THEOLOGISCHES 9&10 - 2007 (pdf: ganzes Heft)
THEOLOGISCHES 9&10 - 2007 (pdf: ganzes Heft)
THEOLOGISCHES 9&10 - 2007 (pdf: ganzes Heft)
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
das gedämpfte Licht im Schiff gegenüber der strahlenden Chorbeleuchtung,<br />
die Steigerung der farbigen Wirkung nach dem<br />
Hochaltar zu waren alles Mittel, dieses Ziel zu erreichen. Durch<br />
die Stützenreihung wird das Leichte, Schwebende des Raumes,<br />
das zunächst den Beschauer gefangen nimmt, weitergeführt<br />
nach dem Altar und dort in kreisende Bewegung in horizontaler<br />
Richtung aufgelöst. Das ganze Raumsehnen findet seine Erfüllung<br />
in der Opferstätte“. (Bd 9). Vor allem in Neu-Ulm gelingt<br />
Böhm die für ihn typische Konzentration wahrer Lichtmassen<br />
auf den Altar. Es fällt indirekt von den Seiten und vor<br />
allem von oben ein.<br />
Dagegen erhob sich Widerstand. Holger Brülls schreibt in<br />
dem Buch Sehnsucht des Raumes, hrsg. von Michael Pfeifer,<br />
Regensburg 1998, auf S. 21 aus nachkonziliarer Sicht: Böhm<br />
baute „seine Kirchen als Fluchtburg für Weltflüchtige“. Vor<br />
allem wurde die Konzentration auf den Hochaltar in der Liturgiereform<br />
der 70-er Jahre „korrigiert“. R. Vorderholzer versucht<br />
gegenüber dem offenkundigen Konfrontation zwischen<br />
dem vorgezogenen Volksaltar und dem entrückten Hochaltar<br />
als Blickfang und Fluchtpunkt ins Transzendente eine scheinbar<br />
überlegene Synthese: „daß die Alternative Opfercharakter<br />
oder Mahlcharakter letztlich zu kurz greift“ (S. 88); und: „in<br />
einer bewußt offen gehaltenen Form war die ‘Einsetzung der<br />
Eucharistie’ von innen her bereit …, im Licht der Ostererfahrung<br />
als ein Dankopfermahl Jesu aufgegriffen zu werden“<br />
(a.a.O. S. 90). Als Antwort auf Luther habe das Konzil von<br />
Trient einseitig, „in einer gewissen Isolation einzelne Themen<br />
stark in den Vordergrund gestellt, so vor allem die Lehre vom<br />
Opfercharakter der Messe“ (S.87) – aber keine umfassende Eucharistietheologie<br />
entwickelt. „Dieses Verständnis der Messe<br />
als Meßopfer (vom Konzil von Trient) ist nicht falsch oder heute<br />
ungültig, es ist nur einseitig.“ (S.86) „Nur nebenbei sei darauf<br />
hingewiesen, daß hinsichtlich des Opfercharakters der Messe<br />
im ökumenischen Gespräch die Mißverständnisse mittlerweile<br />
überwunden zu sein scheinen.“ (S. 88) Dagegen zeigte<br />
gerade die „Gemeinsame Erklärung über die Rechtfertigungslehre“<br />
durch ihr Zustandekommen bzw. Nicht-Zustandekommen<br />
mit und ohne Zusatzerklärung der Glaubenskongregation,<br />
daß die Unterschiede nach wie vor höchst virulent sind, und<br />
sich unsere Vorfahren nicht während 450 Jahren nur wegen<br />
Mißverständnissen so unerbittlich attackiert haben. Zudem war<br />
während der vergangenen 40 Jahre – auch von seiten katholischer<br />
Exegeten – die historisch-kritische Hinterfragung der<br />
Einsetzung der Eucharistie, die Vorderholzer in Anführungszeichen<br />
setzt, bestimmt von einer unhinterfragten Übereinstimmung,<br />
den überlieferten Bericht als nachträgliche Kultätiologie<br />
abzuqualifizieren und den ursprünglichen Sitz im Leben in das<br />
Versöhnungsmahl mit Zöllnern und Sündern zu verlagern.<br />
Wie auch immer Vorderholzer verbal „das Opfermotiv in den<br />
größeren Zusammenhang der Messe als Eucharistiefeier reintegrierte“<br />
(S.86: im Wandel des Eucharistieverständnis in der katholischen<br />
Kirche im Verlauf des 20. Jahrhunderts), die „Meßopferkirchen“<br />
Dominikus Böhms wurden zerstört. Dieses harte Wort<br />
verwendet ein unverdächtiger Zeuge, Domherr Lenssen, Bau- und<br />
Kunstreferent der Diözese Würzburg, zur Kirche in Dettingen:<br />
„Die momentane liturgische Lösung“ – Abriß der Kommunionbank<br />
und ein vorgesetzter „Volksaltar“ – „(hat) die anfänglich Altargestalt<br />
in ihrer Gesamtkonzeption zerstört“ (S. 173).<br />
Noch gravierender ist der Bruch in der Kirche St. Johann in<br />
Neu-Ulm, in der die ursprünglich auf den Hochaltar konzentrierten<br />
