27.08.2013 Aufrufe

‚Hauswirtschaft': Eine Einführung - Kulturelle Grundlagen von ...

‚Hauswirtschaft': Eine Einführung - Kulturelle Grundlagen von ...

‚Hauswirtschaft': Eine Einführung - Kulturelle Grundlagen von ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

‚Hauswirtschaft’: <strong>Eine</strong> <strong>Einführung</strong><br />

Sowohl im materiellen, wie auch ideellen Sinn bildet das Haus das Fundament<br />

des städtischen Lebens und Wirtschaften. Die Einsicht ist trivial, gewiss, die viel-<br />

fältigen Formen der Hauwritschaft (dazu gehört das Wirtschaften mit Häusern)<br />

aber sind nicht einmal in Ansätzen erschlossen. Darüber werde ich am nächsten<br />

Dienstag nicht referieren, sondern mich dem Thema meines aktuellen For-<br />

schungsprojektes entsprechend auf einen Teilbereich, auf die Pfändungen und<br />

Zwangsversteigerungen konzentrieren. Das hauswirtschaftliche Scheitern ist, so<br />

meine These, ein Produkt des Systems, also eine Art spätmittelalterliche ‚Immo-<br />

bilienblase’, und keine Folge ominöser Wirtschaftskräfte. Um meinen Argumen-<br />

ten besser folgen zu können muss ich allerdings einige (sorry), schwer verdauli-<br />

che Basisinformationen vorausschicken. 1<br />

Übersicht<br />

Einleitung 2<br />

Basisdaten 3<br />

Grundherrschaftlich belastetes Eigen 6<br />

Lediges Eigen 13<br />

Bezahlungsmodalitäten 14<br />

- Barzahlungen 14<br />

- Ratenzahlungen 15<br />

- neue Darlehen ... 18<br />

- und alte Hypotheken 22<br />

Schluß 25<br />

1 Die wichtigsten Informationen habe ich unterstrichen.<br />

Gabriela Signori, Konstanz


Gabriela Signori Hauswirtschaft (18.12.2012)<br />

Einleitung<br />

Über den Stellenwert des Hauses in Wirtschaft und Gesellschaft des späten Mit-<br />

telalters ist in den letzten hundert Jahren sehr viel spekuliert, insgesamt aber<br />

erstaunlich wenig systematisch geforscht worden. 2 Die ältere Rechtsgeschichte<br />

interessierte sich im Vorfeld des BGB für die vormodernen Spielarten des Eigen-<br />

tumsbegriffs, 3 während die Verfassungsgeschichte konzentriert der Frage nach-<br />

ging, welche Bedeutung dem Hausbesitz für die Erlangung des Bürgerrechts zu-<br />

kam. 4 Die ältere Sozialgeschichte wiederum fokussierte ihre Aufmerksamkeit vor-<br />

nehmlich auf die Immobilien als professionelle Anlageobjekte, 5 oder sie lenkte<br />

den Blick in jüngerer Zeit auf ausgewählte städtische Grundherrschaften. 6 Der<br />

Komplexität des Hauses, in dem Gesellschaft, Recht, Politik und Ökonomie zu<br />

einem geschlossenen Ganzen verschmelzen, wird jedoch keiner der genannten<br />

Ansätze gerecht. 7 Denn sie behandeln ausnahmslos Teilaspekte und verlieren<br />

deshalb das soziale Ganze aus dem Blick.<br />

2 Zumindest in Deutschland nicht. Anders verhält es sich in England und Frankreich vgl. unter anderem die<br />

2<br />

vorzügliche Monographie <strong>von</strong> DEREK KEEN, A Survey of Medieval Winchester, 2 Bde., Oxford 1986, sowie<br />

die bahnbrechenden Sammelbände: D’une ville à l’autre. Structures matérielles et organisation de l’espace<br />

dans les villes européennes (XIII e–XVI e siècle), hrsg. <strong>von</strong> JEAN-CLAUDE VIGUEUR (Collection de l’École fran-<br />

çaise de Rome 122), Rom 1989; Le sol et l’immeuble. Les formes dissociées de propriété immobilière dans<br />

les villes de France et d’Italie (XII e–XIX e siècle), hrsg. <strong>von</strong> OLIVIER FARON u. ÉTIENNE HUBERT, Paris 1995.<br />

Der Sammelband Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, hrsg. <strong>von</strong> ALFRED HAVERKAMP (Städ-<br />

teforschung A/18) Köln-Wien 1984, geht nicht auf die materiellen Dimensionen des Hauses ein.<br />

3 WOLFGANG DANNHORN, Römische Emphyteuse und deutsche Erbleihe. Ein Beitrag zur Entstehung der<br />

Wissenschaft vom deutschen Privatrecht (Forschungen zur deutschen Rechtsgeschichte 21), Köln 2003.<br />

4 EBERHARD ISENMANN, Bürgerrecht und Bürgeraufnahme in der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen<br />

Stadt, in: Neubürger im späten Mittelalter. Migration und Austausch in der Städtelandschaft des alten Rei-<br />

ches (1250–1550), hrsg. <strong>von</strong> Rainer Christoph Schwinges (ZHF. Beiheft 30), Berlin 2002, S. 203–249.<br />

5 Unter anderem AHASVER VON BRANDT, Der Lübecker Rentenmarkt 1320–1350, Düsseldorf 1935; ROLF<br />

SPRANDEL, Der städtische Rentenmarkt in Nordwestdeutschland im Spätmittelalter, in: Öffentliche Finan-<br />

zen und privates Kapital im späten Mittelalter und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, hrsg. <strong>von</strong><br />

HERMANN KELLENBENZ (Forschungen zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 16), Stuttgart 1971, S. 14–23;<br />

HANS-PETER BAUM u. ROLF SPRANDEL, Zur Wirtschaftsentwicklung im spätmittelalterlichen Hamburg, in:<br />

Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 59 (1972), S. 473–488.<br />

6 NIKOLAS JASPERT, Stift und Stadt. Das Heiliggrabpriorat <strong>von</strong> Santa Anna und das Regularkanonikerstift<br />

Santa Eulàlia del Camp im mittelalterlichen Barcelona (1145–1423) (Berliner historische Studien 24. Or-<br />

densstudien 10), Berlin 1996, S. 302–330; MONIKA FEHSE, Dortmund um 1400 Hausbesitz, Wohnverhält-<br />

nisse und Arbeitsstätten in der spätmittelalterlichen Stadt (Dortmunder Mittelalter-Forschungen 4), Biele-<br />

feld 2005; THOMAS WIRTZ, Vertrauen und Kredit in der frühneuzeitlichen Stadt, in: Gläubiger, Schuldner,<br />

Arme. Netzwerke und die Rolle des Vertrauens, hrsg. <strong>von</strong> CURT WOLFGANG HERGENRÖDER, Halle 2010, S.<br />

57–70.<br />

7 Mit diesem sozialen Ganzen ist aber nicht Brunners „ganze Haus“ gemeint, das an der spätmittelalterlichen<br />

Realität völlig vorbeizielt, vgl. CLAUDIA OPITZ, Neue Wege der Sozialgeschichte? Ein kritischer Blick auf Otto


Gabriela Signori Hauswirtschaft (18.12.2012)<br />

Die Basisdaten<br />

Die Grundlage meiner Ausführungen bilden rund 260 Kaufverträge, die in den<br />

Jahren zwischen 1475 und 1480 vor dem Basler Schöffengerichten aufgesetzt und<br />

in den entsprechenden Gerichtsbüchern, den sogenannten Fertigungsbüchern,<br />

festgehalten wurden. 8 Fertigen bedeutet so viel, wie einen Vertrag in Schriftform<br />

kleiden, nördlich der Alpen das Kerngeschäft der Schöffengerichte (Freiwillige<br />

Gerichtsbarkeit). 9 Südlich der Alpen fielen diese Geschäfte hingegen ausschließ-<br />

lich in den Zuständigkeitsbereich der Notare. 10<br />

Ins Auge sticht zunächst die außerordentliche Dynamik, die den spätmittel-<br />

alterlichen Liegenschaftsmarkt auszeichnet, das heißt, die enorm hohe Fluktuati-<br />

on, mit der im ausgehenden 15. Jahrhundert die Liegenschaften die Hände wech-<br />

selten. 11 Im Durchschnitt waren es rund vierzig Häuser pro Jahr. Ab 1479 ver-<br />

doppelte sich die Zahl sogar auf achtzig, was bei einer Gesamtzahl <strong>von</strong> rund zwei-<br />

tausend Häusern zwei Prozent ergibt. 12 Ein Hundertfaches der aktuellen Prozen-<br />

zahlen! 13 Zumindest partiell erklärt sich die hohe Fluktuation aus der ebenso ho-<br />

hen Zuwanderungsrate, mit der die spätmittelalterlichen Städte ihr demographi-<br />

sches Ungleichgewicht ausbilanzierten. 14 Dementsprechend zahlreich finden sich<br />

Brunners Konzept des „ganzen Hauses“, in: Geschichte und Gesellschaft 20 (1994), S. 88–98; VALENTIN<br />

GROEBNER, Außer Haus. Otto Brunner und die „alteuropäische Ökonomik“, in: Geschichte in Wissenschaft<br />

und Unterricht 46 (1995), S. 69–80.<br />

8 HANS-RUDOLF HAGEMANN, Basler Rechtsleben im Mittelalter, Bd. 2: Zivilrechtspflege, Basel-Frankfurt am<br />

Main 1987, S. //–//.<br />

9 Zum Begriff vgl. HELEN WANKE, Zwischen geistlichem Gericht und Stadtrat. Urkunden, Personen und Orte<br />

der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Straßburg, Speyer und Worms im 13. und 14. Jahrhundert (Quellen und<br />

Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 119), Mainz 2009, S. //.<br />

10 Vgl. ANDREAS MEYER, Felix et inclitus notarius. Studien zum italienischen Notariat vom 7. bis zum 13. Jahr-<br />

hundert (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 92), Tübingen 2000.<br />

11 Einzelne Objekte wechselten ihren Besitzer sogar in einem Abstand <strong>von</strong> wenigen Monaten. Ein Jahr war es<br />

bei dem Haus, genannt Bell Hinden (120 bzw. 121 Gulden), beim Haus zum Bild (410 Gulden) und beim<br />

Wirtshaus zum großen Holde (242 bzw. 226 Gulden). Zwei Jahre waren es bei den Häusern Butenheim (170<br />

bzw. 165 Gulden), Helfenstein (160 bzw. 223 Gulden) und Roggenbach (80 Gulden) und drei Jahre beim<br />

Haus zum Einhorn (180 bzw. 200 Gulden) und der Oberburg (40 bzw. 26 Pfund).<br />

12 GUSTAV SCHÖNBERG, Basels Bevölkerungszahl im 15. Jahrhundert, Jena 1883; HEKTOR AMMANN, Die Bevöl-<br />

kerung <strong>von</strong> Stadt und Landschaft Basel am Ausgang des Mittelalters, in: BZGA 49 (1950), S. 25–52.<br />

13 Im Vergleich zu den Daten des Immobilienmarktbericht 2011. Gutachterausschuss für Grundstückswerte für<br />

den Bereich der Stadt Konstanz, Konstanz 2012.<br />

14 JOSEF GISLER, Vermögensverteilung, Gewerbetopographie und städtische Binnenwanderung im spätmittel-<br />

alterlichen Zürich, 1401–1425, in: Zürcher Taschenbuch auf das Jahr 1994, Zürich 1993, S. 29–59; WILLI<br />

SCHOCH, Die Bevölkerung der Stadt St. Gallen im Jahre 1411. <strong>Eine</strong> sozialgeschichtliche und sozialtopogra-<br />

3


Gabriela Signori Hauswirtschaft (18.12.2012)<br />

unter den Hauskäufern nicht nur Bürger, sondern auch Einwohner und Hin-<br />

tersassen. 15<br />

Die überragende Mehrzahl der Liegenschaften (75 Prozent) – Häuser genauso<br />

wie Gärten, Rebäcker, Matten oder bloßes Gelände – wurden <strong>von</strong> Ehepaaren ge-<br />

kauft. Das ist schon der älteren Rechtsgeschichte aufgefallen. 16 Aus sozial- und<br />

geschlechtergeschichtlicher Perspektive ist der Befund aber nicht gewürdigt wor-<br />

den. Hier hat die Trennung zwischen Frauen- und Geschlechtergeschichte (die<br />

sich meist mit Frauen befaßt) und Sozialgeschichte (die auf Männer fokussiert)<br />

den Blick darauf verstellt, daß in vielen spätmittelalterlichen Wirtschaftsberei-<br />

chen Mann und Frau gemeinsam und nicht nach Geschlecht getrennt agierten. 17<br />

Dies wirft ein völlig anderes Licht auf das Verhältnis zwischen den Geschlech-<br />

tern. 18<br />

Soweit es sich erkennen läßt, waren es eher jüngere Ehepaare aus mittelstän-<br />

dischen Handwerkerkreisen, 19 die sich mit dem Erwerb einer Liegenschaft nicht<br />

nur eigenen Wohn- und Lebensraum, sondern auch ein materielles Fundament<br />

erschufen, auf das sie im Alter zurückgreifen konnten. Rechtlich waren diese Lie-<br />

genschaften grundsätzlich den Erben „verfangen“ und folgten in Basel und ande-<br />

4<br />

phische Untersuchung (St. Galler Kultur und Geschichte 28) Diss. Zürich 1995, St. Gallen 1997; GABRIELA<br />

SIGNORI, Geschichte/n einer Straße. Gedanken zur lebenszyklischen Dynamik und schichtenspezifischen<br />

Pluralität städtischer Haushalts- und Familienformen, in: Die Aktualität des Mittelalters, hrsg. <strong>von</strong> HANS-<br />

