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IPR-BT_II-07 Erbrecht - GirinaIR8

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Lehrstuhl Bürgerliches Recht, Internationales<br />

Privat- und Verfahrensrecht<br />

Univ.-Prof. Dr. M. Andrae<br />

Europäisches und Internationales Erb- und Familienrecht Stand: 9/2009<br />

Nr. 7: <strong>Erbrecht</strong><br />

Fall 1: Ein ägyptisches Ehepaar zog 1995 nach Frankfurt a.M., wo der Ehemann für eine ägyptische Zeitung tätig<br />

wurde. In Deutschland wurden die beiden Kinder (Tochter T und Sohn S) geboren. Der Ehemann verstarb<br />

plötzlich. Der Nachlass besteht aus einem Grundstück und einem Bankkonto in Deutschland sowie einem<br />

Grundstück in Ägypten.<br />

a) Sind die deutschen Gerichte für die Erteilung eines Erbscheins zuständig?<br />

b) Wer ist Erbe und wie hoch sind die Anteile?<br />

c) Macht es einen Unterschied, ob die Hinterbliebenen weiterhin in Deutschland leben oder in ihr<br />

Heimatland zurückgekehrt sind?<br />

Hinweise:<br />

Das ägyptische Recht knüpft an die Staatsangehörigkeit des Erblassers im Todeszeitpunkt an (Art. 17 äg.<br />

ZGB). Nach dem für den Ehemann maßgeblichen ägyptischen <strong>Erbrecht</strong> wird er von seinen Kindern beerbt,<br />

der Sohn erhält einen doppelt so hohen Anteil wie die Tochter (Art. 12, 19 äg. ErbfolgeG). Der Witwe<br />

steht 1/8 des Vermögens zu (Art. 11 Abs. 2 äg. ErbfolgeG). Dagegen wäre im umgekehrten Fall der<br />

Ehemann zu 1/4 Erbe seiner Frau (Art. 11 Abs. 1 äg. ErbfolgeG).<br />

Fall 2: Der Erblasser Roman Z war italienischer Staatsangehöriger und hatte seinen letzten Wohnsitz in<br />

Nürnberg. Roman Z hinterließ seine Ehefrau Ursula Z und die beiden minderjährigen Kinder Peter und<br />

Giovanni Z. Beide Kinder besitzen ebenfalls die italienische Staatsangehörigkeit. Der Erblasser hat keine<br />

letztwillige Verfügung getroffen. Sein gesamter Nachlass, zu dem kein Grundbesitz gehört, befindet sich<br />

in Deutschland. Am 25.<strong>07</strong>. erklärte Ursula Z zur Niederschrift des AG Nürnberg für sich und als<br />

gesetzliche Vertreterin ihrer beiden Kinder, dass sie im eigenen Namen und im Namen der Kinder die<br />

ihnen auf Grund gesetzlichen italienischen <strong>Erbrecht</strong>s zufallende Erbschaft unter dem Vorbehalt der<br />

Errichtung des Inventarverzeichnisses annehme. Ferner beantragte sie die Erteilung eines<br />

gemeinschaftlichen beschränkten Erbscheins des Inhalts, dass der Erblasser von ihr und von seinen beiden<br />

Kindern zu jeweils 1/3 beerbt worden ist. Sie legt ein vom Steuerbevollmächtigten angefertigtes<br />

Nachlassverzeichnis vor und stellt den Antrag auf Inventarerrichtung. Kann das deutsche<br />

Nachlassgerichte einen Erbschein ausstellen? (vgl. BayObLG, NJW 1967, 447)<br />

Hinweise:<br />

Das ital. Recht knüpft an die Staatsangehörigkeit des Erblassers im Zeitpunkt des Todes an (Art. 46 Abs. 1<br />

CCiv). Neben einem Kind ist der überlebende Ehegatte Erbe zu 1/2, neben zwei oder mehreren Kindern zu<br />

1/3 (Art. 581 CCiv). Kinder erben zu gleichen Teilen (Art. 566 CCiv). Minderjährige Kinder können die<br />

Erbschaft nur unter dem Vorbehalt der Inventarerrichtung annehmen (Art. 471 CCiv). Die Erklärung ist<br />

gegenüber einem Notar oder einem Urkundsbeamten der Prätur (~ AG) abzugeben (Art. 484 Abs. 1 CCiv).<br />

Die Wirkung der Vorbehaltsannahme (Erbenstellung mit beschränkter Haftung) tritt nur ein, wenn eine<br />

Inventarerrichtung (Nachlassbilanz) erfolgte und die beschränkte Erbenhaftung in das Erbschafts- und<br />

Grundpfandregister eingetragen worden ist (Art. 484 CCiv).<br />

Fall 3: Der türkische Staatsangehörige T verstirbt in Berlin-Kreuzberg. Er hinterlässt hier einen Gemüseladen -<br />

die Ladenfläche hat er gemietet -, bewegliches Vermögen und eine Eigentumswohnung in Deutschland.<br />

Einziger lebender Verwandter des T ist sein Sohn S. Sind die deutschen Nachlassgerichte zur Erteilung<br />

eines Erbscheins zuständig und mit welchem Inhalt sollte der Erbschein beantragt werden?<br />

