Einige Gedanken über Wurfparabeln - Staffelsee-Gymnasium Murnau
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<strong>Einige</strong> <strong>Gedanken</strong> <strong>über</strong> <strong>Wurfparabeln</strong><br />
Wolfgang Heine, Mai 2011<br />
Sebastian und Thomas spielen gerne Fußball und wollen wissen, welche Schussmöglichkeiten es gibt,<br />
um einen bestimmten Punkt zu treffen. Außerdem möchten sie herausbekommen, unter welchem<br />
Winkel zur Horizontalen man abschießen muss, um möglichst weit zu kommen. Im Physikunterricht<br />
haben sie von den Untersuchungen von Galileo Galilei (1564-1642) <strong>über</strong> die Gesetze des freien Falls<br />
und die Parabelbewegung von Wurfgeschossen gehört. Sie versuchen ihre Fragen mit Hilfe der<br />
Schulmathematik zu lösen und verwenden dazu ihre Formelsammlungen. Da das Problem recht<br />
schwierig wird, wenn man die Luftreibung mit einbezieht, wollen sie diese vernachlässigen, wie das in<br />
der Schule üblich ist.<br />
Herleitung der Parabelfunktion<br />
Zunächst legen sie einen als punktförmig gedachten Ball in den Ursprung eines rechtwinkligen<br />
Koordinatensystems mit der x-Achse nach rechts und der y-Achse nach oben. Der Winkel sei der<br />
Abschusswinkel mit gegen<strong>über</strong> der Horizontalen, sei der Betrag der<br />
Anfangsgeschwindigkeit mit den Komponenten<br />
Mit den Bewegungsgleichungen<br />
Um von der Zeit unabhängig zu sein, wird t eliminiert.<br />
Einsetzen von (4) in (3b) ergibt eine Funktion der Höhe y in Abhängigkeit von x:
Aus dem Unterricht wissen sie, dass eine Funktion der Art mit eine nach unten<br />
geöffnete Parabel darstellt, deren Nullstellen man durch Ausklammern von x erhält.<br />
ist die Abschussstelle,<br />
gibt die Auftreffstelle des Balls an.<br />
Die beiden erinnern sich an eine Formel in ihrer Formelsammlung, nämlich<br />
mit dieser kann man die Auftreffstelle in der Form angeben:<br />
Thomas und Sebastian <strong>über</strong>legen sich, was die Formel bedeutet. Die Fallbeschleunigung im Nenner<br />
sagt ihnen, dass sie am Äquator weiter schießen können als bei uns, denn dort ist g etwas kleiner. Dass<br />
die Anfangsgeschwindigkeit quadratisch in die Formel eingeht, bedeutet, dass bei doppelter<br />
Abschussgeschwindigkeit der Ball theoretisch viermal so weit fliegt.<br />
Maximale Flugweite<br />
Um die Frage mach der maximalen Flugweite in Abhängigkeit von zu klären, leiten sie die<br />
Nullstellenfunktion nach ab und vergessen dabei das Nachdifferenzieren nicht:<br />
Um das Extremum zu finden, prüfen sie, für welche Winkel mit der Ausdruck null wird.<br />
Als einziger Faktor kommt nur in Frage. Also muss sein. Der Nachweis dafür,<br />
dass es sich um ein Maximum handelt, <strong>über</strong>lassen sie euch Lesern.<br />
.
Scheitelhöhe<br />
Nun wollen sie aber zuerst die Frage beantworten, wie hoch der Ball in Abhängigkeit vom<br />
Abschusswinkel steigt. Da der x-Wert des Scheitels der Parabel in der Mitte zwischen den<br />
Nullstellen liegen muss, gilt<br />
(7b) in die Parabelgleichung (5) eingesetzt, ergibt die Scheitelhöhe zu<br />
Damit haben sie den Scheitel ermittelt:<br />
Als Sonderfall für erhalten sie wegen und<br />
Die maximale Flugweite ist also in diesem Fall<br />
Die Einfachheit des Ergebnisses verblüfft. Im Unterricht haben sie beim senkrechten Wurf die Formel<br />
bzw.<br />
kennengelernt. So ist beim Abschuss unter 45° die Flugweite des Balls viermal so groß wie die<br />
Flughöhe, weil , und doppelt so groß wie die Flughöhe beim senkrechten Wurf.