WERNER GOETZ (Herausforderungen 10), Bochum 2000, S. 191–230; BRUNO KOCH, Neubürger in Zürich.<br />

Migration und Integration im Spätmittelalter (Forschungen zur mittelalterlichen Geschichte 40), Weimar<br />

2002; HANS-JÖRG GILOMEN, Demographie und Mobilität, in: Häuser – Namen – Identitäten. Beiträge zur<br />

spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Stadtgeschichte, hrsg. <strong>von</strong> KARIN CZAJA und GABRIELA SIGNORI<br />

(Spätmittelalterstudien 1), Konstanz 2009, S. 11–28.<br />

15 Der Nexus zwischen Immobilienbesitz und Bürgerrecht hatte sich im Verlauf des 15. Jahrhunderts vielerorts<br />

gelockert (vgl. ISENMANNs Überblick in Anm. 3), so daß das eine nicht mehr automatisch zum anderen führt,<br />

et vice versa. Speziell zu Basel ROLF E. PORTMANN, Basler Einbürgerungspolitik, 1358–1798, mit einer Be-<br />

rufs- und Herkunftsstatistik des Mittelalters (Basler Statistik 3), Basel 1979.<br />

16 WILHELM ARNOLD, Zur Geschichte des Eigentums in den deutschen Städten, Basel 1861, Neudruck: Aalen<br />

1966, S. 165–168.<br />

17 GABRIELA SIGNORI, Altersvorsorge im Spannungsfeld <strong>von</strong> Recht und Pflicht, in: Akten des 36. Rechts-<br />

historikertages, hrsg. <strong>von</strong> Rolf Lieberwirth und Heiner Lück, (Nomos Verlagsgesellschaft: Baden-Baden<br />

2008), S. 327–345.<br />

18 Und deckt die Unzulänglichkeit der vielen Arbeiten auf, die sich, so der klassische Titel, mit der Rechts-<br />

stellung der Frau im Mittelalter befassen.<br />

19 Stadtadel und städtische Wirtschaftseliten organisierten die Ehegüterfrage anders. Vgl. GABRIELA SIGNORI,<br />

Similitude, égalié et reciprocité: L’économie matrimoniale dans les sociétés urbaines de l’Empire à la fin du<br />

du Moyen Âge, in: Annales 2012, S. 657–678.


Gabriela Signori Hauswirtschaft (18.12.2012)<br />

ren süddeutschen Städten dem Dritteilsrecht. 20 Das heißt: der Mann erhielt im<br />

Erbfall jeweils zwei Drittel, die Frau ein Drittel der gemeinsam erworbenen Mobi-<br />

lien und Immobilien zu. <strong>Eine</strong> frühzeitige Erbteilung zuungunsten des Superstes<br />

(desjenigen, der den anderen überlebte) konnte vermieden werden, wenn sich die<br />

Ehepaare noch zu Lebzeiten die Häuser gegenseitig zum Nießbrauch vermachten<br />

(„widmeten“). Voraussetzung hierzu war allerdings Kinderlosigkeit. 21 Da<strong>von</strong><br />

machten die betroffenen Ehepaare regen Gebrauch.<br />

Ehepaare waren es auch, aber vorwiegend ältere, die zur privaten Altersvorsorge<br />

ihr Vermögen in Darlehensform zumeist in denselben Liegenschaften anlegten,<br />

die sie zuvor verkauft hatten. Von den Zinsen ließ sich bei einer Darlehenssumme<br />

<strong>von</strong> durchschnittlich hundert Gulden bzw. einem Jahreszins <strong>von</strong> durchschnittlich<br />

zwanzig Gulden gut leben (mit einem Zinsfuß <strong>von</strong> konstant fünf Prozent). Be-<br />

gehrt war das Haus also nicht nur als Wohn- und Lebensraum für Paare, die<br />

frisch zugezogen waren oder sich <strong>von</strong> ihren Eltern unabhängig gemacht hatten,<br />

sondern zu einem späteren Zeitpunkt im Lebenszyklus auch als Anlageobjekt, das<br />

zur privaten Altersvorsorge diente. 22 In diesem Sinn ist der Begriff ‚Hauswirt-<br />

schaft’ sehr wörtlich als eine im Lebenszyklus verankerte Wirtschaftsform zu be-<br />

greifen, die sich, wenngleich nicht ausschließlich, so doch in erheblichem Umfang<br />

auf das vielgestaltige Wirtschaften mit Häusern stützt. <strong>Eine</strong> ‚Ökonomie ohne<br />

Haus’, um auf den griffigen Titel <strong>von</strong> Valentin Groebners Doktorarbeit zu rekur-<br />

rieren, gab es in der spätmittelalterlichen Stadt nicht. 23 Selbst Miete und Unter-<br />

miete sind als konstitutive Bestandteile dieser Hauswirtschaft zu begreifen. 24<br />

20 GERHARD KÖBLER, Das Familienrecht in der spätmittelalterlichen Stadt, in: Haus und Familie (Anm. 1), S.<br />

136–160.<br />

21 Rechtsquellen <strong>von</strong> Basel. Stadt und Land, hrsg. <strong>von</strong> JOHANNES SCHNELL, Teil 1, Basel 1856, S. //. Vgl.<br />

GABRIELA SIGNORI, Vorsorgen – Vererben – Erinnern. Kinder- und familienlose Erblasser in der städtischen<br />

Gesellschaft des Spätmittelalters (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 160), Göttin-<br />

gen 2001, S. 63–143.<br />

22 GABRIELA SIGNORI, Städtische Hofherrschaft als Hauswirtschaft (13. und 14. Jahrhundert), in: Zeitschrift für<br />

Historische Forschung 38 (2011), S. 1–23.<br />

23 VALENTIN GROEBNER, Ökonomie ohne Haus. Zum Wirtschaften armer Leute in Nürnberg am Ende des 15.<br />

Jahrhunderts (Veröffentlichungen des MPI für Geschichte 108), Göttingen 1993.<br />

24 Mietverträge wurden jedoch nicht vor das Schöffengericht getragen, weswegen sich dieses Segment der<br />

‚Hauswirtschaft’ in den Städten des Südwestens unserem Zugriff weitgehend entzieht. Vgl. PAUL SCHULIN,<br />

Zur Geschichte der mittelalterlichen Miete in west- und süddeutschen Städten, in: Zeitschrift der Savigny-<br />

Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung 41 (1920), S. 127–209, sowie aus der Perspektive<br />

der Mieter SIMONE ROUX, Le coût du logement ordinaire à Paris au XV e siècle, in: D’une ville à l’autre (Anm.<br />

1), S. 243–63.<br />

5


Gabriela Signori Hauswirtschaft (18.12.2012)<br />

Schwierig ist es schließlich auch, den Handel mit Liegenschaften als Markt zu<br />

bezeichnen. Denn dieser Markt folgte nicht dem preisregulierenden Wechselspiel<br />

<strong>von</strong> Angebot und Nachfrage, sondern dem Lebenszyklus. Die Preise selbst blieben<br />

über die Jahre hinweg bemerkenswert konstant.<br />

Diesen materiellen genauso wie immateriellen Dimensionen des städtischen Im-<br />

mobilienbesitzes möchte ich im Folgenden detaillierter nachgehen. Zunächst<br />

werde ich anhand ausgewählter Beispiele die komplexen rechtlichen Rahmenbe-<br />

dingungen vorstellen, in die sich im ausgehenden 15. Jahrhundert der Handel mit<br />

Liegenschaften einschreibt. Das ist nötig, weil es grundsätzlich andere Bedingun-<br />

gen sind als die besser bekannten, die im ausgehenden 13. und 14. Jahrhundert<br />

vorherrschten. 25 Im zweiten Teil meiner Ausführungen werde ich dann ausführli-<br />

cher auf die soziokulturellen Dimensionen der Praxis eingehen, indem ich zu-<br />

nächst ein Käuferprofil erstelle, dann die Aufmerksamkeit auf die Verkäufer und<br />

ihre Beweggründe lenke, eine Liegenschaft ganz oder in Teilen zu veräußern. Im<br />

dritten und letzten Teil werde ich den Fokus erneut, aber in sozialgeschichtlicher<br />

Perspektive auf die riskanten Finanzierungsmodelle lenken, die schließlich zu den<br />

Fällen überleiten, in denen es den Käufern nicht gelang, fristgerecht ihren Zah-<br />

lungsverpflichtungen nachzukommen. Teil 2 und 3 ist aber nicht nicht geschrie-<br />

ben.<br />

Grundherrschaftlich belastetes Eigen<br />

Die überragende Mehrzahl (85 Prozent) der 260 Häuser, die in den Jahren zwi-<br />

schen 1475 und 1480 ihren Besitzer wechselten, waren „<strong>von</strong> Eigenschaft“ mit<br />

25 In dieser Phase herrschte die Erbleihe vor, die wissenschaftlich, aus den eingangs genannten Gründen breit<br />

6<br />

erschlossen ist. Vgl. JOSEPH GOBBERS, Die Erbleihe und ihr Verhältnis zum Rentenkauf im mittelalterlichen<br />

Köln des 12.–14. Jahrhunderts, Weimar 1883; OTTO JÄGER, Die Rechtsverhältnisse des Grundbesitzes in der<br />

Stadt Straßburg während des Mittelalters, Straßburg 1888; ERNST FREIHERR VON SCHWIND, Zur Entste-<br />

hungsgeschichte der freien Erbleihen in den Rheingegenden und den Gebieten der nördlichen Kolonisation<br />

des Mittelalters (Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte 35, Breslau 1891; SIEGFRIED<br />

RIETSCHEL, Die Entstehung der freien Erbleihe, Weimar 1901; ALOIS WINIARZ; Erbleihe und Rentenkauf in<br />

Österreich ob und unter der Enns im Mittelalter (Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsge-<br />

schichte 80), Breslau 1906; HERMANN HALLERMANN, Die Erbleihe an Grundstücken in den westfälischen<br />

Städten bis 1500 (Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte 135), Breslau 1925; KARL<br />

BEER, Beiträge zur Geschichte der Erbleihe in elsässischen Städten. Mit einem Urkundenanhang (Schriften<br />

des Wissenschaftlichen Instituts der Elsass-Lothringer im Reich an der Universität Frankfurt. NF, 11),<br />

Frankfurt am Main 1933; KARL FISCHER, Die Erbleihe im Köln des 12. bis 14. Jahrhunderts, Düsseldorf 1939.


Gabriela Signori Hauswirtschaft (18.12.2012)<br />

grundherrschaftlichen Abgaben belastet. Eigenschaft bedeutet so viel wie Be-<br />

sitz. 26 Als Abgabenempfänger treten ausgewählte Basler Adelsgeschlechter und –<br />

massiv – kirchliche Institutionen in Erscheinung: allen voran das Basler Spital,<br />

gefolgt <strong>von</strong> dem Kloster St. Leonhard, dem Petersstift, der Dompräsenz und dem<br />

Kluniazenserkloster St. Alban in der gleichnamigen Vorstadt. 27 Das Phänomen ist<br />

aus vielen anderen spätmittelalterlichen Städten bekannt, hat in der Forschung<br />

aber gelegentlich zu Mißverständnissen geführt, was die tatsächlichen Besitzver-<br />

hältnisse anbelangt. Die grundherrschaftlichen Belastungen „<strong>von</strong> Eigenschaft“<br />

oder „<strong>von</strong> Eigenschaft wegen“ tangieren die Besitzfrage in keiner Weise. 28 Es sind<br />

zwei zwar eng miteinander verwobene, aber grundsätzlich verschiedene Sachver-<br />

halte. Ein Beispiel soll zu verstehen helfen, was auf Anhieb so unlogisch scheint.<br />

Am 4. Oktober 1475 erwarben sich der Gewandmann Michel Iselin und seine<br />

Frau Elsin Bischofin für den Preis <strong>von</strong> 40 Gulden sechs Häuser samt Gärten, die<br />

als geschlossene Häuserzeile in der Vorstadt zum Kreuz lagen. 29 Verkäufer war<br />

26 Grimm.<br />

27 KONRAD W. HIERONIMUS, Das Hochstift Basel im ausgehenden Mittelalter (Quellen und Forschungen), Basel<br />

1938; GUY P. MARCHAL, Die Statuten des weltlichen Kollegiatstifts St. Peter in Basel. Beiträge zur Geschichte<br />

der Kollegiatstifte im Spätmittelalter mit kritischer Edition des Statutenbuchs und der verfassungsge-<br />

schichtlichen Quellen, 1219–1529 (Quellen und Forschungen zur Basler Geschichte 4), Basel 1972; BEAT<br />

MATTHIAS VON SCARPATETTI, Die Kirche und das Augustiner-Chorherrenstift St. Leonhard in Basel (11./12.<br />

Jh.–1525). Ein Beitrag zur Geschichte der Stadt Basel und der späten Devotio Moderna (Basler Beiträge zur<br />

Geschichte 131), Basel 1974; HANS- JÖRG GILOMEN, Die Grundherrschaft des Basler Cluniazenser-Priorates<br />

St. Alban im Mittelalter. Ein Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte am Oberrhein (Quellen und Forschungen zur<br />

Basler Geschichte 9), Basel 1977; MICHAELA VON TSCHARNER-AUE, Die Wirtschaftsführung des Basler Spitals<br />

bis zum Jahre 1500. Ein Beitrag zur Geschichte der Löhne und Preise (Quellen und Forschungen zur Basler<br />

