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„Kooperation von Lehrern“ als Thema der pädagogischen ...

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<strong>„Kooperation</strong> <strong>von</strong> <strong>Lehrern“</strong> <strong>als</strong> <strong>Thema</strong> <strong>der</strong> <strong>pädagogischen</strong> Forschung -<br />

Auszüge aus <strong>der</strong> aktuellen Fachliteratur<br />

(Teil des E.U.LE-Vortrags zur Fachtagung Schulwege am 21./22.März 2007)<br />

Was erfährt man in <strong>der</strong> aktuellen Fachliteratur über <strong>„Kooperation</strong> <strong>von</strong> <strong>Lehrern“</strong>?<br />

Der erste und allgemeinste Befund ist so traurig wie ernüchternd: Kooperation <strong>von</strong><br />

Lehrern gibt es nur wenig.<br />

So selten die Zusammenarbeit <strong>von</strong> Lehrern zu sein scheint, so einhellig und verbreitet<br />

ist die Überzeugung, Kooperation <strong>von</strong> Lehrern ist notwendig, ja ihre Bedeutung nimmt<br />

immer mehr zu. Warum?<br />

Zum einen gehen die Aufgaben <strong>von</strong> Lehrerinnen und Lehrern schon lange über die reine<br />

Wissensvermittlung hinaus und sind in ihrem Anspruch und in ihrer Komplexität <strong>von</strong><br />

Einzelkämpfern kaum noch zu bewältigen.<br />

Zum an<strong>der</strong>en belegen viele Studien und auch <strong>der</strong> Deutsche Schulpreis, dass in guten<br />

Schulen Lehrerkooperation häufiger und anspruchsvoller ist <strong>als</strong> im Durchschnitt.<br />

Das ist schon ein sehr starker Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen<br />

professioneller Kooperation und Schulqualität.<br />

Kooperation hat auch emotionale Effekte: Cornelia Gräsel zitiert dazu aus einer<br />

Untersuchung <strong>von</strong> Johnson und Johnson (2003) „Die wahrgenommene Unterstützung<br />

durch Kolleginnen und Kollegen sowie <strong>als</strong> produktiv und angenehm eingeschätzte<br />

Arbeitsbeziehungen können <strong>als</strong> (kleiner) Schutzschild gegen Arbeitsunzufriedenheit<br />

und Burnout betrachtet werden.“ (Gräsel, A3)<br />

Auch in <strong>der</strong> Evaluation zu unseren Ausbildungstagen spiegelt sich das: „Der<br />

Erfahrungsaustausch in netter Runde hilft ebenfalls, mit dem Schulalltag ruhiger fertig<br />

zu werden. Die Zusammenarbeit mit an<strong>der</strong>en Lehrern ist <strong>der</strong> richtige Weg, Schule zu<br />

verbessern.“<br />

Damit wird verständlich, dass sich viele Schulforscher <strong>der</strong> Frage stellen - Welche<br />

Bedingungen braucht denn gelingende Kooperation?<br />

Es gibt ganz verschiedene Ansätze und Akzente, aber viele Studien nennen <strong>als</strong> Erstes<br />

gemeinsame Ziele. Diese Ziele sollen transparent und klar formuliert sein, gemeinsam<br />

ausgehandelt werden und - zu den persönlichen Zielen <strong>der</strong> Lehrerinnen und Lehrer<br />

passen.<br />

Als weitere Voraussetzung für gelingende Kooperation wird Vertrauen genannt. Der<br />

Wunsch nach Zusammenarbeit darf nicht <strong>als</strong> Schwäche ausgelegt werden.<br />

Teammitglie<strong>der</strong> müssen die Sicherheit haben, <strong>von</strong> den an<strong>der</strong>en unterstützt und<br />

wertgeschätzt zu.<br />

Ein umfassendes Modell für Lehrerkooperation ist das Modell <strong>der</strong> „Professionellen<br />

Lerngemeinschaften“, das <strong>von</strong> Hans-Günther Rolff in die deutschsprachige Forschung<br />

eingebracht wurde. Eine „Professionelle Lerngemeinschaft“ bringt schon im Namen<br />

Ansprüche zum Ausdruck, die auch für unser Programm entscheidend sind:<br />

• Es geht um eine Gemeinschaft - <strong>als</strong>o Menschen mit gleichen Zielen und<br />

wechselseitiger Kommunikation, die sich auch emotional unterstützen<br />

• in <strong>der</strong> die Mitglie<strong>der</strong> lernen - sich <strong>als</strong>o nicht <strong>als</strong> fertige „Alleskönner“ begreifen<br />

• und darum, eine wachsende Professionalität zu erreichen.<br />

- 1 -


Das Konzept <strong>der</strong> Professionellen Lerngemeinschaft ist nicht nur Theorie - die Merkmale<br />

lassen sich auch an Schulen nachweisen. Eine da<strong>von</strong> gestaltet heute bei uns einen<br />