Fall 4: Der Syrier S, der einer islamischen Glaubensrichtung angehört, ist mit letztem Wohnsitz in Berlin<br />

verstorben. 1980 hatte er die Deutsche D geheiratet. Von ihr hat er sich 2000 durch talaq (einseitige<br />

Verstoßung durch den Ehemann, gebilligte durch das zuständige Gericht in Syrien) geschieden. Die<br />

Senatsjustizverwaltung in Berlin hat die Anerkennung der Scheidung abgelehnt. Ist die D Erbin des S<br />

geworden?<br />

Hinweis:<br />

Das syrische Recht verweist ebenfalls auf das Heimatrecht des Erblassers. Nach dem für Muslime


geltenden <strong>Erbrecht</strong>, erbt die Ehefrau neben den Verwandten des Erblassers.<br />

Fall 5: Ein Franzose stirbt mit letztem Wohnsitz in Paris. Er hinterlässt Mobilien und Immobilien in Deutschland<br />

und Frankreich. Ermitteln Sie das Erbstatut!<br />

Variante:<br />

Bei dem Erblasser handelt es sich um einen in Frankreich lebenden Deutschen.<br />

Hinweise:<br />

Das französische <strong>IPR</strong> knüpft an den letzten Wohnsitz des Erblassers. Für Immobilien enthält Art. 3 Abs. 2<br />

C.C. die Bestimmung, dass Grundstücke in Frankreich, selbst wenn sie einem Ausländer gehören, nach<br />

französischem Recht vererbt werden. Diese Vorschrift wird als allseitige Kollisionsnorm ausgelegt,<br />

wonach für die Beerbung von Franzosen hinsichtlich ausländischer Grundstücke die lex rei sitae gilt.<br />

Fall 6: Ein dänischer Erblasser, mit letztem Wohnsitz in Deutschland, hinterlässt Grundstücke in Frankreich.<br />

Ermitteln Sie das Erbstatut!<br />

Hinweise:<br />

Das dänische <strong>IPR</strong> knüpft an den letzten Wohnsitz des Erblassers an.<br />

Fall 7: Ein seit drei Jahren in Bremen lebendes niederländisches Ehepaar hat vor einem dortigen Notar ein<br />

gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sich die Eheleute gegenseitig als Erben einsetzen. Das<br />

Testament enthält folgende Klausel: „Mit Rücksicht darauf, dass wir beide niederländische Staatsangehörige<br />

sind, bestimmen wir hiermit ausdrücklich, dass die Vorschriften des deutschen BGB Anwendung<br />

finden sollen und es sich bei den Bestimmungen dieses Testaments um wechselbezügliche Anordnungen<br />

im Sinne der §§ 2270 und 2271 BGB handelt“. Er hinterlässt bewegliches und unbewegliches Vermögen<br />

in Deutschland. Der Bruder des Erblassers vertritt die Ansicht, dass die gesetzliche Erbfolge nach<br />

niederländischem Recht gilt. Zu Recht ?<br />

Hinweise:<br />

Nach niederländischem <strong>IPR</strong> ist niederländisches Recht anzuwenden. Die Voraussetzungen für eine<br />

Rechtswahl liegen nicht vor. Gemeinschaftliche Testamente sind nach niederländischem Recht nicht<br />

zugelassen (Art. 977 nl. BGB). Dieses Verbot ist - auch aus niederländischer Sicht - eine Formvorschrift.<br />

Fall 8: Der Erblasser war ein in Deutschland lebender griechischer Staatsangehöriger. Er hinterließ nur<br />

Vermögenswerte in Deutschland. Seine nächsten Angehörigen, die nach griechischem Recht erbberechtigt<br />

sind, haben die Erbschaft durch öffentlich beglaubigte Erklärung gegenüber dem deutschen<br />

Nachlassgericht am letzten Wohnort des Erblassers ausgeschlagen, da sie die Überschuldung des<br />

Nachlasses annahmen (vereinfacht nach BayObLG, FamRZ 1998, 1198). Ist die Ausschlagung<br />

wirksam?<br />

Hinweise:<br />

Die Erbfolge untersteht auch nach griechischem <strong>IPR</strong> dem Heimatrecht des Erblassers zum Zeitpunkt<br />

seines Todes. Eine Ausschlagung der Erbschaft ist innerhalb einer bestimmten Frist zulässig, wenn sie<br />

noch nicht angenommen wurde. Die Ausschlagung ist gegenüber der Geschäftsstelle des Gerichts der<br />

Erbschaft zu erklären.<br />

Fall 9: Eine Amerikanerin erwarb 1990 die deutsche Staatsangehörigkeit. Ihr ursprüngliches domicile hatte sie im<br />

Staate New York, seit 1980 lebte sie in München. Im Jahre 1983 errichtete sie in Deutschland ein<br />

maschinenschriftlich geschriebenes Testament mit eigenhändiger Unterschrift in Anwesenheit von zwei<br />

