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2013-01-22 Zwangsräumung abgewendet-MAZ - MSVB

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„<strong>Zwangsräumung</strong> <strong>abgewendet</strong>“ (<strong>MAZ</strong> vom <strong>22</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>3</strong>) oder „Wie der Rechtsstaat seine Bürger<br />

erpresst !?!“<br />

Da erfährt der erstaunte Leser, dass es doch tatsächlich noch Zeitgenossen gibt, die es offenbar mit<br />

dem Eigentumsbegriff nicht so genau nehmen und der Meinung sind, auf fremdem<br />

"Privat"grundstück einfach mal eine Steganlage betreiben zu dürfen. Nur weil sie dafür eine<br />

Jahrzehnte alte öffentlich ‐ rechtliche Genehmigung haben.<br />

Da haben sie aber die Rechnung ohne die Bundesrepublik Deutschland gemacht, welche ihre<br />

Privat(wirtschaftlichen) Interessen, selbstverständlich nur zu unser aller Wohl, notfalls auch per<br />

Gerichtsbeschluss durchsetzt. Soweit, so schlecht erklärt. Keine Rede davon, dass es sich bei den<br />

beanspruchten Wasser‐ und Landflächen um "dem allgemeinen Verkehr" gewidmete Flächen<br />

handelt, mithin um eine öffentliche Sache. Keine Rede davon, dass die Bundesrepublik nicht wie<br />

jeder andere Private das Eigentum erworben, sondern sich kraft Grundgesetz als Eigentümer<br />

eingesetzt hat. Keine Rede davon, dass es sich bei den Zahlungsaufforderungen des WSA nicht, wie<br />

man vielleicht vermuten könnte, um eine öffentlich ‐ rechtliche Abgabe handelt, für die es eine<br />

gesetzliche Grundlage gibt.<br />

Die Zahlungsaufforderung wird verpackt in einen privatrechtlichen Nutzungsvertrag, in dem die<br />

Zuständigkeiten klar geregelt sind, das WSA hat alle Rechte, der Nutzer hat alle Pflichten. Das WSA<br />

zieht als Kriterium für die Bemessung des Nutzungsentgeltes zwar die Ortsüblichkeit heran, vergisst<br />

aber zu erwähnen, dass es eine echte Ortsüblichkeit mangels eines funktionierenden Marktes gar<br />

nicht geben kann. Schließlich ist die Bundesrepublik als einziger Eigentümer von Bundeswasser‐<br />

straßen in diesem Segment auch der einzige Marktteilnehmer, wobei die Frage, ob die öffentliche<br />

Sache Bundeswasserstraße überhaupt marktfähig ist, noch nicht einmal geklärt ist. Dies wissend legt<br />

die Wasserstraßenverwaltung des Bundes (WSV) für die gesamten Wasserstraßen der<br />

Bundesrepublik einfach mal drei Revierklassen fest, nämlich gute, mittlere und schlechte Lage und,<br />

weil es gerade so gut läuft, den Preis auch, nämlich die erwähnten 1,53, 1,28 und 1,02 Euro.<br />

Da staunt der marktwirtschaftliche Laie. Die im Artikel angesprochene Reduzierung auf 50% für<br />

gemeinnützige Sportvereine beruht auf einem Haushaltsvermerk des Haushaltsauschusses des<br />

Deutschen Bundestages und gilt nur für diese Legislaturperiode. Das bedeutet, dass sich die Summe<br />

auch schnell mal verdoppeln kann, wenn wir im Herbst falsch wählen und der neue<br />

Haushaltsausschuss die Dinge völlig anders sieht.<br />

Ein privatrechtlicher Vertrag ist zwar grundsätzlich frei verhandelbar, in den vorliegenden Fällen<br />

beruft sich die WSV aber wegen der Vielzahl der gleichgelagerten Fälle auf den von ihr<br />

ausgearbeiteten Standardnutzungsvertrag und lässt Verhandlungen, insbesondere über Preis und<br />

Größe der Nutzfläche, nicht zu. Der betroffenen Nutzer hat also den Eindruck, einen Bescheid vom<br />

Amt zu bekommen. Die stereotype Antwort des WSA bei Einwendungen gegen einzelne<br />

Vertragsbestimmungen lautet, man habe ja als Nutzer die Freiheit, abzulehnen (und sich dann an<br />

anderer Stelle zu vermeintlich besseren Bedingungen ein Nutzungsrecht für Steganlagen zu<br />

erkaufen). Das dies für einen Wassersportverein keine echte Option ist, dürfte auf der Hand liegen.<br />

Bei dieser Vorgehensweise drängt sich schon der Verdacht auf, dass die WSV ihre Amtsmacht zur<br />

Durchsetzung eigener privatwirtschaftlicher Interessen missbraucht. Ein Schelm, wer da an<br />

Erpressung denkt.


