Unter einem fremden Himmel - Erika Mitterer Gesellschaft
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Ilse Brem<br />
<strong>Unter</strong> <strong>einem</strong> <strong>fremden</strong> <strong>Himmel</strong><br />
Gedichte<br />
Berenkamp, Erlesen Band 26; ISBN978-3-85093-925-6<br />
Als Ilse Brem, die zu den wichtigsten zeitgenössischen Lyrikerinnen<br />
deutscher Sprache gezählt werden muss, Ende 2010<br />
ihren neuesten Gedichtband veröffentlichte, schrieb der Zaunkönig:<br />
„ Wer sich […] mit Ilse Brem dazu bekennen will, dass<br />
hinter der scheinbaren Sinnlosigkeit eine bessere Wirklichkeit<br />
verborgen sein muss, wird die Verse immer wieder dankbar<br />
zur Hand nehmen.“<br />
Im Vorwort zum jetzt erschienenen neuen Gedichtband<br />
schreibt Karlheinz Auckenthaler, er habe die Autorin auf ihre<br />
Überzeugung, dass der Mensch nur Gast auf Erden sei, angesprochen<br />
und die Antwort erhalten, es sei ihr mit dem Alter klar<br />
geworden, dass sie „ein Spiel mitspiele, das sie nicht möchte“.<br />
In diesem Bewusstsein<br />
würde sie nach Auckenthaler<br />
den Ablauf eines Jahres –<br />
beginnend mit dem Gedicht<br />
Ein Jännermorgen bis zu dem<br />
vorletzten Gedicht Silvester<br />
ebenso betrachten wie den<br />
„Lebenslauf von der Kindheit<br />
bis zum Lebensende“ und uns „vom Immanenten zum<br />
Transzendenten“ führen.<br />
Ist also in dieser Lyriksammlung der resignative <strong>Unter</strong>ton noch<br />
stärker spürbar als in den vorhergehenden? Wenn man das<br />
Seite 60
Der literarische Zaunkönig Nr. 3/2013<br />
Lesenswert?<br />
letzte Gedicht des Bandes liest, erkennt man, dass bei aller<br />
Kritik an vielen Zeiterscheinungen, die auf den vorangehenden<br />
Seiten immer wieder durchklingt, die Zuversicht ungebrochen<br />
ist:<br />
Sein Ziel<br />
Er hatte<br />
sein Ziel<br />
erreicht,<br />
dem keines<br />
in seiner Erfüllung<br />
gleicht.<br />
Wunschlos und leicht<br />
geworden<br />
im einsamen Verzicht,<br />
beglückt es ihn,<br />
ein Hauch<br />
in Gottes Atem zu sein.<br />
Die Kraft für diese unbesiegbare Zuversicht schöpft Ilse Brem<br />
offensichtlich aus ihrer Fähigkeit zu Meditation und Selbstanalyse;<br />
schon im Jännermorgen wird die Richtung ihres Denkens<br />
deutlich: „Auf dem Fensterbrett / der Weihnachtsstern<br />
/ kränkelt. // Rostig geworden / die Freundschaften / wie das<br />
Haustor. // Ein milder Jännermorgen / holt tief / Luft, // damit /<br />
Vergangenes / auferstehe, // ohne / beschriftete Blätter / der<br />
Erfahrung // gelebt werde, // wie es nicht war / und hätte sein<br />
können.“<br />
Ilse Brem pflegt aber bei allem Ernst auch den Wortwitz:<br />
Limerick II lautet: „Wer nicht / nach den Pfeifen / anderer<br />
tanzt, // wird bald / aus dem letzten Loch / pfeifen.“ Oder<br />
der Schlussstrich: Die Summe / der Abstriche / bildet / den<br />
Schlussstrich / des Lebens.“<br />
Dennoch, es überwiegt – bei der Analyse, nicht bei den<br />
Schlussfolgerungen – der düstere Ton:<br />
Fortschritt<br />
Die Bienen<br />
sammeln Honig,<br />
die Dichter<br />
Worte.<br />
Vom Aussterben<br />
bedroht sind beide.<br />
Abflug der Störche, wenn es heißt: „Ich warte / mit der Kraft<br />
des Schilfs, / bis eure weißen Spiegelbilder // mit sanften Flügelschlägen<br />
/ den grauen Wellenglanz / bewegen // und eure<br />
klappernden Lieder / mein verschlossenes Herz / öffnen, // bis<br />
es seine / lebenserhaltende Melodie / wiederfindet.“<br />
Auch in diesem Gedichtband beweist die Dichterin wieder<br />
ihre enorme Begabung, mit poetischen Bildern zum Ausdruck<br />
zu bringen, was anders kaum ausgesprochen werden kann.<br />
Wie könnte die unwirtliche Schönheit eines Wintertags besser<br />
beschrieben werden als in dieser Form: „… hörst du im Schutz<br />
/ deiner vier Wände / das Heulen der Windharfe / am Fenster,<br />
// zerbrechen / die Frostkrallen / eines weißen Engels / knirschend<br />
den eisigen Tag, / …“<br />
<strong>Unter</strong> <strong>einem</strong> <strong>fremden</strong> <strong>Himmel</strong> wird mit seinen lyrischen Reflexionen<br />
und den stimmungsvollen Illustrationen, die Ilse Brem<br />
wieder selbst beigesteuert hat, keinen Leser unberührt lassen.<br />
Abendlandschaft<br />
von Ilse Brem<br />
In der Wiese<br />
der alte Nussbaum<br />
führt Selbstgespräche.<br />
Auf dem See<br />
der Abendsonne Stift<br />
zieht mit rotgoldener Schrift<br />
eine strenge Linie<br />
zwischen Leben und Tod.<br />
Die Wellen<br />
flüstern im uralten Chor<br />
ihre unerreichbar<br />
nahen Melodien.<br />
Am Ufer ein Mensch<br />
zwischen Baum,<br />
Wasser und <strong>Himmel</strong><br />
sucht einen Menschen<br />
und findet Gott.<br />
Doch zwischendurch werden immer wieder die unerwarteten<br />
Auswege aus der Hoffnungslosigkeit sichtbar, etwa im Gedicht<br />
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