Zeugen. Dieses Testament entspricht den New Yorker Formvorschriften. Nach ihrem Tod berufen sich die<br />

gesetzlichen Erben auf die Unwirksamkeit des Testaments nach deutschem Recht. Ist das Testament<br />

wirksam?<br />

Fall 10: Ein Italiener verstirbt mit letztem Wohnsitz in Deutschland. Mit 17 Jahren hat er ein Testament aufgesetzt,<br />

in welchem er seine Gedichte seiner Freundin F vermacht. Welches Recht ist auf die Wirksamkeit der<br />

Verfügung anzuwenden?<br />

Hinweise:<br />

Das ital. Recht knüpft für die Rechtsnachfolge von Todes wegen an die Staatsangehörigkeit des Erblassers<br />

im Zeitpunkt des Todes an (Art. 46 Abs. 1 CCiv). Die Testierfähigkeit richtet sich nach dem Heimatrecht<br />

des Testierenden zur Zeit der Verfügung (Art. 47 CCiv). Ein Testament ist formgültig, wenn es als<br />

formgültig angesehen wird von dem Recht am Errichtungsort oder dem Heimatrecht, dem Recht am<br />

Wohnsitz bzw. am Wohnort des Testators zur Zeit der Verfügung oder seines Todes (Art. 48 CCiv).<br />

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Personen unter 18 Jahren (Minderjährige) sind nach ital. Recht nicht testierfähig (Art. 591 CCiv).<br />

Fall 11: Eine Deutsche und ein Franzose schlossen 1990 in Köln die Ehe, wo sie zu diesem Zeitpunkt ihren<br />

gewöhnlichen Aufenthalt hatten. Der Ehemann stirbt mit letztem Wohnsitz in Deutschland, er hinterlässt<br />

nur bewegliches Vermögen. Einzige Verwandte ist eine Schwester. Wer ist Erbe des F?<br />

Variante:<br />

Der Ehemann verstirbt mit letztem Wohnsitz in Frankreich.<br />

Hinweise:<br />

Das französische <strong>IPR</strong> knüpft für die Rechtsnachfolge von Todes wegen für bewegliches Vermögen an den<br />

letzten Wohnsitz des Erblassers an. Nach französischem <strong>Erbrecht</strong> erwirbt die Schwester am gesamten<br />

Nachlass ¼ zu Eigentum. Der Ehefrau stehen ¾ zu (Art. 757-1 C.C.). Ehelicher Güterstand ist die<br />

Errungenschaftsgemeinschaft (den Ehegatten gehört gemeinsam, was während der Ehe erworben wurde,<br />

ausgenommen persönliche Schenkungen und Erbschaften).<br />

Fall 12: Der Erblasser E war österreichischer Staatsangehöriger. Er war mit der Deutschen D verheiratet. Beide<br />

lebten zum Zeitpunkt der Eheschließung in Deutschland. Neben D hinterlässt E zwei Kinder. D meint, sie<br />

sei zur Hälfte Erbin des E (nach OLG Stuttgart, NJW-RR 2005, 740). Mit Recht?<br />

Hinweis:<br />

Die Rechtsnachfolge von Todes wegen bestimmt sich nach österreichischem Recht nach dem Heimatrecht<br />

des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes (§ 28 öst. <strong>IPR</strong>G). Der Ehegatte des Erblassers erbt neben den<br />

Kindern zu einem Drittel (§ 757 AGBGB). Gesetzlicher Güterstand ist die Gütertrennung (§ 1237 ABGB).<br />

Fall 13: Ein deutsch-französisches Ehepaar hat in Frankreich ein Kind adoptiert. Die Adoption erfolgte durch<br />

Beschluss eines französischen Gerichts. Der deutsche Mann verstirbt. Ist das Kind gesetzlicher Erbe?<br />

Fall 14: Der Spanier E war zusammen mit seiner Ehefrau F 1970 als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen.<br />

Sie hatten bei ihrer Eheschließung nach spanischem Recht wirksam Gütertrennung vereinbart. 1974 wurde<br />

der Sohn S geboren. Als E verstirbt, hat er kein Testament hinterlassen. F und S beantragen nun beim<br />

Nachlassgericht einen Erbschein. Was muss der Erbschein beinhalten?<br />

Hinweise:<br />

Das spanische Recht knüpft an das Heimatrecht des Erblassers im Zeitpunkt des Todes an (Art. 9 Nr. 8<br />

C.C.). Nach spanischem Recht sind die Abkömmlinge alleinige Erben. Der überlebenden Ehefrau steht nur<br />

der Nießbrauch an einem Drittel des Nachlasses zu.<br />

I. Internationale Zuständigkeit<br />

1. EU-Verordnungen / Staatsverträge<br />

[Die EU-Kommission hat am 01.03.2005 ein sog. Grünbuch zum Erb- und Testamentrecht<br />

vorgelegt (KOM(2005)65), womit die Ausarbeitung einer VO vorangetrieben werden soll.<br />

Am 16.11.2006 hat das Europäische Parlament eine Entschließung mit Empfehlungen an die<br />

