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Gutachten für Umweltschutzverbände - Geotipp

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Gefährdungspotential Kreis-Mülldeponie Bruchsal<br />

Beispiel eines <strong>Gutachten</strong>s <strong>für</strong> die „Agnus“ Bruchsal und<br />

„Alternative Ecke“ Ubstadt<br />

Gefährdung des Trinkwassers aus dem Grundwasser pleistozäner<br />

Ablagerungen im Bereich des Zweckverbandes Wasserversorgung<br />

"Kraichbachgruppe"<br />

Zusammenfassung<br />

GProf. Dr. Kurt Metzger, Ubstadt-Weiher<br />

Mai 1990<br />

Bei der Bewertung des Gefährdungspotentials der Altablagerungen in der<br />

Kreismülldeponie, den Abwässern der Kläranlage Bruchsal (Duttlacher Graben) und<br />

weiteren flächenhafter Kontaminationen (Düngung, Pflanzenschutz, Nutzung von<br />

Baggerseen) sind schutzzielabhängige (intersubjektive) und wissenschaftliche (objekive)<br />

Kriterien zu beachten. Letztere müssen stoffspezifische und standortspezifische Fakten<br />

berücksichtigen, was nur über Messungen erfolgen kann. Für das Trinkwasser aus<br />

Grundwasser sind vor allem der Altstandort Kreismülldeponie sowie der Vorfluter der<br />

Kläranlage Bruchsal und die intensive landwirtschaftliche Nutzung als potentiell<br />

gefährlich einzustufen, deren Emissionen erreichen das Grundwasser, werden mit ihm<br />

transportiert und sind gleichzeitig toxikologisch bedeutsam. Mit solchen Gefährdungen ist<br />

besonders dort zu rechnen, wo von den pfadspezifischen Prioritätskontaminanten deutlich<br />

erhöhte Gehalte gefunden werden, beispielsweise im Umfeld der Kreismülldeponie, in<br />

Ackerböden und im Wasser des Duttlacher Graben. Auf den vorhandenen Befunden<br />

aufbauend sollte das Bewertungsmodell des Bundesgesundheitsamtes angewandt werden,<br />

mit dem die in den entfernter liegenden Trinkwasserfassungen zu erwartenden<br />

Schadstoffkonzentrationen vorausgesagt werden können. Darüberhinaus sollte mittels<br />

toxikologischer und trinkwasserhygienischer Richtwertvorgaben <strong>für</strong> die Nutzungsart<br />

Trinkwassergewinnung auf standortspezifische und deshalb sinnvolle Sanierungsziele<br />

hingearbeitet werden. Unrealistisch sind dagegen allgemeine Zielvorgaben <strong>für</strong> die<br />

Kontaminationsquellen (Altablagerung, Vorfluter und Landschaftsnutzung).<br />

1. Einleitung<br />

Die wissenschaftliche Bewertung des Gefährdungspotentials kontaminierter Standorte<br />

sowie daraus abzuleitende Maßnahmen zur Minderung bzw. Abwehr möglicher Gefahren<br />

gehört derzeit zu den dringendsten gesundheits- und umweltpolitischen Aufgaben in allen<br />

Ebenen. Eine Bewertung auf Kreis- und Gemeindeebene beinhaltet zunächst subjektive,<br />

wenn auch spezifische Zielvorstellungen und Notwendigkeiten über das zu bewertende<br />

Objekt, hier die Wasserversorgung der Gemeinden Forst und Ubstadt-Weiher, die es zu<br />

formulieren gilt. Dem stehen die naturgesetzlich bedingten Fakten gegenüber, die die<br />

Mülldeponie selbst und ihre Auswirkungen auf die nähere und weitere Umgebung<br />

beschreiben. Diese gilt es ebenfalls zu erfassen und zwar muß dies im wesentlichen über<br />

Messungen und hydrogeologische Untersuchungen geschehen.


Durch die Integration dieser beiden Bereiche kommt man zu einer örtlich spezifischen,<br />

nutzungs- und expositionsorientierten Bewertung des kontaminierten Standorts im Bereich<br />

des Wassereinzugsgebiets der Wasserversorgung "Kraichbachgruppe".<br />

Ein weiterer wesentlicher Punkt, der leider zu wenig Beachtung findet, ist die enge<br />

Kopplung der Bewertung an die Art der notwendigen Untersuchungen bzw. die<br />

Untersuchungsmethode, die im Bereich des zu bewertenden kontaminierten Standorts zur<br />

Anwendung kommt.<br />

Weiterhin muß die Trennung zwischen den Bewertungszielen im Sinne der Prophylaxe<br />

und der Kuratio beachtet werden [2]. Aufgabe der Prophylaxe ist im wesentlichen die<br />

Verhinderung zukünftiger Kontaminationen. Hier ist es notwendig, von sehr hohen<br />

Qualitätsstandards auszugehen, um einen wirksamen Schutz zu gewährleisten. Dies wird<br />

noch durch die Tatsache unterstrichen, daß sich die naturgegebene Situation selbst durch<br />

sehr aufwendige Sanierungen nicht wiederherstellen läßt [3].<br />

Aus demselben Grund aber sind Vorsorgeanforderungen nicht als Sanierungsziele<br />

formulierbar. Hier<strong>für</strong> müssen vielmehr eigene Maßstäbe geschaffen werden, wobei vor<br />

allem zu definieren ist, welches Maß an Kontamination nach einer Sanierung von Fall zu<br />

Fall noch akzeptabel ist.<br />

Zur Bewertung möglicher Schadstoffexpositionen oder Nutzungsgefährdungen benötigt<br />

man genaue Kenntnisse über die Emissionssituation bzw. über die jeweiligen<br />

Emissionspfade vom Quellort der Kontamination zu den örtlich bedeutsamen Expositions-<br />

oder Nutzungsorten.<br />

Aufgrund der sehr zahlreichen Untersuchungen von durch Abfallablagerungen<br />

kontaminierten Grundwässern in den USA und den alten Bundesländern [4, 5, 6] konnten<br />

folgende Erkenntnisse erarbeitet werden:<br />

Stoffe, die sowohl häufig als auch in großen Mengen in Abfalldeponien und im Abwasser<br />

von Klärwerksvorflutern vorkommen, persistent sind und ein gutes Migrationsverhalten<br />

bis hin zum und im Grundwasser haben, werden häufig und in hohen Konzentrationen<br />

nachgewiesen, d. h. sie haben hohe Nachweishäufigkeiten und hohe mittlere<br />

Konzentrationen. Substanzen mit schlechtem Transferverhalten bis hin zur Immobilität<br />

sind dagegen nur in geringen Nachweishäufigkeiten bzw. Konzentrationen im<br />

Grundwasser zu finden, selbst wenn sie häufig und in großen Mengen in Altlasten und<br />

