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Kräuterliköre – damals und heute

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Wahlpflichtarbeit von Katrin Fischer <strong>und</strong> Isabella Otto<br />

Fachbereich Pharmaziegeschichte<br />

„Prosit“ oder „Ges<strong>und</strong>heit“ ?<br />

<strong>Kräuterliköre</strong> <strong>–</strong> <strong>damals</strong> <strong>und</strong> <strong>heute</strong> Abbildung 1<br />

Einführung<br />

Im Rahmen unserer Wahlpflichtarbeit im Fachbereich Pharmaziegeschichte<br />

beschäftigten wir uns mit dem Thema Arznei <strong>und</strong> Konfekt. Besonders interessiert<br />

haben wir uns für das Thema <strong>Kräuterliköre</strong>, wobei wir alte, traditionelle Rezepturen<br />

mit modernen Likören verglichen. Liköre werden mit Hilfe großer Mengen Zucker<br />

hergestellt, daher können sie unter das Oberthema Konfekt eingeordnet werden. Sie<br />

sind jedoch auch besonders nützlich nach reichlichem, fettem Essen, sie beruhigen<br />

den gereizten Magen, beheben das Völlegefühl <strong>und</strong> regen die Verdauung an.<br />

Deshalb kann man sie auch im weiteren Sinne als „Arzneimittel“ ansehen.<br />

In einem Lexikon aus dem Jahre 1744 wurde der Magen folgendermaßen<br />

beschrieben:<br />

„Magen, ist ein Stück des Eingeweides, <strong>und</strong> ein Theil eines belebten Körpers. Er ist<br />

wie ein Säckgen gestaltet <strong>und</strong> dienet dazu, daß er aus den Speisen <strong>und</strong> Getränke,<br />

so er durch den Schl<strong>und</strong> <strong>und</strong> linken Magenm<strong>und</strong> zu sich genommen, einen<br />

Nahrungssafft bereite, daß aber, was davon als Unnütze übrig bleibt, <strong>und</strong> aus dem<br />

Magen kommen muß, zur hinteren Pforte hinausschaffet, <strong>und</strong> vermittelst seine<br />

Gefäße <strong>und</strong> Drüsen, den Verdauungssafft vom Geblüt absondert, wozu noch diese<br />

Eigenschafft kommet, daß er den Menschen <strong>und</strong> Vieh, durch eine Empfindlichkeit die<br />

Erinnerung tuht, daß er leer sei <strong>und</strong> neue Nahrung nöthig habe.“ 1<br />

Die Essgewohnheiten der niederen Bevölkerung unterschieden sich in der frühen<br />

Neuzeit von denen der reichen Bürger. Bei den Bauern <strong>und</strong> gewöhnlichen Bürgern<br />

war das Hauptnahrungsmittel Dinkel-, Hafer- oder Hirsebrei, aber auch verschiedene<br />

Mus-Arten. „Man aß Gieselitze, einen sauren Mehlbrei, <strong>und</strong> dazu ein Gemisch aus<br />

Kraut <strong>und</strong> Rüben.“ 2 Außerdem standen Kräuter <strong>und</strong> Gemüse je nach Jahreszeit,<br />

Ernteertrag <strong>und</strong> Konservierungsmöglichkeit, wie z.B. Kohl, Zwiebeln, dicke Bohnen,<br />

Rüben meist eingekocht als Eintopf auf dem Speiseplan. Sehr selten standen Butter,<br />

Käse, Eier, Fisch <strong>und</strong> Fleisch zur Verfügung. Da diese Kost meist leicht verdaulich<br />

war durch geringen Fett- <strong>und</strong> Eiweißanteil blieben die Menschen von Beschwerden<br />

in Magen <strong>und</strong> Darm eher verschont. Gewürze, sowie Zucker waren für diese<br />

Bevölkerungsschicht unerschwinglich <strong>und</strong> die Verwendung von <strong>Kräuterliköre</strong>n daher<br />

weitgehend unbekannt.<br />

1 Georg Heinrich Zinke, Des Oeconomischen Lexici 2. Teil, 1744, S. 1731<br />

2 Heidi Grun, Auf Spurensuche, Auflage 2005, MV-Verlag, S. 133


Anders war es bei den besser gestellten <strong>und</strong><br />

wohlhabenden Menschen. Hier wurden fremdländische<br />

Gewürze <strong>und</strong> exotische Früchte, die teils sogar in den<br />

eigenen Gärten angebaut wurden verzehrt,<br />

einheimische Pflanzen waren für Adel <strong>und</strong> Oberschicht<br />

zu gewöhnlich. Speisen wurden sehr stark gewürzt, es<br />

wurde mit viel Käse, Eiern, gebratenes Fleisch,<br />

Pasteten <strong>und</strong> Weißbrot sehr reichlich <strong>und</strong> fett<br />

