundlagen<br />

#einfuehrung<br />

#forschungsfeld<br />

Version vom 1. Februar 2011<br />

Für dieses Kapitel wird noch ein Pate gesucht,<br />

mehr InformaBonen unter: hDp://l3t.eu/patenschaG


2 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

1. Einleitung: Lernen und Lehren mit Technologien<br />

Es gibt einige deutschsprachige Sammelwerke und<br />

Handbücher, die sich mit technologiegestütztem<br />

Lernen und Lehren beschäftigen: Das sind teils <strong>Einführung</strong>en<br />

zum Online-Lernen (Issing & Klimsa,<br />

2008), Handbücher zum E-Learning (Hohenstein &<br />

Wilbers, 2002 mit laufenden Aktualisierungen), aber<br />

auch Bücher für Praktiker/innen mit Titeln wie zum<br />

Beispiel „Innovative Lernsysteme“ (Kuhlmann &<br />

Sauter, 2008). Für Fachfremde nicht unmittelbar als<br />

Veröffentlichung in diesem Bereich erkennbar sind<br />

Bücher mit Titeln wie zum Beispiel das „CSCL-Kompendium“<br />

(Haake et al., 2004). Allen diesen Werken<br />

gemeinsam ist, dass sie unterschiedliche Aspekte des<br />

Lernens und Lehrens mit Technologien behandeln.<br />

Dieses Lehrbuch stellt das Unterfangen dar, das<br />

Themenfeld als Lerntexte für Studierende aufzubereiten.<br />

Wir haben dazu den Titel „Lehrbuch für<br />

Lernen und Lehren mit Technologien“ gewählt.<br />

Nun fällt die Entscheidung des Titels eines<br />

solchen Werkes nicht ad hoc. Genau genommen,<br />

geht es weniger um sogenannte „Technologien“,<br />

worunter die „Wissenschaft zur Technik“ verstanden<br />

wird, sondern um Technik, also technische Geräte,<br />

vor allem um elektronische (und heute primär auch<br />

digitale) Geräte und Hilfsmittel. Wir hatten auch in<br />

Erwägung gezogen, im Lehrbuchtitel von „Technik“<br />

zu sprechen. Im Themenfeld hat sich jedoch im<br />

deutschsprachigen Raum die Bezeichnung „Technologien“<br />

durchgesetzt: Die englische Sprache dominiert<br />

hier die wissenschaftliche Kommunikation und<br />

kennt keine Unterscheidung zwischen „Technik“ und<br />

„Technologie“. In der internationalen, englischsprachigen<br />

Diskussion ist von „technologies“ die Rede.<br />

Auch im Deutschen spricht man heute selten vom –<br />

eigentlich korrekten – Lernen und Lehren mit<br />

Technik, sondern vom Lernen und Lehren mit Technologien.<br />

?<br />

Bevor Sie weiterlesen, haben wir eine BiDe an Sie:<br />

BiDe nehmen Sie sich kurz Zeit und formulieren Sie<br />

schriGlich, an welche Technologien Sie beim Lernen<br />

und Lehren mit Technologien denken.<br />

Die Liste der Technologien, die beim Lernen und<br />

Lehren eingesetzt werden, ist lang und entwickelt sich<br />

ständig weiter. Es ist nicht trivial zu definieren,<br />

welche Technologien Lerntechnologien sind und<br />

welche nicht (Dror, 2008). Unter Lerntechnologien<br />

werden oft primär digitale Geräte und Anwendungen<br />

verstanden, welche zur Unterstützung des Lernens<br />

und Lehrens eingesetzt werden (Chan et al., 2006).<br />

Dazu zählen beispielsweise:<br />

▸ Präsentationstechnologien wie der Tageslichtprojektor<br />

oder Diaprojektor,<br />

▸ Kommunikationstechnologien wie Telefone oder<br />

Faxgeräte,<br />

▸ Computertechnologien wie der Personal Computer<br />

und Laptops,<br />

▸ Internettechnologien wie E-Mail und das World<br />

Wide Web sowie auch<br />

▸ Sensortechnologien wie RFID oder GPS bei Mobiltelefonen.<br />

!<br />

Lernen und Lehren mit Technologien umfasst alle<br />

Lern-­‐ und Lehrprozesse sowie -­‐handlungen, bei denen<br />

technische, vor allem elektronische (zumeist auch di-­‐<br />

gitale) Geräte und Anwendungen verwendet werden.<br />

Ein besonderes, aber nicht ausschließliches Au-­‐<br />

genmerk liegt dabei auf Anwendungen und Geräte der<br />

InformaBons-­‐ und KommunikaBonstechnologien.<br />

2. Grundbegriffe im Themenfeld<br />

Was bedeuten Begriffe wie „technologiegestütztes<br />

Lernen“, „E-Learning“ oder „Lernen mit neuen<br />

Medien“? Erwartungsgemäß werden die zahlreichen<br />

Begriffe im Themenfeld variantenreich eingesetzt,<br />

dennoch entwickelte sich hier in den letzten zwanzig<br />

Jahren ein gewisser Konsens in der Verwendung der<br />

Begriffe und welche Technologien dabei im Einsatz<br />

sind.<br />

Der Begriff „Technologiegestütztes Lernen“ bzw. „Tech-­‐<br />

nology-­‐Enhanced Learning“<br />

Der Begriff des „Technology-Enhanced Learning“<br />

beziehungsweise des „technologiegestützten<br />

Lernens“ (oder „technologisch gestützten Lernens“)<br />

ist der Begriff, welcher die weiteste Spanne von Technologien<br />

umfasst, mit deren Hilfe Aktivitäten des<br />

Lernens unterstützt werden. Immer, wenn in einer<br />

Lern- oder Lehrsituation Technologien zum Einsatz<br />

kommen, kann vom technologiegestützten oder technologisch<br />

gestützten Lernen gesprochen werden<br />

(Dror, 2008). Dies ist beispielsweise also auch dann<br />

der Fall, wenn im Unterricht ein Film gezeigt wird<br />

oder ein Schulkind eine Klassenkameradin anruft, um<br />

Unterstützung bei der Hausaufgabe zu erhalten.<br />

Der Begriff „E-­‐Learning“<br />

Der Begriff „E-Learning“ ist im Englischen wie im<br />

Deutschen geläufig. Das „E“ steht dabei, wie auch<br />

bei der „E-Mail“ als Abkürzung des Wortes „electronic“,<br />

also „elektronisch“. Wenn Forscher/innen


und Praktiker/innen aus dem Bereich des technologiegestützten<br />

Lernens von ihrem Arbeitsfeld berichten,<br />

fällt häufig das Schlagwort „E-Learning“.<br />

Darunter wird jedoch nicht unbedingt Einheitliches<br />

verstanden.<br />

Das erste Mal fiel der Begriff „E-Learning“ vermutlich<br />

mit der <strong>Einführung</strong> von ersten Computeranwendungen<br />

die Lernende unterstützten, beispielsweise<br />

Wortschatztrainer. Diese ersten Computerlernprogramme<br />

(engl. „computer based training“, CBT)<br />

erlaubten keine Interaktion mit anderen Lernenden<br />

oder Lehrenden. Mit der <strong>Einführung</strong> des Internets<br />

und später des World Wide Webs wurden die Möglichkeiten<br />

eines weltweiten Zugangs zu solchen Angeboten<br />

genutzt sowie auch die Interaktion und der<br />

Austausch mit anderen Benutzer/innen gefördert:<br />

Während zunächst Selbstlernmaterialien im Vordergrund<br />

standen, entwickelten sich schnell interaktive<br />

Formate, wie beispielsweise virtuelle Seminare, also<br />

Lehrveranstaltungen, die im Wesentlichen auf dem<br />

textbasierten Austausch der Teilnehmer/innen beruhten.<br />

!<br />

Der Begriff des E-­‐Learning wird häufig dann ver-­‐<br />

wendet, wenn Computer in Netzwerken (insbe-­‐<br />

sondere des Internets) zum Einsatz kommen und<br />

diese Technologien die technische Basis für die Lern-­‐<br />

und Lehrhandlungen bilden.<br />

So wird der Begriff E-Learning von einigen für<br />

das weite Feld von elektronischen Anwendungen, sei<br />

es das Telefon, der Videoprojektor, bis hin zum Internet<br />

verstanden; es deckt damit weitestgehend das<br />

Feld wie der obige Begriff des technologiegestützten<br />

Lernens ab (Kerres, 2001).<br />

Häufiger wird der Begriff „E-Learning“ aber<br />

enger verwendet, nämlich für Lernsituationen bei<br />

denen mit dem Computer und dem Internet gelernt<br />

wird. Wird von „E-Learning“ gesprochen, beschränkt<br />

sich das Verständnis häufig auf Lern- und Lehrsituationen<br />

des Fernunterrichts und des verteilten Lernens<br />

im Internet oder mit anderen vernetzten Geräten wie<br />

den Mobiltelefonen.<br />

Lernen mit neuen Medien<br />

Schließlich möchten wir in unserem Zusammenhang<br />

noch auf einen dritten Begriff eingehen; auf das<br />

Lernen und Lehren mit „neuen Medien“. „Medium“,<br />

aus dem Lateinischen abgeleitet, bedeutet „in der<br />

Mitte“ oder „Mittler“. Wenn also die Medienpädagogik<br />

oder die Medieninformatik über Medien<br />

spricht, dann sind Kanäle oder Systeme gemeint,<br />

über die Daten oder Informationen gespeichert,<br />

<strong>Einführung</strong>. Das Lernen und Lehren mit Technologien— 3<br />

übertragen oder vermittelt werden. Beispiele für<br />

Medien sind Massenmedien wie das Fernsehen oder<br />

das Radio sowie die traditionellen Printmedien wie<br />

Zeitungen und Bücher. Diese Medien sind das traditionelle<br />

Arbeitsgebiet der Medienpädagogik (siehe<br />

Kapitel #medienpaedagogik). Wenn von „neuen“<br />

Medien die Sprache ist, wird derzeit in der Regel auf<br />

das Internet und Webtechnologien Bezug genommen.<br />

Mit den Medienwissenschaften gibt es<br />

einen eigenen Zugang mit zahlreichen unterschiedlichen<br />

theoretischen Postionen, wie diese neuen<br />

Medien Gesellschaft gestalten und wie die Gesellschaft<br />

Medien gestaltet (siehe Kapitel #medientheorie).<br />

Für die Medieninformatik ist die Sicht auf Medien<br />

übrigens nicht auf Massenmedien eingeschränkt<br />

(Malaka et al, 2009): Aus dieser Sicht sind zum Beispiel<br />

Speichermedien wie die Festplatte des PC oder<br />

der USB-Stick ebenfalls anzuführen.<br />

Vergleich der Begriffe<br />

Wir haben versucht, die jeweiligen Technologien, die<br />

bei Verwendung der drei vorgestellten Begriffe „mitgedacht“<br />

werden, in Abbildung 1 zu visualisieren.<br />

Das Verständnis der Begriffe ist jedoch nicht einheitlich.<br />

Abbildung 1: Begrifflichkeiten und von welchen<br />

Technologien dann (meistens) gesprochen wird<br />

?<br />

Deckt sich Ihr, bei der obigen Frage formuliertes, Ver-­‐<br />

ständnis vom Lernen und Lehren mit Technologien mit<br />

einem der drei Begriffe und deren Bezugstechno-­‐<br />

logien? Worin gibt es ÜbereinsBmmungen, wo weicht<br />

Ihre DefiniBon ab?


4 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

Zusätzlich gibt es eine Reihe enger gefasster, also<br />

auf einige Technologien beschränkte Begriffe des<br />

technologiegestützten Lernens, wie beispielsweise das<br />

mobile Lernen mit Mobiltelefonen und anderen<br />

portablen Geräten (engl. „mobile learning“;<br />

m-Learning; siehe Kapitel #mobil) oder auch das<br />

Online-Lernen für das internet- bzw. intranetgestützte<br />

Fernlernen (siehe Kapitel #fernunterricht).<br />

Auch gibt es Begriffe technologiegestützten<br />

Lernens, die nicht auf die Nutzung ausgewählter<br />

Technologien hinweisen. Vielfach wird im Bereich<br />

des technologiegestützten Lernens auf bestimmte<br />

Methoden abgezielt. So steht CSCL für das computergestützte<br />

kooperative Lernen (engl. „computer<br />

supported collaborative learning“). Damit haben wir<br />

auch aufgeklärt, worum es sich beim einführend erwähnten<br />

„CSCL-Kompendium“ handelt. Oder hatten<br />

Sie das gewusst?<br />

3. Lernen und Lehren<br />

Wir haben es bisher gewissermaßen vorausgesetzt,<br />

aber was ist das eigentlich, das „Lernen“ und das<br />

„Lehren“? Was wird darunter aus wissenschaftlicher<br />

Perspektive verstanden?<br />

Lernen: umfassend und lebenslang<br />

Erklärungen und Theorien zum Lernen werden vor<br />

allem in der Psychologie entwickelt und überprüft.<br />

Lernen wird dabei als eine Veränderung im Verhalten<br />

beschrieben. Aus Sicht der Psychologie ist das Lernen<br />

ein Prozess, der zu relativ stabilen Veränderungen im<br />

Verhalten oder im Verhaltenspotenzial führt und auf<br />

Erfahrung aufbaut, aber beispielsweise nicht auf Reifevorgänge<br />

oder Ermüdungen zurückzuführen ist<br />

(Zimbardo & Gerrig, 1996, 206). Was gelernt wurde,<br />

ob es eine Verbesserung oder Verschlechterung des<br />

Verhaltens gibt, spielt dabei nach diesem Verständnis<br />

keine Rolle (Schaub & Zenke, 2004, 352): Veränderung<br />

kann dabei das Erlernen aber auch Verlernen<br />

beziehungsweise die Anpassung oder Fehlanpassung<br />

bedeuten. Menschen „lernen“ in diesem Sinne zum<br />

Beispiel durch Werbung möglicherweise ein anderes<br />

Kaufverhalten.<br />

Beim technologiegestützten Lernen geht es jedoch<br />

in aller Regel nicht um „irgendein“ Lernen oder irgendeine<br />

Verhaltensänderung, sondern um konkrete<br />

Verbesserungen des Wissens, des Verhaltens und der<br />

Kompetenzen. Lernen soll hier dazu führen, sich<br />

bestmöglich zu entwickeln (Faulstich, 2005, 14). Normative<br />

Überlegungen spielen auch beim technologiegestützten<br />

Lernen eine wichtige Rolle: Was sollen<br />

die Lerner/innen, also Schüler/innen, Student/innen<br />

oder Arbeitnehmer/innen, lernen? In Bildungspro-<br />

grammen und Lehrplänen werden so konkrete Erziehungs-<br />

und Bildungsziele oder auch angestrebte<br />

„Schlüsselqualifikationen“ und Kompetenzen genannt<br />

(Tippelt & Schmidt, 2005).<br />

!<br />

Beim technologiegestützten Lernen werden AkBvi-­‐<br />

täten von Lernenden unterstützt, die in einer Verbes-­‐<br />

serung des Verhaltens (des Wissens, der Kompe-­‐<br />

tenzen) resulBeren.<br />

In den letzten zehn Jahren wird häufig auf das sogenannte<br />

„informelle Lernen“ verwiesen. Es grenzt<br />

sich vom sogenannten „formalen Lernen“, also dem<br />

institutionell organisierten Lernen ab und wird in der<br />

Regel für den gesamten Bereich des „nicht institutionell<br />

organisierten“ Lernens verwendet (Frank et<br />

al., 2005). Es gibt dabei jedoch auch hier eine Reihe<br />

unterschiedlicher Definitionen mit feinsinnigen Unterscheidungen<br />

(Dohmen, 2001). Im englischsprachigen<br />

Raum, maßgeblich durch ein Memorandum<br />

der Kommission der Europäischen Gemeinschaft<br />

(2000) bestärkt, ist sogar eine dreiteilige Unterscheidung<br />

gängig: „formal learning“, „non-formal<br />

learning“ und „informal learning“ (ebenda, S. 9).<br />

Nach diesem Verständnis wird unter „informellem<br />

Lernen“ das Lernen als „natürliche Begleiterscheinung<br />

des täglichen Lebens“ verstanden, unter<br />

„non-formalem Lernen“ vor allem selbstgesteuertes<br />

Lernen (ebenda).<br />

Ein weiterer zentraler Lernbegriff in der Diskussion<br />

des technologiegestützten Lernens ist das sogenannte<br />

lebenslange Lernen (engl. „lifelong<br />

learning“). Darunter versteht man nicht die Einsicht,<br />

dass man lebenslang lernt, sondern die Aufforderung,<br />

dass man das ganze Leben lang lernen soll (Smith,<br />

1996). Der Ausdruck „lifelong learning“ soll erstmals<br />

in dem von der so genannten „Faure-Kommission“<br />

im Auftrag der UNESCO verfasstem Buch „Learning<br />

to be“ (Faure et al., 1972) verwendet worden sein<br />

(Knapper, 2001, 130). Auch hier ist die Kommission<br />

der Europäischen Gemeinschaft ein Treiber der Diskussion.<br />

Sie betonte in ihrem Memorandum im Jahr<br />

2000, dass lebenslanges Lernen nicht nur über die<br />

zeitliche Lebensspanne der Menschen andauern,<br />

sondern gleichzeitig auch lebensumspannend sein soll<br />

(Europäische Kommission, 2000, 9) und initiierte ein<br />

gleichnamiges Forschungsprogramm („lifelong<br />

learning programme“).<br />

Lehren: Unterricht und DidakJk<br />

Bei denjenigen, die andere beim Lernen unterstützen,<br />

spricht man von Lehrenden und Unterrichtenden.


Lehrende gibt es in allen Bildungsbereichen, beispielsweise<br />

Kindergärtner/innen, Lehrer/innen, Ausbilder/innen<br />

in Betrieben und Berufsschulen sowie<br />

auch in großer Zahl in der Erwachsenenbildung. Lehrende<br />

werden dann dort auch als Coach, Trainer/in,<br />

Tutor/in, Dozent/in manchmal auch als Berater/in<br />

bezeichnet.<br />

Was gute Lehre, guten Unterricht ausmacht ist Gegenstand<br />

der Didaktik. Unterschiedliche Traditionen<br />

konkurrieren hier ebenso wie auch begriffliche Abgrenzungen.<br />

So hat Comenius im 17. Jahrhundert<br />

den Begriff „Didaktik“ in Abgrenzung zur „Mathetik“,<br />

der Lehre des Lernens verstanden (Comenius,<br />

1657). Heute wird Didaktik nach Klafki als<br />

eher theoretische Begründung des konkreten pädagogischen<br />

Handelns, des Wissens über das „wie?“, kurz<br />

zur „Methodik“ gesehen (Klafki, 1991).<br />

Was gute Lehre ist, wird von unterschiedlichen<br />

Teildisziplinen und Richtungen unterschiedlich beantwortet.<br />

So werden didaktische Empfehlungen<br />

häufig auf (einzelnen) Lerntheorien und entsprechenden<br />

Erkenntnissen der pädagogischen Psychologie<br />

aufgebaut (siehe Kapitel #lerntheorie). Aber<br />

auch aus bildungstheoretischen Überlegungen, die<br />

den Menschen „als Ganzes“ in seiner Persönlichkeit<br />

begreifen und ihn bei seiner Entwicklung seiner Persönlichkeit<br />

unterstützen wollen, werden Ableitungen<br />

für guten Unterricht erstellt.<br />

Technologien im Unterricht wirken sich auf die<br />

Methodik wie die Didaktik aus. Bei der Methode<br />

„Frontalunterricht“ konnten so, ergänzend zum Tafelbild<br />

und Kartenmaterial, beispielsweise durch Diaprojektoren<br />

Fotos im Unterricht vorgeführt werden.<br />

Mit zunehmender Integration von Technologien wie<br />

dem computer- und webgestützten Lernen, können<br />

Technologien nicht mehr nur „als Ergänzung“ betrachtet<br />

werden, sondern werden mit ihren Gestaltungs-<br />

und Einsatzmöglichkeiten ein wichtiges<br />

Element didaktischer und methodischer Überlegungen<br />

sowie Entscheidungen. Beispielsweise eröffnen<br />

sie Spielräume für differenzierten, also auf<br />

unterschiedliche Bedürfnisse der Lernenden abgestimmten,<br />

Unterricht oder auch für neue Formen der<br />

Zusammenarbeit: Das gleichzeitige gemeinsame<br />

Schreiben eines Textes ist auf herkömmliche Weise,<br />

auf dem Papier, kaum möglich.<br />

4. Szenarien des Einsatzes von Technologien<br />

Ein kurzer Rückblick<br />

Noch vor wenigen Jahrzehnten waren Technologien<br />

Unterrichtsmittel, die den Lehrenden im Fern- und<br />

Präsenzunterricht entlasten und ersetzen sollten. Mit<br />

dem sogenannten „programmierten Lernen“<br />

<strong>Einführung</strong>. Das Lernen und Lehren mit Technologien— 5<br />

wurden „Lernmaschinen“ entwickelt, die den Lehrer<br />

unterstützten sollten. In einer damaligen Darstellung<br />

heißt es dazu (Wilden, 1965, 98): „Lehrermangel und<br />

überaltete Lernformen scheinen der Forderung recht<br />

zu geben, wenigstens die Übungs- und Wiederholungsvorgänge<br />

Maschinen zu überlassen, die den didaktischen<br />

Gesamtvorgang in Einzelschritte zerlegen<br />

[…] Ein Lernprogramm führt auch bei Versagen des<br />

Schülers mit Hilfe mechanischer Vorgänge und Auslösungen<br />

zu erneuter Übung und Erfassung von Teilvorgängen,<br />

schließlich zum Lernerfolg“. In den<br />

letzten Jahrzehnten hat sich durch die Computerund<br />

Internettechnologie und die damit verbundenen<br />

Kommunikationsformen vieles getan. So gibt es weiterhin<br />

eine Reihe von Einsatzmöglichkeiten, die Lehrende<br />

entlasten. Ein wesentliches Merkmal webbasierter<br />

Anwendungen sind aber nun Kommunikation<br />

und Kollaboration. Die entsprechenden Anwendungen<br />

eröffnen dadurch für Lernende und Lehrende<br />

vor allem solche neuen Kommunikationswege.<br />

?<br />

Sie haben bereits auf vielfälBge Weise gelernt und<br />

waren eventuell auch als Lehrende/r im Einsatz.<br />

Sammeln Sie für sich oder in der Gruppe einige Bei-­‐<br />

spiele, wie dabei Technologien eingesetzt wurden.<br />

Online-­‐Lernen und Blended Learning<br />

Heute gibt es zahlreiche unterschiedliche Formen des<br />

Einsatzes von Technologien im Unterricht. In reinen<br />

Online-Lernsituationen werden zum Beispiel Lernmaterialien<br />

im Internet zur Verfügung gestellt, in Diskussionsforen<br />

mit anderen gelernt oder E-Mails mit<br />

Tutorinnen und Tutoren ausgetauscht. Der einzelne<br />

Lernende sitzt dabei also alleine am Computer oder<br />

einem anderen „Endgerät“, lernt aber nicht notwendigerweise<br />

isoliert, sondern im intensiven Austausch<br />

mit anderen Lernenden und Lehrenden. Im Vergleich<br />

zu Präsenzveranstaltungen ermöglicht reines Online-<br />

Lernen außerhalb der üblichen Seminarzeiten und zu<br />

eigens festgelegten Zeiten zu lernen. Gleichzeitig<br />

aber fordert der, im Vergleich zum Präsenzunterricht,<br />

unverbindliche Charakter einer solchen Lernsituation<br />

große Motivation und Selbstdisziplin seitens der<br />

Lerner/innen. Manchmal werden durch das Lernen<br />

über das World Wide Web auch Szenarien möglich,<br />

die mit realen Treffen nicht zu organisieren und zu finanzieren<br />

wären: Online-Veranstaltungen mit Teilnehmenden<br />

aus der ganzen Welt, zum Beispiel Muttersprachler/innen,<br />

die auf einer Sprachlernplattform<br />

Unterstützung geben.<br />

In der Praxis werden Online-Phasen und Präsenzunterricht<br />

häufig kombiniert beziehungsweise abgewechselt.<br />

Man spricht dann vom „Blended


6 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

Learning“ (auf deutsch „gemischtes Lernen“). Blended-Learning-Szenarien<br />

werden aus unterschiedlichen<br />

Motiven eingesetzt. Den Präsenzunterricht ergänzende<br />

Online-Phasen werden als Möglichkeit gesehen,<br />

das individuelle, selbstorganisierte und arbeitsplatznahe<br />

Lernen zu begleiten und zu unterstützen.<br />

Auch wird durch Online-Phasen das Lernen aus dem<br />

Seminarraum in die Arbeits- und Lebenswelt der Lernenden<br />

hinausgetragen; der Transfer des Gelernten<br />

gelingt unter Umständen leichter. Schlussendlich wird<br />

Online-Unterricht auch eingesetzt, um oft teureren<br />

Präsenzunterricht zu sparen.<br />

Zahlreiche Mischformen: Die Barbecue-­‐Typologie<br />

Im Bildungsalltag gibt es nicht immer und ausschließlich<br />

reine Präsenzphasen ohne Technologieeinsatz<br />

oder reine Online-Phasen. Technologien,<br />

insbesondere webbasierte Werkzeuge und<br />

Systeme werden auch im Präsenzunterricht eingesetzt,<br />

zum Beispiel wenn mit dem Internet recherchiert<br />

wird. Auch werden in Schulen und insbesondere<br />

Hochschulen häufig webbasierte Lernmanagementsysteme<br />

eingesetzt (siehe Kapitel #systeme,<br />

#infosysteme #schule #hochschule). Lernende erhalten<br />

dort ergänzende Materialien, zum Beispiel Präsentationsunterlagen,<br />

führen dort unterrichtsbegleitende<br />

Diskussionen oder finden dort Lernaufgaben,<br />

deren Lösungen wiederum über das System den Lehrenden<br />

zugänglich gemacht werden.<br />

Vielfältige Lernsituationen mit Technologien sind<br />

bekannt, ohne dass sich dafür Bezeichnungen durchgesetzt<br />

haben. Wir haben versucht, ein geeignetes<br />

Bild zu finden um die unterschiedlichen Formen anschaulich<br />

zu beschreiben. Mit einem Augenzwinkern<br />

machen wir uns das Bild der Grillwurst und ihrer unterschiedlichen<br />

Zubereitungsformen zu eigen und<br />

nennen die Darstellung folglich Barbecue-Typologie<br />

des Lernen und Lehrens mit Technologien:<br />

▸ Wie in Abbildung 2 dargestellt, wird der traditionelle,<br />

„technologiefreie“ Präsenzunterricht mit<br />

einer Bratwurst verglichen. Manche mögen sie pur.<br />

▸ Präsenzunterricht kann durch den Einsatz von<br />

Technologien angereichert werden. Bildlich dargestellt<br />

durch Senf- oder Ketchup-Kleckse.<br />

▸ In Schulen und Hochschulen wird der Präsenzunterricht<br />

durch die Lernmanagementsysteme kontinuierlich<br />

begleitet sowie durch weiteren Technologieeinsatz<br />

erweitert. Im Bild wird die Bratwurst,<br />

der pure Präsenzunterricht, von einem Brötchen<br />

umgeben und in Senf beziehungsweise Ketchup<br />

gebettet. Es ergibt sich ein Hot Dog.<br />

▸ Wechseln sich Phasen des Online-Lernens mit<br />

Präsenzphasen ab (das „Blended Learning“), lässt<br />

sich das mit einem Schaschlik-Spieß visualisieren,<br />

auf den sich Wurstscheiben (Präsenzphasen) mit<br />

Gemüse (Online-Phasen) abwechseln.<br />

▸ Und weil es auch Arrangements ohne Präsenzunterricht<br />

gibt, also bildlich gesprochen, keine Wurst<br />

vorhanden ist, wird reines Online-Lernen schlussendlich<br />

mit einem Gemüsespieß dargestellt.<br />

Wie beim Grillen sind schließlich beim Einsatz von<br />

Technologien weitere zahlreiche Kombinationen<br />

möglich. Die einzelnen Möglichkeiten sind dabei<br />

ohne Wertigkeit zu sehen; die Entscheidung was gut<br />

passt und besser schmeckt, ist den Lernenden und<br />

Lehrenden zu überlassen.<br />

!<br />

Abbildung 2: Barbecue-­‐Typologie<br />

Allgemein gibt es keine „guten“ oder „besseren“<br />

Formen des Technologieeinsatzes und des Wechsels<br />

von Online-­‐ und Präsenzphasen. Die Entscheidung<br />

was gut passt und besser schmeckt, ist den Lernenden<br />

und Lehrenden zu überlassen.


5. Aktuell in der Diskussion: „E-­‐Learning 2.0“<br />

Ein Schlagwort, um welches man zum Zeitpunkt der<br />

Veröffentlichung des Lehrbuchs nicht herumkommt,<br />

auch wenn es langsam an Resonanz verliert, ist der<br />

Begriff „Web 2.0“. Das Web 2.0 hat das Lernen und<br />

die Vorstellung darüber wie gelernt werden kann,<br />

stark beeinflusst und beflügelt.<br />

Web 2.0<br />

Der Begriff „Web 2.0“ soll auf Scott Dietzen, einem<br />

ehemaligen Mitarbeiter bei Bea Systems, zurückgehen<br />

und wurde erstmalig im Dezember 2003 in der US-<br />

Ausgabe „Fast Forward 2010 – The Fate of IT“ des<br />

CIO-Magazins von Eric Knorr in der Öffentlichkeit<br />

verwendet (Knorr, 2003). Mit der ersten Web-2.0-<br />

Konferenz im Herbst 2004 in San Francisco, veranstaltet<br />

von Tim O'Reilly (gemeinsam mit Dale<br />

Dougherty), erlangte der Begriff den internationalen<br />

Durchbruch. 2005 wird er in einem Artikel auch von<br />

O´Reilly (2005) benannt. Er definierte das Web 2.0<br />

dabei nicht als eine „neue Technologie“ sondern eine<br />

neue Art, eine neue Haltung (engl. „attitude“), wie<br />

Benutzer/innen mit dem Internet umgehen. Internetnutzer/innen<br />

sind nicht mehr bloß Leser/innen statischer<br />

Webseiten, sondern können diese oftmals modifizieren,<br />

ohne dass hierzu Kenntnisse von zusätzlichen<br />

Programmiersprachen nötig wären. Zu Beginn<br />

des World Wide Web kam man nicht herum, die<br />

dafür notwendigen HTML-Kenntnisse zu erlernen<br />

(siehe Kapitel #hypertext, #fernunterricht). Die Weiterentwicklung<br />

von Internettechnologien und entsprechend<br />

einfachen Benutzeroberflächen macht es<br />

nun vergleichsweise einfach, sich zu beteiligen: Selbsterstellte<br />

Mediendateien wie Fotografien oder Tonaufnahmen<br />

können unter anderem über gemeinsame<br />

Plattformen im Internet zur Verfügung gestellt<br />

werden; man tauscht sich mit Schulkameraden und<br />

Kolleginnen in sozialen Netzwerken aus.<br />

Die für die Entwicklung notwendigen Internettechnologien<br />

(siehe Kapitel #webtech) traten bei der<br />

Debatte über „Web 2.0“ per Definition (O'Reilly,<br />

2005) in den Hintergrund. Dies erklärt auch, dass<br />

man beim Versuch das Web 2.0 an einzelnen Entwicklungen<br />

dingfest zu machen, unweigerlich auf ein<br />

anwachsendes Sammelsurium an Möglichkeiten stößt,<br />

denen allen aber gemeinsam ist, dass der Fokus auf<br />

Interaktion (Kommunikation, Arbeiten, Teilen) der<br />

Benutzenden liegt, unabhängig von einzelnen Programmiersprachen<br />

und Plattformen.<br />

Das Web der Inhaltskonsumenten wurde zu einem<br />

Web von miteinander kommunizierenden Inhaltsproduzenten.<br />

Weil nun jede/r (relativ) einfach mitge-<br />

<strong>Einführung</strong>. Das Lernen und Lehren mit Technologien— 7<br />

stalten und mitmachen kann, wird es auch gerne als<br />

„Mitmach-Web“ bezeichnet. Gerade diese Vereinfachung<br />

und Potenzierung des Gemeinschaftlichen unterstreicht<br />

die Bezeichnung des Web 2.0 als „soziale“<br />

und weniger „technische Revolution“ (Downes,<br />

2005). Man spricht darüberhinaus auch von der kollektiven<br />

Intelligenz (O'Reilly, 2005), von der Weisheit<br />

der Vielen (Surowiecki, 2005) und von der Kultur der<br />

Amateure (Keen, 2007). Das „Times Magazin“ griff<br />

diese Entwicklung frühzeitig auf, indem es im Jahr<br />

2006 „You – the Internet User“ als Person des Jahres<br />

kürte (Grossman, 2006).<br />

!<br />

1989 träumt Tim Berners-­‐Lee, der als der bedeutende<br />

Vordenker des World Wide Web gilt, von einem In-­‐<br />

ternet, in und über welches jede/r mit jedem/r alles<br />

teilen kann (Berners Lee, 1989); mit dem „Web 2.0“ ist<br />

dieser Traum ein Stück mehr Realität geworden.<br />

Als Basis, oder vielleicht besser Wegbereiter, zur<br />

Web-2.0-Entwicklung greifen wir zwei Aspekte<br />

heraus: einerseits die bereits seit 1995 bestehende<br />

Technologie RSS (Really Simple Syndication; siehe<br />

Kapitel #webtech) und andererseits das erste erfolgreiche<br />

Großprojekt der neuen Zusammenarbeit im<br />

Internet, Wikipedia (siehe Kapitel #kollaboration).<br />

RSS ermöglicht stark simplifiziert eine weitestgehend<br />

automatisierte Verbreitung von Inhalten auf Basis<br />

einer XML-Struktur. Über einen sogenannten RSS-<br />

Feed können Veränderungen auf Webseiten einfach<br />

beobachtet werden. Die Online-Enzyklopädie Wikipedia<br />

(gegründet im Jahre 2000 durch Jimmy Wales,<br />

aus dem sogenannten Nupedia-Projekt hervorgegangen)<br />

stellte den Beginn des Gesinnungswandels<br />

im Verhalten zum Internet dar; private Personen erklärten<br />

sich freiwillig dazu bereit, ihr Wissen einer<br />

Enzyklopädie zum Gemeinwohl aktiv zur Verfügung<br />

zu stellen. Dies veränderte nachhaltig die Art und<br />

Weise, wie man über das Internet dachte und es auch<br />

verwendete (Ebner et al., 2008). Heute verfügt Wikipedia<br />

zum Beispiel allein in der deutschsprachigen<br />

Version über mehr als 1,1 Millionen Einzelartikel<br />

(Stand Januar 2011) und hat alle vormals bedeutsamen<br />

gedruckten Enzyklopädien vom Markt<br />

überholt.<br />

Trotz der eher „nicht-technischen“ Grundbeschreibung<br />

des Web 2.0 gibt es Typen von Anwendungen,<br />

die als Web-2.0-Anwendungen beschrieben<br />

werden. Wir stellen sie hier kurz vor:<br />

▸ Wikis sind Content-Management-Systeme und<br />

bestehend aus Webseiten, deren Inhalte von mehreren<br />

Benutzer/innen gemeinsam (kollaborativ),<br />

aber nicht gleichzeitig bearbeitet werden können.


8 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

Kennzeichnend für Wikis sind die integrierte Versionskontrolle<br />

und die Linkkonsistenz. Wikis<br />

werden oft als Wissenskompendien oder als einfaches<br />

Wissensmanagmentsystem eingesetzt (siehe<br />

Kapitel #kollaboration).<br />

▸ Weblogs sind Webseiten mit mehr oder weniger<br />

regelmäßig neu erscheinenden Einträgen, chronologisch<br />

mit dem neuesten beginnend sortiert. Den<br />

Strom an Artikeln eines Weblogs (engl. „stream“)<br />

können Leser/innen kommentieren und durch die<br />

zur Verfügung gestellten permanten Links mit anderen<br />

Webseiten verknüpfen. Microblogging-<br />

Systeme, die nur kurze Nachrichten mit maximal<br />

140 Zeichen unterstützen, allen voran Twitter,<br />

haben in den letzten Jahren an Popularität gewonnen<br />

(siehe Kapitel #blogging).<br />

▸ Podcasts sind Audiodateien und Videos (allgemein<br />

Multimediadaten) die mit Hilfe der RSS-<br />

Technologie abonniert werden können, das heißt<br />

automatisiert an Endgeräte wie dem Computer<br />

oder dem Mobiltelefon übertragen und dort abgespielt<br />

werden können (siehe Kapitel #educast).<br />

▸ Soziale Netzwerke werden Internetplattformen<br />

genannt, welche die Vernetzung der Benutzer/<br />

innen mit alten und neuen Bekannten erlauben<br />

und deren Kommunikation unterstützen, so dass<br />

zum Beispiel auch „Bekannte von Bekannten“<br />

mitlesen können. Zu den populären sozialen Netzwerken<br />

gehören zur Zeit im deutschsprachigen<br />

Raum Facebook, StudiVZ und LinkedIn.<br />

▸ Medienplattformen erlauben schließlich das Veröffentlichen<br />

eigener Multimedia-Dateien im World<br />

Wide Web. Bekannte Plattformen sind dabei für<br />

Videos YouTube.com, für Fotos Flickr.com, für<br />

Präsentationen Slideshare.com und für Links, die<br />

man sich merken möchte, Delicious.com. Auch<br />

gibt es eine Reihe von kollaborativen Anwendungen,<br />

die Benutzenden helfen, miteinander über<br />

das Internet Dateien auszutauschen, online zu bearbeiten<br />

oder einfach zu speichern (siehe Kapitel<br />

#kollaboration, #literatur).<br />

?<br />

Um die rasante Entwicklung und Bedeutung des Web<br />

und des Web 2.0 auf das persönliche Leben zu er-­‐<br />

fassen, versuchen Sie eine Chronologie ihrer eigenen<br />

Erfahrungen und Verhaltensweisen in Bezug auf den<br />

Themenkomplex Internet, KommunikaBon und Mobi-­‐<br />

lität auf einer Zeitachse nachzuzeichnen. Wann haben<br />

Sie Ihr erstes Mobiltelefon verwendet? Wann waren<br />

Sie das erste Mal im Internet? Seit wann sind Sie Mit-­‐<br />

glied in einem sozialen Netzwerk, zum Beispiel Fa-­‐<br />

cebook? Wann haben Sie sich dazu entschlossen,<br />

erstmals etwas von ihnen selbst ins Internet zu<br />

stellen?<br />

E-­‐Learning 2.0<br />

Die Entwicklungen rund um Web 2.0 und den genannten<br />

Anwendungen haben auch die Diskussion<br />

im technologiegestützten Lernen entfacht: 2005 postulierte<br />

Stephen Downes im eLearn Magazine den<br />

Begriff „E-Learning 2.0“ (Downes, 2005) und beschreibt<br />

dabei, wie sich aus seiner Sicht mit den<br />

Werkzeugen des Web 2.0 das Lernen verändert. Wie<br />

beim Begriff Web 2.0 spielt auch bei E-Learning 2.0<br />

der soziale Aspekt, der aktive und kollaborative<br />

Umgang mit neuen Medien zu Lern- und Lehrzwecken<br />

eine entscheidende Rolle.<br />

E-Learning findet nach Downes (2005) nicht mehr<br />

ausschließlich auf einer eingeschränkt zugänglichen<br />

Lernplattform statt, von der Lernende von Lehrenden<br />

bereitgestellte Unterlagen herunterladen oder<br />

in einem Chat oder Diskussionsforum miteinander<br />

Inhalte diskutieren können. Beim E-Learning 2.0<br />

haben die aktive Erstellung und Nutzung von Wikis,<br />

Weblogs, Podcasts, sozialen Netzwerke und Medienplattformen<br />

Einzug gehalten. Gemeint ist hier also<br />

nicht die Recherche bei Wikipedia, sondern beispielsweise<br />

das gemeinsame Erstellen von Inhalten in<br />

einem Wiki-System (siehe Kapitel #kollaboration).<br />

„E-Learning 2.0“ bezieht sich dabei auch nicht<br />

ausschließlich auf den Einsatz von Web-2.0-Technologien<br />

beim Lernen und Lehren, sondern bezeichnet<br />

auch viele weitere beobachtbare Prozesse und Entwicklungen:<br />

In Online-Gemeinschaften, die sich beispielsweise<br />

in Sozialen-Netzwerk-Systemen wie Facebook<br />

finden, tauscht man sich mit anderen Interessierten<br />

aus, Lernende erstellen selbst Webseiten, Podcasts<br />

oder Videos. Allgemein stehen immer mehr<br />

Lernmaterialien zur freien Verfügung im Netz.<br />

Lernen findet nicht mehr in geschützten Räumen<br />

statt, sondern wird öffentlich, die Lernenden können<br />

(und müssen) größere Selbststeuerung und -organisation<br />

übernehmen und die Rolle der Lehrenden<br />

wandelt sich vom unterrichtenden Experten zur<br />

Lernbegleiterin und zum Lernbegleiter – um nur<br />

einige der genannten Aspekte zu nennen. (Kerres,<br />

2006; Ebner, 2007, Bernhardt & Kirchner, 2007)<br />

Wie vielseitig das Web 2.0 bzw. der Begriff des E-<br />

Learning 2.0 ist, zeigt sich auch an den Themen und<br />

Aspekten dieses Lehrbuchs. Dennoch ist es weiterhin<br />

nur ein Bereich des großen Felds des Einsatzes von<br />

Technologien für das Lernen und Lehren.<br />

!<br />

Der Begriff „E-­‐Learning 2.0“ beschränkt sich nicht auf<br />

die Verwendung der Werkzeuge des sogenannten<br />

„Web 2.0“, sondern beinhaltet auch die veränderten<br />

Beteiligungsmöglichkeiten und Auswirkungen für das<br />

Lernen (und Lehren).


6. Ein interdisziplinäres Forschungsfeld<br />

Das technologiegestützte Lernen und Lehren ist ein<br />

junges, interdisziplinäres Forschungsfeld, das sich zunehmend,<br />

durch entsprechende Forschungseinrichtungen<br />

und Aus- bzw. Weiterbildungsmöglichkeiten,<br />

als eigenständiges Fachgebiet konsolidiert.<br />

Bezugsdisziplinen<br />

Das Fachgebiet wird im Wesentlichen von zwei Disziplinen<br />

stark beeinflusst, der pädagogisch-psychologischen<br />

Forschung und der Informatik.<br />

Die Erziehungswissenschaften und die pädagogische<br />

Psychologie interessieren die Bedingungen<br />

und Erfolge von Lern- und Lehraktivitäten.<br />

Pädagogisch-psychologische Fragestellungen untersuchen<br />

so die Effekte der didaktischen Gestaltung<br />

oder der Voraussetzungen der Lernenden. Ursprünglich<br />

war in der Lehr-/Lern-Forschung die Beschäftigung<br />

mit Technologien und Medien ein Randthema,<br />

sie rückt aber durch die zunehmende Bedeutung der<br />

technologiegestützten Lernformen in das Zentrum<br />

(Kerres et al., 2001). Während die Psychologie<br />

Theorien zum Lernen und Lehren überprüft, in dem<br />

sie Hypothesen formuliert und in Untersuchungen<br />

und Experimenten validiert (oder eben widerlegt), hat<br />

die Pädagogik eher die konkrete Anwendung, die<br />

Nutzung und Gestaltung guter Unterrichtspraxis und<br />

Lernumgebungen sowie deren Evaluierung im Auge.<br />

Bildungstheoretische Erörterungen oder gesellschaftliche<br />

Aspekte, wie sie die allgemeine Pädagogik<br />

behandelt werden dabei im Bereich des technologiegestützten<br />

Lernens eher selten aufgegriffen.<br />

Dies liegt wohl daran, dass der Begriff „Bildung“<br />

und die entsprechende deutschsprachige bildungstheoretische<br />

Diskussion nicht direkt ins Englische zu<br />

übertragen ist: „Bildung“ ist nicht das gleiche wie das<br />

englische „education“. Der Begriff der Bildung wird<br />

in der englischsprachigen internationalen Literatur<br />

zum technologiegestützten Lernen auch nur ausnahmsweise<br />

rezipiert (zum Beispiel bei Friesen,<br />

2009). Die kritisch-emanzipatorische Pädagogik<br />

macht sich aber auch nicht widerspruchslos zum<br />

„Handlanger“ ökonomischer Bedürfnisse und Optimierungen,<br />

wie sie im Zuge der <strong>Einführung</strong> technologiegestützten<br />

Lernens oft zu hören sind (Häcker,<br />

2010). Auch gilt weiterhin: „Was ist eine Schule wert,<br />

von der schon Seneca sagte: Nicht für das Leben,<br />

leider nur für die Schule lernt ihr in der Schule (non<br />

vitae, sed scholae discimus)“ (Begemann, 1997, 152).<br />

Die Informatik, insbesondere der Zweig der Medieninformatik,<br />

entwickelt Systeme, welche die Bedürfnisse<br />

der Beteiligten beim Lernen und Lehren<br />

und den aktuellen technologischen Entwicklungen<br />

<strong>Einführung</strong>. Das Lernen und Lehren mit Technologien— 9<br />

entsprechen. Zuverlässigkeit und Persistenz solcher<br />

Systeme sind dabei deren Maßstab. Das Fachgebiet<br />

der Medieninformatik ist als Teilgebiet der Informatik<br />

erst Anfang der 1990er Jahre entstanden und<br />

behandelte zunächst die Digitalisierung von Texten,<br />

Bildern, Audio- sowie Videodaten, also den Bereich<br />

Multimedia. Herczeg (2007, 1) beschreibt, dass sich<br />

die Medieninformatik heute „mit der Entwicklung<br />

und Nutzung interaktiver Systeme und Medien befasst“<br />

und weist darauf hin, dass die wesentliche<br />

Aufgabe darin besteht, „die Analyse, Konzeption,<br />

Realisierung, Bewertung und Verbesserung der<br />

Schnittstellen zwischen multimedialen Computersystemen<br />

und Menschen, die diese in ihren unterschiedlichen<br />

Kontexten im Rahmen von Arbeit, Bildung<br />

oder Freizeit als Konsumenten oder Produzenten<br />

nutzen möchten“ zu untersuchen. Der Computer<br />

wird dabei nicht auf seine ursprüngliche Rolle als<br />

Symbolverarbeitungsmaschine eingeschränkt,<br />

sondern als Kommunikations- und Informationsmöglichkeit<br />

betrachtet. Malake et al. (2009) weisen<br />

darauf hin, dass sich die Medieninformatik mit digitalen<br />

Medien beschäftigt, die letztlich immer von<br />

Menschen genutzt werden und daher drei Aspekten<br />

eine wesentliche Rolle zukommt: Menschen, Technik<br />

und Gesellschaft.<br />

Darüber hinaus gibt es jedoch eine Reihe von weiteren<br />

(kleineren, auch Teil-) Fachgebieten, die erwähnt<br />

werden sollten:<br />

▸ Das Fachgebiet der Mensch-Maschine Interaktion<br />

(„Human-Computer Interaction and Usability Engineering,<br />

kurz HCI&UE; siehe Kapitel #usability)<br />

arbeitet an der Schnittstelle der Informatik<br />

zur Psychologie und etabliert sich seit einigen<br />

Jahren mehr und mehr als Fachbereich (Myers,<br />

1998; Holzinger, 2000; Holzinger, 2005). Benutzerzentriertes<br />

Design ist ein wesentlicher<br />

Aspekt technologiegestützten Lernens. Stress und<br />

Frustration beim Online-Lernen entstehen oft<br />

durch technische Probleme und Probleme des Interface-Designs<br />

(Hara & Kling, 2000). Die Computermaus<br />

als Eingabegerät sowie die grafischen<br />

Oberflächen mit der Schreibtisch- und Fensteranalogie<br />

(Shneiderman, 1997) sind die bekanntesten<br />

Errungenschaften der Disziplin.<br />

▸ Die Medienpädagogik hatte vor dem Aufkommen<br />

der Internet-Technologie vor allem Massenmedien<br />

wie Zeitschriften und Fernsehen im Fokus. In<br />

ihren Bereich fällt auch die Medienerziehung<br />

(siehe auch Kapitel #medienpaedagogik).<br />

▸ Teilgebiete der Betriebswissenschaftslehre, wie<br />

Fragen der Personalentwicklung und des Wissensmanagements<br />

in Unternehmen, haben Berüh-


10 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

rungsfelder und Schnittmengen mit technologiegestütztem<br />

Lernen (Maurer, 2004; siehe Kapitel<br />

#unternehmen).<br />

▸ Schließlich, und das zeigt sich auch in diesem<br />

Lehrbuch, unterscheiden sich die Einsatzmöglichkeiten<br />

von Technologien bei unterschiedlichen<br />

Fachgegenständen. Die einzelnen Fachdidaktiken<br />

sind natürlich an Fragestellungen des Technologieeinsatzes<br />

interessiert (siehe Kapitel #sprache,<br />

#mathematik, #medizin oder #sport).<br />

?<br />

Falls Sie diesen Lehrtext im Rahmen eines Seminars<br />

lesen: Fragen oder überlegen Sie, mit welchen Hinter-­‐<br />

gründen die anderen Lernenden sich dem Thema E-­‐<br />

Learning widmen.<br />

Interdisziplinäre Zusammenarbeit<br />

Obwohl der Bereich des technologiegestützten<br />

Lernens und Lehrens ein interdisziplinäres Feld ist,<br />

arbeiten die entsprechenden Disziplinen häufig nicht<br />

eng zusammen. So gibt es beispielsweise in der mediendidaktischen<br />

Planung nach Kerres (2001) einen Bereich<br />

der IT-Infrastruktur, welcher wohl Fragen der<br />

technologischen Systeme berührt; es scheint aber so,<br />

als würde diese Infrastruktur als gegeben vorausgesetzt<br />

werden. Auf Seiten der Pädagogik fehlt häufig<br />

technisches Wissen, vor allem über neue Entwicklungen<br />

und Potenziale, um Innovationen mitzugestalten<br />

und anzutreiben. Umgekehrt werden von der<br />

Informatik eher rezeptähnliche Ratschläge auf Basis<br />

kognitionspsychologischer Überlegungen (siehe Kapitel<br />

#gedaechtnis) angenommen, als die aus ihrer<br />

Sicht eher vagen und uneindeutigen Methodenbeschreibungen<br />

und -empfehlungen der Lern- und<br />

Lehr-Forschung, die über eine „kleinteilige“ Realisierung<br />

in kleinen Schritten hinaus geht. Diese Beispiele<br />

für geringe und schwierige Zusammenarbeit<br />

sind subjektive Wahrnehmungen der Autoren. Dass<br />

die interdisziplinäre Zusammenarbeit aber zu verbessern<br />

ist, wird jedoch wohl allgemein Unterstützung<br />

finden. Durch die aktuelle Konsolidierung<br />

als eigenständiges, interdisziplinäres Forschungsgebiet<br />

und eine Reihe eigener Institutionen, die sich<br />

zum Themengebiet gebildet haben, ist anzunehmen,<br />

dass sich die Zusammenarbeit und das gegenseitige<br />

Verständnis zukünftig verbessert.<br />

Am Rande bemerkt: Interessant ist, dass die Disziplinen<br />

sich auch über die konkrete Zusammenarbeit<br />

hinaus befruchten, so hat die „Computermetapher“<br />

für das Gedächtnis (mit „Input“ und „Output“) die<br />

Kognitionswissenschaft und ihre Vorstellung vom<br />

menschlichen Gedächtnis beeinflusst (siehe Kapitel<br />

#kognition).<br />

Konsolidierung als Forschungs-­‐ und Lehrgebiet<br />

In den letzten Jahren zeigt sich eine zunehmende<br />

Konsolidierung des technologiegestützten Lernens<br />

und Lehrens als Forschungs- und Lehrgebiet: An<br />

mehreren Universitäten werden inzwischen entsprechende<br />

Studiengänge angeboten (siehe ausführlich<br />

Kapitel #telweiterbildung). Ein weiterer Indikator für<br />

die Konsolidierung als Lehrgebiet ist die steigende<br />

Zahl von Professuren, Lehrstühlen und Departments<br />

in deren Bezeichnung das Themenfeld explizit genannt<br />

wird, beispielsweise das Institut für Medien<br />

und Bildungstechnologie der Universität Augsburg<br />

oder das Department für Interaktive Medien und Bildungstechnologien<br />

an der Donau-Universität Krems.<br />

An vielen deutschsprachigen Universitäten gibt es Institute<br />

oder Forschungscluster, die sich intensiv und<br />

aus unterschiedlichen Forschungsperspektiven mit<br />

dem Lernen und Lehren mit Technologien beschäftigen;<br />

exemplarisch sind einige in Tabelle 1 auf der<br />

folgenden Seite genannt.<br />

Auch gibt es eine Reihe von Forschungseinrichtungen,<br />

die sich mit dem Lernen und Lehren mit<br />

Technologien beschäftigen; Beispiele aus ganz<br />

Europa finden sich in Tabelle 2.<br />

7. Ausblick: Erweiterung der Lern-­‐ und Lehrmöglich-­‐<br />

keiten<br />

Ob das Lernen und Lehren grundsätzlich und nachhaltig<br />

durch die oben skizzierten Technologien beeinflusst<br />

wird, wird sich zeigen. „E-Learning 2.0“ ist<br />

derzeit eher für eine kleine Zahl von Lehrenden und<br />

Lernenden Realität; und es bedarf einer großen<br />

Portion Motivation sowie Medien- und Lernkompetenz,<br />

um breitflächige und nachhaltige Veränderungen<br />

herbeizuführen. Es ist auch davon auszugehen,<br />

dass im formal organisierten Unterricht die<br />

vermeintliche Leichtigkeit, die spielerischen Ansätze<br />

und die neuen Formen der Kollaboration zu Gewöhnungseffekten<br />

führen. Die Geschichte und die Debatte<br />

um die <strong>Einführung</strong> von jeweils neuen Medien<br />

hat uns gezeigt, dass diese immer von Euphorie (zum<br />

Beispiel bei der <strong>Einführung</strong> des Schulfernsehens) wie<br />

auch von Schreckensszenarien (bei der <strong>Einführung</strong><br />

der Schultafel; siehe Kapitel #ipad) begleitet werden<br />

und sich erst (viel) später, nach einer gewissen Konsolidierungsphase,<br />

herausstellt, welche substanziellen<br />

Veränderungen sich daraus ergeben. Wir gehen


<strong>Einführung</strong>. Das Lernen und Lehren mit Technologien— 11<br />

Kurzbeschreibung (Homepage)<br />

IICM -­‐ InsBtut für InformaBonssysteme und Computer Medien an der Technischen Universität Graz, Leitung Frank Kappe,<br />

ca. 30 wiss. Mitarbeiter/innen (hDp://www.iicm.tugraz.at)<br />

IBM -­‐ Department für InterakBve Medien und Bildungstechnologien, Donau-­‐Universität Krems, Leitung Peter Baumgartner,<br />

ca. 15 wiss. Mitarbeiter/innen (hDp://www.donau-­‐uni.ac.at/de/department/imb)<br />