Kommission zum Erb- und Testamentsrecht (2005/2148(INI)) erlassen. Bisher ist die Kommission<br />

in diesem Bereich aber nicht weiter tätig geworden, ein VO-Entwurf – wie vom Parlament<br />

verlangt - wurde nicht erarbeitet.]<br />

EuGVVO, LugÜ und EheVO finden auf dem Gebiet des <strong>Erbrecht</strong>s einschließlich des<br />

Testamentsrechts keine Anwendung.<br />

Zu beachten ist das Deutsch-türkische Nachlassabkommen, Anlage zu Art. 20 Konsularvertrag<br />

vom 28.05.1929 (J/H Nr. 61). Anwendungsbereich: Nachlässe von Staatsangehörigen der<br />

Vertragsstaaten im jeweils anderen Vertragsstaat.<br />

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2. Streitige Gerichtsbarkeit<br />

Für Fragen der streitigen Gerichtsbarkeit (z.B. Erbschaftsklagen, Klage auf Rechnungslegung<br />

unter Miterben, Pflichtteilsangelegenheiten) gelten die allgemeinen prozessrechtlichen<br />

Regelungen über die internationale Zuständigkeit. Die Zuständigkeit folgt also dem Prinzip, dass<br />

die örtliche Zuständigkeit die internationale Zuständigkeit indiziert. Zu beachten ist der<br />

besondere Gerichtsstand der Erbschaft nach § 27 ZPO.<br />

3. Freiwillige Gerichtsbarkeit<br />

Mit dem Inkrafttreten des FamFG ist der alte Streit zwischen Gleichlauftheorie und Theorie der<br />

Doppelfunktionalität zugunsten letzterer entschieden worden. Nach §§ 105 i.V.m. 343 FamFG<br />

ergibt sich die internationale Zuständigkeit künftig aus analoger Anwendung der Regeln über die<br />

örtliche Zuständigkeit.<br />

Örtlich zuständig ist gemäß § 343 Abs. 1 FamFG das Gericht am Wohnsitz des Erblassers oder<br />

- bei fehlendem inländischen Wohnsitz - an dessen Aufenthaltsort. Subsidiär ist bei Deutschen<br />

das Amtsgericht Schöneberg und bei Ausländern jedes Gericht zuständig, in dessen Bezirk sich<br />

Nachlassgegenstände befinden, § 343 Abs. 2, 3 FamFG.<br />

Das Nachlassgericht kann trotz Zuständigkeit nach §§ 105, 343 FamFG ein Tätigwerden<br />

ablehnen, wenn das ausländische <strong>Erbrecht</strong> nicht mit den deutschen Verfahrensarten vereinbar ist<br />

oder dem Nachlassgericht wesensfremde Tätigkeiten abverlangt, die dem deutschen materiellen<br />

Recht unbekannt und mit dem deutschem Verfahrensrecht unvereinbar sind (vgl. Kegel/Schurig,<br />

<strong>IPR</strong>, 9. Aufl., § 21 IV 2)<br />

Durch die – auch für das Erbscheinsverfahren vorgesehene – Ableitung der internationalen von<br />

der örtlichen Zuständigkeit, sind deutsche Nachlassgerichte auch zur Erteilung von Erbscheinen<br />

nach ausländischen Rechtsordnungen international zuständig. Jedoch ermöglicht der Gesetzgeber<br />

in § 2369 Abs. 1 BGB weiterhin die Beschränkung des Erbscheins auf im Inland befindliche<br />

Gegenstände, wenn dies - bspw. zwecks Beschleunigung des Verfahrens - beantragt wird.<br />

<strong>II</strong>. Anwendbares Recht<br />

1. Staatsverträge<br />

a) Art. 8 Abs. 3 deutsch-iranisches Niederlassungsabkommen vom 17.02.1929 (J/H Nr. 24)<br />

- Anwendbar, wenn das Personalstatut des Erblassers durch das iranische Recht bestimmt wird.<br />

- Anzuwenden ist dann das iranische materielle <strong>Erbrecht</strong>.<br />

b) § 12 Abs. 3 und Art. 14 deutsch–türkisches Nachlassabkommen, Anlage zu Art. 20<br />

Konsularvertrag vom 28.05.1929 (J/H Nr. 61)<br />

- Für den beweglichen Nachlass wird an das Heimatrecht des Erblassers zum Zeitpunkt seines<br />

Todes (§ 14 Abs. 1 der Anlage zu Art. 20),<br />

- für den unbeweglichen Nachlass an die Belegenheit (§ 14 Abs. 2 der Anlage zu Art. 20)<br />

angeknüpft.<br />

Die Frage ob der Gegenstand beweglich oder unbeweglich ist, bestimmt sich nach der lex rei<br />

sitae (§ 12 Abs. 3 der Anlage zu Art. 20)<br />

c) Art. 28 deutsch-sowjetischer Konsularvertrag vom 25.04.1958 (J/H Nr. 61, Fn. 3)<br />

Der unbewegliche Nachlass wird der lex rei sitae unterstellt, für den beweglichen Nachlass gibt<br />

es keine Regelung.<br />

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2. Erbstatut nach dem EGBGB<br />