Abfall vorkommen.<br />

2. Untersuchungs- und Bewertungsmodell des BGA<br />

Diese Erkenntnisse sind in dem vom Institut <strong>für</strong> Wasser-, Boden- und Lufthygiene<br />

entwickelten Untersuchungs- und Bewertungskonzept berücksichtigt. Die Grundstruktur<br />

dieses Modells ist in der Abbildung 2 dargestellt. Besonders wichtig ist die Erkenntnis,<br />

daß auf bestimmten Emissionspfaden nur vergleichsweise wenige Stoffe Nutzungs- oder<br />

Expositionsorte erreichen und zu Gefährdungen führen (=Prioritätskontaminanten).<br />

Zur Erfassung von Prioritätskontaminanten muß der jeweilige Emissionspfad repräsentativ<br />

untersucht werden. Im Modell des BGA wurden <strong>für</strong> den Pfad "Altablagerung-Untergrund-<br />

2


Grundwasser" Ergebnisse von ca. 750 Standorten berücksichtigt. Es konnten dabei<br />

insgesamt ca. 1200 Kontaminanten mit Konzentrationen >l µg/l nachgewiesen werden,<br />

von denen jedoch nur etwa 130 häufiger als einmal in 1000 Fällen im<br />

Grundwasserabstrom auftraten.<br />

2.1. Bewertungszahlen<br />

Nachweishäufigkeiten und mittlere Emissionskonzentrationen werden <strong>für</strong> jede Substanz<br />

auf Bewertungszahlen (BZ) zwischen 1 und 100 normiert. Die höchste <strong>für</strong> eine<br />

Einzelsubstanz beobachtete Nachweishäufigkeit wird gleich 100 gesetzt. Bei den<br />

Konzentrationen steht die Bewertungszahl 1 <strong>für</strong> Befunde von 1,0 g/1 ( = 10 0 g/l). Die Größe des Produkts<br />

beider Bewertungszahlen (max. 10000) ist ein Maß da<strong>für</strong>, ob ein Stoff vorrangig auf dem<br />

beobachteten Emissionspfad migriert (=Hauptkontaminante).<br />

Zur Feststellung, welche der Hauptkontaminanten <strong>für</strong> den Menschen auf dem Grund-<br />

/Trinkwasserpfad die letztlich gefährlichen sind, müssen aber noch ihre<br />

Toxizitätspotentiale berücksichtigt werden. Dies kann unter Zuhilfenahme des von<br />

DIETER et al. [9] entwickelten toxikologischen Beurteilungsrasters geschehen, das<br />

ebenfalls auf 1-100 normierte humantoxikologische Bewertungszahlen (BZ) liefert. Sie<br />

werden <strong>für</strong> jede Substanz mit der BZ <strong>für</strong> die Nachweishäufigkeit und der BZ <strong>für</strong> die<br />

Emissionskonzentration multipliziert. Das theoretisch höchste Produkt von 10 6 wird real<br />

allerdings nie erreicht. Die höchsten Gesamtbewertungszahlen (1) liegen zwischen 1,12<br />

*10 5 (Blei) und 3,04 *.10 5 (Arsen). Stoffe mit Bewertungszahlen, die größer als 10 5 sind,<br />

werden als Prioritätskontaminanten erster Priorität bezeichnet. Kontaminanten mit<br />

Bewertungszahlen zwischen 10 4 und 10 5 werden der zweiten Priorität zugerechnet,<br />

Kontaminanten mit Bewertungszahlen


Bei der Ermittlung des Grundwassergängigkeitspotentials von Prioritätskontaminanten<br />

muß darüber hinaus aus verschiedenen Gründen eine Differenzierung zwischen<br />

anorganischen und organischen Kontaminanten erfolgen. Ermittelt wird in beiden Fällen<br />

ein normiertes Transfer- und Persistenzpotential der Kontaminanten, deren Produkt<br />

definitionsgemäß das Grundwassergängigkeitspotential ist [1].<br />

Mit der Kenntnis der Konzentrationen von Prioritätskontaminanten am Quellort, ihren<br />

stoffspezifischen Grundwassergängigkeitspotentialen und den örtlichen<br />

geohydrologischen Gegebenheiten kann dagegen der Transfer dieser Kontaminanten im<br />

Grundwasser bis hin zum Nutzungsort Trinkwasserfassung vorhergesagt werden. Im Falle<br />

von Lockergesteins-Aquiferen, wie im Einzugsbereich der Wasserversorgung<br />

"Kraichbachgruppe" gegeben, können zudem einfache Grundwasserströmungsmodelle mit<br />

Stoffretardation herangezogen werden, wobei die wassergesättigte Mächtigkeit des<br />

Aquifers, die effektive Porosität, der Durchlässigkeitsbeiwert, die<br />

Abstandsgeschwindigkeit, die longitudinale und transversale Dispersivität, die molekulare<br />

Diffusion sowie die Quellstärke, der Retardationsfaktor und die Abbaukonstante der<br />

Kontaminanten benötigt werden [10]. Zum Teil liegen die benötigten Fakten durch die<br />

<strong>Gutachten</strong> von Prof. A. Blinde, dem Geologischen Landesamt und diversen<br />

Grundwasseranalysen aus dem Chem. Labor Dr. Vogt vor.<br />

Wie sich unterschiedliche Grundwassergängigkeitspotentiale von Kontaminanten auf ihren<br />

Transfer im Grundwasser auswirken können, ist im Tätigkeitsbericht der BGR von 1985<br />

dargestellt [11]. Als Fazit läßt sich folgende Aussage machen:<br />

Substanzen mit geringem Transfer- und Persistenzpotential ( = leicht adsorbierbar und<br />

leicht abbaubar) sind auch innerhalb sehr langer Zeiträume nur im unmittelbaren Umfeld<br />

der Emissionsquelle (Deponie und Uferbereich) existent. Dagegen muß bei Substanzen<br />

mit geringem Transfer-, jedoch hohem Persistenzpotential, wie sie durch alle bisher<br />

durchgeführten Grundwasseranalysen durch die hohen AOX-Werten nachgewiesen<br />

wurden, langfristig (>25 Jahre) mit einer signifikanten Ausbreitung gerechnet werden. Mit<br />

kurzen Ausbreitungszeiten («10 Jahre) ist dagegen im besonderen Maße bei Substanzen<br />

mit hohem Transfer- und Persistenzpotential zu rechnen. Dies gilt beispielsweise <strong>für</strong> den<br />

1000 fach erhöhten Phenolgehalt des Grundwassers, wie er in einer Analyse vom<br />

14.07.1988 nachgewiesen wurde!<br />

Mittels dieser Vorgehensweise können Aussagen darüber getroffen werden, ob und welche<br />

Emissionen das Wasserwerk/die Trinkwasserfassungen des Zweckverbandes erreichen<br />

können, wann das in etwa sein wird und welche Konzentrationen welcher Stoffe zu<br />

erwarten sind.<br />

Entscheidend <strong>für</strong> die Beurteilung der Nutzungsgefährdung (Trinkwassergewinnung) durch<br />

die Altablagerungsemissionen, die Abwässer der Bruchsaler Kläranlage oder die<br />

Verunreinigung des offenen Grundwassers sind letztlich die akut oder langfristig in der<br />