Empirische Pädagogik und Pädagogische Psychologie, Ludwig-­‐Maximilians-­‐Universität München, Leitung Frank Fischer, ca.<br />

30 wiss. Mitarbeiter/innen (hDp://www.psy.lmu.de/ffp)<br />

Forschungscluster E-­‐EducaBon der Fernuniversität in Hagen, ForschungskooperaBv im Themenfeld, KooperaBon von 6 In-­‐<br />

sBtuten (hDp://www.lgmmia.fernuni-­‐hagen.de/researchcluster/educaBon)<br />

IMB – InsBtut für Medien und Bildungstechnologien, Universität Augsburg, Leitungsteam, ca. 30 wiss. Mitarbeiter/innen<br />

(hDp://www.imb-­‐uni-­‐augsburg.de)<br />

ZHW – Zentrum für Hochschul-­‐ und Weiterbildung, Universität Hamburg, vormals Leitung Rolf Schulmeister, ca. 15 wiss.<br />

Mitarbeiter/innen (hDp://www.zhw.uni-­‐hamburg.de/zhw)<br />

Duisburg Learning Lab – Lehrstuhl für MediendidakBk und Wissensmanagement, Leitung Michael Kerres, ca. 30 wiss. Mit-­‐<br />

arbeiter/innen (hDp://mediendidakBk.uni-­‐duisburg-­‐essen.de)<br />

Tabelle 1: Ausgewählte Universitätsinstitute und Forschungscluster deutschsprachiger Universitäten mit einem Schwer-­‐<br />

punkt im Themenfeld. Quellen: Angaben auf den Homepages, Stand Januar 2011<br />

Kurzname Kurzbeschreibung (Homepage)<br />

CELSTEC (NL) Das „Center for Learning Science and Technologies“ ist die Forschungseinrichtung der niederlän-­‐<br />

dischen Fernuniversität, der Open Universiteit Nederland, und forscht und entwickelt zu Lern-­‐<br />

technologien, ca. 80 Mitarbeiter/innen (hDp://celstec.org).<br />

KMi (UK) Das „Knowledge Media InsBtute“ ist die Forschungseinrichtung der briBschen Fernuniversität,<br />

der Open University UK und forscht und entwickelt zu Wissensmedien, ca. 70 Mitarbeiter/innen<br />

(hDp://kmi.open.ac.uk)<br />

SCIL (CH) Das „Swiss Centre for InnovaBons in Learning“ gehört zur Universität St. Gallen und entwickelt<br />

und forscht zu LerninnovaBonen im Feld von Hochschulen und Unternehmen, derzeit 12 Mitar-­‐<br />

beiter/innen (hDp://www.scil.ch)<br />

IWM/KMRC (DE) Das „InsBtut für Wissensmedien“ ist eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung mit Sitz in<br />

Tübingen und forscht zu medienbasierten Lehr-­‐ und Lernansätzen, mit ca. 80 Mitarbeiter/innen<br />

(hDp://www.iwm-­‐kmrc.de)<br />

Know-­‐Center (AT) Das „Know-­‐Center“ bezeichnet sich als das österreichische Kompetenzzentrum für Wissensma-­‐<br />

nagement und Wissenstechnologien und beschäGigt sich aus dieser PerspekBve mit individuel-­‐<br />

len und organisaBonalen Lernprozessen und Medien, ca. 45 Mitarbeiter/innen<br />

(hDp://www.know-­‐center.tugraz.at)<br />

IFeL Das „InsBtut für Fernstudien-­‐ und eLearningforschung“ ist das ForschungsinsBtut der Fernfach-­‐<br />

hochschule Schweiz, 10 Mitarbeiter/innen (hDp://www.ifel.ch/)<br />

ccel Das „Competence Center e-­‐Learning“ forscht am Deutschen Forschungszentrum für künstliche<br />

Intelligenz zum technologiegestützten Lernen, 25 Mitarbeiter/innen (hDp://ccel.dwi.de)<br />

Tabelle 2: Ausgewählte europäische institutionalisierte Forschungseinrichtungen im Bereich des Lernens und Lehrens mit<br />

Technologien. Quellen: Beschreibung der Einrichtung auf deren Homepages bzw. Auskünfte der Einrichtungen,<br />

Stand Januar 2011


12 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

davon aus, dass die beschriebenen Möglichkeiten die<br />

Lern- und Lehrpraxis langfristig und nachhaltig verändern<br />

werden.<br />

So ist eine Konsequenz des diskutierten Web 2.0<br />

ein rasanter Anstieg der Zahl potenzieller Lernmaterialien,<br />

-anwendungen und -gelegenheiten für<br />

Nutzer/innen des Internets. Da die geltenden Regelungen<br />

des Urheberrechts im deutschsprachigen<br />

Europa die Verwendung und Modifizierung von<br />

(Lern-) Materialien einschränken, bildeten sich Initiativen<br />

und Projekte, welche freie Bildungsmaterialien<br />

unterstützen. Durch entsprechende Lizenzierungen<br />

werden die Nutzung, Veränderung und Wiederveröffentlichung<br />

ohne weitere Absprachen mit<br />

den Urheberinnen oder Urhebern möglich und legal<br />

(siehe Kapitel #openaccess).<br />

Die zunehmenden Möglichkeiten für das Lernen<br />

stellen große Anforderungen an die Lernenden, insbesondere<br />

an deren Medien- wie auch Lernkompetenz.<br />

Mit den sogenannten „persönlichen Lernumgebungen“<br />

werden Möglichkeiten geschaffen,<br />

sich „das Internet“ für die eigenen Bedürfnisse zurechtzuschneiden.<br />

Weiterhin ist es notwendig, entsprechende<br />

Auswahlentscheidungen treffen zu<br />

können (siehe „personal learning environment“ im<br />

Kapitel #systeme).<br />

Das allgegenwärtig verfügbare, ubiquitäre Internet<br />

führt zukünftig zu einer Entwicklung von<br />

neuen Geräten und Anwendungen von heute noch<br />

schwer vorstellbarem Ausmaß (siehe Kapitel #innovation).<br />

Aktuell sind dies derzeit auf den Markt drängende<br />

Technologien wie „Surface Computing“ (siehe<br />

Kapitel #ipad). Lernressourcen und -mittel sind<br />

überall und in Echtzeit abrufbar (Zhang & Adipat,<br />

2005), neue Lerngelegenheiten werden geschaffen<br />

und für viele Menschen erst verfügbar werden. Bereits<br />

jetzt ist zu sehen, dass unsere Kinder mit Leichtigkeit<br />

mobile Endgeräte, wenn auch noch in spielerischer<br />

Weise, bedienen und in ihren Alltag integrieren<br />

(siehe Kapitel #netzgeneration). „Gute“ und damit<br />

letztlich weit verbreitete Technologie verschwindet<br />

dabei zunehmend hinter ihrem Nutzen und wird<br />

somit Bestandteil unseres Lebens („pervasive computing“<br />

in Anlehnung an Weiser, 1991) – und damit<br />

unseres Lernen und Lehrens.<br />

!<br />

Durch den rasanten AnsBeg der Zahl der Lernmate-­‐<br />

rialien und -­‐gelegenheiten sowie des allgegenwärBgen<br />

Internets erweitern sich die Lern-­‐ und Lehrmöglich-­‐<br />

keiten. Medienkompetenz, Selbststeuerung und Per-­‐<br />

sonalisierung der Inhalte sind dabei notwendige Vor-­‐<br />

aussetzungen für zukünGiges Lernen.<br />

?<br />

Literatur<br />

Schauen Sie sich den Film von „Sixth Sense“ an:<br />

hDp://www.pranavmistry.com/projects/sixthsense/#V<br />

IDEOS [2011-­‐01-­‐30]. Halten Sie für sich persönlich fest<br />

wie das gezeigte Endgerät Ihren Alltag verändern<br />

würde! Wie könnten Lehr-­‐ und LernsituaBonen damit<br />

aussehen? DiskuBeren Sie Ihre Überlegungen mit an-­‐<br />

deren!<br />

▸ Begemann, E. (1997). Lebens- und Lernbegleitung konkret.<br />

Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt.<br />

▸ Berners-Lee, T. (1989). Information Management: A Proposal,<br />

CERN. URL: http://www.w3.org/History/1989/proposal.html<br />

[2011-01-10].<br />

▸ Bernhardt, T. & Kirchner, M. (2007). E-Learning 2.0 im<br />

Einsatz – „Du bist der Autor!“ – Vom Nutzer zum WikiBlog-<br />

Caster. URL: http://elearning2null.de/learnmedia/Bernhardt-<br />

Kirchner_E-Learning-2.0-im-Einsatz.pdf [2011-01-27].<br />

▸ Chan, T.; Roschelle, J.; His, S.; Kinshuk; Sharples, M.; Brown,<br />

T.; Patton, C.; Cherniavsky, J.; Pea, R.; Norris, C.; Soloway, E.;<br />

Balacheff, N.; Scardamalia, M.; Dillenbourg, P.; Looi, C.;<br />

Milrad, M. & Hoppe, U. (2006). One-to-one technology-enhanced<br />

learning: An opportunity for global research collaboration.<br />

In: Research and Practice in Technology Enhanced<br />

Learning, 1(1), 3-29.<br />

▸ Comenius, J.A. (1657). Didactica magna in Opera didactica<br />

omnia.<br />

▸ Dohmen, G. (2001). Das informelle Lernen. Die internationale<br />

Erschließung einer bisher vernachlässigten Grundform<br />

menschlichen Lernens für das lebenslange Lernen aller. Bonn:<br />

Bundesministerium für Bildung und Forschung.<br />

▸ Downes, S. (2005). e-learning 2.0. In: eLearn Magazine, URL:<br />

http://www.elearnmag.org/subpage.cfm?section=articles&article=29-1<br />

[2011-01-27].<br />

▸ Dror, I. (2008). Technology Enhanced Learning: The good, the<br />

bad, and the ugly. In: Pragmatic & Cognition, 16 (2), 215-213.<br />

▸ Ebner, M. (2007). E-Learning 2.0 = e-Learning 1.0 + Web 2.0?,<br />

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▸ Ebner, M.; Kickmeier-Rust, M. & Holzinger, A. (2008). Utilizing<br />

Wiki-systems in higher education classes: a chance for<br />

universal access?. In: Universal Access in the Information Society,<br />

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Lehr- und Handbuch zum computerunterstützten<br />

kooperativen Lernen. München: Oldenburg.<br />

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Lernprozessbestimmung? Portfolioarbeit im Spannungsfeld<br />

zwischen (Selbst-) Steuerung und Selbstbestimmung.<br />

In: T. Bohl, K. Kansteiner-Schänzlin, M. Kleinknecht, B.<br />

Kohler & A. Nolder (Hrsg.), Selbstbestimmung und<br />

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Perspektiven, Bad Heilbrunn: Klinkhardt, 65-82.<br />

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München: Oldenbourg.<br />

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Distance Education Course. In: Information & Society,<br />

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Köln: Deutscher Wirtschaftsdienst.<br />

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Entwicklungstechnische Grundlagen multimedialer Informations<br />

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2 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

1. Einleitung<br />

Hilfsmittel und Geräte die beim Unterricht zum<br />

Einsatz kommen gibt es schon lange, aber es gibt sie<br />

keineswegs „schon immer“. Eines der ersten Hilfsmittel<br />

waren Schulbücher. Comenius wird so zugesprochen,<br />

mit dem „Orbis Pictus“ Ende des 17. Jahrhunderts<br />

das erste Schulbuch entworfen zu haben. In<br />

diesem Kapitel haben wir versucht jene Geräte auszuwählen,<br />

die heute noch in den Ausbildungsräumen<br />

anzutreffen sind. Darunter befinden sich die Schultafel<br />

aber auch viele digitale Endgeräte. Ein Schwerpunkt<br />

liegt dabei auf Geräten, die bei der Präsentation<br />

im Unterricht eingesetzt werden, beispielsweise<br />

Kreidetafeln, Whiteboards und Projektoren. Im Ausblick<br />

stellen wir vergleichsweise aktuelle Technologien<br />

vor, die den Lernenden in die Hand gedrückt<br />

werden können, zum Beispiel Tablets. Bei der Beschreibung<br />

stehen technisch-funktionale Aspekte im<br />

Vordergrund.<br />

2. Kreidetafel<br />

Die Erfindung der heute bekannten Kreidetafel geht<br />

auf James Pillans (1778-1864) zurück und fand in<br />

dessen Geographieunterricht 1854 erste Verwendung.<br />

Bei ihrer <strong>Einführung</strong> wollte die Schulaufsicht den<br />

Einsatz von Tafeln zunächst verhindern: Im Vergleich<br />

zum damals üblichen Unterricht, dem Auswendiglernen<br />

von Grammatikregeln und des Katechismus,<br />

wurden nun „sozial-kommunikative Unterrichtsformen<br />

möglich, die […] als subversiv erlebt<br />

wurden“ (Wagner, 2004, 170; Petrat, 1979).<br />

Die früher aus Holz und dunkler Farbe gefertigten<br />

Tafeln werden heute aus Stahlemaille produziert, ein<br />

Prozess, bei dem Stahl bei 800°C emailliert (eingebrannt)<br />

wird. Durch diesen Vorgang erhält man eine<br />

sehr gute Oberflächenhärte. Schrift wird mittels<br />

Kreide auf Tafeln übertragen und ist in unterschiedlichen<br />

Farben erhältlich. Um diese zu entfernen ,<br />

Abbildung 1: Kreidetafel<br />

werden Schwämme beziehungsweise feuchte Tücher<br />

verwendet. Funktional dient die Kreidetafel vor allem<br />

bei der Kurzzeitspeicherung von visuellen Informationen.<br />

Sie unterstützt primär das gesprochene Wort<br />

des Lehrenden durch grafische Darstellungen.<br />

Ein Nachteil dieser Art von Unterrichtstechnologie<br />

besteht darin, dass sich der Lehrende vom Publikum<br />

abwenden muss und sich somit Erklärungen<br />

und Erläuterungen der Darstellung als sehr schwierig<br />

erweisen. Kreidetafeln findet man vor allem in<br />

Schulen und Universitäten, wo sie auch aus mehreren<br />

Teilen bestehen und sich individuell verschieben<br />

lassen. Als Vorteil der Kreidetafel wird zum Beispiel<br />

das Unterrichtstempo beschrieben, welches an den<br />

Vorlesungsstoff angepasst ist. Das Schreiben und<br />

gleichzeitige laut Nachdenken wird vor allem in den<br />

Naturwissenschaften als sehr positiv wahrgenommen<br />

(Rojas et. al, 2001).<br />

Die Kreidetafel wird hauptsächlich im klassischen<br />

Unterricht eingesetzt, welcher primär durch einen<br />

vortragenden Lehrenden und vielen zuhörenden Lernenden<br />

gekennzeichnet ist.<br />

!<br />

!<br />

Als Vorteil der der Kreidetafel wird das Unterricht-­‐<br />

stempo beschrieben, welches an den Vorlesungsstoff<br />

angepasst ist.<br />

Weiterführende Links zum Kapitel finden Sie in der<br />

L3T Gruppe bei Mr. Wong unter Verwendung der Has-­‐<br />

htags #l3t #ipad<br />

3. Whiteboards<br />

1990 eingeführt gilt die weiße Tafel, das „Whiteboard“,<br />

als Weiterentwicklung der Kreidetafel und<br />

wird anstatt mit Kreide mit sogenannten Whiteboard-Stiften,<br />

speziellen abwischbaren Filzstiften, beschrieben.<br />

Wie bei der Kreidetafel wird für die Her-<br />

Abbildung 2: Whiteboard


stellung Kunststoff oder Stahlemaille verwendet. Bei<br />

Verwendung von Stahlemaille kann ein Whiteboard<br />

auch als Magnettafel fungieren. Um Aufschriften auf<br />

einem Whiteboard zu entfernen, wird ein trockenes<br />

Tuch oder ein trockener Schwamm verwendet. Ein<br />

Vorteil gegenüber der Kreidetafel ist, dass beim Beschreiben<br />

und Löschen der Tafel kein Staub entsteht,<br />

jedoch ist das mit Stiften Geschriebene oft schwerer<br />

für das Auditorium lesbar.<br />

Nicht direkt als Weiterentwicklung, aber durch die<br />

Namensgleichheit schwer unterscheidbar, ist das „interaktive“<br />

Whiteboard. Jenes bezeichnet eine<br />

Fläche, auf der mittels Projektor ein Bild auf ein von<br />

einem Computer kontrolliertes Koordinatensystem<br />

projiziert wird. Die auf dieser Fläche befindlichen<br />

Sensoren erfassen jede Interaktion der Finger oder<br />

des Stiftes und übertragen diese auf den Computer.<br />

Solche elektronischen Tafeln sind derzeit vor allem<br />

im Schulunterricht und großen Unternehmen im<br />

Einsatz. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang<br />

die in Zusammenspiel mit der Nintendo<br />

Wii kostengünstigere „selbstgebaute“ Variante eines<br />

interaktiven Whiteboards, welche von Johnny Lee<br />

Chung entwickelt wurde. Dabei wird versucht mithilfe<br />

von Infrarot die Stiftbewegung aufzunehmen<br />

und mittels Projektor zu projizieren.<br />

4. Diaprojektoren<br />

Der zu der Familie der Durchlichtprojektoren (Diaskope)<br />

zählende Diaprojektor wurde 1926 von Leitz<br />

(Wetzlar) entwickelt. Der Diaprojektor wird verwendet,<br />

um durchsichtige, unbewegliche und meist<br />

durch Photographie gewonnene Bilder, kurz Diapositive,<br />

darzustellen. Diese Bilder haben meist eine<br />

Größe von 24 x 36 mm und liegen in einem<br />

50 x 50 mm Diarahmen. Neben den konventionellen<br />

Dias gibt es auch Diastreifen, auf denen sich mehrere<br />

Bilder nebeneinander befinden. Trotz verschiedenster<br />

Hersteller (welche sich in Konstruktion und Leistung<br />

Abbildung 3: Diaprojektor<br />

Vom Overhead-­‐Projektor zum iPad. Eine technische Übersicht — 3<br />

unterscheiden), basieren alle Projektoren auf dem<br />

Prinzip: „Das von der Lichtquelle (Lampe) ausgestrahlte<br />

Lichtbündel wird durch den Kondensor gesammelt,<br />

durchstrahlt nun als Bündel annähernd paralleler<br />

Lichtstrahlen das zur Projektion bestimmte<br />

Bild - das Dia - und wird durch das Objektiv auf die<br />

Projektionsfläche geworfen” (Melezinek, 1999, 117).<br />

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen nichtautomatischen,<br />

halb- und vollautomatischen Diaprojektoren.<br />

Nichtautomatische Projektoren müssen von<br />

Hand bedient werden, während halb- und vollautomatische<br />

Projektoren mit Diamagazinen ausgestattet<br />

sind und mittels Fernbedienung bedient werden.<br />

5. Tageslichtprojektor<br />

Der Tageslichtprojektor, auch Overhead-Projektor<br />

(Österreich, Westdeutschland), Polylux (Ostdeutschland)<br />

oder Hellraumprojektor (Schweiz) genannt,<br />

wurde 1960 von der Firma 3M entwickelt. Er<br />

projiziert mittels eines Bildwerfers den Inhalt transparenter<br />

Folien auf eine Projektionsfläche ohne dass<br />

der Raum stark verdunkelt werden muss.<br />

Als Medium dient vorwiegend transparente Folie,<br />

in Form von einzelnen Blättern oder als Folienrolle,<br />

welche aus Polyacetat, Polyester und ähnlichem besteht.<br />

Auch das Bedrucken von Spezialfolien mit<br />

Bildern ist möglich. Durch Realobjekte werden Schattenprojektionen<br />

ermöglicht. Als Weiterentwicklung<br />

wird der Einsatz von LC-Displays (Liquid-Display-<br />

Displays) angesehen, bei dem ein Bildschirm auf den<br />

Tageslichtprojektor gelegt und durch dessen Licht-<br />

!<br />

Der Tageslichtprojektor bietet den Vorteil, dass der<br />

Vortragende in ständigem Blickkontakt mit dem Pu-­‐<br />

blikum bleibt, Folien beliebig ausgetauscht werden<br />

können und die natürliche Schreibhaltung unterstützt<br />

wird (Blömecke, 2005).<br />

Abbildung 3: Tageslichtprojektor


4 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

quelle durchleuchtet wird. Durch diese Technik<br />

können Inhalte von Computern auf der Projektionsfläche<br />

großformatig dargestellt werden.<br />

Der Tageslichtprojektor projiziert mit dem<br />

gleichen Prinzip wie der Diaprojektor: Der Lichtstrom<br />

von der Lichtquelle (Lampe) leuchtet über<br />

einen Kondensor (Fresnel-Linse) gleichmäßig die Arbeitsplatte<br />

(Glasplatte) aus und wird durch den auf<br />

der Arbeitsplatte aufgelegten Informationsträger hindurch<br />

über den Projektionskopf (zum Beispiel zwei<br />

Linsen, Umlenkspiegel) zur Projektionsfläche abgestrahlt.<br />

Andere Ausführungen bieten zum Beispiel<br />

Parabolspiegel, bei dem der Objektivkopf zusätzlich<br />

die Lichtquelle beinhaltet.<br />

Tageslichtprojektoren haben auch heute noch eine<br />

sehr weite Verbreitung und sind vielerorts im Einsatz.<br />

6. Epiprojektoren (Episkop)<br />

Der episkopische Projektor kann undurchsichtige<br />

(opakes) Normalpapier projizieren. Dies ist vorteilhaft,<br />

da man aktuelle Informationen, ohne diese in<br />

ein Diapositiv oder ein Transparent umzuarbeiten,<br />

direkt projizieren kann.<br />

Das Darstellungsprinzip des Epiprojektors ist<br />

dabei die „Auflichtprojektion“. Die zu projizierende<br />

Vorlage wird auf eine Platte am Boden des Episkops<br />

gelegt und mit einer oder mehreren Lampen beleuchtet.<br />

Das von der Vorlage diffus reflektierte Licht<br />

wird über einen Spiegel zum Projektionsobjektiv geführt<br />

und weiter auf eine Projektionsfläche geworfen.<br />

Auf Grund der geringen Lichtausbeute ist es notwendig,<br />

den Unterrichtsraum zu verdunkeln.<br />

Der größte Vorteil dieser Art von Projektion ist,<br />

dass die Vorlagen ohne weitere Aufbereitung unter<br />

das Gerät gelegt werden können. Auch Objekte mit<br />

Übergröße sind möglich, da der Kopf des Epiprojektors<br />

abgenommen und über das Objekt bewegt<br />

werden kann.<br />

Abbildung 5: Epiprojektor<br />

7. Fernseher, Videorekorder, DVD-­‐Player<br />

Der uns heute bekannte Fernseher geht auf ein<br />

Patent von Paul Nipkow im Jahre 1886 zurück, der<br />

den ersten mechanischen Fernsehapparat erfand.<br />

Dieser war das erste Gerät, das eine Abfolge von<br />

Bildern darstellen konnte. Die früher eingesetzte<br />

Bildröhre stellt ein Bild dar, indem in einem Vakuum<br />

je nach Bildpunkt-Helligkeit Elektronen von einer<br />

Kathode mittels Hochspannung zu einer Anode hin<br />

beschleunigt werden. Mit dem Fortschritt der<br />

Technik entwickelten sich die Flachbildschirme, die<br />

man heute in LCD-, LED- und Plasma-Flachbildfernseher<br />

einteilen kann. Diese werden von Jahr zu<br />

Jahr größer und schmäler.<br />

Um Filme aufzuzeichnen und erneut abspielen zu<br />

können, wurde der Videorekorder entwickelt. Das<br />

verwendete Medium war ein Magnetband, das<br />

mehrere Male verwendet werden konnte (Überspielen).<br />

Mit Einzug der DVD (Digital Versatile Disc)<br />

im Jahre 1996, kamen auch die DVD-Player, die<br />

durch eine höher Kapazität und des digitalen<br />

Formats Videos in höherer Qualität erlauben. Als<br />

Weiterentwicklung heutzutage gilt die Blueray- Disc.<br />

Das berühmte Zitat der 1960er-Jahre „TV is easy<br />

and book is hard“ (Salomon, 1984) ist unweigerlich<br />

mit der <strong>Einführung</strong> des Fernsehgerätes (später in<br />

Verbindung mit dem Videorekorder) verbunden.<br />

Durch die <strong>Einführung</strong> von Lehrvideos wurde fälschlicherweise<br />

angenommen, dass ein erhöhter Lernerfolg<br />

durch alleiniges Betrachten der Filme eintrete.<br />

Heute spielt diese Form des Unterrichts eine eher untergeordnete<br />

Rolle oder findet sich unter dem<br />

Schlagwort „Multimedia“ (siehe Kapitel #multimedia)<br />

wieder.<br />

8. Touchscreen<br />

Die ersten Touchscreens wurden schon 1940 entwickelt<br />

und schließlich mit Veröffentlichung der<br />

PLATO IV Lernmaschinen 1972 publik gemacht. Bei<br />

Abbildung 6: Touchscreen


Touchscreens interagiert man mit einem Computer<br />

durch Berührung des Bildschirmes. Statt der Bedienung<br />

durch einen mit der Maus bewegten Cursor,<br />

wird auf direkte Eingaben mit Finger und Zeigestift<br />

(einem sogenannten Stylus) gesetzt.<br />

Früher vorwiegend bei Info-Monitoren, Computer-Kiosks<br />

und Bankomaten verwendet, finden wir<br />

Touchscreens heutzutage in Mobiltelefonen, Tablet-<br />

PC, Laptop, MP3-Player und ähnlichem. Man unterscheidet<br />

folgende Funktionsprinzipien:<br />

▸ Resistive Touchscreens: Wenn zwei elektrisch<br />

leitfähige Schichten per Druck aneinander geraten,<br />

entsteht ein Spannungsteiler an dem der elektrische<br />

Widerstand und so die Position der Druckstelle<br />

gemessen wird. Verwendung findet diese<br />

Technologie bei Kiosksystemen, Smartphones,<br />

oder PDA.<br />

▸ Kapazitive Touchscreens: Bei kapazitiven<br />

Touchscreens werden mit Metalloxid beschichtete<br />

Glassubstrate oder zwei Ebenen aus leitfähigen<br />

Streifen verwendet. Bei der ersten Methode wird<br />

ein elektrisches Feld erzeugt, bei dem die elektrischen<br />

Ströme aus den Ecken im direkten Verhältnis<br />

zur Berührungsposition stehen. Bei der<br />

zweiten Methode bilden die zwei Ebenen Sensor<br />

und Treiber. Bei Berührung verändert sich die<br />

schwache Kapazität des Kondensators und ein<br />

größeres Signal kommt beim Sensor an. Verwendung<br />

findet diese Technologie bei den Apple-<br />

Produkten (iPhone, iPad, iPod) sowie Mobiltelefonen<br />

von HTC und Samsung.<br />

▸ Induktive Touchscreens: Diese Technologie<br />

findet vor allem bei Grafiktabletts Verwendung.<br />

Die Technik basiert auf elektromagnetischer Basis<br />

ohne direkten Bildschirmkontakt. Ein spezieller<br />

Stift (Stylus) muss eingesetzt werden um Interaktion<br />

mit dem Bildschirm zu erkennen. Die unter<br />

dem Bildschirm befindliche Sensor-Leiterplatte<br />

mit vielen Antennenspulen kommuniziert durch<br />

die Abstrahlung von hochfrequenter Energie mit<br />

dem Resonanzkreis des Eingabestiftes wodurch<br />

eine Positionsbestimmung möglich wird.<br />

▸ Optische Touchscreens: Es kommen Lampen<br />

und lichtempfindliche Sensoren zum Einsatz.<br />

Wird durch Berührung das Lichtschranken-Gitter<br />

durchbrochen, kann der Punkt der Berührung ermittelt<br />

werden. Diese Technologie ist sehr fehleranfällig,<br />

da Staub auf die Sensoren gelangen und<br />

unerwünschte Reaktionen hervorrufen kann. Zum<br />

Einsatz kommen optische Touchscreens vor allem<br />

bei großen Bildschirmen. Als bekanntestes Beispiel<br />

sei auf das Produkt „Microsoft Surface“ verwiesen.<br />

Vom Overhead-­‐Projektor zum iPad. Eine technische Übersicht — 5<br />

9. Videoprojektoren<br />

Bei Videoprojektoren, umgangssprachlich als Beamer<br />

bezeichnet, wird ein Videosignal von, zum Beispiel<br />

einem Computer oder DVD-Player, auf einer<br />

Leinwand projiziert. Am Beginn der Projektion stand<br />

die von Christiaan Huygens 1656 erfundene Laterna<br />

Magica (Lat. Zauberlaterne). Bis hinein in das 20.<br />

Jahrhundert galt sie als das Projektionsgerät. Es projizierte<br />

mit Hilfe einer internen Lichtquelle und spezielle<br />

Linsensysteme in schneller Reihenfolge Bilder<br />

durch das ausfallende Licht.<br />

!<br />

Abbildung 7: Videoprojektor<br />

Videoprojektoren (Beamer) sind als Vortragsmedium<br />

anzusehen, welche in Verbindung mit einem Com-­‐<br />

puter die Projek]on digitaler Inhalte ermöglichen.<br />

Mittlerweile gibt es verschiedene Anzeigeverfahren.<br />

Die zwei gebräuchlichsten sind:<br />

▸ LCD-Projektoren basieren auf Flüssigkristallen<br />

und funktionieren wie Dia-Projektoren. Basierend<br />

auf drei unabhängigen Lichtstrahlen, nämlich rot<br />

grün und blau, wird das Licht auf einen dichrotischen<br />

Spiegel zu einem Bild zusammengeführt.<br />

Gegenüber anderen Anzeigeverfahren ist diese<br />

Methode sehr preiswert und gut für Text- und<br />

Grafikdarstellungen geeignet.<br />

▸ DLP-Projektoren basieren auf „Micromirrors”,<br />

kleine integrierte Schaltungen, die für jeden Bildpunkt<br />

einen kleinen Kipp-Spiegel besitzen. Wird<br />

einer dieser Spiegel mit Licht bestrahlt, wird das<br />

Licht in Richtung der Projektionsoptik geworfen.<br />

Kontrast und Helligkeit werden durch „pulsieren”<br />

dieser Spiegel, also „schnelles Ein und Aus“ verändert.<br />

Vorteile dieser Projektoren sind die hohe<br />

Geschwindigkeit der Spiegel, der hohe Kontrast


6 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

und dass sich keine Bilder in die Linse einbrennen<br />

können. Dem gegenüber stehen die lauten Lüfter<br />

und eine geringe Lebensdauer der Lampe.<br />

Neben diesen beiden gibt es noch LED- und LCoS-<br />

Projektoren. Ein wesentliches Merkmal ist die<br />

Leuchtkraft der im Beamer verbauten Lampe. Durchschnittlich<br />

liegt die Leuchtstärke bei 1000 bis 4500<br />

Lumen, diese kann aber durch Kontrast und Helligkeit<br />

eingestellt werden. Im Unterricht werden Videoprojektoren<br />

vor allem zur Präsentation von digitalen<br />

Unterlagen und Live-Demos verwendet,<br />

meistens in Verbindung mit einem Laptop.<br />

10. PC, Laptop und Netbook<br />

Der erste elektronische Computer wurde um 1938<br />

- 1945 von Konrad Zuse entwickelt. Damals noch so<br />

groß wie ein ganzer Raum, hat er sich in den letzten<br />

Jahren zu immer kleiner werdenden Endgeräten entwickelt.<br />

Der moderne Computer basiert auf der Von-<br />

Neumann-Architektur, welche von John von<br />

Neumann in den 1946er Jahren erfunden wurde. Die<br />

Architektur teilt einen Computer in fünf Komponenten<br />

auf: Recheneinheit, Steuereinheit, Buseinheit,<br />

Speichers sowie Eingabe- und Ausgabeeinheit. Durch<br />

mehrere am Markt vorhandenen Prozessorarchitekturen,<br />

wurden im Laufe der Jahre unterschiedlichste<br />

Betriebssysteme entwickelt. Zu den am stärksten verbreiteten<br />

gehöhren Appleʼs Mac OS, Microsoft<br />

Windows und das freie Betriebssystem Linux, das<br />

von Linus Torvalds im Jahre 1991 entwickelt wurde.<br />

Mittlerweile setzen jedoch fast alle Computer-Hersteller<br />

auf die x86-Architektur. Der erste Laptop, ein<br />

mobiler Personal Computer, wurde im Jahre 1975<br />

von IBM vorgestellt, der IBM 5100. Dieser wog circa<br />

11kg und hatte keinen integrierten Akku. Später, im<br />

Jahre 1980 kam der erste, wie uns heut bekannte,<br />

Laptop heraus (Flip-Form). Im Gegensatz zu früher,<br />

kann man Laptops heute mit Stand-PCs vergleichen,<br />

da die selbe Leistung auf immer kleineren Raum ge-<br />

bracht werden kann. Die kleinste Version eines<br />

Laptops wird heute als Netbook bezeichnet. Dieses<br />

hat oftmals nur eine geringe Leistung und wird daher<br />

eher als leichter Reisebegleiter verwendet.<br />

PCs und Laptops durchdringen immer mehr die<br />

Unterrichtsräume, die Zunahme an Netbooks kann<br />

ebenfalls immer mehr beobachtet werden (siehe Kapitel<br />

#schule). Kritische Stimmen meinten anfangs,<br />

dass man nun einen etwas besseren Taschenrechner<br />

hätte, aber die Vielfalt der Möglichkeiten die sich dadurch<br />

ergeben, ist heute noch immer eine der wesentlichen<br />

Fragestellungen des Forschungsgebietes vom<br />

technologiestützten Lehren und Lernen.<br />

11. InteracQve Pen Displays<br />

Ein Interactive Pen Display ist ein berührungsempfindlicher<br />

Bildschirm, auf dem man mit einem Stift<br />

(auch genannt Stylus) interagieren kann. Es lässt sich<br />

sehr gut mit den aufkommenden Tablet-Computer<br />

vergleichen.<br />

Im Gegensatz zur Kreidetafel, bieten Interactive<br />

Pen Displays durch den Anschluss an einen Computer<br />

digitalen Inhalt. Man kann alles speichern, bearbeiten,<br />

löschen und kopieren. Der Schreibaufwand<br />

den Lehrende und Studierende haben, ist sowohl bei<br />

der Tafel als auch bei den Interactive Pen Displays<br />

der gleiche.<br />

Ein Einsatzbeispiel ist zum Beispiel: Als Brücke<br />

zwischen Beamer und Interactive Pen Display fungiert<br />

ein Laptop, auf dem Lehrveranstaltungsfolien<br />

präsentiert werden. Mittels des Bildschirms lassen<br />

sich nun alle Folien näher beschreiben und mit Informationen<br />

(Text / Skizzen) verfeinern. Diese Infor-<br />

!<br />

Interac]ve Pen Displays erlauben die Erweiterung von<br />

herkömmlichen Laptops um einen berührungsemp-­‐<br />

findlichen Bildschirm.<br />

Abbildung 9: Interactive Pen Display


In der Praxis: Einsatz eines Interactive Pen Display im Hochschulunterricht<br />

Die Abbildung 11 zeigt den Einsatz eines Interac]ve Pen<br />

Display zur Präsenta]on von Vorlesungsinhalten. Das Sym-­‐<br />

podium (Interac]ve Pen Display) ist mit dem Laptop der Vor-­‐<br />

tragenden verbunden und erlaubt die Interak]on micels<br />

S]d. Am Bildschirm des Computers erscheint das gleiche<br />

Bild, welches auch über den Videoprojektor (Beamer) proji-­‐<br />

ziert wird. Durch eine Screen-­‐Capturing-­‐Sodware erfolgt die<br />

Aufzeichnung der Inhalte, welche später auf einer Lern-­‐<br />

plaeorm publiziert werden. Diese Anordnung an der Techni-­‐<br />

schen Universität Graz wurde im Jahre 2008 evaluiert und<br />

führte zu dem Ergebnis, dass nur eine/r von 109 Studie-­‐<br />

renden zukündig die Kreidetafel bevorzugen würde (Ebner &<br />

Nagler, 2008). Als Hauptgründe für das posi]ve Urteil<br />

wurden vor allem die bessere Sichtbarkeit in großen Hör-­‐<br />

sälen, die bessere Verwendung von Farben durch die Leh-­‐<br />

renden (der Farbwechsel gestaltet sich einfacher als bei<br />

Kreiden) und die deutlichere Schrid (deutlich größer als auf<br />

der Tafel) genannt. Der offensichtlichste Vorteil, die Digitali-­‐<br />

sierung der Vorlesungsinhalte, kam erst an fünder Stelle. Als<br />

Nachteile wurden technische Probleme und ein etwas<br />

schnellerer Vortragss]l beschrieben.<br />

mationen können danach auf eine Online-Plattform<br />

geladen und den Studenten als weiterführende Unterlagen<br />

angeboten werden (siehe Praxisbeispiel).<br />

12. Mobiltelefone<br />

Mit dem Einzug der Smartphones, also Mobiltelefonen,<br />

die mit Funktionalitäten von Personal Digital<br />

Assistents erweitert wurden, und den meist internetbasierten<br />

mobilen Inhalten, wurden Mobiltelefone<br />

auch für den Lehrbereich entdeckt. Ausgestattet mit<br />

hochauflösender Kamera, Internet, GPS-Modulen<br />

und Touch-Displays wurden Smartphones vor allem<br />

durch die zur Verfügung stehenden Anwendungen<br />

(engl. „applications“, kurz Apps) populär. Das erste<br />

Abbildung 11: Mobiltelefon<br />

Vom Overhead-­‐Projektor zum iPad. Eine technische Übersicht — 7<br />

Abbildung 10: Einsatz des Interactive Pen Displays<br />

Smartphone wurde 1992 von IBM entwickelt und<br />

hörte auf den Namen Simon. Es besaß bereits Funktionen<br />

wie Terminkalender, E-Mail, Notizbuch, Fax<br />

und Taschenrechner.<br />

Neben den typischen Mobiltelefon-Herstellern mischen<br />

seit Jahren auch Apple und Google am Smartphone-Markt<br />

mit. Die drei derzeit erfolgreichsten Betriebssysteme<br />

für Mobiltelefone sind iOS (Apple),<br />

Android (Google) und Symbian (Nokia). Seit Jahren<br />

wird Forschung zum mobilen Lernen („M-Learning“,<br />

siehe Kapitel #mobil) betrieben.<br />

13. Weitere aktuelle und zukünVige Technologien<br />

Eine der wichtigsten Zukunftstechnologien unserer<br />

Zeit sind die Tablet-Computer. Als derzeitiger Vorreiter<br />

präsentiert sich das Apple iPad. Mit einer<br />

Million verkaufter Geräte binnen 28 Tagen ist es der<br />

derzeit erfolgreichste Tablet-Computer am Markt.<br />

Basierend auf einem sehr stromsparenden Prozessor<br />

(A4) hat es je nach Version auch Wifi, 3G-Internet<br />

und GPS-Anbindung. Applikationen lassen sich wie<br />

beim iPhone beim „App-Store“ herunterladen. Der<br />

1024 x 768 Pixel große Bildschirm ermöglicht das<br />

Schreiben und Bearbeiten von Dokumenten. Mittels<br />

Adapter lässt sich das iPad für Präsentationen an<br />

einen Beamer anschließen.<br />

Verantwortlich für die Usability des iPad ist unter<br />

anderem die verwendete Multi-Touch-Technologie


8 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

Abbildung 12: Tablet-­‐Computer<br />

beim Touch-Display. Dies ist nichts anderes als ein<br />

für mehrere Berührungen gleichzeitig ausgelegter kapazitiver<br />

oder optischer Touchscreen. Der Name<br />

Multi-Touch wurde mit der Entwicklung des<br />

iPhones von Apple zum Patent angemeldet. Die Forschung<br />

der Multi-Touch-Technologie geht auf die<br />

frühen 1990er Jahre zurück und wurde 2005 zum<br />

ersten Mal für ein Steuerungspult von Mischpulten,<br />

noch vor dem iPhone, eingesetzt.<br />

Im Gegensatz zu früheren Tablet-Modellen, die<br />

sich meist aus einem normalen Laptop konstruieren<br />

ließen, verloren die Tablets mit den Jahren an Bedeutung,<br />

aber gewannen an Akkulaufzeit, Usability<br />

und Portabilität. So wurden sie zu den heute bekannten<br />

„Slates” (Tablet-Computer ohne externe<br />

Tastatur). Nach und nach bringen nun auch, neben<br />

Apple, andere PC-Anbieter wie HP und Dell Tablet-<br />

Geräte auf den Markt. Nachdem Microsoft die Entwicklung<br />

am hauseigenen Tablett eingestellt hat, wird<br />

vorwiegend Linux und Google Android als Betriebssystem<br />

verwendet. Viele dieser Geräte punkten mit<br />

Funktionen, die das iPad nicht implementiert hat,<br />

unter anderem eine eingebauter Frontkamera für Videotelefonie.<br />

Viele Anbieter bieten auch kleinere<br />

Bildschirme an, um das Tablet noch handlicher zu<br />

gestalten.<br />

14. Fazit<br />

Dieses Kapitel zeigt die Vielfalt an Technologien in<br />

den heutigen Unterrichtsräumen auf und auch was<br />

man von ihr erwarten kann. Gemein ist ihnen, dass<br />

jede <strong>Einführung</strong> immer mit großen Schwierigkeiten<br />

verbunden war, viel Skepsis ihrer Verwendung entgegengebracht<br />

wurde und trotzdem letztendlich nicht<br />

aufzuhalten waren.<br />

?<br />

?<br />

Literatur<br />

Erstellen Sie eine tabellarische Übersicht, in der Sie<br />

die Vor-­‐ und Nachteile aller Geräte im Lehr-­‐ und Ler-­‐<br />

neinsatz festhalten. Beschreiben Sie dabei auch, in<br />

welchem Lehr-­‐ oder Lernarrangements sie idealer-­‐<br />

weise zum Einsatz kommen.<br />

Überlegen Sie darüber hinaus, wie sich die Lehre ver-­‐<br />

ändern könnte, wenn man mit modernen Techno-­‐<br />

logien (zum Beispiel Touch-­‐Screens) arbeitet.<br />

▸ Blömeke, S. (2005). Medienpädagogische Kompetenz. Theoretische<br />

Grundlagen und erste empirische Befunde. In: A. Frey;<br />

R.S. Jäger & U. Renold, U. (Hrsg.), Kompetenzdiagnostik.<br />

Theorien und Methoden zur Erfassung und Bewertung von beruflichen<br />

Kompetenzen. Landau: Empirische Pädagogik, 5, 76-<br />

97, URL: http://zope.ewi.hu-berlin.de/institut/abteilungen/didaktik/data/aufsaetze/2005/medienpaedagogische_Kompetenz.pdf<br />

[2010-07-01].<br />

▸ Comenius (1658). Orbis sensualium pictus. Die sichtbare Welt.<br />

▸ Ebner, M. & Nagler, W. (2008). Has the end of chalkboard<br />

come? A survey about the limits of Interactive Pen Displays in<br />

Higher Education. In: P.A. Bruck & M. Lindner (Hrsg.), Microlearning<br />

and Capacity Building, Proceeding of the 4th International<br />

Microlearning 2008 Conference, Innsbruck: Innsbruck<br />

University Press, 79-91.<br />

▸ Melezinek, A. (1977). Ingenieurpädagogik - Praxis der Vermittlung<br />

technischen Wissens. Wien: Springer.<br />

▸ Petrat, G. (1979). Schulunterricht. Seine Sozialgeschichte in<br />

Deutschland 1750-1850. München: Ehrenwirth.<br />

▸ Rojas, R.; Knipping, L.; Raffel, W-U.; Friedland, G. & Frötschl,<br />

B. (2001). Ende der Kreidezeit - Die Zukunft des Mathematikunterrichts.<br />

Berlin: DMV Mitteilungen, 2-2001, URL:<br />

http://page.mi.fu-berlin.de/rojas/2001/Kreidezeit2.pdf<br />

[2010-07-01], 32-37.<br />

▸ Salomon, G. (1984). Television is easy and print is tough. The<br />

differential investment of mental effort in learning as a<br />

function of perceptions and attributions. In: Journal of Educational<br />

Psychology, 76, 647–658.<br />

▸ Wagner, W. (2004). Medienkompetenz revisited. Medien als<br />

Werkzeuge der Weltaneignung. München: kopaed.


