Sächsisches Archivblatt 1-2011 - Archivwesen - Freistaat Sachsen
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Erschließung der Gemeindebestände Lindenau<br />
und Oberlößnitz im Stadtarchiv Radebeul<br />
Die heutige Stadt Radebeul entstand aus zehn<br />
Ortschaften, die alle mit Erlass der Landgemeindeordnung<br />
von 1838 selbstständige<br />
Landgemeinden geworden waren. Im Zuge<br />
der Industrialisierung der Lößnitz und der<br />
stetig wachsenden Bevölkerungszahl wurden<br />
die Gemeinden seit 1876 sukzessive nach Radebeul<br />
bzw. Kötzschenbroda eingemeindet.<br />
1935 schließlich wurden beide Orte, inzwischen<br />
Städte, vereinigt.<br />
Das Stadtarchiv Radebeul wurde 1960 gegründet<br />
und verwahrt die amtliche Überlieferung<br />
aller zehn Gemeinden. Über Vorläufer des<br />
Archivs und die Wege der Bestände ins heutige<br />
Stadtarchiv ist sehr wenig bekannt. Kriegsverluste<br />
hat es kaum gegeben. Bereits 1958<br />
war mit Paul Brüll, einem pensionierten Lehrer<br />
und verdienten Heimatforscher, der erste<br />
hauptamtliche Stadtarchivar Radebeuls angestellt<br />
worden. In den frühen 1960er Jahren<br />
erarbeitete Brüll ein so genanntes Findbuch,<br />
in welchem er alle Gemeindebestände plus<br />
den der fusionierten Stadt Radebeul vor 1945<br />
mit fortlaufender Signierung, Aktentitel und<br />
Gaststätte Grundschänke, um 1911 (Stadtarchiv Radebeul, P-Postkarten, OL 130)<br />
<strong>Sächsisches</strong> <strong>Archivblatt</strong> Heft 1-<strong>2011</strong> | 6<br />
Laufzeit erfasste. Auf dieses umfangreiche<br />
Findmittel wird heute noch häufig zurückgegriffen,<br />
trotz seiner unübersehbaren Schwächen.<br />
Brüll löste nämlich die Registraturstruktur<br />
auf und klassifizierte nach einheitlichen<br />
Sachbetreffen, verzichtete auf Enthält- und<br />
Darin-Vermerke, vermerkte die umfangreichen<br />
Vorprovenienzen (v. a. Amtshauptmannschaft<br />
Dresden und Amt Dresden) nicht, verwischte<br />
das Provenienzprinzip, indem er die Bestände<br />
nach den Ortsgrenzen von vor 1905 abgrenzte,<br />
und reicherte die Überlieferung mit Sammlungsgut<br />
an. Zudem kassierte Brüll eine ganze<br />
Reihe Akten aus unbekanntem Grund nach.<br />
Diese Brüllsche Beständestruktur besteht bis<br />
heute; die einzelnen Bestände wachsen aufgrund<br />
von Abgaben aus dem Bauaktenarchiv<br />
sogar noch an.<br />
Brülls Nachfolgerin Liselotte Schließer versuchte,<br />
die Erschließung zu verbessern, indem<br />
sie Akten auf Nachfrage tiefer verzeichnete<br />
und darüber eine separate Findkartei anlegte.<br />
Die heutige Archivleiterin Annette Karnatz begann<br />
1991, die einzelnen Gemeindebestände<br />
unter Beibehaltung der vorhandenen Beständestruktur<br />
nacheinander sukzessive tiefer zu<br />
erschließen. Den Start machte sie selbst noch<br />
vor ihrem Amtsantritt mit der Überlieferung<br />
der Gemeinde Naundorf, welche seinerzeit Teil<br />
ihrer Abschlussarbeit an der Fachschule für<br />
<strong>Archivwesen</strong> in Potsdam war. Im Jahr 2010<br />
wurden nun die Gemeindebestände Lindenau<br />
und Oberlößnitz durch den Unterzeichneten<br />
während des Schlusspraktikums des Vorbereitungsdienstes<br />
für den gehobenen Archivdienst<br />
vertieft erschlossen.<br />
Lindenau ist ein Gassendorf, welches in der<br />
ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts gegründet<br />
und 1287 erstmals urkundlich erwähnt wurde.<br />
Lehnsherren waren die Burggrafen zu Dohna,<br />
die Herren von Miltitz auf Scharfenberg und<br />
zeitweise die Leipziger Patrizierfamilie Blaßbalg.<br />
Der Anteil der Burggrafen ging bereits<br />
1304 in landesherrlichen Besitz über, während<br />
die Grundherrschaft der Scharfenberger bis<br />
1839/55 andauerte. Der landesherrliche Teil<br />
wurde seit 1547 vom Amt Dresden verwaltet.<br />
1839 wurde Lindenau selbstständige Land-