Überkreuz 2012
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Straffälligenhilfe ist kein<br />
„Abenteuerspielplatz“.<br />
Das aktuelle Magazin des Schwarzen Kreuzes / Nr. 1/<strong>2012</strong> / 4227<br />
02 04 05<br />
Foto: photocase ..soma..<br />
Projekt<br />
„Das war ein super Tag!“<br />
Briefkontakt<br />
„Ich suche eine nette Dame …“<br />
Straffälligenhilfe –<br />
kein Abenteuerspielplatz.
2//<br />
ÜberKreuz / Nr. 1 / <strong>2012</strong><br />
Straffälligenhilfe ist kein „Abenteuerspielplatz“<br />
Ehrenamtliches Engagement wurde lange Zeit auch<br />
im Schwarzen Kreuz für selbstverständlich gehalten.<br />
Heute jedoch gilt: Nicht mehr das Engagement<br />
allein, sondern der Mensch, der sich für die ehrenamtliche<br />
Mitarbeit interessiert bzw. mitarbeitet, steht im Vor-<br />
dergrund. Ehrenamtliche im Schwarzen Kreuz wollen<br />
mitgestalten können und für ihre Aufgaben ausgebildet<br />
sein. Sie wollen klare Bedingungen für ihr Handeln und<br />
Wertschätzung ihrer Arbeit. Sie wollen den zeitlichen<br />
Rahmen ihres Einsatzes selbst bestimmen und interessante,<br />
innovative und ausfüllende Herausforderungen<br />
annehmen. Sie möchten sich mit anderen Ehrenamtlichen<br />
und auch mit Fachleuten austauschen.<br />
Als langjährige Organisation der Straffälligenhilfe<br />
weiß das Schwarze Kreuz: Auf<br />
die Mitarbeit von Ehrenamtlichen kann im<br />
Strafvollzug nicht verzichtet werden.<br />
Als langjährige Organisation der Straffälligenhilfe weiß<br />
das Schwarze Kreuz: Auf die Mitarbeit von Ehrenamtlichen<br />
kann im Strafvollzug nicht verzichtet werden. Ehrenamtliche,<br />
die die spezielle Zielgruppe der Inhaftierten, Haftentlassenen<br />
und ihrer Angehörigen im Blick haben und<br />
außerdem in dem spezifischen Bezugsrahmen Justizvoll-<br />
zugsanstalt tätig sind, brauchen für ihr Engagement<br />
allerdings besondere Kompetenzen, die nicht allein auf<br />
dem Weg des „learning by doing“ zu erwerben sind.<br />
Sie müssen ihre Arbeit sowohl in Zuordnung als auch<br />
in Abgrenzung gegenüber dem Vollzug erkennen und<br />
haben es überwiegend mit dissozialen und psychisch<br />
gestörten Menschen zu tun, die besondere Anforderungen<br />
an die Ehrenamtlichen stellen. Die ehrenamtliche Mitarbeit<br />
geschieht in einer totalen Institution, die Inhaftierte<br />
in allen Lebensbezügen bestimmt und deren Milieu eine<br />
aggressionssteigernde und desintegrierende Wirkung hat.<br />
Die Probleme und Hilfsbedürftigkeit straffällig gewordener<br />
Menschen während und nach der Haft sind nicht<br />
so ohne weiteres einsichtig. Unvollständige, einseitige<br />
und sogar falsche Informationen tragen zu Vorurteilen<br />
bei und verfestigen sie. Die gesellschaftliche Stimmung<br />
zeigt kein oder kaum Interesse daran, Verantwortung<br />
für die Begleitung und Integration straffällig gewordener<br />
Menschen zu übernehmen. Nicht selten zeigt<br />
das soziale Umfeld von Ehrenamtlichen in der Straffälligenhilfe<br />
Unverständnis für deren Engagement, und<br />
sie geraten unter Rechtfertigungsdruck.<br />
Ehrenamtliche können so gut mitarbeiten, wie sie in<br />