2 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

1. Vorkommen<br />

Zum Glück müssen wir heute nicht mehr über Ideen,<br />

Visionen oder Pläne reden, wenn wir erläutern<br />

wollen, was Hypertext ist. Wir sind eigentlich ständig<br />

damit beschäftigt, einen Hypertext zu nutzen, wenn<br />

wir im World Wide Web im Internet etwas lesen,<br />

suchen oder schreiben.<br />

Die meisten Websites basieren auf Hypertext. Der<br />

bekannteste Hypertext ist vermutlich Wikipedia. Der<br />

Idee nach und historisch gesehen bestehen Hypertexte<br />

aus elektronischen Texten, die in sich markierte<br />

Textstellen (Sprungadressen) enthalten, mit deren<br />

Hilfe man von einem Begriff oder Absatz zu einem<br />

anderen Begriff oder Absatz in demselben Text oder<br />

in einer anderen Textdatei „springen“ kann. Die Verbindung<br />

zwischen den Textstellen oder Dateien, der<br />

„Sprung“, wird mit dem englischen Begriff „Link“<br />

(Verknüpfung) bezeichnet. Die technische Realisierung<br />

war vor der Verfügbarkeit der Fenstersysteme<br />

und der Maus recht unterschiedlich.<br />

2. Ein Beispiel<br />

Im Wikipedia-Artikel zum Begriff Hypertext findet<br />

sich zu Beginn ein Inhaltsverzeichnis, das sieben Einträge<br />

mit Links zu sieben Knoten anbietet, die durch<br />

blaue Farbe als anklickbar herausgehoben werden:<br />

Abbildung 1: Screenshot des Wikipedia-­‐Artikels<br />

„Hypertext“. Quelle: (Stand 09/2010)<br />

http://de.wikipedia.org/wiki/Hypertext<br />

Klickt man mit der Maus auf die Zeile „3 Geschichte<br />

und Entwicklung“, so landet man bei folgendem<br />

Text im selben Wikipedia-Artikel:<br />

!<br />

Abbildung 2: Screenshot des Wikipedia-­‐Artikels<br />

„Hypertext“. Quelle: (Stand 09/2010)<br />

http://de.wikipedia.org/wiki/Hypertext<br />

Heute werden Hypertexte mit Hilfe der Auszeich-­‐<br />

nungssprache HTML (HyperText Markup Language)<br />

auEereitet. Mit HTML können Texte aber nicht nur<br />

sHlisHsch auEereitet werden (Zeichensätze, SHle,<br />

Größen), sondern sie können auch Sprungmarken<br />

(„Anker“) und Sprungadressen aufnehmen, die man<br />

als Links oder Hyperlinks bezeichnet, und die zu an-­‐<br />

deren Texten (als Knoten bezeichnet) führen.<br />

Solche Sprungadressen können zu anderen Stellen<br />

im selben Text, zu anderen Seiten derselben Website,<br />

zu Dateien oder gar zu anderen Websites führen.<br />

Links sind nicht auf Begriffe und Textstellen beschränkt,<br />

sondern können heute auch von Bildern<br />

und Filmen ausgehen oder zu Bildern und Filmen<br />

führen. Zuständig für die Weiterentwicklung von<br />

HTML ist heute das World Wide Web Consortium<br />

(W3C).<br />

Abbildung 3: HTML-­‐Code des Kastens „Inhaltsver-­‐<br />

zeichnis“ aus Abbildung 1. Quelle: (Stand 09/2010)<br />

http://de.wikipedia.org/wiki/Hypertext


3. Geschichte<br />

Memex<br />

Die Hypertext-Idee geht auf Vannevar Bush zurück.<br />

Vannevar Bush, Berater von Präsident Roosevelt, beschrieb<br />

1945 als Memex eine Maschine zum Blättern<br />

und Anfertigen von Notizen in riesigen Textmengen,<br />

die per Microfiche Annotationen und Kommentare<br />

speichern sollte (das Konzept geht bis in die 1930er<br />

Jahre zurück; Nielsen, 1995, S. 33).<br />

!<br />

!<br />

Hinweis: Alle im Kapitel erwähnte Links und weitere<br />

sind bei Mister Wong in der L3T Gruppe mit dem<br />

Hashtag #l3t und #hypertext abgelegt.<br />

Zum VerHefen: Der berühmt gewordene Aufsatz „As<br />

We May Think“ aus dem Magazin „The AtlanHc<br />

Monthly“ vom Juli 1945 (Volume 176, No. 1; 101-­‐108)<br />

wird vom Magazin im Netz angeboten (hbp://www.-­‐<br />

theatlanHc. com/doc/194507/bush).<br />

Mit Memex hatte Bush eine Analogie zwischen<br />

dem „assoziativen“ Arbeiten des menschlichen Gehirns<br />

und dem assoziativen Vernetzen von Texten im<br />

Auge. Heute finden sich viele Dokumente zu Bush<br />

im Internet mit den Originalzeichnungen des Memex<br />

und Fotos des von Bush 1931 entwickelten „Differential<br />

Analyzer“, einer analog arbeitenden Maschine<br />

für die Lösung von Differentialgleichungen.<br />

Abbildung 4: Der Memex-­‐Tisch von Vannevar Bush.<br />

Quelle: http://web.mit.edu/mindell/www/analyzer.htm<br />

NLS Augment<br />

Die Vision von Bush fand Nachfolger (Bush, 1986;<br />

Conklin, 1987, 20; Kuhlen, 1991, 66ff; Nielsen 1990,<br />

31ff; Nielsen, 1995, 33ff). 1962 veröffentlichte<br />

Douglas Engelbart am Stanford Research Institute<br />

den Bericht über das SRI Project No. 3578 „Aug-<br />

Hypertext. Geschichte, Systeme, Strukturmerkmale und Werkzeuge — 3<br />

menting Human Intellect: A Conceptual<br />

Framework“, mit dem er das Ziel verfolgte, die<br />

Reichweite des menschlichen Denkens zu erweitern.<br />

1968 implementierte er am „Augmented Human Intellect<br />

Research Center“ das System NLS Augment<br />

(oN Line System) und erfand die Computer-Maus als<br />

Eingabegerät (Engelbart, 1988; Conklin, 1987, 22;<br />

Kuhlen 1991, 67ff; Gloor, 1990, 176ff; Nielsen, 1990,<br />

34ff; Nielsen, 1995; 36ff).<br />

!<br />

Augment kam bei der Luftfahrt-Firma McDonnel<br />

Douglas zu größerer Anwendung (Ziegfeld & Hawkins<br />

et al., 1988). Es erwies sich dort als zunehmend<br />

wichtig, umfangreiche technische Dokumentationen<br />

mit ihren internen Relationen und Verweisen elektronisch<br />

speichern zu können, zum Beispiel umfasste ein<br />

Handbuch für Düsenflugzeuge 1988 circa 300.000<br />

Blatt, wog 3.150 Pfund und nahm einen Raum von<br />

68 Kubikfuß ein. Ventura (1988) berichtet, dass das<br />

amerikanische Verteidigungsministerium allein fünf<br />

Millionen Blatt pro Jahr auswechseln musste (S. 111).<br />

Der Zugang zu Informationen, zum Beispiel zu<br />

Sammlungen von Photoagenturen, zu Dokumentationen<br />

von Zeitungsverlagen, zu Gesetzesblättern,<br />

wurde derart schwierig, dass vermehrt Datenbanken<br />

eingeführt wurden, um die Informationen effektiver<br />

verwalten und leichter auffinden zu können.<br />

Xanadu<br />

Zum VerHefen:<br />

▸ Die Stanford University veröffentlicht eine Reihe<br />

historischer Dokumente, u.a. auch 35 kleine Filme<br />

zu Doug Engelbarts Arbeit am Bildschirm<br />

(hbp://sloan.stanford.edu/mousesite/1968De-­‐<br />

mo.html).<br />

▸ Die Sojware PreservaHon Site unterhält Quellen<br />

zu NLS Augment (vgl. hbp://www.sojwarepreser-­‐<br />

vaHon.org/projects/nlsproject/).<br />

Fast gleichzeitig mit Engelbart entwickelte Ted<br />

Nelson (1967) das Hypertext-System Xanadu (die<br />

Xanadu Operating Company ist eine Filiale der Autodesk,<br />

Inc.). Ihm wird die Erfindung des Begriffs<br />

„Hypertext“ zugeschrieben (Nielsen, 1995, 37ff), er<br />

selbst nimmt dies für sich auf seiner Homepage auch<br />

in Anspruch (vgl. http://ted.hyperland.com/). Das<br />

im Internet eingerichtete Archiv enthält ein Dokument,<br />

in dem der Begriff Hypertext vermutlich<br />

zum ersten Mal auftrat, 1965 in einer Ankündigung<br />

am Vassar College (vgl. http://xanadu.com/).<br />

Das Projekt Xanadu, das zum Ziel hatte, sämtliche<br />

Literatur der Welt zu vernetzen, wurde nie ganz realisiert.<br />

Nelson schwebte bereits eine Client-Server-


4 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

Konzeption mit nicht-lokalen Verknüpfungen wie<br />

heute im World Wide Web vor (Nelson, 1974;<br />

Ambron & Hooper, 1988; Conklin, 1987, 23; Kuhlen,<br />

1991, 68ff; Nielsen, 1990, 35ff).<br />

!<br />

Die Distribution von Xanadu wurde für 1990 von<br />

der „Xanadu Operating Company“ angekündigt<br />

(Kuhlen, 1991, 71; Woodhead, 1991, 190ff). Berk<br />

(1991) beschreibt das Client-Server-Modell von<br />

Xanadu näher.<br />

KMS<br />

KMS Knowledge Systems’ KMS (1983) für SUNund<br />

Apollo-Rechner (Akscyn & McCracken et al.,<br />

1988) ist eine Weiterentwicklung von dem frühen Hypertext-System<br />

ZOG (1972 und 1975; Robertson &<br />

McCracken et al. 1981) einer Entwicklung der Carnegie-Mellon<br />

University (Woodhead, 1991, 188ff).<br />

Über ZOG ist vermutlich die erste Dissertation zum<br />

Thema Hypertext geschrieben worden (Mantei. 1982)<br />

Nielsen, 1995, 44ff). Von 1980 bis 1984 wurde mit<br />

ZOG ein computerunterstütztes Managementsystem<br />

für den mit Atomkraft angetriebenen Flugzeugträger<br />

USS Carl Vinson entwickelt (Akscyn & McCracken et<br />

al., 1988, 821). KMS wurde 1981 begonnen, weil eine<br />

kommerzielle Version nachgefragt wurde. KMS ist<br />

bereits ein verteiltes Multi-User-Hypertext-System<br />

(Yoder & Akscyn et al., 1989). Es basiert auf<br />

Rahmen, die Text, Grafik und Bilder in beliebiger<br />

Kombination enthalten können, und deren Größe<br />

auf maximal 1132 x 805 Pixel festgelegt ist. In KMS<br />

sind die Modi der Autor/innen und der Leser/innen<br />

noch ungetrennt. Leser/innen können jederzeit Text<br />

editieren, neue Rahmen und Verknüpfungen anlegen,<br />

die durch kleine grafische Symbole vor dem Text signalisiert<br />

werden. KMS benutzt eine Maus mit drei<br />

Knöpfen, die neun verschiedene Funktionen generieren<br />

können.<br />

HyperTIES<br />

Zum VerHefen: Es exisHert neben der Homepage des<br />

Projekts (hbp://xanadu.com/) noch eine australische<br />

Variante (hbp://xanadu.com.au/).<br />

Mit der Entwicklung von Ben Shneidermans HyperTIES<br />

wurde bereits 1983 an HyperTIES der University<br />

of Maryland begonnen. HyperTIES wurde ab<br />

1987 von Cognetics Corporation weiterentwickelt<br />

und vertrieben (Shneiderman et al., 1991). HyperTIES<br />

erscheint unter DOS als Textsystem mit alphanumerischem<br />

Interface im typischen DOS-Zeichensatz.<br />

Die Artikel fungieren als Knoten und die<br />

Hervorhebungen im Text als Verknüpfungen. Hervorhebungen<br />

erscheinen in Fettdruck auf dem Bildschirm.<br />

Die puritanische Philosophie der Entwickler<br />

drückt sich in der sparsamen Verwendung von Verknüpfungen<br />

aus, die auf Überschriften beschränkt<br />

wurden: „We strongly believe that the use of the article<br />

titles as navigation landmarks is an important<br />

factor to limit the disorientation of the user in the<br />

database. It is only with caution that we introduced<br />

what we call 'opaque links' or 'blind links' (a link<br />

where the highlighted word is not the title of the referred<br />

article), to satisfy what should remain as<br />

special cases“ (Plaisant, 1991, 20). HyperTIES kennt<br />

nur unidirektionale Verknüpfungen, „because bidirectional<br />

links can be very confusing“ (S. 21).<br />

Abbildung 5: Ausschnitt aus HyperTIES<br />

Der untere Bildschirmrand bietet einige Befehle<br />

für die Navigation (Vor, Zurück, Zum Beginn, Index,<br />

Beenden). Repräsentativ für das System ist das<br />

sowohl als Buch als auch als elektronischer Text auf<br />

Diskette veröffentlichte „Hypertext Hands-On!“, das<br />

180 Aufsätze zum Thema umfasst (Shneiderman &<br />

Kearsley, 1989) und den Leserinnen und Lesern einen<br />

direkten Vergleich von Buch und Hypertext ermöglicht<br />

(Nielsen, 1995, 45ff). Unter grafischen Fenstersystemen<br />

entfaltet HyperTIES mehr grafische Fähigkeiten,<br />

so zum Beispiel im dort zitierten Beispiel der<br />

Encyclopedia of Jewish Heritage (S. 157), das 3.000<br />

Artikel und 10.000 Bilder auf einer Bildplatte umfassen<br />

soll, sowie in der auf einer SUN erstellten Anwendung<br />

zum Hubble Space Telescope (s. Shneiderman,<br />

1989, 120). Jedoch sind die Bilder nur als<br />

Hintergrund unterlegt und nicht mit integrierten Verknüpfungen<br />

in die Hypertext-Umgebung eingelassen<br />

(Plaisant, 1991). In der SUN-Version hat man sich<br />

mit „tiled windows“ begnügt, weil man überlappende<br />

Fenster für Neulinge als zu schwierig betrachtete. Hy-


perTIES folgt nach Aussage von Shneiderman der<br />

Metapher des Buchs oder der Enzyklopädie (S. 156),<br />

von der sich der Name TIES („The Electronic Encyclopedia<br />

System“) herleitet (Morariu & Shneiderman,<br />

1986). Einen Überblick über HyperTIES gibt Plaisant<br />

(1991).<br />

!<br />

Obwohl das Autorentool bereits einige Aspekte<br />

der automatischen Konstruktion von Hypertext erleichterte,<br />

musste Shneiderman die Buchseiten noch<br />

manuell setzen. Auch die Links im Text wurden<br />

einzeln gesetzt und mussten nach Editiervorgängen,<br />

die den Text verkürzten oder verlängerten, manuell<br />

versetzt werden. In modernen Hypertext-Systemen<br />

haften die Links am Text und müssen beim Editieren<br />

nicht mehr manuell gesetzt werden.<br />

NoteCards<br />

Zum VerHefen: Das Human Computer Lab der Uni-­‐<br />

versity of Maryland, der Ursprung von HyperTIES,<br />

bietet historische InformaHonen zu seinem Produkt<br />

an (hbp://www.cs.umd.edu/hcil/hyperHes/).<br />

Xerox PARC’s NoteCards (1985) ist ein unter InterLisp<br />

geschriebenes Mehrfenster-Hypertext-System,<br />

das auf den mit hochauflösenden Bildschirmen ausgestatteten<br />

D-Maschinen von Xerox entwickelt<br />

wurde. Die kommerzielle Version von NoteCards<br />

wurde unter anderem auf Sun-Rechnern implementiert.<br />

Sie ist bereits weiter verbreitet als die vorgenannten<br />

Systeme, Xerox jedoch hat NoteCards nie<br />

vermarktet. NoteCards folgt, wie der Name sagt, der<br />

Kartenmetapher. Jeder einzelne Knoten ist eine Datenkarte,<br />

im Gegensatz zur ersten Version von HyperCard<br />

jedoch mit variablen Fenstern. Links beziehen<br />

sich auf Karten, sind aber an beliebigen<br />

Stellen eingebettet, zusätzlich gibt es Browser, die wie<br />

Standardkarten funktionieren, und Dateiboxen, spezielle<br />

Karten, auf denen mehrere Karten zusammengefasst<br />

werden können, die wie Menüs oder Listen<br />

oder Maps funktionieren (Halasz, 1988) Die<br />

Browser-Karte stellt das Netz als grafischen Überblick<br />

dar (Conklin, 1987, 27ff; Gloor, 1990, 22ff;<br />

Catlin & Smith, 1988; Woodhead, 1991, 189ff;<br />

Nielsen, 1995, 47ff). Halasz (1988) hatte noch sieben<br />

Wünsche an NoteCards: Suchen und Anfragen, zusammengesetzte<br />

Strukturen, virtuelle Strukturen für<br />

sich ändernde Informationen, Kalkulationen über<br />

Hypermedia-Netze, Versionskontrolle, Unterstützung<br />

kollaborativer Arbeit, Erweiterbarkeit und Anpassbarkeit.<br />

Hypertext. Geschichte, Systeme, Strukturmerkmale und Werkzeuge — 5<br />

Intermedia<br />

Intermedia (1985) von Andries van Dam und dem<br />

Institute for Research in Intermedia Information and<br />

Scholarship (IRIS) der Brown University ist bereits<br />

ein System, das im Alltag einer Universität und in<br />

mehreren Fächern (Biologie, Englische Literatur) für<br />

die kooperative Entwicklung von Unterrichtsmaterialien<br />

und zum Lernen am Bildschirm eingesetzt<br />

wird. Yankelovich et al. (1985) schildern die Entwicklung,<br />

die elektronische Dokumentensysteme an<br />

der Brown University genommen haben. Nach dem<br />

rein textorientierten System FRESS (1968; vgl.<br />

Nielsen, 1995, 40) und dem Electronic Document<br />

System, das bereits Bilder und grafische Repräsentationen<br />

der Knoten-Struktur darstellen sowie Animationssequenzen<br />

spielen konnte, und BALSA (Brown<br />

Algorithm Simulator and Animator) wurde erst mit<br />

Intermedia ein echter Durchbruch erzielt. Yankelovich<br />

et al. (1988) beschreiben das System anschaulich<br />

anhand von 12 Bildschirmabbildungen<br />

einer Sitzung. Intermedia besteht aus fünf integrierten<br />

Editoren: InterText (ähnlich MacWrite), InterPix<br />

(zum Zeigen von Bitmaps), InterDraw (ähnlich<br />

MacDraw), InterSpect (Darstellen und Rotieren dreidimensionaler<br />

Objekte) und InterVal (Editor für<br />

chronologische Zeitleisten). Zusätzlich können direkt<br />

aus Intermedia heraus „Houghton-Mifflin’s American<br />

Heritage Dictionary“ oder „Roget’s Thesaurus“ aufgerufen<br />

werden. Intermedia operiert mit variablen<br />

Fenstern als Basiseinheit. Alle Links sind bidirektionale<br />

Verknüpfungen von zwei Ankern. Intermedia<br />

arbeitet mit globalen und lokalen Maps als Ausgangspunkt<br />

für Browser, das WebView-Fenster stellt die<br />

Dokumente und die Links durch mit Linien verbundene<br />

Mini-Icons dar (Conklin, 1987, 28ff; Kuhlen<br />

1991, 198ff; Gloor, 1990, 20ff, 59ff; Nielsen, 1995,<br />

51ff).<br />

Abbildung 6: Die Anwendung „Perseus“ realisiert unter<br />

Intermedia


6 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

Intermedia Version 3.0 wurde anfangs kommerziell<br />

vertrieben. Aber diese Version lief nur unter<br />

A/UX auf dem Macintosh (Woodhead, 1991, 181ff).<br />

Da dieses System nicht sehr häufig eingesetzt wurde,<br />

fand Intermedia leider keine große Verbreitung<br />

(Nielsen, 1995, 51). Erfolgreiche kommerzielle<br />

Systeme sind aus diesen historischen Prototypen also<br />

nicht geworden.<br />

!<br />

4. Erfolgreich verbreitete Systeme<br />

Guide<br />

Erst Guide (1986) von OWL (Office Workstations<br />

Limited) ist das erste kommerziell erfolgreiche Hypertextsystem.<br />

Peter Brown hatte es bereits 1982 in<br />

England an der University of Kent begonnen.<br />

Nielsen meinte (1990, 42; 1995, 54ff), dass Guide den<br />

Übergang von einem exotischen Forschungsprojekt<br />

zu einer „Realen-Welt“-Anwendung markiere. Guide<br />

wurde von OWL zunächst für den Macintosh, später<br />

auch für PCs entwickelt. Es orientiert sich am<br />

strengsten von allen Systemen am Dokument. Guide<br />

stellt Textseiten zur Verfügung, auf denen Textstellen<br />

als Verknüpfungen mit unterschiedlicher Bedeutung<br />

markiert werden können. Über den Textstellen<br />

nimmt der Cursor unterschiedliche Gestalt an und<br />

teilt den Benutzer/innen so die Existenz von Verknüpfungen<br />

mit. Guide kennt drei Arten von Verknüpfungen:<br />

Springen zu einer anderen Stelle im<br />

selben oder in einem anderen Dokument, Öffnen<br />

eines Notizfensters oder -dialogs über dem aktuellen<br />

Text sowie Ersetzen von Text durch kürzeren oder<br />

längeren Text (Auffalten, Einfalten). In Version 2<br />

wurde eine Skriptsprache für den Zugriff auf Bildplattenspieler<br />

eingebaut.<br />

HyperCard<br />

Zum VerHefen: Die Geschichte von Intermedia<br />

zeichnet die „Electronic Library“ (hbp://elab.eserve-­‐<br />

r.org/hfl0032.html).<br />

1987 erschien Bill Atkinsons HyperCard. Schon<br />

vorher gab es gespannte Erwartungen. Conklin<br />

(1987) gab in seinem historischen Überblick über Hypertext-Systeme<br />

sogar das Gerücht weiter: „As this<br />

article goes to press, there is news that Apple will<br />

soon have its own hypertext system, called Hyper-<br />

Cards“ (S. 32). Man darf wohl mit Recht behaupten,<br />

dass keine andere Software, schon gar keine andere<br />

Programmierumgebung, einen derart bedeutsamen<br />

Einfluss auf den Einsatz von Computern gehabt hat<br />

wie HyperCard. In der Literatur speziell zu Hypertext<br />

wird die historische Bedeutung von HyperCard<br />

immer wieder betont, obwohl Landow (1992a) sicher<br />

Recht hat, wenn er HyperCard und Guide nur als<br />

„first approximations of hypertext“ bezeichnet, da<br />

die eigentlichen Merkmale von Hypertext wie die<br />

Links in Form von durchsichtigen Schaltflächen (Bedienknöpfen)<br />

über den Text gelegt werden mussten.<br />

1989 realisierte David Jonassen in HyperCard eine<br />

Hypertext-Umgebung über das Thema Hypertext.<br />

5. Das World Wide Web und die Browser<br />

Viele Informationen und vor allem aktuelle Informationen<br />

bezieht man heute aus dem Internet selbst,<br />

und dies mit Hilfe einer Software, die Hypertexte<br />

bzw. Texte, die mit HTML codiert wurden, lesen<br />

kann. Diese Software wird als Webbrowser oder<br />

kurz Browser bezeichnet. Bekannte Browser sind:<br />

Mosaic oder Netscape Navigator, Internet Explorer,<br />

Mozilla und Firefox, Safari, Opera und jüngst Google<br />

Chrome.<br />

!<br />

Abbildung 7: Hypertext realisiert unter HyperCard.<br />

Quelle: Beispiel aus Jonassen, 1989.<br />

Browser sind Sojwareprogramme, die heute in der<br />

Lage sind, den HTML-­‐Code und weitere in den Text in-­‐<br />

korporierte Designelemente (css, cascading styles-­‐<br />

heets), Programme (QuickTime, Flash) und Skript-­‐<br />

sprachen (zum Beispiel php) zu entziffern und in<br />

lesbare und grafisch gestaltete Seiten zu übersetzen.<br />

Timothy John Berners-Lee, der Ende der<br />

1980er Jahre im Kernforschungszentrum CERN in<br />

der Schweiz arbeitete, schlug 1989 dem CERN ein<br />

Projekt vor, das Computer verschiedener Netzwerke<br />

miteinander verbinden und kommunizieren lassen<br />

sollte. Das Konzept für das Metanetzwerk nutzte die<br />

Kommunikationsschnittstellen des Internet, zum Beispiel<br />

HTTP als Protokoll und URL als eindeutige<br />

Adresse, und fußte auf der Idee von Hypertext, um<br />

Links zwischen mehreren Rechnern und Seiten her-


stellen zu können. Berners-Lee entwickelte dafür die<br />

Auszeichnungssprache HTML und schuf dafür den<br />

ersten Browser, den er „WorldWideWeb“ nannte und<br />

der später dem gesamten Webserver-Netz innerhalb<br />

des Internets den Namen geben sollte. Damit begann<br />

ab etwa 1993 der Ursprung des World Wide Web<br />

(WWW).<br />

1993 entwickelte Marc Andreessen den Browser<br />

Mosaic am National Center for Supercomputing Applications.<br />

1994 gründete Andreessen die Firma<br />

Netscape die den rasch erfolgreichen Browser<br />

Netscape Navigator entwickelte.<br />

Seither wurden mehrere Browser entwickelt, und<br />

seitdem haben es alle anderen Applikationen leicht,<br />

weil sie sich dieser Grundlagen des Internets und des<br />

WWW bedienen können und den Browser als<br />

Zugang zu ihren Leistungen nutzen können. Auf<br />

derartigem Fundament bauen die Wikis auf, aber<br />

auch die Weblogs und sogar die Lernplattformen.<br />

6. Strukturmerkmale von Hypertext<br />

Zum Hypertext-Konzept gibt es ausreichend Literatur<br />

(Kuhlen, 1991; Nielsen, 1995; Schulmeister,<br />

1995), und zu allen damit im Zusammenhang stehenden<br />

Begriffen finden sich in Wikipedia Stichworte,<br />

die einen Artikel wie diesen eigentlich überflüssig<br />

machen könnten. Die Funktion dieses Textes<br />

besteht daher mehr oder minder in der Zusammenstellung<br />

der historischen Fakten und der Diskussion<br />

der Strukturmerkmale.<br />

Schoop und Glowalla (1992) unterscheiden strukturelle<br />

(nodes, links), operationale (browsing), mediale<br />

(Hypermedia) und visuelle Aspekte (Ikonizität,<br />

Effekte). Nicht-linearer Hypertext wird auch als<br />

nicht-linearer Text (Kuhlen, 1991) oder nicht-sequentieller<br />

Text (Nielsen, 1995, 1) bezeichnet. Das Lesen<br />

eines Hypertexts ähnelt dem Wechsel zwischen<br />

Buchtext, Fußnoten und Glossar: „Therefore hypertext<br />

is sometimes called the 'generalized<br />

footnote'“(S. 2).<br />

!<br />

Hypertext-­‐Systeme bestehen aus Texten, deren ein-­‐<br />

zelne Elemente (Begriffe, Aussagen, Sätze) mit an-­‐<br />

deren Texten verknüpj sind.<br />

Die Bezeichnung Hypertext spiegelt die historische<br />

Entstehung, es war zunächst tatsächlich an<br />

reine Textsysteme gedacht. Heute können Texte aber<br />

auch mit Daten in einer Datenbank, mit Bildern,<br />

Filmen, Ton und Musik verbunden werden. Deshalb<br />

sprechen viele Autoren inzwischen von Hypermedia<br />

statt von Hypertext, um die Multimedia-Eigen-<br />

Hypertext. Geschichte, Systeme, Strukturmerkmale und Werkzeuge — 7<br />

schaften des Systems zu betonen. Möglicherweise ist<br />

der Standpunkt Nielsens (1995b) vernünftig, der alle<br />

diese Systeme wegen ihres Konstruktionsprinzips als<br />

Hypertext bezeichnet, weil es keinen Sinn mache,<br />

einen speziellen Begriff für Nur-Text-Systeme übrig<br />

zu behalten (S. 5).<br />

Hypertext ist zuerst Text, ein Textobjekt, und nichts<br />

anderes. Hypertext entsteht aus Text, indem dem<br />

Text eine Struktur aus Ankern und Verknüpfungen<br />

übergelegt wird. Nun kann man diskutieren, ob bereits<br />

das Verhältnis der Textmodule ein nicht-lineares<br />

ist oder ob Nicht-Linearität erst durch die Verknüpfungen<br />

konstituiert wird. Auf jeden Fall trifft die Einschätzung<br />

von Nielsen (1995) zu , dass Hypertext ein<br />

echtes Computer-Phänomen ist, weil er nur auf<br />

einem Computer realisiert werden kann, während die<br />

meisten anderen Computer-Anwendungen ebenso<br />

gut manuell erledigt werden können (S. 16). Landow<br />

(1992b) erwähnt literarische Werke, die auf Papier<br />

ähnliche Strukturen verwirklicht haben. Ein Hypertext-System<br />

besteht aus Blöcken von Textobjekten;<br />

diese Textblöcke stellen Knoten in einem<br />

Gewebe oder Netz dar; durch rechnergesteuerte, programmierte<br />

Verknüpfungen, den Links, wird die Navigation<br />

von Knoten zu Knoten gemanagt, das sogenannte<br />

„Browsing“. Landow weist auf analoge Vorstellung<br />

en der französischen Strukturalisten<br />

Roland Barthes, Michel Foucault und Jacques Derrida<br />

hin, die sich sogar in ihrer Terminologie ähnlicher<br />

Begriffe (Knoten, Verknüpfung, Netz) bedienten, wie<br />

sie in der heutigen Hypertext-Technologie benutzt<br />

werden (S. 1ff). Für die Konstitution des Netzes ist<br />

die Größe der als Knoten gesetzten Textblöcke, die<br />

„Granularität“ oder „Korngröße“ der Informationseinheiten<br />

entscheidend. Am Beispiel einer KIOSK-<br />

Anwendung, die lediglich dem Abspielen von Film-<br />

Clips von einer Bildplatte dient, erläutert Nielsen,<br />

dass für ihn eine KIOSK-Anwendung kein Hypertext<br />

ist, weil der Benutzer mit dem Video nicht interagieren<br />

kann, sobald es läuft. In dem Fall sei die Granularität<br />

zu groß und gebe den Benutzern nicht das<br />

Gefühl, die Kontrolle über den Informationsraum zu<br />

besitzen (S. 14).<br />

Für das Netz des Hypertexts hat Landow (1992b)<br />

die Begriffe Intertextualität und Intratextualität geprägt<br />

(38). Der Begriff Intertextualität (s.a. Lemke,<br />

1992) hat nun wiederum Sager (1995) zur Schöpfung<br />

des Begriffs der Semiosphäre angeregt: „Die Semiosphäre<br />

ist ein weltumspannendes Konglomerat bestehend<br />

aus Texten, Zeichensystemen und Symbolkomplexen,<br />

die, auch wenn sie weitgehend in sich abgeschlossen<br />

sind, in ihrer Gesamtheit doch umfassend<br />

systemhaft miteinander vernetzt und damit


8 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

kohärent, nichtlinear und sowohl denk- wie handlungsorientierend<br />

sind“ (S. 217). Sager berichtet über<br />

multimediale Hypertexte auf kunstgeschichtlichem<br />

Gebiet, die über das Netz mit Videokameras in weit<br />

entfernten Museen verbunden sind. Die Hypertext-<br />

Benutzer/innen können von ihrem Platz aus die Kameras<br />

fernsteuern (geplant im Europäischen Museumsnetz).<br />

Sager erwähnt auch das Projekt „Piazza<br />

Virtuale“ auf der Documenta 9, in dem per Live-<br />

Schaltung Fernsehzuschauer/innen Annotationen in<br />

einen Hypertext einbringen können. Auf diese Weise<br />

entstehen weltumspannende Räume, die über die Anwendung<br />

hinausweisen und je nach Interesse der Benutzer<br />

andere Inhalte inkorporieren können (S. 224).<br />

Je nach Art der Knoten und Verknüpfungen kann der<br />

Zugriff auf Informationen in einem Hypertext frei<br />

oder beschränkt sein (Lowyck & Elen, 1992, 139). In<br />

einer offenen Umgebung treffen die Benutzer/innen<br />

alle Entscheidungen über den Zugang und die Navigation,<br />

in einer geschlossenen Umgebung werden<br />

diese Entscheidungen vorab vom Designer getroffen.<br />

In jedem Fall können sich zwischen den Vorstellungen<br />

der Benutzer/innen und denen des Designers<br />

Spannungen ergeben. Aus der Konzeption der Textblöcke,<br />

ihrer Intertextualität, können semiotische<br />

Muster resultieren (Lemke, 1992), die als Kunstformen<br />

genutzt werden könnten. Die Diskussion<br />

über semiotische oder narrative Strukturen von Hypertexten<br />

ist aber erst ganz am Anfang. Thiel (1995)<br />

unterscheidet eine monologische Organisationsform<br />

für Hypertexte von einer dialogischen Form (S. 45),<br />

die eine Art Konversationsmodus für den interaktiven<br />

Dialog des Benutzers mit dem Hypertext etablieren<br />

könne, konzipiert durch Sprechakte oder Dialogskripte.<br />

?<br />

Suchen und lesen Sie eine Hypertext-­‐Erzählung im In-­‐<br />

ternet und diskuHeren Sie, ob Hypertext für poeHsche<br />

Gabungen geeignet ist. Zum Beispiel hier:<br />

▸ hbp://www.netzliteratur.net/netzliteratur_theo-­‐<br />

rie.php<br />

▸ hbp://www.eastgate.com/<br />

Das Buchprojekt „Null“ welches auch gedruckt wurde:<br />

▸ hbp://www.literaturkriHk.de/public/rezensi-­‐<br />

on.php?rez_id=3806<br />

Bei der Segmentierung von Texten in Textblöcke<br />

stellt sich die Frage, ob es eine „natürliche“ Einteilung<br />

der Textblöcke in Informationseinheiten gibt.<br />

Dabei ist die Idee aufgetaucht, ob es gelingen könnte,<br />

Form und Größe der Textblöcke als kognitive Einheiten,<br />

sog. „Chunks of Knowledge“ zu definieren<br />

(Kuhlen, 1991, 80ff): „Zur intensionalen Definition<br />

informationeller Einheiten hilft das 'chunk'-Konzept<br />

auch nicht entscheidend weiter“ (S. 87). Kuhlen verweist<br />

auf Horn, der das Chunk-Konzept am konsequentesten<br />

umgesetzt habe und vier Prinzipien für<br />

die Unterteilung von Info-Blöcken unterscheide:<br />

„chunking principle, relevance principle, consistency<br />

principle“ und „labeling principle“. „Aus dieser<br />

knappen Diskussion kognitiver Einheiten und deren<br />

kohäsiven Geschlossenheit läßt sich die Einsicht ableiten,<br />

daß weder Umfang noch Inhalt einer informationellen<br />

Einheit zwingend festgelegt werden kann“<br />

(S. 88). Eine zu große Einteilung der Texteinheiten<br />

kann das Hypertext-Prinzip Granularität konterkarieren,<br />

d.h. der Benutzerin oder dem Benutzer wird<br />

dann gar nicht mehr deutlich, dass sie einen Hypertext<br />

vor sich hat. Lowyck und Elen (1992)<br />

schildern diese Form drastisch so: „When larger<br />

pieces of information are given the hypermedia environment<br />

is used as an integrated pageturner and<br />

audio- or videoplayer. When hypermedia would be<br />

used instructionally a highly branched version of programmed<br />

instruction is offered. This kind of instruction<br />

does not stem from a cognitive but from a<br />

behavioristic background“ (S. 142). Die Aufsplitterung<br />

in zu kleine Informationseinheiten kann ihrerseits<br />

zu einer Atomisierung der Information führen,<br />

was sich möglicherweise auf die kognitive Rezeption<br />

durch die Benutzer/innen auswirkt: Sie können keine<br />

Zusammenhänge mehr entdecken, sie können nicht<br />

„verstehen“.<br />

Die verschiedenen Hypertext-Systeme fördern die<br />

eine oder die andere Seite dieses Problems, sofern sie<br />

auf dem Datenbank-Konzept oder dem Kartenprinzip<br />

beruhen (kleine Einheiten) oder die Organisation<br />

in Dokumenten präferieren (größere Einheiten).<br />

Nicht immer ist die Basiseinheit der Knoten,<br />

es kann auch Knoten kleinerer Größe innerhalb von<br />

Rahmen oder Fenstern geben, zum Beispiel ein Wort,<br />

ein Satz, ein Absatz, ein Bild. Diese Differenzierung<br />

verweist auf eines der Grundprobleme von Hypertext,<br />

das in der Hypertext-Terminologie als<br />

Problem der Granularität bezeichnet wird. Dass die<br />

Granularität nicht leicht zu entscheiden ist (nach dem<br />

Motto „je kleiner desto besser“) zeigt eine Untersuchung<br />

von Kreitzberg und Shneiderman (1988). Sie<br />

vergleichen in einem Lernexperiment zwei Hypertext-Versionen,<br />

von denen die eine viele kleine,<br />

die andere wenige große Knoten aufweist. Zwar<br />

kommen die Autoren in ihrer Untersuchung zu der<br />

Folgerung, dass die Version mit den kleineren<br />

Knoten bessere Resultate zeitigt (gemessen durch<br />

richtige Antworten auf Fragen zum Text in Multiple-<br />

Choice-Tests), doch Nielsen (1995) macht plausibel,


dass dieses Ergebnis wahrscheinlich von einer speziellen<br />

Eigenschaft von HyperTIES abhängig ist, die<br />

nicht für andere Hypertext-Systeme gilt, denn Hyperties<br />

ist eines der Hypertextsysteme, die zum<br />

Anfang eines Artikels verlinken und nicht zu der<br />

Stelle innerhalb des Artikels, an der sich die Information<br />

befindet, auf die der Ausgangsknoten verweisen<br />

soll. Aufgrund dieser Eigenschaft ist Hyperties<br />

besonders leicht handhabbar, wenn der Text<br />

aus kleinen Knoten mit genau einem Thema besteht,<br />

so dass klar ist, worauf der Link verweist (S. 137ff.).<br />

Einer Zersplitterung kann durch intensive Kontextualisierung<br />

der Chunks entgegengewirkt werden.<br />

Dieser Weg wird bei Kuhlen (1991) an Beispielen aus<br />

Intermedia diskutiert (S. 200). Die Kontextualisierung,<br />

die der Zersplitterung vorbeugen soll, muss<br />

nicht nur wie in den Intermedia-Beispielen aus<br />

reichen Kontexten innerhalb des Systems bestehen,<br />

sondern kann auch durch den gesamten pädagogischen<br />

Kontext sichergestellt werden wie in den konstruktivistischen<br />

Experimenten zum kooperativen<br />

Lernen in sozialen Situationen (Brown & Palincsar,<br />

1989; Campione et al., 1992).<br />

Canter et al. (1985) unterscheiden fünf Navigationsmethoden:<br />

Scannen, Browsen, Suchen, Explorieren,<br />

Wandern. McAleese (1993) unterscheidet die<br />

Navigationsmethoden analog dem aus der Lernforschung<br />

bekannten Konzept des entdeckenden<br />

Lernens oder problemorientierten Lernens. Kuhlen<br />

(1991) unterscheidet, eher in Anlehnung an die strukturellen<br />

Eigenschaften von Hypertexten, folgende<br />

Formen des Browsing (128ff):<br />

▸ gerichtetes Browsing mit „Mitnahmeeffekt“,<br />

▸ gerichtetes Browsing mit „Serendipity“-Effekt,<br />

▸ ungerichtetes Browsing und<br />

▸ assoziatives Browsing.<br />

Die Klassifikation von Navigationsmethoden in Hypertexten<br />

ist abhängig von der jeweiligen Interpretationsraster<br />

der Autorinnen und Autoren. Das Augenmerk<br />

kann dabei auf der Hypertext-Struktur, den<br />

angestrebten Lernmethoden oder auf Prozessen der<br />

Arbeit liegen, die mit dem Hypertext-Werkzeug erledigt<br />

werden sollen. Zwei Fragen ergeben sich<br />

daraus:<br />

▸ Wie wirken sich die unterschiedlichen Navigationskonzepte<br />

auf die Gestaltung von Hypertext<br />

aus?<br />

▸ Wie wirken sich die unterschiedlichen Navigationsmethoden<br />

auf die Lernenden aus?<br />

Hypertext. Geschichte, Systeme, Strukturmerkmale und Werkzeuge — 9<br />

Kuhlen (1991) unterscheidet die Navigationsmittel in<br />

konventionelle Metainformationen und hypertextspezifische<br />

Orientierungs- und Navigationsmittel:<br />

▸ konventionelle Metainformationen sind nicht-lineare<br />

Orientierungs- und Navigationsmittel, Inhaltsverzeichnisse,<br />

Register und Glossare (134ff);<br />

▸ hypertextspezifische Orientierungs- und Navigationsmittel<br />

sind grafische Übersichten („Browser“),<br />

vernetzte Ansichten („web views“), autorendefinierte<br />

Übersichtsmittel, Pfade („paths/trails“), geführte<br />

Unterweisungen („guided tours“), „Backtrack“-Funktionen,<br />

Dialoghistorien, retrospektive<br />

grafische (individuelle) Übersichten, leserdefinierte<br />

Fixpunkte („book marks“), autorendefinierte Wegweiser<br />

(„thumb tabs“), Markierung gelesener Bereiche<br />

(„breadcrumbs“) (S. 144ff).<br />

Zu den die Navigation unterstützenden Methoden<br />

zählen neben den von Kuhlen recht vollständig aufgeführten<br />

Mitteln noch kognitive Karten (Bieber &<br />

Wan, 1994); Edwards & Hardman, 1993, 91) und spezielle<br />

Mittel zur Verwaltung fest verdrahteter oder benutzereigener<br />

Pfade (s.a. Gay & Mazur, 1991; s.<br />

Gloor, 1990) Bieber und Wan (1994) schlagen<br />

mehrere Formen des Backtracking vor, insbesondere<br />

differenzieren sie die Rückverfolgung danach, ob die<br />

Navigation durch einen Fensterwechsel oder durch<br />

Anklicken eines Textankers durchgeführt wurde (zur<br />

Funktion des Backtracking Nielsen, 1995, 249ff;<br />

Kuhlen, 1991, 156ff).<br />

?<br />

Rand Spiro hat eine neue Homepage mit seinen Auf-­‐<br />

sätzen zur sog. CogniHve Flexibility Theory einge-­‐<br />

richtet (hbp://postgutenberg.typepad.com/newgu-­‐<br />

tenbergrevoluHon/). Suchen Sie sich dort einen Text<br />

aus (zum Beispiel Spiro & Jehng), der die „Theorie der<br />

kogniHven Flexibilität“ erklärt und diskuHeren Sie,<br />

warum Spiro und seine Mitautoren die These auf-­‐<br />

stellen, Hypertext würde sich besonders für schlecht-­‐<br />

strukturierte Wissensgebiete eignen. Begründen Sie,<br />

warum Spiro meint, das Lernen mit Hypertexten sollte<br />

fortgeschribenen Lernern vorbehalten bleiben und<br />

eigne sich nicht für Anfänger. Oder widerlegen Sie<br />

diese Ansicht.<br />

Weiters diskuHeren Sie, ob es sich bei der CogniHve<br />

Flexibility Theory um eine Theorie handelt.<br />

7. Werkzeuge<br />

Man sollte die Navigation in Hypertext-Umgebungen<br />

nicht nur unter dem Aspekt ihrer Orientierungs- und<br />

Interaktionsfunktion, sondern auch als aktive Form<br />

des Lernens und Arbeitens betrachten. Diese Perspektive<br />

auf die Strukturelemente von Hypertext ist<br />

aus der Sicht des Benutzers oder Lesers möglicher-


10 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

weise die wichtigere: Für die Designer/innen stehen<br />

Nodes und Links im Vordergrund, für die Leser/innen<br />

aber benutzereigene Pfade, Notizen, Annotationen.<br />

Diese Objekte der Struktur bieten ihnen eine<br />

Chance für aktives Arbeiten und Produzieren mit Hypertext.<br />

Als Mittel, die aktives Lernen und Arbeiten in<br />

Hypertext unterstützen, gelten Notizbücher, Instrumente<br />

zum Anlegen von eigenen Links und<br />

Pfaden und für die Konstruktion von eigenen kognitiven<br />

Karten, integrierte Spreadsheets und der direkte<br />

Zugriff auf Datenbanken (zu Annotationen für Intermedia<br />

s. Catlin et al., 1989). Neuwirth et al. (1995)<br />

haben die Möglichkeit für Annotationen in ihren<br />

PREP-Editor eingebaut. Etwas Ähnliches wie Annotationen<br />

sind Pop-Up-Felder oder Pop-Up-Fenster<br />

mit nur-lesbaren Informationen, die nur solange geöffnet<br />

bleiben, wie die Maustaste gedrückt gehalten<br />

wird (Nielsen, 1995, 142ff). Annotationen, die Benutzer/innen<br />

selbst hinzufügen können, also Fenster<br />

für Notizen, können den aktiven Verarbeitungsprozess<br />

der Leser/innen unterstützen. Eine Alternative<br />

zu Annotationen sind Randnotizen oder Marginalien,<br />

die dem eigentlichen Textkorpus nichts hinzufügen,<br />

wohl aber den Benutzerinnen und Benutzern<br />

zur Verfügung stehen. Das MUCH-Programm<br />

(„Many Using and Creating Hypertext“) der<br />

Universität Liverpool (Rada et al., 1993) bietet den<br />

Lernenden sogar ein Instrument für die Anlage eigener<br />

Thesauri. Für die Verknüpfung der Einträge<br />

stehen den Studierenden Link-Typen wie „usedfor“,<br />

„narrower-than“ und „related“ zur Verfügung.<br />

Die Strukturelemente eines Hypertexts nehmen<br />

visuelle Qualitäten an, um sich vom Kontext<br />

deutlich zu unterscheiden und die Aufmerksamkeit<br />

des Lesers erringen zu können, indem sie die<br />

Struktur, zum Beispiel Verbindungen und Knoten,<br />

dem Leser transparent machen. Dabei sind visuelle<br />

Elemente der Benutzeroberfläche mit operationaler<br />

Funktion (Navigation) von funktionalen Bedienungsaspekten<br />

zu unterscheiden. Kahn et al. (1995) erheben<br />

am Beispiel einer Analyse von Intermedia und<br />

StorySpace derartige visuelle Signale zu den „drei<br />

fundamentalen Elementen der visuellen Rhetorik“<br />

von Hypertexten: „These three fundamental elements<br />

are:<br />

▸ link presence (which must include link extent),<br />

▸ link destination (which must include multiple destinations),<br />

▸ link mapping (which must display link and node<br />

relationships)“ (S. 167).<br />

Es gibt bis heute keine Konventionen für die Darstellung<br />

von Knoten und Verknüpfungen im Text.<br />

Einige Programme drucken sensible Textstellen fett,<br />

so dass man „fett“ als Stil ansonsten im Text nicht<br />

mehr verwenden kann. Andere Programme wählen<br />

Unterstreichungen. Einige Programme umrahmen<br />

Texte beim Anklicken, wieder andere invertieren ausgewählten<br />

Text.<br />

Es ist auffällig, dass Hypertext-Systeme sich mit<br />

Ikonen und Metaphern umgeben, die mehr oder<br />

minder konsistent kleine bildliche „Welten“ konstituieren.<br />

Für Hypertext-Umgebungen werden in der<br />

Regel dem jeweiligen Thema adäquate Metaphern gewählt:<br />

Das Buch, das Lexikon, die chronologische<br />

Zeitleiste, die Biographie, der Ort, das Abenteuer, die<br />

Maschine usw. Die Regeln der Benutzung durch den<br />

Lernenden, die Navigation, richten sich dann nach<br />

der jeweiligen Metapher: „Blättern“ im Buch,<br />

„Wandern“ durch eine Landschaft.<br />

An Vorschlägen zur Weiterentwicklung von Hypertext<br />

zu Hybrid-Systemen mangelt es nicht. Sie<br />

zielen auf die Mathematisierung der Navigation, die<br />

Bildung semantischer Netze (Schnupp, 1992, 189),<br />

die tutorielle Begleitung durch Expertensysteme, die<br />

Integration wissensbasierter Generierungstechniken<br />

(S. 192) und den Zugriff auf relationale Datenbanken.<br />

So schlagen Klar et al. (1992) computerlinguistische<br />

Textanalysen in Hypertext-Systemen vor;<br />

Ruge und Schwarz (1990) suchen nach linguistischsemantischen<br />

Methoden zur Relationierung von Begriffen;<br />

Irler (1992) befasst sich mit dem Einsatz von<br />

Bayesian Belief Nets zur Satzgenerierung bis hin zur<br />

automatischen „Generierung von Hypertextteilen auf<br />

der Basis einer formalen Darstellung“ (S. 115).<br />

?<br />

Das World Wide Web mit seiner Hypertext-­‐Struktur<br />

hat in wenigen Jahren eine enorme Entwicklung<br />

hinter sich gebracht und großen Erfolg bei Nutzern er-­‐<br />

zielt. Überlegen Sie, welche pädagogisch-­‐didakHschen<br />

Faktoren möglicherweise dafür ausschlaggebend ge-­‐<br />

wesen sind.<br />

Klar (1992), der Hypertext durch Expertensysteme<br />

ergänzen will, folgert, dass „die formalen<br />

Wissensdarstellungen in Expertensystemen und die<br />

informalen Präsentationen in Hypertexten sich<br />

sinnvoll ergänzen können“ (S. 44). Kibby und Mayes<br />

(1993) wollen ihr Programm StrathTutor durch Simulation<br />

des menschlichen Gedächtnisses mit Attributund<br />

Mustervergleichen anreichern und kommen zu<br />

dem Schluss, dass dafür Parallelrechnersysteme angemessener<br />

wären. Ob es sinnvoll ist, derartige Wege<br />

der Komplexitätserhöhung zu beschreiten, lässt sich


zu einem Zeitpunkt kaum entscheiden, in dem bisher<br />

nur wenige umfangreiche und inhaltlich sinnvolle Hypertext-Anwendungen<br />

überhaupt bekannt sind.<br />

8. Zur weiteren Entwicklung von Hypertext<br />

Zur Zeit der Entstehung des World Wide Web im Internet<br />

schien das Netz ein Lesemedium zu sein, in<br />

dem nur wenige Protagonisten Inhalte produzieren<br />

würden. Es gab die Befürchtung, dass alle vor 1988<br />

gedruckten Texte in Vergessenheit geraten würden.<br />

Inzwischen ist durch die Digitalisierung älterer<br />

Schriften, vor allem dank der Initiative von Google,<br />

ein großer Teil älterer Publikationen digitalisiert<br />

worden.<br />

„Die Wüste Internet“, lautete der deutsche Titel<br />

des Buches von Clifford Stoll (1996; orig. „Silicon<br />

Snake Oil“ 1995). Noch 1997 konnte Hartmut<br />

Winkler im Internet nur „ein Medium der Texte und<br />

Schrift“ entdecken und musste folglich den „Hype<br />

um digitale Bilder und Multimedia“ als „Übergangsphänomen“<br />

verkennen. Inzwischen ist das Internet<br />

ein effizienter Träger für Bilder und Animationen, für<br />

Musik, Audio, Video und Film. Die Konvergenz der<br />

Medien ist keine bloße „historische Kompromißbildung“<br />

(ebd.) mehr. Im Digitalen entsteht eine neue<br />

interaktive Gestalt aus der Synthese aller Medien.<br />

?<br />

Es gibt zwar enorm leistungsfähige Suchmaschinen,<br />

doch Ordnung und Transparenz werden<br />

durch die Masse der Angebote und den Wildwuchs<br />

der Standards zugeschüttet, Ontologien, Metadaten<br />

und Taxonomien hinken weit hinter den seit Jahrhunderten<br />

gewachsenen Thesauri der Bibliotheken her.<br />

Das Internet versteht uns nicht, es ist nicht semantisch,<br />

d.h. es kann nicht die Bedeutung von Aussagen<br />

und Sätzen verstehen. Dennoch ist es unverzichtbar<br />

geworden. Wir warten auf die nächste Entwicklungsstufe,<br />

die Tim Berners-Lee und eine Arbeitsgruppe<br />

des W3C unter dem Begriff „Semantic Web“ angekündigt<br />

haben.<br />

Literatur<br />

Denken Sie sich ein Lernexperiment mit einem wis-­‐<br />

senschajlichem Inhalt oder Gegenstand aus, der in<br />

Hypertext-­‐Form verfasst ist. Überlegen Sie, ob und<br />

wie Sie den Lerneffekt des Experiments nachweisen<br />

könnten.<br />

▸ Akscyn, R.; McCracken, D. & Yoder, E. (1988). KMS: A Distributed<br />

Hypermedia System for Managing Knowledge in Organizations.<br />

In: Communications of the ACM, 7, 31, 820-835.<br />

Hypertext. Geschichte, Systeme, Strukturmerkmale und Werkzeuge — 11<br />

▸ Ambron, S. & Hooper, K. (1998). Interactive Multimedia: Visions<br />

of Multimedia for Developers, Educators and Information<br />

Providers, Redmond: Microsoft Press.<br />

▸ Berk, H. (1991). Xanadu. In: E. Berk & J. Devlin (Hrsg.), Hypertext/Hypermedia<br />

Handbook, New York: McGraw-Hill,<br />

524-528.<br />

▸ Berners-Lee, T. & Fischetti, M. (1999). Weaving the Web: The<br />

Original Design and Ultimate Destiny of the World Wide Web<br />

by Its Inventor. Harper Collins. deutsch: Der Web-Report: der<br />

Schöpfer des World Wide Webs über das grenzenlose Potential<br />

des Internets. München, Econ (1999).<br />

▸ Bieber, M. & Wan, J. (1994). Backtracking in a Multiple-<br />

Window Hypertext Environment. In: Proceedings of the<br />

ECHT’94 European Conference on Hypermedia Technology,<br />

Edinburgh: 158-166.<br />

▸ Brown, A.L. & Palingscsar, A.S. (1989). Guided, Cooperative<br />

Learning and Individual Knowledge Acquisition. In: L.B.<br />

Resnick (Hrsg.), Knowing, Learning, and Instruction. Essays in<br />

Honor of Robert Glaser, Hillsdale: Lawrence Erlbaum Ass,<br />

393-452.<br />

▸ Bush, V. (1945). As We May Think. In: Atlantic Monthly July<br />

1945, 101-108. URL:<br />

http://www.w3.org/History/1945/vbush/vbush-all.shtml<br />

[2010-11-13]<br />

▸ Campagnoni, F.R. & Ehrlich, K. (1989). Information Retrieval<br />

Using a Hypertext-based Help System. In: ACM Transactions<br />

on Information Systems, 3, 7, 271-291.<br />

▸ Canter, D.; Rivers, R. & Storrs, G. (1985). Characterizing User<br />

Navigation Through Complex Data Structures. In: Behaviour<br />

and Information Technology, 2, 4, 93-102.<br />

▸ Catlin, T.J.O. & SMITH, K.E. (1998). Anchors for Shifting<br />

Tides: Designing a ‘seaworthy’ Hypermedia System. In: Proceedings<br />

of the Online Information ’88 Conference London, 15-<br />

25.<br />

▸ Conklin, J. (1987). Hypertext: An Introduction and Survey. In:<br />

IEEE Computer, Sept. 20, 17-41.<br />

▸ Edwars, D.M. & Hardman, L. (1989). Lost in Hyperspace: Cognitive<br />

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In: R. McAleese (Hrsg.), Hypertext: Theory into Practice,<br />

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Teubner.<br />

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12 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

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Cliffs, NJ: Educational Technology Publications.<br />

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Hypertext. Geschichte, Systeme, Strukturmerkmale und Werkzeuge — 13<br />

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(1988). Intermedia: The Concept and the Construction of a<br />

Seamless Information Environment. In: IEEE Computer, 1,<br />

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Cambridge/London: M.I.T. Press, 211-226.Akscyn, R.; Mc-<br />

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System for Managing Knowledge in Organizations. In:<br />

Communications of the ACM, 7, 31, 820-835.


