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FOLTER in Deutschland

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denen sich moralische Fragen und rechtliche Fragen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en verme<strong>in</strong>tlichen Gegensatz setzen<br />

lassen. 8 Derartige Szenarien sollen mit ihrem Appell an e<strong>in</strong>en moralischen common-sense e<strong>in</strong><br />

Foltern auf Verdacht zur Abwendung e<strong>in</strong>er vorgestellten Gefahr als gerechtfertigt ersche<strong>in</strong>en<br />

lassen. Zugleich sollen sie durch die mit ihnen verbundene massenmediale Angsterzeugung die<br />

Bevölkerung an die Normalität staatlicher Normbrüche gewöhnen.<br />

Dershowitz und andere schlagen die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er gerichtlich kontrollierten Folter vor, die<br />

nur unter strengsten Kriterien Anwendung f<strong>in</strong>den dürfe 9 - womit natürlich stets die jeweils für<br />

die eigenen Belange passenden Kriterien geme<strong>in</strong>t s<strong>in</strong>d. 10 Obwohl die Idee der rechtlichen Regulierung<br />

e<strong>in</strong>er präventiven Folter, die aus fiktiven Extremfällen allgeme<strong>in</strong>e Rechtsnormen zu<br />

deduzieren sucht, e<strong>in</strong>e rechtswissenschaftlich abstruse Konstruktion ist und darüber h<strong>in</strong>aus e<strong>in</strong><br />

entsprechendes ‚Foltergesetz’ so beschaffen wäre, daß erst aus den Konsequenzen der jeweiligen<br />

Situation folgen würde, ob se<strong>in</strong>e Anwendung zulässig war, hat sie auch <strong>in</strong> der deutschen Rechtswissenschaft<br />

zahlreiche Anhänger gefunden.<br />

‚Präventivfolter’ und Menschenwürde<br />

Der Heidelberger Rechtswissenschaftler W<strong>in</strong>fried Brugger (2000; s.a. 2006) bedauert die<br />

„em<strong>in</strong>ent starken Widerstände“ gegen die Idee e<strong>in</strong>es staatlichen Folterrechtes, die „vermutlich <strong>in</strong><br />

der Erfahrung des Dritten Reiches“ wurzelten, „das nach wie vor e<strong>in</strong>en langen und düsteren<br />

Schatten auf Themen wie Folter wirft und das Ergebnis differenzierungslos vorherbestimmt.“<br />

Das kl<strong>in</strong>gt, wie Heribert Prantl <strong>in</strong> der Süddeutschen Zeitung vom 10.3.2003 kommentierte, „als<br />

hätten die Nazis e<strong>in</strong>e ansonsten durchaus vernünftige Verhörmethode diskreditiert. Zu den<br />

Schandtaten der Nazis zählt demnach auch, daß man ihretwegen sich <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> nicht<br />

unvore<strong>in</strong>genommen über Folter unterhalten könne“. Der Ma<strong>in</strong>zer Rechtswissenschaftler Volker<br />

Erb (2005) sieht <strong>in</strong> der Absolutheit des Folterverbots gar den „Geist des Totalitarismus“ und<br />

e<strong>in</strong>e sicherheitspolitische Selbstabdankung des Staates. Der Hamburger Rechtswissenschaftler<br />

Re<strong>in</strong>hard Merkel (2008) argumentiert, der durch e<strong>in</strong>e staatliche ‚Rettungsfolter’ Bedrohte<br />

„bedroht sich mit der Folter, die ihm für den Fall se<strong>in</strong>er fortgesetzten Weigerung angedroht<br />

wird, selbst. Er hat es vollständig <strong>in</strong> der eigenen Hand, die Prozedur der Schmerzzufügung zu<br />

verh<strong>in</strong>dern oder zu beenden…“ Diese Auffassung gibt deskriptiv annähernd korrekt die übliche<br />

staatliche Rechtfertigungsrhetorik für Folter wieder. Sie wird daher, wie das leider reiche Datenmaterial<br />

belegt, wenig überraschend von all jenen Staaten geteilt, <strong>in</strong> denen ‚übergeordnete<br />

Sicherheits<strong>in</strong>teressen’ zur Rechtfertigung von Folterungen geltend gemacht werden.<br />

Ansatzpunkte für e<strong>in</strong>e rechtswissenschaftliche Begründung solcher Positionen eröffnen sich <strong>in</strong><br />

dem Maße, wie man bereit ist, sich ‚endlich’ von der ‚veralteten’ und rechtswissenschaftlich<br />

‚problematischen’ Idee e<strong>in</strong>er Konzeption von Menschenwürde zu verabschieden, die vor und<br />

über spezifischen Rechten steht und als Fundierungspr<strong>in</strong>zip angesehen wird, dem zufolge das<br />

gesamte Recht unter dem Vorzeichen der Würde des Menschen zu stehen hat. Ist man zu e<strong>in</strong>em<br />

solchen ‚Neuansatz’ bereit, werden <strong>in</strong> Rechtsdogmatik geschulte Rechtswissenschaftler kaum<br />

Schwierigkeiten haben, geeignete Begriffsunterscheidungen und ‚Nuancierungen’ zu schaffen,<br />

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