Arbeitskreis. Es handelt sich um den Schulpreisträger „Grundschule Kleine Kielstraße“<br />

in Dortmund.<br />

Kooperation - zählt dazu auch, wenn zwei Kollegen zwischen Tür und Angel ein<br />

Arbeitsblatt austauschen? O<strong>der</strong> wenn sie sich in die Erstellung einer Prüfungsaufgabe<br />

reinteilen?<br />

Natürlich, aber nach Cornelia Gräsel u.a. erfüllt erst die Kooperationsform<br />

„Kokonstruktion“ die Voraussetzungen dafür, die „Qualität des eigenen Arbeitens durch<br />

Anregungen und Reflexion zu verbessern und die eigenen Kompetenzen<br />

weiterzuentwicklen“.<br />

Unter Kokonstruktion wird dabei eine Form <strong>der</strong> Zusammenarbeit verstanden, bei <strong>der</strong><br />

„die Partner sich intensiv hinsichtlich einer Aufgabe austauschen und dabei ihr<br />

individuelles Wissen so aufeinan<strong>der</strong> beziehen, dass sie dabei Wissen erwerben o<strong>der</strong><br />

gemeinsame Aufgaben- und Problemlösungen entwickeln.“<br />

Warum kommen aber so viele Studien zum Ergebnis, dass diese Form <strong>der</strong><br />

Zusammenarbeit zwar wünschenswert, aber nur sehr schwer <strong>von</strong> außen zu initiieren ist?<br />

Warum haben so viele Lehrer Probleme damit, ihren Unterricht selbst für kollegiale<br />

Unterrichtsbesuche zu öffnen?<br />

Für dieses Unbehagen finden sich in <strong>der</strong> Forschung interessante Thesen. So erfor<strong>der</strong>t<br />

eine kollegiale Vernetzung die Einschränkung <strong>der</strong> eigenen Autonomie. Das heißt: will<br />

ich mit Kollegen kollegial lernen, muss ich das Risiko eingehen, Fehler anzusprechen;<br />

muss Vorschläge machen, die auf Ablehnung stoßen könnten, muss den Schutz <strong>der</strong><br />

scheinbaren Gleichheit verlassen.<br />

Um mich auf dieses Wagnis einzulassen, muss ich erfahren haben,<br />

• dass ein offenes Gespräch über die eigene Unterrichtspraxis nicht bedrohlich,<br />

son<strong>der</strong>n bereichernd sein kann,<br />

• dass Unterschiede in den Ansichten über Unterricht zu kreativen neuen Lösungen<br />

führen können und<br />

• dass Konflikte nicht zum Abbruch <strong>von</strong> Kontakt führen müssen, son<strong>der</strong>n sich<br />

konstruktiv nutzen lassen.<br />

Das sagt sich sehr viel leichter <strong>als</strong> es ist.<br />

Für kollegiales Lernen brauchen Lehrer Fähigkeiten, die z.B. Bernhard Sieland schon<br />

<strong>als</strong> Bestandteil <strong>der</strong> Lehrerausbildung for<strong>der</strong>t. Er spricht <strong>von</strong> Selbstwirksamkeitserfahrungen<br />

- im persönlichen, im sozialen und im kollegialen Rahmen. Für ihn gehören<br />

dazu die Analyse eigener Lernmotivationen und persönlicher Lernhin<strong>der</strong>nisse.<br />

Auch Metakognition, Reflexion und konstruktives Feedback werden <strong>als</strong> nützliche<br />

Fähigkeiten gesehen, die einem Lehrer nicht zwingend in die Wiege gelegt werden -<br />

aber gelernt werden können.<br />

Selbst <strong>der</strong> aufgeschlossenste und lernbereiteste Lehrer kann allerdings durch äußere<br />

Bedingungen sehr schnell an Grenzen stoßen. Immer wie<strong>der</strong> betonen Studien die<br />

beson<strong>der</strong>e Verantwortung <strong>der</strong> Schulleitung. So erklärt Cornelia Gräsel die Zustimmung<br />

<strong>der</strong> Schulleitung zu einer schlichtweg notwendigen Bedingung. Aber es gibt auch<br />

Erfahrungen, wo erst durch die gemeinsame Vorgehensweise einer Lehrergruppe die<br />

Zustimmung <strong>der</strong> Schulleitung gewonnen wurde.<br />

Kontrovers diskutiert wird auch die Kooperation ganzer Kollegien. Während Roland<br />

- 2 -


Bätz u.a. sie for<strong>der</strong>t, weil die Professionelle Lerngemeinschaft sonst zum „Biotop für<br />

ohnedies rührige Lehrkräfte“ werden könnte, schätzen an<strong>der</strong>e sehr deutlich ein, dass<br />

erzwungene Kooperation mehr schadet <strong>als</strong> nützt.<br />

Kann man für solche Gruppen bestehende Strukturen nutzen? Zumindest für<br />

fachhomogene Gruppen findet sich in <strong>der</strong> Literatur lei<strong>der</strong> eher, dass sie den<br />