Geschichte 12), Basel 1983.<br />

28 Als Käufer agiert die Kirche nie, sondern der Amortisationsgesetzgebung entsprechend ausschließlich als<br />

Verkäufer (35 mal). Viele Städte verboten Liegenschaftsbesitz in der toten Hand, vgl. WILHELM KAHL, Die<br />

deutschen Amortisationsgesetze, Tübingen 1879; Entgegen den obrigkeitlichen Bestrebungen, Liegen-<br />

schaftsbesitz in „toter Hand“ zu verbieten, vgl. HANS-JÖRG GILOMEN, Renten und Grundbesitz in der Toten<br />

Hand – Realwirtschaftliche Probleme der Jenseitsökonomie, in: Himmel, Hölle, Fegefeuer. Das Jenseits im<br />

Mittelalter, hrsg. <strong>von</strong> Peter Jezler, Zürich 1994, S. 135–148.<br />

29 Ein Kaufpreis <strong>von</strong> nur 40 Gulden für sechs Häuser irritiert, hängt in diesem Fall jedoch mit den komplexen<br />

Rechten zusammen, die auf den Häusern lagen. Zum Verkauf standen nämlich nur T nowers zwei Drittel<br />

und nicht das Drittel seiner verstorbenen Frau. Kinder hatten die beiden keine. Ihr Widemsvertrag datiert<br />

aus dem Jahr 1472, worin sie sich gegenseitig das Nießbrauchrecht an den sechs Häusern einräumten<br />

(Staatsarchiv Basel-Stadt, Gerichtsarchiv B = Fertigungsbücher, Bd. 9, S. 30). Die Iselins spielte in einer<br />

ganz anderen Liga. Sie legten in den 70er Jahren ihr gesamtes Vermögen (über zweitausend Gulden) in Im-<br />

mobilien an (Staatsarchiv Basel-Stadt, Steuern B 19, St. Peter [S. 2]: 2200 Gulden), die sie mit Ausnahme<br />

des Roten Hof, in dem sie lebten, allesamt an Dritte vermieteten (Staatsarchiv Basel-Stadt, Gerichtsarchiv B<br />

= Fertigungsbücher, Bd. 11, fol. 130 v). Am Samstag, den 25. Oktober 1483 setzte das Ehepaar ein Gemein-<br />

schaftstestament au (ebd., Bd. 11, S. 225–231).<br />

7


Gabriela Signori Hauswirtschaft (18.12.2012)<br />

der frisch verwitwete Bäcker Kaspar T nower (gest. 1477). 30 Als Einheit zu er-<br />

kennen waren die Häuser durch eine gemeinsame Umzäunung (Bifang). Trotz-<br />

dem zinste jedes der sechs Häuser, wirklich jedes, einem anderen Grundherren:<br />

Genannt wird als erster der Junker Thomas Sürlin 31 , so dann die Domkämmerei,<br />

die Dompräsenz, die Predigerbrüder, die Herren zu St. Peter und schließlich noch<br />

die Basler Kartäuser, deren Kloster sich auf der rechten Rheinseite befand. 32 Die<br />

grundherrschaftlichen Abgaben bewegen sich zwischen dem Höchstbetrag <strong>von</strong><br />

einem Pfund fünf Schillingen, die an Junker Thomas Sürlin gingen, und den be-<br />

scheidenen sechs Schillingen, die an die Kämmerei des Basler Münsters zu ent-<br />

richten waren. 33<br />

Sechs Häuser in einer Zeile auf einmal zu veräußern war ein seltenes, aufsehener-<br />

regendes Ereignis, wie das Zeigefinger-Symbol nahelegt, mit dem der Gerichts-<br />

schreiber auf den Verkauf aufmerksam machte:<br />

F Item, da gibt zu kaufen Kaspar T nower, Basler Bürger, für sich und alle seine<br />

Erben dem ehrbaren Michel Iselin, dem Tuchhändler (Wattmann), auch ein Basler<br />

Bürger, der für sich selbst, seine Frau Elsin und ihrer beider Erben recht und<br />

redlich gekauft hat die Zweidrittel und gänzlich alle Rechte, die Kaspar T nower<br />

hat und haben mag an den sechs Häusern und Hofstätten mit Gärten und allen<br />

darin enthaltenen Rechte und Zubehör, die in der Stadt Basel in der neuen Vorstadt<br />

in einer Umzäunung (Bifang) nebeneinander liegen, zwischen Ulrichs zum<br />

Luft zu einer und Meister Heinrich Gigers, des Messerschmieds Häusern und<br />

Gärten zur anderen Seite, sowie den dritten Teil der genannten Häuser und Gärten,<br />

die Kaspar durch seine verstorbene Ehefrau verwidmet worden sind, der aber<br />

nach Kaspars Tod an Engelin <strong>von</strong> Töss, die rechtmäßige Erbin seiner verstorbenen<br />

Frau, fallen sollen nach Basler Widemsrecht etc. Das eine Haus zinst Junker<br />

Thomas Sürlin 1 Pfund 5 Schillinge, das zweite dem Kämmerer auf Burg 6 Schillinge,<br />

das dritte den Predigern 10 Schillinge 4 Denare, das vierte der Präsenz auf<br />

Burg 15½ Schillinge, das fünfte dem Schaffner des Petersstift 12 Schillinge, das<br />

sechste den Kartäusern 10 Schillinge. Und ist der Kauf geschehen um 40 Gulden.<br />

34<br />

30 Staatsarchiv Basel-Stadt, Steuern B 19, St. Peter (S. 33): 400 Gulden.<br />

31 Vgl. RUDOLF WACKERNAGEL, Geschichte der Stadt Basel, 3 Bde., Basel 1907–1924, S. //.<br />

32 ELSANNE GILOMEN-SCHENKEL, Basel, St. Margareten, in: Les chartreux en Suisse, redigiert <strong>von</strong> Bernard<br />

8<br />

Andenmatten in Zusammenarbeit mit Arthur Bissegger, Patrick Braun und Elsanne Gilomen-Schenkel (Hel-<br />

vetia Sacra. Section III: Les ordres suivant la règle de Saint-Benoît 4), Basel 2006, S. 47–86.<br />

33 AUGUST GNANN, Beiträge zu Verfassungsgeschichte der Domkapitel <strong>von</strong> Basel und Speyer bis zum Ende des<br />

15. Jahrhunderts, Tübingen 1905; KONRAD W. HIERONIMUS, Das Hochstift Basel im ausgehenden Mittelalter<br />

(Quellen und Forschungen), Basel 1938.<br />

34 Staatsarchiv Basel-Stadt, Gerichtsarchiv B = Fertigungsbücher, Bd. 10, S. 27: Martis post Michahelis: Jtem<br />

do git ze kouffen Caspar T nower, burger zü Basel, fúr sich vnd alle sin erben dem erbern Michel Yselin,


Gabriela Signori Hauswirtschaft (18.12.2012)<br />

Ob der Vielzahl der Häuser, die am 4. Oktober 1475 den Besitzer wechselten, ver-<br />

kürzte der Gerichtsschreiber das Vertragsformular. Gewöhnlich werden nämlich<br />

nicht nur die Zinspfennige aufgeführt, die <strong>von</strong> eigenschaft jährlich zu festgesetz-<br />

ten Terminen an den Grundherren zu entrichten waren, sondern auch die vor-<br />

nehmlich symbolischen Abgaben, die am Tag der Weisung (meist zu Martini)<br />

abermals jährlich in Gestalt <strong>von</strong> Pfeffer, Hühnern oder Brot fällig waren. Hinzu<br />

kam schließlich noch der Erschatz (laudemium), eine Handänderungsgebühr, die<br />

anfiel, wenn grundzinspflichtiges Eigentum den Besitzer wechselte. 35 Häufig fin-<br />

det sich in den Fertigungen der Erschatz um die sprechende Formel in mutatione<br />

manuum bzw. won sich die hand verwandelt erweitert, obwohl die Praxis seit<br />

über dreihundert Jahren bestand und eigentlich alle wußten, was damit gemeint<br />

war.<br />

Am 23. Januar 1476 ging für 240 Gulden das an der Eisengasse im Kirchspiel St.<br />

Martin gelegene ‚neue Haus’ in den Gemeinschaftsbesitz <strong>von</strong> Konrad Weißhaupt,<br />

Matern Hertenstein und ihre beiden Ehefrauen über. 36 Der Verkauf war mit der<br />

Auflage verbunden, dem Basler Spital jährlich „<strong>von</strong> Eigenschaft“ dreißig Schillin-<br />

ge Zinspfennige und ein halbes Pfund Pfeffer zu Erschatz zu bezahlen:<br />

Item, da gab zu kaufen Hans Glaser als ein vollmächtiger Anwalt Peter Lienhards,<br />

des Wagenmanns <strong>von</strong> Solothurn, dessen Vollmacht das Gericht anerkannte, für<br />

sich und seine Erben den ehrbaren, wohlbescheidenen Konrad Weißhaupt, dem<br />

Bäcker, und Matern Hertenstein, dem Träger, die sich, ihren beiden Ehefrauen und<br />

ihrer beider Erben als Gemeinschaft recht und redlich gekauft haben das Haus und<br />

Hofstatt, gen. zum neuen Haus, hinten und vorne mit allen darin enthaltenen<br />

dem wattman, och burger, der im selbs, Elsin, siner efrow, und allen ir beider erben recht und redlich hatt<br />

koufft die zwenteil und gentzlich all die recht, so Caspar T nower hatt und haben mag an den sechs húse-<br />

ren und hoffstetten mitsampt den garten und allen begriffen rechten und z geho erungen, so ze Basel in der<br />

núwen Vorstatt in einem byfang aneinander gelegen sint zwúschen lrichs zem Lufft ze einer und meister<br />

Heinrich Gyger, des messerschmitz husern und garten zer andern syten, und den dritteil der bestimpten<br />

husern und garten, so Casparn <strong>von</strong> siner efrowen seligen verwidmet sint, der aber nach Caspar Thonowers<br />

abgang an Engelin <strong>von</strong> Tüß, siner efrowen seligen erben vallen sol nach widemß recht etc., zinset daz ein<br />

huß Junkherr Thoma Súrlin 1 lb 5 ß, das ander dem kamerer uff burg vj ß, daz dritt den Predigern x ß 4 d,<br />

daz fierd der presencz uff burg xvj ß, daz funfft dem schaffner zu Sant Peter xij ß, daz sechst den Karthusern<br />

x ß etc. Und ist der koff bescheen umm xl g. In den Kopfzeilen der Fertigungen vermerkt sind jeweils Datum<br />

sowie die Gerichtsherren, die bei Vertragsabschluß zugegen waren, wobei nicht spezifiziert wird, wer anwe-<br />

send war. Notiert wurden vielmehr die Namen derjenigen Gerichtsherren, die fehlten.<br />

35 ARNOLD, Zur Geschichte des Eigentums (Anm. 15), S. 60–79.<br />

36 Dem Steuerbuch <strong>von</strong> 1475 läßt sich entnehmen, daß die beiden Ehepaare zuvor schon, Tür an Tür im Mar-<br />

tinskirchspiel gewohnt hatten: Konrad Weißhaupt und Martern Hertenstein waren Nachbarn. 1475 wohnten<br />

sie beide nebeneinander im Kirchspiel St. Martin (S. 6) und versteuerten beide exakt dasselbe Vermögen<br />

<strong>von</strong> 250 Gulden. Es ist nicht klar, ob die beiden das Haus kauften, in dem sie schon seit längerem lebten.<br />

9


Gabriela Signori Hauswirtschaft (18.12.2012)<br />

10<br />

Rechten und Zubehör, das in der Stadt Basel auf Eisengasse zwischen den Häusern<br />

zum Kupferturm zu einer und dem alten Haus zur anderen Seite gelegen ist, zinst<br />

<strong>von</strong> Eigenschaft 30 ß neuer Pfennige zu den vier Fronfasten dem Spital zu Basel<br />

und ein halbes Pfund Pfeffer zu Erschatz. So dann soll man auch jährlich da<strong>von</strong> geben<br />

1ß neuer Pfennige an die St. Andreas Kapelle wegen einer Jahrzeit. Weiter noch<br />

anderes etc. Und ist der Kauf geschehen um 240 Gulden, deren sich der Verkäufer<br />

bekannte bezahlt worden zu sein. 37<br />

An den Erschatz war die Zustimmung des Grundherren gekoppelt, die der Ge-<br />

richtsschreiber meist am linken Blattrand mit der Formel N.N. consensit nach-<br />

trug, wie dem Vertrag zwischen dem Keßler Heinrich Fischer und dem Gold-<br />

schmied Heinrich <strong>von</strong> Werd zu entnehmen ist, der am 31. Mai 1475 aufgesetzt<br />

wurde, das Haus zum Kung in der Eschemervorstadt betreffend:<br />

Nicklaus Höcklin,<br />

procurator consensit Jtem do git ze kouffen Heinrich Vischer, der keßler, fúr sich<br />

und all sin erben Heinrichen <strong>von</strong> Werre [Werd], dem goldsmit,<br />

der im selbs und allen sinen erben recht und redlich<br />

hatt kofft das huß und hoffstatt mit /dem garten dahinder/,<br />

allen begriffen rechten und zugeho erungen, so genant ist<br />

zum Kûng und gelegen ze Basel in der vorstatt Eschemerthor<br />

zwúschen dem huß zem /Wider/horn und Martin Fyrabentz<br />

huß zer andern siten, zinset <strong>von</strong> eigenschafft den herren zu<br />

sant Lienhart j lb ij ß, zinßpfen. und 2 hu enre uff Martini und<br />

sant Johannsbr derschafft uff Burg iiij ß novorum. Fúrer<br />

noch anders etc. Pro summa lxij g quitt. promitt. etc. 38<br />

Das Haus kostete 62 Gulden. Soviel Geld hatte der Goldschmied aber nicht. So<br />

nahm er am Tag darauf beim Spital einen Kredit in der Höhe <strong>von</strong> sechzig Gulden<br />

auf, um bei Fischer seinen Zahlungsverpflichtungen zeitnah nachzukommen. 39<br />