Trinkwasserfassung auftretenden Schadstoffkonzentrationen. Sind diese einmal definiert<br />

und/oder festgelegt, so kann schließlich auch auf die maximal am Kontaminationsort noch<br />

duldbaren/akzeptablen Konzentrationen zurückgerechnet werden.<br />

Die zu berücksichtigenden geogenen Bedingungen im Bereich der kontaminierten Flächen<br />

im Wassereinzugsgebiet des Zweckverbandes Wasserversorgung "Kraichtalgruppe" sind:<br />

1. geographischer Abstand zu den Grundwasserentnahmestellen, und Abgrenzung<br />

des Entnahmegebietes:<br />

4


Ein Trinkwasserschutzgebiet soll das gesamte Einzugsgebiet einer GW-Fassungsanlage<br />

umfassen. Es ist, entsprechend dem unterschiedlichen Schutzbedürfnis des Gebietes, in<br />

verschiedene Schutzzonen mit unterschiedlichen Nutzungsbeschränkungen gegliedert.<br />

Die Schutzzone I dient dem Schutz der unmittelbaren Umgebung der Fassungsanlage vor<br />

jeglicher Verunreinigung oder Beeinträchtigung. Ihre Grenze sollte mindestens einen<br />

Abstand von 10 m zur Fassungsanlage aufweisen.<br />

Die Schutzzone II (Engere Schutzzone) soll dem Schutz des GWs vor Verunreinigungen<br />

und sonstigen Beeinträchtigungen dienen, die wegen ihrer Nähe zur Fassungsanlage<br />

besonders gefährlich sind. Es ist in diesem Zusammenhang besonders an mikrobielle<br />

Verunreinigungen gedacht, wobei davon ausgegangen wird, daß gefährliche, d.h.<br />

krankheitserregende Keime nach 50 Tagen Verweildauer im GW abgestorben sind.<br />

Dementsprechend orientiert sich die Umgrenzung der engeren Schutzzone an einer Linie,<br />

von der aus das GW eine Fließzeit von mindestens 50 Tagen bis zur Fassungsanlage<br />

benötigt ("50-Tage-Linie"). Die im allgemeinen erhebliche Verweildauer der<br />

verunreinigten Sickerwässer in der ungesättigten Bodenzone oberhalb des GWSpiegels<br />

wird außer acht gelassen und als Sicherheit gewertet.<br />

Die Ausweisung einer Schutzzone II ist jedoch nur dann erforderlich, wenn aus<br />

geologischer Sicht die Gefahr einer bakteriellen Kontamination des GWs nicht<br />

auszuschließen ist; sie kann entfallen, wenn nur tiefere, abgedichtete GW-Stockwerke<br />

oder solche genutzt werden, die von der 50-Tage-Linie bis zur Fassungsanlage von<br />

undurchlässigen Schichten genügender Mächtigkeit abgedeckt sind. Da beide<br />

Forderungen in einem pleistozänen Sedimentkörper nicht erfüllt sind, ist die Einrichtung<br />

von Schutzzonen-II im Wassergewinnungsgebiet der Wasserversorgung<br />

"Kraichbachgruppe" unerlässlich.<br />

Zur Festlegung der Flächengröße einer Schutzzone II im konkreten Fall könnten bereits<br />

ausgewiesene Schutzzonen in vergleichbaren Sedimenten herangezogen werden.<br />

Abbildung 2: Grundstruktur des im Institut <strong>für</strong> Wasser-, Boden-, Lufthygiene des BGA<br />

entwickelten Untersuchungs- und Bewertungsmodells <strong>für</strong> grundwasserkontaminierende<br />

Abfallablagerungen<br />

In den norddeutschen Lockergesteinsgebieten (eiszeitliche Grund- und Endmoränen sowie<br />

Sandergebiete) überschreitet der Radius der Schutzzone II 300 m selten, in den deutschen<br />

Mittelgebirgen und im Alpenraum gibt es wegen der dort auftretenden hohen GW-<br />

Geschwindigkeiten (Sandstein 50 m/d, Schottergebiete bis 130 m/d, Karstgebiete bis 585<br />

m/h) erhebliche Schwierigkeiten bei der Abgrenzung und Ausweisung der Schutzzone II.<br />

Bei der außerordentlichen Größe der aus den genannten Fließgeschwindigkeiten<br />

errechenbaren engeren Schutzzonen ist es in Anbetracht der bestehenden Besiedlung und<br />

Flächennutzung in der Praxis kaum möglich, die in den DVGW-Richtlinien vorgesehenen<br />

Nutzungsbeschränkungen durchzusetzen. Ähnliche Verhältnisse liegen auch in unserem<br />

Raum vor. In den jungpleistozänen Lockersedimenten des Oberrheingrabens muß eine<br />

GW-Geschwindigkeit von 50 - 100 m/d angenommen werden. Dies würde einen Radius<br />

<strong>für</strong> die Schutzzone-II von 2,5 bis 5 km bedeuten. In anbetracht dieser Tatsache muß man<br />

überlegen ob die tatsächlich ausgewiesenen Schutzzonen genügende Sicherheit <strong>für</strong> das<br />

Trinkwasser bieten.<br />

Für unsere Wassergewinnungsgebiete sollten wenigstens die Schutzgebietsrichtlinien der<br />

Schweiz (Eidgenössisches Amt <strong>für</strong> Umweltschutz 1977) zugrunde gelegt werden. Dort ist<br />

5


das Bemühen erkennbar, die Gesamtheit der natürlichen Reinigungsvorgänge im<br />

Untergrund in die Bewertung einzubeziehen. Die Richtlinien berücksichtigen nicht nur,<br />

wie in Deutschland, die Reinigungsprozesse im GW-Leiter, sondern bis zu einem<br />

gewissen Grade auch Abbauvorgänge, die auf verunreinigte Wasser bei der<br />

Durchsickerung der ungesättigten Bodenzone einwirken. Die Quantifizierung der<br />

Reinigungswirkung der das GW bedeckenden Schichten erfolgt in Anlehnung an die<br />

Methode von REHSE (1977)[15]. Die Abgrenzung der Engeren Schutzzone basiert auf der<br />

Forderung nach einer Mindestverweildauer der Wasserteilchen von 10 Tagen im GW-<br />

Leiter. Diese Überlegungen würden immer noch einen Radius von mindestens 500 m <strong>für</strong><br />

die Schutzzone-II des Tiefbrunnens der Wasserversorgung "Kraichbachgruppe" fordern.<br />

Schutzzone III (Weitere Schutzzone): Die Weitere Schutzzone soll den Schutz des GWs<br />

vor weitreichenden Beeinträchtigungen, insbesondere vor nicht oder nur schwer<br />

abbaubaren chemischen und radioaktiven Schadstoffen gewährleisten. Sie umfaßt das<br />

gesamte Einzugsgebiet (s. Abb.3) und kann entsprechend dem mit zunehmender<br />

Entfernung von den Fassungsanlagen geringer werdenden Schutzbedürfnis des<br />

Einzugsgebietes in eine Schutzzone IIIA (bis 2 km oberstrom der Fassungsanlagen) und III<br />