Lichtfluten nun auf die leere Stirnwand fallen und ein<br />
Zelebrationsaltar in die Richtung des dunkel gehaltenen Kir-<br />
chenschiffs vorgezogen wurde. Da kann auch keine künstliche<br />
Beleuchtung die durchbrochene Lichtführung der Architektur<br />
überblenden. Die „Wegkirche“, die über den irdischen Kirchenraum<br />
hinausführen will – hier liegt der Grund für die von Vorderholzer<br />
vermißte österliche Dimension – entspricht zwar, wie<br />
H. Muck (S. 168) zugibt, der Konzeption des Zweiten Vatikanischen<br />
Konzils von der pilgernden Kirche, läßt aber das „Verständnis<br />
für die räumliche Ausgestaltung der eucharistischen<br />
Tischgemeinschaft“ (S. 164) vermissen. Man sei zwar unterwegs,<br />
aber es gebe für das Gottesvolk „Stationen seines Feierns“<br />
(S. 168). Dies geschehe im Kreis der Feiernden, ein „Gegenbild<br />
zum gebauten Vermittlungsmodell mit räumlicher Darstellung<br />
der Ordnung liturgischen Betens durch Christus zum<br />
Vater“ (ebd.), noch dazu mit dem angeblichen „Traditionsbruch<br />
…, das Leidenskruzifix mit dem Altar zu verbinden“ (S. 166).<br />
Nach H. Muck leben wir in einer „Zeit zunehmenden Rückfalls<br />
in Schaufrömmigkeit, versuchter Retabel-Repliken und einer<br />
neuerlichen Reduktion gemeinschaftlichen Eucharistiefeierns<br />
auf beschauliche Meßandachten“ (S. 168 – das Motu Proprio<br />
„Summorum Pontificum“ wird diese Furcht Mucks wohl bestätigen!).<br />
Gegenüber der Konzeption Böhms werden dagegen in<br />
Kreisen der neueren Liturgischen Bewegung die „Formen des<br />
Gebauten auf der ganz anderen Handlungsebene des Zusammenseins<br />
und des Miteinanders als Gestalten der Versammlung<br />
verstanden, in denen man die berührenden Erfahrungen mitbetender<br />
und mitfeiernder Gemeinde machen konnte“ (S.170).<br />
Tatsächlich befinden wir uns da auf einer „ganz anderen<br />
Handlungsebene“ und dafür wurden die Kirchen Böhms nicht<br />
konzipiert. Domherr Lenssen sucht nach einer Lösung für Dettingen:<br />
„Schwierig wird es hingegen in tradierten Sakralräumen,<br />
die von einem andersgearteten liturgischen Verständnis<br />
ausgehen … Sowohl die Wegkirchenkonzeption als auch die<br />
Lichtführung, die Überhöhung des Altarortes … (ist) einzig<br />
vom Opfergedanken der Eucharistiefeier bestimmt …“ (S.<br />
172). Zwar wolle man nicht mehr – wie in den 70-er Jahren –<br />
den profanen Mehrzweckraum, aber im heiligen Raum werden<br />
„über ein alleiniges Hintreten vor Gott hinaus die Wünsche<br />
nach dem Erlebnis von Gemeinschaft in der versammelten Gemeinde,<br />
also nach intensiven, Halt gebenden zwischenmenschlichen<br />
Beziehungen eingeschlossen“ (S. 171f). „Zeitgenössische(m)<br />
Gemeinde- und Liturgieverständnis entspricht …<br />
nicht eine Gegenwelt..., sondern im lebendigen Miteinander<br />
von historischem Raum und darin gefeierter neuer Liturgie ein<br />
heilsames Angebot, eine heilvolle Antwort auf die Fragen unserer<br />
Zeit.“ (S. 176)<br />
Dazu müßte dieses „lebendige Miteinander“ allerdings ehrlich<br />
sein. Nach Lenssen sollte man die zerstörte anfänglich<br />
Altargestalt wiederherstellen: „Alle baulichen und ausstattungsmäßigen<br />
Zutaten der letzten Jahre sind zu entfernen. Der<br />
Altarraum, möglichst einschließlich der ursprünglichen Kommunionbank,<br />
ist wieder in den Anfangszustand zurückzuversetzen<br />
…“; „… unter Wiedererlangung des ursprünglichen<br />
Altarraumes als Ausdruck der ihn bestimmenden Theologie erhält<br />
der Tabernakel auf dem Apostelaltar seinen Ort zurück. Die<br />
Rückführung steht für die von Böhm verwirklichte Christozentrik<br />
des Raumes. Die Wegkirche selbst und der Pilgerweg der<br />
versammelten Gemeinde in ihr finden wieder ihr Ziel.“ (S. 173)<br />
So weit so gut! Aber jetzt „klaffen Raum und gottesdienstliche<br />
Feier auseinander.“ Lenssen will sich nicht auf eine museale<br />
Maßnahme beschränken – die Raumgestalt der zwanziger Jahre<br />
wird inzwischen immerhin anerkannt als eine Station modernen<br />
Kirchenbaus –, sondern die unterste Stufe zur Kommunionbank<br />
– 335 – – 336 –