37 Staatsarchiv Basel-Stadt, Gerichtsarchiv B = Fertigungsbücher, Bd. 10, S. 53: Jtem do gab zü koffen <br />

Hannß Glaser, als ein volmechtiger anwalt Peter Lienhart, des wagenmanß <strong>von</strong> Solotor, als och die selbige<br />

gewalthabung jn gericht eroffnot und fúr gen gsam erkant ward, fúr in und alle sin erben den erbern, wol-<br />

bescheidenen Conrat Wyshopt, dem brotbeken, und Matern Hertenstein, dem treiger, die inen beiden iren<br />

efrowen und all ir beider erben jn gemein recht und redlich kofft hand daz huß und hoffstatt, genant zem<br />

nuwen Huß hinden und vor mit allem begriff rechten und zügehorungen, als daz in der statt Basel vff Ysen-<br />

gassen zwúschen den husern zem Kupfferturn ze einer und dem alten Huß zer andern syten gelegen ist, zin-<br />

set <strong>von</strong> eigenschafft xxx ß nuwer pfen. /angaratim/ dem spital zu Basel und j lib pfefferß ze erschacz. So<br />

dann sol man och jerlich da<strong>von</strong> geben x ß nuwer pfen. an Sant Andriß capellen <strong>von</strong> einß jarzijtz wegen etc.<br />

Furer noch anderß. Und ist der koff bescheen umm ij c und xl g, deren sich der verkoffer bekant, bezalt sin<br />

etc.<br />

38 Staatsarchiv Basel-Stadt, Gerichtsarchiv B = Fertigungsbücher, Bd. 10, S. 5.<br />

39 Staatsarchiv Basel-Stadt, Gerichtsarchiv B = Fertigungsbücher, Bd. 10, S. 6.


Gabriela Signori Hauswirtschaft (18.12.2012)<br />

Bei Fischer selbst konnte er sich das Geld nicht ausleihen, denn der gehörte dem<br />

Steuerbuch zufolge zu den Habenichtsen. 40<br />

Die grundherrschaftlichen Abgaben lassen erkennen, in wessen Händen sich der<br />

städtische Boden ursprünglich konzentriert und welche Kräfte den Stadtwer-<br />

dungsprozeß in der Anfangsphase gesteuert hatten. Von diesem Erbe zehrten die<br />

kirchlichen Einrichtungen Jahrhunderte lang, nicht nur in Basel. Gemessen an<br />

den Hypothekarzinsen beschränken sich die Grundzinsen gewöhnlich zwar auf<br />

einige wenige Schillinge. In der Masse aber speisten sie einen beachtlichen Geld-<br />

strom, der über Jahrzehnte hinweg zwischen immer denselben vornehmlich<br />

kirchlichen Grundherren und einer Vielzahl häufig wechselnder Hausbesitzer<br />

floß. Einfluß auf Gestalt und Handel mit den Häusern hatte der Grundherr im<br />

ausgehenden 15. Jahrhundert aber nicht mehr. Auch verweigerte kein einziger<br />

seine Zustimmung. 41<br />

Mit grundherrschaftlichen Zinsen belastet waren zum Teil auch die Liegenschaf-<br />

ten, die als Erbleihen in den Umlauf gelangten, wie der Vertrag zeigt, den die Kir-<br />

chenpfleger <strong>von</strong> Münchenstein am 19. November 1477 mit dem Metzger Hans<br />

Guldin, genannt Hübschhans, und dessen Frau Ennelin abschlossen. Das Leiheo-<br />

bjekt war mit zwei Schillingen zwar dem Kloster St. Leonhard grundzinspflichtig,<br />

gehörte jedoch der Pfarrkirche <strong>von</strong> Münchenstein, die es aber nicht verkaufen,<br />

sondern nur verleihen wollte:<br />

Item, da haben Hans Kirsi, Vogt, und Lüti Graf, die Kirchpfleger der Leutkirche zu<br />

Münchenstein, im Namen der Pflegschaft für sich und alle ihre Nachkommen, verliehen<br />

dem ehrbaren Metzger Hans Guldin, gen. Hübschhans, Basler Bürger, der<br />

für sich selbst und Ennelin, seine Ehefrau, zu einem rechten, ewigen Erblehen empfangen<br />

hat das Haus und Hofstatt hinten und vorne mit allen darin enthaltenen<br />

Rechten und Zubehör, gen. zur Klause, das in der Stadt Basel am Leonhardsberg<br />

gelegen ist zwischen der Schmitterin Haus zu einer und dem Eckhaus am oberen<br />

Birsig über dem Haus zum Knopf am Sprung gelegen ist, zinst <strong>von</strong> Eigenschaft 2 ß<br />

neuer Pfennige, ein Heuer 42 und ein Huhn den Herren zu St. Leonhard. Weiter<br />

noch anderes. 43<br />

40 Staatsarchiv Basel-Stadt, Steuern B 19, St. Alban (S. 19): Heinrich Fischer nut.<br />

41 Auch Pfändungsverfahren wurden kaum <strong>von</strong> Grundherren eingeleitet, wie ich im Vortrag ausführen werde.<br />

42 Der Höwer oder Schnitter ist ein Dienst, keine Naturalabgabe, vgl. ARNOLD, Zur Geschichte des Eigentums<br />

(Anm. 15), S. 66–68.<br />

43 Staatsarchiv Basel-Stadt, Gerichtsarchiv B = Fertigungsbücher, Bd. 10, S. 160f.: Jtem do habent Hanns<br />

Kirsi, vogt, und Luti Gra ef, beide kilchenpflegere der lútkilchen zü Münchenstein, in namen ir pflege fúr sich<br />

und alle ir nachkomen verluhen dem erbern Hanns Guldin, dem meczger, genant Hupschhans, burger zü<br />

11


Gabriela Signori Hauswirtschaft (18.12.2012)<br />

Der Jahreszins für die Erbleihe belief sich auf ein Pfund. Mit der Zinszahlung<br />

verbunden war die Pflicht des Leihenehmers, das Haus in Stand zu halten:<br />

12<br />

Und ist die Leihe geschehen also und mit den Fürworten, daß die Empfänger fortan<br />

jährlich an den Bau der besagten Leutkirche auf Weihnachten ein Pfund neuer<br />

Pfennige zinsen, währen und antworten und damit den vorbestimmten Bodenzins<br />

abtragen, auch das Haus samt Zubehör in gutem gewöhnlichen Bau und Ehren halten.<br />

Wenn sie dies nicht tun, mögen die Pfleger oder ihre Nachfolger ihnen samt<br />

und sonders unterschiedslos Pfänder hinaustragen wie um Bodenzins oder das vorbestimmte<br />

Haus samt Zubehör, auch wenn daran abginge alles andere Gut, liegendes<br />

und fahrendes, bis zur Bezahlung der ausstehenden Zinsen mit den Kosten, die<br />

daraus entstehen, alles ungefährlich. 44<br />

Die Pfändungsklausel erlaubte es dem Leihegeber den Beliehenen bei ausblei-<br />

bender Zinszahlung oder Verletzung seiner Instandhaltungspflicht unverzüglich,<br />

das heißt ohne Gerichtsverfahren zu pfänden. 45<br />

In den fünf hier zu Diskussion stehenden Jahren wurden insgesamt aber nur vier<br />

bzw. fünf Liegenschaften zur Erbleihe vergeben. 46 Dieses im 13. und beginnenden<br />

14. Jahrhundert vorherrschende Instrument, den Immobilienmarkt zu regulieren<br />

und zu kontrollieren, geriet in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts immer<br />

Basel, der im selb, Ennelin, siner efrowen z einem rechten ewigen erplehen empfangen hat das huß und<br />

hoffstatt hinden und vor mit allem begriff rechten und zügehörungen, genant zer Clusen, als das in der statt<br />

Basel an sannt Lienharczberg gelegen ist zwúschen der Smitterin huß ze einer und dem orthuß deß obern<br />

Birsichs /ob/ dem huß zem Knopff /am Sprung gelegen ist, zinset <strong>von</strong> eigenschafft ij ß nuwer pfen. /ein<br />

ho ewer und ein h n/ den herrn zü sant Lienhart. Furer noch anderß etc. Und ist die lyhung bescheen also<br />

und mit denen fúrworten, daz die empfahere hinnachin ierlichen an den buw der bestimpten lutkilchen uff<br />

wyhennechten j lib nuwer pfen. da<strong>von</strong> zinsen weren und anttwurten und damit den vorbestipmten boden<br />

zinß abtragen.<br />

44 Ebd.: Und ist die lyhung bescheen also und mit denen fúrworten, daz die empfahere hinnachin ierlichen an<br />

den buw der bestimpten lutkilchen uff wyhennechten j lib nuwer pfen. da<strong>von</strong> zinsen, weren und anttwurten<br />

und damit den vorbestimpten bodenzinß abtragen, och daz huß mit siner zügehörung in güten gewonlichen<br />

buwen und eren halten. Wo sy daz nit teten, mogent die pfleger oder züzyten ir nachkomen inen sament und<br />

sunderß unverscheidelich darumm pfennder ustragen als umm bodenzinß oder daz vorbestimpt huß mit si-<br />

ner zügehörung, und ob daran abgieng alles annder ir güt, ligends und varends, biß zü bezalung ir usstenden<br />

zinsen mit dem kosten daruff gangen, alles ungeverlich etc.<br />

45 GUIDO KISCH, Die Pfändungsklausel. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Vollstreckungsrechtes, in:<br />

Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung 35 (1914), S. 41–68.<br />

46 Das Haus zum Steg, das Junker Antonius <strong>von</strong> Laufen am 12. Oktober 1479 dem Tischmacher Antonius<br />

Redmüller und dessen Frau Margret zu einem ewigen Erbleihen übergab, zinste den Herren zu St. Leonhard<br />

2 Schilling Pfennige. Es war Lehen des Markgrafen Rudolf <strong>von</strong> Hochberg (Staatsarchiv Basel-Stadt, Ge-<br />

richtsarchiv B = Fertigungsbücher, Bd. 10, S. 433–435). Verbunden war die Leihe mit der Auflage, das Haus<br />

binnen Jahresfrist umzubauen.


Gabriela Signori Hauswirtschaft (18.12.2012)<br />

mehr außer Mode, unter anderem weil die Erbleihe für die sich rasant verän-<br />

dernde städtische Umwelt nicht mehr flexibel genug war. 47<br />

Lediges Eigen<br />

Dagegen hatten die im Gerichtsbuch als freies, lediges Eigen ausgewiesenen Lie-<br />

genschaften, die niemandem versetzt, hafft, noch verbunden in dhein wyß seien,<br />

im Vergleich zum 13. und 14. Jahrhundert merklich an Bedeutung gewonnen. 48<br />

Sie bilden rund fünfzehn Prozent der Häuser, die in den Jahren zwischen 1475<br />

und 1480 den Besitzer wechselten. Darunter befand sich im übrigen auch eine<br />

Erbleihe (was so nicht zu erwarten war). 49 Die Preise für lediges Eigen oszillieren<br />

zwischen 24 und 680 Gulden. Insgesamt überwiegen jedoch Liegenschaften im<br />

gehobenen Preissegment <strong>von</strong> über hundert Gulden (in einem Verhältnis <strong>von</strong> zwei<br />

zu eins), während sich die grundherrschaftlich belasteten Immobilien zu siebzig<br />

Prozent im Preissegement <strong>von</strong> unter hundert Gulden bewegen. 50 Das Wirtschaf-<br />

ten mit Häusern war als Praxis sozialdistinktiv, aber nicht exklusiv. Der Unter-<br />

schied ist wichtig. Denn in kulturellen Belangen ist die spätmittelalterliche Stadt-<br />

gesellschaft noch um einiges homogener als in der Frühen Neuzeit. Die unter-<br />

schiede sind graduell, nicht substantiell.<br />

Lediges, abgabenfreies Eigen war also eine privilegierte Besitzform 51 , die sich in<br />

den Händen der Reichen und Superreichen der Stadt konzentrierte, wie unter<br />

anderem der Verkauf des Seevogel Hofes zeigt, der am 1. März 1476 für den statt-<br />

47 Vgl. Anm. 24.<br />

48 ARNOLD, Zur Geschichte des Eigentums (Anm. 15), S. 14–18.<br />

49 Die Erbleihe übertrug der Schaffner des Leonhardklosters am 13. August 1478 gegen einen Jahreszins <strong>von</strong><br />

zwei Pfund dem Totengräber Michel <strong>von</strong> Memmingen und seiner Frau Margret mit folgenden Vertragsbe-<br />

stimmungen (Staatsarchiv Basel-Stadt, Gerichtsarchiv B = Fertigungsbücher, Bd. 10, S. 241): Daz Michel,<br />

sin efrowe vnd ir beider erben daz huß vnd garten in gewonlichen buwen vnd eren halten und den herren zu<br />

sant Lienhart jerlich iiij pfund nuwer pfennig /und j g erschatz in mutatione manuum/ da<strong>von</strong> geben sollent,<br />

glich geteilt zu den fier fronfasten. Und ob sy daz nit teten, mag man inen darumm pfender als umm boden-<br />

zinß darumm ustragen lassen oder daz huß und garten und ob daran abgieng alles ander ir gut angriffen biß<br />

zu bezalung mit dem kosten daruff gangen. Es ist och ze wissen daz der liher [locator] den empfangern die<br />

fruntschafft herjnn geton hat, daz sy oder /ir/ erben die zwei pfunt pfen. geltz und nit me wol widerkoffen<br />

mogen samenthafftig mit xlvj pfunden oder teilsamlich mit xxiij lib, einß mit uersessnen vnd mit nach<br />

markzal daruff geloffnen zinsen. in forma.<br />

50 Mehr noch: die Hälfte der grundherrschaftlich belasteten Häuser waren weniger als fünfzig Gulden wert!<br />

51 ARNOLD, Zur Geschichte des Eigentums (Anm. 15), S. 22–24.<br />

13


Gabriela Signori Hauswirtschaft (18.12.2012)<br />

lichen Preis <strong>von</strong> 650 Gulden den Besitzer wechselte. 52 Dem Preis entsprach die<br />

exquisite Lage auf dem Münsterplatz, flankiert vom Schürhof und dem Atzen<br />

Hof, in denen der bischöfliche Kanzler und Sekretär Wunnewald <strong>von</strong> Heidelbeck<br />

und Domherr Hans Erhart <strong>von</strong> Reinach wohnten. 53 Als Verkäufer traten Agnes<br />