Olaf Zawacki-­‐Richter<br />

Geschichte des Fernunterrichts<br />

Vom brieflichen Unterricht zum gemeinsamen Lernen im Web 2.0<br />

Die Geschichte des technologiebasierten Lernens und Lehrens soll entlang der Entwicklung und Genera-­‐<br />

Bonen technologischer InnovaBonen im Fernunterricht, der damit verbundenen MediencharakterisBka als<br />

eine FunkBon von InterakBon sowie räumlicher und zeitlicher Flexibilität und der ermöglichten didakB-­‐<br />

schen Szenarien beschrieben werden. Bei der historischen Entwicklung des technikgestützten Lernens und<br />

Lehrens werden drei GeneraBonen unterschieden: die Korrespondenz-­‐GeneraBon (ab ca. 1850), die Tele-­‐<br />

kommunikaBons-­‐ oder Open-­‐University-­‐GeneraBon (ab ca. 1960) und die Computer-­‐ und Internet-­‐Gene-­‐<br />

raBon (ab ca. 1990). Schließlich wird die Entwicklung des Online-­‐Lernens bis heute beschrieben und auf<br />

neuere Entwicklungen des mobilen und gemeinsamen Lernens im Web 2.0 eingegangen.<br />

Quelle:<br />

Niederländisches NaBonalarchiv,<br />

Spaarnestad Photo, SFA002010354<br />

NaBonaal Archief,<br />

URL: hDp://www.flickr.com/photos/naBonaalarchief/3895374225 [2011-­‐01-­‐01]<br />

Jetzt Pate werden!<br />

#fernunterricht<br />

#einfuehrung<br />

#geschichte<br />

Version vom 1. Februar 2011<br />

Für dieses Kapitel wird noch ein Pate gesucht,<br />

mehr InformaBonen unter: hDp://l3t.eu/patenschaG


2 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

1. <strong>Einführung</strong>: Mediengestützes Lernen und Fernlernen<br />

Technologiegestütztes Lernen ist medienvermitteltes<br />

Lernen. Medien ermöglichen die Erschließung von<br />

Inhalten, zum Beispiel über Selbstlernmaterialien in<br />

gedruckter Form oder über multimedial aufbereitete<br />

Einheiten. Lernen ist ein sozialer Prozess und kommt<br />

daher nicht aus ohne Kommunikation und Feedback<br />

zwischen Lernenden und Lehrenden und auch nicht<br />

ohne Kontakt zwischen den Lernenden. Diese Interaktion<br />

kann heute sehr effektiv durch die modernen<br />

Informations- und Kommunikationstechnologien<br />

(IKT) in Unabhängigkeit von Raum und Zeit, synchron<br />

und asynchron unterstützt werden.<br />

Viele weitere Kapitel in diesem Buch handeln von<br />

dem Einsatz solcher Medien in Lehr- und Lern-Prozessen<br />

aus didaktischer, organisatorischer und technischer<br />

Perspektive. Man kann sagen, dass die Entwicklung<br />

des Internets und die sich daraus ergebenen<br />

didaktischen Möglichkeiten für das Online-Lernen<br />

einen Paradigmenwechsel ausgelöst haben (Peters,<br />

2004). Diese Veränderungen betreffen nicht nur etwa<br />

die traditionellen Fernunterrichtsanbieter oder Fernuniversitäten.<br />

Das technologiegestützte Lernen und<br />

Lehren ist im Mainstream der Bildungsangebote auf<br />

allen Niveaus angekommen. Viele Universitäten<br />

bieten zum Beispiel heute auch Online-Studiengänge<br />

für berufstätige Zielgruppen im Bereich der wissenschaftlichen<br />

Weiterbildung an, und auch das Präsenzstudium<br />

wird durch internetgestützte Angebote ergänzt.<br />

Es gibt E-Learning an Grundschulen, an<br />

Volkshochschulen und natürlich in der betrieblichen<br />

Qualifizierung. Das medienvermittelte Lernen muss<br />

heute keine isolierte Form des Lernens mehr sein.<br />

Die Grenzen zwischen konventionellem Fern- und<br />

Präsenzlernen verschwimmen durch den Einsatz und<br />

die weite Verbreitung der IKT: „The secret garden of<br />

open and distance learning has become public, and<br />

many institutions are moving from single conventional<br />

mode activity to dual mode activity“ (Mills &<br />

Tait, 1999). „Dual mode activity“ bedeutet hier, dass<br />

Bildungsinstitutionen sowohl Präsenzlernen als auch<br />

Fernlernen anbieten. Dies war jedoch nicht immer so.<br />

In diesem Kapitel soll so ein Überblick über die Entwicklung<br />

und Geschichte von technologischen Innovationen<br />

und ihrem Einsatz in Lehr- und Lernprozessen<br />

gegeben werden. Dabei ist zu berücksichtigen,<br />

dass Institutionen des Fernunterrichts und des Fernstudiums<br />

schon immer sehr früh neu aufkommende<br />

Kommunikationstechnologien genutzt haben. Für<br />

das Fernlernen ist charakteristisch, dass Lernende<br />

und Lehrende räumlich (und zeitlich) voneinander<br />

getrennt sind. Lernprozesse werden daher durch<br />

Medien überhaupt erst ermöglicht.<br />

!<br />

Die Entwicklung des technologiegestützen Lernens<br />

kann als Abfolge medientechnologischer InnovaBonen<br />

beschrieben werden. Eine neue GeneraBon des tech-­‐<br />

nikgestützten Lernens wurde durch neue Medien ein-­‐<br />

geläutet, die neue Formen der InterakBon und raum-­‐<br />

zeitlichen Flexibilität ermöglicht haben.<br />

2. Genera:onen technologischer Innova:onen<br />

Viele Erfindungen und Entwicklungen im Bereich<br />

der Medientechnologie eröffneten neue Wege der<br />

Kommunikation und Betreuung zum Beispiel durch<br />

die Möglichkeit, einen Tutor anzurufen, um eine inhaltliche<br />

Frage zu klären oder die Möglichkeit, bei<br />

einer Bibliothek einen Aufsatz über die Online Fernleihe<br />

zu bestellen (Zawacki-Richter, 2004).<br />

Garrison (1985) unterscheidet drei Generationen<br />

technologischer Innovation, die einen Paradigmenwechsel<br />

des Lernens und Lehrens im Fernstudium<br />

ausgelöst und somit die Qualität des Lernprozesses<br />

nachhaltig verändert haben. Aus historischer Perspektive<br />

sind die drei Meilensteine technologischer<br />

Innovation nach Garrison die Printmedien, die Telekommunikationsmedien<br />

und der Computer. Im<br />

Fernstudium sind Medien, die eine zweikanalige<br />

Kommunikation ermöglichen, von besonderer Wichtigkeit.<br />

Unidirektionale Medien, zum Beispiel das<br />

Radio, Fernsehen oder DVD, werden von Garrison<br />

daher auch als begleitende oder ergänzende Medien<br />

(engl. „ancillary media“) bezeichnet: „[...] other media<br />

are not considered to have significantly altered the<br />

delivery of distance education. The main reason is<br />

the non-interactiveness of media such as radio and<br />

television broadcasts, audio and video cassettes, laser<br />

videodiscs, and audiographics. For this reason, these<br />

media are viewed as being in a separate category,<br />

since they are incapable of providing two-way communication“<br />

(S. 239). Garrison beschreibt die Medien<br />

als eine Funktion von Interaktion der Beteiligten<br />

sowie der räumlichen und zeitlichen Unabhängigkeit<br />

(S. 240). Auch wenn Garrison in den 1980er Jahren<br />

die enorme Entwicklung des Internets nicht vorhersehen<br />

konnte, so erscheint sein Modell trotz des<br />

frühen Entstehungsjahres noch passend, da auch das<br />

heutige technikgestützte Lernen wesentlich durch die<br />

computervermittelte Kommunikation geprägt ist. Im<br />

Folgenden wird die Abfolge medientechnologischer<br />

Innovationen in Anlehnung an Garrison (1985) beschrieben.


!<br />

Geschichte des Fernunterrichts. Vom brieflichen Unterricht zum gemeinsamen Lernen im Web 2.0 — 3<br />

Es lassen sich drei GeneraBonen unterscheiden: die<br />

KorrespondenzgeneraBon (ab ca. 1850), die Telekom-­‐<br />

munikaBons-­‐ oder FernuniversitätengeneraBon (ab<br />

ca. 1960) und die Computer-­‐ und Internet-­‐GeneraBon<br />

(ab ca. 1990).<br />

Die Anfänge: Korrespondenzgenera:on<br />

Die erste Generation war der printbasierte Fernunterricht,<br />

in der für das Selbststudium aufbereitete Studienbriefe<br />

verschickt wurden und die Teilnehmer per<br />

Briefwechsel von einem Tutor betreut wurden. Die<br />

Wurzeln des Fernunterrichts und des Fernstudiums<br />

gehen über 250 Jahre in die Vergangenheit zurück.<br />

Bereits 1728 inserierte Caleb Phillipps („Teacher<br />

of the New Method of Short Hand“) in der Boston<br />

Gazette Anzeigen für seine Stenographie-Fernkurse:<br />

„[Any] persons in the country desirous to learn this<br />

art, may by having the several Lessons sent weekly to<br />

them, be as perfectly instructed as those that live in<br />

Boston“ (Battenberg, 1971, 44).<br />

In Europa brachte Gustav Langenscheidt zusammen<br />

mit Charles Toussaint Selbstunterrichtsbriefe<br />

für Französisch-Sprachkurse heraus. Die<br />

beiden entwickelten die „Methode Toussaint-Langenscheidt“<br />

mit der die französische Aussprache in Studienbriefen<br />

vermittelt werden konnte. Die Lautschrift<br />

ist also eine Entwicklung des Fernunterrichts. Die<br />

Durchsetzung der Lautschrift war auch die<br />

Grundlage für die erfolgreiche Gründung des Verlages<br />

von Gustav Langenscheidt im Jahr 1856.<br />

Eine tutorielle Begleitung durch ständigen Briefwechsel<br />

war allerdings in beiden Fällen noch nicht<br />

vorgesehen. So sind diese Formen des Selbstunter-<br />

Abbildung 1: Selbstlernmaterialien um die Jahrhun-­‐<br />

dertwende aus dem Archiv der Deutschen Fernstudi-­‐<br />

endokumentation an der FernUniversität in Hagen<br />

(Französischkurs mit Lautschrift von Langenscheidt<br />

und Schallplatten zur "Anwendung für Sprechma-­‐<br />

schinen"); http://dfsd.fernuni-­‐hagen.de<br />

Abbildung 2: Tutorielle Betreuung im brieflichen<br />

Unterricht im Jahr 1901. Quelle: Delling, 1992<br />

richts streng genommen noch nicht als Fernunterricht<br />

zu bezeichnen. Bidirektionale Kommunikation<br />

ist aus dem Institut für brieflichen Unterricht von<br />

Simon Müller in Berlin (1897) überliefert (Delling,<br />

1992).<br />

Die University of London war die erste Universität,<br />

die 1858 Korrespondenzkurse für Auswanderer-<br />

/innen in den Kolonien in Australien, Kanada,<br />

Indien, Neuseeland und Südafrika in ihr Angebot<br />

aufnahm. Eine Studienbetreuung war nicht vorhanden.<br />

Mit einem Postschiff wurden Studienmaterialien<br />

zusammen mit einem Syllabus, Musterklausuren<br />

und einer Liste mit Prüfungsorten und -terminen<br />

verschickt: Eine persönliche Betreuung der<br />

Studierenden gab es nicht (Ryan, 2001). Die ersten<br />

Korrespondenzkurse wurden nicht von Fernstudienspezialisten/innen<br />

geschrieben, sondern von Lehrenden<br />

traditioneller Universitäten – sie waren also<br />

Vorlesungen in schriftlicher Form. Großbritannien<br />

gründete 1875 in Pretoria (Südafrika) die University<br />

of South Africa (UNISA) als erste dezidierte Fernuniversität<br />

der Welt. Sie ist auch heute noch, mit über<br />

200.000 Studierenden, die größte Fernuniversität<br />

Afrikas ( http://unisa.sa.za).<br />

Das Korrespondenzstudium eröffnet die Möglichkeit,<br />

unabhängig von Raum und Zeit zu lernen.<br />

Es wurde bald erkannt, dass mehr Selbstständigkeit<br />

der Studierenden nicht einfach daraus resultiert, dass


4 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

man sie sich selbst überlässt. So wurde die vorherrschende<br />

unidirektionale Kommunikation, das heißt<br />

der Versand von vorgefertigten Studienmaterialien<br />

von der Institution zu den Studierenden, durch bidirektionale<br />

Kommunikation ergänzt, zum Beispiel<br />

durch Präsenzveranstaltungen, briefliche Tutorien<br />

oder telefonischen Kontakt. Die Möglichkeiten waren<br />

jedoch aufgrund der geringen technischen Entwicklung<br />

sehr begrenzt. Die Antwortzeiten waren in<br />

der Regel lang, da die Kommunikation von der Post<br />

per Eisenbahn oder Schiff abhängig war. Heute<br />

werden die Studierenden allerdings durch einen Mix<br />

von Betreuungsangeboten unterstützt, die im weiteren<br />

Verlauf der Entwicklung eingeführt wurden.<br />

Das Fernstudium der ersten Generation war also<br />

gekennzeichnet durch eingeschränkte bidirektionale<br />

Kommunikation zwischen Lernenden und Lehrenden.<br />

Der Kontakt zu anderen Lernenden war allenfalls<br />

im Rahmen von Präsenzveranstaltungen<br />

möglich und somit extrem eingeschränkt.<br />

!<br />

InsBtuBonen des Fernunterrichts und des Fernstu-­‐<br />

diums haben schon sehr früh Bildungstechnologien<br />

eingesetzt, da das Lernen und Lehren hier durch<br />

Medien überhaupt erst ermöglich wird. Erste Fernun-­‐<br />

terrichtsanbieter gab es im deutschsprachigen Raum<br />

MiDe des 19. Jahrhunderts (Sprachkurse von Gustav<br />

Langenscheidt), die erste Fernuniversität wurde 1875<br />

in Südafrika gegründet.<br />

Telekommunika:ons-­‐ oder Fernuniversitätengenera:on<br />

Die zweite Generation in der Entwicklung des Fernstudiums<br />

ist eng mit der fortschreitenden Institutionalisierung<br />

und der Gründung der Open Universities<br />

Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre verknüpft.<br />

Eine Vorreiterrolle nahm die im Jahre 1969<br />

gegründete britische Open University (OUUK) ein.<br />

1974 wurde im deutschsprachigen Raum die Fern-<br />

Universität in Hagen gegründet, die heute nach Studierendenzahlen<br />

(ca. 70.000) die größte Universität<br />

Deutschlands ist. In den neuen Fernuniversitäten<br />

wurde ein systemischer Ansatz angewandt, das heißt<br />

die Prozesse der Kurskonzeption, der mediendidaktischen<br />

Aufbereitung, der Produktion und Distribution<br />

und schließlich die fachliche und organisatorische Betreuung<br />

der Lernenden, unterliegen einem arbeitsteiligen<br />

Prozess des didaktischen Designs (Morrison et<br />

al., 2007).<br />

Eine neue Entwicklung der zweiten Generation<br />

des Fernstudiums war die Eröffnung von Studienzentren,<br />

die ein wichtiges Element des Support-<br />

System darstellen. In Großbritannien werden die Studierenden<br />

durch ein Netz regionaler und lokaler Studienzentren<br />

betreut (Tait, 2000). Nach dem Vorbild der<br />

OUUK haben viele Fernuniversitäten Studienzentren<br />

eingerichtet. Sie eröffnen den Zugang zu Technologie<br />

(zum Beispiel Computer, Videokonferenzanlagen),<br />

Studienmaterialien und Bibliotheksdiensten, sie<br />

bieten Studienberatung durch Fachkräfte, hier<br />

können die Studierenden ihre Kommilitonen treffen<br />

und an tutoriellen Präsenzveranstaltungen teilnehmen<br />

und schließlich auch ihre Prüfungen ablegen. An der<br />

FernUniversität in Hagen werden die Studierenden<br />

über ein Netz von 13 Regionalzentren betreut.<br />

Abbildung 3: Telekolleg in den 1970er Jahren.<br />

Quelle: Eberhard Weiß im Telekolleg (Bildschirmfoto)<br />

Die Telekommunikationsmedien ermöglichen die<br />

elektronische Übertragung von Kommunikation in<br />

Form von Ton, Bild und Text über Telefon und Fax,<br />

Fernsehen, Video und Radio sowie über Audio-,<br />

Video- und auch schon Computerkonferenzen. Die<br />

Telekommunikations-Generation wird daher auch als<br />

„Multimedia Distance Teaching“ bezeichnet (Nipper,<br />

1989). Die Bildungstechnologien spielen nicht nur in<br />

den Fernuniversitäten, sondern auch bei der Betreuung<br />

von Schulkindern in großen Flächenländern<br />

wie Australien in den so genannten „Busch-Schulen“,<br />

in denen früher zum Beispiel CB-Funk in Verbindung<br />

mit Präsenzphasen und Selbstlernmaterialien<br />

eingesetzt wurden, eine wichtige Rolle (Marginson,<br />

1993).<br />

In einer Audiokonferenz können mehrere Teilnehmer/innen<br />

synchron miteinander kommunizieren.<br />

Die langsame Antwortzeit wie beim Korrespondenzstudium<br />

wird drastisch verkürzt. Gleiches<br />

gilt für Videokonferenzen mit dem Unterschied, dass<br />

hier zusätzlich Bilddaten übertragen werden. Dieses<br />

Mehr an synchroner Interaktion wird allerdings mit<br />

reduzierter Skalierbarkeit erkauft. Ein Dilemma, denn<br />

hier nehmen wir Abschied von der gleichgearteten


Geschichte des Fernunterrichts. Vom brieflichen Unterricht zum gemeinsamen Lernen im Web 2.0 — 5<br />

Betreuung einer sehr großen Anzahl von Lernenden,<br />

dem Prinzip der Massenhochschulbildung (Peters,<br />

1997, 24). Die Technik war aufwändig und musste<br />

von lokalen Studienzentren bereitgestellt werden, so<br />

dass die Studierenden nicht von zu Hause aus teilnehmen<br />

konnten, sondern sich zu einem festen Zeitpunkt<br />

an einem bestimmten Ort einfinden mussten.<br />

Die Synchronität der Telekonferenzmedien steht dem<br />

Gedanken, einer möglichst großen Zahl von Personen<br />

einen flexiblen Zugang zum Studium zu ermöglichen,<br />

entgegen. Dies unterstreicht Daniel<br />

( 1 9 9 8 ) i n e i n e r g l ü h e n d e n R e d e v o r<br />

Teilnehmer/innen eines Kongresses von Videokonferenzanbietern,<br />

in der er von einer Krise des Zugangs,<br />

der Kosten und der Flexibilität spricht:<br />

„Group teaching in front of remote TV screens?<br />

This is not only an awful way to undertake distance<br />

learning, but flies in the face of everything that we<br />

have learned while conducing successful open and<br />

supported learning on a massive scale for the past 27<br />

years. Our lessons are the key to addressing the triple<br />

crisis of access, cost and flexibility now facing higher<br />

education world-wide“ (Daniel, 1998, 1).<br />

Um keine Lernenden von der Betreuung mit Telekommunikationsmedien<br />

auszuschließen, muss vor<br />

dem Hintergrund der Ansprüche und Möglichkeiten<br />

der jeweiligen Zielgruppe eine entsprechende Medienauswahl<br />

getroffen werden. In der Regel sind asynchrone<br />

Technologien für die Betreuung räumlich verteilter<br />

Lernender mit unterschiedlichen zeitlichen<br />

Verpflichtungen am besten geeignet. Hier bieten<br />

asynchrone Computerkonferenzen die beste Lösung<br />

(siehe Kapitel #videokonferenz).<br />

Computer-­‐ und Internet-­‐Genera:on<br />

Große Bedeutung misst Garrison dem computergestützten<br />

Lernen (Computer Assisted Learning,<br />

CAL) bei. CAL-Programme sind Selbstlerneinheiten,<br />

die die Interaktion sowie räumliche und zeitliche Flexibilität<br />

maximieren sollen. Unter Interaktion wird<br />

hier die Interaktion des Lernenden mit dem Computerprogramm<br />

verstanden (Garrison, 1985, 238). Es<br />

hat sich jedoch gezeigt, dass der Programmierte<br />

Unterricht ohne soziale Interaktion und ohne<br />

Dialog zwischen Lernenden und Lehrenden sowie<br />

den Lernenden untereinander wenig erfolgreich ist<br />

(Schulmeister, 1999). CAL-Programme können allenfalls<br />

eine Ergänzung sein. 1989 veröffentlichte der<br />

britische Wissenschaftler Tim Berners-Lee von der<br />

„European Organization for Nuclear Research“<br />

(CERN) ein Proposal, in dem er ein dezentral verteiltes,<br />

hypermediales, netzwerkbasiertes System vorstellte<br />

(Berners-Lee, 1989). Das System, welches<br />

später als „World Wide Web“ (WWW) auch außerhalb<br />

von Forschungseinrichtungen populär wurde,<br />

basierte auf Darstellungsservern (Webservern), die<br />

Informationen speichern und verknüpfen sowie Darstellungsclients<br />

(Webbrowsern), welche die gespeicherten<br />

Informationen über das „Hypertext Transfer<br />

Protocol“ (HTTP) von Servern über das Internet abrufen<br />

und auf unterschiedlichen Endgeräten darstellen<br />

konnten. Unter „Hypertext“ versteht man<br />

nicht-linearen Text, der durch Knoten und Links<br />

netzwerkartig verknüpft ist. Erweitert man „Hypertext“<br />

mit zeitdiskreten Medientypen (Bild, Grafik,<br />

usw.) und zeitkontinuierlichen Medientypen (Video,<br />

Audio, Animation, usw.) entsteht „Hypermedia“<br />

(siehe Kapitel #hypertext).<br />

Murray Turoff vom New Jersey Institute of Technology<br />

ist der Erfinder der Computerkonferenzmethode<br />

(Computer-Mediated Communication, CMC)<br />

und Entwickler der CMC-Plattform „Virtual<br />

Classroom“ (Turoff, 1995; Harasim et al., 1995). An<br />

der Open University UK wurde bereits 1988 „CoSy“<br />

(conferencing system) für Online Tutorien mit 1300<br />

Studierenden eingeführt (Mason, 1989; Harasim et<br />

al., 1995). Aus den einfachen Computerkonferenzsystemen<br />

haben sich die heutigen Lern- und Campus-<br />

Management-Systeme entwickelt. Abbildung 5<br />

zeigt eines der ersten Systeme, mit denen die Funktionen<br />

eines virtuellen Campus abgebildet werden<br />

konnten. Unter der Leitung von Linda Harasim<br />

wurde Virtual-U 1994 bis 1995 an der Simon Fraser<br />

University in Canada entwickelt.<br />

Das isolierte Lernen wird im Fernstudium oft als<br />

ein Problem für den Studienerfolg genannt: „Distance<br />

learning can be very isolating, and inadequate<br />

attention to course design, student counselling and<br />

support can yield poor completion rates and the<br />

worst aspects of one-way knowledge transmission“<br />

Abbildung 4: Computerunterstützer Unterricht,<br />

Projekt „MUPID“, TU Graz, 1985<br />

Quelle: http://ftp.iicm.tugraz.at/much/projects/


6 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

(Brindley & Paul, 1996, 43). Nach Kirkwood (1998)<br />

ist der wertvollste Beitrag, den vernetzte Computer<br />

und die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien<br />

für das Fernstudium leisten können, der<br />

persönliche Dialog und Tools für gemeinsames<br />

Lernen und Arbeiten: „The availability of learners to<br />

each other and to the tutor asynchronously as well as<br />

Abbildung 5: Virtual-­‐U.<br />

Quelle: Mason, 1998<br />

synchronously, has the potential to overturn the emphasis<br />

on distance education as an individualised<br />

form of learning“ (Thorpe, 2002, 114). Hierin liegt<br />

der Grund für die große Bedeutung des Online-<br />

Lernens, da es die Vorteile der Flexibilität und der<br />

Zugangsmöglichkeiten des Fernstudiums mit den interaktiven<br />

Möglichkeiten der Zusammenarbeit in Präsenzgruppen<br />

verbindet.<br />

3. Zur Entwicklung des technologiegestützen Lernens<br />

heute<br />

Seit Mitte der 1990er Jahre hat sich das Online-<br />

Lernen oder E-Learning rasant entwickelt. Im Jahr<br />

2007 haben in den USA 2,9 Millionen Studierende<br />

Online-Kurse belegt, was einer Steigerung zum<br />

Vorjahr von 12,9 Prozent im Vergleich zu 1,2<br />

Prozent im allgemeinen Hochschulsektor entspricht<br />

(Allen & Seaman, 2008). Die steigende Nachfrage<br />

nach technologiegestützen, räumlich und zeitlich flexiblen<br />

Bildungsangeboten, lässt sich am Beispiel des<br />

amerikanischen University of Maryland University<br />

College (UMUC) gut illustrieren, heute einer der<br />

größten Anbieter von Online Studiengängen<br />

weltweit. UMUC wurde 1947 als Weiterbildungseinheit<br />

an der University of Maryland College Park<br />

gegründet und wurde 1972 zur unabhängigen Universität<br />

(Allen, 2004). Noch 1995 waren nur 1.000<br />

von 30.000 Studierenden dieser Universität Fernstudierende,<br />

die hauptsächlich mit gedruckten Studienmaterialien<br />

lernten. Im Jahr 1997 wurde der erste<br />

Online-Kurs mit 110 Studierenden durchgeführt.<br />

Seitdem hat sich die Anzahl der Online-Kurs-Belegungen<br />

auf annähernd 200.000 im Jahr 2009 gesteigert.<br />

Die Zahl der Studierenden hat sich seitdem<br />

auf über 90.000 mehr als verdreifacht (Zawacki-<br />

Richter et al. 2010).<br />

!<br />

?<br />

Zum großen Durchbruch der computervermiDelten<br />

KommunikaBon verhalfen die massenhaGe Ver-­‐<br />

breitung der Personalcomputer und die explosions-­‐<br />

arBge Entwicklung des Internet mit dem World Wide<br />

Web in den 1990er Jahren. Durch die weltweite Ver-­‐<br />

netzung und Verfügbarkeit der Computer sind Kon-­‐<br />

takte und der Zugang zu InformaBonen unabhängig<br />

von Raum und Zeit möglich.<br />

Garrison (1985) hat die Entwicklung des medienver-­‐<br />

miDelten Lernens und Lehrens entlang von Genera-­‐<br />

Bonen technologischer InnovaBonen, die sich ein-­‐<br />

ander ablösen, beschrieben. DiskuBeren Sie, ob der<br />

Begriff der GeneraBon hier wirklich passend ist.<br />

Hier ist eine sehr interessante Entwicklung zu beobachten:<br />

Immer mehr jüngere Personen entscheiden<br />

sich nach der Schule für ein Online-Studium. Sie gehören<br />

nicht zum traditionellen Klientel der Fernuniversitäten,<br />

deren Zielgruppe schwerpunktmäßig die<br />

sogenannten „nicht-traditionellen Studierenden“<br />

(Teichler & Wolter, 2004) sind. So schreibt Nick<br />

Allen (2004, 224), damals Präsident von UMUC:<br />

„Unsere Studierendenschaft ist recht heterogen.<br />

Die größte Gruppe ist die der 25 bis 44jährigen, aber<br />

die Gruppe der unter 25jährigen wächst immer<br />

stärker. Das sind eigentlich traditionelle Studierende,<br />

die normalerweise zu einer Präsenzuniversität gehen.<br />

In den USA werden jedoch die Universitäten immer<br />

teurer, so dass viele Studierende arbeiten müssen und<br />

in Teilzeit studieren müssen. So kommen immer<br />

mehr zu uns“ (S. 274, Übersetzung durch den Autor).<br />

Die Grenzen zwischen traditionellen Fern- und<br />

Präsenzuniversitäten verschwimmen also immer<br />

mehr: nicht nur bezüglich des Medieneinsatzes,<br />

sondern auch im Hinblick des Profils ihrer Zielgruppen<br />

(Alheit et al., 2008). Auch die medientechnische<br />

Hard- und Software entwickelt sich immer<br />

weiter. Im folgenden sollen neue Anwendungen des<br />

mobilen Lernens und Web 2.0 (Social Software) vorgestellt<br />

werden, jedoch auch eher aus historischer<br />

Perspektive. Weitere Kapitel in diesem Lehrbuch beschäftigen<br />

sich tiefer gehend mit diesen Themen.


Geschichte des Fernunterrichts. Vom brieflichen Unterricht zum gemeinsamen Lernen im Web 2.0 — 7<br />

Mobiles Lernen<br />

Mobile Endgeräte wie Handys und Tablet-Computer<br />

ermöglichen eine noch stärkere räumliche Flexibilität<br />

als das E-Learning am PC. Das Lernen wird mobil<br />

(„mobile Learning“, Ally, 2009; siehe Kapitel<br />

#mobil). In einer Umfrage zur Entwicklung des mobilen<br />

Lernens im Jahr 2005, auf die Experten/innen<br />

aus 27 verschiedenen Ländern geantwortet haben,<br />

glaubten 78 Prozent der Befragten, dass das Lernen<br />

mit mobilen Endgeräten innerhalb von drei bis fünf<br />

Jahren zum Standard gehören wird. Von den beteiligten<br />

Fernstudieninstitutionen waren bereits 55<br />

Prozent dabei, Inhalte für das mobile Lernen zu entwickeln<br />

beziehungsweise planten dies in Kürze umzusetzen<br />

(Zawacki-Richter et al., 2009).<br />

Die Flexibilität mobiler Technologien eröffnet insbesondere<br />

für die didaktische Gestaltung von Lernprozessen<br />

neue Möglichkeiten für forschendes<br />

Lernen und just-in-time Zugang zu Wissen und Informationen<br />

(Kukulska-Hulme & Traxler, 2005).<br />

Die weltweite Verbreitung mobiler Endgeräte ermöglicht<br />

gerade für die Menschen in Entwicklungsländern<br />

den Zugang zu Bildung. Die Entwicklungsländer<br />

sind gerade dabei, die Entwicklungsstufe des<br />

verkabelten Internets zu überspringen (Brown, 2004;<br />

siehe Kapitel #entwicklungszusammenarbeit). In<br />

einem Fernstudienprojekt an der University of Pretoria<br />

zur Fortbildung von über 20.000 Lehrern und<br />

Lehrerinnen im ländlichen Raum von Südafrika<br />

wurde festgestellt, dass nur 0,4 Prozent der Teilnehmenden<br />

Zugang zu E-Mail hatten, aber 99,4 Prozent<br />

ein Mobiltelefon besaßen. Bereits 2003 wurde daher<br />

in der Lehrerfortbildung mit mobilem Lernen begonnen<br />

(Keegan, 2005).<br />

Gemeinsames Lernen im Web 2.0<br />

Web 2.0 ist eine Bezeichnung zur Beschreibung von<br />

neuen interaktiven Anwendungen des Internet und<br />

WWW. Unter dem Begriff verstand Tim O'Reilly<br />

„design patterns and business models for the next generation<br />

of software“ (O'Reilly, 2005). Der Begriff<br />

steht insbesondere für eine geänderte Wahrnehmung<br />

des Internet. Im Laufe der Zeit entwickelten sich<br />

Content-Management-Systeme und datenbankbasierte<br />

Systeme, die dynamisch aktuelle Inhalte erzeugen.<br />

Der Hauptaspekt beim Web 2.0 ist, dass die<br />

Webseiten nicht mehr wie beim Web 1.0 aus statischen<br />

HTML-Seiten bestehen, sondern die Nutzer<br />

selbst Inhalte erstellen können. Die Philosophie des<br />

Web 2.0 befreit aus der Konsumentenrolle. Typische<br />

Beispiele hierfür sind Wikis, Weblogs, Social Tagging<br />

(gemeinschaftliches Indexieren) sowie Bild- und<br />

Video-Sharing-Portale. Die Nutzung dieser interak-<br />

tiven Technologien auch für das Online-Lernen liegt<br />

auf der Hand, denn das „Social Web“ und „Social<br />

Software“ bieten sich in besonderer Weise für das kooperative<br />

Lernen an (Erpenbeck & Sauter, 2007).<br />

Es entsteht eine Vielzahl von Web-Angeboten, die<br />

über keinen eigenen Datenbestand verfügen, sondern<br />

lediglich Daten von Dritten zu neuen Diensten kombinieren<br />

(„Mash-Up“; siehe Kapitel #webtech). Vor<br />

allem die Kreativität der Nutzer/innen ist ein tragendes<br />

Element der Web-2.0-Kultur (Surowiecki,<br />

2005). Dienste wie zum Beispiel FlickR oder Wikipedia<br />

leben von der aktiven Inhaltsgenerierung ihrer<br />

Nutzer/innen. Die Grenzen zwischen Produzenten<br />

und Konsumenten aus der Web-1.0-Phase verschwinden<br />

zunehmend. Nachdem das Internet Computer<br />

verband und das WWW Informationen verknüpft,<br />

verbindet nun das Web 2.0 Menschen miteinander.<br />

Angebote „sozialer Netzwerke“ wie Xing, Facebook,<br />

StudiVZ und YouTube aber auch neue<br />

Kommunikationsmedien wie Blogs schaffen ausdifferenzierte<br />

Räume der (teil-) öffentlichen Kommunikation<br />

im Internet, die eine zunehmende individualisierte<br />

Nutzung des Mediums Internets begünstigen<br />

(Wolling, 2009). Vor allem die intuitive Bedienung<br />

und einfache Vernetzungsmöglichkeit der verschiedenen<br />

Web-2.0-Dienste untereinander sind die wesentlichen<br />

Gründe für den Erfolg des „Mitmach-<br />

Netzes“.<br />

Zudem können verschiedene Anwendungen von<br />

Lernenden individuell zu einer personalisierten Lernumgebung<br />

kombiniert werden. „Personal<br />

Learning Environments“ (PLE) sind webbasierte<br />

Mashups, die den Lernenden als individuelle Lernumgebungen<br />

dienen (Attwell, 2007). Sie basieren auf der<br />

individuellen Selektion und Aggregation von verschiedenen<br />

Diensten aus dem Internet durch die<br />

Nutzer/innen selbst. Mit den sozialen Netzen im<br />

Web 2.0 und den PLE rückt das selbstgesteuerte und<br />

aktive Lernen der Studierenden mehr in den Fokus<br />

(Schaffert & Kalz, 2009; siehe Kapitel #systeme):<br />

„Given the amount of attention that communication<br />

features and learning from peers (not just instructors)<br />

have received even in the traditional eLearning<br />

context over the past few years, it is easy to see that<br />

this strong social streak in the Web 2.0 movement directly<br />

plays into the hands of any effort to increase<br />

knowledge sharing and transfer“ (Rollett et al.,<br />

2007, 97).<br />

!<br />

Die Nutzung mobiler Endgeräte und Anwendungen<br />

des Web 2.0 (Social SoGware) eröffnen neue Möglich-­‐<br />

keiten des ubiquitären, gemeinsamen Lernens.


8 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

?<br />

?<br />

Betrachten Sie die Entwicklung des Fernunterrichts<br />

aus PerspekBve der Lernenden: Was waren und sind<br />

wohl ihre MoBve und Anlässe, keinen Präsenzunter-­‐<br />

richt zu besuchen? Wie hat sich dies im Lauf der Zeit<br />

gewandelt?<br />

Betrachten Sie die Entwicklung des Fernunterrichts<br />

aus PerspekBve der Lehrenden: Wie wandelte sich<br />

ihre Aufgaben und unterrichtlichen Möglichkeiten im<br />

Laufe der Zeit?<br />

Literatur<br />

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Geschichte des Fernunterrichts. Vom brieflichen Unterricht zum gemeinsamen Lernen im Web 2.0 — 9<br />

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2 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

1. Grundlagen<br />

In diesem Abschnitt wird der Begriff des Informationssystems<br />

erläutert und was man im Lehr-/Lernkontext<br />

darunter versteht. Anschließend erfolgt ein<br />

Überblick über die Verteilungsmöglichkeiten derartiger<br />

Systeme in Computernetzwerken.<br />

Informa1onssysteme zum Lernen und Lehren<br />

Ganz allgemein sind Informationssysteme eben jene,<br />

die Informationen verarbeiten, genauer: sie unterstützen<br />

die Nutzer bei der Erfassung, Übertragung,<br />

Transformation, Speicherung und Bereitstellung von<br />

Informationen verschiedenster Art (Ferstl & Sinz,<br />

2006, 1). Daher bestehen Informationssysteme aus<br />

der Gesamtheit aller Daten und den nötigen Verarbeitungsanweisungen.<br />

Das Wesentliche daran besteht<br />

in der Zusammenführung, Verwaltung und Bereitstellung<br />

bzw. Präsentation von Daten unter einem<br />

thematischen Gesichtspunkt. So gesehen bilden die<br />

Server des World Wide Web das weltweit größte Informationssystem.<br />

Informationssysteme, die speziell<br />

für die Organisation und Durchführung von Lehrund<br />

Lernprozessen entwickelt wurden, verarbeiten<br />

ebenfalls Informationen, nämlich die, die zur Erstellung<br />

und Verwaltung von Lernressourcen, Lehrenden<br />

und Lernenden benötigt werden.<br />

!<br />

Informa;onssysteme für das Lernen und Lehren verar-­‐<br />

beiten die Informa;onen, die für die Erstellung und<br />

Verwaltung von Lernressourcen, Lehrenden und Ler-­‐<br />

nenden benö;gt werden.<br />

Die Verarbeitung der Informationen kann dabei<br />

auf dem eigenem Computer stattfinden. Häufiger<br />

werden jedoch Dienste über Netzwerke in Anspruch<br />

genommen, die auf eine zentrale Datenbank zu-<br />

Funk1onen Beispiele (Musterlösungen)<br />

greifen und diese Daten für die Benutzerinnen und<br />

Benutzer grafisch sinnvoll darstellen. Dadurch wird<br />

nicht nur das Halten größerer Datenmengen, die zentrale<br />

Sicherung, die Ausfallsicherheit und die Bereitstellung<br />

höherer Rechenleistung möglich, sondern<br />

auch die Kommunikation zwischen den Benutzerinnen<br />

und Benutzern. So können neben der Verwaltung<br />

von Lernaktivitäten durch Lehrende auch die<br />

Lernenden bei Rückfragen mit den Kursleiterinnen<br />

und Kursleitern oder anderen Kursteilnehmer/innen<br />

in Kontakt treten.<br />

?<br />

BiGe ergänzen Sie zur Tabelle 1 Beispiele für die Verar-­‐<br />

beitung von Informa;onen, die von Informa;onssys-­‐<br />

temen zum Lehren und Lernen bereitgestellt<br />

und/oder unterstützt werden sollen.<br />

Netzwerkarchitektur für Informa1onssysteme – ein<br />

Überblick<br />

Zum selbstständigen Lernen können Lernmaterialien<br />

auf CD, USB-Stick oder einem anderen Datenträger<br />

bereitgestellt werden. Lehrende und Lernende<br />

müssen sich dann keine Gedanken über Internetverbindung<br />

und Netzwerkarchitektur machen, haben<br />

aber auch keine Möglichkeit, miteinander zu kommunizieren<br />

oder Gruppenarbeiten durchzuführen. Soll<br />

mehr als eine Benutzerin oder ein Benutzer mit dem<br />

Informationssystem arbeiten, folgt unweigerlich die<br />

Frage, wie die Zusammenarbeit realisiert werden<br />

kann. Genauer: Wie kann man erreichen, dass alle<br />

Benutzer/innen Zugriff auf das Informationssystem<br />

und die darin befindlichen Daten haben?<br />

Ein erster und sehr einfacher Ansatz wäre es, alle<br />

Computer der Nutzer miteinander zu verbinden. In<br />

einem solchen Peer-to-Peer-Netzwerk wären alle<br />

Nutzer direkt miteinander vernetzt und tauschen Informationen<br />

untereinander aus (Stein, 2008, 489).<br />

Informa;onen erfassen Lernerdaten in Datenbank schreiben, Neue Kursdaten einstellen, Lerninhalte erstellen<br />

Informa;onen übertragen Lernerdaten bei Einschreibung im Kurs zur Verfügung stellen, Termine aus dem Kurskalen-­‐<br />

der in den persönlichen Kalender des Lernenden überführen<br />

Informa;onen transformieren Reports aus Lernergebnissen erstellen, Bildgrößen für Darstellung anpassen, Vorlagen an-­‐<br />

wenden<br />

Informa;onen speichern Lernergebnisse ablegen, Lerninhalte speichern...<br />

Informa;onen bereitstellen eingeschriebene Kursteilnehmer/innen, Testergebnisse<br />

Tabelle 1: Informationen, die von Informationssystemen zum Lehren und Lernen bereitgestellt werden


!<br />

Abbildung 1: Peer-­‐to-­‐Peer-­‐Netzwerk<br />

In einem Peer-­‐to-­‐Peer-­‐Netzwerk sind alle Computer<br />

gleichrangig miteinander verbunden und tauschen In-­‐<br />

forma;onen und Dienste untereinander aus.<br />

Das Problem hierbei ist sicherzustellen, dass auch alle<br />

Informationen zu jeder Zeit verfügbar sind – auch<br />

dann, wenn die Benutzer ihren Computer ausschalten.<br />

Würde man also ein Informationssystem<br />

zum Lernen und Lehren in einem solchen Netzwerk<br />

realisieren, müsste man entweder<br />

▸ damit rechnen, dass einige Informationen und<br />

Dienste nicht immer erreichbar sind, oder<br />

▸ es müssten die gleichen Informationen auf mehreren<br />

Computern hinterlegt werden, was enorme<br />

Anforderungen an die Versionsverwaltung stellen<br />

würde, nur um sicher zu gehen, dass jeder mit den<br />

aktuellen Informationen arbeitet (Niegemann, et<br />

al., 2008, 459f).<br />

In der Praxis: Schwankungen an Hochschulen<br />

In Hochschulen gibt es erfahrungsgemäß zwei Zeiträume im<br />

Semester, an denen die Anzahl von Benutzer/innen von zen-­‐<br />

tralen Informa;onssystemen besonders hoch ist: zu Beginn<br />

des Semesters zur Einschreibung in die Lehrveranstaltung<br />

und am Ende zur Einschreibung in die Klausuren. Da die Zahl<br />

der eingeschriebenen Studierenden von Semester zu<br />

Semester stark schwanken kann (zum Beispiel durch gebur-­‐<br />

Informa;onssysteme. Technische Anforderungen für das Lernen und Lehren — 3<br />

Aus diesem Grund sind die meisten Informationssysteme<br />

Client-Server-Anwendungen. Durch die<br />

Installation des Informationssystems auf einem zentralen<br />

Server ermöglicht man es allen Nutzerinnen<br />

und Nutzern, gemeinsam auf die dort gespeicherten<br />

Informationen und Dienste zugreifen zu können. Da<br />

die Arbeit mit dem Informationssystem mittlerweile<br />

häufig über den Internetbrowser erfolgt und selten<br />

eine spezielle Zugriffssoftware benötigt wird, benötigen<br />

die Anwender-PC (Clients) oft lediglich einen<br />

Zugang zum (globalen) Inter- bzw. firmeneigenen Intranet<br />

(Niegemann et al. 2008, 458f).<br />

!<br />

Abbildung 2: Client-­‐Server-­‐Architektur<br />

In einer Client-­‐Server-­‐Architektur stellt ein zentraler<br />

(Groß-­‐) Rechner, der sogenannte Server, Daten und<br />

Dienste für die Nutzer/innen zur Verfügung, die mit<br />

ihren Computern (Clients) über das Inter-­‐ oder firme-­‐<br />

neigene Intranet darauf zugreifen können.<br />

Am deutlichsten spürt man bei Client-Server-Architekturen,<br />

wenn der Server überlastet ist, das heißt zu<br />

viele Zugriffe zur selben Zeit bearbeitet werden<br />

tenschwache/-­‐starke Jahrgänge), sollte immer wieder ge-­‐<br />

prü] werden, ob die verfügbare Rechenleistung des Servers<br />

noch genug ist oder ob ggf. aufgestockt werden muss. Eine<br />

gute Strategie ist es auch, die Termine für die Einschrei-­‐<br />

bungen nach Fakultäten, Lehrstühlen oder Fächern zu<br />

staffeln und die Zugriffe so zeitlich zu verteilen.


4 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

Kriterien Peer-­‐to-­‐Peer (Musterlösungen) Client-­‐Server (Musterlösungen)<br />

Dienste und Informa;onen liegen<br />

(hauptsächlich) auf<br />

den Anwender-­‐PC dem Server<br />

Zum Auaau des Netzes muss zu-­‐ nein (bei aktueller Grundausrüstung von Ja, der Server<br />

sätzliche Hardware angeschafft<br />

werden<br />

PC)<br />

Erweiterbarkeit Mit jedem neuen PC, wird aber zuneh-­‐<br />

mend unübersichtlicher und langsamer<br />

Neue Hardware für Server<br />

Vorteile schneller Auaau<br />

Zentrale Steuerung, Datenhaltung<br />

sollen. Es muss daher stets darauf geachtet werden,<br />

dass genügend Rechenleistung zur Verfügung steht.<br />

Hierfür muss die Zahl der Benutzer/innen abgeschätzt<br />

werden, die gleichzeitig die Dienste des<br />

Servers in Anspruch nehmen möchten. Hieran<br />

sollten Hauptspeichergröße, Prozessorleistung und<br />

Festplattengeschwindigkeit des Servers angepasst<br />

werden (Niegemann et al. 2008, 160f). Des Weiteren<br />

ist zu überlegen, wie ausfallsicher der Server in Bezug<br />

auf Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit sein soll.<br />

Systeme, bei denen eine hohe Verfügbarkeit wichtig<br />

ist, werden in der Regel als Cluster ausgeführt, das<br />

heißt der „Server“ besteht aus mehren, miteinander<br />

vernetzten Rechnern. Der Ausfall eines Cluster-<br />

Rechners stört den Gesamtbetrieb im Idealfall kaum.<br />

Zuverlässige Systeme verfügen außerdem über eine<br />

(hoch-) redundante Datenspeicherung, sodass der<br />

Ausfall einzelner Festplatten und damit verbunden<br />

deren Reparatur im laufenden Betrieb durchgeführt<br />

werden kann, ohne die Aufgaben des Clusters zu beeinträchtigen.<br />

Ein einzelner Server kann zudem nicht<br />

beliebig aufgerüstet werden und so von vornherein<br />

nur eine gewisse maximale Anzahl von parallelen Be-<br />

?<br />

rela;v kostengüns;g<br />

Nachteile die Verfügbarkeit aller Daten kann nicht<br />

gewährleistet werden (abhängig davon,<br />

welche Knoten gerade online sind)<br />

keine zentrale Datensicherung<br />

Versionsverwaltung schwierig<br />

Datensicherheit problema;sch<br />

Beispiele für Anwendungen Instant Messaging (zum Beispiel ICQ,<br />

Skype)<br />

File Sharing<br />

Tabelle 2: Peer-­‐to-­‐Peer und Client-­‐Server Architekturen im Vergleich<br />

Vergleichen Sie Peer-­‐to-­‐Peer-­‐ und Client-­‐Server-­‐Archi-­‐<br />

tekturen miteinander. Eine mögliche Lösung finden<br />

Sie in Tabelle 2. Wie unterscheidet sich Ihre Dar-­‐<br />

stellung davon?<br />

Bei Problemen oder Überlastung kein Zu-­‐<br />

griff auf Daten<br />

Kosten für Server, Installa;on, Laufzeit und<br />

Wartung<br />

Social Media<br />

Lernmanagementsystem<br />

nutzerinnen und Benutzern bedienen. Bei einer<br />

Cluster-Lösung können dagegen bei Bedarf weitere<br />

Rechner hinzugefügt werden um den Betrieb bei<br />

hoher Benutzer/innen-Zahl zu gewährleisten.<br />

2. Werkzeuge zum Lernen und Lehren<br />

Bei der <strong>Einführung</strong> von Informationssystemen zum<br />

Lernen und Lehren stehen Unternehmen, Hochschulen<br />

und andere Bildungseinrichtungen stets den<br />

selben Fragen gegenüber:<br />

▸ Wie können Lehr- und Lerninhalte zu (digitalen)<br />

Lernmaterialien aufbereitet werden?<br />

▸ Und wie können Lerner, Lehrer und Lernmaterialien<br />

möglichst bedarfsgerecht zusammengeführt<br />

werden?<br />

Zur Beantwortung dieser Fragen und Deckung des<br />

daraus entstehenden Bedarfs an Softwarelösungen<br />

sind besonders zwei Werkzeugklassen relevant: Autorenwerkzeuge<br />

(und Lerncontentmanagementsysteme)<br />

zum Erstellen von Lerninhalten und Lernmanagementsysteme<br />

zur Verwaltung der Lernprozesse.<br />

!<br />

Eine Liste von konkreten Werkzeugen zum Lernen und<br />

Lehren finden Sie in der Mr-­‐Wong-­‐Gruppe von L3T<br />

hGp://www.mister-­‐wong.de/ unter #lms #infosysteme<br />

#l3t.