Um die Flugbahnen darzustellen, geben Thomas und Sebastian die Daten in das bekannte Programm<br />
Mathematica ein und erhalten folgende Graphik:<br />
<strong>Wurfparabeln</strong><br />
v0 25; angenommene Anfangsgeschwindigkeit<br />
g 9.81; Fallbeschleunigung<br />
x t_, _ : v0 t Cos ;<br />
y t_, _ : v0 Sin t<br />
g<br />
2<br />
t 2<br />
<strong>Wurfparabeln</strong><br />
rad _ : 180; Winkelumrechnung<br />
h<br />
t0<br />
v0 2<br />
; Flughöhe beim senkrechtem Wurf<br />
2 g<br />
2 v0<br />
; Flugdauer beim senkrechtem Wurf<br />
g<br />
tabelle1 Table x t, rad , y t, rad , , 5, 45, 5 ;<br />
tabelle3 Table x t, rad , y t, rad , , 50, 85, 5 ;<br />
graf1 ParametricPlot Evaluate Table tabelle1 , t, 0, t0 ;<br />
graf2 ParametricPlot x t, rad 45 , y t, rad 45 , t, 0, t0 ,<br />
PlotStyle RGBColor 0, 0, 1 ;<br />
graf3 ParametricPlot Evaluate Table tabelle3 , t, 0, t0 ;<br />
Show graf1, graf2, graf3, AspectRatio 0.4, PlotRange 0, 2 h ,<br />
0, h , AxesLabel "x", "y" ;<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
y<br />
10 20 30 40 50 60<br />
Deutlich ist darin zu erkennen, dass die Winkel, die zur gleichen Flugweite gehören, sich jeweils zu<br />
90° ergänzen, also z.B. und ist, woraus man schließen kann,<br />
dass eine Symmetrie zum 45°-Winkel existiert. Die 45°-Bahn ist blau dargestellt.<br />
x
Ortslinie der Scheitel<br />
Die beiden Freunde markieren mit einem Farbstift die Scheitelpunkte aller gezeichneten Parabeln und<br />
entdecken eine neue Besonderheit: Alle Markierungspunkte scheinen auf einer Ellipse mit dem<br />
Mittelpunkt<br />
Halbachse<br />
zu liegen, wobei ihre große Halbachse<br />
ist und ihre kleine<br />
. Diese Werte kennen sie vom Scheitel . Diese Vermutung wollen sie nun<br />
durch eine Rechnung bestätigen. Dazu nehmen sie sich wieder eine Formelsammlung vor und finden<br />
die Gleichung einer Ellipse mit dem Mittelpunkt<br />
In diesem Fall ist und<br />
Halbachsen wird der Scheitel aus (9a)<br />
zu<br />
. Unter Verwendung der Abkürzungen für die vermuteten<br />
Da Thomas und Sebastian im Mathematikunterricht gut aufgepasst haben, finden sie eine günstige<br />
Formel zur weiteren Umformung, bevor sie die Koordinaten in die Ellipsengleichung einsetzen.<br />
Der Scheitel kann nun in der Form<br />
Diese Werte setzen sie in die Gleichung ein und erhalten nach der bekannten Formel<br />
Damit hat sich ihre Vermutung bestätigt, was sie in einer weiteren Mathematica-Graphik darstellen.<br />
Parabeln mit Ortslinie der Scheitel<br />
.