Es mag sein, dass rein formal eine privatrechtliche Zustimmung des Grundstückseigentümers zur<br />

Überbauung mit den Steganlagen erforderlich ist, zumindest lassen es die bisherigen Zivilprozesse, in<br />

denen die Gerichte nur das BGB herunterbuchstabieren so erkennen. Das heißt aber noch lange<br />

nicht, dass es dieser Standardnutzungsvertrag sein muss, wie es das WSA weismachen will.<br />

Zumindest hat ja bisher die stillschweigende Duldung der Nutzung neben der öffentlich rechtlichen<br />

Genehmigung ausgereicht. Dass es auch anders geht, beweisen die Nutzungsverträge, die viele<br />

gemeinnützige Wassersportvereine mit der Kommune über die Nutzung von stadteigenen<br />

Grundstücken für Vereinszwecke abgeschlossen haben. Und hier handelt es sich um echte<br />

Privatgrundstücke, das heißt Flächen, die keiner öffentlichen Widmung unterliegen.<br />

Die Argumentation der Vertreter des WSA, wonach die durch Steganlagen beanspruchte Fläche der<br />

öffentlichen Nutzung entzogen ist, verdreht ja die Tatsachen. Diese Einschränkungen müssen durch<br />

den einzelnen Nutzer hingenommen werden, immerhin gibt es öffentlich rechtliche Genehmigungen<br />

für die Steganlagen, die hierzu notwendigen Entscheidungen trifft das WSA unter Abwägung der<br />

allgemeinen Verkehrsinteressen. Im übrigen sind die Einschränkungen keine anderen als die, die<br />

durch bundeseigene Schifffahrtsanlagen entstehen, nur die sind seltsamerweise kraft Gesetz<br />

Bestandteil der Bundeswasserstraße. Da wo ein Anlegepfahl oder Steg im Wasser steht, kann ich<br />

nicht fahren, egal ob privat oder bundeseigen.<br />

Steganlagen der Wassersportvereine stehen darüber hinaus aber im Rahmen des modernen<br />

Wassertourismus auch zur Benutzung durch Gäste zur Verfügung, so dass das nach<br />

Wasserstraßengesetz Jedermann zustehende Befahrensrecht gewährleistet ist. Erst durch Abschluss<br />

eines privatrechtlichen Mietvertrages, durch den die WSV einem privaten Nutzer Land‐ und<br />

Wasserflächen, die nach Wasserstraßengesetz dem Allgemeinen Verkehr gewidmet sind, zur privaten<br />

Nutzung überlässt, wird die Allgemeinheit von der Nutzung ausgeschlossen. Und da liegt eben der<br />

Unterschied zwischen einem privaten Verpächter, dessen Grundstück in der Regel keiner öffentlichen<br />

Widmung unterliegt und der Bundesrepublik.<br />

Mal ganz abgesehen davon, dass die vielen Steganlagen der Wassersportvereine einen bedeutenden<br />

Anteil an verkehrstechnischer Infrastruktur darstellen, ohne die die Sicherheit und Leichtigkeit des<br />

Verkehrs auf dem Wasser gar nicht gewährleistet werden könnte. Die Bundesrepublik selber ist<br />

jedenfalls nicht Willens oder in der Lage, in ausreichender Anzahl Anlagen für den ruhenden Verkehr<br />

zur Verfügung zu stellen. Man stelle sich nur einmal vor, alle beklagten Vereine kämen der<br />

Räumungsaufforderung des WSA nach, würden ihre Steganlagen abbauen und ihre Boote<br />

stattdessen vor Anker legen. Der Platzbedarf wäre ein Vielfaches von dem der Steganlagen.<br />

Diese Gesichtspunkte stehen jedoch bei den laufenden Auseinandersetzungen außerhalb der<br />

rechtlichen Würdigung durch die Zivilgerichte. Dass sich hier auch nach der mit drohender<br />

<strong>Zwangsräumung</strong> erpressten "Einigung" Streitpotential auftut beweist schon die Tatsache, dass bei<br />

den laufenden Verfahren regelmäßig der der jeweiligen Klage zugrunde liegende Streitwert, also der<br />

(fiktive) Marktwert der beanspruchten Wasserfläche, durch das Gericht deutlich nach unten<br />

korrigiert wird, was sich ja eigentlich auf das Nutzungsentgelt auswirken müsste. Auch dass bereits in<br />

früheren Prozessen Teile dieses Standardnutzungsvertrages als rechtswidrig gerügt wurden und<br />

nachgebessert werden mussten, sollte zu denken geben. Rechtsfrieden herrscht in dieser Sache also<br />

noch lange nicht.


Postscriptum:<br />

Es ist zwar ständige Rechtsprechung, dass auch der Bund Privateigentum besitzen kann und darüber<br />

im Rahmen der geltenden Gesetze frei verfügen kann. Dagegen gibt es auch keine Einwände, solange<br />

geltende Gesetze oder Rechte Dritter nicht verletzt werden. Aber im Fall der Bundeswasserstraße<br />

stellt sich schon die Frage, inwiefern die freie private Verfügung durch die öffentliche Widmung<br />

eingeschränkt ist. Es ist auch fraglich, ob die einzelnen Länder 1920, als sie die in ihrem Eigentum<br />

stehenden Hauptwasserstraßen auf das Deutsche Reich (kostenlos) übertragen haben, im Sinn<br />

gehabt haben, das Reich mit umfangreichen Immobilieneigentum zu beschenken, damit dieses bzw.<br />

in dessen Rechtsfolge die Bundesrepublik dieses Eigentum später nach marktwirtschaftlichen<br />

Grundsätzen verwertet. Es ist wohl eher zu vermuten, dass, hätte ein Verhandlungsführer den<br />

jetzigen Standardnutzungsvertrag gekannt, er seiner Regierung von der Übertragung des Eigentums<br />

abgeraten und stattdessen empfohlen, das Geschäft selber zu machen. Mit anderen Worten, die<br />

Verstaatlichung der Hauptwasserläufe erfolgte nicht im Interesse einer privatwirtschaftlichen<br />

Verwertung sondern im Interesse der Verwaltung, Unterhaltung und Entwicklung dieser Wasserläufe<br />

als Verkehrsweg zum Wohle der Allgemeinheit. Jedenfalls hat der BGH schon vor langer Zeit diesen<br />

Rechtsstandpunkt entwickelt.

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