Das auf eine Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht richtet sich gemäß Art. 25<br />

Abs. 1 EGBGB nach dem Recht des Staates, dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes<br />

angehörte (Personalstatut im Zeitpunkt des Todes). Das Erbstatut ist unwandelbar.<br />

Für das <strong>Erbrecht</strong> eines Partners aus einer eingetragenen Lebenspartnerschaft ist Art. 17b<br />

EGBGB zu beachten. Subsidiär richtet sich sein <strong>Erbrecht</strong> nach dem Recht des<br />

Registrierungslandes der Partnerschaft, wenn nach dem gemäß Art. 25 Abs. 1 EGBGB<br />

maßgeblichen Recht kein gesetzliches <strong>Erbrecht</strong> besteht. Soweit diese Verweisung zum<br />

ausländischen Recht führt, beschränkt Art. 17b Abs. 4 EGBGB das <strong>Erbrecht</strong> des Lebenspartners<br />

auf das Maß des deutschen Rechts.<br />

3. Anwendungsbereich des Erbstatuts<br />

Das Erbstatut gilt für alle als erbrechtlich zu qualifizierenden Fragen, z.B. für:<br />

- Erbfähigkeit,<br />

- Erbunwürdigkeit,<br />

- Berufung zur Erbschaft,<br />

- Umfang des Nachlasses,<br />

- Erbgang,<br />

- Erbersatzansprüche,<br />

- Erbenhaftung,<br />

- Voraussetzungen und Wirkungen von Verfügungen von Todes wegen (grundsätzlich),<br />

- Zeitpunkt des Eintritts des Erbfalls (Zu beachten ist aber, dass Art. 25 EGBGB nicht<br />

Todeserklärungen und Todesvermutung erfasst, sondern dass dafür über Art. 9 EGBGB das<br />

Personalstatut gilt.).<br />

4. Vorfragen<br />

Materiellrechtliche Vorfragen (z.B. Ehe, Scheidung, Abstammung) sind grundsätzlich<br />

selbständig anzuknüpfen. Im Einzelfall kann jedoch eine unselbständige Anknüpfung in Frage<br />

kommen, wenn anderenfalls eine sinnvolle Abwicklung des Erbfalls beeinträchtigt würde.<br />

5. Renvoi<br />

Art. 25 Abs. 1 EGBGB ist eine Gesamtverweisung, deshalb sind Rück- und Weiterverweisung<br />

zu beachten, Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB.<br />

6. Grundsatz der Nachlasseinheit<br />

Das Erbstatut gilt grds. für den gesamten Nachlass, es wird nicht zwischen beweglichem und<br />

unbeweglichem Vermögen unterschieden.<br />

Ausnahmen, die zur Nachlassspaltung führen, sind:<br />

- eine partielle Rückverweisung (Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB), wenn das Heimatrecht des<br />

Erblassers für Teile des Nachlasses auf deutsches Recht zurückverweist;<br />

- Vorrang des Einzelstatuts vor dem Gesamtstatut (bedingte Verweisung: Art. 3 Abs. 3<br />

EGBGB); Die lex rei sitae hat Vorrang vor dem Erbstatut, soweit im Belegenheitsstaat für die<br />

sich auf seinem Territorium befindenden Nachlassgegenstände besondere Vorschriften gelten.<br />

Es kann sich dabei sowohl um Sachnormen als auch um Kollisionsnormen handeln.<br />

- gegenständlich beschränkte Rechtswahl für in Deutschland belegenes Vermögen durch<br />

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einen Erblasser mit ausländischem Personalstatut (Art. 25 Abs. 2 EGBGB). Zu beachten ist,<br />

dass Art. 25 Abs. 2 EGBGB keine allseitige Kollisionsnorm ist. Somit ist eine Rechtswahl<br />

zugunsten einer ausländischen lex rei sitae nicht möglich (Siehr, <strong>IPR</strong>ax 1987, 4, 7).<br />

Bei der Nachlassspaltung ist jeder Teil des Nachlasses grundsätzlich als selbständig anzusehen.<br />

Er ist so zu behandeln, als ob er den gesamten Nachlass bildet (z.B. hinsichtlich des<br />

Pflichtteilsanspruchs oder des Noterbrechts).<br />

7. Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB<br />

• Bedeutung: Erbstatut ist ausländisches Recht und Erblasser hinterlässt hier unbewegliches<br />

Vermögen.<br />

• Anwendungsbereich: nur für im Inland belegenes unbewegliches Vermögen. Der Begriff<br />

„unbeweglich“ wird nach der lex fori qualifiziert.<br />

• Die Rechtswahl ist beschränkt. Es kann nur deutsches Recht gewählt werden. Dabei kann<br />

diese das unbewegliche Vermögen insgesamt, aber auch nur einzelne Immobilien erfassen.<br />

Art. 25 Abs. 2 EGBGB ist nicht zur allseitigen Kollisionsnorm erweiterungsfähig.<br />

• Es ist eine ausdrückliche oder konkludente Rechtswahl möglich. Hinweise für eine<br />

konkludente Rechtswahl: Orientierung an Rechtsinstituten des deutschen Rechts, Verweis auf<br />