Andere Werkzeuge, wie kollaborative Systeme oder<br />

Weblogs können ebenfalls, vor allem in informellen<br />

Ansätzen, für das Lernen und Lehren verwendet<br />

werden, haben aber keine exklusive Ausrichtung auf<br />

Lehr- und Lernprozesse bzw. werden in anderen Kapiteln<br />

behandelt.<br />

3. Autorenwerkzeuge und Lerncontentmanagement-­‐<br />

systeme: Was wird zur Erstellung von Lernmaterialien<br />

benö1gt?<br />

Materialien für das Lernen am Computer können mit<br />

einfachen HTML-Editoren und Entwicklungsumgebungen<br />

für die zum Beispiel von Adobe angebotene<br />

Anwendung Flash oder ähnlichem erstellt werden.<br />

Das Problem ist häufig, dass die Lehrenden nicht<br />

über die nötigen (Programmier-) Kenntnisse verfügen,<br />

um mit diesen einfachen und unspezialisierten<br />

Werkzeugen ansprechende Lernmaterialien zu erstellen.<br />

Autorenwerkzeuge wurden speziell für die<br />

Bedürfnisse von Anwender/innen wie zum Beispiel<br />

Lehrende entwickelt und sollen diese bei der multimedialen<br />

und didaktischen Aufbereitung der Lerninhalte<br />

unterstützen (Seufert & Mayr, 2002).<br />

Abbildung 3: In Autorenwerkzeugen werden<br />

verschiedene Medien zu Lernmaterialien au


6 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

Schritten Fragen zu erstellen, die automatisch ausgewertet<br />

werden können. Die Verfügbarkeit verschiedener<br />

Fragetypen wie beispielsweise Multiple- und<br />

Single-Choice, Zuordnungsfragen oder Lückentexte<br />

ist dabei ebenso wichtig wie die Möglichkeit, dem<br />

Lerner je nach Ergebnis ein differenziertes Feedback<br />

geben zu können.<br />

Vorlagen erleichtern das Erstellen einheitlicher<br />

Kursabschnitte und die Einhaltung einer konsistenten<br />

Navigation.<br />

Um den fertigen Kurs schließlich verteilen zu<br />

können, müssen die Kurse so exportiert werden, dass<br />

die Lerner sie bearbeiten können. Hierfür sind zunächst<br />

Exportmöglichkeiten als selbstlaufende Anwendungen<br />

(zumeist .exe) oder als HTML-Dateien<br />

für die Darstellung im Browser geeignet. Um den<br />

Kurs über ein Lernmanagementsystem bereitzustellen,<br />

sollte er als SCORM-Paket exportiert werden.<br />

Dieser E-Learning-Standard ermöglicht es, dass beispielsweise<br />

Testergebnisse aus dem Kurs heraus an<br />

die Bewertungswerkzeuge des Lernmanagementsystems<br />

übergeben werden können.<br />

!<br />

Autorensysteme unterstützen die Erstellung von Lern-­‐<br />

materialien (weitestgehend) ohne Programmierkennt-­‐<br />

nisse. Sie müssen folgende Anforderungen erfüllen:<br />

▸ Funk;onen zur Textverarbeitung<br />

▸ Integra;on und Anpassung von Grafiken<br />

▸ EinbeGung und Steuerung gängiger Videoformate<br />

▸ Einbinden von steuerbaren oder automa;sch star-­‐<br />

tenden Audiosequenzen<br />

▸ Erstellen einfacher Anima;onen<br />

▸ Einfache Erstellung von Wissenstests mit automa-­‐<br />

;sierter Auswertung und differenziertem Feed-­‐<br />

back<br />

▸ Unterstützung von Vorlagen und einheitlicher Na-­‐<br />

viga;onsstrukturen<br />

▸ Exportmöglichkeiten als selbstlaufende An-­‐<br />

wendung, als HTML-­‐Dateien und SCORM-­‐Paket<br />

Für Autorinnen und Autoren bieten Autorenwerkzeuge<br />

oft alle nötigen Funktionalitäten, um Lernmaterialien<br />

professionell und in relativ kurzer Zeit zu erstellen.<br />

Die Erstellung von Lernmaterialien, insbe-<br />

In der Praxis: Wann werden mehrere Autorinnen und Autoren benötigt?<br />

Beim Vorliegen einer oder mehrerer folgender Gründe ist die<br />

Zusammenarbeit mehrerer Autorinnen und Autoren not-­‐<br />

wendig (Lorenz & Faßmann, 2010): (a) Die Erstellung der<br />

Lernmaterialien ist für einen Autor zu umfangreich. (b) Für<br />

Fachwissen sollen bzw. müssen die jeweiligen Experten ein-­‐<br />

gebunden werden. (c) Für die Erstellung und Anbindung von<br />

sondere bei größeren Lehrveranstaltungen oder Trainingsreihen,<br />

werden aber immer öfter von Autorenteams<br />

übernommen.<br />

Bei der Zusammenarbeit mehrerer Autorinnen<br />

und Autoren und anderen steigenden Ansprüchen<br />

stößt man schnell an die Grenzen der Einzelplatzlösungen<br />

(Kuhlmann & Sauter, 2008, 78):<br />

▸ Konsistente Darstellung: Trotz genauer Vorgaben<br />

zur Gestaltung der Lernmaterialien können<br />

sich die Umsetzungen verschiedener Autorinnen<br />

und Autoren visuell voneinander unterscheiden.<br />

Um besondere Inhaltselemente wie beispielsweise<br />

Zitate, Hervorhebungen, Erläuterungen oder Beispiele<br />

einheitlich dazustellen, ist oft eine sorgfältige<br />

(gegenseitige) Begutachtung nötig.<br />

▸ Individualisierung und Überarbeitung der<br />

Kurse: Um die selben Lerninhalte an unterschiedliche<br />

Lernkontexte anzupassen, müssen einzelne<br />

Inhalte neu und zielgruppengerecht zusammengestellt<br />

werden. So entsteht eine Vielzahl von<br />

Kursen, die nicht nur umständlich erstellt werden<br />

müssen, auch die Aktualisierung und Wartung bereitet<br />

zunehmend Schwierigkeiten, da der Überblick,<br />

wo welche Inhalte eingeflossen sind, schnell<br />

verloren geht. Als Konsequenz scheuen viele Autorinnen<br />

und Autoren komplexe Individualisierungen<br />

von Kursen und entscheiden sich für Einheitslösungen,<br />

die aber oft nicht die individuellen<br />

Lernziele der Lernenden berücksichtigen können.<br />

▸ Internationalisierung: In Hochschulen und Bildungseinrichtungen<br />

mit internationaler Ausrichtung,<br />

vor allem aber in global agierenden Unternehmen<br />

werden Lernmaterialien in verschiedenen<br />

Landessprachen benötigt. Ebenso wie bei<br />

der individuellen Zusammenstellung von Lernmaterialien<br />

besteht auch hier das Problem, dass eine<br />

Vielzahl von Kursen mit gleichen Lerninhalten erstellt<br />

wird, deren Verwaltung schnell unübersichtlich<br />

wird.<br />

▸ Verteilung in verschiedenen Formaten: Je nach<br />

Zielgruppe und deren Lern- und Arbeitsgewohnheiten<br />

kann die Veröffentlichung der Kurse in verschiedenen<br />

Formaten nötig sein. Während Kurse<br />

Medien müssen Designer auf die Lernmaterialien zugreifen<br />

können. (d) Es werden Übersetzer für die Bereitstellung der<br />

Lerninhalte in andere Sprachen benö;gt. (e) Die erstellten<br />

Lerninhalte müssen zur Qualitätssicherung von Gutachtern<br />

oder Kunden eingesehen und gegebenenfalls mit Kommen-­‐<br />

taren versehen werden können.


Abbildung 5: Verteilung in unterschiedlichen Formaten<br />

zur Integration auf einer Webseite (HTML) oder<br />

einem LMS (SCORM) problemlos mit einem Autorenwerkzeug<br />

erstellt werden können, erfordern<br />

andere Ausgabeformate eine völlig andere Kursgestaltung.<br />

So sollten Lernmaterialien, die für den<br />

Druck gedacht sind, beispielsweise keine Videos<br />

beinhalten, oder bei Kursen für mobile Endgeräte<br />

die kleinen Bildschirmgrößen und Einschränkungen<br />

bei der Bedienung (zum Beispiel keine<br />

oder nur kleine Tastatur) berücksichtigt werden<br />

(siehe Abbildung 5).<br />

▸ Verschiedene Ausgabeformate: Unabhängig<br />

vom Erstellungsprozess sollen die Lernmaterialien<br />

so veröffentlicht werden, dass sie den Lern- und<br />

Arbeitsgewohnheiten der Lernenden entsprechen.<br />

Neben den üblichen Formaten (EXE, HTML und<br />

SCORM) sollte beispielsweise das Ausdrucken der<br />

Lernmaterialien (PDF, Office Dokument), Präsentieren<br />

(PPT) oder auch die Betrachtung auf<br />

kleinen Bildschirmen (mobile Endgeräte) möglich<br />

sein.<br />

▸ Workflow-Unterstützung: Zur Koordination<br />

mehrerer Autorinnen und Autoren sollte die Verteilung<br />

der Aufgaben und die Festlegung der Verantwortlichkeiten<br />

unterstützt werden. Hierzu gehören<br />

ein Rollenmanagement, über das die Befugnisse<br />

für die Lerninhalte geregelt werden können<br />

und die Möglichkeit, Notizen zur fachlichen und<br />

didaktischen Qualitätssicherung zu hinterlegen.<br />

Zur Erfüllung dieser Ansprüche wurden Werkzeuge<br />

entwickelt, die ihren Fokus auf die Verwaltung von<br />

Informa;onssysteme. Technische Anforderungen für das Lernen und Lehren — 7<br />

Lerninhalten gerichtet haben: die Lerncontentmanagementsysteme<br />

(LCMS). Um die Lernmaterialien<br />

so zu organisieren, dass sie für den Einsatz in verschiedenen<br />

Kontexten und die Verteilung in verschiedenen<br />

Formaten geeignet sind, müssen die LCMS<br />

eine Reihe von Grundprinzipien umsetzen (Schluep<br />

et al., 2003, 2):<br />

▸ Zentralisierung: Um die Zusammenarbeit von<br />

mehreren Autorinnen und Autoren zu ermöglichen,<br />

müssen die Lernobjekte in einer gemeinsamen<br />

Datenbasis (ein sog. Repository) vorliegen,<br />

auf die alle Beteiligten zugreifen können. Das verhindert<br />

auch, dass durch die lokale Speicherung<br />

der Daten mehrere Versionen der Lernmaterialien<br />

entstehen, die den mehrfachen Einsatz in verschiedenen<br />

Kursen erschweren. Deshalb werden<br />

die Lernmaterialien in den Kursen nur referenziert,<br />

das heißt, sie werden nicht direkt in den<br />

Kurs eingefügt, sondern es wird eine Verbindung<br />

zum Lernmaterial gespeichert, sodass stets die aktuelle<br />

Version verwendet wird.<br />

▸ Einbettung von Multimedia: Für die multimediale<br />

Aufbereitung der Lernmaterialien sollten<br />

Standardmechanismen zur Integration verschiedener<br />

Medienformate bereitstehen.<br />

▸ Lernobjekte als kleinste verwaltbare Einheit:<br />

Um einzelne Teile von bereits erstellten Lernmaterialien<br />

in verschiedenen Kontexten wiederverwenden<br />

zu können, sollten die Lerninhalte in sinnvolle<br />

Abschnitte, so genannte Lernobjekte , untergliedert<br />

werden. Andere geläufige Bezeichnungen


8 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

für Lernobjekte sind Lernressourcen, Wissensbausteine<br />

oder Wissensobjekte, sowie die englischen<br />

Bezeichnungen, wie Reusable Learning Object<br />

(RLO), Instructional oder Educational Object.<br />

Wichtig ist dabei, dass jedes Lernobjekt in sich abgeschlossen<br />

und somit unabhängig von anderen<br />

Lernobjekten und deren Reihenfolge eingesetzt<br />

werden kann.<br />

▸ Unterstützung der Internationalisierung: Zu<br />

einem Lernobjekt sollten mehrere Sprachversionen<br />

angelegt werden können, ohne dass der<br />

Bezug zueinander verloren geht.<br />

▸ Trennung von Inhalt und Layout: Um bei der<br />

Veröffentlichung der Lernmaterialien zwischen<br />

verschiedenen Ausgabeformaten, Navigationstrukturen<br />

und Layouts wählen zu können, müssen<br />

diese getrennt voneinander gespeichert werden.<br />

Hierzu werden meist XML-basierte Beschreibungssprachen<br />

verwendet.<br />

4. Lernmanagementsysteme:Lerner und Kurse ver-­‐<br />

walten<br />

Lernmanagementsysteme (LMS) unterstützen vor<br />

allem die Kurs- und Benutzerverwaltung. Hierzu<br />

bieten sie nicht nur einen Rahmen zur Darstellung<br />

der Kursinhalte (meist in einem Browser), sondern<br />

auch ein Rollen- und Rechtemanagement für die Zugriffskontrolle<br />

und stellen verschiedene Werkzeuge<br />

für die Kommunikation der Lernenden und Lehrenden<br />

bereit (Schulmeister, 2005, 10).<br />

Zu den Anforderungen an Lernmanagementsysteme<br />

wird immer wieder festgestellt (Schulmeister,<br />

2005, 55ff; Niegemann et al., 2008, 499), dass diese<br />

stark von der Organisationsstruktur abhängig sind, in<br />

der das Lernmanagementsystem eingesetzt werden<br />

soll. Von einfachen Systemen zur Bereitstellung und<br />

zum Austausch von Dokumenten (zum Beispiel<br />

BSCW ) bis hin zu komplexen Systemen zur lebenslangen<br />

Kompetenzentwicklung unterscheiden sich<br />

die Plattformen stark in Funktionsumfang, (Administrations-)<br />

Aufwand und Kosten.<br />

Bei der Auswahl eines Lernmanagementsystems<br />

sollten vor allem folgende Aspekte beachtet werden,<br />

(Schulmeister, 2005, 58ff):<br />

▸ Die Möglichkeiten und der Aufwand zur Administration<br />

des Lernmanagementsystems, zum Beispiel<br />

Backup-Möglichkeiten, Abrechnungssysteme<br />

für kostenpflichtige Kurse, Benutzer- und Kursverwaltung,<br />

Rechte- und Rollenmanagement,<br />

▸ Unterstützung der Didaktik von Lernszenarien,<br />

zum Beispiel Werkzeuge zur Kooperation, persönliche<br />

Werkzeuge für Lehrende und Lernende (zum<br />

Beispiel eigene Notizen, Lesezeichen, Kalender),<br />

Lehrplanverwaltung, Erstellung und Auswertung<br />

von Tests, Werkzeuge zur Rückmeldung und Bewertung,<br />

▸ Möglichkeiten zur Evaluation der Lernprozesse,<br />

zum Beispiel Verfolgung und Analyse von Lernwegen,<br />

Erstellung von Reports und Statistiken,<br />

Umfragen, Evaluierung von E-Learning-Unterlagen,<br />

▸ Werkzeuge zur synchronen und asynchronen<br />

Kommunikation, zum Beispiel Chat, Foren oder<br />

Videokonferenzsysteme<br />

▸ Technische Aspekte, zum Beispiel benötigte Serverkapazitäten,<br />

Zugriffsmöglichkeiten über den<br />

Webbrowser, Skalierbarkeit, Anbindung an externe<br />

Datenbanken und Dienste (zum Beispiel Einschreibelisten<br />

des Prüfungsamtes, Personaldatenbanken,<br />

Raumverwaltungssysteme oder Semesterapparate<br />

der Bibliothek), Unterstützung von Standardformaten<br />

wie SCORM, Darstellbarkeit auf<br />

mobilen Endgeräten und<br />

▸ Beachtung wirtschaftlicher Gesichtspunkte, wie<br />

zum Beispiel Lizenzverträge und -kosten, Support.<br />

?<br />

?<br />

No;eren Sie s;chpunktar;g, wie Sie den Lerninhalt<br />

„Wie verhalte ich mich als Autofahrer/in an einer<br />

Ampel?“ als Lernmaterial mit einem Autorentool um-­‐<br />

setzen würden. Dazu werden die notwendigen Infor-­‐<br />

ma;onen in kleine Einheiten zerlegt. Eine mögliche<br />

Lösung finden Sie in der Abbildung 6.<br />

Können die von Ihnen konzipierten Lernmaterialien<br />

für Autofahrer/innen, sehende und blinde<br />

Fußgänger/innen, sowie Rollstuhlfahrer/innen ver-­‐<br />

wendet werden? No;eren Sie s;chpunktar;g, wie Sie<br />

den Lerninhalt „Wie verhalte ich mich an einer<br />

Ampel?“ für die neue Zielgruppe als Lernmaterial mit<br />

einem Autorentool umsetzen würden.<br />

Abbildung 6: Mögliche Lösung für die Zerlegung des<br />

Lerninhaltes „Wie verhalte ich mich als Autofahrer/in<br />

an einer Ampel?“


!<br />

Aspekte, die bei der Auswahl eines Lernmanagement-­‐<br />

systems beachtet werden sollten sind: Administra;on,<br />

Didak;k, Evalua;on, Kommunika;on, Technik und<br />

wirtscha]liche Gesichtspunkte.<br />

In Hinblick auf den letzten Aspekt muss oftmals eine<br />

Grundsatzentscheidung getroffen werden, ob man<br />

sich für eine Open-Source-Lösung oder für ein kommerzielles<br />

System entscheidet. Bei Open-Source-Lösungen<br />

entfallen zwar die Anschaffungskosten für die<br />

Software, jedoch entstehen zumeist höhere Personalkosten,<br />

sowie laufende Kosten zur Wartung des<br />

Systems: Es wird empfohlen, mindestens zwei Mitarbeiter/innen<br />

für die Programmiersprache des LMS<br />

Informa;onssysteme. Technische Anforderungen für das Lernen und Lehren — 9<br />

Aspekte ILIAS Moodle OLAT<br />

Betriebssystem Linux, Solaris, Mac OS, Win-­‐ Linux, Windows, Solaris, Linux, Winodows, Mac OS X,<br />

dows<br />

Mac OS X, Netware 6 Solaris, FreeBSD<br />

Datenbank MySQL mit DBXML-­‐Unterstützung,<br />

z. B. MySQL, PostgrSQL<br />

u.a. MySQL, PostgresSQL<br />

Skriptsprache PHP PHP Java-­‐Framework mit PHP-­‐ba-­‐<br />

siertem Kurssystem<br />

Weitere Voraussetzungen Apache Tomcat Web-­‐Contai-­‐<br />

ner mit Java-­‐SDK<br />

?<br />

Tabelle 3: Technische Anforderungen von gängigen Open-­‐Source-­‐LMS. Quelle: Dokumentationen von ILIAS (ILIAS Team,<br />

2010), Moodle (Moodle Team, 2009) und OLAT (OLAT Team, 2010)<br />

Sie arbeiten in der Personalabteilung eines Unter-­‐<br />

nehmens mit 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitar-­‐<br />

beitern aus 15 verschiedenen Abteilungen. Ihre Vorge-­‐<br />

setzte hat Sie mit der Aufgabe betraut, ein Lernmana-­‐<br />

gementsystem auszuwählen. Stellen Sie s;chpunkt-­‐<br />

ar;g anhand der obigen Aspekte einen Kriterienka-­‐<br />

talog mit K.O.-­‐Kriterien auf, die unbedingt durch das<br />

LMS erfüllt werden sollen.<br />

Abbildung 7: Zusammenspiel von Autorensystemen und Lernmanagementsystem<br />

vor Ort zu haben, um Erweiterungen, Anpassungen<br />

und Updates durchführen zu können. Kommerzielle<br />

Systeme sind in der Anschaffung oft teuer, Installation<br />

und Einweisung sind aber häufig Bestandteil<br />

des Kaufvertrags. Zudem sind Supportverträge inklusive<br />

Wartungen und Updates üblich.<br />

Neben dem Kriterienkatalog von Schulmeister mit<br />

über 150 Unterkategorien (Schulmeister, 2005, 58ff)<br />

sind in der Vergangenheit für die unterschiedlichen<br />

Einsatzziele und Bedürfnisse weitere Kriterienkataloge<br />

entstanden, nach denen Lernmanagementsysteme<br />

bewertet werden können (Baumgartner et al.,<br />

2002).<br />

?<br />

Welche technischen Anforderungen benö;gen die<br />

gängigen Open-­‐Source-­‐LMS? Vergleichen Sie Ihre Er-­‐<br />

gebnisse mit der Darstellung in Tabelle 3<br />

5. Lernen mit Informa1onssystemen: Zusammenspiel<br />

und Problempunkte<br />

Bei der Auswahl von Informationssystemen zum<br />

Lernen und Lehren müssen diese nicht nur einzeln<br />

einer Reihe von Anforderungen genügen, es sollte


10 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

In der Praxis : Überlegungen bei der Entscheidung für ein Lernmanagementsystem<br />

Die folgende Beschreibung von Lernmanagementsystemen<br />

ist fik;v, soll jedoch die Abwägung von Vor-­‐ und Nachteilen<br />

in der Praxis verdeutlichen.<br />

1. LernenMitSpaß – Die Open-­‐Source-­‐Lösung<br />

Das LMS kann kostenlos heruntergeladen und selbst instal-­‐<br />

liert werden. Das Basispaket bietet eine einfache Kurs-­‐ und<br />

Nutzerverwaltung. Über eine Reihe von Plug-­‐Ins, die von der<br />

Benutzer-­‐Community von LernenMitSpaß entwickelt<br />

wurden, können weitere Funk;onalitäten hinzugefügt<br />

werden, wie beispielsweise ein komplexes Rollenmana-­‐<br />

gement, die Integra;on von Tests oder Sta;s;ken zu Lerner-­‐<br />

folgen. Darüber hinaus besteht durch die Open-­‐Source-­‐Lizenz<br />

die Möglichkeit, selbst Erweiterungen zu entwickeln.<br />

Vorteile: sehr kostengüns;g, erweiterbar, kann grundsätzlich<br />

an alle Bedürfnisse angepasst werden, Installa;on und Be-­‐<br />

trieb durch das Unternehmen selbst<br />

Nachteile: eventuell zusätzlicher Personalbedarf, durch An-­‐<br />

passungen und Neuentwicklung von Erweiterungen durch<br />

Personalkosten eventuell sehr teuer<br />

2. LernenMitSystem – Die Standardlösung<br />

Das LMS wird durch einen kommerziellen Anbieter ver-­‐<br />

trieben und weiterentwickelt. Es beinhaltet ein Kurs-­‐ und<br />

Nutzermanagement, erlaubt die Erstellung und Auswertung<br />

von Tests und liefert kleine Sta;s;ken zum LernfortschriG<br />

der Mitarbeiterin und des Mitarbeiters (Lernzeit, Durch-­‐<br />

schniG der Lernergebnisse). Für die Kommunika;on können<br />

E-­‐Mails und Kursforen benutzt werden. Der Zugriff erfolgt<br />

über ein eigenes Programm, dass auf dem Rechner der Mit-­‐<br />

arbeiter installiert werden muss. Der Anbieter übernimmt<br />

die Installa;on und Pflege des LMS auf einem Server Ihrer<br />

Firma, sowie kleine Anpassungen (zum Beispiel Verwendung<br />

des Firmenlogos und der Firmenfarben). Der Kaufpreis des<br />

LMS inkl. Installa;on, Einrichtung, 10 h Support und 1.000<br />

Nutzerlizenzen für die Zugriffsprogramme beträgt 15.000 €.<br />

Weitere Nutzerlizenzen, Anpassungen, Supportstunden und<br />

Schulungen für Mitarbeiter können bei Bedarf hinzugekau]<br />

werden. Hinzu kommen außerdem 1.500 € im Jahr für<br />

Wartung und Updates.<br />

auch darauf geachtet werden, dass sie problemlos zusammen<br />

eingesetzt werden können. So sollte sich das<br />

Datenformat, das mit dem Autorentool exportiert<br />

wird, problemlos in das Lernmanagementsystem integrieren<br />

lassen. Inhalte dürfen nicht verzerrt dargestellt<br />

werden, nur, weil das LMS eine bestimmte<br />

Vorteile: Einrichtung durch kompetenten Anbieter, erwartet<br />

werden kann ein ausreichender Funk;onsumfang, skalierbar,<br />

Zugriff über eigenes Programm -­‐ eventuell relevant für<br />

Firmen mit eingeschränkten Internetzugriff (keine mühsame<br />

Freischaltung einzelner Seiten), Daten auf eigenem Server,<br />

einmaliger Kaufpreis<br />

Nachteile: Je nach Budget eventuell zu teuer in der An-­‐<br />

schaffung , je nach Anforderungskriterien eventuell weiterer<br />

Anpassungsbedarf, eventuell Anschaffungskosten für eigenen<br />

Server, zusätzlicher Bedarf für Nutzer, Anpassungen und Sup-­‐<br />

portstunden schwer abschätzbar<br />

3. LernenMitStrategie – Die Profi-­‐Lösung<br />

Das LMS wird durch einen kommerziellen Anbieter ver-­‐<br />

trieben und weiterentwickelt. Im Zentrum steht ein kom-­‐<br />

plexes Kompetenzmanagement, dass die Planung der<br />

Weiterbildungsangebote für jeden Mitarbeiter an vorher de-­‐<br />

finierten Personalentwicklungsplänen ausrichtet. Über<br />

SchniGstellen kann es an Personaldatenbanken und Doku-­‐<br />

mentenmanagementsysteme angebunden werden. Der An-­‐<br />

bieter übernimmt die Installa;on und Pflege des LMS auf<br />

einem seiner eigenen Server, sowie besprochene Anpas-­‐<br />

sungen, die Abbildung Ihrer Unternehmensstruktur auf die<br />

Nutzerverwaltung und den Import bereits bei Ihnen verfüg-­‐<br />

barer Personalentwicklungspläne und Lerninhalte. Der Miet-­‐<br />

preis des LMS inkl. Installa;on, Einrichtung, Support und<br />

1.000 Nutzer-­‐Accounts für den Webbasierten Zugriff beträgt<br />

40.000 € im Jahr. Weitere Nutzer-­‐Accounts, Anpassungen<br />

und Schulungen für Mitarbeiter können bei Bedarf hinzuge-­‐<br />

kau] werden.<br />

Vorteile: Vollbetrieb durch kompetenten Anbieter, individuell<br />

angepasster Funk;onsumfang, skalierbar, hochkomplexe<br />

Nutzer-­‐ und Lernprozessverwaltung<br />

Nachteile: Jahresmiete, Daten auf fremden Server, eventuell<br />

für das Unternehmen zu komplex<br />

Wie Sie gesehen haben, ist die Entscheidung zwischen Open-­‐<br />

Source und kommerziellen Produkten immer eine indivi-­‐<br />

duelle Antwort auf eine offene Fragestellung, und muss auf<br />

die einzelne Situa;on angepasst werden.<br />

Fenstergröße dafür vorsieht. Ebenso sollte die Bewertung<br />

von Tests, die mit einem Autorenwerkzeug<br />

erstellt und beispielsweise als SCORM-Paket exportiert<br />

wurden, auch von den Bewertungswerkzeugen<br />

des Lernmanagementsystems verarbeitet werden.


Literatur<br />

▸ Baumgartner, P.; Häfele, H. & Maier-Häfele, K. (2002). Evaluierung<br />

von Lernmanagement-Systemen (LMS): Theorie -<br />

Durchführung - Ergebnisse. In: A. Hohenstein, & K. Wilbers,<br />

Handbuch E-Learning. Köln: Deutscher Wirtschaftsdienst.<br />

▸ Ebner, M. (2008). Why We Need EduPunk. Journal of social<br />

informatics, 1-9.<br />

▸ Ferstl, O. K. & Sinz, E. J. (2006). Grundlagen der Wirtschaftsinformatik.<br />

München: Oldenbourg.<br />

▸ ILIAS Team. (2010). Information Center. URL: http://www.ilias.de/docu/<br />

[2010-07-22].<br />

▸ Kuhlmann, A. & Sauter, W. (2008). Wissensvermittlung und<br />

-verarbeitung mit E-Learning. In: Innovative Lernsysteme.<br />

Berlin/Heidelberg: Springer, 71-99.<br />

▸ Lorenz, A. & Faßmann, L. (2010). Lernmaterialien effektiv aufbereiten<br />

und wiederverwenden. Wissensmanagement - Das<br />

Magazin für Führungskräfte (2).<br />

Informa;onssysteme. Technische Anforderungen für das Lernen und Lehren — 11<br />

In der Praxis : Praxisbeispiel eines laufenden Lernmanagmentsystem<br />

An der TU Graz (Ebner, 2008) wird die Open-­‐Source So]ware<br />

WBT-­‐Master unter dem Namen TeachCenter eingesetzt<br />

(siehe Abbildung ). Es handelt sich hier um eine Client-­‐<br />

Server-­‐Architektur basierend auf einer AJAX-­‐Lösung, als Pro-­‐<br />

grammiersprache kommt Java / Javascript zum Einsatz. AJAX<br />

(Akronym für die Worte Asynchronous Javascript and XML)<br />

wird verwendet, wenn es darum geht, selek;v („nach und<br />

nach“, „je nach Bedarf“) Daten an den Browser zu senden,<br />

was mit klassischen Technologien immer ein Neuladen der<br />

gesamten Webseite und den damit verbundenen Zeit-­‐<br />

aufwand erfordern würde. Die Vorteile dieser Architektur ist<br />

die Reduzierung der Datenmenge der Serverantworten<br />

(durch die Vorselek;on) und damit zwangsläufig von Lade-­‐<br />

zeiten, sowie die verstärkte Nutzung der Clients (Internet-­‐<br />

browser der jeweiligen Nutzer/innen). Besonders bei einem<br />

großen System mit hohen Nutzerzahlen und deren parallele<br />

Ak;vitäten ist dies von entscheidender Bedeutung .<br />

An der TU Graz werden in etwa 15000 Nutzer verwaltet, die<br />

einen Datenverkehr von derzeit 12 GB pro Tag verursachen.<br />

Im DurchschniG sind in den Kernzeiten 200 bis 300 Nutzer<br />

parallel am System ak;v. Bei diesen Zahlen wird ersichtlich,<br />

dass die Performance ein wesentlicher Faktor eines LMS<br />

Systems ist, da die Voraussetzung von zufriedenen<br />

Nutzer/innen von E-­‐Learning-­‐Inhalten akzeptable Reak;ons-­‐<br />

zeiten des LMS sind (< 1 Sekunde nach einem Klick).<br />

Das TeachCenter der TU Graz verwendet, wie die Mehrzahl<br />

der anderen Lernmanagementsysteme auch, eine Client-­‐<br />

Server Architektur.<br />

▸ Moodle Team. (2009). Installation von Moodle. URL:<br />

http://docs.moodle.org/de/Installation_von_Moodle [2010-<br />

07-22].<br />

▸ Niegemann, H. M.; Hessel, S.; Hupfer, M.; Domagk, S.; Hein,<br />

A. & Zobel, A. (2008). Kompendium multimediales Lernen.<br />

Berlin/Heidelberg: Springer.<br />

▸ OLAT Team. (2010). Installation & Administration Documentation.<br />

URL: http://olat.org/docu/install/index.html [2010-<br />

07-22].<br />

▸ Schluep, S.; Ravasio, P. & Schär, S. G. (2003). Implementing<br />

Learning Content Management. In: M. Rauterberg; M. Menozzi<br />

& J. Wesson, (Hrsg.), Proceedings of Human-Computer<br />

Interact - INTERACT'03, 884-887.<br />

▸ Schulmeister, R. (2006). eLearning: Einsichten und Aussichten.<br />

München: Oldenbourg.<br />

▸ Schulmeister, R. (2005). Lernplattformen für das virtuelle<br />

Lernen: Evaluation und Didaktik. München: Oldenbourg.


12 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

▸ Seufert, S. & Mayr, P. (2002). Fachlexikon e-le@rning. Wegweise<br />

durch das e-Vokabular. Bonn: Management Seminare<br />

Gerhard May.<br />

▸ Stein, E. (2008). Taschenbuch Rechnernetze und Internet.<br />

München: Hanser Verlag.<br />

▸ Thome, R. (2004). Neue Medien in der Weiterbildung. In: I.<br />

Ifmo (Hrsg.), Auswirkungen der virtuellen Mobilität,<br />

Berlin/Heidelberg: Springer, 273-286.


Chris2an Safran, Anja Lorenz und Mar2n Ebner<br />

Webtechnologien<br />

Technische Anforderungen an Informationssysteme<br />

Dieses Kapitel gibt eine <strong>Einführung</strong> in die technischen Grundlagen von Webtechnologien, welche im<br />

Rahmen von LernsoHware Verwendung finden können. Basierend auf der zugrunde liegenden Infra-­‐<br />

struktur des Internets hat vor allem das World Wide Web im letzten Jahrzehnt alle Arten von Informa2-­‐<br />

onssystemen, auch solche für das Lernen und Lehren, nachhal2g beeinflusst. Dementsprechend ist ein<br />

Grundverständnis der entsprechenden Technologien und technischen Anforderungen von Vorteil, um<br />

Chancen und Grenzen von webbasierter LernsoHware zu erläutern. Durch die zugrunde liegenden Archi-­‐<br />

tekturen und Protokollen des World Wide Web haben sich in den letzten Jahren Technologien wie Weban-­‐<br />

wendungen und Webservices entwickelt, die größere und reichhal2gere Applika2onen im Web ermög-­‐<br />

lichen als zu dessen Anfangszeit. Diese Möglichkeiten führten einerseits zu der Entwicklung von Rich In-­‐<br />

ternet Applica2ons als „Internetanwendungen mit Desktop-­‐Feeling“ und andererseits zum Aukommen<br />

von Mashups, in welchen diverse Inhalte und Funk2onalitäten anderer Applika2onen in innova2ven Sze-­‐<br />

narien neu kombiniert werden. Beide Ansätze sind in der aktuellen Entwicklung von Informa2onssystemen<br />

für das Lernen und Lehren unabdingbar.<br />

Quelle:<br />

Robert Ulmer<br />

hEp://www.flickr.com/photos/46422485@N03/5335122125 [2011-­‐01-­‐28]<br />

Jetzt Pate werden!<br />

#webtech<br />

#einfuehrung<br />

#informa2k<br />

Version vom 1. Februar 2011<br />

Für dieses Kapitel wird noch ein Pate gesucht,<br />

mehr Informa2onen unter: hEp://l3t.eu/patenschaH


2 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

1. Einleitung<br />

Das World Wide Web bzw. das Internet hat in den<br />

letzten Jahren einen großen Stellenwert in unserer<br />

heutigen „Informationsgesellschaft“ eingenommen.<br />

So verwundert es auch nicht, dass ein großer Teil der<br />

aktuellen Umsetzungen von Informationssystemen<br />

für das Lernen und Lehren auf Webtechnologien basiert.<br />

Auch Trendtechnologien wie Soziale Medien<br />

finden zunehmend Eingang in das Lernen und<br />

Lehren mit Technologien.<br />

Für das Verständnis der technischen Anforderungen<br />

an speziell für das Lernen und Lehren entwickelte<br />

Informationssysteme ist demnach auch ein zumindest<br />

grundlegendes technisches Verständnis der<br />

darunter liegenden Webtechnologien notwendig. Bedingt<br />

durch die Architektur und Geschichte des<br />

World Wide Web bieten diese Ansätze zwar ein<br />

großes Potential, stehen aber auch einigen technischen<br />

Einschränkungen gegenüber. Dieses Kapitel<br />

soll grundlegendes Wissen über diese Technologien<br />

vermitteln und bestenfalls das Interesse nach detaillierter<br />

weiterführender Information zu den angesprochenen<br />

Technologien, welche in einschlägiger Fachliteratur<br />

nachgelesen werden können, wecken.<br />

2. Grundlegende Technologien<br />

Das Internet ist eine weltweite Verknüpfung von Datennetzen,<br />

welche Ende der 1960er Jahre in den USA<br />

vom DARPA (Defense Advanced Research Projects<br />

Agency) initiiert und aus dem daraus entstandenen<br />

ARPANET (Advanced Research Projects Agency)<br />

hervorging (Vinton Cerf, 1993).<br />

!<br />

Der Begriff Internet als solcher bezeichnete hierbei ei-­‐<br />

gentlich das entstehende „interconnected network“,<br />

also eine Technologie zur Kommunika2on (Austausch<br />

von Daten) zwischen verschiedenen, weltweit ver-­‐<br />

teilten Computernetzen, ohne die dazu nö2ge<br />

Hardware und Netzwerktechnologie genau zu kennen.<br />

Die Kommunikation in diesem Netzwerk wird<br />

über Protokolle geregelt. Ein Protokoll ist eine Re-<br />

gelvorschrift, welche den Datenaustausch und die<br />

Kommunikation zwischen Computern detailliert beschreibt.<br />

Die verschiedenen Verantwortungen werden<br />

im Fall der Kommunikation in Rechnernetzen auf<br />

einzelne Protokolle aufgeteilt. Diese Aufteilung kann<br />

man über das OSI-Schichtenmodell (Open System<br />

Interconnection) der internationalen Standardisierungsgesellschaft<br />

ISO (International Standardization<br />

Organisation), in dem Protokolle einer Ebene nur jeweils<br />

über Protokolle der benachbarten Ebenen Bescheid<br />

wissen müssen, einheitlich beschreiben.<br />

Die Ebenen des OSI-Schichtenmodells (siehe Tabelle<br />

1) beschreiben die Kommunikation in verschiedenen<br />

Abstraktionsstufen. So beschäftigt sich die unterste<br />

Schicht (1) mit der physikalischen Übertragung,<br />

während sich die oberste Schicht (7) mit Anwendungen<br />

auseinandersetzt. Grob werden diese<br />

Schichten in anwendungs- und transportorientierte<br />

Schichten unterteilt. Im Rahmen dieses Kapitels<br />

werden wir uns nur mit anwendungsorientierten Protokollen<br />

beschäftigen.<br />

Basierend auf dem Internet, als Verbindung unterschiedlicher<br />

Computernetze, ermöglichen diverse<br />

Protokolle den Zugriff auf eine Vielzahl von Anwendungen.<br />

Die wohl prominenteste dieser Anwendungen<br />

ist das World Wide Web.<br />

3. Das World Wide Web<br />

Seit seiner Entwicklung im Jahr 1989 durch die Forschergruppe<br />

um Sir Tim Berners-Lee (Cailliau, 1995),<br />

wurde aus dem World Wide Web (WWW) die wohl<br />

bekannteste und meist benutzte Anwendung des Internets.<br />

In vielen Fällen wird der Begriff Internet,<br />

obwohl er nur die darunterliegende Netzwerkinfrastruktur<br />

bezeichnet, inzwischen als Synonym für das<br />

World Wide Web verwendet. Beim WWW handelt es<br />

sich um eine verteilte Sammlung von Dokumenten,<br />

welche unter Verwendung von Internet-Protokollen<br />

über eine Anwendung abrufbar sind. Diese Dokumente<br />

sind untereinander mittels Hyperlinks verknüpft<br />

und bilden dadurch ein weltweites Netz an Informationen.<br />

Die Anwendung, mit der auf diese<br />

Seiten zugegriffen werden kann, wird als Browser be-<br />

7 Anwendungsschicht<br />

HTTP(S)<br />

6<br />

5<br />

Darstellungsschicht<br />

Kommunika2onsschicht<br />

Anwendungsorien2erte<br />

Schichten<br />

FTP<br />

POP, SMTP<br />

4 Transportschicht<br />

TCP UDP<br />

3 VermiElungsschicht Transportorien2erte<br />

IP<br />

2<br />

1<br />

Sicherungsschicht<br />

Physikalische Schicht<br />

Schichten<br />

Ethernet<br />

Tabelle 1: OSI-­‐Schichtenmodell


zeichnet. Bekannte Browser sind der Internet Explorer<br />

von Microsoft, Firefox von Mozilla, Safari von<br />

Apple oder Opera von Opera Software.<br />

!<br />

Jedes Dokument im Web ist durch eine URL<br />

(Uniform Resource Locator) identifiziert. Diese URL<br />

besteht im Web zumeist aus drei Komponenten: Protokoll,<br />

Host und Pfad.<br />

!<br />

?<br />

HTTP<br />

Weitere Browser können Sie bspw. bei Wikipedia<br />

finden (hEp://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Web-­‐<br />

browsern) oder in der L3T-­‐Gruppe bei Mister Wong<br />

unter #webbrowser #l3t .<br />

Diese Komponenten der URL sind folgendermaßen an-­‐<br />

geordnet: protokoll://host/pfad<br />

Die URL kann darüber hinaus einen Port („Anschluss“<br />

am Server; hEp://www.example.org:80) und Anfrage-­‐<br />

string (zusätzliche Informa2onen wie die Inhalte einer<br />

Suchanfrage; hEp://www.example.org:80/demo/ex-­‐<br />

ample.cgi?land=de&stadt=aa) beinhalten.<br />

Iden2fizieren Sie die drei Teile der URL<br />

hEp://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Hauptseite<br />

Der Browser verständigt sich mit dem Webserver<br />

über das Hyptertext Transfer Protocol. Wie jedes<br />

Protokoll beschreibt HTTP den Aufbau der Nachrichten<br />

vom Client an den Server. Die Kommunikation<br />

erfolgt immer über Anfragen des Clients an<br />

den Server und zugehörige Antworten. Alle Nachrichten<br />

werden als Klartext, also unverschlüsselt,<br />

übermittelt.<br />

Durch diesen Aufbau der Kommunikation ist eine<br />

zentrale Problematik der Entwicklung von Webanwendungen<br />

bedingt: Der Server kann nicht von sich<br />

aus mit dem Client kommunizieren, da er immer auf<br />

eine Anfrage angewiesen ist. Wartet eine Anwendung<br />

nun auf ein bestimmtes Ereignis (zum Beispiel das<br />

Ergebnis einer aufwendigen Berechnung), kann der<br />

Server den Client nicht über dessen Eintritt verständigen,<br />

sondern der Client muss in regelmäßigen Abständen<br />

Anfragen über den Status an den Server<br />

schicken. Dies bringt natürlich einerseits zusätzlichen<br />

Netzwerkverkehr und anderseits zusätzliche Arbeitszeit<br />

des Servers mit sich.<br />

Zu beachten gilt bei HTTP, dass es sich um ein<br />

zustandsloses Protokoll handelt. Alle Anfragen sind<br />

somit voneinander unabhängig zu betrachten. Für die<br />

Webtechnologien. Technische Anforderungen an Informa2onssysteme— 3<br />

meisten Anwendungen im Web ist es aber notwendig,<br />

mehrere Anfragen in Zusammenhang zueinander zu<br />

sehen. So besteht zum Beispiel der Bestellvorgang in<br />

einem Webshop durchaus aus mehreren sequentiellen<br />

Anfragen (Auswahl der Waren, Eingabe der Adresse,<br />

Bestätigung des Kaufes). Solche Zusammenhänge<br />

können nicht durch das Protokoll selbst verwaltet<br />

werden, sondern müssen durch die Anwendungen<br />

gehandhabt werden, welche ihre Daten über HTTP<br />

übertragen. Es können hierzu Sitzungen (Sessions)<br />

verwendet werden, in denen eine eindeutige ID mit<br />

jeder Anfrage versendet wird. Eine andere Möglichkeit<br />

ist die Verwendung von Cookies, mit denen<br />

der Browser persistente Informationen (zum Beispiel<br />

Kundendaten) zu einem Webserver lokal speichern<br />

kann. Üblicherweise beginnen solche Sessions mit der<br />

Anmeldung mittels Login und Passwort und enden<br />

durch Abmeldung, oder wenn der Browser geschlossen<br />

wird.<br />

!<br />

HTTPS<br />

Die Übertragung der Daten in Klartextform bei<br />

HTTP ist nicht in jedem Fall wünschenswert. So<br />

könnten sensible Daten wie zum Beispiel Kennwörter<br />

durch beliebige „Zuhörer“ (an z.B. den für die<br />

Übertragung nötigen Servern) abgefangen werden.<br />

Aus diesem Grund wurde das Hypertext Transfer<br />

Protocol Secure (HTTPS) als Verfahren entwickelt,<br />

um Daten im Web abhörsicher zu übermitteln. Das<br />

Protokoll ist an sich identisch zu HTTP, allerdings<br />

werden die Daten mittels dem Protokoll Secure<br />

Socket Layer bzw. Transport Layer Security<br />

(SSL/TLS) verschlüsselt. Zu Beginn der verschlüsselten<br />

Verbindung muss sich bei HTTPS der Server<br />

identifizieren. Dies geschieht über ein Zertifikat,<br />

welches die Identität bestätigen soll. Bei der ersten<br />

Anfrage an einen Webserver kann es notwendig sein,<br />

dass die Authentizität dieses Zertifikates bestätigt<br />

werden muss.<br />

HTML<br />

HTTP ist ein zustandsloses Anfrage/Antwort-­‐Protokoll<br />

und dient zur ÜbermiElung von Daten im WWW.<br />

Die eigentlichen Dokumente, die über HTTP vom<br />

Server an den Client übermittelt werden, sind meist<br />

HTML-Dokumente. Die Hypertext Markup Language<br />

(HTML) ist eine Auszeichnungssprache,<br />

welche in erster Linie die Struktur von Inhalten beschreibt.<br />

Der Browser zeigt anhand von HTML und<br />

der mitgelieferten Formatierungsinformation diese<br />

Dokumente am Client an.


4 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

Eine Auszeichnungssprache dient zur Beschreibung<br />

von Daten und soll in erster Linie deren<br />

Struktur (Überschriften, Tabellen, etc.) und die Verbindungen<br />

der Dokumente (mittels Hyperlinks) beschreiben.<br />

HTML erlaubt darüber hinaus auch die<br />

Beschreibung der Formatierung des Dokumentes. Es<br />

hat sich aus vielfältigen Gründen eingebürgert, das<br />

Layout (die Formatierung) eines Dokumentes von<br />

den eigentlichen Inhalten zu trennen. Dadurch kann<br />

man Dokumente für verschiedene Schnittstellen und<br />

Anwendungen verwenden und muss nur das jeweilige<br />

Layout anpassen. Zudem ist auf diese Weise auch<br />

eine Verwendung der Dokumente für Menschen mit<br />

Beeinträchtigungen (wie Sehschwächen) effizient<br />

möglich. Üblicherweise wird also das Aussehen der<br />

HTML-Dokumente in einer separaten Datei beschrieben.<br />

Diese Cascading Style Sheets (CSS)<br />

werden ebenfalls vom Browser über HTTP angefordert.<br />

Webanwendungen<br />

Im Laufe der Zeit haben sich die Anforderungen an<br />

Informationssysteme im Web vom der bloßen Zurverfügungstellung<br />

von Dokumenten in Richtung ausgefeilter<br />

Programmlogik weiterentwickelt. Wie im<br />

Kapitel Informationssysteme aufgezeigt, erfordern<br />

natürlich auch Informationssysteme für das Lernen<br />

und Lehren solch eine Programmlogik. Diese Programme,<br />

die auf einem Webserver ausgeführt<br />

werden, werden als Webanwendungen bezeichnet.<br />

Wie bei statischen Webseiten wird clientseitig ein<br />

Browser zur Interaktion mit dem Webserver verwendet<br />

und die Daten werden mittels HTTP(S) übermittelt.<br />

Im Unterschied zu einer einfachen Webseite übermittelt<br />

der Webserver beim Aufruf der URL allerdings<br />

nicht ein bereits vorliegendes Dokument,<br />

sondern ruft ein Programm auf, welches aus einer<br />

Vorlage für Inhalt und Formatierung sowie aus variablen<br />

Daten dynamisch ein Dokument erstellt und<br />

an den Client übermittelt. Der Browser übernimmt in<br />

diesem Fall also die Rolle der Benutzerschnittstelle<br />

für ein auf dem Server ausgeführtes Programm.<br />

Mit Webanwendungen kann komplexe Software realisiert<br />

werden, welche clientseitig nur einen Webbrowser<br />

bzw. entsprechende PlugIns benötigt. Für<br />

die Entwicklerin oder den Entwickler der Software<br />

!<br />

Webanwendungen sind Computerprogramme, die auf<br />

einem Webserver laufen und den Browser des Clients<br />

als BenutzerschniEstelle verwenden.<br />

kann diese somit einfacher gewartet und erweitert<br />

werden, da Anpassungen nur am Server erfolgen<br />

müssen. Bei der Benutzung ergibt sich der Vorteil,<br />

dass die zusätzliche Installation einer Software weitestgehend<br />

entfällt.<br />

Andererseits bringt dieser Ansatz auch einige<br />

Nachteile. So ist eine ständige Internetverbindung<br />

mit ausreichender Bandbreite notwendig. Zudem<br />

kann der Server, bedingt durch die Tatsache, dass<br />

HTTP auf dem Anfrage-/Antwort-Prinzip basiert,<br />

nicht selbstständig Informationen an die Clients<br />

senden, sondern ist auf periodische Anfragen angewiesen.<br />

Zu guter Letzt bedeutet unter anderem das<br />

zustandslose Design des Protokolls, dass auf eine<br />

Vielzahl von möglichen Angriffsszenarien eingegangen<br />

werden sowie die Sicherheit der Webanwendung<br />

ein nicht zu vernachlässigender, zentraler<br />

Bestandteil der Entwicklung der Software sein muss.<br />

Webservices<br />

Webservices sind eine spezielle Art von Webanwendungen,<br />

die der Bereitstellung von Daten für andere<br />

Applikationen dienen (World Wide Web Consortium,<br />

2004). Sie sind üblicherweise Application Programming<br />

Interfaces (API) und stellen als solche eine einheitlich<br />

definierte Schnittstelle für fremde Anwendungen<br />

zur Verfügung um auf die Funktionalität des<br />

Service zuzugreifen.<br />

In Zusammenhang mit Informationssystemen für<br />

das Lernen und Lehren bietet die Integration solcher<br />

Webservices innovative Ansätze für die Einbindung<br />

externer Ressourcen und Funktionalitäten in ein derartiges<br />

Informationssystem (Vossen & Westerkamp,<br />

2003).<br />

Anders als bei Webanwendungen werden bei<br />

Webservices üblicherweise keine HTML-Dokumente<br />

vom Server geladen, da für die aufrufenden Applikationen<br />

Formatierungen sowie die Lesbarkeit für<br />

menschliche Benutzer/innen irrelevant sind und der<br />

Fokus rein auf dem Inhalt liegt.<br />

Der Grundgedanke von Webservices ist die Möglichkeit<br />

der automatischen Verarbeitung von Daten<br />

im Web durch Softwareagenten, welche lose gekoppelt<br />

Aufgaben für Benutzer/innen ausführen.<br />

Webservices stellen ihre detailliert beschriebene<br />

Funktionalität hierbei anderen Anwendungen zur<br />

Verfügung, seien dies autonome Agenten, Webanwendungen<br />

oder andere Webservices. Dadurch<br />

können Entwickler/innen bereits bestehende Funktionalitäten<br />

in ihren eigenen Anwendungen verwenden<br />

(Mashup, siehe Seite 7).