B (ab 2 km oberstrom der Fassungsanlage bis Grenze Einzugsgebiet) unterteilt werden.<br />

Abgrenzung des Einzugsgebietes: Die Abgrenzung des Einzugsgebietes, d.h. von<br />

Schutzgebieten <strong>für</strong> die GW-Fassungsanlagen der "Kraichbachgruppe" erfolgt am<br />

zweckmäßigsten nach GW-Spiegelplänen, aus denen die Richtung des<br />

Grundwasserabstroms hergeleitet werden kann. Oft - insbesondere in der Randzone des<br />

Oberrheingrabens - muß die Abgrenzung nach dem geologischen Aufbau des<br />

Untergrundes und den oberirdischen Abflußverhältnissen vorgenommen werden,- sie wird<br />

durch Überlegungen über die GW-Neubildung des Gebietes und die zur Verfügung<br />

stehenden Regenerationsflächen abgesichert. In den meisten Fällen erfolgt die Abgrenzung<br />

der Einzugsgebiete auf der Basis rechnerischer Abschätzungen. Im Raum Ubstadt-Weiher<br />

liegen aber recht komplizierte geologische und sedimentologische Verhältnisse vor, die<br />

den Grundwasserkörper nachhaltig beeinflussen [16]. So schwenkt die<br />

Rheitalhauptverwerfung in Richtung Weiher nach Westen aus und umfährt die "Weiherer-<br />

Hochscholle" in der Braunjurasedimente nahe an die Oberfläche treten und nur von<br />

aluvialen Sedimenten des Kraichbaches bedeckt sind. Im Bereich der Kreismülldeponie<br />

bilden tertiäre Tonablagerungen einen nach Westen gerichteten Horst, der die aus den<br />

Klüften des Oberen Muschelkalks austretenden Grundwässer in zwei Ströme teilt. Die<br />

rechnerische Ermittlung der Einzugsgebiete und Regenerationsflächen ist durch die<br />

vorliegenden geologischen Gegebenheiten nahezu unmöglich (siehe auch Abb.4 und 5).<br />

2. Mächtigkeit des Grundwasserleiters; im östlichen Randbereich grenzt das<br />

Einzugsgebiet an die Kalksteinablagerungen des Oberen Muschelkalks, in ihnen folgt das<br />

Grundwasser hauptsächlich vorgegebenen Kluftsystemen. In einem ca. 2 km breiten<br />

Streifen, der sich westlich an die Rheintalhauptverwerfung anschließt, nimmt die<br />

Mächtigkeit der quartären Sedimente und damit des infrage kommenden Aquifers von 10<br />

m auf 50 m zu. Daran schließen sich die Ablagerungen der Niederterrasse und ältere<br />

quartäre Lockersedimente unterschiedlicher Zusammensetzung und Mächtigkeit an (siehe<br />

Abb.4). Grundwasserstockwerke in den pleistozänen Sedimenten stehen untereinander in<br />

Verbindung. Es ist zu beachten, daß bei Wasserentnahme aus tieferen Bereichen<br />

oberflächennahes Wasser nachfließt [17]. An dieser Stelle sei angemerkt, daß die<br />

Abbildung 3: Gliederung eines Trinkwasserschutzgebietes<br />

6


hangseitige östliche Schlitzwand der Mülldeponie, die das Grundwasser im Muschelkalk<br />

vor Kontaminationen aus dem Deponiekörper schützt, erst aufgrund eines von mir<br />

erstellten <strong>Gutachten</strong>s angebracht wurde.<br />

3. Verdünnung; die Verdünnung des Grundwassers ist vom nachfließenden Wasser aus<br />

dem Rheintal, den Niederschlägen und dem Zufluß aus der Randzone abhängig.<br />

4. Organisches Material und Tongehalt des Aquifers; im Bereich der Randsenke finden<br />

sich holozäne Deckschichten, die aus sandig, schluffigen Torfen und organischen<br />

Schluffen aufgebaut sind, sie sind im Fauthenbruch unter dem Deponiekörper begraben.<br />

Die nach Westen folgende eiszeitliche Rinnenfüllung ist aus teils sandigen, schluffigen<br />

Kiesen aufgebaut. Im Bereich der Niederterrasse findet man fein bis grobkörnige<br />

Kieslagen mit eingebetteten Sandlinsen, der Tongehalt ist gering. Die liegenden tertiären<br />

Tone bilden die Grundwassersohlschicht.<br />

5. geochemisches Milieu: Unbelastetes Grundwasser im quartären Sedimentkörper ist<br />

neutral bis schwach alkalisch, der pH-Wert erreicht Werte bis 7,5. Die Säurekapazität bis<br />

pH 4,3 beträgt 6 mmol/l, die Basenkapazität bis pH 8,2 rund 0,8 mmol/l. Die Pufferung<br />

erfolgt über Hydrogencarbonationen. Im Grundwasserkörper überwiegen die<br />

reduzierenden Einflüsse. Die elektrische Leitfähigkeit liegt in einem Bereich von 500<br />

µS/cm.<br />

6. Fließrichtung und Fließgeschwindigkeit des Grundwasserstroms; das aus dem<br />

Kalkgestein des Oberen Muschelkalks austretende Grundwasser fließt in Ost -<br />

Westrichtung. In der Randrinne beobachtet man durch eine Horstbildung im liegenden<br />

Tertiär eine Trennung des abfließenden Grundwassers in einen süd- und in einen<br />

nordgerichteten Strom. Der nördliche Grundwasserstrom schwenkt mit der<br />

Hauptverwerfung in Richtung Weiher aus, um sich mit dem nach Nordwesten gerichteten<br />

Grundwasserhauptstrom im quartären Sedimentkörper des Rheintals zu vereinigen. Der<br />

südliche Grundwasserstrom wird durch die Kreismülldeponie beeinflußt, er muß sie<br />

umgehen um dann nach Westen auszuschwenken. Inwieweit durch seinen Eintritt die<br />

horizontale und vertikale Fließrichtung des Hauptstroms beeinflußt wird ist nicht bekannt<br />

(Abb.5.).<br />

Durch Markierungsversuche ermittelte Fließgeschwindigkeiten ergaben <strong>für</strong> Hangschutt<br />

Werte von 14 m/h bis 120 m/h, im Mittel 63 m/h. Diesen hohen Fließgeschwindigkeiten<br />

im Hangbereich stehen die langsamen Wasserbewegungen in der Talaue, dort in den<br />

ungestörten Sanden und Kiesen gegenüber, sie betragen von 0,05 m/h bis 0,35 m/h. Im<br />

Entnahmebereich von Grundwasser erhöht sich die Fließgeschwindigkeit auf 0,15 m/h bis<br />

5 m/h.<br />

7. Grundwasseranschnitte - Baggerseen; die beiden Freizeitzentren "Hardtsee und<br />

Heidesee" sind Grundwasserseen. Sie stehen mit dem Grundwasser in unmittelbarer<br />

