Pfarrbrief Advent 2004 - Zuhause @ Familie Ganter
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Zum Tag: Maria Erwählung<br />
8<br />
Maria – der geglückte Mensch<br />
Gedanken zum Fest „Mariä Erwählung“ am 8. Dezember<br />
Auf der Synode in Frankreich im<br />
Jahre 585 nach Christus stritten sich<br />
die Gelehrten und Bischöfe, ob die Frau<br />
eine Seele habe. Mit nur einer Stimme<br />
wurde der theologische Unfug abgelehnt,<br />
dass verdienstvolle Frauen bei der Auferstehung<br />
des Fleisches zuerst in Männer<br />
verwandelt werden müssten, ehe sie das<br />
Paradies betreten könnten. Knapp 1300<br />
Jahre später, am 8. Dezember 1854, verkündet<br />
Papst Pius IX. das revolutionäre<br />
Gegenteil, die Lehre von der einzigartigen<br />
Bevorzugung der Frau.<br />
Die Gottesmutter Maria ist im ersten<br />
Augenblick ihrer Empfängnis durch den<br />
allmächtigen Gott, im Hinblick auf die<br />
Verdienste Jesu, von allem Makel der<br />
Erbsünde bewahrt geblieben. Auf Latein<br />
heißt das „Immaculata Conceptio“, in<br />
einer unglücklichen deutschen Übersetzung<br />
„Unbefleckte Empfängnis“. Damit<br />
fing das Missverständnis an. Spötter und<br />
Kirchenkritiker bringen bis heute diese<br />
Glaubenslehre in Verbindung mit der<br />
jungfräulichen Geburt Jesu Christi, als<br />
ob natürliche Zeugung für die Kirche<br />
etwas mit „Befleckung“ zu tun habe.<br />
Aber wie sollen sie es auch wissen.<br />
„Erbsünde“ ist genau so ein Fremdwort<br />
in unserer Sprache. Dabei merkt sie<br />
jeder an sich selbst, die allgemeine und<br />
angeborene „Immunschwäche“ gegenüber<br />
dem Bösen, von den Theologen<br />
„Erbsünde“ oder „Ursünde“ genannt. In<br />
Maria haben wir den ersten Menschen,<br />
der in dieser Hinsicht „kerngesund“ ist.<br />
Die Überzeugung, dass es sich bei<br />
ihr um einen ganz und gar „wert-vollen“<br />
Menschen handelte, war schon da, bevor<br />
sich Päpste und Theologen über einen<br />
Glaubenssatz Gedanken machten. Die<br />
Urkirche sieht in Maria die besonders<br />
Begnadete und Gesegnete (Lukas 1, 28<br />
und 42). Die orthodoxen Christen besingen<br />
sie als „Panagia“ = „Ganz-Heilige“.<br />
Auch gläubige Muslime verehren Maria<br />
als vorbildlichen Menschen, der bereits<br />
im Mutterleib von Gott erwählt und<br />
unter seinen besonderen Schutz genommen<br />
wurde. (Koran, Sure 3).<br />
Wenn wir nunmehr auf 150 Jahre<br />
des Dogmas der „Immaculata“ zurückblicken,<br />
müssen wir es von der Sprache<br />
des 19. Jahrhunderts befreien, wie es der<br />
Schriftsteller Franz Alt versucht hat. Für<br />
ihn war Jesus „der erste neue Mann“,<br />
und Maria, die Mutter Jesu, die „erste<br />
neue Frau – der geglückte Mensch“. In<br />
ihr zeigt uns Gott, dass er das Böse in<br />
der Welt nicht mit Härte und Gewalt,<br />
sondern mit Anmut, Milde und innerer<br />
Kraft überwindet. Und Kraft zu einem<br />
reifen Glauben musste Maria auf ihrem<br />
Lebensweg vielfach beweisen. Sie scheut<br />
sich nicht, Gott kritische Fragen zu stellen.<br />
Sie muss erkennen, dass ihr Sohn