Die technologische Umsetzung erfolgt meist über<br />

eine der folgenden Möglichkeiten:<br />

▸ SOAP/WSDL: Ein flexibles System, in dem<br />

Nachrichten über das Simple Object Access<br />

Protocoll (SOAP) ausgetauscht werden. Wie diese<br />

Nachrichten für die einzelnen Webservices aussehen,<br />

wird über die Web Services Description<br />

Language (WSDL) beschrieben. Anfragen und<br />

Antworten sind in XML, einer allgemeinen Auszeichnungssprache<br />

für hierarchische Daten, geschrieben.<br />

In den Nachrichten werden die gewünschten<br />

Funktionen des Webservice aufgerufen,<br />

die Antworten werden vom Server retourniert.<br />

▸ Representational State Tranfer (REST) bezeichnet<br />

eine Technologie, in der jede einzelne<br />

Funktion des Webservice über eine individuelle<br />

URL aufgerufen wird. Die Kommunikation erfolgt<br />

zustandslos, ist also nicht von Sitzungen, Benutzerdaten<br />

oder ähnlichem abhängig.<br />

?<br />

4. XML<br />

Beschreiben Sie die Unterschiede zwischen Weban-­‐<br />

wendungen und Webservices! Vergleichen Sie Ihre<br />

Antwort mit Tabelle 2.<br />

Webanwendung Webservice<br />

Zielgruppe: (menschliche)<br />

Benutzer<br />

Ausgabe als HTML<br />

Clientsei2ges Programm:<br />

Browser<br />

Zielgruppe: andere Ap-­‐<br />

plika2onen<br />

Ausgabe als XML o.ä. für<br />

Maschinen op2mierte<br />

Formate<br />

Verarbeitung in anderen<br />

Applika2onen<br />

Tabelle 2: Unterschiede von Webanwendung und<br />

Webservice<br />

Die EXtensible Markup Language (XML) beschreibt<br />

eine sehr allgemeine, flexible und für individuelle<br />

Bedürfnisse erweiterbare Auszeichnungssprache.<br />

Wie HTML dient sie zur Darstellung strukturierter<br />

Inhalte, ist aber in erster Linie nicht für die<br />

menschenlesbare Darstellung gedacht. Sie ist von<br />

konkreten Plattformen und Implementierungen unabhängig<br />

und durch ihre Charakteristik als Metasprache<br />

vielseitig verwendbar. Letzteres bedeutet,<br />

dass sich auf Basis von XML durch Verwendung<br />

eines Schemas spezialisierte Dialekte für einzelne Anwendungsfälle<br />

definieren lassen. So ist beispielsweise<br />

Webtechnologien. Technische Anforderungen an Informa2onssysteme— 5<br />

XHTML eine auf XML basierende Auszeichnungssprache,<br />

welche zur Beschreibung von Webseiten<br />

dient.<br />

5. <strong>Einführung</strong> in die Applika8onsentwicklung für das<br />

Web<br />

Die Entwicklung von Webapplikationen und -services<br />

kann generell in zwei Gruppen von Ansätzen<br />

unterteilt werden. Bei serverseitigen Ansätzen erfolgt<br />

die Verarbeitung der Programmlogik am<br />

Webserver, der Client (und damit der Benutzer und<br />

die Benutzerin) erhält lediglich das Ergebnis. Bei clientseitigen<br />

Ansätzen erfolgt zumindest ein Teil des<br />

Programmablaufes am Rechner der Benutzer/innen.<br />

In realen Anwendungen wird meist eine Kombination<br />

von Ansätzen beider Gruppen verwendet.<br />

Seversei8ge Ansätze<br />

Der Vorteil von serverseitigen Ansätzen liegt in der<br />

Tatsache, dass der Client außer einem Browser keine<br />

weiteren Programme benötigt. Der eigentliche Programmcode<br />

wird serverseitig verarbeitet und das Ergebnis,<br />

meist ein (X)HTML-Dokument, an den<br />

Client gesandt. Der Nachteil von serverseitigen Ansätzen<br />

liegt an der Verminderung der Reaktionsgeschwindigkeit.<br />

Einerseits erfordert jede Nutzeraktion<br />

einen erneuten HTTP-Request (Anfrage) und damit<br />

einen neuen Aufruf der Seite. Andererseits benötigt<br />

das Ausführen der Programmlogik Rechenzeit am<br />

Server und vermindert somit zusätzlich dessen Reaktionszeit.<br />

PHP ist der heute wohl am meisten verbreitete<br />

serverseitige Ansatz für Webapplikationen. Die Abkürzung,<br />

ursprünglich „Personal Home Page tools“,<br />

ist ein rekursives Akronym für PHP:, „Hypertext Preprocessor“<br />

(The PHP Group, 2010). Es handelt sich<br />

bei PHP um eine Skriptsprache, das heißt der eigentliche<br />

Programmcode wird nicht zu einem Bytecode<br />

kompiliert (der direkt vom Rechner ausgeführt<br />

werden kann), sondern bei jedem Aufruf von einem<br />

Interpreter neu verarbeitet. Dieser Performance-<br />

Nachteil kann aber durch optionale Erweiterungen<br />

der Software kompensiert werden. PHP-Programmcode<br />

wird innerhalb der Dokumente durch ein<br />

vorangestelltes am Ende des Codes gekennzeichnet.<br />

Der Interpreter ignoriert Inhalte außerhalb<br />

dieser Begrenzungen und übermittelt diese<br />

unverändert an den Client. So kann Programmlogik<br />

beispielsweise direkt in HTML-Auszeichnungen eingebettet<br />

werden. Seine Verbreitung hat PHP mehreren<br />

Aspekten zu verdanken. Einerseits steht es im<br />

Rahmen vieler günstiger Webhosting-Angebote zur<br />

Verfügung (vorinstalliert auf Servern), da es einfach


6 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

zu installieren, zu warten und in bestehende<br />

Webserver zu integrieren ist. Andererseits ist PHP für<br />

Entwickler/innen schnell zu erlernen und sehr flexibel.<br />

Nachteile liegen in der Tatsache, dass PHP potentiell<br />

erlaubt, schlechter skalierbare und unsichere<br />

Webanwendungen zu entwickeln, auch wenn hier die<br />

konkrete Umsetzung einen deutlichen Einfluss haben<br />

kann. Speziell unerfahrenen Entwicklerinnen und<br />

Entwicklern fällt es mit anderen Technologien<br />

leichter, auf die Aspekte Skalierbarbeit und Sicherheit<br />

Rücksicht zu nehmen, da sie dort zur Einhaltung entsprechender<br />

Regeln gezwungen werden.<br />

Java Servlets basieren auf der objektorientieren<br />

Programmiersprache Java. Sie sind Java-Klassen (logisch<br />

gekapselte Teile von Programmcode), welche<br />

auf einem Server für die Abarbeitung von Anfragen<br />

der Clients zuständig sind. Als Antwort auf diese Anfragen<br />

liefern Servlets dynamisch generierte HTML-<br />

Dokumente. Anders als bei PHP werden diese Programme<br />

nicht zur Laufzeit interpretiert, sondern<br />

liegen bereits kompiliert vor, was die Abarbeitung beschleunigt.<br />

Obwohl die Entwicklung mit Java die Einarbeitung<br />

in eine komplexere Technologie bedeutet,<br />

bietet diese Technologie einige Vorteile. So kann sie<br />

durch Anwendung der richtigen Architektur große<br />

Verbesserungen in Skalierbarkeit und Erweiterbarkeit<br />

bedeuten. Um abgearbeitet zu werden benötigen Java<br />

Servlets einen Servlet Container, wie Apache Tomcat,<br />

der den einfachen Webserver ersetzt. Diese technologische<br />

Einschränkung ist auch der Grund dafür, dass<br />

Java Servlets eher bei großen (Business-)Anwendungen<br />

als bei kleinen und mittleren Webanwendungen<br />

verwendet werden. Nur wenige Webhoster<br />

bieten Pakete mit einem Servlet Container an, da die<br />

Installation und die Administration aufwendiger ist.<br />

Java Server Pages (JSP) sind eine weitere auf Java<br />

basierende Technologie. Bei klassischen Servlets ist<br />

die Ausgabe der resultierenden Webseiten recht aufwendig.<br />

Syntaktisch wird bei JSP, ähnlich wie bei<br />

PHP, der Java Programmcode mit abgegrenzt.<br />

Der Rest des Dokumentes wird nicht interpretiert<br />

und enthält die HTML-Beschreibung der<br />

Webseite. Somit sind JSP Seiten ähnlich den Servlets,<br />

erlauben jedoch die Kombination von Programmund<br />

HTML-Code in einem Dokument und erleichtern<br />

so beide Technologien miteinander zu kombinieren.<br />

Active Server Pages (ASP) war ursprünglich ein<br />

PHP ähnlicher Ansatz, der auf proprietären Technologien<br />

der Firma Microsoft basiert. In der Weiterentwicklung<br />

als ASP.NET basiert die aktuelle Technologie<br />

auf dem Microsofts .NET-Framework. Die eigentlichen<br />

Anwendungen können hierbei in verschie-<br />

denen .NET-Programmiersprachen erstellt werden.<br />

Gebräuchlich sind hierbei C# (C Sharp) und<br />

VB.NET (Visual Basic.NET). Anders als bei PHP<br />

werden bei ASP.NET Programm-Code und HTML<br />

voneinander getrennt. Da der Programmcode dadurch<br />

kompiliert vorliegen kann, wird die Abarbeitung<br />

beschleunigt. Der Nachteil von ASP.NET<br />

liegt in der Tatsache, dass die Technologie sowohl<br />

proprietär als auch kostenpflichtig ist und darüber<br />

hinaus einen Microsoft Webserver erfordert.<br />

Clientsei(ge Ansätze<br />

Im Gegensatz zu serverseitigen Ansätzen wird hier<br />

die Programmlogik direkt auf dem Client abgearbeitet.<br />

Dies bietet den Vorteil, dass sowohl weniger<br />

Datenverkehr notwendig ist, als auch die Ressourcen<br />

des Webservers geschont werden. Von Nachteil ist allerdings,<br />

dass clientseitig eine komplexere Software<br />

erforderlich ist, der Client entsprechend leistungsfähig<br />

sein muss um die Programme abarbeiten zu<br />

können und potentiell sicherheitskritische Berechnungen<br />

nur auf der Serverseite durchgeführt werden<br />

sollten.<br />

Die wohl wichtigste Basistechnologie in diesem<br />

Zusammenhang ist JavaScript. Der Interpreter für<br />

diese Sprache ist bereits in den Browser integriert,<br />

wodurch keine zusätzliche Softwareinstallation notwendig<br />

ist. Allerdings sind diese Interpreter je nach<br />

Browser unterschiedlich, was für die Entwicklung der<br />

Software zusätzlichen Aufwand bedeutet, um Java-<br />

Script-Programme auf allen (bzw. möglichst vielen)<br />

Browsern lauffähig („browser-save“) zu machen. Javascript-Programme<br />

können entweder direkt in<br />

HTML-Seiten integriert sein oder in eigene Dateien<br />

ausgelagert werden. Die implementierte Funktionalität<br />

kann hierbei von einfachen Aufgaben, wie der<br />

Validierung von Formulareingaben, bis hin zu dynamischer<br />

Manipulation der vom Webserver übertragenen<br />

Webseite reichen.<br />

Asynchronous JavaScript and XML (AJAX) bezeichnet<br />

ein Konzept von Webanwendungen, bei<br />

denen JavaScript eingesetzt wird, um Informationen<br />

von einem Webserver anzufordern. Bei klassischen<br />

Webseiten muss wiederum für jede Aktion vom<br />

Client eine Anfrage erstellt und die Antwort des<br />

Servers vom Browser interpretiert werden. Dies erfordert<br />

ein komplettes Neuladen der Seite, auch<br />

wenn sich nur kleine Teile ändern. Mit AJAX werden<br />

vom Webserver nur mehr Teilinhalte angefordert.<br />

Diese werden als XML-Dokumente übermittelt und<br />

anhand der XML-Struktur interpretiert. AJAX manipuliert<br />

nun die bereits geladene Seite und ändert nur<br />

jene Daten, die wirklich notwendig sind. Dadurch


erhält man wesentlich performantere („schnellere“)<br />

Applikationen, mit denen ein Verhalten ähnlich zu<br />

Desktop-Anwendungen (in „Klick-Geschwindigkeit“)<br />

erreicht wird. Dies führte im nächsten Schritt<br />

zu RIA.<br />

Als „Rich Internet Application“ (RIA) bezeichnet<br />

man jene Webanwendungen, welche durch clientseitige<br />

Anwendung von JavaScript Möglichkeiten wie<br />

vergleichbare Desktop-Anwendungen bieten. So ist<br />

es zum Beispiel mit diesem Ansatz möglich, Office-<br />

Anwendungen als Webanwendungen zu implementieren.<br />

Anders als bei Desktop-Anwendungen müssen<br />

diese allerdings nicht installiert werden und<br />

bieten die Möglichkeit auf jedem Rechner, welcher<br />

über einen kompatiblen Browser verfügt, ausgeführt<br />

zu werden (sind also unabhängig vom verwendeten<br />

Betriebssystem). Die Daten werden hierbei zentral<br />

auf dem Server hinterlegt. Die Interaktion mit dem<br />

Webserver ist auf ein Minimum beschränkt, was flüssiges<br />

Arbeiten mit RIA ermöglicht.<br />

?<br />

Serversei'ger<br />

Ansatz<br />

Vorteile unabhängig von clientsei2ger SoHwareausstat-­‐<br />

tung<br />

gleiches Verhalten auf allen Clients<br />

Nachteile jede Ak2on erfordert einen Aufruf serversei2ger<br />

Funk2onalität<br />

jede Ak2on erfordert kompleEes Neuladen der<br />

aktuellen Seite<br />

Tabelle 3: Vor-­‐ und Nachteile des serverseitigen und des clientseitigen Ansatzes<br />

Stellen Sie die Vor-­‐ und Nachteile von server-­‐ und cli-­‐<br />

entsei2gen Ansätzen gegenüber. Vergleichen Sie Ihre<br />

Antwort mit Tabelle 3.<br />

6. Vor Gebrauch gut schü:eln – Syndika(on und Inte-­‐<br />

gra(on<br />

Moderne Webapplikationen verdanken einen großen<br />

Teil ihrer Verbreitung der Tatsache, dass deren Verknüpfung<br />

zu einem immer zentraleren Teil ihrer<br />

Funktionalität wird. Dies geht über einfache Hyperlinks<br />

weit hinaus: Inhalte und Funktionalitäten<br />

werden zur Verfügung gestellt und in andere Web-<br />

Applikationen integriert. So wird eine Kreativität bei<br />

der Erstellung von neuen Applikationen ermöglicht,<br />

wie sie ohne diese Offenheit und den daraus resultierenden<br />

Vorteil bestehende Funktionalität nicht erneut<br />

selbst implementieren zu müssen, nur schwer vorstellbar<br />

wäre. Die Syndikation mehrerer fremder<br />

Webtechnologien. Technische Anforderungen an Informa2onssysteme— 7<br />

Funktionalitäten oder Integration fremder Inhalte in<br />

eine Webapplikation werden als Mashup bezeichnet.<br />

Dieser Begriff wurde ursprünglich in der Musikbranche<br />

verwendet, um Remixes zu beschreiben. Im<br />

Zusammenhang von Webapplikationen bedeutet es<br />

eine in der Anwendung transparente Integration<br />

fremder Dienste und Inhalte.<br />

Damit sind jedoch auch Nachteile verbunden:<br />

▸ Wer haftet bei sicherheitskritischen Anwendungen,<br />

wenn Funktionen nicht korrekt funktionieren,<br />

zum Beispiel wenn bei Lernsoftware eine Applikation<br />

die Prüfungsfragen falsch auswertet?<br />

▸ Alle Server, welche die Services anbieten, müssen<br />

ständig verfügbar sein – dies liegt jedoch nicht in<br />

der Verantwortung des Betreibers.<br />

▸ Das Urheberrecht bzw. die Lizenzierung führt zu<br />

der Frage, ob man die Funktionen überhaupt integrieren<br />

darf (bei Facebook, Google Maps etc. mag<br />

dies augenscheinlich sein, bei kommerziellen Anbietern<br />

ist dies aber nicht gegeben).<br />

Programmierschni:stellen<br />

Clientsei'ger<br />

Ansatz<br />

Reak2onszeiten ähnlich zu Desktop-­‐Anwendungen<br />

nur benö2gte Inhalte werden geladen und in die aktuelle<br />

Seite integriert<br />

Verhalten von Browser (JavaScript Engine) abhängig<br />

Sicherheit der Anwendungen ist aufwendiger zu gewähr-­‐<br />

leisten<br />

!<br />

Ein Mashup ist die Integra2on von Inhalten und Funk-­‐<br />

2onalitäten anderer Webapplika2onen in die eigene.<br />

Application Programming Interfaces (API) sind<br />

wohldefinierte Schnittstellen für die Interaktion mit<br />

Applikationen. Im Zusammenhang mit Webapplikationen<br />

werden sie üblicherweise als Webservices implementiert<br />

und liefern entweder XML-Daten oder<br />

vergleichbare strukturierte Daten wie die einfachere<br />

JavaScript Object Notation (JSON). Sowohl SOAPals<br />

auch REST-Ansätze sind möglich, auch wenn der<br />

Trend der letzten Jahre in Richtung REST-Anwendungen<br />

weist. Einerseits können API dazu verwendet<br />

werden um Funktionalität zur Verfügung zu stellen,<br />

wie zum Beispiel die Darstellung von Koordinaten in


8 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

Karten mittels der Google-Maps-API. Abbildung 1<br />

zeigt ein Beispiel der Visualisierung von geographischen<br />

Koordinaten mittels der Google Maps API.<br />

Andererseits können solche Applikationen auch<br />

Inhalte zur Verfügung stellen. So ist es mit der Flickr-<br />

API zum Beispiel möglich, auf Fotos des Internetdienstes<br />

zuzugreifen. Andere API ermöglichen beispielsweise<br />

die Integration von Daten aus sozialen<br />

Netzwerken, wie die Facebook-API.<br />

RSS<br />

Abbildung 1: TUGeowiki: Integration von Kartenma-­‐<br />

terial über die Google Maps API. Quelle: Safran und<br />

Zaka, 2008<br />

Real Simple Syndication (RSS) beschreibt eine Technologie,<br />

mit deren Hilfe Inhalte von Websites, soge-<br />

In der Praxis: Die Personal Learning Environment an der TU Graz<br />

Als Praxisbeispiel für ein Mashup kann die Personal Learning<br />

Environment (PLE) an der Technischen Universität Graz ge-­‐<br />

nannt werden. In dieser persönlichen Lernumgebung sind<br />

verschiedene, zum Teil unabhängige und verteilte Dienste<br />

der TU Graz so wie andere Webanwendungen aus dem In-­‐<br />

ternet integriert. Abbildung 3 stellt dieses Grundkonzept gra-­‐<br />

p h i s c h d a r. U n i v e r s i t ä t s d i e n s t e w i e d a s<br />

Administra2onssystem (TUGRAZ.online), LMS (TUGTC), Blo-­‐<br />

gosphere (TUGLL) und viele Lernobjekte für unterschiedliche<br />

Lehrveranstaltungen sind in der PLE kombiniert.<br />

Zusätzlich dazu können zahlreiche fremde Lernobjekte und<br />

webbasierte Dienste wie Google-­‐Applika2onen, Flickr,<br />

YouTube, TwiEer, FaceBook, etc. integriert werden. Die Inte-­‐<br />

gra2on dieser Dienste erfolgt miEels Widgets. Das PLE als<br />

eine Rich Internet Applica2on (RIA) bietet ein Mashup von<br />

Widgets, die an den persönlichen Nutzungsbedürfnissen an-­‐<br />

passbar sind. Die Benutzer/innen sind in der Lage sich die ge-­‐<br />

nannte Feeds, zur Verfügung gestellt werden. Die<br />

Daten liegen hierbei in einem XML Format vor. RSS<br />

dient hauptsächlich zur Benachrichtigung bei häufig<br />

aktualisierten Informationen, wie Weblogs oder<br />

Nachrichtenseiten. Benutzer/innen können RSS-<br />

Feeds mit einem Client abonnieren, der ihnen immer<br />

die jeweils neuesten Meldungen anzeigt. Abbildung 2<br />

zeigt das gebräuchlichste Icon für RSS-Feeds, wie es<br />

zum Beispiel im Browser Firefox Verwendung findet.<br />

In Webapplikationen bietet RSS eine gute Möglichkeit<br />

zur Syndikation von Daten aus unterschiedlichen<br />

Quellen. Da die Daten in XML vorliegen,<br />

können sie einfach maschinell weiterverarbeitet und<br />

in die eigene Webseite integriert werden.<br />

Abbildung 2: Icon für RSS Feeds<br />

Widgets<br />

Eine dritte Technologie, die bei der Integration verschiedener<br />

Webanwendungen Anwendung findet,<br />

sind Widgets. Ein Widget ist ein kleines, in sich abgeschlossenes<br />

Programm, das im Rahmen einer anderen<br />

grafischen Benutzeroberfläche abläuft. Üblicherweise<br />

ist die Funktionalität solch eines Widgets<br />

spezialisiert und eingeschränkt. Im Desktop-Bereich<br />

haben sich Widgets inzwischen bei den meisten Betriebssystemen<br />

durchgesetzt und können entweder<br />

direkt als Teil des Desktops (wie Gadgets in Microsoft<br />

Windows) oder über eine getrennte Widget-<br />

eigneten, zu ihrem Studium benö2gten Widgets auszusuchen<br />

und diese nach ihren aktuellen Bedürfnissen zu konfigu-­‐<br />

rieren.<br />

Abbildung 3: PLE: Mashup von Widgets ermöglicht die Inte-­‐<br />

gra2on von verschiedenen Universitätsdiensten sowie der<br />

fremden Ressourcen aus dem Internet.


Engine (wie das Dashboard bei Mac OS X) benutzt<br />

werden. Im Zusammenhang mit Webapplikationen<br />

bezeichnet der Begriff Widget genauso eine eigenständige,<br />

abgeschlossene und in eine andere Applikation<br />

integrierte Funktionalität. Diese sind meist innerhalb<br />

der Benutzerschnittstelle der eigentlichen<br />

Webapplikation mehr oder weniger frei positionierbar.<br />

So können Widgets zum Beispiel Daten über<br />

einen RSS-Feed abrufen, oder auf Funktionalitäten<br />

mittels einer API zugreifen. Ein Beispiel für Widgets<br />

sind die Apps des sozialen Netzwerks Facebook,<br />

welche nicht selbst von Facebook, sondern von anderen<br />

Entwicklerinnen und Entwicklern erstellt, aber<br />

in die Webapplikation Facebook integriert werden.<br />

Für Benutzer/innen ist kaum ein Unterschied erkennbar.<br />

Über eine API greifen diese Apps zusätzlich<br />

auf die Funktionalität von Facebook zu.<br />

7. Aktuelle Trends in der Entwicklung von Webanwen-­‐<br />

dungen<br />

In den letzten Jahren haben sich drei Ansätze bei der<br />

Entwicklung von Webanwendungen durchgesetzt.<br />

Vom serverseitigen Standpunkt aus bieten viele, vor<br />

allem bekannte und große Webanwendungen, wie die<br />

verschiedenen Google-Produkte oder Facebook, parallel<br />

zu ihren Webanwendungen Webservices als API<br />

an. Dies ermöglicht und ermutigt die Verwendung<br />

ihrer Funktionalität in anderen Webanwendungen.<br />

Vom clientseitigen Standpunkt sind RIA der Stand<br />

der Technik. Hier wird bei vielen Webanwendungen<br />

darauf Wert gelegt, dass den Benutzern die An-<br />

Webtechnologien. Technische Anforderungen an Informa2onssysteme— 9<br />

mutung einer Desktop-Anwendung vermittelt wird.<br />

Durch die Anwendung von AJAX haben sich die Reaktionszeiten<br />

der Webanwendungen erheblich verbessert.<br />

Zu guter Letzt gehört Syndikation und Integration<br />

zum Stand der Technik in vielen Anwendungsbereichen.<br />

Durch die Möglichkeiten, welche Webservices<br />

und RIA bieten, kann auf Funktionalität und<br />

Inhalte anderer Anwendungen leicht zurückgegriffen<br />

werden. Diese können nahtlos in die eigene Benutzungsschnittstelle<br />

integriert werden.<br />

Literatur<br />

▸ Vinton Cerf (1993). The history of Internet. In: B. Aboba<br />

(Hrsg.), The Online User's Encyclopedia, Addison-Wesley.<br />

▸ Cailliau, R. (1995). A Little History of the World Wide Web.<br />

URL: http://www.w3.org/History.html [2010-09-08].<br />

▸ Safran, C. & Zaka, B. (2008). A Geospatial Wiki for m-<br />

Learning. In: Proceedings of the 2008 International Conference<br />

on Computer Science and Software Engineering, IEEE<br />

Computer Society, Washington, 5, 109-112.<br />

▸ The PHP Group. (2010). Hypertext Preprocessor. URL:<br />

http://www.php.net [2010-01-04].<br />

▸ Vossen, G. & Westerkamp, P. (2003). E-Learning as a Web<br />

Service. In: Proceedings of the Seventh International Database<br />

Engineering and Applications Symposium, Los Alamitos, CA,<br />

USA: IEEE Computer Society, 242.<br />

▸ World Wide Web Consortium (2004). Web Services Architecture.<br />

URL: http://www.w3.org/TR/ws-arch/#id2268743<br />

[2010-01-12].


2 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

1. Die Mischung macht’s – Überlegungen zu Beginn<br />

In den letzten Jahren wurden auf technischem<br />

Gebiet wesentliche Durchbrüche erzielt. Die Kanalkapazitäten<br />

der verfügbaren Netze in den modernen<br />

Industriestaaten erlauben es zum Beispiel Videos in<br />

nahezu beliebiger Größe zu speichern und auch<br />

mobil zur Verfügung zu stellen.<br />

Theoretische Hintergründe für die Methoden zum<br />

Lernen mit multimedialen und interaktiven Lernmaterialien<br />

werden in lerntheoretischen Abhandlungen<br />

beschrieben. In diesem Text wird vor allem auf praktische<br />

Anwendbarkeit Wert gelegt.<br />

Gleich zu Beginn also auch praktische Beispiele:<br />

Videos über Programmieren auf einem Smartphone<br />

zu betrachten ist weitestgehend sinnleer, da die Lernenden<br />

beim Erlernen der Fähigkeit „Programmieren“<br />

auf beständiges Üben angewiesen sind und<br />

dies am Smartphone nicht möglich ist. Es ist also<br />

nicht weiter überraschend, dass viele Projekte, die lediglich<br />

die technische Komponente des Lernens betrachten,<br />

nach einer anfänglichen Phase der Euphorie<br />

recht häufig scheitern und nicht weiter verfolgt<br />

werden. Ganz ähnlich sieht es mit Verfahren aus, die<br />

vorhandene Texte durch fast vollständig automatisierte<br />

Verfahren in Audiofiles umwandeln. Ganze<br />

Projekte, die auf diese Weise Gigabytes an Audiofiles<br />

für gängige portable Geräte (zum Beispiel Mobiltelefone<br />

oder MP3-Player) erstellt haben, werden von<br />

den Lernenden kaum bzw. nur zögerlich angenommen.<br />

Der Grund liegt nahe: Es ist sehr unpraktisch<br />

einen Text anzuhören, der ursprünglich für das<br />

visuelle Erfassen konzipiert wurde.<br />

!<br />

Deshalb sind online zur Verfügung gestellte Lernmate-­‐<br />

rialien ausgesprochen sorgfälNg in die Richtung der<br />

Bedürfnisse der Anwender/innen zu entwickeln und<br />

zu gestalten.<br />

Lernende wollen vor allem eines: mit möglichst<br />

geringem Aufwand ein Maximum an Wirkung erzielen.<br />

Um nun die richtigen Medien auswählen zu<br />

können, müssen unserer Erfahrung nach folgende<br />

drei Fragen der Reihe nach gestellt und präzise beantwortet<br />

werden:<br />

▸ Was genau sollen die Lernenden nach Beendigung<br />

des Kurses können bzw. wissen?<br />

▸ Wie kann das gesamte Lernmaterial in überschaubare<br />

Einheiten geteilt werden und was<br />

enthält eine Einheit genau?<br />

▸ Was benötigt die/der Lernende in jeder dieser<br />

Einheiten, um das definierte Lernziel optimal zu<br />

erreichen?<br />

Entscheidend für die Auswahl der optimalen Medien<br />

zur Vermittlung des Wissens ist die Beantwortung<br />

der dritten Frage.<br />

?<br />

2. Über Bilder, Audio, Video und Anima?onen zu inter-­‐<br />

ak?ven Lernmaterialien<br />

Gehen wir davon aus, dass geschriebener Text und<br />

gesprochene Sprache in Form eines Vortrages als<br />

Standardmedium und Lernmaterial dienen.<br />

Bilder<br />

Abbildung 1: Beispiel einer Strukturierung: Der Au5au dieses Kapitels<br />

!<br />

Studierende verwenden Unterlagen nur dann, wenn<br />

sie das Lernen effizient und bequem unterstützen!<br />

Lehrende verwenden ein Lernmanagementsystem<br />

(LMS) und mulNmediale / interakNve Materialien nur<br />

dann, wenn Sie Unterlagen einfach erstellen und<br />

hochladen können (siehe Kapitel #systeme #info-­‐<br />

systeme).<br />

Versuchen Sie eine Mindmap für die Planung Ihres<br />

Kurses und zur Beantwortung der drei Fragen zu er-­‐<br />

stellen!<br />

Als „einfachstes“ zusätzliches Medium wird seit jeher<br />

das Bild angewendet. Einzelbilder sind der Einstieg


InterakNve, mulNmediale Materialien. Gestaltung von Materialien zum Lernen und Lehren— 3<br />

in die multimediale Welt. Daher sind zu Beginn die<br />

Möglichkeiten des Einsatzes von Bildern zu betrachten:<br />

Bilder erleichtern im Prinzip das Verständnis<br />

von Inhalten. Nicht umsonst gibt es das<br />

Sprichwort: „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“.<br />

Im Gegenzug bietet aber auch kein anderes Medium<br />

mehr Möglichkeiten zur (Fehl-) Interpretation. Daher<br />

muss sehr viel Augenmerk auf eine möglichst gezielte<br />

und fehlinterpretationsfreie Gestaltung gelegt<br />

werden. Oftmals benötigen Bilder und Grafiken, im<br />

Speziellen etwa Diagramme zusätzlichen Text zur Erklärung<br />

– jeder Mensch interpretiert das Gesehene in<br />

seinem eigenen Erfahrungskontext.<br />

!<br />

Als Spezialform der Bilder können die heute bereits<br />

sehr beliebten Präsentationsfolien, die via PC<br />

und Beamer präsentiert werden, betrachtet werden.<br />

Diese Folien sind meist eine Mischung aus Text und<br />

Bildern.<br />

Audio<br />

Audio kann in unterschiedlichen Formen in multimedialen<br />

Lernszenarien zum Einsatz kommen: Als Hörspiel,<br />

als Vorlese-Hilfe, als Podcast (kurzes Audiofile)<br />

für mobile Endgeräte oder auch als komplexes Hörgebilde,<br />

welches durch Musik und Sprache kombiniert<br />

Lerninhalte vermittelt (siehe Kapitel #educast).<br />

Prinzipiell kann man beim Medium Audio zwei<br />

Arten unterscheiden: Sprache und Musik. Mit<br />

Sprache können konkrete Informationen (zum Beispiel<br />

weiterführende Erläuterungen zu einem Bild<br />

oder einer Textpassage) zur Verfügung gestellt<br />

werden, die auf einer herkömmlichen Textseite<br />

keinen Platz mehr finden oder vom wesentlichen<br />

Inhalt ablenken würden. Darüber hinaus können<br />

Sprach-Podcasts genutzt werden um Inhalte gezielt<br />

für Wiederholungen zu komprimieren.<br />

!<br />

Bilder können zur Veranschaulichung (Beschreibung<br />

und Ergänzung des Textes), Strukturierung (Visuali-­‐<br />

sierung einer inhaltlichen Struktur, z. B. in Form einer<br />

Mindmap) oder zur DekoraNon (zur Umrahmung und<br />

MoNvaNon der eigentlichen Inhalte) eingesetzt<br />

werden. (Hametner, 2006, 36 ff.)<br />

Musik setzt vor allem in virtuellen Lernwelten oder in<br />

E-­‐Learning-­‐Programmen an und dort vor allem auf der<br />

emoNonalen Ebene (Niegemann et al., 2003, 128 ff.)<br />

Inhalte, die mit Emotionen verknüpft sind,<br />

werden leichter im Gedächtnis verankert. Die Er-<br />

zeugung von Emotionen ist ein komplexer Prozess<br />

und nicht nur auf Musik beschränkt (Campbell, 1999;<br />

Vogler & Kuhnke, 2004).<br />

!<br />

Das Hören des Textes erleichtert es den Lernenden<br />

wesentlich, sich den Inhalt beim weiteren<br />

Lesen einzuprägen. Damit ist auch klar, dass diese<br />

Audiofiles immer mit einem Textfile ergänzt werden<br />

müssen. Audiofiles alleine haben unserer Meinung<br />

nach zumindest im technischen Kontext kaum Sinn.<br />

Der Grund dafür ist einfach, technische Strukturen<br />

erfordern meist vernetztes Denken, dies kann in<br />

einem linearen Format, wie es das Hören von Text<br />

ist, nur sehr schlecht trainiert werden. Eine Ergänzung<br />

durch andere Medien, wie bereits angesprochen,<br />

in Form von Text oder Bild ist daher von<br />

Nöten.<br />

Besonders effizient sind Textdateien, die einen<br />

sehr ähnlichen, aber nicht immer identen Inhalt zum<br />

Audiofile haben. Durch das Wahrnehmen der ähnlichen<br />

Inhalte über unterschiedliche Sinneskanäle<br />

wird das Einprägen gefördert und es können durch<br />

die Wiederholung mit größerer Wahrscheinlichkeit<br />

zusätzliche Querverbindungen hergestellt werden.<br />

Video<br />

Einfache Audiofiles (Texte) können sinnvoll verwendet<br />

werden, wenn es darum geht eine genügende Anzahl<br />

von Wiederholungen zu erzeugen, um etwas dau-­‐<br />

erhad zu erinnern und im Gedächtnis zu fesNgen.<br />

Lehrfilme und kurze Videos sollten heute zum Unterrichtsstandard<br />

gehören. Vor allem die Entwicklung<br />

der CD-ROM machte Videos für den Einsatz in<br />

E-Learning-Umgebungen interessant, da mit deren<br />

Hilfe erstmals die entsprechenden Datenmengen in<br />

Zeiten vor dem Internet verteilt werden konnten.<br />

!<br />

Videos sprechen beim Menschen zwei Sinneskanäle<br />

an – sowohl den audiNven als auch den visuellen.<br />

Einen starken Realitätsbezug liefern Videos durch<br />

die Einbeziehung der Komponente Zeit. Eine dramaturgische<br />

Gestaltung durch den gezielten Einsatz von<br />

Musik unterstreicht die Aussage des Inhaltes zusätzlich<br />

(Niegemann u.a., 2003, 148 f.).<br />

Menschen lernen in vielen Fällen durch Nachahmung,<br />

dafür ist der Einsatz des Mediums Video<br />

für Instruktionen häufig ideal.


4 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

In der Informatik, zum Beispiel fallen die Bedienung<br />

einer bestimmten Softwareumgebung oder<br />

die Benutzung eines Debuggers und ähnliches in<br />

diese Kategorie.<br />

Zudem hat sich als optimal herausgestellt, derartige<br />

Videos durch Präsentationen zu ergänzen. Es<br />

ist in vielen Fällen für Lernende sehr angenehm<br />

anhand von Folien, in denen sie einfach vor- und zurückblättern<br />

können, die Kernaussagen der Videos<br />

zu wiederholen, auch für unterwegs auf mobilen<br />

Endgeräten.<br />

!<br />

Abbildung 2: Screenshot der freien Audiobearbei-­‐<br />

tungssoftware Audacity<br />

Sie wollen sich bei Kolleginnen und Kollegen Anre-­‐<br />

gungen holen, wie diese Ihre Vorlesungsmitschnige<br />

organisieren?<br />

Unter hgp://www-­‐lehre.inf.uos.de/~ainf/2006/Auf-­‐<br />

zeichnungen/index.html [24.09.2010] stehen Auf-­‐<br />

zeichnungen, MP3 und Podcasts zu einer Vorlesung<br />

über Algorithmen und Datenstrukturen zur Verfügung.<br />

Interessant zum Stöbern sind auch die Angebote<br />

deutschsprachiger InsNtuNonen in Apple’s iTunesU.<br />

In solchen Fällen ist ein kurzes Video von maximal<br />

15 Minuten, besser 7 Minuten Länge empfehlenswert.<br />

Bei längeren Videos sinkt die Aufmerksamkeit<br />

der Zusehenden zunehmend und der gewünschte<br />

Lerneffekt stellt sich nicht ein, selbiges gilt<br />

auch für Audiofiles.<br />

Ein weiterer Trend ist die Aufzeichnung kompletter<br />

Vorlesungen via Video und deren Bereitstellung<br />

für die Lernenden, meist über ein Webportal.<br />

Dies bietet die Möglichkeit verpasste Einheiten zu<br />

wiederholen oder in Lerngruppen den durchgenommenen<br />

Stoff zu reflektieren und zu diskutieren.<br />

Anima?onen<br />

Eine Sonderform von Videos stellen Animationen<br />

dar, da sie nicht unmittelbar die Realität widerspiegeln.<br />

Somit können aber vor allem abstrakte und<br />

komplexe Zusammenhänge (zum Beispiel chemischer<br />

oder physikalischer Natur) veranschaulicht werden,<br />

die rein auditiv oder statisch visuell nicht oder nur<br />

schwer erfassbar gemacht werden können. Ebenso<br />

kann mit Animationen die Aufmerksamkeit der Lernenden<br />

gesteuert werden (Wendt, 2003, 199).<br />

Interak?ve Lernmaterialien<br />

Das explorative Lernen im Rahmen des konstruktivistischen<br />

Lernparadigmas (siehe Kapitel #lerntheorie)<br />

lässt sich sehr gut mit interaktiven Lernmaterialien<br />

und deren zeitlicher Steuerbarkeit des Ablaufs<br />

unterstützen. Die Interaktion kann in einfachster<br />

Weise durch die Auswahl einzelner Objekte repräsentiert<br />

werden, in komplexeren Szenarien stehen den<br />

Lernenden weitere Möglichkeiten zur Verfügung, wie<br />

Veränderung von Objekten, die Nutzung von tutoriellen<br />

Systemen oder die Möglichkeit multimediale<br />

Elemente mit Annotationen zu versehen.<br />

3. Mul?media und Datenkompression<br />

Mit Multimedia ist unweigerlich das Problem der Datenkompression<br />

verbunden. Bedenkt man, dass sämtliche<br />

Daten möglichst in Echtzeit bei den Lernenden<br />

ankommen bzw. am Bildschirm auf Knopfdruck erscheinen<br />

sollte, sah man sich besonders in den Anfängen<br />

des World Wide Web mit großen Problemen<br />

konfrontiert.<br />

Mit einem damals in Privathaushalten verfügbaren<br />

Modem, war eine Übertragungsleistung von 14.400<br />

Bit/s möglich. Ein unkomprimierte Bilddatei mit<br />

einer Größe von 1024 * 768 Pixel erreicht bei einer<br />

angenommenen Farbtiefe von 24 Bit (24 Bit = 3<br />

Bytes) je Pixel bereits 1024 * 768 * 24 Bits, also<br />

18.874.368 Bits. Dies ergäbe bei Verwendung obigem<br />

Modems im Idealfall eine Übertragungszeit von<br />

1.311s oder circa 22 Minuten. Eine Steigerung der<br />

Übertragungsleistung auf 28.800 Bit/s oder sogar<br />

56.000 Bit/s schaffte nur bedingt Abhilfe. Nachdem<br />

ein Video nur die schnelle Abfolgen von vielen Einzelbildern<br />

darstellt, wurde das Problem nur noch<br />

weiter verschärft.<br />

Datenkompression von Bildern<br />

Generell erfolgt eine Unterscheidung in eine verlustfreie<br />

Datenkompression (unnötige Informationen aus<br />

dem Datenbestand werden entfernt) und eine verlustbehaftete<br />

(Informationen werden entfernt ohne die<br />

subjektive Wahrnehmung des Menschen zu verschlechtern).<br />

Im Laufe der Jahre entstanden so unterschiedliche<br />

Kodierungsverfahren, die heute von verschiedenen<br />

Bildformaten verwendet werden. JPG,<br />

PNG, GIF, SVG, BMP, TIFF, WMF, Postscript, PDF<br />

sind die bekanntesten Formate.


InterakNve, mulNmediale Materialien. Gestaltung von Materialien zum Lernen und Lehren— 5<br />

In den Anfängen kam im Web vor allem das GIF-<br />

Format zur Anwendung, da es bei geringer Farbtiefe<br />

auch Transparenz und kleine Animationen zuließ.<br />

Weiters wurde es in die HTML-Spezifikation aufgenommen.<br />

Jedoch verwendete dieses Format die patentierte<br />

Lauflängenkodierung, wodurch viele Firmen<br />

auf die heutige gängigen JPEG- oder PNG-Formate<br />

zurückgreifen.<br />

JPEG-Kompression eignet sich sehr gut für photorealistische<br />

Bilder bei ausgezeichneten Kompressionsraten,<br />

jedoch bilden sich bei harten Übergängen<br />

Artefakte und bei mehrmaliger Kompression verändert<br />

sich stark die Qualität des Bildes. JPEG ist<br />

zwar für Darstellungen im Web geeignet, aber nicht<br />

für die Bildbearbeitung.<br />

Datenkompression von Videos<br />

Digitale Videotechnik nimmt aufgrund der verfügbaren<br />

Endgeräte einen immer höheren Stellenwert in<br />

unserem Alltag ein. Sie bleibt aber aufgrund der notwendigen<br />

Datenmenge nicht unproblematisch -<br />

selbst hochwertige Computer sind bei der Verarbeitung<br />

derartiger Daten gefordert. Um die Speichermengen<br />

zu verdeutlichen, gehen wir davon aus, dass<br />

eine digitale Videokamera mit einer Auflösung von<br />

800.000 Pixeln arbeitet. Bei voller Farbtiefe benötigt<br />

dieses Bild circa 2,3 MB. Um eine realistische Bewegtbildfolge<br />

zu erhalten, sind 24 bis 30 Bilder pro<br />

Sekunde nötig. Das führt, je nach Bildrate, zu einem<br />

Datenstrom von ca. 60MB pro Sekunde. Ein abendfüllender<br />

Film (120min) würde unkomprimiert also<br />

422 GB an Daten produzieren. Ohne Datenkompression<br />

wäre eine Übertragung im Internet undenkbar<br />

und es wurde eine große Anzahl unterschiedlicher<br />

(Komprimierungs-) Codecs entwickelt.<br />

Zur Kompression/Dekompression von Multimediadaten,<br />

in unserem Fall eben Videodaten, kommt ein<br />

sogenannter Codec (als Abkürzung für „coder“ und<br />

„decoder“) zum Einsatz. Dieser kann in Softwareoder<br />

Hardwareform vorliegen. Bei lizenzpflichtigen<br />

Verfahren sind diese beiden Teile auch manchmal getrennt:<br />

der Kompressor ist gebührenpflichtig,<br />

während der Dekompressor frei zugänglich ist. Die<br />

wichtigsten Codecs sind Cinepak, Indeo, Video-1,<br />

MS-RLE, MJPEG und Codecs nach H.261, H.263<br />

und MPEG. Ähnlich den Bildern können verschiedene<br />

Dateiformate durchaus verschiedene<br />

Codecs unterstützen, sodass man keinen direkten<br />

Schluss aus dem Dateiformat auf den verwendeten<br />

Codec ziehen kann. Bekannte Beispiele sind das von<br />

Apple's Quicktime verwendete MOV und von<br />

Windows angebotene WMF oder ASF Format.<br />

Datenkompression von Audio<br />

Audiokompression ist heute sehr stark durch das<br />

MP3 Format geprägt, welches auch auf einem sehr<br />

einfachen Prinzip beruht: Zur Kompression von<br />

Audio-Signalen speichert man unwichtige Informationen<br />

nicht ab. Basierend auf Studien über das<br />

menschliche Gehör entscheidet der so genannte Encoder,<br />

welche Informationen wichtig sind und welche<br />

nicht. Beim Menschen ist es prinzipiell nicht viel<br />

anders: Bevor ein Klang ins Bewusstsein dringt,<br />

haben Ohr und Gehirn ihn schon auf seine Kernelemente<br />

reduziert. Die psychoakustische Reduktion der<br />

Audio-Daten nimmt diesen Vorgang teilweise<br />

vorweg. Der Schlüssel zur Audio-Kompression besteht<br />

darin, auch solche Elemente zu beseitigen, die<br />

nicht redundant, aber irrelevant sind. Dabei geht es<br />

um diejenigen Teile des Signals, die die menschlichen<br />

Zuhörer/innen sowieso nicht wahrnehmen würden.<br />

Ähnlich wie bei den Bildern und Videos gibt es<br />

eine hohe Anzahl an verschiedenen Kompressionsverfahren.<br />

4. Aktuelle Programme zur Erstellung von Lernmate-­‐<br />

rialien und deren Einbindung in Lernmanagement-­‐<br />

systeme<br />

Um den Rahmen dieses Kapitels nicht zu sprengen,<br />

möchten wir an dieser Stelle nur ein paar Tools<br />

(Software) vorstellen, mit denen man von einfachen<br />

Lernmaterialien angefangen bis hin zu komplexen<br />

multimedialen Lerneinheiten selbst gestalterisch aktiv<br />

sein kann. Hauptaugenmerk liegt hierbei auf kostenfreien<br />

Angeboten, die frei verfügbar sind. Vorweg sei<br />

aber auch angemerkt, dass eine erfolgreiche und zielführende<br />

Gestaltung nicht von heute auf morgen erreicht<br />

werden kann und es in vielen Fällen sehr viel<br />

Übung und Erfahrung bedarf, um das optimale Lernmaterial<br />

entwickeln zu können.<br />

Bilder<br />

Um Bilder anzusehen, Attribute wie Größe oder Auflösung<br />

zu ändern oder rudimentäre Bildbearbeitungen<br />

durchzuführen, kann unter Windows® das<br />

Freeware-Programm IrfanView eingesetzt werden.<br />

Für MacOS X ist zum Beispiel die interne Vorschau<br />

verfügbar und für Linux XnView. Zahlreiche plattformunabhängige<br />

Open-Source-Programme können zur<br />

Erstellung von Bildern und Grafiken genannt<br />

werden: Für Mindmaps bietet sich Freemind an, für<br />

Diagramme Dia, Vektorgrafiken können mit<br />

Inkscape erstellt werden, Desktop Publishing (DTP)<br />

gelingt mit Scribus und für professionelle Bildbearbeitung<br />

empfiehlt sich GIMP. Screenshots, auch von


6 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

Teilen Ihres Bildschirms und die Bearbeitung derselben<br />

gelingen einfach mit der Open Source<br />

Software Greenshot.<br />

Audio<br />

Zur Aufnahme von Sprache aber auch Musik benötigt<br />

man zusätzlich zu einem geeigneten PC mit<br />

angeschlossenen Mikrofonen nur mehr eine Recording-Software.<br />

Neben den kommerziellen Anbietern<br />

wie Steinberg (mit zum Beispiel WaveLab)<br />

oder Adobe (mit Audition), erfreut sich das freie Audacity<br />

immer steigender Beliebtheit. Ebenso kann mit<br />

diesem Produkt beinahe jedes beliebige Audiofile bearbeitet,<br />

geschnitten und konvertiert werden.<br />

?<br />

Bearbeiten Sie Ihre eigenen Audio-­‐Files mit Audacity,<br />

das EinsNegs-­‐Tutorial unter hgp://www.lehrer-­‐onli-­‐<br />

ne.de/audacity-­‐tutorial.php [24.09.2010] hild Ihnen<br />

dabei!<br />

Mul?mediale AuKereitung von Lerninhalten<br />

Unzählige am Markt verfügbare Videoschnittprogramme,<br />

von einfachsten und kostenlosen angefangen<br />

bis hin zu professionellen Systemen, machen<br />

es den Anwender/innen schwer, die richtige Auswahl<br />

für ihre Bedürfnisse zu treffen. Auf Grund dessen<br />

wollen wir uns der Aufzeichnung von Vorlesungen<br />

und der Audiokommentierung von Vorlesungsunterlagen<br />

widmen, sowie der Erstellung von Animationen<br />

und interaktiven Lernmaterialien, da diese in der<br />

Praxis viel häufiger zum Einsatz kommen, als ein<br />

selbstgedrehtes Video.<br />

Um sogenannte Screenrecordings (Aufzeichnen<br />

des eigenen Bildschirminhalts mit Audiokommentaren)<br />

durchzuführen, stehen kostenfrei unter<br />

Windows zum Beispiel CamStudio und Wink zur<br />

Verfügung, unter MacOS CaptureMe und unter<br />

Linux Wink wie auch RecordMyDesktop. Der Markt<br />

wird jedoch von Adobe’s Captivate, Techsmith’s<br />

Camtasia oder Lecturnity von IMC dominiert.<br />

Der Funktionsumfang der eben genannten Programme<br />

beschränkt sich nicht ausschließlich auf das<br />

Abfilmen von Bildschirminhalten, sondern bietet<br />

darüber hinaus zahlreiche Möglichkeiten zur Erstellung<br />

von einfachen Animationen, wie animierten<br />

Schaltflächen oder kleineren Grafiken. Komplexe<br />

Animationen können mit professioneller Software,<br />

beispielhaft seien hier Blender und trueSpace genannt,<br />

erstellt werden.<br />

Autorensysteme für interak?ve Lernmaterialien<br />

Komplexe Lernmaterialien können mit sogenannten<br />

Autorensystemen erstellt werden. Diese Werkzeuge<br />

erlauben es, neben den unterschiedlichsten multimedialen<br />

Elementen auch Testfragen und Aufgabenstellungen<br />

zu integrieren, deren Antworten meist automatisiert<br />

ausgewertet bzw. der/dem Lernenden in<br />

Abhängigkeit der erzielten Punkte weitere Lernelemente<br />

frei geschalten werden. Beispielhaft seien an<br />

dieser Stelle WBTExpress oder auch EXELearning<br />

genannt, neben zahlreichen kommerziellen Lösungen,<br />

wie Lectora und ToolBook oder vielen anderen.<br />

Komplexe interaktive Lernmaterialien werden<br />

für Webseiten häufig mit Adobe’s Flash oder Silverlight<br />

von Microsoft realisiert.<br />

Integra?on in Lernmanagementsysteme<br />

Multimediale Lernmaterialien können in den meisten<br />

Lernmanagementsystemen durch Hochladen integriert<br />

werden und meist stellen die Systeme auch die<br />

passenden Player für die Lernenden zur Verfügung<br />

(siehe Kapitel #infosysteme).<br />

Wenn allerdings Testfragen in den Materialien integriert<br />

sind oder Abhängigkeiten zwischen unterschiedlichen<br />

Lernmodulen bestehen, so müssen die<br />

Lernmaterialien mit dem Lernmanagementsystem<br />

kommunizieren und Daten austauschen. Dazu<br />

wurden Standards entwickelt, die sicherstellen sollen,<br />

dass die Daten korrekt abgerufen und gespeichert<br />

werden können. Unter anderem können so der Name<br />

der/des Lernenden vom Lernmanagementsystem<br />

zum Lernmaterial übertragen (damit kann zum Beispiel<br />

eine persönliche Anrede gestaltet werden) oder<br />

aber auch die erzielten Punkte beim Test zentral im<br />

Lernmanagementsystem abgespeichert werden. Beispiele<br />

solcher Standards sind SCORM (siehe Kapitel<br />

#ebook) oder AICC.<br />

!<br />

Unter hgp://www.lernmodule.net/modul/<br />

[24.09.2010] finden Sie kostenlose Lernmodule zu un-­‐<br />

terschiedlichsten Themengebieten, die Sie mit Hilfe<br />

der SCORM-­‐Referenz in ihren Moodle-­‐/Ilias-­‐/Fronter-­‐<br />

Kurs integrieren können – Anleitung dazu finden Sie<br />

auf der angegebenen Website. Für jedes Lernmodul<br />

exisNeren ausführlichste InformaNonen vom Schwie-­‐<br />

rigkeitsgrad bis zum InterakNvitätslevel.<br />

5. Fazit und Kontrollfragen<br />

Multimediale und interaktive Lernmaterialien können<br />

ein jedes Lernszenario bereichern, sofern sie an die<br />

Bedürfnisse der Lernenden, der Zielgruppe, angepasst<br />

sind und den Anforderungen der Lernenden<br />

gerecht werden. Umfangreiche Medienkompetenzen<br />

seitens der Erstellenden sind von Nöten, um diesen<br />

Ansprüchen gerecht zu werden. Stellen Sie sich am<br />

Beginn der Entwicklungsphase Ihres multimedialen


In der Praxis: Videoannotationen<br />

InterakNve, mulNmediale Materialien. Gestaltung von Materialien zum Lernen und Lehren— 7<br />

Als konkretes und zeitgemäßes Beispiel für interakNve und<br />

mulNmediale Lernmaterialien möchten wir an dieser Stelle<br />

das Thema „VideoannotaNonen“ näher betrachten und vor-­‐<br />

stellen. AnnotaNonen sind ergänzende InformaNonen im<br />

Video, die zusätzlich oder nachträglich hinzugefügt werden.<br />

Es kann sich dabei um Texte, Bilder, weiteres Videomaterial<br />

oder Links auf externe Webseiten handeln (Meixner , Siegel,<br />

Hölbling, Kosch & Lehner, 2009).<br />

Die Grenzen zwischen dem Produzieren und Konsumieren<br />

von Inhalten schwinden spätestens seit dem „Web-­‐2.0-­‐Zeit-­‐<br />

alter” zunehmend. Spezielle Autorenwerkzeuge kommen<br />

meistens bei der ProdukNon von interakNven Lehrinhalten<br />

mit Hilfe einer Client-­‐Sodware zum Einsatz. Die zusammen-­‐<br />

gestellten Inhalte können veröffentlicht und den Lernenden<br />

zum rezepNven Lernen zur Verfügung gestellt werden. Dem<br />

gegenüber steht eine Variante der VideoannotaNon, die es<br />

allen Benutzern und Benutzerinnen via Webtechnologien<br />

gleichermaßen ermöglicht, Videos während dem Betrachten<br />

kollaboraNv mit AnnotaNonen zu versehen. Welche techni-­‐<br />

schen Umsetzungen gibt es? Um Bildausschnige mit zeit-­‐<br />

licher Erstreckung zu generieren und die MulNperspekNvität<br />

in Form von Hypervideos zu fördern, empfiehlt sich das An-­‐<br />

notaNonswerkzeug WebDive (Zahn, Krauskopf & Hesse,<br />

2009). Ähnlich wie beim WebDiver können mit der Autore-­‐<br />

numgebung SIVA Producer Videoszenen herausgeschnigen<br />

und mit ZusatzinformaNonen angereichert werden (Meixner<br />

u.a., 2009).<br />

Der edubreak-­‐Videoplayer ermöglicht die bildgenaue, kolla-­‐<br />

boraNve AnnotaNon mit Texten, Schlagwörtern, Sprachno-­‐<br />

Nzen und Zeichnungen. Die professionelle Analyse und das<br />

Verwalten von Videos ermöglicht die netzwerkfähige Client-­‐<br />

Anwendung DARTFISH Classroom.<br />

und interaktiven Lehrangebotes die drei Reflexionsfragen<br />

aus der Einleitung. Diese liefern Ihnen einen<br />

ersten Anhaltspunkt, welche Materialien Sie benötigen<br />

und welche Sie als zusätzliches Angebot zur<br />

Verfügung stellen können.<br />

Zum Abschluss der Lerneinheiten – egal mit<br />

welchen Medien diese gestaltet wurden – eignen sich<br />

kleine einfache Tests bestens um das Erlernte dauerhafter<br />

im Gehirn zu verankern. Daher möchten wir<br />

Ihnen nicht nur diese Empfehlung mit auf den Weg<br />

geben, sondern auch gleich mit gutem Beispiel voran<br />

gehen und Fragen zur Reflexion stellen.<br />

Abbildung 3: edubreak-­‐Videoplayer im Kontext der Sporgrai-­‐<br />

nerausbildung (kollaboraNve Bearbeitung)<br />

Sollen VideoannotaNonen in der Lehre eingesetzt werden, ist<br />

vor allem das didakNsche Design von Bedeutung (Krammer &<br />

Hugener, 2005; Vohle & Reinmann, in Druck). Mindestens<br />

zwei Aspekte sind zu beachten: zum einen die AnnoNerungs-­‐<br />

ebene und zum anderen das Lernse|ng.<br />

Hinsichtlich der AnnoNerungsebene ergeben sich folgende<br />

Unterfragen: Geht es darum, im Videomaterial besNmmte In-­‐<br />

halte / Botschaden zu suchen und zu annoNeren oder<br />

darum, besNmmte Zeitmarken aufzusuchen, um dort ge-­‐<br />

stellte Fragen zu beantworten? Oder sollen die Lernenden<br />

frei Kommentare in Form von TextannotaNonen einbinden<br />

oder das Video mit Schlagwörtern anreichern (Tagging)?<br />

Für das Lernse|ng sind folgende Fragen relevant: Werden<br />

die VideoannotaNonen in einer Präsenzphase besprochen<br />

oder geschieht der Austausch auch virtuell (synchron oder<br />

asynchron)? Welche Art von VideoannotaNon ist im Rahmen<br />

eines Blended-­‐Learning-­‐Ansatzes sinnvoll, wie hängen die<br />

virtuelle Lernphase und die Präsenzphase zusammen?<br />

?<br />

?<br />

Warum und vor allem wann ist es sinnvoll eine ge-­‐<br />

samte Vorlesung 1:1 aufzuzeichnen oder hilfreicher<br />

für die Lernenden einzelne Abschnige komprimiert<br />

zur Wiederholung bereitzustellen?<br />

In welchem didakNschen Kontext und unter welchen<br />

Bedingungen macht der Einsatz von Bildern / Audio /<br />

Video / VideoannotaNonen Sinn?