Verbindung. Durch hohe Niederschlags- oder Verdunstungsraten an ihren Oberflächen<br />

kann der Grundwasserstrom beeinflußt werden. In die Baggerseen eingebrachte<br />

Kontaminanten und jene, die direkt von der belasteten Atmosphäre abgegeben werden,<br />

befinden sich unmittelbar im Grundwasserstrom.<br />

Aus ihnen ergeben sich bei festgelegten duldbaren Konzentrationen am Nutzungsort<br />

(Trinkwasser-VO) <strong>für</strong> jeden Verschmutzungsbereich andere duldbare<br />

7


Emissionskonzentrationen. Dies ist der entscheidende Punkt einer örtlich individuellen,<br />

nutzungs- und expositionsorientierten Bewertung der unterschiedlichen Belastungsherde<br />

des Grundwassers im Einzugsbereich der Brunnen.<br />

3. Nutzungsgefährdung<br />

Zunächst bietet sich die Anlehnung an die Grenzwerte der Trinkwasserverordnung [12] an,<br />

allerdings nur insofern, als mögliche Kontaminanten aus Altablagerungen dort auch<br />

tatsächlich genannt werden. Die Grenzwerte der Trinkwasserverordnung wurden im<br />

übrigen aber nicht nur unter toxikologischen, sondern auch unter den<br />

gewinnungstechnischen Kriterien der DIN 2000 [13], die allerdings den toxikologischen<br />

nicht widersprechen durften, erstellt. Es handelt sich jedoch um Maximalwerte; die<br />

aktuellen Befunde liegen bei Beachtung der DIN 2000 je nach Trinkwassererfassung meist<br />

um ein Vielfaches tiefer.<br />

Trinkwasser. muß nach § 11, Absatz 1 des Bundesseuchengesetzes so beschaffen sein,<br />

"daß durch seinen Genuß oder Gebrauch eine Schädigung der menschlichen<br />

Gesundheit insbesondere durch Krankheitserreger, nicht zu besorgen ist." Nach §11,<br />

Absatz 2 ist es möglich Rechtsverordnungen zu erlassen, die die Anforderungen an<br />

Trinkwasser näher spezifizieren. Dies ist in Deutschland durch die Trinkwasser-VO<br />

realisiert. Diese VO, erstmals 1975 erlassen, wurden in später folgenden Neufassungen<br />

zusätzlich auf die Ermächtigungen der §§ 9 und 10 (Gesundheitsschutz und Hygiene),<br />

sowie §12 und §16 (Zusatzstoffreglungen und Kenntlichmachung) des LMBG<br />

(Lebensmittelgesetz) gestützt. Sie ist eine Umsetzung der EG-Trinkwasserrichtlinie, in der<br />

eine sukzessive Anpassung der einzelstaatlichen Regelungen an das EG-Recht gefordert<br />

wird. Die DIN 2000, die auch als "Leitsätze <strong>für</strong> die zentrale Trinkwasserversorgung"<br />

bekannt ist, definiert Trinkwasser als das wichtigste Lebensmittel überhaupt. Trinkwasser<br />

soll appetitlich, zum Genuß anregend, farblos, klar, kühl, geruchlos und geschmacklich<br />

Abbildung 4.: Geologischer Schnitt durch den Wasserspeicher zur Darstellung seiner<br />

Mächtigkeit<br />

einwandfrei sowie frei von Krankheitserregern und arm an Keimen sein, soll gelöste Stoffe<br />

nur in engen Grenzen enthalten und in genügender Menge und mit ausreichendem Druck<br />

zur Verfügung stehen.<br />

Die mikrobiologische Anforderungen an Trinkwasser sind dem § 1 der<br />

Trinkwasser-VO zu entnehmen. § 2 und Anlage 2 legen Grenzwerte <strong>für</strong> chemische Stoffe<br />

fest, wobei auf die in Abschnitt 1 angegebenen Stoffe (z. B. Arsen, Cadmium, Nitrat)<br />

periodisch untersucht werden muß. Untersuchungen auf die in Anlage 2, Abschnitt 11<br />

genannten Stoffe (z. B. PCB's, Pflanzenschutzmittel, Antimon) ordnet die zuständige<br />

Behörde im Einzelfall an. Häufigkeit und Umfang der Untersuchung hängen von der<br />

Trinkwasserabgabemenge ab und sind der Anlage 5 zu entnehmen. Die in Anlage 4<br />

genannten Kenngrößen Grenzwerte (sensorische Kenngrößen, physikalisch-chemische<br />

Größen, Grenzwerte <strong>für</strong> chemische Stoffe) dienen Beurteilung der Beschaffenheit des<br />

Trinkwassers und dürfen nach § 3 nicht überschritten werden. Die in Anlage 7 festgelegten<br />

Richtwerte <strong>für</strong> Kupfer und Zink sollen nicht überschritten werden. Im folgenden sind die<br />

einzelnen Kenngrößen, Grenzwerte und Richtwerte der Anlagen 2, 4 u. 7 der Trinkwasser-<br />

VO aufgeführt.<br />

8


Tab.1: Grenzwerte <strong>für</strong> chemische Stoffe nach Anlage 2 der Trinkwasser-V0.<br />

Abschnitt I: Konzentration<br />

Arsen 0,01 mg/1<br />

Blei 0,04 mg/1<br />

Cadmium 0,005 mg/1<br />

Chrom 0,05 mg/1<br />

Cyanid 0,05 mg/1<br />

Fluorid 1,5 mg/1<br />

Nickel 0,05 mg/1<br />

Nitrat 50 mg/1<br />

Nitrit 0,1 mg/1<br />

Quecksilber 0,001 mg/1<br />

Cycyclische aromatische 0,0002 mg/1<br />

Kohlenwasserstoffe<br />

1,1,1-Trichlorethan, Trichlorethen, 0,01 mg/1<br />

Tetrachlorethen, Dichlormethan<br />

Tetrachlormethan 0,003 mg/1<br />

Abschnitt II:<br />

Antimon 0,01 mg/1<br />

Selen 0,01 mg/1<br />

Organisch-chemische Stoffe zur einzelne<br />

Pflanzenbehandlung einschließlich Substanz<br />

ihrer toxischen Abbauprodukte 0,0001 mg/1<br />

Polychlorierte, polybromierte insgesamt<br />

Biphenyle u. Terphenyle 0,0005 mg/1<br />

Tab. 2: Kenngrößen und Grenzwerte zur Beurteilung der<br />

Beschaffenheit des Trinkwassers nach Anlage 4 der Trinkwasser-V0.<br />

Parameter Konzentration<br />

Färbung (spektraler Absorptions- 0,5 m- -1<br />

koeffizient)<br />

Trübung 1,5 T E.<br />

Geruchsschwellenwert 2 bei 12°C<br />

3 bei 25°C<br />

Temperatur 25 °C<br />

pH-Wert 6,5-9,5<br />

Leitfähigkeit 2000 µs cm -1<br />

Aluminium 0,2 mg/1<br />

(Oxidierbarkeit: 5 mg/l)<br />

Ammonium 0,5 mg/1<br />

Barium 1 mg/1<br />

Bor 1 mg/1<br />

Calcium 400 mg/1<br />

Chlorid 250 mg/1<br />

Eisen 0,2 mg/1<br />

Kalium 12 mg/1<br />

Kjeldahl-Stickstoff 1 mg/1<br />

Magnesium 50 mg/1<br />

Mangan 0,05 mg/1<br />

Natrium 150 mg/1<br />

Phenole 0,0005 mg/1<br />

Phosphor 6,7 mg/1<br />

9


Silber 0,01 mg/1<br />

Sulfat 240 mg/1<br />

Kohlenwasserstoffe 0,01 mg/1<br />

Mit Chloroform extrahierbare Stoffe 1 mg/1<br />

Oberflächenaktive Stoffe<br />

a) anionische 0,2 mg/1<br />

b) nichtionische 0,2 mg/1<br />

Tab. 3: Richtwerte <strong>für</strong> Trinkwasser nach Anlage 7 der Trinkwasser-V0.<br />