ihr Arbeitsfeld und die Arbeitsbedingungen der Justizvollzugsanstalten<br />
eingeführt und begleitet werden.<br />
Und wie überall gilt auch hier: Qualifizierte Ehrenamtliche<br />
bekommt man nur, wenn man sie für ihre Aufgaben<br />
auch qualifiziert. Aber nicht jede und jeder ist den<br />
besonderen Anforderungen gewachsen, und bei allem<br />
Engagement kommt es auch immer wieder zu Problemen.<br />
Das Engagement in der Straffälligenhilfe bietet<br />
Foto: istockphoto
Ehrenamtlichen so manches Erfolgserlebnis, aber<br />
auch Fallen und Herausforderungen, die ohne ent-<br />
sprechende Kenntnisse und Fähigkeiten zu massiven<br />
Fehlern und letztendlich zu Resignation und<br />
einem Gefühl des Ausgebranntseins führen können.<br />
Die Mitarbeit ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter ist von den Justizvollzugsanstalten<br />
grundsätzlich gewollt. Sie ist ein Bindeglied<br />
zwischen Gesellschaft und Inhaftierten:<br />
„Die Vollzugsbehörden sollen mit Personen<br />
und Vereinen zusammenarbeiten, deren Einfluss<br />
die Eingliederung der Inhaftierten in das Leben<br />
Neben der Fachlichkeit setzt die<br />
ehrenamtliche Mitarbeit im<br />
Schwarzen Kreuz eigene Akzente.<br />
in Freiheit fördern kann“ (§ 154 Strafvollzugsgesetz<br />
des Bundes). Aber nicht immer stellen<br />
die Justizvollzugsanstalten auch den erforderlichen<br />
personellen und finanziellen Rahmen<br />
dafür zur Verfügung. Ehrenamtliche haben in<br />
den Justizvollzugsanstalten nicht immer eine<br />
Person ihres Vertrauens, die sie in ihre Aufgaben<br />
einführt, begleitet, Probleme mit ihnen reflektiert<br />
und bespricht und ggf. eine Verhaltenskorrektur<br />
mit ihnen einübt. Auf sich alleine gestellt,<br />
besteht die Gefahr, dass sich Ehrenamtliche mit<br />
Inhaftierten zu einem gemeinsamen „Feindbild“<br />
verbünden, was sich in Bezug auf die Hilfe<br />
kontraproduktiv auswirkt.<br />
Im Schwarzen Kreuz möchten wir, dass Ehrenamt-<br />
liche in der Straffälligenhilfe gut vorbereitet und<br />
qualifiziert an ihre Aufgaben gehen. Deshalb<br />
verdient ihr Engagement unsere besondere Aufmerksamkeit.<br />
Wir vermitteln begleitend das notwendige<br />
Fachwissen durch die Möglichkeit von<br />
Praxiserfahrung, Studienbriefe, Grundlagen- und<br />
weiterführende Seminare und durch individuelle<br />
und persönliche Beratung und Begleitung.<br />
Irmtraud Meifert<br />
Neben der Fachlichkeit setzt<br />
die ehrenamtliche Mitarbeit<br />
im Schwarzen Kreuz eigene<br />
Akzente. Wir sind Christen, die<br />
Inhaftierte zum Glauben an<br />
Gott einladen, damit sie neue<br />
Maßstäbe zur Gestaltung ihres<br />
Lebens in der Gemeinschaft<br />
finden können. //<br />
Otfried Junk<br />
Geschäftsführer<br />
Liebe Freunde des<br />
Schwarzen Kreuzes!<br />
Unser Kalender hat uns in diesem Jahr schon<br />
ein gutes Wegstück begleitet. Wieder haben<br />
wir viele positive Rückmeldungen bekommen.<br />
Eine ganz besondere erhielten wir von einem<br />
Inhaftierten. Freuen Sie sich mit uns!<br />
Liebe Gestalter des Postkartenkalenders,<br />
als Insasse einer JVA erhielt ich zum Jahreswechsel regelmäßig<br />