v0 25; Anfangsgeschwindigkeit<br />
g 9.81; Fallbeschleunigung<br />
x t_, _ : v0 t Cos ;<br />
y t_, _ : v0 Sin t<br />
g<br />
2<br />
t 2<br />
<strong>Wurfparabeln</strong><br />
rad _ : 180; Winkelumrechnung in' s Bogenmaß<br />
a<br />
v0 2<br />
;<br />
2 g<br />
Große Halbachse<br />
b a 2; Kleine Halbachse<br />
t0<br />
2 v0<br />
g<br />
; Flugdauer beim senkrechtem Wurf<br />
tabelle1 Table x t, rad , y t, rad , , 5, 45, 5 ; Untere Schar<br />
tabelle3 Table x t, rad , y t, rad , , 50, 85, 5 ; Obere Schar<br />
tabelle4 Table a Sin rad 2 , a Sin rad<br />
2 , , 0, 90, 5 ; Scheitelpunkte<br />
graf1 ParametricPlot Evaluate Table tabelle1 , t, 0, t0 ; Untere Schar<br />
graf2 ParametricPlot x t, rad 45 , y t, rad 45 , t, 0, t0 , PlotStyle RGBColor 0, 0, 1 ;<br />
graf3 ParametricPlot Evaluate Table tabelle3 , t, 0, t0 ; Obere Schar<br />
graf4 Graphics Point tabelle4 ; Scheitelpunkte<br />
graf5 ParametricPlot a Sin rad 2 , a Sin rad<br />
PlotStyle RGBColor 1, 0, 0 ; Ellipse<br />
2 , , 0, 90 ,<br />
Show graf1, graf2, graf3, graf4, graf5, AspectRatio 0.4, PlotRange 0, 2 a ,<br />
0, 2 b , AxesLabel "x", "y" ; alle zusammen zeigen<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
y<br />
10 20 30 40 50 60<br />
Die Darstellung zeigt die Parabelschar für Winkel von bis , Schrittweite 5°. Die Punkte<br />
geben die Orte der Scheitel wieder. Sie liegen auf dem roten Ellipsenbogen.<br />
x
Sebastian betrachtet die Graphik und bemerkt, dass aus Symmetriegründen die y-Werte<br />
<strong>über</strong>einanderliegender Scheitel zusammen genauso groß sind, wie die Steighöhe beim senkrechten<br />
Wurf.<br />
Thomas zieht eine rechnerische Überprüfung vor.<br />
Unter Verwendung der Formeln und (7b) bestätigt<br />
er sofort die Gleichheit der Scheitelabszissen für α und 90°- α.<br />
Nun addiert er die y-Werte und beweist damit Sebastians Entdeckung.<br />
Flugzeiten<br />
Von Interesse ist beim Fußballspiel auch die Flugzeit für die jeweilige Bahn. Ein hoher Schuss<br />
benötigt natürlich mehr Zeit als ein flacherer zum selben Zielpunkt. Beim senkrechten Wurf haben die<br />
beiden gelernt, dass man die Gleichung (3b) mit α = 90°<br />
für y = 0 lösen muss. Die erste Lösung t = 0 ist die Startzeit, die zweite Lösung<br />
ist die Gesamtdauer des senkrechten Flugs.<br />
Für zwei Bahnen mit derselben Scheitelabszisse xs arbeiten sie mit(3b) entsprechend:<br />
Wieder erhalten sie t1 = 0 als erste Lösung, aber<br />
als Gesamtdauer. Sie <strong>über</strong>legen den Zusammenhang der Flugdauer für die Winkel α und 90°-α:<br />
Diese beiden Ausdrücke bringt sie auf die Idee, die Flugzeiten durch<br />
Quadrieren von (13), (14) und (15) miteinander in Verbindung zu bringen. Es ergibt sich
Thomas jubelt: „Pythagoras im Fußballspiel versteckt! Das lässt sich geometrisch darstellen.“<br />
Rasch zeigt er Sebastian anhand einer Skizze, wie man zu jedem Winkel die Zeiten geometrisch<br />
ermitteln kann.<br />
Zusammenfassung<br />
Ihre Ergebnisse halten sie in einer kurzen Zusammenfassung fest, weil sie diese möglicherweise für<br />
ein Referat brauchen.<br />
Die Abschusswinkel zum selben Auftreffpunkt ergänzen sich zu 90°<br />
Beim Abschuss unter 45° erreicht der Ball seine maximale Flugweite.<br />
o Sie beträgt das 4-fache der Scheitelhöhe<br />
o Sie beträgt das Doppelte der Flughöhe beim senkrechten Wurf<br />
Alle Scheitelpunkte liegen auf einer Ellipse mit dem Mittelpunkt M(0 / b)<br />
o Die Halbachsen a und b stehen im Verhältnis 2 zu 1<br />
o a ist so groß wie die halbe Flugweite beim 45°-Schuss<br />
o b ist so groß wie die Scheitelhöhe beim 45°-Schuss<br />
o b ist halb so groß wie Flughöhe beim senkrechten Wurf<br />
Die Flugzeiten für α und 90°- α können als Katheten eines rechtwinkligen Dreiecks mit der<br />
Hypotenuse 2v0/g dargestellt werden.