Parameter Konz. festgelegtes Verfahren/<br />

mg/l Bemerkungen<br />

Kupfer 3 Der Richtwert gilt nach<br />

Stagnation von 12 Stunden.<br />

Innerhalb von 2 Jahren<br />

nach der Installation von<br />

Kupferrohren gilt der<br />

Richtwert ohne Berück-<br />

sichtigung der Stagnation.<br />

Zink 5 s. Kupfer<br />

Die hier vorliegenden, durch das Hygiene Institut der Universität Heidelberg angefertigten Trinkwasseruntersuchungen<br />

der Brunnen 1,2,3 sind unvollständig, es fehlen insbesondere Analysenwerte nach der Trinkwasserverordnung, Anlage 4.<br />

Die Trinkwasseruntersuchung des Tiefbrunnens (Brunnen 4) durch das Labor Fader entspricht in vollem Umfang der<br />

Trinkwasser-VO. Die Beurteilung ist umfassend, die Problematik wird angesprochen.<br />

Im Gebiet der Wasserversorgung "Kraichbachgruppe" bereitet die Einhaltung des Nitrat-<br />

Grenzwertes (50 mg/l; Richtzahl nach EG-Trinkwasser-Richtlinie: 25 mg/l) und des<br />

Grenzwertes <strong>für</strong> "organisch-chemische Stoffe zur Pflanzenbehandlung und<br />

Schädlingsbekämpfung" (Einzelsubstanz: 0,0001 mg/l, Summe: 0,0005 mg/l) Probleme.<br />

Als Abhilfemaßnahmen greift man zum Verschneiden mit weniger belastetem Wasser.<br />

Seitens der EG wurde in einer Richtlinie zum Schutz der Gewässer gegen Nitrate aus<br />

landwirtschaftlichen Quellen die Ausbringung von Gülle auf 170 kg Stickstoff/Hektar und<br />

Jahr begrenzt (bis 1997 als Übergang 210 kg). Es ist noch anzumerken, daß die<br />

Ausbringung von Klärschlamm auf die leichten Böden der Oberrheinebene zu einer<br />

weiteren Belastung des Grundwassers führt.<br />

Die Zielvorstellung der DIN 2000 kommt in der TrinkwV unmittelbar in deren § 2(3), dem<br />

Minimierungsgebot, sowie den §§ 15 (1) und 20 (1) zum Ausdruck. Ein Beobachtungs-<br />

und Abwehrbedarf ist deshalb bereits dann gegeben, wenn örtliche<br />

Hintergrundkonzentrationen ansteigen ohne daß unmittelbar be<strong>für</strong>chtet werden müßte, ein<br />

oder mehrere gültige Grenzwerte würden überschritten.<br />

Beobachtungs- sowie Abwehrbedarf ist in jedem Fall durch den Schadstoffeintrag von<br />

Sickerwasser aus der Kreismülldeponie gegeben. Es muß derzeit angenommen werden,<br />

daß die westliche Schlitzwand, die zur Abdichtung des Deponiekörpers errichtet wurde,<br />

ihre Aufgabe nicht voll erfüllt. Die Interpretation von Meßwerten der letzten 6 Jahre<br />

führen zwangsläufig zu dem Schluß.<br />

Zur Beurteilung des Grundwassers auf seinen Gehalt an organischen Substanzen,<br />

besonders an Huminstoffen und Ligninsulfonsäuren kann die spektrale Extinktion bei<br />

254nm herangezogen werden [18]. In dem hier zu beurteilenden Fall, der<br />

Grundwasserbelastung durch Sickerwässer aus der Kreismülldeponie, ist die Ermittlung<br />

des spektralen Absorptionskoeffizienten bei 254nm von grundsätzlicher Bedeutung. Da<br />

gesichert ist, daß der Deponiekörper das Hangende eines ehemaligen Niedermoores bildet,<br />

sind in den austretenden Sickerwässern hohe Konzentrationen von Huminstoffen zu<br />

10


erwarten, die als sichere Indikatoren <strong>für</strong> das Rückhaltevermögen der die Deponie<br />

abdichtenden Schlitzwand gelten können.<br />

Die seit 1988 halbjährlich ermittelten Analysenwerte zeigen - bis auf die Bauzeit der<br />

Schlitzwand selbst - lückenlos gleichbleibend hohe Extinktionswerte, die darüberhinaus in<br />

jüngster Zeit deutlich ansteigen. Dies läßt den Schluß zu, daß die Schlitzwand<br />

offensichtlich den Durchgang von Sickerwasser aus der Deponie ins Grundwasser<br />

nicht verhindern kann.<br />

Andere ebenfalls langzeitlich erfaßte Indikatoren, wie Borationen, Sulfationen und die<br />

Leitfähigkeit des Grundwassers weisen ebenfalls sehr eindeutig in die in die gleiche<br />

Richtung (siehe dazu auch Abbildung 7, in ihr ist der zeitliche Verlauf wichtiger<br />

Indikatoren <strong>für</strong> den Beobachtungspegel 7 wiedergegeben).<br />

Selbst die Zugrichtung des belasteten Grundwassers läßt sich durch die gefundenen<br />

Analysenwerte aus dem Wasser der Pegel 3, 5, 6, 7, 8, 9, 12, 13, 18 ausmachen.<br />

Es wurde vom Bundesgesundheitsamt <strong>für</strong> die Bewertung von Altablagerungen, die ein<br />

Grundwasser kontaminieren, das zumindest teilweise zur Trinkwassergewinnung<br />

weitergenutzt werden soll oder muß, eine Beurteilungsskala vorgeschlagen, die zwar<br />

größenordnungsmäßig zunächst von den aktuell in Trinkwasserfassungen vorfindbaren<br />

Schadstoffkonzentrationen aus Altablagerungen ausgeht (n.n. bis mehrere 100 µg/l), diese<br />

Konzentrationen jedoch durch eine toxikologische Priorisierung spezifisch gewichtet [1].<br />