Ihre Kalender, die ich stets gerne nutzte. Ob die biblischen Verse,<br />
die kurzen Anekdoten und Geschichten oder eben die Postkarten –<br />
Woche für Woche erhielt ich Anregungen zum Nachdenken,<br />
wodurch nicht nur die Zeit schneller als gewohnt fortschritt,<br />
sondern mir auch der Glaube begreiflicher wurde.<br />
Im letzten Jahr hatte ich das große Glück, sogar gleich zwei der<br />
Kalender zu ergattern. Da mir selbst natürlich eine Ausführung<br />
genügte, sandte ich die zweite meiner Freundin zu. Doch nicht nur<br />
das, damit verbunden unterbreitete ich ihr den Vorschlag, jeden<br />
Sonntag zu dem jeweiligen Wochenmotiv der Postkarte die dazu<br />
spontan entstehenden Gedanken aufzuschreiben. Keine Romane<br />
sollten entstehen, nur die Rückseite durfte beschrieben werden.<br />
Meine Freundin stimmte meiner Idee sofort begeistert zu, so dass<br />
wir umgehend mit der Umsetzung begannen.<br />
Auf diese Weise wurden nicht bloß unsere jeweiligen Gedanken zu<br />
Papier gebracht, aus ihnen erwuchsen vielmehr weitere anregende<br />
Diskussionen, die wir in unseren normalen Briefverkehr aufnahmen.<br />
Ab und zu assoziierten wir dasselbe, doch meistens entstanden<br />
vollkommen unterschiedliche Ansichten aus ein und demselben<br />
Bild. Dieses begeisterte mich, schärfte im Laufe der Zeit meine Sinne,<br />
gab mir viele neue Impulse zum Nachdenken und – ich halte es<br />
für den wichtigsten Punkt – beinahe nebenbei lernten wir uns und<br />
unser Denken noch besser als zuvor kennen. Und dieses trotz der<br />
Gitter und Mauern zwischen uns. So kann ich nunmehr behaupten,<br />
dass uns Ihre Postkartenmotive Woche für Woche einen wunderbaren<br />
Moment der Nähe schenkten. Und genau dafür bin ich Ihnen<br />
sehr dankbar.<br />
Mit den besten Grüßen!<br />
(Auszug aus dem Brief eines Inhaftierten,der Name ist der Redaktion bekannt.)<br />
In dieser Ausgabe von ÜberKreuz finden Sie wieder Erfahrungen,<br />
Meinungen und Möglichkeiten, die Sie einladen wollen,<br />
im Schwarzen Kreuz mit dabei zu sein.<br />
Herzlichst<br />
ÜberKreuz / Nr. 1 / <strong>2012</strong><br />
\\3
IMPRESSUM:<br />
4//<br />
ÜberKreuz / Nr. 1 / <strong>2012</strong><br />
Gummistiefel an und drauflos geschrubbt – an<br />
einem Wochenende Ende März wurde im Naturerlebnisbad<br />
Lauenstein gehämmert, geputzt<br />
und repariert. Das Wasser musste gereinigt werden,<br />
eine Holzbrücke von Grund auf restauriert, und ein<br />
Frühjahrsputz sollte die ganze Anlage in neuem Glanz<br />
strahlen lassen. Für die Mitglieder des Trägervereins<br />
kam in diesem Jahr Hilfe aus einer ungewohnten Richtung:<br />
Sie arbeiteten Seite an Seite mit Inhaftierten aus<br />
der Jugendanstalt Hameln.<br />
Auch das Wetter spielte mit. Der eine oder andere Sonnenbrand<br />
zeichnete sich allmählich auf den Schultern<br />
ab, während die Jugendlichen Holz für die Brücke sägten<br />
oder das gesamte Schwimmbecken mit Hochdruckreiniger<br />
ausspritzten. Otfried Junk von der Geschäftsstelle packte<br />
mit an und freute sich über manch staunenden Kommentar<br />
der Ehrenamtlichen. „Die Jungs schaffen ja richtig was<br />