8 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

Literatur<br />

▸ Campell, J. & Koehne, K. (1999). Der Heros in tausend Gestalten.<br />

Frankfurt: Insel.<br />

▸ Krammer, K. & Hugener, I. (2005). Netzbasierte Reflexion von<br />

Unterrichtsvideos in der Ausbildung von Lehrpersonen - eine<br />

Explorationsstudie. In: Beiträge zur Lehrerbildung, 23(1), 51-<br />

61<br />

▸ Hametner, K.; Jarz, T.; Moriz, W.; Pauschenwein, J.; Sandtner,<br />

H.; Schinnerl, I.; Sifri, A. & Teufel, M.. (2006). Qualitätskriterien<br />

für E-Learning: Ein Leitfaden für Lehrer/innen, Lehrende<br />

und Content-Ersteller/innen. URL: http://e-teachingaustria.at/download_mat/Qualitaetskriterien.pdf<br />

[2010-09-24].<br />

▸ Holzinger, A. (2001). Basiswissen Multimedia Band 3: Design.<br />

Entwicklungstechnische Grundlagen multimedialer Informationssysteme:<br />

Das Basiswissen für die Informationsgesellschaft<br />

des 21. Jahrhunderts. Würzburg: Vogel.<br />

▸ Meixner, B.; Siegel, B.; Hölbling, G.; Kosch, H. & Lehner, F.<br />

(2009). SIVA Suite - Konzeption eines Frameworks zur Erstellung<br />

von interaktiven Videos. In: M. Eibl (Hrsg.), Workshop<br />

Audiovisuelle Medien WAM 2009. Aus der Reihe Chemnitzer<br />

Informatik-Berichte. Chemnitz: Technische Universität<br />

Chemnitz, URL: http://archiv.tuchemnitz.de/pub/2009/0095/data/wam09_monarch.pdf<br />

[2010-09-24], 13-20.<br />

▸ Niegemann, H. M.; Hessel, S.; Hochscheid-Mauel, D.; Aslanski,<br />

K. & Kreuzberger, G. (2003). Kompendium E-Learning.<br />

Berlin/Heidelberg: Springer.<br />

▸ Vogler, C. & Kuhnke, F. (2004). Die Odyssee des Drehbuchschreibers:<br />

Über die müthologischen Grundmuster des amerikanischen<br />

Erfolgskinos. Frankfurt am Main: Zweitausendeins.<br />

▸ Vohle, F. & Reinmann, G. (in Druck). Förderung professioneller<br />

Unterrichtskompetenz mit digitalen Medien: Lehren<br />

lernen durch Videoannotation. In: R. Schulz-Zander; B. Eickelmann;<br />

P. Grell; H. Moser & H. Niesyto, Jahrbuch Medienpädagogik<br />

9. Qualitätsentwicklung in der Schule und medienpädagogische<br />

Professionalisierung.<br />

▸ Wendt, M. (2003). Praxisbuch CBT und WBT: konzipieren,<br />

entwickeln, gestalten. München: Hanser Verlag.<br />

▸ Zahn, C.; Krauskopf, K. & Hesse, F. (2009). Video-Tools im<br />

Schulunterricht: Pädagogisch-psychologische Forschung zur<br />

Nutzung von audio-visuellen Medien. In: M. Eibl, J. Kürsten &<br />

M. Ritter (Hrsg.), Workshop audiovisuelle Medien, WAM 2009,<br />

Chemnitz: Technische Universität Chemnitz, URL: http://archiv.tu-chemnitz.de/pub/2009/0095/data/wam09_monarch.pdf<br />

[2010-09-24], 59-66.


2 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

1. <strong>Einführung</strong><br />

Human-Computer Interaction (HCI) ist ein erst seit<br />

rund 30 Jahren etabliertes Teilgebiet der Informatik,<br />

das mit der Verbreitung so genannter grafischer Benutzeroberflächen<br />

(Shneiderman, 1983) entstand und<br />

seit Beginn versucht, die Brücke zwischen Informatik<br />

und Psychologie zu verbreitern.<br />

Während die klassische HCI-Forschung (Card et<br />

al., 1983; Norman, 1986) sich auf das Zusammenspiel<br />

zwischen Mensch-Aufgabe-Computer konzentrierte,<br />

widmet sich die neuere HCI-Forschung,<br />

neben der Erforschung neuer Interaktionsparadigmen,<br />

zum Beispiel intelligente, adaptive, personalisierte<br />

Benutzeroberflächen, Augmented Non-Classical<br />

Interfaces, aber auch Social Computing, vor<br />

allem der Erhöhung der Effektivität und Effizienz<br />

des Zusammenwirkens menschlicher und technischer<br />

Performanz. Und genau damit wird HCI-Wissen<br />

grundlegend zur Optimierung technologiegestützten<br />

Lehrens und Lernens (Niegemann et al., 2008), insbesondere<br />

im Bereich der Interaktion zwischen zukünftigen<br />

semantischen Technologien und menschlichen<br />

Wissensräumen (Cuhls, Ganz & Warnke,<br />

2009).<br />

2. Interak2on und Interak2vität<br />

Interaktion ist eigentlich ein psychologischer Begriff<br />

und bezeichnet einen auf der Basis gewisser Erwartungen,<br />

Einstellungen und Bewertungen beruhenden<br />

Austausch (von Information) auf sprachlicher oder<br />

nichtsprachlicher (symbolischer) Ebene. Interaktion<br />

ist also eng mit dem Begriff Kommunikation verbunden.<br />

Darum wird im Deutschen HCI auch oft als<br />

Mensch-Computer Kommunikation bezeichnet.<br />

Interaktivität hingegen ist ein technischer Begriff der<br />

Möglichkeiten und Eigenschaften des Computers bezeichnet,<br />

den Benutzern verschiedene Eingriffs-, Manipulations-<br />

und Steuerungsmöglichkeiten zu ermöglichen<br />

(Abbildung 1).<br />

Interaktivität wird zu einem didaktisch wichtigen<br />

Teil des technologiegestützten Lernens gezählt<br />

(Schulmeister, 2002), insbesondere weil Interaktivität<br />

die Möglichkeit bietet, dass die Endbenutzerinnen<br />

und Endbenutzer die Auswahl, die Art und die Präsentation<br />

von Informationen manipulieren und damit<br />

ihrem individuellen Vorwissen und Bedürfnissen anpassen<br />

können. Das war allerdings nicht immer so.<br />

Zu Beginn der Computertechnik war die Interaktivität<br />

sehr beschränkt, Computer hatten weder Bildschirm<br />

noch Tastatur: Eingabedaten wurden mit<br />

Lochkarten in Stapelverarbeitung (engl. „batch pro-<br />

cessing“) an den Rechner übergeben, die sequentiell<br />

abgearbeitet wurden und als Ergebnis Ausgabedaten<br />

auf Lochkarten erzeugten.<br />

Abbildung 1: HCI erforscht die Aspekte an der<br />

Nahtstelle zwischen Perzeption, Kognition und Infor-­‐<br />

mation (vgl. Holzinger, 2000a)<br />

Character Based User Interfaces<br />

Die Verwendung von Bildschirm (vom Fernseher)<br />

und Tastatur (von der Schreibmaschine) als Computer-Interfacegeräte<br />

waren ein wichtiger Schritt:<br />

Zeichen sind nun von dem was sie darstellen unabhängig<br />

und können daher auf unterschiedlichste<br />

Weise realisiert werden. Anstatt einen Stapel von Aufträgen<br />

auf Lochkarten vorgefertigt zu liefern, und<br />

auf das Ergebnis zu warten, wird die Aufgabe nun<br />

Schritt für Schritt im Dialog erledigt. Somit wird<br />

nicht nur die Durchführung der eigentlichen<br />

Aufgabe, sondern die Entwicklung der Aufgabenstellung<br />

im Dialog mit den Computer unterstützt.<br />

Das ist eine ganz wesentliche Voraussetzung für<br />

Lernprogramme. Allerdings, anfangs noch als Dialogsysteme<br />

mit Kommandozeileninterpreter (Command<br />

line Interpreter, Shell). Dies waren die ersten User Interfaces,<br />

die bereits Text in der Kommandozeile einlesen,<br />

diesen Text als Kommando interpretieren und<br />

ausführen konnten. So können Programme gestartet,<br />

Parameter und Dateien übergeben werden. Die Realisierung<br />

als eigenständiges Programm führte schnell<br />

zu Verbesserungen zum Beispiel durch Fehlerbehandlungsroutinen<br />

und Kommandounterstützung.<br />

Waren Computerbenutzerinnen und Computerbenutzer<br />

anfangs noch ausgewiesene Expertinnen und<br />

Experten, wird nun – gerade auf Grund der immer<br />

breiteren Gruppe von Endbenutzerinnen und Endbenutzern<br />

– die Benutzeroberfläche selbst zum Gegenstand<br />

von Forschung und Entwicklung. Damit<br />

war die Basis geschaffen, HCI an unterschiedlichste<br />

Dialogprinzipien anpassen zu können.


Human–Computer Interac?on. Usability Engineering zur Gestaltung im Bildungskontext — 3<br />

Graphical User Interfaces (GUI)<br />

Die immer breitere Anwendung von Computern in<br />

der Öffentlichkeit verlangte, dass die zeichenbasierte<br />

Unabhängigkeit der Dialogsysteme noch weiter abstrahiert<br />

wird, weil auch andere als alpha-numerische<br />

Zeichen für die Darstellung und den Dialog verwendet<br />

werden können: Grafische Elemente, die<br />

analog zum alltäglichen Arbeiten, durch zeigen,<br />

nehmen, verschieben oder ablegen manipuliert<br />

werden können, so genannte WIMP (kurz für<br />

Windows, Icons, Menus, Pointers). Diese WIMP-Interaktion,<br />

die sich als „Desktop-Metapher“ an unterschiedliche<br />

Arbeitsumgebungen anpassen kann und<br />

über „Point & Click“ und „Drag & Drop“ benutzbar<br />

ist, eröffnete dem technologiegestützten Lernen<br />

einen ungeheuren Schub. Kommt doch diese „direkte<br />

Manipulation“ virtueller Objekte den kognitiven<br />

Konzepten der Benutzerinnen und Benutzer sehr<br />

entgegen. GUI und Desktop sind Kernparadigmen<br />

der HCI, die zwar kontinuierlich erweitert und verbessert<br />

werden (zum Beispiel Toolbars, Dialogboxen,<br />

adaptive Menüs), aber vom Prinzip her konstant<br />

bleiben. Eine Konstanz, die ein wichtiges Prinzip unterstützt:<br />

Reduktion kognitiver Überlastung. Bestehen<br />

GUI zwar aus grafischen Elementen, so bleiben im<br />

Hintergrund abstrakte, zeichenbasierte Beschreibungen<br />

von Prozessen, die grundsätzlich unabhängig<br />

von der Art der Darstellung sind und daher auch<br />

über unterschiedlichste Interfaceprinzipien realisiert<br />

werden können.<br />

Erweiterte WIMP Interfaces: SILK (Speech, Image, Lan-­‐<br />

guage, Knowledge)<br />

Der Desktop als Metapher ist nicht für alle Anwendungsbereiche<br />

ideal. Durch die Einbindung von Multimedia<br />

(zum Beispiel Sprache, Video, Gesten) in das<br />

GUI und der Integration mobiler und zunehmend<br />

pervasiver und ubiquitärer Technologien, also Computer,<br />

die in Alltagsgegenständen eingebettet sind<br />

und als solche gar nicht mehr erkennbar sind, werden<br />

Alternativen zu WIMP nicht nur möglich sondern<br />

auch notwendig. Hier können quasi-intelligente, semantische<br />

Funktionen integriert werden, wodurch ein<br />

weiterer wichtiger Schritt erfolgte: Wenn Interfaces<br />

unterschiedlichste Metaphern unterstützen müssen<br />

und die Metapher an unterschiedliche Benutzerinnen<br />

und Benutzer, Medien, Endgeräte und Situationen<br />

angepasst werden muss, bedarf es einer Standardisierung<br />

der Interfacemechanismen und einer entsprechenden<br />

Beschreibung (zum Beispiel durch XUL –<br />

XML User Interface Language), die über unterschiedliche<br />

Werkzeuge realisiert werden können.<br />

!<br />

Non-­‐Classical Interfaces<br />

Desktop und WIMP Interfaces beruhen auf der<br />

Nutzung der klassischen Interface-Geräte (zum Beispiel<br />

Bildschirm, Tastatur und Maus), die Schritt für<br />

Schritt bei Beibehaltung ihrer Grundstruktur erweitert,<br />

zum Beispiel für SILK oder für andere Metaphern,<br />

und adaptiert werden. Die Leistungsfähigkeit<br />

der Computer und die zunehmende Unabhängigkeit<br />

der Interfaces integrieren damit Schritt für Schritt<br />

auch andere Ein- und Ausgabegeräte und Interaktionsmechanismen<br />

wie zum Beispiel Sprache und<br />

Gesten. Unsere klassischen Sinne Sehen und Hören<br />

können damit durch weitere „körperbewusste“ (engl.<br />

„proprioceptive“) Modalitäten wie Berühren/Tasten,<br />

Schmecken, Riechen, aber auch Temperatur, Gleichgewicht,<br />

Schmerz oder Aufmerksamkeit ergänzt<br />

werden. Solche „Non-Classical Interfaces“ haben<br />

sich daher zu einem wichtigen Forschungsbereich<br />

entwickelt. Damit wird der Mensch als Ganzes in die<br />

Interaktion miteinbezogen, was zu neuen Möglichkeiten<br />

des Lehrens und Lernens führt (ein aktuelles<br />

Beispiel ist die Nintendo Wii mit der Wiimote; Holzinger<br />

et al., 2010).<br />

!<br />

GUI und Desktop sind Kernparadigmen der HCI, die<br />

zwar kon?nuierlich erweitert und verbessert werden<br />

(zum Beispiel Toolbars, Dialogboxen, adap?ve Menüs),<br />

aber vom Prinzip her konstant bleiben.<br />

Moderne Interfaces erlauben nicht nur die Interak?on<br />

des Menschen mit dem Computer mit herkömmlichen<br />

Eingabegeräten, sondern versuchen hap?sche Mög-­‐<br />

lichkeiten zu berücksich?gen.<br />

Intelligente Adap2ve seman2sche Interfaces<br />

Da heutige Computersysteme zunehmend alle Lebensbereiche<br />

durchdringen und sich die Interaktivität<br />

zunehmend vom klassischen Schreibtisch wegbewegt,<br />

verbreiten sich neue ubiquitäre, pervasive Möglichkeiten<br />

für das Lehren und Lernen (Safran et al.,<br />

2009). In Zukunft werden Benutzeroberflächen mit<br />

intelligenten, semantischen Mechanismen ausgestattet<br />

werden, die den Benutzerinnen und Benutzern bei<br />

der Erledigung der immer größeren Vielfalt und<br />

Komplexität von Aufgaben des täglichen Lernens<br />

und wissensintensiven Arbeitens unterstützen (zum<br />

Beispiel Suchen, Ablegen, Wiederfinden oder Vergleichen).<br />

Diese Systeme passen sich dynamisch an<br />

die Umgebung, Geräte und vor allem ihre Benutzerinnen<br />

und Benutzer und deren Präferenzen an (Holzinger<br />

& Nischelwitzer, 2005). Entsprechende Informationen<br />

werden für die Gestaltung der Interaktion<br />

in Profilen gesammelt und ausgewertet (User pro-


4 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

filing). Ebenso erlaubt die steigende technische Performanz<br />

die Multimedialität und Multimodalität voranzutreiben,<br />

wodurch man sich von der Desktop Metapher<br />

immer weiter entfernen kann. Damit können<br />

adaptive Systeme realisiert werden, bei denen die<br />

Systeme selbst mit der Umgebung intelligent interagieren<br />

und semantische Information verarbeiten und<br />

so die User Interfaces der jeweiligen Situation, den<br />

Bedürfnissen, dem Kontext und den vorhandenen<br />

Endgeräten anpassen (Holzinger et al., 2006).<br />

Web 2.0 als Ausgangspunkt der veränderten HCI<br />

Mit dem Aufkommen des Web 2.0 (O’Reilly, 2005,<br />

2006) veränderte sich die Interaktion – weg vom klassischen<br />

„Personal Computing“. Die Benutzerinnen<br />

und Benutzer sind nicht mehr passive Informationskonsumenten,<br />

sondern erstellen aktiv Inhalte, bearbeiten<br />

und verteilen und vernetzen sich darüber<br />

hinaus mit anderen („Social Computing“). Obwohl<br />

der Begriff Web 2.0 keine rein technische Entwicklung<br />

bezeichnet, werden einige Ansätze aus der<br />

Informatik unmittelbar damit verbunden, wie zum<br />

Beispiel RSS-Feeds (Really Simple Syndication) zum<br />

schnellen Informationsaustausch für die einfache und<br />

strukturierte Veröffentlichung von Änderungen auf<br />

Websites (zum Beispiel Blogs) in einem standardisierten<br />

Format (XML). Oder beispielsweise AJAX<br />

(Asynchronous JavaScript and XML) als mächtiges<br />

Konzept der asynchronen Datenübertragung zwischen<br />

einem Browser und einem Server. Damit hat<br />

man die Möglichkeit in einem Browser ein desktop-<br />

Mensch Computer<br />

Empfindlichkeit für Reize<br />

(visuelle, auditorische,<br />

tak?le, olfaktorische)<br />

Fähigkeit zum induk?ven<br />

Denken und komplexen<br />

Problemlösen<br />

Bildung von vernetztem<br />

Wissen und Behalten über<br />

große Zeiträume<br />

Flexibilität bei Entschei-­‐<br />

dungen, auch in neuar?-­‐<br />

gen Situa?onen<br />

Entdecken unscharfer Si-­‐<br />

gnale, auch vor einem<br />

Rauschhintergrund<br />

Präzises Zählen und Mes-­‐<br />

sen physikalischer Größen<br />

Deduk?ve Opera?onen,<br />

formale Logik, Anwenden<br />

von Regeln<br />

Speichern großer Daten-­‐<br />

mengen, die nicht aufein-­‐<br />

ander bezogen sind<br />

Zuverlässige Reak?on auf<br />

eindeu?g definierte Ein-­‐<br />

gangssignale<br />

Zuverlässige und ermü-­‐<br />

dungsfreie Performanz<br />

über langen Zeitraum<br />

Tabelle 1: Grober Vergleich Mensch-­‐Computer<br />

(vgl. Holzinger, 2000b)<br />

ähnliches Verhalten zu simulieren. Damit ergeben<br />

sich vielfältige Möglichkeiten für E-Learning-Anwendungen.<br />

Ein Beispiel: Studierende lernen meistens<br />

erst kurz vor der Prüfung, dann aber meistens massiert,<br />

das heißt kurz aber nahezu Tag und Nacht. Aus<br />

der klassischen Lernforschung ist aber bekannt, dass<br />

über das Semester verteiltes Lernen wesentlich wirkungsvoller<br />

ist. In einer Studie konnte gezeigt<br />

werden, dass durch entsprechenden und gezielten<br />

Einsatz eines Blogs dieses verteilte Lernen "erzwungen"<br />

werden kann, was nicht nur zu einer besseren<br />

Prüfungsleistung führte, sondern auch nachhaltiges<br />

Lernen förderte (Holzinger, Kickmeier &<br />

Ebner, 2009). Wir wollen uns nun aber in aller Kürze<br />

einiger Grundregeln für benutzergerechte HCI zuwenden.<br />

3. Grundregeln für benutzergerechte HCI<br />

Wenn wir uns mit der Interaktion, Perzeption und<br />

Kognition von Information durch den Menschen beschäftigen,<br />

müssen wir einige wesentliche Unterschiede<br />

zwischen Mensch und Computer kennen.<br />

Während Menschen die Fähigkeit zum induktiven,<br />

flexiblen Denken und komplexen Problemlösen auszeichnet,<br />

zeigen Computer bei deduktiven Opera-<br />

!<br />

Usability ist nicht nur die – wie das Wort ins Deutsche<br />

übersetzt wird – schlichte „Gebrauchstauglichkeit“.<br />

Usability setzt sich nämlich aus Effek?vität, Effizienz<br />

und der Zufriedenheit der Endbenutzerinnen und<br />

Endbenutzer zusammen.<br />

tionen und logischen Aufgaben ermüdungsfreie Performanz<br />

(siehe Tabelle 1).<br />

HCI und Usability<br />

Zur Interaktion zwischen Mensch und Computer gibt<br />

es einige Elemente, die im Folgenden kurz vorgestellt<br />

werden. Wichtig ist zu berücksichtigen, dass funktionale<br />

als auch ästhetische Elemente zusammenwirken<br />

sollten. Brauchbarkeit (usefulness), Benutzbarkeit<br />

(usability) und Ästhetik (enjoyability) sollten<br />

ausgewogen zusammenwirken.<br />

Usability – was ist das eigentlich?<br />

Effektivität wird darin gemessen, ob und in welchem<br />

Ausmaß die Endbenutzer ihre Ziele erreichen<br />

können. Effizienz misst den Aufwand, der zur Erreichung<br />

dieses Ziels nötig ist. Zufriedenheit schließlich<br />

ist gerade im E-Learning wichtig, denn es enthält<br />

subjektive Faktoren wie „joy of use“, „look and feel“<br />

und „motivation and fun“ „(enjoyability“). Usability


Human–Computer Interac?on. Usability Engineering zur Gestaltung im Bildungskontext — 5<br />

wird demnach durch optimales Zusammenspiel von<br />

Effektivität, Effizienz und Zufriedenheit für einen<br />

bestimmten Benutzerinnenkontext und Benutzerkontext<br />

gemessen.<br />

In den folgenden vier Aufzählungen soll exemplarisch<br />

klar werden, worauf es in der Usability ankommt:<br />

▸ Orientierung (zum Beispiel Übersichten, Gliederungen,<br />

Aufzählungszeichen, Hervorhebungen,<br />

oder Farbbereiche) dienen dazu, sich zurechtzufinden.<br />

Die Endbenutzer müssen stets zu jeder<br />

Zeit genau erkennen, wo sie sich befinden und wo<br />

sie „hingehen“ können.<br />

▸ Navigation (zum Beispiel Buttons oder Links)<br />

helfen den Endbenutzern sich zu bewegen und gezielt<br />

bestimmte Bereiche anzuspringen, zum Beispiel<br />

über eine Navigationsleiste. Die Navigation<br />

muss logisch, übersichtlich, rasch und konsistent<br />

(immer gleichartig) erfolgen. Sprichwort: „What<br />

ever you do, be consistent“ (das gilt auch für<br />

Fehler: solange dieser konsistent ist, fällt dieser<br />

nicht so sehr auf).<br />

▸ Inhalte (zum Beispiel Texte, Bilder, Töne, Animationen<br />

oder Videos) sind die Informationen, die<br />

vermittelt werden sollen (Content). Hier gelten alle<br />

Grundregeln der menschlichen Informationsverarbeitung.<br />

Alle Inhalts-Elemente müssen entsprechend<br />

aufbereitet werden. Text muss kurz und<br />

prägnant sein. Anweisungen müssen eindeutig und<br />

unmissverständlich sein.<br />

▸ Interaktions-Elemente (zum Beispiel Auswahlmenüs,<br />

Slider oder Buttons) ermöglichen gewisse<br />

Aktionen zu erledigen. Sämtliche Interaktionen<br />

müssen den (intuitiven) Erwartungen der Endbenutzer<br />

entsprechen.<br />

Usability-­‐Engineering-­‐Methoden sichern den Erfolg<br />

Eine breite Palette an Usability-Engineering-Methoden<br />

(UEM) sichern erfolgreiche Entwicklungsprozesse<br />

(siehe Holzinger, 2005). Ein Beispiel dafür<br />

ist: Der Ansatz „User-Centered Design“ (UCD) ori-<br />

!<br />

Das Tool (E-­‐Learning Umgebung) und der Content<br />

(Lerninhalt) müssen einen maximalen Nutzen (Ler-­‐<br />

nerfolg) bringen.<br />

entiert sich an Bedürfnissen, Fähigkeiten, Aufgaben,<br />

Kontext und Umfeld der Endbenutzer, die von<br />

Anfang an in den Entwicklungsprozess mit einbezogen<br />

werden. Daraus entwickelte sich das „Learner-<br />

Centered Design“ (LCD), das sich auf den Grund-<br />

lagen des Konstruktivismus (Lernen als konstruktive<br />

Informationsverarbeitung) und des problembasierten<br />

Lernen stützt. Ähnlich wie beim UCD fokussiert sich<br />

das LCD auf das Verstehen der Lernenden im<br />

Kontext.<br />

Ähnlich wie im User-Centered Design wird bei<br />

dieser Methode ein spiralförmiger (iterativer) Entwicklungsprozess<br />

durchlaufen, der aus drei Phasen<br />

besteht. In jeder Phase kommen spezielle Usability-<br />

Methoden zum Einsatz, die Einblick in die Bedürfnisse,<br />

das Verhalten und den Kontext der Endbenutzer<br />

erlauben (zum Beispiel: Wer? Was? Wann?<br />

Wozu? Wie? Womit? Warum?). So kann eine genaue<br />

Kenntnis der Lernenden gewonnen werden: Ziele,<br />

Motivation, Zeit, Kultur, Sprache, Voraussetzungen<br />

Vorwissen und weiteres.<br />

Es wird jeweils zum nächsten Schritt übergangen,<br />

wenn kein nennenswerter Erkenntnisgewinn mehr<br />

erzielt wird. Wichtig ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit<br />

verschiedener Personen, wie zum Beispiel<br />

Fachexpertin/innen, Didaktiker/innen, Multimedia<br />

Expertin/innen und Usability-Ingenieure – und den<br />

Lernenden! Selten fallen alle Rollen in einer Person<br />

zusammen. Während der Analysen wird klar, welches<br />

didaktische Modell für den jeweiligen Kontext am<br />

besten geeignet ist und welche pädagogischen Konzepte<br />

angewandt werden können, die die Lernenden<br />

!<br />

„Thinking aloud“ beschreibt eine Methode bei dem<br />

zumeist 4-­‐5 Testpersonen gebeten werden, ein Pro-­‐<br />

gramm oder einen Programmablauf zu testen und<br />

dabei gebeten werden ihre Gedanken laut auszu-­‐<br />

sprechen.<br />

im Zielkontext mit der jeweiligen Zieltechnologie<br />

(zum Beispiel Mobiltelefon, iPod oder iTV) bestmöglich<br />

unterstützen. Mit Hilfe eines ersten Prototypen<br />

kann Einsicht in viele Probleme gewonnen<br />

werden. Sehr bewährt hat sich so genanntes „Rapid<br />

Prototyping“, das auf papierbasierten Modellen<br />

beruht und enorme Vorteile bringt. Dabei kann das<br />

Verhalten der Endbenutzerinnen und Endbenutzer<br />

zum Beispiel mit der Lautdenken-Methode (engl.<br />

„thinking aloud“) untersucht werden.<br />

Erst wenn auf Papierebene alles „funktioniert“<br />

wird ein computerbasierter Prototyp erstellt, der<br />

dann wiederholt getestet wird. Erst wenn auch hier<br />

kein weiterer Erkenntnisgewinn erfolgt, kann die<br />

Freigabe für die Umsetzung der endgültigen Version<br />

gegeben werden. Papier in der Anfangsphase, das<br />

klingt seltsam ist aber extrem praktisch, weil wesent-


6 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

liche Interaktionselemente schnell erstellt und simuliert<br />

werden können, ohne dass bereits Programmierarbeit<br />

geleistet wird.<br />

Lerninhalt – Metadaten – Didak2k<br />

Damit E-Learning-Content einem lerntheoretisch adäquaten<br />

Ansatz entspricht, muss dieser nicht nur entsprechend<br />

aufbereitete Lerninhalte und Metainformation<br />

(Metadaten, das sind Informationen die zum<br />

Beispiel das Wiederfinden ermöglichen) enthalten,<br />

sondern auch noch einige weitere technische Voraussetzungen<br />

erfüllen. Ähnlich wie in der objektorientierten<br />

Programmierung (OOP), entstand die Grundidee<br />

von Lernobjekten, das heißt komplexe Lerninhalte<br />

(engl. „content“) auf Objektebene zu erstellen.<br />

Wichtige technische Eigenschaften solcher Objekte<br />

(die man sich zumindest wünscht) sind Austauschfähigkeit<br />

(engl. „interoperability“) und Wiederverwertbarkeit<br />

(engl. „reusability“). Dazu muss es aber nicht<br />

nur Lerninhalte und Metadaten enthalten, sondern<br />

auch Vorwissensfragen (engl. „prior knowledge questions“)<br />

und Selbstevaluierungsfragen (engl. „self-evaluation<br />

questions“). Vorwissensfragen haben im Lernobjekt<br />

die Funktion von Advance Organizers<br />

(Ausubel, 1960). Dabei handelt es sich um einen instruktionspsychologischen<br />

Ansatz in Form einer<br />

„Vorstrukturierung“, die dem eigentlichen Lernmaterial<br />

vorangestellt werden. Allerdings driften hier die<br />

Forschungsbefunde auseinander: die ältere Forschung<br />

betont, dass ein Advance Organizer nur dann wirksam<br />

wird, wenn dieser tatsächlich auf einem höheren<br />

Abstraktionsniveau als der Text selbst liegt, das heißt<br />

lediglich eine inhaltliche Zusammenfassung des nachfolgenden<br />

Textes ist noch keine Vorstrukturierung.<br />

Solche Vorstrukturierungen, die analog zu den Strukturen<br />

des Textes aufgebaut sind, bringen bessere Ergebnisse<br />

bei der inhaltlichen Zusammenfassung als<br />

solche, die zwar inhaltlich identisch, aber nicht in<br />

diesem Sinn analog aufgebaut sind. Andererseits hebt<br />

die jüngere Forschung hervor, dass sich konkrete, das<br />

heißt weniger abstrakt formulierte Vorstrukturierung<br />

auf das Behalten längerer Texte positiv auswirkt. Sie<br />

aktivieren demnach das vorhandene Vorwissen und<br />

verbinden sich damit zu einer „reichhaltigen Vorstellung“<br />

– einem mentalen Modell (dazu Ausubel,<br />

1968; Kralm & Blanchaer, 1986; Shapiro, 1999). Das<br />

Konzept der Advance Organizer ist verwandt mit<br />

dem Schema-Modell kognitiver Informationsverarbeitung<br />

(Bartlett, 1932). Schemata spielen eine<br />

wichtige Rolle bei der sozialen Wahrnehmung, beim<br />

Textverstehen, beim begrifflichen und schlussfolgernden<br />

Denken und beim Problemlösen.<br />

Ähnlich wie Schemata funktioniert die Theorie der<br />

Frames und Slots nach Anderson (Anderson et al.,<br />

1996). Die Wissensrepräsentation mit Hilfe von<br />

Frames stellt eine objektorientierte Wissensrepräsentation<br />

dar und zeigt Ähnlichkeiten zwischen menschlichem<br />

Gedächtnis und wissensbasierenden Informationssystemen.<br />

Objekte der realen Welt werden dabei<br />

durch so genannte Frames dargestellt. Die Eigenschaften<br />

der Objekte werden in den Frames in so genannten<br />

Slots (Leerstellen) gespeichert. Der Tatsache,<br />

dass es in der realen Welt mehrere unterschiedliche<br />

Objekte eines Objekttyps gibt, wird mit Hilfe von generischen<br />

Frames und deren Instanzen Rechnung getragen.<br />

Ein generischer Frame hält für jedes Attribut,<br />

mit dem ein Objekt beschrieben wird, einen Slot<br />

bereit. In einer Instanz des generischen Frames wird<br />

nun jedem Slot – entsprechend für das Attribut für<br />

!<br />

das er steht – ein Wert zugeordnet. Die Beziehung<br />

zwischen einem generischen Frame und einer Instanz<br />

wird mit Hilfe des „is-a“-Slot hergestellt. Im Beispiel<br />

ist im ,,is-a“-Slot gespeichert, dass es sich bei Katharina<br />

um ein Kind handelt. In den übrigen Slots<br />

sind jeweils Werte zu den Attributen gespeichert.<br />

Diese Theorien besagen, dass Lernende besser<br />

lernen, wenn die Information assoziativ organisiert<br />

ist, denn: die Lernenden bauen neue Information<br />

stets auf alten Informationen (Vorwissen) auf. Be-<br />

!<br />

Erfolgsregel: Alles was bereits in der Anfangsphase er-­‐<br />

kannt wird spart Zeit und Kosten! Der Return on In-­‐<br />

vestment (ROI) liegt dabei zwischen 1:10 bis 1:100.<br />

„Bedienerfreundlichkeit“ wird im englischen Sprach-­‐<br />

raum nicht mit Usability bezeichnet. Der Begriff Usa-­‐<br />

bility setzt sich aus zwei Worten zusammen: use (be-­‐<br />

nutzen) und ability (Fähigkeit), wird im deutschen mit<br />

„Gebrauchstauglichkeit“ übersetzt und umfasst weit<br />

mehr als nur Bedienerfreundlichkeit: In der ISO Norm<br />

9241 wird Usability als das Ausmaß definiert, in dem<br />

ein Produkt durch bes?mmte Benutzer/innen in<br />

einem bes?mmten Nutzungskontext (!) genutzt<br />

werden kann, um deren Ziele effek?v und effizient zu<br />

erreichen.<br />

reits (Piaget, 1961) bezeichnete Schemata als grundlegende<br />

Bausteine zum Aufbau von Wissen.<br />

Was bringt Usability?<br />

Ein Usability-orientierter Prozess schafft Erfolgssicherheit,<br />

deckt Risiken frühzeitig auf und sichert eine<br />

endbenutzerzentrierte Entwicklung.


Human–Computer Interac?on. Usability Engineering zur Gestaltung im Bildungskontext — 7<br />

In der Praxis: Evaluation von Systemem und Software<br />

Für die Praxis ist die Evalua?on, also die Beurteilung von Sys-­‐<br />

temen und Solware wich?g. Eine Evalua?on sollte stets sys-­‐<br />

tema?sch, methodisch und prozessorien?ert durchgeführt<br />

werden.<br />

Es wird unterschieden zwischen forma2ver Evalua?on<br />

(während der Entwicklung) und summa2ver Evalua?on<br />

(nach Fer?gstellung). Subjek2ve Evalua?on schließt die<br />

mündliche und die schrilliche Befragung und das laute<br />

Denken ein. Objek2ve Evalua?on bedient sich der anwe-­‐<br />

senden und abwesenden Beobachtung.<br />

Bei lei[adenorien2erten Evalua?onsmimeln wird das Prod-­‐<br />

ukt entlang eines Prüfleioadens beurteilt, der sich aus typi-­‐<br />

schen Aufgaben des Systems ergibt. Bei der Erfassung der<br />

Messwerte können verschiedene Skalen (zum Beispiel Nomi-­‐<br />

Usability-Engineering-Methoden machen nicht<br />

nur Probleme sichtbar, sondern generieren in der<br />

Entwicklungsphase neue Ideen und Möglichkeiten –<br />

denn Usability Engineering stellt den Menschen in<br />

den Fokus der Entwicklung!<br />

4. Ausblick<br />

So spannend auch immer Forschung und Entwicklung<br />

neuer Technologien zur Unterstützung<br />

menschlichen Lernens ist, es muss uns stets klar sein:<br />

Lernen ist ein kognitiver Grundprozess, den jedes Individuum<br />

selbst durchlaufen muss – Technologie<br />

kann menschliches Lernen lediglich unterstützen –<br />

nicht ersetzen. Unsere großen Chancen beim Einsatz<br />

neuer Technologien liegen zusammengefasst in drei<br />

großen Bereichen (Holzinger, 1997; Holzinger &<br />

Maurer, 1999; Holzinger, 2000a):<br />

▸ Sichtbarmachung von Vorgängen, die wir mit klassischen<br />

Medien (zum Beispiel der Schultafel) nicht<br />

darstellen können (wie zum Beispiel interaktive Simulationen,<br />

Animationen, Visualisierungen);<br />

▸ intelligenter Zugriff auf Information an jedem<br />

Ort zu jeder Zeit (zum Beispiel M-Learning) und<br />

schließlich<br />

▸ motivationale Effekte (das heißt Motivation,<br />

?<br />

Überlegen Sie wie man mit zukünligen Computersys-­‐<br />

temen in Dialog treten könnte? Denken Sie dabei an<br />

schon vorhandene Interfaces, zum Beispiel Wii<br />

Remote Controller, was ist dort besonders gut ge-­‐<br />

lungen? Was wird unterstützt? Was könnte damit alles<br />

gemacht werden?<br />

Steuerung der Aufmerksamkeit und „Arousal“<br />

(Anregung) durch entsprechenden Medieneinsatz).<br />

nalskala, Rangskala, Verhältnisskala) verwendet werden, die<br />

unter bes?mmten Voraussetzungen durch eine Skalentrans-­‐<br />

forma?on ineinander übergeführt werden können. Mes-­‐<br />

sungen sollen sich stets durch hohe Reliabilität<br />

(Zuverlässigkeit), Validität (Gül?gkeit) und Objek?vität (Sach-­‐<br />

lichkeit) auszeichnen. Als Beurteilungsverfahren (Zuweisung<br />

von Werten) werden Grading (Einstufung), Ranking<br />

(Reihung), Scoring (Punktevergabe) und Appor?oning (Auf-­‐<br />

teilung, Zuteilung) verwendet. Eine quan?ta?ve Beurteilung<br />

(Vorteil: leichte Vergleichbarkeit von Systemen) kann durch<br />

Schulnoten erfolgen, aber ol wird es auch umgekehrt ge-­‐<br />

macht: Mehr ist besser. Mul?media-­‐Systeme können syste-­‐<br />

ma?sch mit Checklisten beurteilt werden.<br />

?<br />

Technologiegestütztes Lehren und Lernen erfordert<br />

es, den gesamten Bildungsprozess inklusive<br />

die durch die neuen Medien entstehende Lehr-Lern-<br />

Kultur zu betrachten. Fragen der Effektivität (Ausmaß<br />

der Zielerreichung) und der Effizienz (Kosten-<br />

Nutzen Relation) sind notwendig. HCI-Forschung<br />

versucht einen kleinen Beitrag dazu zu leisten und<br />

UE versucht die Erkenntnisse auf systemischer<br />

Ebene einfließen zu lassen.<br />

Literatur<br />

Gehen Sie systema?sch Ihre persönliche Arbeitsum-­‐<br />

gebung durch (also jene Dinge die Sie selbst als Lern-­‐<br />

unterstützung verwenden) und bewerten Sie diese<br />

mit der Schulnotenskala (1 „sehr gut“ bis 5 „nicht ge-­‐<br />

nügend)“ anhand der folgenden ausgewählten Kri-­‐<br />

terien<br />

▸ Technische Performanz -­‐ funk?oniert alles schnell,<br />

zügig und ohne viel zu klicken?<br />

▸ Klarheit -­‐ sind alle Funk?onen sofort, einfach und<br />

unmissverständlich erkennbar?<br />

▸ Konsistenz -­‐ ist alles durchgängig, einheitlich und<br />

an der erwarteten Stelle?<br />

▸ Amrak?vität -­‐ ist das „look and feel“ ansprechend,<br />

fühlen Sie sich wohl?<br />

▸ Fehlertoleranz -­‐ werden Eingabefehler tolerant be-­‐<br />

handelt, ist stets ein Zurück möglich?<br />

▸ Anderson, J. R.; Reder, L. M. & Lebiere, C. (1996). Working<br />

Memory: Activation Limitations on Retrieval. In: Cognitive<br />

Psychology, 30, 3, 221-256.<br />

▸ Ausubel, D. P. (1960). The use of advance organizers in the<br />

learning and retention of meaningful verbal material. In:<br />

Journal of Educational Psychology, 51, 267-272.<br />

▸ Bartlett, F. C. (1932). Remembering. London: Cambridge University<br />

Press.


8 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

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of Human-Computer Interaction. Hillsdale: Lawrence<br />

Erlbaum Ass..<br />

▸ Cuhls, K.; Ganz, W. & Warnke, P. (2009). Foresight Prozess. Im<br />

Auftrag des BMBF. Zukunftsfelder neuen Zuschnitts. URL:<br />

http://www.bmbf.de/pub/Foresight-Prozess_BMBF_Zukunftsfelder_neuen_Zuschnitts.pdf<br />

[2010-08-08].<br />

▸ Holzinger, A. & Maurer, H. (1999). Incidental learning, motivation<br />

and the Tamagotchi Effect: VR-Friends, chances for<br />

new ways of learning with computers. Paper presented at the<br />

Computer Assisted Learning, CAL 99, London.<br />

▸ Holzinger, A. & Nischelwitzer, A. (2005). Chameleon Learning<br />

Objects: Quasi-Intelligente doppelt adaptierende Lernobjekte:<br />

Vom Technologiemodell zum Lernmodell. In: OCG Journal,<br />

30(4), 4-6.<br />

▸ Holzinger, A. (1997). A study about Motivation in Computer<br />

Aided Mathematics Instruction with Mathematica 3.0. In: Mathematica<br />

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▸ Holzinger, A. (2000a). Basiswissen Multimedia Band 2: Lernen.<br />

Kognitive Grundlagen multimedialer Informationssysteme.<br />

Das Basiswissen für die Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts.<br />

Würzburg: Vogel, URL: http://www.basiswissenmultimedia.at<br />

[2010-10-18].<br />

▸ Holzinger, A. (2000b). Basiswissen Multimedia Band 3: Design.<br />

Entwicklungstechnische Grundlagen multimedialer Informations<br />

Systeme. Würzburg: Vogel, URL: http://www.basiswissen-multimedia.at<br />

[2010-10-18].<br />

▸ Holzinger, A.; Nischelwitzer, A. & Kickmeier-Rust, M. D.<br />

(2006). Pervasive E-Education supports Life Long Learning:<br />

Some Examples of X-Media Learning Objects. Paper presented<br />

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Education. Wien, URL:<br />

http://www.wccee2006.org/papers/445.pdf [2010-10-18].<br />

▸ Holzinger, A., Kickmeier-Rust, M.D. & Ebner, M. (2009). Interactive<br />

Technology for Enhancing Distributed Learning: A<br />

Study on Weblogs. In: Proceedings of HCI 2009 The 23nd<br />

British HCI Group Annual Conference, 309–312. Cambridge<br />

University, UK, British Computer Society<br />

▸ Holzinger, A.; Softic, S.; Stickel, C.; Ebner, M.; Debevc, M. &<br />

Hu, B. (2010). Nintendo Wii Remote Controller in Higher<br />

Education: Development and Evaluation of a Demonstrator<br />

Kit for e-Teaching. In: Computing & Informatics, 29(3), 601-<br />

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▸ Kralm, C. & Blanchaer, M. (1986). Using an advance organizer<br />

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Business Models for the Next Generation of Software. URL:<br />

http://www.oreillynet.com/pub/a/oreilly/tim/news/2005/09<br />

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▸ O’Reilly, T. (2006). Web 2.0: Stuck on a name or hooked on<br />

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Learning in the Field: A Mobile Geospatial Wiki as an example<br />

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& M. Schiefner (Hrsg.), Looking Toward the Future of Technology-Enhanced<br />

Education: Ubiquitous Learning and the Digital<br />

Native., Hershey, PA: IGI Global, 444-454.<br />

▸ Schulmeister, R. (2002). Taxonomie der Interaktivität von Multimedia<br />

- Ein Beitrag zur aktuellen Metadaten-Diskussion. In: it<br />

+ ti - Informationstechnik und Technische Informatik, 44(4),<br />

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▸ Shapiro, A. M. (1999). The relationship between prior knowledge<br />

and interactive overviews during hypermedia-aided<br />

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▸ Shneiderman, B. (1983). Direct manipulation: A step beyond<br />

programming languages. In: IEEE Computer, 16(8), 57-69.