Mit Hilfe dieser Gewichtung vorgefundener Konzentrationen läßt sich dann auf noch<br />

duldbare Schadstoffgehalte im Grundwasser am Kontaminationsort zurückrechnen, die<br />

sowohl dem toxikologischen (TrinkwV, § 2) wie dem trinkwasserhygienischen (DIN<br />

2000) Minimierungserfordernis entsprechen. Ich möchte in dem vorliegenden Fall nicht<br />

der grundsätzlich unrealistischen Forderung nach Null-Emission das Wort zu reden, denn<br />

eine Null-Emission oder ein äquivalenter Grenz-/Richtwert kann in der Regel nur<br />

Gegenstand von Vorsorgebemühungen sein, nicht aber der Schadensbegrenzung.<br />

Auch zur humantoxikologischen Priorisierung von Schadstoffen in der<br />

Trinkwasserfassung lassen sich <strong>für</strong> den Zweck der Beurteilung von Emissionen aus<br />

Altlasten die bereits erwähnten von DIETER et al. [9] vorgeschlagenen dimensionslosen<br />

toxikologischen Bewertungszahlen verwenden. Diese Bewertungszahlen waren zwar<br />

zunächst mit dem Ziel entwickelt worden, zusammen mit den anderen stoffspezifischen<br />

Parametern eine integrierte Abschätzung (Prioritätensetzung) des von grund- und<br />

trinkwassergefährdenden Altablagerungen ausgehenden Gefährdungspotentials zu<br />

ermöglichen. Sie lassen sich jedoch auch zur Benennung toxikologisch gestützter und<br />

trinkwasserhygienisch akzeptabler Konzentrationsbereiche an der Trinkwasserfassung und<br />

- nach entsprechender Rückrechnung - auch am Kontaminationsort verwenden [1].<br />

In Abbildung 6 werden verschiedene humantoxisch wirksame Schadstoffe aufgezeigt, die<br />

bei der Beprobung des Grundwassers im Bereich der Kreismülldeponie ermittelt wurden.<br />

Ein hier vorliegendes <strong>Gutachten</strong> des Chem. Labors Dr. Vogt, Karlsruhe kommt zu eiem<br />

gleichlautenden Schluß: "Das Grundwasser westlich des Deponiekörpers, außerhalb der<br />

Deponieschlitzwand dürfte niemehr Trinkwasserqualität erreichen".<br />

Insgesamt ist unter den Grundwasserkontaminierenden und gleichzeitig das Trinkwasser<br />

gefährdenden, bis zu 130 Stoffen noch keiner bekannt geworden, dessen toxikologischer<br />

Vorsorgewert im Trinkwasser etwa tiefer läge als er sich aus dem in [l] beschriebenen<br />

Verfahren ergäbe. Die meisten streng toxikologisch begründbaren Werte, z. B. der<br />

11


Weltgesundheitsorganisation [14] oder auch der TrinkwV [12], liegen dagegen wesentlich<br />

höher.<br />

Dies liegt daran, daß das vorgeschlagene Zuordnungsschema nicht nur die Toxikologie,<br />

sondern - in Kenntnis realer Meßwerte in Trinkwasserfassungen - auch die<br />

trinkwasserhygienische Seite angemessen berücksichtigt. Dieses Vorgehen entspricht also<br />

dem Ansatz der DIN 2000 auf jeden Fall insofern, als auch dort die<br />

gewinnungstechnischen den toxikologischen Kriterien übergeordnet sind, sofern sie<br />

letzteren nicht widersprechen.<br />

Aussagen in einem streng toxikologischen Bezugssystem sind, wie auch auf Expertendiskussionen<br />

immer wieder klar wird, häufig mit großen Unschärfen behaftet. Die in<br />

[1] vorgeschlagene semiquantitative Stoffeinstufung, in der bewußt nicht auf toxikologisch<br />

nur scheinbar eindeutig definierte Richtwerte <strong>für</strong> Einzelsubstanzen zurückgegriffen wird,<br />

sondern in der eine toxikologisch und trinkwasserhygienisch gestufte Bereichsabgrenzung<br />

realer Konzentrationen stattfindet, erscheint demgegenüber ehrlicher und sollte deshalb<br />

der Öffentlichkeit besser zu vermitteln sein.<br />

Der Vorschlag des BGA stellt <strong>für</strong> den Fall einen DIN 2000-konformen<br />

Bewertungsmaßstab dar, wo eine Trinkwasserfassung durch anthropogene<br />

Kontaminationen aus einer Altlast oder belastetem Abwasser beeinflußt wird, auf die<br />

Grundwassernutzung aber dennoch nicht verzichtet werden kann. Er stellt im Sinne von<br />

Nützlichkeit, Verträglichkeit und Vermeidbarkeit von Belastungen des Grund- und<br />

Trinkwassers einen vertretbaren Kompromiß dar. Daher sollte umgehend die<br />

Verwirklichung erfolgen um die noch vorhandene Trinkwasserresource im Nahbereich der<br />

Kreismülldeponie zu erhalten.<br />

Bei richtiger Umsetzung verhindert die Bewertung des Gefährdungspotentials nach dem<br />

Vorschlag des Bundesgesundheitsamtes, daß die Vollzugsbehörden und, mangels<br />

praktikabler Alternativen, vor allem die Sanierungsunternehmen die quantitative<br />

Ausschöpfung des unterhalb der Grenzwerte der TrinkwV gegebenen toxikologischen<br />

Ermessensspielraums oder gar eine quantitativ unverbindliche Interpretation des § 2 (3)<br />

der TrinkwV zur Richtschnur ihres Handels machen.<br />

4. Fazit<br />

Es scheint dringend geboten, nach dem angesprochenen, vom BGA vorgeschlagenen<br />

Bewertungsverfahren, das Einzugsgebiet der Wasserversorgung "Kraichbachgruppe" zu<br />

untersuchen und zu bewerten um die vorhandenen Wasserressourcen zu erhalten und<br />

gesundheitliche Gefahren von der betroffenen Bevölkerung abzuwenden (siehe auch<br />

Abbildung 6).<br />

Während andere formalisierte Bewertungsverfahren oft nur Informationen aus Akten<br />

berücksichtigen mit dem Ziel einer Prioritätensetzung <strong>für</strong> weitere Untersuchungen,<br />

bewertet das Verfahren des BGA direkt die emittierten (und gemessenen!)<br />

Konzentrationen im Grundwasserabstrom. Es schränkt auf wissenschaftlicher Grundlage<br />

das Spektrum der zu erfassenden und zu bewertenden Substanzen auf solche ein, mit<br />

denen tatsächlich im Grundwasserstrom gerechnet werden muß und mit denen deshalb<br />

eine Gefährdungsabschätzung sinnvoll ist (Prioritätskontaminanten). Im Bereich der<br />

Wasserversorgung "Kraichbachgruppe" werden beispielsweise überdurchschnittlich hohe<br />

AOX-Werte gefunden (nördlich 38 mg/l, westlich gar 150 mg/l, der Phenolgehalt<br />