weg!“, so Wolfgang Schünemann vom Vereinsvorstand.<br />
Abends kam der Bürgermeister höchstpersönlich und<br />
brachte Würste fürs gemeinsame Grillen vorbei.<br />
Herausgeber:<br />
Schwarzes Kreuz | Christliche Straffälligenhilfe e.V.<br />
Jägerstraße 25a, 29221 Celle<br />
Telefon 05141 94616- 0 | Telefax 05141 94616-26<br />
info@schwarzes-kreuz.de<br />
www.naechstenliebe-befreit.de<br />
Ganz fertig war die Arbeit noch nicht. Deshalb boten die<br />
Jugendlichen den überraschten Ehrenamtlichen von sich<br />
aus an, bei ihrem nächsten Ausgang weiterzumachen –<br />
also während ihrer knapp bemessenen Zeit in Freiheit.<br />
Das haben wir uns gewünscht: Die Jugendlichen übernehmen<br />
Verantwortung und bauen „draußen“ Kontakte<br />
auf, die Vereinsmitglieder erhalten praktische Hilfe<br />
und machen neue positive Erfahrungen mit Inhaftierten.<br />
So profitieren beide Seiten voneinander. „Das war ein<br />
super Tag!“ sagte ein Jugendlicher.<br />
Diese Wochenendaktion war Teil eines Projekts, das wir<br />
zusammen mit der Jugendanstalt Hameln durchführen.<br />
Damit möchten wir junge Inhaftierte auf ihrem Weg zurück<br />
in die Gesellschaft begleiten, und das über mehrere Jahre.<br />
Wichtig sind uns gemeinsames Erleben und Begegnung<br />
auf Augenhöhe. Im letzten Herbst sind wir im Harz gewandert;<br />
zurzeit planen wir die nächste Aktion. //<br />
Vorsitzender: Jörg Twiefel<br />
Geschäftsführer: Otfried Junk<br />
Redaktion: Irmtraud Meifert, Otfried Junk<br />
Gestaltung: JoussenKarliczek GmbH, Schorndorf<br />
Druck: letterdruck, Wesendorf<br />
Bankverbindung: EKK Hannover<br />
BLZ: 520 604 10 · Konto 60 02 02<br />
IBAN: DE83 5206 0410 0000 6002 02<br />
BIC-/SWIFT-Code: GENODEF1EK1<br />
„Das<br />
war ein<br />
super<br />
Tag!“<br />
Die christliche Straffälligenhilfe Schwarzes Kreuz<br />
hilft seit 1925 bundesweit Straffälligen und ihren<br />
Angehörigen durch ehren- und hauptamtliche<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die so ihren<br />
Glauben an Gott zum Ausdruck bringen. Wir sind<br />
dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche<br />
Deutschlands angeschlossen und Mitglied in der<br />
Evangelischen Konferenz für Straffälligenhilfe.<br />
Finanziert wird unsere Arbeit durch Spenden.<br />
Fotos: SchwarzesKreuz
Foto: SchwarzesKreuz<br />
„Ich suche eine nette Dame …“<br />
Ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und der Briefkontakt zu Inhaftierten<br />
„Ich fühle mich<br />
sehr einsam.<br />
Meine Freunde<br />
draußen wollen<br />
nichts mehr<br />
mit mir zu tun<br />
haben. Bitte helfen Sie mir. Ich suche<br />
eine nette Dame, die mir schreibt, etwa in meinem<br />
Alter. Ich bin 1,82 m groß, habe kurze, dunkle Haare<br />
und grüne Augen und wiege 93 Kilo. Ich bin ein guter<br />
und ehrlicher Typ, verschmust und romantisch …“. So<br />
oder so ähnlich schreiben manche Inhaftierte, die das<br />
Schwarze Kreuz um eine Briefkontaktvermittlung bitten.<br />
In den Köpfen der meisten Inhaftierten steckt die ausgesprochene<br />
oder unausgesprochene Hoffnung, dass<br />
sich mit der „Frau fürs Leben“ die eigene Situation<br />
