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2011-11-16 OLG Koblenz zu Suchtmittelkontrollen

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Geschäftsnummer:<br />

1 Ws 595/<strong>11</strong><br />

StVK 906/<strong>11</strong> LG Trier (Wittlieh)<br />

8031 Js 10719/09 - 8031 VRs StA Trier<br />

4 Ws GSTA 453/<strong>11</strong> GenStA <strong>Koblenz</strong><br />

In der Strafvollstreckungssache<br />

.1ft_~<br />

gegen<br />

OBERLANDESGERICHT<br />

•<br />

KOBLENZ<br />

Beschluss<br />

geboren amd ...........<br />

<strong>zu</strong>rzeit in Strafhaft in der Jüsuzvoü<strong>zu</strong>qsanstalt Wittlich<br />

wegen<br />

hier:<br />

unerlauoten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nIcht<br />

geringer Menge<br />

FOhrungsaufsicht<br />

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts <strong>Koblenz</strong> durch die Vorsitzende Richterin<br />

am Oberlandesgericht Blettner, den Richter am Oberlandesgericht Summa und<br />

die Richterin am Amtsgericht Zimmermann<br />

am <strong>16</strong>. November <strong>20<strong>11</strong></strong> be s chi 0 s sen:<br />

Auf die Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der auswärtigen<br />

Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Trier in Wittlich vom 19. Oktober<br />

<strong>20<strong>11</strong></strong> im Umfang von Ziffer <strong>11</strong>1. 5 und 6 des Entscheidungstenors aufgehoben.<br />

Die Staatskasse trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen<br />

Auslagen des Verurteilten.


- 2-<br />

Gründe:<br />

I.<br />

Das Amtsgericht Trier verurteilte den BeschwerdefOhrer am 26. Oktober 2009 wegen<br />

dreier tatmehrheitlicher Fälle des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln<br />

in nicht geringer Menge unter Einbeziehung der wegen vorsätzlicher Körperverlet-<br />

<strong>zu</strong>ng und gefährlicher Körperverlet<strong>zu</strong>ng verhängten Einzelstrafen aus dem Urteil des<br />

Amtsgerichts Prüm vom 2. Juli 2009 <strong>zu</strong> einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren<br />

und sechs Monaten. Der Verurteilte verbüßt derzeit .diese Strafe. Das Strafende ist<br />

auf den 9. Dezember <strong>20<strong>11</strong></strong> notiert. Die Strafvollstreckungskammer hat im Hinblick<br />

hierauf mit Beschluss vom 19. Oktober <strong>20<strong>11</strong></strong> festgestellt, dass die mit der Entlassung<br />

kraft Gesetzes eintretende Führungsaufsicht nicht entfällt. .Daneben hat sie dem Ver-<br />

urteilten u.a. folgende Weisungen erteilt:<br />

,..4.<br />

5) Der Verurteilte wird angewiesen, keine alkoholischen Getränke oder andere<br />

berauschende Mittel (Drogen) <strong>zu</strong> sich <strong>zu</strong> nehmen. Er wird weiter angewiesen,<br />

auf besonderes Verlangen des Bewährungshelfers, der Aufsichtsstelle oder des<br />

Gerichts, sich Alkohol- und Suchtmittelk~ntrollen <strong>zu</strong> unterziehen, die nicht mit<br />

einem körperlichen Eingriff verbunden sind I insbesondere in Form von Atemal-<br />

·koholkontrollen oder der Abgabe einer Urinprobe.<br />

6) Der Verurteilte wird angewiesen, sich bis auf weiteres einer ambulanten Orogen-<br />

und Alkoholtherapie <strong>zu</strong> unterziehen, hierbei mindestens einmal monatlich<br />

entsprechende Sit<strong>zu</strong>ngen wahr<strong>zu</strong>nehmen und dies durch unaufgeforderte Vorlage<br />

einer schriftlichen Bestätigung dieser Stelle binnen zwei Wochen nach Beginn<br />

der Behandlung dem Bewährungshelfer nach<strong>zu</strong>weisen. Zur Einleitung der<br />

ambulanten Therapiemaßnahme wird der Verurteilte angewiesen, sich intensiv<br />

um einen entsprechenden Therapieplatz <strong>zu</strong> bemühen und der Kammer spätestens<br />

einen Monat nach seiner Entlassung aus dem Strafvoll<strong>zu</strong>g diejenige Einrichtung<br />