12


übersteigt bis zum 860 fachen den Grenzwert der Trinkwasser-VO! Hierzu vergleiche<br />

auch Abbildung 1).<br />

Des weiteren erfolgt eine Bewertung dieser Prioritätskontaminanten bezüglich ihrer<br />

Toxizität und ihrer Grundwassergängigkeit. Grundlage sollte eine Datenbank sein, in der<br />

Konzentrationen von Schadstoffen im Grundwasserabstrom von der Kreismülldeponie,<br />

geogene Hintergrund-Konzentrationen beispielsweise aus einem Grundwassergütemeßnetz,<br />

sowie die notwendigen physiko-chemischen Stoffkenndaten und<br />

toxikologische Informationen abgespeichert sind.<br />

Die ständige Bedienung der Datenbank mit neuen Informationen würde eine stets am<br />

aktuellen Stand der Erkenntnisse ausgerichtete Bewertung entsprechend erfaßter<br />

Kontaminationspunkte und die wissenschaftlich gestützte Priorisierung des<br />

Sanierungsbedarfs ermöglichen. Die vorhandenen, sicherlich beschränkten finanziellen<br />

Mittel ließen sich dann erheblich ökonomischer einsetzen als bisher.<br />

Abbildung 6: Nachgewiesene Schadstoffe im Grundwasser, die zu chronischen<br />

Vergiftungen führen (krebserzeugend,fruchtschädigend)<br />

Literatur<br />

[1] KERNDORFF, H., H. H. DIETER: Nutzungs- und expositionsorientierte Bewertung<br />

grundwasserkontaminierender Altablagerungen und Deponien: Neue<br />

Erkenntnisse und Methoden. Schriftenreihe Verein WaBoLu (1992, im<br />

Druck). Gustav Fischer Verlag, Stuttgart<br />

[2] DIETER, H.H.: Grenzwerte zwischen Nützlichkeit, Verträglichkeit und Vermeidbarkeit<br />

von Belastungen. UPR 9, 407-413 (1989)<br />

[3] MILDE, G., P. FRIESEL, H. KERNDORFF: Wege zur Erfassung sanierungsbedürftiger<br />

Altlasten und Kriterien zur Festlegung von Sanierungszielen. In:<br />

Altlastensanierung aus der Sicht des Gewässerschutzes. Schriftenreihe der<br />

Vereinigung Deutscher Gewässerschutz, Band 52, Bonn, 7-45 (1986)<br />

[4] PLUMB, R. H. Jr.: Disposal site monitoring data: observation and strategy<br />

implications. Proceedings of the Second Canadion/American Conference<br />

on Hydrology. (HITCHON, B., M. TRUDELL, eds.) Harzardous wastes in<br />

groundwater: a soluble dilemma - Banff, Alberta, Canada 66-67 (1985)<br />

[5] ARNETH, J.-D., R. SCHLEYER, M. KERNDORFF, G. MILDE: Standardisierte Bewertung<br />

von Grundwasserkontaminationen durch Altlasten. 1. Grundlagen<br />

sowie Ermittlung von Haupt- und Prioritätskontaminanten.<br />

Bundesgesundheitsblatt 31, Heft 4, 117-123 (1988)<br />

[6] SCHLEYER, R., J.-D. ARNETH, H. KERNDORFF, G. MILDE, H. DIETER, U.<br />

KAISER: Standardisierte Bewertung von Grundwasserkontaminationen<br />

durch Altlasten. 11. Stoffbewertung, Expositionsbewertung und ihre<br />

Verknüpfung. Bundesgesundheitsblatt 31, Heft 5, 160-168 (1988)<br />

[7] SCHLEYER, R., G. MILDE, H. KERNDORFF, J.-D. ARNETH: Erkennung,<br />

Charakterisierung und Bewertung von Grundwasserbeeinflussungen durch<br />

Altablagerungen. Proceedings Environtech Vienria 1989, Band 2.3<br />

Sonderabfall und Altlasten, herausgegeben vom Umweltbundesamt (Wien)<br />

und Internationale Gesellschaft <strong>für</strong> Umweltschutz (IGU), Westarp<br />

Wissenschaften, Essen<br />

13


[8] ARNETH, J.-D., H. KERNDORFF, V. BRIL, R. SCHLEYER, G. MILDE, P.<br />

FRIESEL: Leitfaden <strong>für</strong> die Aussonderung grundwassergefährdender<br />

Problemstandorte bei Altablagerungen. Institut<strong>für</strong> Wasser-, Boden- und<br />

Lufthygiene des Bundesgesundheitsamtes, WaBoLu Heft 5 (1986)<br />

[9] DIETER, H.H., U. KAISER, H. KERNDORFF: Proposal on a standardized<br />

toxicological evaluation of chemicals from contaminated sites.<br />

Chemosphere 20, nos. 1-2, 75-90 (1990)<br />

[10] KINZELBACH, W.: Groundwater modelling - an introduction with sample programs<br />

in basic. Elsevier, Amsterdam, Oxford, New York, Tokyo (1986), 0.<br />

333.<br />

BGR: Tätigkeitsbericht 1983-84. Bundesanstalt <strong>für</strong> Geowissenschaften<br />

und Rohstoffe, Hannover (1985)<br />

[11] Bundesanstalt <strong>für</strong> Geowissenschaft und Rohstoffe (BGR): Tätigkeitsbericht 1983/84.<br />

Hannover (1985)<br />

[12] Die Trinkwasserverordnung. BGBl 1, 2613-2629 (1990)<br />

[13] DIN 2000 - Zentrale Trinkwasserversorgung. Leitsätze <strong>für</strong> Anforderungen an<br />

Trinkwasser, Planung, Bau und Betrieb der Anlagen; November 1973<br />

[14] Weltgesundheitsorganisation (W H 0):Verschiedene Expertentreffen von 1989-1991<br />

zur Überarbeitung und Fortschreibung der Trinkwasserleitlinien der WHO<br />

von 1984<br />

[15] REHSE, W. (1977): Diskussionsgrundlagen <strong>für</strong> die Dimensionierung der Zone II von<br />

Grundwasserschutzzonen bei Kies - Sandgrundwasserleitern. - Bern<br />

(Eidgenössisches Amt <strong>für</strong> Umweltschutz).<br />

[16] METZGER,K.: Eine Exkursion in die erdgeschichtliche Vergangenheit des<br />

Bruchsaler Raumes. Jahresber. Verein der Freunde des SBG. Heft 15, S.63-<br />

73. Bruchsal 1982.<br />

[17] METZGER,K.: Geologisches <strong>Gutachten</strong> zur Erweiterung der Mülldeponie Bruchsal,<br />

mit Nachtrag zur Hydrologie. AGNUS, Bruchsal 1984/85<br />

[18] SONTHEIMER,H. u. WAGNER,J.:Zur Bestimmung von Huminsäuren und<br />

Ligninsulfonsäuren aus den UV-Spektren. Z. Wasser-Abwasserforschung,<br />

10, 77 - 82, 1977<br />

<strong>Geotipp</strong><br />

GProf. Dr. Kurt Metzger<br />

Kringelrain 1<br />

76698 Ubstadt-Weiher<br />

14

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