2 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

1. <strong>Einführung</strong>: Der Stellenwert von Lerntheorien<br />

Es ist eine wiederkehrende Frage, welche lerntheoretischen<br />

Hintergründe man eigentlich kennen muss,<br />

um eine technologiegestützte Lernumgebung erfolgreich<br />

gestalten zu können. Viele Novizen auf dem<br />

Gebiet des Lehrens und Lernens gehen davon aus<br />

oder hegen zumindest die Hoffnung, dass ihnen das<br />

Wissen über die wichtigsten Lerntheorien den Weg<br />

im Didaktischen Design weist: „Sag mir, welche<br />

Lerntheorie du bevorzugst, und ich sage dir, was zu<br />

tun ist.“ Diese Erwartung ist ebenso illusorisch wie<br />

die Annahme falsch ist, in der Gestaltungspraxis<br />

seien lerntheoretische Kenntnisse letztlich überflüssig.<br />

Es stellt sich also die Frage, welchen Stellenwert<br />

Lerntheorien insbesondere für Grundsatzentscheidungen<br />

im Didaktischen Design<br />

haben. Der Begriff des Didaktischen Designs wird in<br />

diesem Beitrag in einem neutral beschreibenden<br />

Sinne verwendet und schließt damit alle Ansätze ein,<br />

die gemeinhin verschiedenen Paradigmen wie zum<br />

Beispiel Kognitivismus und Konstruktivismus zugeordnet<br />

werden. Didaktisches Design steht damit auch<br />

über Begriffen wie Instruktionsdesign, das in der<br />

deutschen Fassung im Übrigen wesentlich enger definiert<br />

ist als das englische Pendant „instructional<br />

design“.<br />

Mit Grundsatzentscheidungen sind solche Entscheidungen<br />

gemeint, die den „Charakter“ einer<br />

Lernumgebung prägen, der wiederum Einfluss auf<br />

viele weitere Detailentscheidungen hat: etwa auf<br />

Auswahl und mediale Aufbereitung von Inhalten, auf<br />

Gestaltung von Aufgaben zur inhaltlichen Auseinandersetzung,<br />

auf Technologiewahl und -einsatz etc.<br />

Was aber sind Lerntheorien genau?<br />

Lerntheorien konzentrieren sich darauf, möglichst<br />

global zu beschreiben und zu erklären, wie<br />

Lernen generell „funktioniert“. Lernen wird gemeinhin<br />

als Erfahrungsprozess aufgefasst, der dazu<br />

führt, dass eine Person relativ stabile Dispositionen<br />

für direkt beobachtbares Verhalten (Können) oder<br />

nicht sichtbares „Verhalten“ (Wissen) aufbaut (vgl.<br />

Bodemann et al., 2004). Das aber kann viel heißen:<br />

(a) Lernen kann sich darauf reduzieren, sich zu informieren.<br />

Es genügt einem dann, Informationen zu<br />

gegebener Zeit wiederzuerkennen, mit denen man<br />

sich beschäftigt hat. (b) Lernen kann auch anspruchsvoller<br />

gemeint sein und darauf hinauslaufen, dass<br />

man über neues Wissen tatsächlich verfügt. Dieses<br />

möchte man dann wiedergeben und irgendwo einsetzen<br />

können. (c) Lernen kann explizit darauf ausgelegt<br />

sein, einen bestimmten Problemtyp zu lösen.<br />

Das ist mit dem Anspruch verbunden, die erworbene<br />

Kompetenz konkret anzuwenden und damit zu<br />

handeln. (d) Schließlich kann das Lernen mit dem<br />

Ziel belegt sein, langfristige Expertise in einem Feld<br />

aufzubauen. Als Experte oder Expertin strebt man<br />

umfassendes Wissen und flexibles Können auch in<br />

wenig vorhersehbaren Problemsituationen und eine<br />

bestimmte Haltung an.<br />

Alle diese Lernformen basieren auf Erfahrung<br />

und verändern die Dispositionen einer Person.<br />

Gleichzeitig sind die Art der Erfahrung und die Qualität<br />

des potenziell resultierenden Wissens und<br />

Könnens sehr unterschiedlich. Bis heute gibt es keine<br />

Lerntheorie, die alle denkbaren Lernformen zufriedenstellend<br />

beschreiben, geschweige denn erklären<br />

könnte. Es ist also geradezu notwendig, dass es<br />

mehrere Lerntheorien gibt, die jeweils Akzente<br />

setzen und nur bestimmte Formen oder Aspekte von<br />

Lernen im Blick haben und andere ausblenden. Jede<br />

Lerntheorie bewegt sich allerdings (mindestens in<br />

ihrer Entstehung) im gerade dominierenden wissenschaftlichen<br />

Zeitgeist. Lehr-/Lernforscher/innen und<br />

Expertinnen und Experten auf dem Gebiet des Didaktischen<br />

Designs sind wie andere Wissenschaftler/innen<br />

„Kinder ihrer Zeit“ und nehmen eine<br />

eigene Perspektive ein, mit der Folge, dass man deren<br />

Erkenntnisse nicht als einzig gültige Wahrheit betrachten<br />

darf. Die jeweils vorherrschende oder auch<br />

präferierte Lerntheorie prägt die Lehr-/Lern-Auffassung<br />

von Entwicklerinnen und Entwicklern didaktischer<br />

Designs sowie Lehrenden wie auch die von<br />

Lerntheorien konzentrieren sich darauf, möglichst<br />

global zu beschreiben und zu erklären, wie Lernen ge-­‐<br />

nerell „funk4oniert“. Sie bewegen sich (mindestens in<br />

ihrer Entstehung) im gerade dominierenden Zeitgeist<br />

und beeinflussen Lehr-­‐/Lern-­‐Auffassungen.<br />

Lernenden.<br />

Das ist ein wichtiger, oft übersehener Punkt, denn:<br />

Wenn Lerntheorien implizit wirken, dann sind sie<br />

nicht Ausgangspunkt einer bewussten Gestaltungsstrategie,<br />

sondern ein eher unkontrollierter Einflussfaktor,<br />

der reflektierte Gestaltungsentscheidungen<br />

möglicherweise behindert. Kenntnis über Lerntheorien<br />

kann also in einem ersten Schritt dabei<br />

helfen, mögliche implizite Wirkungen zu erkennen<br />

und offen zu legen. Ob sie einen in einem zweiten<br />

Schritt auch darin unterstützen, zu einer Gestaltungsstrategie<br />

zu kommen, gilt es zu klären. Zu diesem<br />

Zweck werden zunächst einmal die gängigsten<br />

großen Lerntheorien in aller Kürze beschrieben.<br />

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!


2. Lerntheorien: Eine Übersicht<br />

Der Behaviorismus und das Reiz-­‐ReakDons-­‐Modell<br />

Wer schon etwas vom Behaviorismus gehört hat,<br />

denkt meist als erstes an speichelnde Hunde und hebeldrückende<br />

Tauben oder Ratten. Berühmte Tierversuche<br />

spielen im Behaviorismus in der Tat eine<br />

Rolle, bilden aber nur auffällige Wegmarken einer<br />

Lerntheorie, deren Prinzipien die (Lern-)Psychologie<br />

bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts dominiert haben.<br />

Grundlage des Behaviorismus ist das Reiz-Reaktions-Modell.<br />

An den mentalen, im Gehirn ablaufenden<br />

Prozessen zwischen Reiz und Reaktion ist der<br />

Behaviorismus dagegen nicht interessiert (Black-Box-<br />

Denken). Das Gehirn wird als ein Organ angesehen,<br />

das auf Reize mit angeborenen oder erlernten Verhaltensweisen<br />

reagiert. Nachfolgende Konsequenzen<br />

gelten als neue Reize, die das Verhalten formen.<br />

Damit sind die beiden Konditionierungsformen angesprochen,<br />

die den Behaviorismus kennzeichnen:<br />

Beim klassischen Konditionieren wird ein an sich<br />

neutraler Reiz zeitlich mit einem Reiz gekoppelt, der<br />

eine (reflexartige) Reaktion auslöst, sodass der erstere<br />

später auch allein die Reaktion bedingt. Das funktioniert<br />

besonders gut bei physiologischen, aber auch<br />

emotionalen Reaktionen wie Furcht und Stress<br />

(Watson & Rayner, 1920). Beim operanten Konditionieren<br />

wird ein spontanes Verhalten mit einem<br />

angenehmen Reiz (positiv) oder durch Entfernung<br />

eines unangenehmen Reizes (negativ) verstärkt und<br />

auf diese Weise geformt (Skinner, 1954). Dass Verhaltensweisen<br />

nicht nur durch eigenes Tun und Verstärkungen,<br />

sondern auch durch Beobachtung und<br />

Nachahmung erlernt werden können, hat Bandura<br />

(1977) mit dem Lernen am Modell gezeigt: Hier<br />

fungiert das Modellverhalten als Hinweisreiz für eine<br />

Nachahmungsreaktion. Nachgeahmt wird das Verhalten<br />

vor allem dann, wenn das Modell einem selbst<br />

ähnlich ist und erfolgreich war. Die Prinzipien des<br />

Behaviorismus werden in diesem Modell um kognitive<br />

Aspekte erweitert.<br />

Behavioristische Lerntheorien beruhen auf einer<br />

großen Anzahl von Laboruntersuchungen, in denen<br />

man sich grundsätzlich nur für beobachtbares Verhalten<br />

interessiert; innere Vorgänge kommen erst in<br />

Banduras Prinzip der Nachahmung allmählich zum<br />

Tragen. Forschungsmethodisch setzt der Behaviorismus<br />

auf experimentalpsychologische Verfahren,<br />

um Ursache-Wirkungsbeziehungen aufzudecken und<br />

Prozesse der Verhaltensänderung möglichst eindeutig<br />

beschreiben und erklären zu können. Das Menschenbild<br />

im Behaviorismus ist stark geprägt von<br />

Konditionierung auf und durch äußere Reize. Lernen<br />

Didak4sches Design. Von der Lerntheorie zur Gestaltungsstrategie) — 3<br />

gilt als Sonderform des Verhaltens und wird als eine<br />

Art Trainingsvorgang verstanden. Beim Lehren soll<br />

bezogen auf ein bestimmtes Ziel Verhalten gesteuert<br />

und verändert werden. Fast zwangsläufig resultiert<br />

aus dieser Auffassung eine eher autoritäre Rolle des<br />

Lehrenden: Er hat eine starke Machtposition und<br />

entscheidet, was wie zu lernen ist. Er gestaltet „Reizsituationen“<br />

und Konsequenzen so, dass die angestrebten<br />

Lernergebnisse eintreten und stabilisiert<br />

werden. Das Kommunikationsverhältnis zwischen<br />

Lehrenden und Lernenden ist unidirektional (Baumgartner<br />

et al., 2004). Die Lernenden sind in behavioristisch<br />

gestalteten Lernumgebungen durchaus<br />

sichtbar aktiv. Allerdings sind diese Aktivitäten für<br />

den Lehrenden nur im Hinblick auf den „Output“<br />

(Lernergebnisse) von Interesse.<br />

Lernen gilt im Behaviorismus als Sonderform des Ver-­‐<br />

haltens, das sich durch geeignete Reizsitua4onen und<br />

Konsequenzen steuern und verändern lässt.<br />

Der KogniDvismus und die InformaDonsverarbeitungs-­‐<br />

perspekDve<br />

Der Kognitivismus beansprucht spätestens seit<br />

Beginn der 1980er Jahre den lerntheoretischen Führungsanspruch.<br />

Seine Ursprünge liegen in technischen<br />

und mathematischen Gebieten (Kybernetik,<br />

Informationstheorie, Künstliche Intelligenz); er wird<br />

als Informationsverarbeitungsparadigma bezeichnet<br />

(vgl. Baumgartner & Payr, 1999). Anders als der Behaviorismus<br />

interessiert sich der Kognitivismus nicht<br />

für die direkte Verbindung von Reizen und Reaktionen,<br />

sondern dafür, mit welchen Methoden Menschen<br />

zu Problemlösungen kommen. Lernen gilt als<br />

ein mentaler Prozess, der sich analog zur Informationsverarbeitung<br />

im Computer modellieren lässt. Die<br />

Aufnahme und Verarbeitung von Information führt<br />

zu Wissen, das im Gehirn repräsentiert ist und gespeichert<br />

wird. Lehr-/Lern-Prozesse stellt man sich<br />

als meist sprachlich codierte Informationsübertragung<br />

vom Sender (Lehrende) zum Empfänger<br />

(Lernende) vor. Diese Vorstellungen aus der Nachrichten-<br />

und Computertechnik haben vor allem die<br />

Gedächtnisforschung in hohem Maße beflügelt. Seit<br />

einigen Jahren werden diese durch den konnektionistischen<br />

Ansatz ergänzt oder modifiziert, der mit biologischen<br />

Modellen über Gehirn und neuronale<br />

Netze arbeitet (vgl. Rey, 2009).<br />

Im Rahmen kognitivistischer Forschung sucht<br />

man in (quasi-)experimentellen Studien nach Ursache-Wirkungs-Mechanismen<br />

und Zusammenhängen<br />

von Variablen. Der Computer dient als wich-<br />

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!


4 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

tiges Hilfsmittel zur Simulation regelhafter Zusammenhänge.<br />

Das Menschenbild im Kognitivismus ist<br />

weniger mechanistisch als im Behaviorismus, weil<br />

man dem Menschen auch zielgerichtetes Handeln<br />

und Problemlösen und nicht nur reaktives Verhalten<br />

unterstellt. Kennzeichnend ist aber auch hier die<br />

Suche nach berechenbaren Beziehungen und Regeln<br />

innerhalb von und zwischen kognitiven Prozessen.<br />

Die Lernenden haben eine aktive Rolle, sind aber<br />

nicht selbsttätig. Die Lehrenden nämlich bereiten Inhalte<br />

und Probleme didaktisch auf, um den Informationsverarbeitungsprozess<br />

zu erleichtern; sie haben<br />

die „Problemhoheit“ und bestimmen weitgehend,<br />

was wie gelernt wird. Das Kommunikationsverhältnis<br />

ist bidirektional, ohne dass aber Lehrende und Lernende<br />

tatsächlich gleichberechtigte Rollen haben<br />

(Baumgartner et al., 2004). Anders als im Behaviorismus<br />

steuert der Lehrende den Output allerdings<br />

nicht über die Gestaltung von Reizen und Konsequenzen,<br />

sondern durch tutorielle Unterstützung.<br />

!<br />

Der Kogni4vismus betrachtet Lernen als einen men-­‐<br />

talen Prozess, der ähnlich wie die Informa4onsverar-­‐<br />

beitung im Computer abläu) und zu Wissensreprä-­‐<br />

senta4onen im Gehirn führt.<br />

Der KonstrukDvismus und die Vorstellung vom Men-­‐<br />

schen als Welterzeuger<br />

Es gibt verschiedene, alte und neuere, Varianten des<br />

Konstruktivismus mit Bezug zur Erkenntnistheorie,<br />

Evolutionstheorie, Neurobiologie, Gehirnforschung,<br />

Sprach- und Kommunikationswissenschaft, Wissenssoziologie,<br />

Kognitionsforschung etc. (vgl. Pörksen,<br />

2001). Gemeinsam ist ihnen allen die Auffassung,<br />

dass sich Realität nicht objektiv wahrnehmen, beschreiben<br />

und erklären lässt und folglich weder direkt<br />

noch voraussetzungsfrei erkannt werden kann.<br />

Vielmehr beruhe jeder Wahrnehmungs-, Erkenntnisund<br />

Denkprozess auf den Konstruktionen eines Beobachters.<br />

Es interessiert daher weniger, was „wahr“<br />

ist (weil sich das gar nicht feststellen lässt), sondern<br />

eher, was sich als nützlich bzw. viabel erweist (von<br />

Glasersfeld, 1996). Für den Konstruktivismus ist der<br />

menschliche Organismus ein System, das zwar energetisch<br />

offen und mit der Umwelt strukturell gekoppelt<br />

ist. Er ist aber gleichzeitig informationell geschlossen,<br />

sodass unser Gehirn nur auf die bereits<br />

verarbeitete und interpretierte Information von<br />

außen reagiert (Autopoiesis). Lernen ist folglich<br />

ebenfalls ein aktiver, aber zudem ein autopoietischer<br />

Vorgang, der von außen nur angeregt oder gestört<br />

werden kann. Vertreter des pädagogisch-didaktischen<br />

(„neuen“) Konstruktivismus postulieren vor<br />

diesem Hintergrund Lernumgebungen, die komplexe<br />

Probleme bieten, Authentizität und Situiertheit von<br />

Inhalten und Aufgaben sicherstellen, multiple Perspektiven<br />

berücksichtigen, eigene Erfahrung und Reflexion<br />

anregen und Anlässe zum sozialen Austausch<br />

geben (Reusser, 2006). Wissen ist für den Konstruktivismus<br />

eine individuelle und soziale Konstruktionsleistung<br />

des Menschen. Forschungsmethodisch konzentriert<br />

man sich konsequenterweise auf Feldstudien<br />

mit teilnehmender Beobachtung und interpretative<br />

Verfahren, mit dem Ziel, komplexe Phänomene<br />

besser zu verstehen. Anthropologisch betrachtet gilt<br />

der Mensch im Konstruktivismus als Erschaffer<br />

seiner eigenen Realität, als „Welterzeuger“, der nicht<br />

nur reagiert oder Informationen verarbeitet, sondern<br />

gestaltend in seine Umwelt eingreift und diese verändert.<br />

Da Lehren und Lernen als unterschiedliche<br />

Systeme gelten, die allenfalls lose miteinander gekoppelt<br />

sind, erscheint Lehren als direkte Vermittlung<br />

wenig sinnvoll. Der aktive Part liegt eindeutig beim<br />

Lernenden, sodass die Rolle des Lehrenden nur mehr<br />

darin bestehen kann, Lernaktivitäten anzustoßen und<br />

Lernende bei der Identifikation und Lösung von<br />

komplexen Problemen zu unterstützen – entweder<br />

direkt durch soziale Interaktion oder indirekt durch<br />

die Gestaltung von Kontexten. Als Coach hat der<br />

Lehrende im Vergleich zum Lernenden zwar einen<br />

Erfahrungsvorsprung; die Zusammenarbeit aber wird<br />

als gleichberechtigt betrachtet. Das Kommunikationsverhältnis<br />

ist demnach nicht nur bidirektional,<br />

sondern ausgewogen (Baumgartner et al., 2004).<br />

Im Konstruk4vismus gilt Lernen als ak4ver und auto-­‐<br />

poie4scher Konstruk4onsvorgang, der durch Kontexte<br />

und komplexe Probleme allenfalls angeregt oder ge-­‐<br />

stört werden kann.<br />

Der KonnekDvismus und die Vision vom Leben und<br />

Lernen in Netzwerken<br />

Ob der Konnektivismus ebenfalls eine eigene Lerntheorie<br />

darstellt, ist höchst umstritten. Eine der<br />

Hauptthesen des Konnektivismus besteht darin, dass<br />

sich Lernen als ein selbstorganisierter Prozess in<br />

Netzwerken vollzieht und allem voran darin besteht,<br />

Verbindungen herzustellen. Damit verlagert sich das<br />

Interesse von den innerpsychischen Abläufen einer<br />

Person auf das, was diese in realen oder virtuellen<br />

Netzwerken, bestehend aus Personen und Artefakten<br />

bzw. Informationsquellen (verteiltes Wissen), macht<br />

(vgl. Moser, 2008). Zugrunde liegt die gegenwärtige<br />

Beobachtung, dass Menschen in einer stark technisierten<br />

und mediatisierten Welt eher neue Zusammenhänge<br />

herstellen als genuin Neues konstruieren.<br />

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!


Eine eher normative Forderung des Konnektivismus<br />

ist, nicht mehr nur durch eigene Erfahrung zu lernen<br />

und Wissensinhalte per se zu erwerben, sondern in<br />

einer sich rasch ändernden Welt Entscheidungen zu<br />

treffen (was bereits als Lernakt gilt), Verbindungen<br />

zwischen Wissensbereichen zu erkennen und dazu in<br />

Netzwerken zu partizipieren (Bernhardt & Kirchner,<br />

2007). Während sich Behaviorismus, Kognitivismus<br />

und Konstruktivismus wissenschaftstheoretisch relativ<br />

deutlich positionieren lassen, ist dies beim Konnektivismus<br />

schwer und in der Literatur nicht explizit<br />

aufgearbeitet. Während der Mensch im Konstruktivismus<br />

als Erschaffer und Gestalter seiner eigenen<br />

Realität gilt, hat er im Konnektivismus als Teil eines<br />

Netzwerkes nur mehr Gestaltungsmacht auf Form<br />

und Ausprägung neuer Verbindungen. Die ablaufenden<br />

Prozesse gelten als emergent und können in<br />

der Folge kaum geplant oder von außen gesteuert<br />

werden. Eine wie auch immer geartete Vermittlungsdidaktik<br />

ist nicht möglich. Der aktive Part dürfte also<br />

nicht bei dem, sondern bei den Lernenden liegen,<br />

die sich im besten Fall gegenseitig unterstützen, vor<br />

allem informell und voneinander sowie von den sie<br />

umgebenden Informationsquellen lernen. Ein Lehrender<br />

scheint prinzipiell nicht nötig; allenfalls könnte<br />

ihm die Aufgabe obliegen, Netzwerke – für eine<br />

Kommunikation ohne Hierarchien – zu ermöglichen.<br />

!<br />

Nach Auffassung des Konnek4vismus ist Lernen ein<br />

selbstorganisierter Prozess in realen oder virtuellen<br />

Netzwerken, der vor allem darin besteht, Verbin-­‐<br />

dungen herzustellen.<br />

Fazit: Lerntheorien und ihre Wirkung im DidakDschen<br />

Design<br />

Als Paradigmen sind Lerntheorien Orientierungsideale,<br />

mit denen man das Lernen erforschen kann.<br />

Sie bedingen die Sichtweise in der Forschung, legen<br />

Forschungsfragen nahe und blenden andere aus,<br />

lenken Strategien und Methoden der Datenerhebung<br />

und -auswertung. In ihrer jeweiligen Hochzeit prägen<br />

Lerntheorien auch die Auffassung von Lernen und<br />

Lehren in der Praxis inklusive Welt- und Menschenbild.<br />

Lerntheorien haben aus dieser Perspektive<br />

betrachtet eine große, aber diffuse Wirkung auf das<br />

Didaktische Design. Gleichzeitig sind sie keine handlungspraktischen<br />

Theorien, aus denen sich konkrete<br />

didaktische Entscheidungen systematisch ableiten<br />

lassen. Zwischen einer Lerntheorie und dem Handeln<br />

in der Praxis liegen mindestens didaktische Modelle,<br />

die sich explizit oder auch nur implizit auf eine Lerntheorie<br />

beziehen (vgl. Reinmann, 2005): Beispiels-<br />

Didak4sches Design. Von der Lerntheorie zur Gestaltungsstrategie) — 5<br />

weise ist die programmierte Instruktion eine Auskoppelung<br />

aus dem behavioristischen Paradigma und<br />

kann einen z.B. bei der Gestaltung eines Computer-<br />

Based Trainings zum Vokabellernen unterstützen.<br />

Die Elaborationstheorie stammt aus dem kognitivistischen<br />

Paradigma und liefert Vorschläge, wie man<br />

Lerninhalte in einer bestimmten Form anordnet und<br />

aufbereitet. Problemorientierte Modelle wie die Anchored<br />

Instruction o d e r Goal-based Scenarios<br />

schließlich werden gemeinhin dem konstruktivistischen<br />

Paradigma zugeordnet und geben Anregungen<br />

dafür, wie man komplexe Lernumgebungen u.a. narrativ<br />

gestalten kann. Doch selbst diese Modelle<br />

liefern in der Regel keine Anleitungen, wie man bestimmte<br />

Inhalte auswählt und aufbereitet, Instruktionen<br />

und Aufgaben gestaltet, Feedback gibt etc. Sie<br />

nehmen einem auch nicht die Grundsatzentscheidung<br />

ab, welchen Charakter eine Lernumgebung<br />

überhaupt haben sollte. Wie aber, so muss man<br />

fragen, kommt man dann zu einer Gestaltungsstrategie,<br />

wenn dies Lerntheorien nicht leisten können?<br />

Lerntheorien sind keine handlungsprak4schen<br />

Theorien, aus denen sich Regeln für didak4sche Ent-­‐<br />

scheidungen ableiten lassen. Sie beeinflussen aber er-­‐<br />

heblich Lehr-­‐/Lern-­‐Auffassungen und haben entspre-­‐<br />

chend indirekte Wirkungen auf das Didak4sche<br />

Design.<br />

3. Ziele als Grundlage für didakDsche Grundsatzent-­‐<br />

scheidungen<br />

Lehrziele als Ausgangspunkt im didakDschen Design<br />

Wer eine technologiebasierte Lernumgebung gestalten<br />

will, muss wissen, welchen Zweck sie erfüllen<br />

soll und welche Ziele man damit unter welchen Bedingungen<br />

erreichen will. Nur dann kann der didaktische<br />

Designer eine Idee vom Ganzen und darauf<br />

aufbauend eine Strategie entwickeln, die den Charakter<br />

der Lernumgebung prägt. Lerntheoretische<br />

Kenntnisse sind hier weder ausreichend noch praktisch<br />

besonders hilfreich. Entscheidend ist vielmehr<br />

zu klären, ob man etwa Lernende vor sich hat oder<br />

ansprechen will, die (a) sich einfach nur über bestimmte<br />

Inhalte informieren oder (b) sich Wissen aneignen<br />

oder (c) Kompetenzen zum Problemlösen erwerben<br />

oder (d) langfristig Expertise auf- oder ausbauen<br />

wollen. Der Informationssuchende möchte<br />

aufbereitete Inhalte, bringt womöglich wenig Zeit mit<br />

und will sich nicht in komplexe Dialoge verstricken.<br />

Lernende etwa in der Schule oder zu Beginn eines<br />

Studiums haben den Anspruch, verständliche Informationen<br />

und Hilfen zu erhalten, um sich Wissen anzueignen,<br />

das sie vor allem in Prüfungen brauchen.<br />

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!


6 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

In der Praxis : Eine Analogie für den Einstieg<br />

Was ist wesentlich, um zu einer Gestaltungsstrategie zu<br />

kommen? Zum Eins4eg in eine Antwort auf diese Frage<br />

könnte ein analoger Gedanke hilfreich sein: Wer einen<br />

Garten anlegen will, braucht erst einmal eine Idee vom<br />

Ganzen. Notwendig ist außerdem ein Mindestmaß an<br />

Wissen über verschiedene Pflanzen und deren Ansprüche<br />

z.B. an Boden, Licht und Temperatur. Botanisches Wissen<br />

allein aber genügt nicht, um zu einem zufriedenstellenden<br />

Ergebnis zu kommen, denn: Ein Garten entsteht üblicher-­‐<br />

weise nicht einfach so, sondern mit bes4mmten Zielen unter<br />

bes4mmten Bedingungen. Genau die muss der Gärtner<br />

Lernende, die bereits einen Beruf oder andere Aufgaben<br />

vor sich sehen, erwarten von einem Lernangebot<br />

die Möglichkeit, sich auszuprobieren, ihr<br />

Wissen anzuwenden und Probleme damit lösen zu<br />

können. Der angehende oder schon ausgebildete Experte<br />

dagegen ist an Details und Spezialwissen seiner<br />

Peers interessiert, will sich austauschen und lernen,<br />

indem er an seinem Fachgebiet mitarbeitet. Es sind<br />

genau diese Lernziele inklusive der Rahmenbedingungen<br />

(Größe und Eigenschaft der Zielgruppe,<br />

Umfang verfügbarer zeitlicher und anderer Ressourcen<br />

etc.), die man explizit machen und analysieren<br />

muss, um die ersten didaktischen Entscheidungen<br />

treffen zu können, die eine Lernumgebung<br />

für weitere Detailentscheidungen rahmen.<br />

In der Hand der Gestalter/innen des didaktischen<br />

Designs werden Lernziele zu Lehrzielen. Da das<br />

Lernen der Grund allen Lehrens ist (oder zumindest<br />

sein sollte), ist der Gedanke nicht abwegig, den Begriff<br />

der Lernziele dem der Lehrziele vorzuziehen.<br />

Allerdings kann man weder davon ausgehen, dass<br />

Lernende alle Lehrziele als eigene Lernziele übernehmen,<br />

noch kann man als Lehrender wirklich<br />

genau wissen, was die innersten Ziele der Lernenden<br />

im Einzelnen sind (Klauer & Leutner, 2007). Lehrziele<br />

mögen als Begriff „autoritärer“ klingen, bezeichnen<br />

aber besser, worum es beim Didaktischen<br />

Design tatsächlich geht. Die oben verwendeten Begriffe<br />

wie Information, Wissen, Kompetenz und Expertise,<br />

die in der Literatur allesamt umfangreich<br />

(wenn auch nicht einheitlich) präzisiert sind, können<br />

eine erste Möglichkeit sein, um verschiedene Lehrziele<br />

grob zu unterscheiden. Für konkrete Gestaltungsmaßnahmen<br />

aber ist das nicht ausreichend. Hier<br />

bieten sich stattdessen verschiedene Lehrzieltaxonomien<br />

an.<br />

kennen: Soll der Garten der Ruhe und Erholung oder Kindern<br />

zum Spielen dienen, soll er das Auge erfreuen oder Ort eines<br />

neuen Hobbys werden? Ist der Garten groß oder klein,<br />

schakg oder sonnig? Was soll er kosten und wie viel<br />

Aufwand darf er in der Pflege machen? Ist der Gärtner ein-­‐<br />

fallslos, wird er machen, was der Mainstream hergibt. Ist er<br />

gedankenlos, wird er den Mainstream ebenfalls reprodu-­‐<br />

zieren, ohne dass ihm das bewusst ist. Versteht er dagegen<br />

sein Handwerk, plant er bewusst und eigenständig sowie mit<br />

präzisem Blick auf Ziele und Gegebenheiten.<br />

Chancen und Grenzen von Lehrzieltaxonomien<br />

Eine Taxonomie ist ein Klassifikationsschema, mit<br />

dem man Gegenstände, Prozesse oder Phänomene<br />

systematisch nach einheitlichen Regeln oder Prinzipien<br />

ordnet. Eine Lehrzieltaxonomie ist also ein<br />

Klassifikationsschema, um Lehrziele zu ordnen. Ein<br />

mögliches Ordnungskriterium ist der Abstraktionsgrad<br />

von Lehrzielen: In dem Fall kann man z.B.<br />

konkrete von abstrakten Lehrzielen trennen. Ist das<br />

Kriterium inhaltlich, dann unterscheidet man etwa<br />

fachliche von überfachlichen Lehrzielen. Das Kriterium<br />

kann auch verschiedene Dimensionen des<br />

Lernens heranziehen und kognitive, emotional-motivationale<br />

und motorische Lehrziele postulieren. Innerhalb<br />

einer Lehrzielkategorie (z.B. der kognitiven)<br />

wird sehr häufig das Kriterium Schwierigkeits- oder<br />

Komplexitätsgrad herangezogen. Manche Lehrzieltaxonomien<br />

kombinieren zwei Ordnungskriterien<br />

und kommen auf diesem Wege zu einer Matrix. Das<br />

klassische Beispiel unter den Lehrzieltaxonomien ist<br />

die Taxonomie von Bloom und Mitarbeitern, die bereits<br />

in den 1950er Jahren entwickelt wurde und zwischen<br />

kognitiven, affektiven und psychomotorischen<br />

Lehrzielen differenziert. Am umfangreichsten ausgearbeitet<br />

wurde der Bereich der kognitiven Lehrziele:<br />

Hier werden sechs Klassen von Lehrzielen unterschieden,<br />

die hierarchisch (nach Schwierigkeitsgrad<br />

und Komplexität) aufeinander aufbauen: Kenntnisse,<br />

Verständnis, Anwendung, Analyse, Synthese, Beurteilung<br />

(Bloom & Krathwohl, 1956). Tabelle 1 gibt<br />

einen Überblick, wann diese Lehrziele als erreicht<br />

gelten können.<br />

45 Jahre später haben Anderson und Krathwohl<br />

(2001) eine Revision der Taxonomie von Bloom vorgelegt.<br />

Dabei wurde die eindimensionale Taxonomie<br />

in zwei Dimensionen, nämlich „Wissen“ und „kognitive<br />

Prozesse“, aufgegliedert und zu einer Matrix<br />

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kombiniert. Diese Matrix bezieht sich ausschließlich<br />

auf den Bereich der Kognition; die ursprünglich<br />

ebenfalls aufgenommenen affektiven und motorischen<br />

Lehrziele fallen in der revidierten Fassung weg.<br />

Die kognitiven Prozesse werden in Verbform beschrieben<br />

und repräsentieren von links nach rechts<br />

wiederum eine steigende Komplexität (siehe Tabelle<br />

2). Das Wissen erhält als eigene Dimension<br />

weitere Unterkategorien, die ein Kontinuum vom<br />

Faktenwissen zum metakognitiven Wissen (Wissen<br />

über das eigene Wissen) bilden.<br />

!<br />

Lehrzieltaxonomien können eine große Hilfe für<br />

die Planung eines Lernangebots sein: Wer als didaktischer<br />

Designer eine Liste oder Matrix verschiedener<br />

Lehrziele vor sich hat, wird sich leichter bewusst, was<br />

mit einer Lernumgebung erreicht werden soll, welche<br />

Erwartungen unrealistisch sind und an welche Möglichkeiten<br />

man noch gar nicht gedacht hat. Handelt es<br />

sich um ein Lernangebot, das im Rahmen einer Bildungsinstitution<br />

durchgeführt werden soll, helfen<br />

Lehrzieltaxonomien außerdem dabei, die im institu-<br />

Didak4sches Design. Von der Lerntheorie zur Gestaltungsstrategie) — 7<br />

Lehrziel Lehrziel ist erreicht, wenn der/die Lernende<br />

Kenntnisse Sachverhalte beschreiben, definieren und erinnern kann.<br />

Verständnis in eigenen Worten Zusammenhänge beschreiben, Sachlagen interpre4eren, vergleichen kann.<br />

Anwendung Berechnungen durchführen, Regeln anwenden, Verbindungen herstellen, Schlussfolgerungen ab-­‐<br />

leiten kann.<br />

Analyse die Bestandteile eines Ganzen erkennen und ihr Zusammenwirken durchschauen, Problemquellen<br />

finden und zwischen Fakten und Schlussfolgerungen unterscheiden kann.<br />

Synthese aus vorgegeben Bestandteilen etwas Neues schaffen, eine Struktur aunauen, Prozeduren entwi-­‐<br />

ckeln oder Lösungen entwerfen kann.<br />

Beurteilung fundierte Bewertungen von komplexen Sachverhalten vornehmen, Urteile fällen und die effizien-­‐<br />

testen Lösungswege für schwierige Probleme ermiqeln kann.<br />

Tabelle 1: Kognitive Lehrziele nach Benjamin Bloom<br />

Mit einer Lehrzieltaxonomie ordnet man Lehrziele,<br />

opera4onalisiert diese und erleichtert die Kon-­‐<br />

struk4on geeigneter Assessment-­‐Formen.<br />

Dimension Wissen<br />

Faktenwissen<br />

Konzeptwissen<br />

Prozesswissen<br />

Metakogni4ves Wissen<br />

tionellen Kontext kaum vermeidbaren Prüfungen<br />

(Assessment) in die didaktischen Überlegungen mit<br />

einzubeziehen. Nur wer die Ziele klar formuliert hat,<br />

kann auch valide Assessment-Formen gestalten, die<br />

zu einer Lernumgebung passen.<br />

Als Alternative zu klassischen Lehrzieltaxonomien<br />

werden mitunter Lernzieltypen empfohlen (Oser &<br />

Patry, 1990). Diese unterscheiden sich von klassischen<br />

Lehrzielen dadurch, dass sie weder hierarchisch<br />

oder nach Dimensionen des Lernens klassifiziert<br />

werden noch der Zweiteilung in eine Inhalts- und<br />

Verhaltenskomponente folgen; auch auf eine Operationalisierung<br />

wird verzichtet. Jeder Lernzieltyp ist<br />

einer bestimmten Lernform zugeordnet und bildet<br />

mit dieser ein Basismodell. Ein Beispiel für ein<br />

solches Basismodell ist das Lernen durch Eigenerfahrung<br />

und entdeckendes Lernen, bei dem sich<br />

Lernende Erfahrungswissen aneignen. Ein zweites<br />

Beispiel ist die Begriffs- und Konzeptbildung, bei der<br />

es um den Aufbau von Fakten, Sachverhalten und<br />

vernetztem Wissen geht. Ein drittes Beispiel stellen<br />

Routinebildung und Training von Fertigkeiten mit<br />

dem Ziel der Automatisierung dar.<br />

Dimension kogniDve Prozesse<br />

Erinnern Verstehen Anwenden Analysieren Bewerten Erschaffen<br />

Tabelle 2: Revision der Bloomschen Taxonomie nach Anderson und Krathwohl (2001)<br />

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8 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

4. Gestaltungsstrategie: Von der Ausrichtung zum di-­‐<br />

dakDschen Szenario<br />

Ausrichtungen und Formate einer Lernumgebung<br />

Ziele sind ein wichtiger Ausgangspunkt, um den Charakter<br />

bzw. die Ausrichtung einer Lernumgebung<br />

festzulegen. Mit der Ausrichtung fallen Grundsatzentscheidungen<br />

darüber, ob eine Lernumgebung<br />

zum Beispiel (a) vor allem instruktional orientiert<br />

und eher geschlossen oder (b) primär problemorientiert<br />

und eher offen konzipiert ist oder (c) beides in<br />

unterschiedlichem Ausmaß kombiniert. Diese Unterscheidung<br />

geht auf eine alte Kontroverse zwischen<br />

David Ausubel und Jerome Bruner darüber zurück,<br />

wie rezeptiv versus aktiv (oder besser: produktiv) das<br />

Lernen erfolgt bzw. erfolgen sollte (Neber, 1987). Besteht<br />

das Ziel vorrangig darin, rezeptives Lernen zu<br />

fördern, konzentrieren sich Lehraktivitäten darauf,<br />

Inhalte lerngerecht aufzubereiten und Lernende darin<br />

anzuleiten, sich diese anzueignen (darbietendes<br />

Lehren nach Ausubel oder direkte Instruktion). Besteht<br />

das Kernziel dagegen darin, produktives<br />

Lernen zu fördern, werden konstruktive Aktivitäten<br />

wie Problemlösen in eigens gestalteten Kontexten<br />

wichtig (entdecken-lassendes Lehren nach Bruner<br />

oder problemorientierte Förderung). Mitunter<br />

werden solche typischen Konzeptionen bzw. Ausrichtungen<br />

einer Lernumgebung auch als Formate bezeichnet,<br />

die sich in mehreren Dimensionen unterscheiden<br />

können: zum Beispiel im Umgang mit<br />

Wissen (Rezeption oder Anwendung), in der Steuerungsinstanz<br />

(Fremd- oder Selbststeuerung), in der<br />

Sozialform (Einzellernen oder kooperatives Lernen)<br />

etc. (Schnotz et al., 2004). Je mehr Dimensionen man<br />

annimmt, deren Ausprägung variiert, umso mehr<br />

Kombinationen sind möglich. Man kann sich also<br />

nicht nur zwei, sondern sehr viele Formate konstruieren.<br />

Dies führt letztlich zu verschiedenen didaktischen<br />

Szenarien.<br />

!<br />

Darbietendes und entdecken-­‐lassendes Lehren sind<br />

zwei typische und alt bekannte Ausrichtungen bzw.<br />

Formate, die verschiedene Lernformen fördern und<br />

ebenso verschiedene Bezeichnungen tragen.<br />

DidakDsche Szenarien und deren Ordnung<br />

Unter einem didaktischen Szenario versteht man ein<br />

komplexes Bildungsarrangement, bestehend aus einer<br />

bestimmten Organisationsform (u.a. abhängig von<br />

der Institution), einer konkreten Umgebung und<br />

einer Lehr-/Lern-Situation, in der mehrere Lehrmethoden<br />

zum Tragen kommen (Schulmeister, 2006,<br />

S. 199 f.). Didaktische Szenarien liegen gewissermaßen<br />

zwischen den hoch-abstrakten didaktischen<br />

Ausrichtungen bzw. Formaten einerseits und didaktischen<br />

Methoden andererseits. Es gibt eine ganze<br />

Reihe von Versuchen, diese Szenarien (ähnlich wie<br />

Lehrziele) nach didaktischen Dimensionen zu ordnen<br />

(vgl. Baumgartner, 2006). Die resultierenden Taxonomien<br />

unterliegen im Falle des technologiegestützten<br />

Lernens in der Regel weniger stark lerntheoretischen<br />

Einflüssen wie Formate, sind dafür aber<br />

„anfälliger“ für den technologischen Wandel. Ende<br />

der 1990er Jahre schlagen Back et al. (1998) anhand<br />

von distributiven, interaktiven und kollaborativen<br />

Technologien eine relativ einfache Unterscheidung<br />

folgender Szenarien vor: (a) ein lehrerzentriertes Szenario<br />

zur Informationsvermittlung, (b) ein lernerzentriertes<br />

Szenario zum Wissens- und Fertigkeitserwerb<br />

und (c) ein teamzentriertes Szenario zur Wissensteilung<br />

und zum Problemlösen.<br />

Ein relativ neuer Ordnungsvorschlag für didaktische<br />

Szenarien postuliert folgende drei „Paar-Dimensionen“<br />

mit jeweils drei Ausprägungen (Schulmeister<br />

et al., 2008): (1) den Grad der Virtualität eines<br />

Lernangebots und die Gruppengröße, für die sich das<br />

Lernangebot eignet, (2) den Grad der Synchronizität<br />

und der (Multi-)Medialität sowie (3) den Anteil von<br />

Inhalt (Content) versus Kommunikation und den<br />

Grad der Aktivität. Die Matrix aus jedem Dimensionen-Paar<br />

ergibt jeweils neun Szenarien. Tabelle 3<br />

verdeutlicht das Vorgehen am Beispiel des ersten Dimensionen-Paars.<br />

Bildet man für jedes Dimensionen-Paar eine<br />

solche Kreuztabelle, lassen sich laut Schulmeister et<br />

al. (2008) prinzipiell alle Formen der Lehre damit erfassen.<br />

Die hohe Granularität der Taxonomie bezahlt<br />

man allerdings mit Unübersichtlichkeit, weshalb die<br />

Autoren empfehlen, sich auf den Grad der Virtualität,<br />

der Synchronizität und die Gruppengröße mit je<br />

zwei Ausprägungen zu konzentrieren, was in acht<br />

Grundtypen mediendidaktischer Szenarien mündet.<br />

Didaktische Taxonomien dieser Art wurden und<br />

werden primär dazu entwickelt, die Vielfalt, die man<br />

in der technologiegestützten Bildungspraxis vorfindet,<br />

beschreiben und einordnen zu können. Erst in<br />

zweiter Linie eignen sie sich auch dazu, didaktische<br />

Aktivitäten anzuregen, indem sie einen Überblick<br />

über Beispiele geben oder als Vorbilder wirken,<br />

sofern auch empirische Befunde oder praktische Erfahrungen<br />

zu einzelnen didaktischen Szenarien vorliegen.<br />

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Von der Lerntheorie zum didakDschen Handeln<br />

Der Weg von der Lerntheorie zum eigentlichen didaktischen<br />

Handeln ist weit: Lerntheorien öffnen<br />

dem Lehrenden die Augen dafür, was Lernen alles<br />

bedeuten kann, aus welchen Perspektiven sich Lernen<br />

betrachten lässt, welche vielfältigen Beschreibungssprachen<br />

sich dafür eignen und welche Erklärungen<br />

naheliegen, wenn man Lernen (wie auch das Ausbleiben<br />

von Lernen) nachvollziehen und beeinflussen<br />

will. Im besten Fall helfen lerntheoretische Kenntnisse<br />

auch dabei, eigene implizit wirkende Lernauffassungen<br />

zu entdecken und zu verhindern, dass sie<br />

didaktische Entscheidungen unkontrolliert stören.<br />

Allenfalls über Erkenntnisse aus der Forschung<br />

mögen Lerntheorien auch eine Hilfe dabei sein, zu<br />

einer didaktischen Grundsatzentscheidung über die<br />

Ausrichtung einer Lernumgebung zu gelangen. Ausschlaggebend<br />

für letztere aber sind allem voran die<br />

Ziele des jeweiligen Lehrvorhabens, weshalb deren<br />

Analyse so wichtig ist, wenn es darum geht, eine Gestaltungsstrategie<br />

zu erarbeiten. Die konkreten Ziele<br />

sind letztlich auch ausschlaggebend, welches didaktische<br />

Szenario man wählt bzw. zu welchem didaktischen<br />

Szenario man gelangt. Lehrzieltaxonomien<br />

bieten hierfür eine systematisierende Hilfe, haben allerdings<br />

auch den Nachteil, dass sie sich relativ einseitig<br />

auf kognitive Ziele konzentrieren und damit<br />

andere womöglich verdrängen. Auch Lehrzieltaxonomien<br />

sind oft lerntheoretisch geprägt. Didaktischen<br />

Szenarien sowie didaktische Taxonomien<br />

können als Vorbild oder als kreativer Impuls wirken,<br />

weshalb deren Kenntnis das didaktische Handeln erleichtern<br />

kann.<br />

?<br />

Didak4sches Design. Von der Lerntheorie zur Gestaltungsstrategie) — 9<br />

Literatur<br />

Gruppengröße<br />

Individuelles Lernen Lernen in Gruppen Lernen in Großgruppen<br />

Virtualität Präsenz z. B. Teleteaching z. B. virtuelles Klassenzimmer z. B. Podcast<br />

Integriert z. B. Aufgaben im LMS En#ällt z.B. Tutoring<br />

Virtuell z. B. Lernen mit Skript z. B. Live-­‐Gruppenarbeit z. B. Webserver-­‐Zugriff<br />

Tabelle 3: Kreuztabelle aus Virtualität und Gruppengröße. Quelle: Schulmeister et al., 2008<br />

Schreiben Sie die wich4gsten S4chpunkte heraus, mit<br />

denen man verschiedene Lerntheorien kennzeichnen<br />

kann, und stellen Sie diese in einer Tabelle zu-­‐<br />

sammen: In welchen Dimensionen unterscheiden sie<br />

sich? Wie sind Sie auf Ihre Dimensionen gekommen?<br />

Empfehlungen zur weiteren Lektüre<br />

▸ Klauer, K.J. & Leutner, D. (2007). Lehren und<br />

Lernen. <strong>Einführung</strong> in die Instruk4onspsychologie.<br />

Weinheim: Beltz.<br />

▸ Reinmann, G. (2010). Studientext Didak4sches<br />

D e s i g n . M ü n c h e n . U R L : hqp : / / g a b i -­‐<br />

reinmann.de/wp-­‐content/uploads/2011/04/Stu -­‐<br />

dientext_DD_April1<strong>1.pdf</strong><br />

▸ Schulmeister, R. (2006). eLearning: Einsichten und<br />

Aussichten. München: Oldenbourg.<br />

▸ Anderson, L.W. & Krathwohl, D.R. (2001). A taxonomy for<br />

learning, teaching, and assessment. A revision of Bloom´s taxonomy<br />

of educational outcomes. New York: Longman.<br />

▸ Back, A.; Seufert, S. & Kramhöller, S. (1998). Technology<br />

enabled Management Education – Die Lernumgebung MBE<br />

Genius im Bereich Executive Study an der Universität St.<br />

Gallen. io Management, 21(3), 36–42.<br />

▸ Bandura, A. (1977). Social learning theory. Englewood Cliffs:<br />

Prentice Hall.<br />

▸ Baumgartner, P. & Payr, S. (1999). Lernen mit Software. Innsbruck:<br />

Studien-Verlag.<br />

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?<br />

?<br />

?<br />

!<br />

Formulieren Sie mindestens zwei Argumente, warum<br />

es rela4v schwer ist, eine konkrete Lernumgebung<br />

einem lerntheore4schen Paradigma genau zuzu-­‐<br />

ordnen. Welchen Sinn kann eine solche Zuordnung<br />

haben?<br />

Die Grenzen zwischen Formaten bzw. Ausrichtungen<br />

einer Lernumgebung und didak4schen Szenarien sind<br />

fließend: Wo ziehen Sie die Grenze und warum?<br />

Was erhoffen Sie sich von lerntheore4schen Kennt-­‐<br />

nissen für didak4sche Entscheidungen in der Praxis?<br />

Hat sich Ihre Antwort darauf verändert, nachdem Sie<br />

diesen Text gelesen haben? Wenn ja, in welche<br />

Richtung?


10 — Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T)<br />

▸ Baumgartner, P. (2006). E-Learning-Szenarien. Vorarbeiten zu<br />

einer didaktischen Taxonomie. In: E. Seiler Schiedt; S. Kälin &<br />

C. Sengstag (Hrsg.), E-Learning – alltagstaugliche Innovation?,<br />

Münster: Waxmann, 238-247.<br />

▸ Baumgartner, P.; Häfele, H. & Maier-Häfele, K. (2004).<br />

Content Management Systeme in e-Education. Innsbruck: Studienverlag.<br />

▸ Bernhardt, T. & Kirchner, M. (2007). E-Learning 2.0 im<br />

Einsatz – „Du bist der Autor!“ – Vom Nutzer zum WikiBlog-<br />

Caster. Boizenburg: Hülsbusch.<br />

▸ Bloom, B.S. & Krathwohl, D.R. (1956). Taxonomy of educational<br />

objectives: The classification of educational goals, by a<br />

committee of college and university examiners. Handbook I:<br />

Cognitive Domain. New York: Longmans, Green.<br />

▸ Bodenmann, G.; Perrez, M.; Schär, M. & Trepp, A. (2004).<br />

Klassische Lerntheorien. Grundlagen und Anwendungen in<br />

Erziehung und Psychotherapie. Bern: Huber.<br />

▸ Glasersfeld, von E. (1996). Radikaler Konstruktivismus. Idee,<br />

Ergebnisse, Probleme. Frankfurt am Main: Suhrkamp.<br />

▸ Klauer, K.J. & Leutner, D. (2007). Lehren und Lernen. <strong>Einführung</strong><br />

in die Instruktionspsychologie. Weinheim: Beltz.<br />

▸ Moser, H. (2008). <strong>Einführung</strong> in die Netzdidaktik. Lehren und<br />

Lernen in der Wissensgesellschaft. Baltmannsweiler: Schneider<br />

Verlag Hohengehren.<br />

▸ Neber, H. (1987). Problemlösen und Instruktion. Psychologie<br />

in Erziehung und Unterricht, 34, 241-246.<br />

▸ Oser, F. & Patry, J.-L. (1990). Choreographien unterrichtlichen<br />

Lernens. Basismodelle des Unterrichts. Berichte zur Erziehungswissenschaft<br />

Nr. 89. Freiburg (Schweiz): Pädagogisches<br />

Institut der Universität Freiburg.<br />

▸ Pörksen, B. (2001). Die Gewissheit der Ungewissheit. Gespräche<br />

zum Konstruktivismus. Heidelberg: Carl-Auer-<br />

Systeme.<br />

▸ Reinmann, G. (2005). Blended Learning in der Lehrerbildung.<br />

Grundlagen für die Konzeption innovativer Lernumgebungen.<br />

Lengerich: Pabst.<br />

▸ Reusser, K. (2006). Konstruktivismus – vom epistemologischen<br />

Leitbegriff zur Erneuerung der didaktischen Kultur. In: M.<br />

Baer; M. Fuchs; P. Füglister; K. Reusser & H. Wyss (Hrsg.), Didaktik<br />

auf psychologischer Grundlage. Von Hans Aeblis kognitionspsychologischer<br />

Didaktik zur modernen Lehr-Lernforschung,<br />

Bern: hep, 151-168.<br />

▸ Rey, G.D. (2009). E-Learning. Theorien, Gestaltungsempfehlungen<br />

und Forschung. Bern: Huber.<br />

▸ Schnotz, W.; Eckhardt, A.; Molz, M.; Niegemann, H.M. &<br />

Hochscheid-Mauel, D. (2004). Deconstructing instructional<br />

design models: Toward an integrative conceptual framework<br />

for instructional design research. In: H. Niegemann; D. Leutner<br />

& R. Brünken (Hrsg.), Instructional design for multimedia<br />

learning, Münster: Waxmann, 71-90.<br />

▸ Schulmeister, R. (2006). eLearning: Einsichten und Aussichten.<br />

München: Oldenbourg.<br />

▸ Schulmeister, R.; Mayrberger, K.; Breiter, A.; Fischer, A.;<br />

Hofmann, J. & Vogel, M. (2008). Didaktik und IT-Service-Management<br />

für Hochschulen. URL:<br />

http://www.mmkh.de/upload/dokumente/Referenzrahmen_<br />

Qualitaetssicherung_elearning_April09.pdf [04-07-2010].<br />

▸ Skinner, B.F. (1954). The science of learning and the art of teaching.<br />

American Psychologist, 11, 221-233.<br />

▸ Watson, J.B. & Rayner, R. (1920). Conditioned emotional reactions.<br />

Journal of Experimental Psychology, 3, 1-14.<br />

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