Kilchmann und ihre beiden Söhne in Erscheinung, alle drei Bürger <strong>von</strong> Kleinba-<br />

sel. Käufer waren der Kaufmann Konrad Ingold und seine Frau Barbara. 54<br />

Bezahlungsmodalitäten<br />

Die Ingolds bezahlten in Bar, was ihnen bei einem Vermögen <strong>von</strong> 7500 Gulden<br />

auch nicht weiter schwer fiel. 55 Bar bezahlt wurde rund die Hälfte der Häuser, die<br />

zwischen 1475 und 1480 den Besitzer wechselten. Barzahlung war ganz eindeutig<br />

das <strong>von</strong> allen bevorzugte Finanzierungsmodell. Das ist insofern bemerkenswert,<br />

als die meisten anderen Geschäfte auf Pump oder in Raten erfolgten. Die Barzah-<br />

lung garantierte mehr Planungssicherheit als Ratenzahlungen oder Hypothe-<br />

karkredite.<br />

Auf Ratenzahlungen rekurrierten die Käufer <strong>von</strong> Immobilien ohnedies selten<br />

(insgesamt nur sieben Mal). Einigten sich die Parteien auf eine solche, so erfolgte<br />

dies durch eine Zusatzklausel, wie der Kaufvertrag zeigt, den Junker Rudolf<br />

Schlierbach am 4. April 1476 mit dem Messerschmied Hans Kruter und seine<br />

52 Staatsarchiv Basel-Stadt, Gerichtsarchiv B = Fertigungsbücher, Bd. 10, S. 59f.: Mercurij post Oculi: Jtem do<br />

14<br />

geben zu koffen frow Agneß Kilchmennin in mindern Basel mit Ludwig Kilchmann, irem elichen sun vnd<br />

wissenthafftigen vogt, dem sy der vogtij bekannt, so dann derselb Ludwig in vo egtlicher wyse mit ir och fúr<br />

sich selbs und Friderich Kilchmann, sinen elichen br der, fúr den er herjnn getröst hat, och ir aller erben<br />

/gemeinlich und unverscheidelich/ dem ersamen Conrat Ingolt, burger zü Basel, der im selbs, Barbara, siner<br />

elichen gemaheln, und ir beider erben recht und redlich kofft hat den hoff und gesesß /hinden und<br />

vor/ mit allem begriff rechten und zügehörungen, genant Sevogels hoff, als der in der statt Basel vff dem<br />

blatz uff burg zwúschen dem Schúrhoff, darjnn her Wunwald Heidelbeck wont, ze einer und Aczen hoff,<br />

darjnn dirr zyt wont her Hanß /Erhart/ <strong>von</strong> Rinach zer anndern syten /gelegen/, ist fry, lidig eigen, niemant<br />

hafft, noch verbunden in dhein wyß, als die verköfferer sprachen, und by g ten trúwen an eides statt da-<br />

rumm geben beh bent. Und ist dirr koff geben und bescheen umm vij c guldin, deren sich die verköffere be-<br />

kanten, wol gewert und bezalt sin, seit den koffer und sin efrowen darumm quitt und lidig. Heruff so habent<br />

och die verköffere, sunder frow Agnes mit hand und gewalt Ludwig Kilchmanß, irß sunß, gelopt disen koff<br />

stett zü halten, dem koffer, siner efrowen und iren erben deß güt werschafft ze tond verbunden sich und ir<br />

erben mit volliger verzyhung in der besten form.<br />

53 Domherr?<br />

54 Ingold hatte im Übrigen vorher schon da gewohnt: St. Martin (S. 20): 7500 Gulden.<br />

55 Ebd.


Gabriela Signori Hauswirtschaft (18.12.2012)<br />

Frau Elsa abschloß. 56 Belastet war das zum Verkauf stehende Haus Roggenbach<br />

mit einem vergleichsweise hohen Grundzins <strong>von</strong> vier Pfund Basler Zinspfennigen.<br />

Der Kaufpreis selbst belief sich auf achtzig Gulden. Die beiden Parteien hatten<br />

eine Ratenzahlung vereinbart: Die erste Zahlung in der Höhe <strong>von</strong> zwanzig Gulden<br />

sollte an Weihnachten erfolgen, die restlichen sechzig in Raten <strong>von</strong> jeweils zwan-<br />

zig Gulden in den nächsten drei Jahren (wiederum jeweils zu Weihnachten):<br />

Jtem und sollent den koff bezalen und daran geben xx g uff wyhennacht und dannathin<br />

all wyhennacht xx g biß zü bezalung der achzig g, und sol daz huß und alles<br />

ir güt dafür pfand und hafft sin unverscheidelich und sich deß nach notturfft verschriben.<br />

57<br />

Kruters Geschäfte liefen gut. Schon zwei Jahre später (am 18. Juli 1478) kaufte er<br />

sich zusammen mit seiner Frau das an der Eisengasse gelegene ‚alte Haus’, das<br />

„<strong>von</strong> Eigenschaft“ den Herren zu St. Martin zehn Schillinge zinste, für den stattli-<br />

chen Preis <strong>von</strong> 405 Gulden. Da<strong>von</strong> bezahlte er ein Viertel in Bar. 58 <strong>Eine</strong>n Monat<br />

später (am 25. August 1478) verkaufte das Ehepaar das Haus Roggenbach dann<br />

an den frisch zugewanderten Schneider Heilmann <strong>von</strong> Eschenbach und dessen<br />

Frau Verena exakt für denselben Preis, für den sie das Haus vor zwei Jahren er-<br />

worben hatten. 59<br />

56 Staatsarchiv Basel-Stadt, Gerichtsarchiv B = Fertigungsbücher, Bd. 10, S. 65: Jtem do gyt zu koffen der<br />

ersam Iunkher Rudolff Schlierbach fúr sich und alle sin erben dem wolbescheidnen Hannß Kruter, dem<br />

messersmid, der im selbs, Elsa, siner efrowen, und ir beider erben recht und redlich kofft hat das huß und<br />

hofftstatt mit allem begriff, rechten und zügehörungen, genant Rokgenbach, als daz in der statt Basel an der<br />

Kremergassen by sannt Andriß capellen gelegen ist, stost hinden und vor an das huß zur Fleschen, zinset<br />

<strong>von</strong> eigenschafft iiij pfunt n wer pfen. an den Spital zu Basel. Furer noch anderß etc. Und ist der koff be-<br />

scheen umm lxxx g.<br />

57 Ebd.<br />

58 Staatsarchiv Basel-Stadt, Gerichtsarchiv B = Fertigungsbücher, Bd. 10, S. 233. Abtragen mußte er zwei<br />

Hypotheken im Gesamtwert <strong>von</strong> dreihundert Gulden: zehn Gulden Geld (200 Gulden) an den <strong>von</strong> Flachs-<br />

landen und fünf Gulden Geld (100 Gulden) an die Basler Augustiner.<br />

59 Staatsarchiv Basel-Stadt, Gerichtsarchiv B = Fertigungsbücher, Bd. 10, S. 247: Jtem do geben zü koffen die<br />

erbern Hanß Kruter, der messerschmid, burger zu Basel, und Elsin, sin efrowe, mit im etc. für sich und ir<br />

beider erben dem bescheiden Hans Heilmann <strong>von</strong> Oschenburg, dem schnider, /burger zu Basel/, der im<br />

selbs, Verena und ir beider erben recht und redlich kofft hat daz huß und hoffstatt mit allem begriff rechten<br />

und zü gehörungen, genant Rokenbach, als daz in der statt Basel an der Kremergassen obwendig sant And-<br />

ris kilchen an dem ort zer linken hand, als man das Imbergesslin zü sant Peter uffhin gat, gelegen ist, stost<br />

hinden und vor an daz huß zer Fleschen, zinset jerlichen <strong>von</strong> eigenschafft fier pfunt nuwer Basler pfen. dem<br />

spital hie zü Basel, als daz der erber Erhart Darwurker, spitalmeister, seit und gunst und willen zu disem<br />

koff geben hat, doch dem soital an siner eigenschafft und gerechtikeit unschedlich, furer noch anderß etc,<br />

und ist der koff bescheen umm lxxx gulden rinisch guter und gemeiner, deren sich die verköffere bekanten<br />

bezalt sin, seiten den koffer darumm quitt und lidig, uersprochen disen koff stett zu halten, deß gut wer-<br />

schafft zetond uerbunden sich und ir erben. in forma etc.<br />

15


Gabriela Signori Hauswirtschaft (18.12.2012)<br />

Ratenzahlungen hatten den Vorteil, daß sie sich bei Bedarf leicht in ein Darlehen<br />

umwandeln ließen, wie der Verkauf des Haus Wackenfels am alten Rindermarkt<br />

zeigt, das die Fertigung als freies, lediges Eigen ausweist. Verkauft hatte das Haus<br />

am 29. November 1477 für den Preis <strong>von</strong> stattlichen dreihundert Gulden Magda-<br />

lena, die Witwe des Kaufmanns Klaus Gotschalk, die in Begleitung ihres (neuen)<br />

Mannes Jörg <strong>von</strong> Sulz, Bürger der elsässischen Kleinstadt Ensisheim, vor Gericht<br />

erschienen war. 60 Käufer war Johann Karnow, der aus dem nordbrabantischen<br />

Herzogenbusch stammte. 61 Am 18. August 1479, also rund zwei Jahre später, er-<br />

schienen die beiden Parteien erneut vor Gericht, aber in unterschiedlicher perso-<br />

neller Besetzung. Für Johann Karnow, der inzwischen nach Genf ausgewandert<br />

war, agierten sein Bruder Christa und dessen Ehefrau Adelheid, beides Basler<br />

Bürger, während Magdalena nunmehr gemeinsam mit ihrem Mann Jörg <strong>von</strong> Sulz<br />

verhandelte. 62 Vor Gericht dargelegt wurde, daß sich die Parteien vormals wohl<br />

mündlich – denn eine Ratenzahlung ist im Fertigungsbuch nicht vermerkt – da-<br />

rauf geeignet hätten, das Haus in drei, jeweils zu Fastnacht fälligen Raten zu be-<br />

zahlen. Bislang seien lediglich hundert Gulden beglichen worden. Die Gründe<br />

müßten an dieser Stelle nicht vertieft werden, heißt es lakonisch. Zweihundert<br />

Gulden stünden noch aus. In beidseitigem Einvernehmen wurde die offenstehen-<br />

de Restschuld in ein Darlehen umgewandelt, das jährlich am Tag des Apostels<br />

60 Jörg <strong>von</strong> Sulz war als Ehemann zugleich Vogt, eine Art Rechtsbeistand, vgl. GABRIELA SIGNORI, Geschlechts-<br />

16<br />

vormundschaft und Gesellschaft. Die Basler ‘Fertigungen’ (1450 bis 1500), in: Zeitschrift der Savigny-<br />

Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilungen 116 (1999), S. 119–151.<br />

61 Staatsarchiv Basel-Stadt, Gerichtsarchiv B = Fertigungsbücher, Bd. 10, S. 177: Sabbato post Katherine: Jtem<br />

do geben ze koffen die ersamen frow Magdalena Gotschalkin, willant Clauß Gotschalk deß koffmans /se-<br />

ligen/ verlassne wittwe mit Jo ergen <strong>von</strong> Sulcz, irem elichen mann und vogt, so dann Hannß Irme, burger<br />

und der reten, als ein vogt und in vogtlicher wiß deß gen. Clauß Gotschalks und frow Magdalenen Gotschal-<br />

kin elichen verlassnen kinden fúr sich und ir aller erben dem erbern Johann Karnow <strong>von</strong> Herczogenbusch,<br />

der im selbs und allen sinen erben recht und redlich kofft hat daz huß und hoffstatt hinder und vor mit al-<br />

lem begriff rechten und zügehörungen, gen. Wakenfels, als das in der statt Basel am alten Rindermerkt zwu-<br />

schen dem koffhuß ze einer und Jacob Brattalerß huß zer anndern syten, jst frij lidig eigen, niemant uer-<br />

setzt, hafft noch verbunden in dhein wiß, als die verköffere sprachent und by guten truwen darumm geben<br />

behuebent und ist der koff bescheen umm iijc g Rinscher, deren sich die verköffere bekant bezalt sin seiten<br />

den koffer darumm quitt und lidig, gelopten disen koff stet zu halten, besunder Hanß Irme in vogtlicher wiß<br />

fur sich, ir erben und nachkomen deß gut werschafft ze tond verbunden sich ir erben und nachkomen in<br />

forma.<br />

62 Hier agierte er nicht mehr allein als Vogt, sondern als Mitbesitzer, auch der Ratsherr Hans Irme, der Vor-<br />

mund ihrer Kinder wird nicht mehr zu Rate gezogen.