grundlegend ändert und die Straffälligkeit „aufhört“.<br />
Dass eine Partnerschaft auch anstrengend ist, eigene<br />
Liebesfähigkeit erfordert und aus der Haft so gut<br />
wie unmöglich befriedigend zu gestalten ist, wird<br />
gerne verdrängt. Manchmal brauchen Ehrenamtliche<br />
im Briefkontakt mit Inhaftierten dann Geduld und<br />
ÜberKreuz / Nr. 1 / <strong>2012</strong><br />
Fingerspitzengefühl. Die Frauen, um zu zeigen, dass gute Beziehungen<br />
auch ohne erotische Komponente möglich sind; die Männer,<br />
um deutlich zu machen, dass Gespräche „von Mann zu Mann“ ihre<br />
eigene Qualität haben. Leider kommt es aber trotzdem auch immer<br />
wieder vor, dass Briefe von Ehrenamtlichen gar nicht beantwortet<br />
oder Briefkontakte nach kürzester Zeit ohne Angabe von Gründen<br />
abgebrochen werden. Dem großen Wunsch nach einem (Brief-)<br />
Kontakt zu Menschen von „draußen“ steht bei Inhaftierten häufig<br />
eine große Unbeholfenheit, Beziehungen zu gestalten, gegenüber.<br />
Insbesondere, wenn die „nette Dame“ im Sinne einer Paarbeziehung<br />
im Schwarzen Kreuz nicht zu finden ist.<br />
Der Grund, warum sich Inhaftierte ein weibliches Gegenüber für<br />
einen Briefkontakt wünschen, ist allerdings nicht nur die Suche nach<br />
einer „Frau fürs Leben“. Die „Lebenswelt Gefängnis“ ist eine reine<br />
Männergesellschaft. Bis auf wenige Ausnahmen, z.B. durch weibliche<br />
Bedienstete, haben inhaftierte Männer keinen Kontakt zu Frauen.<br />
„Ich bin den ganzen Tag nur von Männern umgeben“, schreibt ein<br />
Inhaftierter, „und deshalb wünsche ich mir von Ihnen einen Briefkontakt<br />
zu einer weiblichen Ehrenamtlichen. Frauen haben viel mehr<br />
Verständnis, ich kann dann einfach offener sein …“ //<br />
Für interessierte Frauen und Männer, die einen Briefkontakt zu<br />
einem Inhaftierten aufnehmen und sich informieren möchten,<br />
und für Ehrenamtliche, die bereits in einem Briefwechsel mit<br />
einem Inhaftierten stehen, möchte ich gerne wieder regionale<br />
Treffen („Forum Austausch“) organisieren. Bitte schreiben Sie<br />
mir, wenn Sie sich dafür interessieren. Nach Möglichkeit wird<br />
das „Forum Austausch“ dann auch in Ihrer Nähe stattfinden.<br />
E-Mail: meifert@schwarzes-kreuz.de Irmtraud Meifert<br />
\\5
SEMINARE:<br />
6//<br />
Lebensfragen gehen in die Tiefe<br />
Unsere Gruppengespräche im Gefängnis gehen<br />
immer in die Tiefe. Wir beginnen mit einem Gebet<br />
und Liedern, manchmal auch mit einem Kreistanz,<br />
und legen viel Wert auf eine gestaltete Mitte, die zum<br />
Thema passt. Immer wieder überlegen wir uns etwas<br />
Neues, um mit kreativen Methoden den Inhaftierten<br />
die Konzentration zu erleichtern. Sie mögen die Atmosphäre<br />
und können zur Ruhe kommen. Weil Gespräche<br />
offener werden, wenn nicht so viele zuhören, bilden<br />
wir gerne Kleingruppen. Und zum Glück sind wir so<br />
viele Ehrenamtliche, dass für alle auch persönliche<br />
Gespräche unter vier Augen möglich sind. Wir stellen<br />
uns in dieser Zeit auf die Wünsche der Inhaftierten ein.<br />
Da kann es auch einmal vorkommen, dass ein spontanes<br />