<strong>zu</strong> benennen, die <strong>zu</strong>r Durchführung der Therapiemaßnahme bereit ist.<br />

"<br />

Der Verurteilte legte mit seinem am 27. Oktober <strong>20<strong>11</strong></strong> bei dem Amtsgericht Wittlich<br />

eingegangenen Schreiben beschränkt auf die Weisungen Ziffer 5) und 6) des Be-<br />

schlusses Beschwerde ein.


- 3 -<br />

<strong>11</strong>.<br />

Das als unbefristete Beschwerde (§§ 453 Abs. 2, 463 Abs. 2 StPO) statthafte und in<br />

<strong>zu</strong>lässiger Weise eingelegte Rechtsmittel hat einen <strong>zu</strong>mindest vorläufigen Erfolg.<br />

1. Dem steht nicht entgegen, dass die Beschwerdeschrift nicht unterzeichnet ist. Die<br />

gemäß § 306 Abs. 1 StPO bei Beschwerdeeinlegung ein<strong>zu</strong>haltende Schriftform er-<br />

fordert nicht in jedem Fall eine Unterschrift. Es genOgt vielmehr, dass aus dem<br />

Schriftstück in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise ersichtlich ist, von wem<br />

die Erklärung herrührt (BGH NStZ 2002, 558). Dies ist hier in Anbetracht der umfas-<br />

senden Angaben <strong>zu</strong>m Absender der Fall. Nach Auffassung des Senats handelt es<br />

sich bei dem Schreiben auch nicht lediglich um einen Entwurf, sondern es kann da-<br />

von ausgegangen werden, dass das Schreiben mit Wissen und Wollen des Be-<br />

schwerdeführers an das Gericht übersandt wurde.<br />

2. Nach dem Inhalt der Beschwerdeschrift ist diese auf die Ziffern 5) und 6) des Be-<br />

schlusses vom 19. Oktober <strong>20<strong>11</strong></strong> beschränkt. Nur auf diese geht der Verurteilte in<br />

seinem Beschwerdeschreiben ein und erstrebt insoweit eine "Lockerung". Die Be-<br />

schwerde ist begründet.<br />

Die PrOfung des Beschwerdegericht ist gern. §§ 463 Abs. 2, 453 Abs. 2 Satz 2 StPO<br />

darauf beschränkt, ob die angegriffenen Anordnungen gesetzwidrig sind. Dies ist<br />

dann der Fall, wenn sie keine ausreichende Rechtsgrundlage haben, nicht hinrei-<br />

chend bestimmt und unverhältnismäßig sind oder sonst ein Ermessensmissbrauch<br />

vorliegt (Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 453 Rdn. 12). Eine Zweckmäßigkeitskon-<br />

trolle erfolgt durch das Beschwerdegericht hingegen nicht.<br />

a. Die angegriffene Weisung Ziffer 5 hat ihre Rechtsgrundlage in § 68b Abs. 1 Nr. 10<br />

5tGB. Danach kann dem Verurteilten auferlegt werden, keine alkoholischen Geträn-<br />

ke oder andere berauschende Mittel <strong>zu</strong> sich <strong>zu</strong> nehmen, wenn aufgrund bestimmter<br />

Tatsachen Grund <strong>zu</strong>r Annahme besteht, dass der Konsum solcher Mittel <strong>zu</strong>r Bege-<br />

hung weiterer Straftaten beitragen wird. Zugleich kann ihm aufgegeben werden, sich<br />

