'Organisierte Gewalt' - Vater unser in der Hölle
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Bee<strong>in</strong>druckend war se<strong>in</strong>e Schil<strong>der</strong>ung, wie er mit se<strong>in</strong>er eigenen psychoanalytischen<br />
Ausbildung zu kämpfen hatte, wenn se<strong>in</strong>e Klienten von ihrer Angst<br />
berichteten, daß ihr <strong>Vater</strong> o<strong>der</strong> Großvater plante, sie umzubr<strong>in</strong>gen –und wie<br />
ihm aufg<strong>in</strong>g, daß se<strong>in</strong>e Klienten we<strong>der</strong> paranoide Wahnvorstellungen noch<br />
Übertragungen ihrer eigenen frühk<strong>in</strong>dlichen ödipalen Wünsche beschrieben–<br />
son<strong>der</strong>n die Realität. Und we<strong>der</strong> er noch an<strong>der</strong>e Therapeuten aus Süditalien<br />
hatten ihren Klienten diese Horrorstories über organisierte Gewalt e<strong>in</strong>geredet.<br />
Derartige Verbrechen werden dort seit Jahrzehnten, vermutlich seit Jahrhun<strong>der</strong>ten<br />
verübt. Die Mafia hat e<strong>in</strong>e eigene Kultur, e<strong>in</strong>e eigene Symbolsprache<br />
entwickelt, die wenig Verbalisierung erfor<strong>der</strong>t und sich Außenseitern nicht<br />
erschließt.<br />
In den USA dauerte es zehn Jahre, bis das FBI zugab, daß die Mafia auch dort<br />
aktiv ist. Bis dah<strong>in</strong> hatten schon viele Berichte über <strong>der</strong>en Straftaten <strong>in</strong> den<br />
Zeitungen gestanden. Aber sich e<strong>in</strong>zugestehen, daß es e<strong>in</strong> län<strong>der</strong>übergreifend<br />
organisiertes krim<strong>in</strong>elles Netzwerk gibt, fiel schwer.<br />
II. Gehen wir nach Chile, zur Colonia Dignidad.<br />
Grün<strong>der</strong> Paul Schäfer arbeitete <strong>in</strong> den 40er Jahren als Jugendpfleger <strong>der</strong><br />
evangelisch-lutherischen Kirche Bayerns. Wegen Verdacht sexuellen K<strong>in</strong>desmißbrauchs<br />
wurde er 1949 entlassen. Angezeigt wurde er nicht. Er machte<br />
sich als Laienprediger selbständig. Mit Ideen urchristlicher Lebensweise und<br />
endzeitlichen Lehren verschaffte er sich angstvolle und abhängige Anhänger,<br />
ließ sich 1956 <strong>in</strong> Siegburg bei Bonn nie<strong>der</strong> und eröffnete unter an<strong>der</strong>em e<strong>in</strong><br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Jugendheim. Sektenmitglie<strong>der</strong> mußten Vermögen, Erbschaften,<br />
Lebensversicherungen und Rentenansprüche auf Schäfer übertragen. Schließlich<br />
auch ihre K<strong>in</strong><strong>der</strong>. B<strong>in</strong>dungen zu Familienmitglie<strong>der</strong>n außerhalb <strong>der</strong> Sekte<br />
wurden gekappt. Beichtzwang, massive körperliche Strafen, Folter und erzwungene<br />
sexuelle Abst<strong>in</strong>enz <strong>der</strong> Anhänger waren Herrschaftsmittel. Parallel<br />
verübte Schäfer sexuellen Mißbrauch an Jungen. Als 1961 zwei Fälle öffentlich<br />
wurden, floh Schäfer vor <strong>der</strong> Staatsanwaltschaft nach Chile. Mögliche<br />
Zeugen <strong>der</strong> Anklage, 150 Heimk<strong>in</strong><strong>der</strong>, wurden per Charterflug nach Chile<br />
verfrachtet. Das Haus <strong>in</strong> Siegburg kaufte die Bundeswehr für 900.000 Mark.<br />
Mit diesem Geld f<strong>in</strong>anzierte Schäfer Landkauf und Aufbau <strong>der</strong> Colonia Dignidad.<br />
Dort baute er e<strong>in</strong>e hermetisch abgeriegelte Diktatur auf. Abtrünnige<br />
wurden mit Folter, Drogen und Psychoterror auf L<strong>in</strong>ie gebracht, bis sie ke<strong>in</strong>e<br />
Entscheidungsfähigkeit, ke<strong>in</strong>e Identität mehr besaßen.<br />
c○ Ulla Fröhl<strong>in</strong>g 2007<br />
In den 70er Jahren diente die ‘Colonia Dignidad’ <strong>der</strong> P<strong>in</strong>ochet-Diktatur als<br />
Folter-Lager. Im Gegenzug tolerierten die Machthaber den steilen Aufstieg<br />
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