Vorschriften des BGB, Abfassung des Testaments unter Beachtung eines deutschen Notars. In<br />

Zweifelsfällen kann § 2084 BGB analog herangezogen werden.<br />

• Wirksamkeit der Rechtswahl:<br />

a) materielle Gültigkeit der Rechtswahl bestimmt sich nach dem gewählten Recht (analog<br />

Art. 27 Abs. 4, Art. 31 Abs. 1 EGBGB). Im Ergebnis ist also deutsches Recht anzuwenden.<br />

Sachlich die Regelungen über Testamente / Erbverträge entsprechend.<br />

b) Form: „in Form einer Verfügung von Todes wegen“ = Art. 26 EGBGB<br />

• Problem: Teilnichtigkeit der Rechtswahl:<br />

Diese tritt auf, wenn der Erblasser deutsches Recht ohne Beschränkung auf den unbeweglichen<br />

Nachlass gewählt hat. Über § 2085 BGB erfolgt eine geltungserhaltende Reduktion der<br />

Rechtswahl auf den nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB zulässigen Inhalt. Es sei denn, aus dem<br />

mutmaßlichen Willen des Erblassers ist eine Gesamtnichtigkeit des Testaments zu entnehmen.<br />

8. Verfügungen von Todes wegen<br />

a) Form<br />

Regelungen über die Form enthalten das HTÜ (J/H Nr. 60; Haager Übereinkommen über das auf<br />

die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht vom 5.10.1961) sowie Art. 26<br />

EGBGB.<br />

Art. 26 Abs. 1 bis 3 EGBGB übernimmt – mit Ausnahme des Art. 26 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB – das<br />

HTÜ. Daher wird z.T. vertreten, Art. 26 EGBGB anzuwenden, ohne auf das Übereinkommen<br />

zurückzugreifen (Palandt/Heldrich, 68. Aufl. 2009, Art. 26 EGBGB Rn. 1).<br />

Gemäß Art. 3 Abs. 2 EGBGB genießt das Übereinkommen aber Vorrang vor Art. 26 EGBGB.<br />

Art. 1 Abs. 1 lit. a bis e HTÜ normiert eine alternative Anknüpfung für die Form letztwilliger<br />

Verfügungen. Sie sind formgültig, wenn sie<br />

- dem Recht des Ortes entsprechen, wo verfügt wurde,<br />

- dem Heimatrecht des Erblassers im Zeitpunkt der Verfügung oder im Zeitpunkt des Todes,<br />

- dem Recht des Wohnsitzes des Erblassers im Zeitpunkt der Verfügung oder des Todes,<br />

- dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers im Zeitpunkt der Verfügung oder des<br />

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Todes oder<br />

- bei unbeweglichem Vermögen der Form der lex rei sitae.<br />

Über die Frage, was als zur Form gehörend zu qualifizieren ist, gibt Art. 5 HTÜ Auskunft.<br />

Zu beachten ist, dass das HTÜ nicht für die Form von Erbverträgen und anderen Verfügungen<br />

von Todes wegen (außer dem Testament) gilt. Für diese ist Art. 26 IV EGBGB maßgebend.<br />

b) Testierfähigkeit<br />

Einerseits wird vertreten, die Testierfähigkeit entspräche der allgemeinen Geschäftsfähigkeit und<br />

sei nach Art. 7 Abs. 1 EGBGB anzuknüpfen (van Venroog, JA 1988, 485 ff.).<br />

Andere Autoren sehen in der Testierfähigkeit eine „besondere Geschäftsfähigkeit“, die dem<br />

fiktiven Erbstatut unterfällt, Art. 26 Abs. 5 S. 1 EGBGB (v. Hoffmann/Thorn, 9. Aufl. 20<strong>07</strong>, § 9,<br />

Rn. 41).<br />

c) Gültigkeit und Bindungswirkung<br />

Die inhaltliche Gültigkeit (insbesondere die gesetzlich zulässigen Typen letztwilliger<br />

Verfügungen) und die Bindungswirkung richten sich gemäß Art. 26 Abs. 5 S. 1 EGBGB nach<br />

dem hypothetischen Erbstatut im Zeitpunkt der Errichtung.<br />

d) Problematik der gemeinschaftlichen Testamente<br />

Für die Form gemeinschaftlicher Testamente gilt das HTÜ (Art. 4 HTÜ).<br />

Die Zulässigkeit von gemeinschaftlichen Testamenten, deren Errichtung in vielen<br />

Rechtsordnungen verboten ist, ist ein Qualifikationsproblem:<br />

- Hat ein Verbot von Gemeinschaftstestamenten lediglich Klarstellungs- und Warnfunktion<br />

(richtige Ermittlung des Erblasserwillens), so ist es als Formvorschrift zu qualifizieren (z.B.<br />

im französischen und niederländischen Recht).<br />

- Dient es hingegen der Sicherung des freien Willensentschlusses und des freien Widerrufs für<br />

die Zeit nach dem Tod des Partners, so ist es als materielles <strong>Erbrecht</strong> zu qualifizieren (z.B. im<br />

italienischen Recht).<br />

In diesem Fall bestimmt sich die Zulässigkeit nach dem hypothetischen Erbstatut beider<br />