gegessen. Dabei wurden die aus fernen Ländern<br />

importierten Gewürze als Symbol für Reichtum <strong>und</strong><br />

Wohlstand angesehen. Bei großen Festen wurden bis<br />

zu 30 Gängen serviert, was oft Magen- <strong>und</strong><br />

Verdauungsbeschwerden zur Folge hatte. Hier wurden<br />

oft <strong>Kräuterliköre</strong> zur besseren Verdauung angewandt.<br />

Ábbildung 2<br />

Solche <strong>Kräuterliköre</strong> wurden auf unterschiedliche Art <strong>und</strong> Weise hergestellt:<br />

Herstellungsverfahren<br />

Eine klare Trennung der Verfahren zur Herstellung von Extrakten ist aus heutiger<br />

Sicht schwierig, besonders aufgr<strong>und</strong> der Tatsache, dass nicht klar ist, ob sich aus<br />

der Anwendung der Verfahren eigenständige Arzneiformen ergaben, oder ob es sich<br />

lediglich um Zwischenschritte im Herstellungsprozess handelte.<br />

Destillation<br />

Von Lateinisch destillare = Herabtröpfeln<br />

Allgemein wurde jeder Prozess, bei dem es zum Abtropfen von Flüssigkeiten kam,<br />

als Destillation eingeordnet. Verwendet wurden frische <strong>und</strong> getrocknete Pflanzen,<br />

Früchte, Samen, aber auch tierische <strong>und</strong> mineralische Stoffe. Es gab viele<br />

verschiedene Destillationsverfahren, aber alle verliefen nach demselben<br />

Gr<strong>und</strong>prinzip: Die Droge wurde in einem Medium erhitzt, der dabei entstehende<br />

Dampf stieg auf, schlug sich als Kondensat an den kühleren Stellen des Gefäßes<br />

nieder <strong>und</strong> tropfte in ein an die Apparatur angeschlossenes Auffanggefäß. Dieses<br />

Produkt (wässrig/weinig oder Branntwein) wurde dann als Gr<strong>und</strong>lage für die<br />

Likörherstellung weiterverwendet.<br />

Abbildung 3<br />

Mazeration/Digestion<br />

Von Lateinisch macerare = Einweichen<br />

Die Mazeration wurde in der damaligen Zeit als Sonderfall der Digestion angesehen,<br />

die dann zum Einsatz kam, wenn die zu verwendenden Drogen sehr trocken waren.<br />

Diese wurden vor Weiterverwendung eingeweicht, um eine höhere Ausbeute an


Inhaltsstoffen zu erlangen. Allerdings wurde der Begriff der Mazeration <strong>damals</strong> nicht<br />

häufig verwendet, sondern eher mit den Begriffen „Digestion“ <strong>und</strong> „Infus“<br />

umschrieben. Bei der Digestion wird zusätzlich unter erhöhter Temperatur von 37-<br />

50ºC gearbeitet. Hierbei zirkuliert die Flüssigkeit in einem geeigneten, geschlossenen<br />

Gefäß. Ein Infus oder Aufguss ist ein wässriger Extrakt, der durch Übergießen von<br />

festen Drogen mit heißem Wasser gewonnen wird.<br />

Dekoktion<br />

Von Lateinisch decoquere, decoctum = Abkochen<br />

Die Dekoktion spielte überwiegend für die Selbstmedikation eine große Rolle. Die<br />

Drogen wurden zunächst in unterschiedlichen Medien (Wasser, Wein, Essig, Molke)<br />

eingeweicht, bis zu 10 St<strong>und</strong>en lang gekocht <strong>und</strong> anschließend ausgepresst. Wenn<br />

das Kochen in geschlossenen Gefäßen durchgeführt wurde, in denen der<br />

aufsteigende Dampf kondensieren <strong>und</strong> wieder abtropfen konnte, war die Abgrenzung<br />

zur Destillation kaum noch möglich. Im Gegensatz zur Destillation war der<br />

Geräteaufwand bei der Dekoktion jedoch geringer. 3<br />

Alte Rezepte für <strong>Kräuterliköre</strong><br />

Das Hausarzneibüchlein von Balthasar Sumer aus dem Jahre 1599 enthält einige<br />

Rezepte für <strong>Kräuterliköre</strong>:<br />

1. „Nimm ein halbes Lot langen Pfeffer/ein halbes Lot Ingwer/ein Quentlein<br />

Zitwer/ein Quentlein Zimmetrinde/ein halbes Quentlein Cardimomen/ein<br />

Quentlein Pariskörner/ein halbes Quentlein Galgant/ein Quentlein Lorbern/ein<br />

