23.08.2013 Aufrufe

Schreiben über das, was offiziell „nicht ist“ - Erika Mitterer Gesellschaft

Schreiben über das, was offiziell „nicht ist“ - Erika Mitterer Gesellschaft

Schreiben über das, was offiziell „nicht ist“ - Erika Mitterer Gesellschaft

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Der literarische Zaunkönig Nr. 3/2009<br />

5<br />

Das Geschlagene verliert sich<br />

in den Blutrinnen des Schlachthofs,<br />

während sich durch die Gitterstäbe des Tors<br />

geschmückt mit Zynismus „Arbeit macht frei“ –<br />

Heckenrosen zwängen,<br />

deren Dornen Labsal bedeuten<br />

im Vergleich zum Schlagring des Aufsehers.<br />

Waltraud SCHOPF-SUCHY<br />

HECKENROSEN<br />

Einige Längengrade weiter<br />

verschluckt der Schiffsbauch eines Dampfers<br />

<strong>das</strong> Weinen der Heimatverlustigen<br />

und Rauch umgraut die Schlote<br />

wie die Schornsteine des Schlachthofs.<br />

Enge Verstecke in Häuserschluchten<br />

umschließt andauernde Furcht<br />

vor Entdeckung<br />

und vor dem Verrat des Freundes:<br />

Hartgeld glänzt heller als der Davidstern.<br />

Wer empfindet, weiß,<br />

<strong>das</strong>s die Momente des Grauens<br />

– erinnert als Ewigkeit –<br />

Albträume schaffen,<br />

indess Heckenrosen<br />

jetzt <strong>das</strong> Tor umkränzen<br />

und Natur sich in ihnen erneuert.<br />

8<br />

Horst SAMSON<br />

DAS MEER<br />

Am Strand harren sie aus, streichholzklein,<br />

treiben<br />

in Gedanken hinaus ins rotgeränderte<br />

Auge.<br />

Es ist der Horizont<br />

die Zündschnur<br />

die ihre Köpfe in Brand setzt.<br />

Sand rinnt<br />

durch ihre Körper. Sie warten<br />

gelassen<br />

am Fuße des Lichtkreuzes <strong>über</strong> dem Wasser.<br />

Sind es Piraten?<br />

Sind es Gerechte?<br />

Keine Regel kennt der streunende<br />

Wind,<br />

der kommt, der geht.<br />

Sie sind jung, und sie sind alt, und<br />

sie haben <strong>das</strong> Meer erreicht!<br />

Seite 29<br />

Dichter & Dichtung<br />

6<br />

Helle TREDE<br />

RITUALE<br />

Sie legen Schatten<br />

auf <strong>das</strong> Kind<br />

Blutrosen<br />

versiegeln<br />

die geraubten Träume<br />

Ein verletztes Menschenrecht<br />

als Mitgift<br />

in <strong>das</strong> Leben<br />

Verborgen im Schweigen<br />

die gefaltete Luft<br />

<strong>über</strong> dem gleißenden Stahl<br />

Wir sind Schlafgefangene<br />

die nicht reden<br />

und Fürsprache halten<br />

für <strong>das</strong> Leben<br />

Wir erwachen in den Schatten<br />

<strong>über</strong> dem Kind<br />

Geschrieben nach einem Bericht im ZDF<br />

„Mona Lisa 1997“ <strong>über</strong> die Beschneidung von<br />

Mädchen in Ägypten und Afrika<br />

7Nandi FRIEDEL<br />

ZUWEILEN<br />

Soll einer mir sagen<br />

ihn berührt <strong>das</strong> nicht<br />

zuweilen<br />

<strong>was</strong> uns anspringt<br />

aus einer Linie am Horizont<br />

einem Wort, einem Bild, einem Klang<br />

<strong>was</strong> uns streift<br />

so flüchtig, so inhaltschwer<br />

so unvergesslich<br />

Später dann<br />

abgetan<br />

als Hirngespinst<br />

doch unerreicht im Zauber<br />

nicht wäg-, nicht zähl-, nicht messbar<br />

belächelt<br />

auch den härtesten Zügen<br />

fahrt solches<br />

sänftigend <strong>über</strong>s Gesicht<br />

zuweilen

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!