Ehepartner, bei unterschiedlichen Rechten finden diese kumulativ Anwendung.<br />

Methodisch ist bei der Fallbearbeitung wie folgt vorzugehen:<br />

- Die Zulässigkeit von Gemeinschaftstestamenten ist nach deutschem <strong>Erbrecht</strong> kein<br />

Formproblem, vielmehr soll die Beschränkung auf Ehepartner / eingetragene Lebenspartner<br />

den freien Willensentschluss sichern.<br />

→ Es kommt deshalb auf das Errichtungsstatut (Art. 25 V EGBGB) an.<br />

- Bei Verweis auf ausländisches Recht ist zu fragen, wie dieses die Zulässigkeit bzw.<br />

Nichtzulässigkeit qualifiziert. Bei Qualifikation als Formproblem sind die dortigen<br />

Kollisionsnormen für die Form von Testamenten heranzuziehen (eventuell Rückverweisung<br />

kraft abweichender Qualifikation).<br />

- Bei Qualifikation als materielles Problem ist das dortige Errichtungs- und Erbstatut für die<br />

Gesamtverweisung zu prüfen.<br />

9. Verhältnis des Erbstatuts zu anderen Statuten<br />

a) Erbstatut/Güterrechtsstatut<br />

Als güterrechtlich zu qualifizieren sind die Vorschriften über die Auflösung des Güterstandes im<br />

Falle des Todes sowie die Abfindung der Eheleute aus der gemeinschaftlichen Masse.<br />

Das <strong>Erbrecht</strong> betrifft die Verteilung des dem Erblasser nach dem Güterrecht zustehenden<br />

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Vermögens.<br />

Umstritten ist, wann im Erbfall ein Zugewinnausgleich nach § 1371 Abs. 1 BGB stattfinden<br />

kann:<br />

- Einigkeit besteht weitgehend darüber, dass § 1371 Abs. 1 BGB güterrechtlich zu qualifizieren<br />

ist, da es nicht um die Verstärkung des <strong>Erbrecht</strong>s, sondern um eine besondere Form der<br />

güterrechtlichen Auseinandersetzung beim Tod eines Ehegatten geht (vgl. Nachweise bei<br />

Staudinger/Mankowski (2003), Art. 15 EGBGB Rn. 342). Daraus folgern einige Autoren,<br />

dass § 1371 Abs. 1 BGB immer dann zur Anwendung gelangt, wenn das Güterrechtsstatut<br />

deutsches Recht ist (Soergel/Schurig, Art. 15 EGBGB Rn. 40).<br />

- Andere vertreten die Ansicht, dass die Anwendung des § 1371 Abs. 1 BGB neben dem<br />

deutschen Güterrechtsstatut auch voraussetzt, dass das Erbstatut deutsches Recht ist (OLG<br />

Stuttgart NJW-RR 2005, 740; MünchKomm-BGB/Birk, 4. Aufl. 2006, Art. 25 EGBGB Rn.<br />

158).<br />

- Die vermittelnde Ansicht qualifiziert § 1371 Abs. 1 BGB güterrechtlich, macht aber seine<br />

Anwendung davon abhängig, ob das ausländische <strong>Erbrecht</strong> eine vergleichbare dingliche<br />

Berechtigung am Nachlass für den überlebenden Ehegatten wie in § 1931 BGB vorsieht<br />

(Staudinger/Dörner, 20<strong>07</strong>, Art. 25 EGBGB Rn. 34 ff.; Staudinger/Mankowski, 2003, Art. 15<br />

EGBGB Rn. 343 ff.; Palandt/Heldrich, 66. Aufl. 20<strong>07</strong>, Art. 15 EGBGB Rn. 26).<br />

Bei einem Auseinanderfallen von Erbstatut und Güterrechtsstatut kann es zu einem<br />

Normenmangel (Erbstatut trifft güterrechtlich Vorsorge, während das Güterrechtsstatut<br />

erbrechtlich Vorsorge trifft) oder einer Normenhäufung (sowohl Erb- als auch Güterrechtsstatut<br />

treffen Vorsorge) kommen. Eine sachgerechte Lösung ist dann durch Anpassung der Regelungen<br />

zu finden.<br />

b) Erbstatut/Gesellschaftsstatut<br />

Wer Erbe ist, richtet sich auch hier nach dem Erbstatut. Ob die Gesellschaft bei Tod eines<br />

Gesellschafters fortbesteht und ob der Geschäftsanteil des verstorbenen Gesellschafters vererbbar<br />

ist, regelt sich nach dem Gesellschaftsstatut.<br />

Bei Personengesellschaften bestimmt es nicht nur über die Vererbbarkeit, sondern auch über die<br />

Voraussetzungen sowie die Art und Weise des Erwerbs des Geschäftsanteils durch einen oder<br />

mehrere Erben.<br />

c) Erbstatut/Schuldstatut<br />

Schenkungen von Todes wegen, § 2301 BGB, werden dem hypothetischen Erbstatut unterstellt,<br />

soweit sie beim Eintritt des Todes noch nicht vollzogen waren. Sind sie bereits vollzogen,<br />

unterfallen sie dem Schuldstatut. Die Frage des Vollzugs bestimmt sich nach dem für den<br />