oder aktuelles Thema viel wichtiger ist als das,<br />
was wir vorbereitet haben. Und Kaffee und Kekse<br />
dürfen natürlich nicht fehlen.<br />
Einmal im Monat sind wir für zwei Stunden mit etwa<br />
15 bis 20 Inhaftierten zusammen. Wir, das sind 12 Ehrenamtliche;<br />
manche sind länger, andere erst ziemlich<br />
neu im Schwarzen Kreuz. Der Gefängnisseelsorger,<br />
Dr. Ralf Stieber, macht in der Anstalt auf unsere Treffen<br />
aufmerksam und lädt Inhaftierte dazu ein. Er begleitet<br />
uns auch in den Gruppenstunden.<br />
Vor 26 Jahren hat unsere Gefängnisarbeit angefangen.<br />
Zu dieser Zeit war der Gemeindepfarrer Helmuth Garthe<br />
nebenamtlich im Gefängnis in Hamm Seelsorger, und<br />
Einführungsseminare für Ehrenamtliche im Strafvollzug:<br />
• 16.–17.06 Karlsruhe in Zusammenarbeit<br />
mit dem Fortbildungsverbund<br />
Straffälligenhilfe<br />
Baden-Württemberg<br />
• 16.09. JVA Nürnberg-Lichtenau<br />
in Zusammenarbeit mit der<br />
Straffälligenhilfe Ansbach<br />
• 12.–14.10. Bobritzsch in Zusammenarbeit<br />
mit dem Sächsischen<br />
Justizministerium<br />
Foto: SchwarzesKreuz<br />
Der Arbeitskreis<br />
Hamm feiert<br />
25 Jahre<br />
Straffälligenhilfe in<br />
der JVA Werl<br />
von Barbara Dippel-Wagner, Arbeitskreisleiterin<br />
er wusste von dem großen Bedarf Inhaftierter nach<br />
Kontakten außerhalb der Anstalt. Er wandte sich an die<br />
Geschäftsstelle des Schwarzen Kreuzes in Celle, und gemeinsam<br />
wurde ein Seminar geplant. Herr Garthe warb<br />
und informierte in seiner Gemeinde und in der Zeitung<br />
für die ehrenamtliche Mitarbeit in der Straffälligenhilfe.<br />
Mit der Zeit schlossen sich Interessierte zusammen und<br />
gestalteten von Zeit zu Zeit Gottesdienste im Gefängnis<br />
in Hamm mit, bis der Gefängnisseelsorger aus Werl<br />
anfragte, ob wir ehrenamtlich in seiner Anstalt tätig<br />
werden könnten. Es kamen dann etwa 35 bis 40 Inhaftierte<br />
zu unseren Gruppenstunden. Sie hatten damals<br />
noch nicht so viele Beschäftigungsmöglichkeiten wie<br />
heute und nahmen gerne die Möglichkeit der Abwechslung<br />
in Anspruch. Es durften alle kommen, die kommen<br />
wollten. Unsere Treffen waren damals häufig unruhig<br />
und durcheinander. Heute gucken wir schon genauer<br />
hin, wer kommt und bleiben darf.<br />
In den 25 Jahren, die ich mit dabei bin, habe ich viel erlebt:<br />
Taufen von Gefangenen, Muslime, die zum christlichen<br />
Glauben fanden, eine Hochzeit, eine Beerdigung,<br />
Höhen und Tiefen. Ich weiß, ich werde gebraucht, bin<br />
willkommen, treffe gerade im Gefängnis auf Menschen,<br />
die offen sind für Begegnungen und Gespräche. Meine<br />
stärkste Motivation ist aber, dass ich einbringen kann,<br />
was mir auf dem Herzen liegt. Ein Inhaftierter sagte es<br />
so: „Ich komme, über Gott zu sprechen und über meine<br />
Beziehung zu ihm zu reden.“ //<br />
Tagesseminare:<br />
• 20.10. Stuttgart: Als Einzelbetreuer<br />
im Strafvollzug<br />
• 03.11. Bielefeld: „Lass dir<br />
doch helfen!“<br />
Wir laden Sie herzlich ein! Mehr Informationen unter www.naechstenliebe-befreit.de oder in der Geschäftsstelle.