Alkohol- und <strong>Suchtmittelkontrollen</strong> <strong>zu</strong> unterziehen, die mit keinem körperlichen Ein-<br />

griff verbunden sind. Der Verurteilte beging die verfahrensgegenständlichen Strafta-


- 4 -<br />

ten unter dem Einfluss von Alkohol bzw. <strong>zu</strong>r Finanzierung seiner Drogensucht. Im<br />

Urteil vom 26. Oktober 2009 ist ferner festgestellt, dass er im März 2004 mit unkon-<br />

trolliertem Alkoholkonsum begann und seinen Drogenkonsum mit den Jahren steiger-<br />

te. Diese Umstände rechtfertigen es durchaus, dem Verurteilten, wie geschehen, ei-<br />

ne Weisung <strong>zu</strong>r Abstinenz <strong>zu</strong> erteilen und ihm auf<strong>zu</strong>geben, sich Alkohol- und Sucht-<br />

mitteikontrollen <strong>zu</strong> unterziehen. Allerdings ist .die Weisung nicht hinreichend be-<br />

stimmt.<br />

Gerade bel Weisungen nach § 68b Abs. 1 Satz 1 StGB, die nach § 145a StGB straf-<br />

bewehrt sind, gebietet das Rechtsstaatsprinzip, das in § 68b Abs. 1 Satz 2 StGB<br />

noch einmal klarstellend aufgenommen wurde, die Bestimmtheit und Klarheit der Re-<br />

gelungen. Das Gericht ist <strong>zu</strong>r genauen Bestimmung des verbotenen oder verlangten<br />

Verhaltens verpflichtet (<strong>OLG</strong> Dresden, Beschluss vom 12.03.2008 - 2 Ws 125/08 -<br />

juris). Die StrafvOllstreckungskammer hat aus diesem Grund bei einer Weisung nach<br />

§ 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB neben der Art der Kontrollen auch deren Frequenz,<br />

die durchfUhrende Stelle und die Kostentragung <strong>zu</strong> bezeichnen (Senat, Beschlüsse<br />

vom 23.03.<strong>20<strong>11</strong></strong> - 1 Ws <strong>16</strong>1/<strong>11</strong> - und vom 09.05.<strong>20<strong>11</strong></strong> - 1 Ws 243/<strong>11</strong>). An all dem<br />

fehlt es hier. Letztlich wäre der Bewährungshelfer vorliegend ohne Bindung an ir-<br />

gendwelche Entscheidungskriterien befugt, in einer unbegrenzten Zahl von Fällen<br />

Kontrollen ein<strong>zu</strong>fordern, die nicht einmal nach ihrer Art abschließend bestimmt sind.<br />

Damit wird dem Bewährungshelfer ein Entscheidungsspielraum übertragen, der dem<br />

Gericht vorbehalten ist.<br />

b. Rechtsgrundlage der Weisung Ziffer 6 des Beschlusses vom 19. Oktober <strong>20<strong>11</strong></strong><br />

könnte § 68b Abs. 2 Satz 2 StGB sein. Die Unbestimmtheit der Weisung lässt aller-<br />

dings eine klare Grenzziehung <strong>zu</strong>r strafbewehrten Weisung nach § 68b Abs. 1 Nr. <strong>11</strong><br />

StGB nicht <strong>zu</strong>. Bereits dies zeigt, dass der Beschluss auch hinsichtlich dieser Wei·<br />

sung nicht dem Gebot der Bestimmtheit entspricht.<br />

Wenngleich das Gebot der Bestimmtheit nur für die strafbewehrten Weisungen des<br />

§ 68b Abs. 1 8tGB ausdrücklich normiert ist, gilt es für die Weisungen nach § 68b<br />

Abs. 2 StGB nicht minder. Weisungen nach § 68b Abs. 2 StGB sind zwar nicht nach<br />