Rechtsübergang maßgeblichen Statut (z.B. lex rei sitae in Bezug auf die Übereignung von<br />

Sachen).<br />

Für Verträge zugunsten Dritter auf den Todesfall, z.B. Lebensversicherungsverträge, ist das<br />

Schuldstatut maßgeblich.<br />

d) Erbstatut/Sachstatut<br />

Von Bedeutung sind hier zwei Problemkreise:<br />

aa) Sachenrechtliche Wirkungen des Erbfalls<br />

Bei Auseinanderfallen von Erb- und Sachstatut bestimmt das Erbstatut, wer Erbe wird. Soweit es<br />

sich um Nachlassgegenstände handelt, die im Inland belegen sind, muss der Inhalt der<br />

erworbenen Rechte mit der inländischen Sachenrechtsordnung (numerus clausus der<br />

Sachenrechte) vereinbar sein. Erforderlich kann eine materiellrechtliche Anpassung sein.<br />

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) Erbenloser Nachlass<br />

Ob ein Nachlass erbenlos ist, bestimmt sich nach dem Erbstatut. Problematisch ist, dass einige<br />

Staaten die Beanspruchung des erbenlosen Nachlasses als <strong>Erbrecht</strong> des Fiskus ausgestaltet haben<br />

(z.B. § 1936 BGB), andere hingegen als ein Aneignungsrecht des Fiskus (z.B. Großbritannien,<br />

Frankreich) und es dazu kommen kann, dass sowohl der Heimatstaat des Erblassers als auch der<br />

Belegenheitsstaat den Nachlassgegenstand beanspruchen.<br />

Für die Fallbearbeitung ist wie folgt vorzugehen:<br />

- Funktionelle Qualifikation führt zur Anwendung des Erbstatuts (Art. 25 EGBGB).<br />

- Es wird auf den Teil des ausländischen <strong>IPR</strong> im Rahmen der Gesamtverweisung verwiesen,<br />

der das „Problem erbloser Nachlass“ erfasst.<br />

- Wird die Frage dort als erbrechtliches Problem qualifiziert, finden die dortigen<br />

erbrechtlichen Kollisionsnormen Anwendung.<br />

- Wird es als sachenrechtliches Aneignungsrecht angesehen und der lex rei sitae unterstellt,<br />

so kann es zum renvoi kraft abweichender Qualifikation kommen.<br />

- Ist es als öffentlich-rechtliches Aneignungsrecht ausgestaltet, dann ist davon auszugehen,<br />

dass es sich auf im jeweiligen Staat belegene Gegenstände beschränkt. Entweder geht<br />

man hier von einem Desinteresse des ausländischen Staates an hier belegenen<br />

Vermögensgegenständen aus oder nimmt eine versteckte Rückverweisung vor. Jedenfalls<br />

führt diese Qualifikation durch das nach Art. 25 EGBGB berufene ausländische Recht<br />

letztlich zur Anwendung von § 1936 BGB für in Deutschland belegene<br />

Vermögensgegenstände.<br />

e) Erbstatut / Adoptionsstatut<br />

Zu unterscheiden sind:<br />

(1) Ob ein Adoptierter überhaupt Erbe sein kann, also ob es auf die natürliche oder<br />

rechtliche Verwandtschaft ankommt, bestimmt das Erbstatut.<br />

(2) Ob die Adoption wirksam ist<br />

- Adoption von einem deutschen Gericht vorgenommen<br />

- ausländische Dekretadoption → Anerkennung erfolgt gemäß Art. 23 HAdoptÜ (J/H Nr.<br />

223) im Verhältnis zu anderen Vertragsstaaten; i.Ü. ist die Anerkennung nach § 16 a<br />

FGG zu prüfen, förmliche Anerkennung ist nicht erforderlich<br />

- Vertragsadoption → ihre materielle Wirksamkeit wird nach dem gemäß Artt. 22, 23<br />

EGBGB maßgeblichen Recht geprüft<br />

(3) Die Adoption muss eine solche starke rechtliche Beziehung (Verwandtschaft) zwischen<br />

dem Erblasser und dem Adoptierten herstellt, wie sie das für die Erbfolge maßgebliche<br />

Recht voraussetzt. Ein verlässliches Anzeichen dafür, ergibt sich dann, wenn man danach<br />

fragt, ob das für die Adoptionsfolge maßgebliche Recht das Adoptivkind am Nachlass des<br />

Erblassers beteiligen würde, wenn dieser nach dem Adoptionsstatut beerbt würde. Wenn<br />

die Wirkungen der Adoption funktionell gleichwertig mit der des Erbstatuts sind, bestimmt<br />

das Erbstatut wie hoch ist der Anteil des Adoptivkindes am Nachlass ist.<br />

(4) Für Verfügung von Todes wegen: Art. 22 Abs. 3 EGBGB<br />

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