Gabriela Signori Hauswirtschaft (18.12.2012)<br />

Matthias (22. Februar) mit zehn Gulden zu verzinsen war. 63 Auf den Kaufpreis<br />

aufgeschlagen wurden „kosten und schaden“, deren exakte Höhe die Verträge<br />

gewöhnlich nicht nennen.<br />

63 Staatsarchiv Basel-Stadt, Gerichtsarchiv B = Fertigungsbücher, Bd. 10, S. 402f.: Jch Burkhart etc. tun kunt<br />

allen menglich, daz uff hut datum fur mich offenlich ingericht komen sint die ersamen wolbescheidnen Cris-<br />

ta Karnow <strong>von</strong> Herczogenbuchs, der kremer, burger zu Basel, vnd Adelheit, sin efrowe, mit im als irem eli-<br />

chen mann und vogt, dem sy der vogty bekannt, so dann Jo erg <strong>von</strong> Sulcz in namen sin selbs und in vögtli-<br />

cher wyß frow Magdalena Gotschalkin, siner elichen gemaheln, och burger zu Basel, am anndern teilen, und<br />

offnoten do die genanten Crista und Adelheit, sin efrow, und seiten, nachdem Johann Karnow, och <strong>von</strong><br />

Herczogenbuchs, ir bruder und swager, burger <strong>von</strong> Genff, hie vor uff sampstag vor sannt Katherinentag an-<br />

no lxxvij° daz huß Wakenfels, als daz in der statt Basel am alten Rindermerkt neben dem koffhuß gelegen ist<br />

<strong>von</strong> dem genanten Jorgen <strong>von</strong> Sultz und frow Magdalena, siner gemaheln, kofft hetten fur iij c g hoptgutz vff<br />

dru jarzil zu bezalende, nemlich uff igliche vastnacht darnach schierest komende c g daran ze gebende biß zu<br />

voller bezalung, und das bestimpt huß Wakenfels dafúr ze underpfand ingesetzt und geben, wie dann ein<br />

signatur in deß gerichcz vergichtbuch uff dem bestimpten zyt und tag begriffen stat und daz eigetlich uswi-<br />

set, daran er aber noch bißhar nit me dann c g gewert und bezalt hette, die uberigen ij c g noch unbezalt uss-<br />

tondent. Dwil nu vn der genant Johann Karnow, ir bruder und swager, inen beiden elichen gemechten solich<br />

huß noch bißhar innzuhaben vergunt, sy das och ye sythart inngehept, genutzt und genossen, und er aber an<br />

bezalung sumig worden, merklichen ursachen halb, die zu erzalende nit not sint, sy och soliche verfallne<br />

schuld dirr zyt zu bezalende nit vermochten, und aber Jorg <strong>von</strong> Sultz und sin gemahel ir bezalung haben o-<br />

der daz huß darumm angriffen nach lut der angezognen signatur, hetten sy beide eliche gemecht die durch<br />

sich und ir güt frund erbetten den genanten irn bruder und swager, dirr zyt umm ir schuld nit wyter ze<br />

ers chen oder zu schaden ze triben, sunder inen solich huß fur ir schuld innzehabent ze vergunden und<br />

umm zinß, nemlich ierlich x g geltz uff ein iglichen sannt Matyßtag ze weren und ze antwurten <strong>von</strong> den be-<br />

stimpten ij c g usstendiger schuld und hoptgutz in koffs wyse ze empfahen, in och ze uergunden die sament-<br />

hafftig mit ij c g oder teilsamlich mit c g v g zinses und ergangnem zinse abzelo esen, daz sy inen och umm ir<br />

flyssige bitt willen verwillget und zügelassen hetten, begert einer frag, ob solichs also zu gon solt und mo echt.<br />

Dwil nu vn beid partyen under ogen stonden, einander solicher beredung bekantlich gichtig und anred wa-<br />

rent, ward erkant, daz solichs wol also zugon solt und mo echt. Vff das stondent die genanten Crista Karnow<br />

und Adelheid, sin efrow, mit im als irem elichen mann und vogt, offentlich ingericht, gelopten in min deß<br />

schultheisen als einß richterß hand fúr sich und all ir erben dem genanten Jorgen <strong>von</strong> Sultz, Magdalena, si-<br />

ner efrowen, und ir beider erben, die bestimpten x g gelcz <strong>von</strong> dem angezognen huß ierlich uff sannt Matiß-<br />

tag, deß heilgen zwo elffbotten, in zinses wyse ze geben und hie in der statt Basel in iren habenden gewalt ze<br />

anttwurten mit solichem geding und furworten, ob sy daz nit teten, daz mann inen darumm pfennder als<br />

umm bodenzinß ustragen so elte oder aber sy umm ir gut, ligends und varendes, sament und sunders unver-<br />

scheidelich angriffen, manen, pfenden, hefften, verbieten, uffbieten, verganten, verkoffen, vertriben und an<br />

sich zechen yemer, so lang biß sy umm iren verfallnen usstendigen zinß usgericht und bezalt werden mit<br />

dem kosten daruff gangen, oder ob sy wellent daz vorbestimpt huß, nachdem es ir verschriben underpfand<br />

ist, widerumm zu hannden nemen oder daz nach lut der angezognen vergicht, in des gerichtzbuch begriffen,<br />

angriffen, fro enen, hefften, verbieten und an sich zichen etc. daz furter hin lyhen, besetzen und entsetzen<br />

nach irem willen und gevallen, yemer so lang biß sy solicher vorbestimpt ij c usstendiger schulden bezalt<br />

werden och mit dem kosten und schaden daruff gangen, doch dem genanten irem bruder und swager in all-<br />

weg an sinem koffbrieff und gerechtikeit, so ferr er die bezalung der ij c g thon wurde, unvergriffen und gantz<br />

unschedlich. Habent sich damit verzigen etc. Diß ist och geuertigt. etc. Datum ut supra.<br />

17


Gabriela Signori Hauswirtschaft (18.12.2012)<br />

Neue Darlehen und ...<br />

Rund ein Drittel der Käufer finanzierten ihre Häuser über Darlehen, die sie häu-<br />

fig wenige Tage nach erfolgtem Kauf meist bei den früheren Hausbesitzern auf-<br />

nahmen. Der immobiliengestützte Darlehensvertrag ist, wie schon häufig beo-<br />

bachtet, als Verkauf konzipiert, demzufolge sich der Käufer beim Verkäufer ein<br />

Darlehen erwirbt, „<strong>von</strong> auf und ab“ eines bestimmten Hauses (meist das Haus,<br />

das der Verkäufer zuvor gekauft hatte). Der Kaufpreis entspricht dem zu verzin-<br />

senden Kapital (Hauptgut). Die Frage, ob das Unterpfand lediges oder abgaben-<br />

pflichtiges Eigen war, spielte bei den Darlehensgeschäften prinzipiell keine Rolle.<br />

Am Dienstag, den 25. Oktober 1478 kauften der aus Nürnberg stammende Buch-<br />

drucker Meister Bernhard Richel und seine Frau Anna für den beeindruckenden<br />

Preis <strong>von</strong> 600 Gulden, Scheune und Garten, genannt zur kleinen Blume beim<br />

Salzturm. 64 Das Haus hatte früher ein Pfund ein Schilling an die Präsenz auf Burg<br />

und drei Schillinge den Herren zu St. Peter gezinst. Von den sechshundert Gul-<br />

den bezahlte das Ehepaar 240 Gulden in Bar. Die restlichen 360 Gulden liehen<br />

sich die Käufer bei den Verkäufern gegen einen Jahreszins <strong>von</strong> stattlichen acht-<br />

zehn Gulden. 65 Der Darlehensvertrag datiert auf Mittwoch, den 26. August, er-<br />

folgte also ein Tag nach dem Hauskauf:<br />

18<br />

Item, da geben zu kaufen der ehrsame Meister Bernhard Richel <strong>von</strong> Nürnberg, der<br />

Buchdrucker, Basler Bürger, und Frau Anna, seine Gemahlin, mit ihm als ihrem<br />

Ehemann und Vogt, dem sie die Vogtei zuerkannte, für sich und ihrer beider Erben<br />

gemeinsam und ohne Unterschied dem ehrsamen Junker Rudolf Schlierbach <strong>von</strong><br />

Basel, der sich selbst, Frau Ennelin, seiner Gemahlin, und ihrer beider Erben recht<br />

und redlich gekauft hat 18 Gulden Zins jährlich auf Unseren Lieben Frauentag im<br />

Herbst, genannt Mariae Himmelfahrt, hier in der Stadt zu währen und antworten<br />

64 Staatsarchiv Basel-Stadt, Gerichtsarchiv B = Fertigungsbücher, Bd. 10, S. 245f.: Jtem do geben zü koffen die<br />

ersamen iunkher R dloff Schlierbach und frow Ennelin, sin elich gemahel, mit im als irem elichen mann<br />

und vogt, dem sy der vogty bekant, fúr sich und ir beider erben dem erbern meister Bernhart Richel <strong>von</strong> Nuernberg,<br />

dem büchtruker und burger zu Basel, der im selbs, frow Anna, siner gemaheln, und ir beider erben<br />

recht und redlich kofft hat das huß, schuren und garten mit allem begriff rechten und zü gehörungen, ge-<br />

nant zem cleinen Blumen, als das in der statt Base[l] by dem Salczturm am ort hinder der herberg zem gros-<br />

sen Blümen gelegen ist, stost obsich an Wiken deß karrerß huß und gät hinden uff den Rijn, zinset /<strong>von</strong> ei-<br />

genschafft/ j lib j ß der presencz uff burg /her Conrat Schlewitzer, presenczer, consensit etc./ und iij ß den<br />

herren zü sannt Peter hie zü Basel <strong>von</strong> /einß jarzytz wegen, furer noch annderß etc. Und ist der koff be-<br />

scheen vj c g rynischer, deren sich die verkoffere bekanten bar bezalt sin seit den koffer darumm quitt und<br />

lidig, gelopten daruff, disen koff stet zü halten, deß güt werschafft ze tond, verbanden sich und ir erben. in<br />

forma.<br />

65 Zu Richel vgl. FERDINAND GELDNER, Die deutschen Inkunablendrucker: Ein Handbuch der deutschen Buch-<br />

drucker des 15. Jahrhunderts nach Druckorten, Bd. 1, Stuttgart 1968, S. //–//.


Gabriela Signori Hauswirtschaft (18.12.2012)<br />

<strong>von</strong> auf und ab ihres Hauses, Scheune und Garten mit allen darin enthaltenen<br />

Rechten und Zubehör, genannt zur kleinen Blume, das in der Stadt Basel bei dem<br />

Salzturm am Ort hinter der Herberge zur großen Blume liegt, und oben an Wicken,<br />

des Karrers Haus stößt und hinten auf den Rhein hinaus geht, zinste vormals 1<br />

Pfund 1 ß an die Präsenz auf Burg und 3 ß den Herren zu St. Peter hier zu Basel,<br />

noch anderes weiter. Und ist dieser Kauf geschehen um 360 guter gemeiner Gulden,<br />

deren sich die Verkäufer bekannten, bezahlt zu sein und sprachen den Käufer<br />

darum quitt und ledig. 66<br />

Kaum einem Darlehensvertrag fehlte die abschließenden Pfändungsklausel, gele-<br />

gentlich um die Option erweitert, den Kredit bei Bedarf ganz oder zur Hälfte ab-<br />

lösen zu können, eine Option, die in den Verträgen jeweils als „Gnade des Wider-<br />

kaufs“ herausgestellt wird:<br />

Und gelobten darauf diesen Kauf stets zu halten, den Zins jährlich, wie oben geschrieben,<br />

zu geben und dafür gute Währschaft zu tun. Falls sie dies nicht tun, mag<br />

man ihnen deswegen Pfänder wie um Bodenzins heraustragen und das vorgeschriebene<br />

Haus samt Zubehör, und ob da<strong>von</strong> abging alle anderen ihre liegenden<br />

und fahrenden Güter, samt und sonders unterschiedslos, angreifen bis zur Bezahlung<br />

der Zinsen mit den Kosten, die daraus entstanden sind, mit Gnade des Widerkaufs,<br />

ganz mit [leer] Gulden, dem Kaufpreis, oder in Teilen mit 105 Gulden mit<br />

den ausstehenden und nach Markzahl entstandenen Zinsen, alles ungefährlich in<br />

besserer Form. 67<br />

Der Abstand zwischen Hauskauf und Kreditaufnahme ist, wie beobachtet, meist<br />

66 Staatsarchiv Basel-Stadt, Gerichtsarchiv B = Fertigungsbücher, Bd. 10, S. 246: Jtem do geben zü koffen die<br />

ersamen meister Bernhart Richel <strong>von</strong> Nu ernberg, der bu echtruker, burger zü Basel, und frow Anna, sin elich<br />

gemahel, mit im als irem elichen mann und wissenthafftigen vogt, dem sij der vogtij bekannt, fúr sich und ir<br />

beider erben gemeinlich und unverscheidelich dem ersamen Iunkher R dolff Schlierbach <strong>von</strong> Basel, der im<br />

selbs, frow Ennelin, siner gemaheln, und ir beider erben recht und redlich kofft hat xviij guldin gelcz jerlich<br />

uff ein iglichen vnser lieben frowen tag ze mitten augsten, genant die hymelfart, hier in der statt Basel ze we-<br />

ren und zü anttwurten <strong>von</strong> vff und ab irem huß, schuren und garten mit allem begriff rechten und zu geho e-<br />

rungen, genant zem cleinen Bl men, als das in der statt Basel by dem Salczturm am ort hinder der herberg<br />

zem grossen Bl men gelegen ist, stost obsich an Wiken, des karrerß huß und gat hinder uff den Ryn, zinset<br />

vormals j lb j ß an die presencz uff burg und iij ß den herren zü sannt Peter hie zu Basel, furer noch anderß<br />

etc. Und ist diser koff zü gangen und bescheen umm iij c und lx g güter und gemeiner an gold und gewicht zü<br />