Erwartungen an Kooperation nicht gerecht wurden. Vielleicht erklärt sich das durch den<br />

erfor<strong>der</strong>lichen Perspektivwechsel, <strong>der</strong> in fachfremden Gruppen leichter zu vollziehen<br />

ist.<br />

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das <strong>Thema</strong> <strong>„Kooperation</strong> <strong>von</strong> <strong>Lehrern“</strong><br />

zunehmend <strong>als</strong> wichtiges <strong>Thema</strong> <strong>der</strong> Schulentwicklungsforschung gesehen wird. Auch<br />

weil Kooperation im Sinne kollegialen Lernens zahlreiche positive Nebenwirkungen<br />

hat:<br />

• So werden <strong>von</strong> kooperierenden Lehrern Innovationen eher übernommen und<br />

stabiler beibehalten.<br />

• Durch kollegiales Lernen wird Unterricht eher <strong>als</strong> öffentlich verantwortbare<br />

Aufgabe begriffen.<br />

• Und: Lebenslang und miteinan<strong>der</strong> lernende Lehrer sind Modell für lebenslang<br />

lernende, sozial kompetente Schüler.<br />

Und so möchte ich zum Abschluss Martin Bonsen und Hans-Günter Rolff zitieren:<br />

„Ohne das Lehrkräfte wie reflektierende Praktiker miteinan<strong>der</strong> reden, sich gegenseitig<br />

beobachten und auch helfen, gibt es keine Schulentwicklung.“<br />

Verwendete Quellen für den Vortragsteil <strong>„Kooperation</strong> <strong>von</strong> Lehrern - <strong>als</strong> <strong>Thema</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>pädagogischen</strong> Forschung“ des E.U.LE-Vortrags zur Fachtagung März 2007:<br />

A Zeitschrift für Pädagogik, Heft 2/2006, Thementeil <strong>„Kooperation</strong> im<br />

Lehrerberuf“, Beltz, S.163 - 244<br />

A0 Terhart/Klieme: Kooperation im Lehrerberuf - Forschungsproblem und<br />

Gestaltungsaufgabe. Zur Einführung in den Thementeil<br />

A1 Bonsen/Rolff: Professionelle Lerngemeinschaften <strong>von</strong> Lehrerinnen und Lehrern<br />

A2 Steinert u.a.: Lehrerkooperation in <strong>der</strong> Schule: Konzeption, Erfassung,<br />

Ergebnisse<br />

A3 Gräsel/Fußangel/Pröbstel: Lehrkräfte zur Kooperation anregen - eine Aufgabe<br />

für Sisyphos?<br />

A4 Kelchtermans: Teacher collaboration and collegiality as workplace conditions. A<br />

review<br />

B Journal für Schulentwicklung 3/2006<br />

B0 Strittmatter: Professionelle Lerngemeinsschaften. Editorial<br />

B1 Sieland: Ungewolltes Lernen <strong>als</strong> Risiko im Hause des Lernens<br />

B2 Strittmatter: „Todsünden“ und „Kardinaltugenden“ <strong>der</strong> Personalführung<br />

B3 Bonsen/<strong>von</strong> <strong>der</strong> Gathen: Fünf Säulen professionellen Lernens<br />

B4 Bätz/Heller/Schröck: Perspektive <strong>der</strong> Teamarbeit an Schulen<br />

B5 Herzmann/Sparka/Gräsel: Leseför<strong>der</strong>ung durch professionelle Kooperation<br />

B6 Kunz Heim: Das Modell des systemorientierten Weiterlernens <strong>von</strong> Lehrpersonen<br />

C1 Bräuer: Arbeiten in Projektgruppen zur Gesundheitsför<strong>der</strong>ung in Schulen.<br />

- 3 -


in: Lehrergesundheit - Baustein einer guten gesunden Schule, Deutsche<br />

Angestellten Krankenkasse, Hamburg 2006 (Download unter:<br />

http://www.dak.de/content/filesopen/Handbuchf%FCr%20Lehrergesundheit.pdf<br />

)<br />

D Kreis / Stern: Studien zur Lehrerprofessionalität. Einige Forschungsergebnisse<br />

aus dem Imst 2 -Projekt<br />

(www.iff.ac.at/ius/mitarbeiterinnen/stern/Kreis_Stern_OEFEB03.pdf)<br />

P Gräsel, C. u.a.: Poster aus Vorträgen (http://www.zbl.uniwuppertal.de/graesel/vortraege/index.html)<br />

P1 Die Wirkungen <strong>von</strong> Lehrerfortbildungen auf Lehrerkooperation,<br />

Unterrichtbewertung und Lehrkultur.<br />

P2 Die Rolle <strong>der</strong> Schulleitung in Innovationsprojekten und in Chemie im Kontext<br />

P3 Vom Mehrwert <strong>der</strong> kooperativen Zusammenarbeit<br />

P4 Sichtweisen <strong>von</strong> Lehrkräften zur Lehrerkooperation<br />

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