Nächstenliebe befreit …<br />
… … … … … … … … …<br />
Es kommt uns<br />
darauf an, in unserer Gesellschaft<br />
ein versöhntes Miteinander (vor-) zu leben. Wir<br />
sind davon überzeugt, dass Vergeltung keinen Ausgleich<br />
schafft, der Opfer zufrieden stellen könnte. Wir erleben<br />
uns selbst als Menschen, die schuldig werden und immer<br />
wieder Vergebung brauchen. Wir wissen keine Alternative<br />
zum Strafvollzug, wohl aber zum Umgang mit Menschen,<br />
die zu Straftätern wurden. Wir orientieren uns bei unserem<br />
Umgang mit anderen Menschen an dem, was wir in<br />
der Bibel lesen. Jesus Christus ist unser Vorbild. An ihm<br />
erkennen wir, wie Gott zu uns steht und wie sein Lebensentwurf<br />
für uns ist.<br />
Es kommt uns<br />
darauf an, keine Fälle zu bearbeiten,<br />
sondern Menschen möglichst individuell zu helfen.<br />
Wir erkennen, dass Menschen nicht nur eine Straftat begangen<br />
haben, sondern fast immer selbst auch Opfer gewesen<br />
sind. Das entschuldigt sie nicht, zeigt uns aber einen<br />
Berg von Schwierigkeiten. Uns ist schmerzlich bewusst,<br />
dass wir sehr schnell an unsere Grenzen kommen. Deshalb<br />
rechnen wir bei allen unseren Bemühungen mit Gottes<br />
Hilfe, die unsere Möglichkeiten bei weitem übersteigt.<br />
ÜberKreuz / Nr. 1 / <strong>2012</strong><br />
Es kommt<br />
uns darauf an, Inhaftierten,<br />
Haftentlassenen und ihren Angehörigen während<br />
und nach der Haft zu helfen. Ehrenamtliche stehen dabei<br />
im Vordergrund. Für ihre Aufgaben werden sie von Hauptamtlichen<br />
vorbereitet, ausgebildet und begleitet. Es ist uns<br />
wichtig, uns in einer Organisation zusammenzuschließen.<br />
Gemeinsam sind wir stärker. Unsere Geschäftsstelle mit<br />
Hauptamtlichen ist in Celle.<br />
Es kommt<br />
uns darauf an,<br />
Verständnis für Straftäter zu wecken, ohne Kriminalität<br />
und Straftaten zu verharmlosen. Ohne die Bereitschaft<br />
der Gesellschaft – vor allem auch Kirchen und Gemeinden<br />
– Straftäter nach der Haft (wieder) in ihren Reihen aufzunehmen,<br />
ist jeder Resozialisierungsversuch und jedes<br />
eigene Bemühen eines Straftäters von vornherein zum<br />
Scheitern verurteilt.<br />
Es kommt uns<br />
darauf an zu verhindern, dass sich<br />
die Spirale der Gewalt immer weiter dreht. Wir erkennen,<br />
dass Gewalt kein Ende nimmt, wenn darauf nur wieder mit<br />
Gewalt reagiert wird. Wir wollen verhindern, dass weitere<br />
Menschen zu Opfern von Straftätern werden. Wir glauben,<br />
dass dies nur möglich ist, wenn wir vergeben können und<br />
an Stelle von Ablehnung Hinwendung setzen. Wir wissen,<br />
dass das schwierig ist angesichts mancher Straftaten, die<br />
auch uns nicht unberührt lassen. Wir wissen aber keinen<br />
anderen Weg als „Nächstenliebe befreit“.<br />
\\7
Foto: istockphoto<br />
Mit vielen<br />
lieben Grüßen …<br />
Ins Alltagsgrau einen Farbtupfer geben. Ich denk‘ an dich in Worte<br />
fassen. Geburtstage nicht übersehen. Einen Gruß zum Anfassen<br />
schicken. Ein Einfach-mal-so-Zeichen setzen …<br />
Mit unseren neuen Karten können Sie Freude machen und uns helfen,<br />
Inhaftierten zu helfen. Für 10 Euro Spende + Versandkosten erhalten<br />
Sie fünf wunderschöne Karten mit Umschlägen.