Basel, deren sich die verkoffere bekanten wol gewert und bezalt sin seiten den koffer, darumm quitt und le-<br />

dig.<br />

67 Staatsarchiv Basel-Stadt, Gerichtsarchiv B = Fertigungsbücher, Bd. 10, S. 247: Und globten daruff disen koff<br />

stet zü halten, den zinß jerlich wie vorstat zü geben und deß güt werschafft zetond. Und ob sy daz nit teten,<br />

mag man inen darumm pfennder als umm bodenzinß ustragen oder daz vorgeschriben huß mit siner zu ge-<br />

ho erung und ob daran abgieng alle andere ire ligende und varende gu eter, sammet und sunderß unverschei-<br />

delich angriffen, biß zü bezalung der zinsen mit dem kosten daruff gangen, mit gnad des widerkoffs, sa-<br />

menthafftig mit [leer] guldin, darumm sy kofft sint, oder teilsamlich mit c g v g gelcz, doch mit versessnen<br />

und nach markzal daruff geloffnen zinsen, alles ungeverlich in meliorj forma.<br />

19


Gabriela Signori Hauswirtschaft (18.12.2012)<br />

sehr kurz, und das Personal <strong>von</strong> wenigen Ausnahmen abgesehen dasselbe. 68 Mit<br />

durchschnittlich 150 Gulden sind die Kreditsummen vergleichsweise hoch. Sie<br />

reduzierten den tatsächlichen Bargeldfluß auf durchschnittlich achtzig Gulden.<br />

<strong>Eine</strong> Sonderform der Kreditaufnahme bilden die Fälle (16), in denen Hauspreis<br />

und Darlehenssumme identisch waren: Käufe also, die ganz ohne jedes Eigenka-<br />

pital <strong>von</strong> Statten gingen. Kreditgeber waren in diesen Fällen fast ausschließlich<br />

das Basler Spital oder die Elendenherberge. Am 21. November 1475 kaufte der<br />

aus Deggendorf stammende Weißgerber Bastian Prosper zusammen mit seiner<br />

Frau Anastasia für sechzig Gulden das Haus, genannt Niederburg, an der Gerber-<br />

gasse. 69 Die Niederburg war mit stolzen zwei Pfund Zinspfennigen, einem halben<br />

Pfund Pfeffer zur Weisung und einem Erschatz in der Höhe <strong>von</strong> zehn Schillingen<br />

belastet. Geld hatten die Käufer allerdings keines. Zwei Tage später (am 23. No-<br />

vember) nahmen sie beim Verkäufer, dem Basler Spital, nämlich einen Kredit in<br />

der vollen Höhe der Kaufsumme auf. 70 Denselben Vorgang beobachten wir bei<br />

68 <strong>Eine</strong> Ausnahmen: Am 16. März 1477 verkauften Heinrich Glaser, Kaplan des Petersstift, mit Erhart Lenisin,<br />

20<br />

seinem Vogt, und Margret Glaserin, seiner Schwester, mit Hans Fäslein, ihrem Mann, so dann Simon Gla-<br />

ser, ihrer beider Bruder, dem ehrbaren Fridlin Belcz, dem Schneider, und Elsin Glaserin, seiner Frau (es<br />

wird nicht präzisiert, in welchem verwandtschaftlichen Verhältnis Elsin zu den anderen Glaser steht), den<br />

dritten Teil des Hauses, genannt Waldshut, oberhalb des Kaufhauses zwischen der Herberge zum goldenen<br />

Löwen und zum goldenen Kranich. Das Haus zinste <strong>von</strong> Eigenschaft drei Pfund an St. Klara und 1½ Gulden<br />

an die Offenburger Pfründe im Gerner (Petersstift), für die Summe <strong>von</strong> 85 Gulden (Staatsarchiv Basel-Stadt,<br />

Gerichtsarchiv B = Fertigungsbücher, Bd. 10, S. 298). Am 24. März 1478 verkauften Fridlin Beltz und Elsin<br />

Glaserin gemeinlich und unverscheidelich dem ehrbaren Berchtold Dolden, dem Krämer, und dessen Frau<br />

Adelheid vier Gulden Geld jährlich auf Unserer Lieben Frau Verkündigung <strong>von</strong> auf und ab ihres Hauses, ge-<br />

nannt Waldshut, das vormals <strong>von</strong> Eigenschaft dem Kloster Gnadental [sic] drei Pfund zinste, für den Preis<br />

<strong>von</strong> 80 Gulden (ebd., S. 331). Den Kredit nahm das Ehepaar also nicht bei den Verwandten auf, sondern bei<br />

ihrem Nachbarn. Das dürfte damit zusammenhängen, daß die drei Glasers das Geld unter sich aufteilen<br />

wollten und nicht die jährlichen Zinsen <strong>von</strong> vier Gulden.<br />

69 Staatsarchiv Basel-Stadt, Gerichtsarchiv B = Fertigungsbücher, Bd. 10, S. 40: Jtem do gijt zü koffen der er-<br />

sam Hannß <strong>von</strong> Langental, spitalmeister, in namen des spitals zu Basel, fur sich und alle sin nachkommen,<br />

dem wolbescheiden dem wolbescheiden [sic] Bastion Prosper <strong>von</strong> Dekendorff, dem wissgerwer, der im<br />

selbs, Anastasia, siner efrowen, /vnd ir beider erben/ recht und redlich kofft hat daz huß und hoffstatt mit<br />

allem begriff rechten vnd zü gehörungen, genannt Nidernburg, als das in der statt Basel an der Gerwergas-<br />

sen zwuschen dem huß, genant Oberburg, ze einer und dem huß Steineck zer andern syten gelegen ist, stost<br />

hinden an das huß, genant hinder Niderburg, zinset dem vorgenanten spital /jerlich/ <strong>von</strong> eigenschafft ij lib<br />

nuwer pfen., glich geteilt zu den fier fronfasten, j lib pfeffersß zu wysung vff Martini vnd x ß nouorum zu er-<br />

schacz, wann sich die hand verwandelt des empfahenden halb, furer noch anderß etc. vnd ist der koff be-<br />

scheen umm lx pfunt Basler pfen., deren sich der verkoffer bekant bezalt sin, in forma etc.<br />

70 Ebd.: Jtem do habent Bastion Prosper, der wygerwer, vnd Anastasia, sin efrow, sich bekannt dem spital-<br />

meister schuldig sin lx pfund by dem bestimpten koff des huses, die sy im usrichten sollent nemlich all sant<br />

Martiß tag v lib, darvmm och dz huß vnd ander ir güt pfant vnd hafft sin soll, und gelopt solichs stet zu hal-<br />

ten, in meliori forma etc.


Gabriela Signori Hauswirtschaft (18.12.2012)<br />

dem namenlosen Haus samt Garten, das sich der Kornmesser Heini Blecher und<br />

seine Frau Elsin am 4. September 1475 für den bescheidenen, aber ihren prekä-<br />

ren Vermögensverhältnissen entsprechenden Preis <strong>von</strong> 22 Pfund erwarben. 71<br />

Verkäufer war die Basler Elendenherberge. 72 Am 5. Dezember 1475, also ganze<br />

zwei Monate später, erschienen die beiden Parteien erneut vor Gericht. Dieses<br />

Mal ging es darum, ein Darlehen aufzunehmen, das erneut exakt dem Kaufpreis<br />

der Liegenschaft entsprach. So also kaufte die Elendenherberge <strong>von</strong> Blecher für<br />

22 Pfund einen Zins in der Höhe <strong>von</strong> einem Pfund zwei Schillingen. Als Sicher-<br />

heit fungierte das im September gekaufte Haus, samt Garten und Höfchen an den<br />

Spalen:<br />

Item, do geben zu kaufen Henni Blecher, der Kornmesser, und Elsin, seine Ehefrau, mit ihm<br />

als ihrem Ehemann und Vogt, dem sie die Vogtei bekannte, für sich und alle ihr beider Er-<br />

ben dem ehrbaren Jodocus Seiler, Meister der Elendenherberge, der in Namen und auch zu-<br />

handen und Gewalt derselben Herberge ihm und seinen Nachfolgern recht und redlich ge-<br />

kauft hat 1 Pfund 2 Schillinge Geld, Jahreszinsen, die jährlich zu Michaelis zu bezahlen sind<br />

<strong>von</strong> auf und ab des Häuschens, Hofstatt und Garten mit Höfchen und allem Zubehör, das in<br />

der Stadt Basel an den Spalen zwischen dem Haus der Verkäufer zur einen und Meister<br />

Hans Ambergs Haus zur anderen Seite gelegen ist, zinst <strong>von</strong> Eigenschaft 7 ß neuer Pfennige<br />

den Frauen an den Steinen. Weiter noch anders etc. Für den Preis <strong>von</strong> 22 Pfund, den die<br />

Verkäufer bekannten, bar bezahlt zu haben und deswegen den Käufer quitt und ledig erklär-<br />

ten, dem Kauf stets zu halten gelobten und den Zins, wie oben festgehalten, zu bezahlen. 73<br />

In der Pfändungsklausel wurde den Käufern die Möglichkeit eingeräumt, das<br />

Darlehen jederzeit zu künden (ganz oder zur Hälfte):<br />

71 Staatsarchiv Basel-Stadt, Steuern B 19, St. Leonhard (S. 35): 30 lb.<br />

72 Staatsarchiv Basel-Stadt, Gerichtsarchiv B = Fertigungsbücher, Bd. 10, S. 10: Lune ante Nativitatis Marie:<br />

Jtem do git zu kouffen Jodocus Seiler, meister der Ellendenherberg, mit gunst, wissen und willen siner er-<br />

ben, fúr sich und sin nachkomen, Heiny Blecher, dem kornmesser, der im selbs, Elsin, siner efrow, und jren<br />

erben recht und redlich hatt kofft daz huß und garten mit dem ho efflin darhinder und allen zugehorungen,<br />

so gelegen ist /in der vorstatt an den Spalen zwúschen dem benanten koiffer ze einer und .M. Hansen Am-<br />

berg zer andern siten, stoßt hinden uff /den/ blatz, zinset <strong>von</strong> eigenschafft vij ß novorum den frowen an den<br />

Steinen. Fúrer noch andersß etc. Pro summa xxij lb, quitt. promitt. etc.<br />

73 Staatsarchiv Basel-Stadt, Gerichtsarchiv B = Fertigungsbücher, Bd. 10, S. 11: Martis vigilia Nicolai: Jtem do<br />

geben ze kouffen Henny Blecher, der kornmesser, und Elsin, sin efrow, mit im als jrem elichen mann und<br />

vogt, dem sy der vogty verjah, fur sich und all jr beider erben dem erbern Jodoco Seiler, meister der Ellen-<br />

denherberg, der in namen och zü handen und gewalt derselben herberg im und sinen nachkomen recht und<br />

redlich hatt kofft j lb ij ß pfen. geltz jerlichs zines jerlichen uff sant Michelstag ze antwurtten <strong>von</strong> uff und ab<br />

irem húßlin, hoffstatt und garten mit dem höfflin mit aller zügehörung, so gelegen ist ze Basel an den Spalen<br />

zwúschen derselben verkoiffern hus ze einer und meister Hansen Ambergs zer andern syten, zinset <strong>von</strong> ei-<br />

genschaff vij ß novorum den frowen an den Steinen. Furer noch anders etc. Pro summa xxij lb, deren sich<br />

die verkoiffere bekanten bar bezalt und wol gewert sin, seitten den koiffer darumm quitt und lidig, glopten<br />

disen koufft stet ze halten, des gut werschafft zet nd und den zinß, in maß vorstat, ze antwurtten.<br />

21


Gabriela Signori Hauswirtschaft (18.12.2012)<br />

22<br />

Sollten sie das nicht tun, könne jeder Meister der Elendenherberge ihnen deswegen<br />

Pfänder wie beim Bodenzins <strong>von</strong> Eigenschaft wegen heraustragen und verkaufen<br />

lassen, oder das oben beschriebene Unterpfand sowie alle anderen liegenden und<br />

fahrenden Güter angreifen bis zur Bezahlung der ausstehenden Zinsen und den<br />

entstandenen Unkosten, und ihnen die Gnade des Widerkaufs tun ganz oder zum<br />

Teil mit 11 Pfund und 11 Schillingen. 74<br />

Der je nach Kauf unterschiedliche Zeitpunkt, an dem die Kreditaufnahme erfolg-<br />

te, erschwert es, allgemeingültige Aussagen über die soziale oder wirtschaftliche<br />

Bedeutung der merkwürdigen Geschäfte zu treffen. Fest steht, daß die Hauskäu-<br />

fer durch die Bank weg in prekären Wirtschaftsverhältnissen lebten. Um so<br />

dringlicher stellt sich die Frage, welchen Nutzen Spital und Elendenherberge ge-<br />

habt haben könnten, ihnen solche Kredite zu gewähren? Nächstenliebe dürfte es<br />

kaum gewesen sein in Anbetracht der Vielzahl der Pfändungsverfahren (Frönun-<br />

gen), die auf dieselben kirchlichen Einrichtungen zurückgehen. Eher ist zu ver-<br />

muten, daß diese „Tauschgeschäfte“ erlaubten, die realen Besitzverhältnisse zu<br />

kaschieren. Die Häuser gehörten formal zwar Laien, faktisch aber waren sie fest<br />

in kirchlicher Hand. 75<br />

... alte Hypotheken<br />

Rund zwanzig Prozent der 260 Häuser, die in den Jahren zwischen 1475 und<br />

1480 den Besitzer wechselten, waren zum Zeitpunkt der Verkaufs bereits mit ei-<br />

ner, zuweilen auch mit zwei oder gar drei alten Hypotheken belastet. Der durch-<br />

schnittliche Wert beläuft sich auf sechzig Gulden und ist somit markant tiefer als<br />

die durchschnittliche Belastung der Häuser durch neue Kredite (150 Gulden). Bei<br />