§ 145a StGB strafbewehrt und ihre Nichtbeachtung fUhrt im Falle der FGhrungsauf-<br />

sieht nach § 68f Abs. 1 5tGB auch <strong>zu</strong> keinen sonstigen unmittelbaren Konsequen-<br />


- 5 -<br />

zen. Es handelt sich vielmehr um Richtlinien, die dem Verurteilten den Weg in ein<br />

straffreies Leben weisen und ebnen sollen. Trotzdem unterliegen sie der Überwa-<br />

chung durch das Gericht. Die (Nicht-) Einhaltung solcher Weisungen lässt SchlOsse<br />

auf den Resozialisierungswillen des Verurteilten <strong>zu</strong> und kann die Entscheidung nach<br />

§ 68e Abs. 2 5tGB beeinflussen. Außerdem kann ein Weisungsverstoß dem Gericht<br />

Veranlassung geben, nachträglich eine strafbewehrte Weisung nach § 68b Abs. 1<br />

Satz 1 5tGB <strong>zu</strong> erteilen. Diese mittelbaren Konsequenzen sowie Sinn und Zweck<br />

erfordern. dass auch Weisungen nach § 68a Abs. 2 StGB dem Bestimmtheitsgebot<br />

entsprechen und tatsächlich kontrollierbar sind. Es ist also auch bei ihnen notwendig.<br />

so genau wie möglich und im Einzelfall erforderlich fest<strong>zu</strong>legen. welches nach Art,<br />

Umfang. Dauer und gegebenenfalls Ort konkretisierte Tun oder Unterlassen vom<br />

Verurteilten erwartet wird (Senat, BeschlUsse vom 27.05.2002 - 1 Ws 391/02 -, vom<br />

09.05.<strong>20<strong>11</strong></strong> - 1 Ws 243/<strong>11</strong> und vom 24.08.<strong>20<strong>11</strong></strong> -1 Ws 425/<strong>11</strong>).<br />

Die Anwendung dieser Maßstäbe auf die Therapieweisung bedeutet. dass von der<br />

5trafvollstreckungskammer neben der Art der Therapie auch Bestimmungen <strong>zu</strong> de-<br />

ren Beginn, <strong>zu</strong>r Einrichtung, bei der sie durchgefOhrt werden soll, <strong>zu</strong>r Häufigkeit der<br />

wahr<strong>zu</strong>nehmenden Termine, <strong>zu</strong>r Gesamtdauer und <strong>zu</strong>r Kostentragung <strong>zu</strong> treffen sind<br />

(Senat, Beschluss vom 09.05.<strong>20<strong>11</strong></strong> - 1 Ws 243/<strong>11</strong> -; vgl. <strong>OLG</strong> Frankfurt, Beschluss<br />

vom 27.08.2008 - 3 Ws 765/08 -, NStZ-RR 2003. 199; <strong>OLG</strong> Oldenburg, Beschluss<br />

vom 09.08.2007 - 1 Ws 443/07 -). Soweit die Weisung im Zeitpunkt der Beschluss-<br />

fassung inhaltlich noch nicht in dieser Form ausgestaltet werden kann, kann dies ei-<br />

ner nachträglichen Entscheidung nach § 68d StGB vorbehalten werden (Senat<br />

a.a.O.). Dabei kann es allerdings nicht als ausreichend betrachtet werden, dem Ver-<br />

urteilten ohne weitere Vorgaben und ohne klare Abgren<strong>zu</strong>ng <strong>zu</strong>r Weisung nach<br />

§ ssb Abs. 1 Satz 1 Nr. <strong>11</strong> StGB auf<strong>zu</strong>geben, sich den Therapieplatz selbst <strong>zu</strong> su-<br />

chen.<br />

Oie StrafvOllstreckungskammer wird <strong>zu</strong> prOfen haben, ob im Rahmen einer Nach-<br />

tragsentscheidung nach § 68d StGB Versäumtes nach<strong>zu</strong>holen ist.<br />

Biettner Summa Zimmermann<br />

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