Althypotheken machten es die Verkäufer den Käufern gewöhnlich zur Auflage,<br />

die entsprechenden Zinsen „abzutragen“ (nicht das Darlehen aufzulösen). Wenige<br />

Tage bevor sich Michel Iselin und seine Frau die sechs oben erwähnten Häuser in<br />

der Vorstadt zum Kreuz erwarben, hatten sich die beiden <strong>von</strong> Ritter Konrad <strong>von</strong><br />

Ramstein für 270 Gulden den am Fischmarkt gelegenen herrschaftlichen Roten<br />

Hof gekauft. Freies, lediges Eigen versteht sich. Auf dem Hof lag eine alte Hypo-<br />

thek in der Höhe <strong>von</strong> hundert Gulden, die der Vorbesitzer bei dem Tuchscherer<br />

74 Ebd.: Wo sy das nit teten, mocht ein yeglicher meister der Ellendenherberg inen darumm pfender als umm<br />

bodenzinß <strong>von</strong> der eigenschafft ußtragen und verkouffen lassen oder daz obgeschrieben underpfand und ob<br />

daran abgieng alle andere ir ligende und varende guter, angriffen biß zü bezalung der usstenden zinsen mit<br />

dem kosten und gnad des widerkouffs tun pro toto oder teilsamlich mit xj lb xj ß.<br />

75 Vgl. Anm. 28.


Gabriela Signori Hauswirtschaft (18.12.2012)<br />

Hans Gegenbach aufgenommen hatte. 76 Iselin mußte Ramstein versprechen, die<br />

Zinsen „abzutragen“. Bar bezahlte er am Schluß lediglich die Differenz <strong>von</strong> 170<br />

Gulden. 77<br />

Die Übernahme alter Darlehen war fester Bestandteil der Kaufverträge. Bei Käu-<br />

fern wie dem Ehepaar Iselin verliefen solche Geschäfte auch völlig problemlos.<br />

Schwierigkeiten ergaben sich erst dann, wenn sich die Darlehen häuften oder der<br />

Käufer zu den bereits bestehenden weitere Kredite aufnahm. Das Ergebnis war<br />

dasselbe. Beides bewirkte, daß der Kaufpreis der Immobilien teilweise drastisch<br />

sank. Die tiefen Preise wiederum lockten Käufer, die sich die Häuser ohne „Bela-<br />

dung“ nicht hätten leisten können. Beobachten läßt sich der Prozeß etwa beim<br />

Haus zum Kung in der Eschemervorstadt. Erworben hatte sich das Haus, wie wir<br />

gesehen haben, am 31. Mai 1475 zunächst der Goldschmied Heinrich <strong>von</strong> Werd<br />

für den Preis <strong>von</strong> 62 Gulden. 78 Tags darauf erschien der Goldschmied erneut vor<br />

Gericht und nahm beim Spital (in diesem Fall nicht beim Verkäufer) einen Kredit<br />

in der Höhe <strong>von</strong> sechzig Gulden auf, „<strong>von</strong> auf und ab“ seines Hauses in der Esche-<br />

mervorstadt. 79 Am 12. Juni 1480, also fünf Jahre später verkaufte der Gold-<br />

schmied das Haus dann an den Seiler Michel Pfr nder und seine Frau Elsin. Auf<br />

dem Haus lagen mittlerweile zwei Hypotheken: Zu den sechzig Gulden, die das<br />

Spital dem Goldschmied geliehen hatte, waren später weitere zehn Gulden ge-<br />

kommen, die Heinrich bei den Basler Augustinereremiten aufgenommen hatte. 80<br />

76 Staatsarchiv Basel-Stadt, Steuern B 19, St. Leonhard (S. 58): 850 Gulden.<br />

77 Staastarchiv Basel-Stadt, Gerichtsarchiv B = Fertigungsbücher, Bd. 10, S. 8: Martis ante Michahelis: Jtem<br />

do git ze kouffen der streng herr Conrat <strong>von</strong> Ramstein, ritter, fúr sich, sin erben und nachkomen dem erbern<br />

Michel Yselin, dem gewantman, der im selbs, Elsy, siner efrow, und allen ir beder erben recht und redlich<br />

hatt koufft das huß und gesesse, genant der Roten hoff, mit dem Garten dahinder und dem ho efflich davor<br />

und allen begriffen rechten und zu egeho erungen, gelegen zu Basel in der statt by dem Vischmerkt, als man<br />

das geßlin nebent der alten Glocken hinuff zu sant Peter gat, stoßt hinden an daz huß, genant Metz, und der<br />

Herren stubent, genant zem Brunnen, und obsich an sant Petersberg zwúschen beiden gesslin. Ist frig, lidig<br />

eigen, niemant hafft noch verbunden in dhein wyß noch wege. Und ist diser koff geben und beschehen um ij c<br />

und lxx g, deren sollent die koiffere abtragen .v. g geltz mit jrem hoptg t /c g/ gegen Hannsen Gengenbach,<br />

dem t chscherer, [...] und deshalb den verkoiffer und sin erben gantz schadloß halten. Der ubrigen c und<br />

lxx g bekant sich der verkoiffer bar bezalt und wol gewert sin, seitt den koiffer derumb quit und lidig, glopt<br />

diesen kouff stet ze halten, des gut werschafft ze t nd verbunden sich, sin erben und nachkomen, in forma<br />

etc.<br />

78 Staatsarchiv Basel-Stadt, Steuern B 19, St. Leonhard (S. 37): 20 Pfund.<br />

79 Staastarchiv Basel-Stadt, Gerichtsarchiv B = Fertigungsbücher, Bd. 10, S. 5 (wie Anm. 35).<br />

80 Staastarchiv Basel-Stadt, Gerichtsarchiv B = Fertigungsbücher, Bd. 10, S. 499: Lune ante Viti et Modesti:<br />

Jtem do gibt zu koffen Heinrich <strong>von</strong> Werd, der goldsmid, fur sich und sein erben dem erbern Michel Pfron-<br />

der, dem seiler, der im selbs, Elsin, siner efrowen, und ir beider erben recht und redlich kofft hat das huß<br />

23


Gabriela Signori Hauswirtschaft (18.12.2012)<br />

Pfr nder mußte jährlich also über fünf Gulden Grund- und Hypothekarzinsen<br />

stemmen. Das war für seine Verhältnisse – 1470 hatte er bescheidene zwanzig<br />

Pfund versteuert – sehr viel Geld. Dafür kostete das Haus bloß sechs Gulden.<br />

Einzelne Häuser waren schließlich derart mit Hypotheken überfachtet, daß sie<br />

gar nichts mehr kosteten! Verkauft bzw. „verramscht“ wurden sie nur noch um<br />

den Preis ihrer ‚Beladung’ (Zinsbelastung). 81 Auf diese unrühmliche Art wechselte<br />

das an der Kuttelbrücke gelegene Haus Goldeck am 20. August 1478 seinen Besit-<br />

zer. Auf dem Haus lagen Zinsen <strong>von</strong> jährlich zehn Gulden, was einem Kapital <strong>von</strong><br />

zweihundert Gulden entspricht (der Marktwert des Hauses). 82 „Verramscht“<br />

wurden also keineswegs nur Buden und kleine Häuschen in Randlage, sondern<br />

auch Liegenschaften in zentraler Lage und im gehobenen Preissegment <strong>von</strong> zwei-<br />

hundert Gulden.<br />

24<br />

zem Kung mit dem gartlin darhinder und allen andern sinen begriffen rechten und zügehörungen, gelegen<br />

in der statt Basel und der vorstatt Eschemertor zwúschen dem huß zem Widerhorn ze einer und /Peter<br />

Hoptliß, des seilers/ huß zer andern syten, zinset <strong>von</strong> eigenschafft j lib ij ß gewonlicher Basler zinspfennig<br />

und zwei hu ener ze wysung den herren zu sannt Lienhart. Bruder Heinrich Mo eslin, conversus vnd schaffner<br />

consensit. So dann xiiij ß an sannt Agnesenaltar in sant Johanscapell uff Burg gelegen und j g den Augusti-<br />

ner, sind beide widerko effig nach lut ir briefen, so dann und zeletst iij g, och widerkoffig, dem Spital hie zü<br />

Basel. Furer noch annderß etc. Und ist der koff bescheen umm vj g, deren sich der verköffer bekannt bezalt<br />

sin. Quittans promitt. de ratu warandia atque renuncians in forma.<br />

81 HDRG.<br />

82 Staastarchiv Basel-Stadt, Gerichtsarchiv B = Fertigungsbücher, Bd. 10, S. 244: Jtem do gijt zu koffen der<br />

erber Heinrich Irme, der koffmann, fúr sich und all sin erben Steffan Stein, dem kremer, der im selbs, Elsin,<br />

siner efrowen recht und redlich kofft hat daz huß und hoffstatt mit allem begriff rechten und zü gehörungen,<br />

genant Goldeck, so gelegen ist in der stat Basel an der Kuttelbruken, deren mann ettwann sprach Menliß-<br />

steg, an dem ort gegen Studerß hoff oder Gotschalks huß úber, neben dem huß Zessingen, reichett hinden<br />

uff den Birsich und ist erb zem halben teil <strong>von</strong> den herren der stifft zü sannt Peter und zem teil der ersten<br />

pr nd deß altarß zü vnser lieben frowen altar zü sant Martin, denen da <strong>von</strong> gond iiij pfund guter gemeiner<br />

Basler /zinß/pfen. angaratim <strong>von</strong> der eigenschafft und den herren zü sant Peter ij ringbrotz ze wysung uff<br />

Martini und x ß zinspfen. erschacz yetwederum teil zem halben züstond. So dann sol mann och jerlichen da-<br />

<strong>von</strong> geben iij g ewigs gelcz der Presencz uff Burg, so dann sol mann och jerlichen da<strong>von</strong> geben v g gelcz /uff<br />

Letare/ widerköffig samenthafftig mit c g oder teilsamlich mit zwentzig g, einen den Predigern hie zü Basel.<br />

Furer noch anderß ist solich huß nit beladen etc. Und ist der koff bescheen umm die beladung der obgemel-<br />

ten zinsen. Heruff habent och die köffere gelopt und versprochen solich zinß jerlichen in maß vorstat ze<br />

richten, den verkoffer und sin erben deren halb gegen menglichem ze vertretten und schadloß ze halten, ob<br />

sy daz nit teten, sol und mag mann inen darumm pfender ustragen als umm bodenzinß oder daz fedacht huß<br />

und ander ir gut darumm angriffen, biß zu enthebung der zinsen mit dem kosten daruff gangen.


Gabriela Signori Hauswirtschaft (18.12.2012)<br />

Schluß<br />

Soweit also die rechtlichen <strong>Grundlagen</strong>, die unterschiedlichen Besitzformen und<br />

die unterschiedlichen Zahlungsmodalitäten betreffend, die im ausgehenden 15.<br />

Jahrhundert in der Stadt Basel den Handel mit Liegenschaften bestimmten. Daß<br />

es bei den Besitzformen und Zahlungsmodialitäten um viel mehr als um Rechtsfi-<br />

guren ging, sollte indes deutlich geworden sein. Die Hauspreise waren stabil, so<br />

daß das Risiko bei der Kreditvergabe meist einseitig bei denen lag, die ihre Häu-<br />

ser mit Hypotheken belasteten oder mit Hypotheken belastete Häuser erwarben.<br />

Die Kredite flossen sowohl horizontal als auch vertikal. Darauf werde ich zu ei-<br />

nem späteren Zeitpunkt noch detaillierter eingehen müssen. Sie spannen ein<br />

engmaschiges und auf Dauer angelegtes Netz an ökonomischen Abhängigkeiten,<br />

das <strong>von</strong> einem ebenso engmaschigen Netz an grundherrschaftlichen Abhängig-<br />

keiten unterlegt war. Beide Formen der Verflechtung und Verpflichtung be-<br />

herrschten die städtische Lebenswelt, das sollten unsere Beispiele ausreichend<br />

gezeigt haben, letztlich in gigantischen Ausmaßen. Als Akteure treten dabei in<br />

überraschender Vielzahl Ehepaare auf den Plan, ein wichtiges Indiz, daß es beim<br />

Handel mit Liegenschaften nicht um Gewinnmaximierung ging, sondern fast aus-<br />

schließlich um die materielle Absicherung der Ehegemeinschaft bzw. Kernfamilie<br />

und in Analogie zum Ehepaar um die materielle Absicherung der Kirche. [Ar-<br />

beitsplan: Im Folgenden möchte ich diese bislang nur gestreifen soziokulturellen<br />

Dimensionen der städtischen ‚Hauswirtschaft’ eingehender beleuchten. Beginnen<br />

werde ich mit den Käufern. Denn die Käufer <strong>von</strong> heute sind die Verkäufer <strong>von</strong><br />

morgen. Zur Diskussion stehen in erster Linie die beiden marktgenerierenden<br />

Faktoren Lebenszyklus und Migration. Im zweiten Schritt gilt es zu klären, wel-<br />

che Interessen die heterogene Gruppe derjenigen Käufer folgte, die nicht als Ehe-<br />

gemeinschaft auf dem Liegenschaftsmarkt agierten.]<br />

25

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!