Quentlein Wacholderbeeren/ein halbes Lot Zucker/das alles klein<br />

geschnitten/<strong>und</strong> eine Frume Rockenbrod als ein Ey groß darzu<br />

genommen/darauff Geuß ein Löffel starken Wein/<strong>und</strong> ein Löffel<br />

Krauseminzwasser/laß es stehen/davon trinke abends <strong>und</strong> morgends einen<br />

guten Trunk als drey Löffel voll. Und wenn das abgetrunken ist/so Geuß wider<br />

Wein <strong>und</strong> Krauseminzwasser auf die Würze/jedes halb/<strong>und</strong> trinks wieder<br />

ab/es hilft gar wol.“ 4<br />

2. „Ein gar gut Pulver vor Wehtage <strong>und</strong> Schwachheit des Magens<br />

Nim Zimmetrinde <strong>und</strong> Ingwer jedes zwey Loth/Cubeben ein Loth/Coriander in<br />

Essig eine Nacht gebeißt/<strong>und</strong> Nelcken/jedes ein Quentlein/das alles groblich<br />

zu stossen/<strong>und</strong> mit zwey Loth Zucker vermischt/des Pulvers ise trunken alle<br />

Morgen <strong>und</strong> Abend als eine Bohne groß“ 5<br />

3 Astrid Müller-Grzenda: Pflanzenwässer <strong>und</strong> gebrannter Wein als Arzneimittel zu Beginn der Neuzeit, S. 80 ff.<br />

Deutscher Apotheker Verlag Stuttgart<br />

4 Arzeybüchlein von Balthasar Sumer<br />

Sehr gut <strong>und</strong> nützlich, einem jedem Haußvater zu Gebrauche/darinnen etliche auserlesene <strong>und</strong> offt probierte<br />

Rezept <strong>und</strong> Stücke/fast für alle des Menschen Leibergebrechen <strong>und</strong> Beschwerunge/von der Scheitel des Hauptes<br />

an/bis auff die Fußssohlen, ordentlich in etliche gewisse Kapitel eingetheilet/gef<strong>und</strong>en werden.<br />

Zusammengetragen von einem Gelahrten <strong>und</strong> erfahrenen Liebhaber der Artzney/<strong>und</strong> jetzt erst zu Nutz <strong>und</strong><br />

besten dem gemeinen Man in Druck verfertiget. Item: Zu Ende findet man etliche Stück/ein in der Haushaltung<br />

dienstlich<br />

Cum gratia & Privilegio<br />

Gedruckt zu Wittenberg/Bey<br />

Lorentz Sauberlich Im Jahr MDXCIX<br />

S. 118<br />

5 vergleiche Arzneybüchlein, S. 120


3. „Nim Wermuthkörner/<strong>und</strong> des besten römische Kümmels/koche jedes ein Lot<br />

in ein Löffel Wein/das trink vielmals warm ein guten großen Trunk/es bleibet<br />

kein Böses bei Dir“ 6<br />

4. „Ingwer <strong>und</strong> Kramkümmel in Wein gesotten <strong>und</strong> getrunken/erwermet den<br />

Magen/<strong>und</strong> reiniget den Darm“ 5<br />

Eine neuere Zusammenstellung von historischen Rezepten, überwiegend aus<br />

dem 19. <strong>und</strong> 20. Jahrh<strong>und</strong>ert, beinhaltet unter anderem folgende <strong>Kräuterliköre</strong>:<br />

5. Boonekamp Magenbitter:<br />

750g Weingeistspiritus/100g Apfelsinenstücke/30g geriebene<br />

Apfelsinenschale/60g Enzianwurzel/30g Faulbaumrinde/15g<br />

Curcumawurzel/25g Zimtrinde/7,5g Rhabarberwurzel/Alles in einer<br />

verschlossenen Flasche 8 Tage mazerieren, abfiltrieren/1650g Wasser mit<br />

250g Zucker aufkochen, mit gefiltertem Alkohol mischen <strong>und</strong> 40g Sternanisöl<br />

zugeben 7<br />

6. „Mentha“ Pfefferminzschnaps<br />

1 l Weingeistspiritus/je 1 winziges Fläschchen Pfefferminzöl, Tannin <strong>und</strong><br />

Anisöl/80g Zucker/600g Wasser/Pfefferminz <strong>und</strong> Tannin zu gleichen Teilen<br />

<strong>und</strong> 12 Tropfen Anisöl zu 25g mischen/davon 1g in Weingeist geben/80g<br />

Zucker in Wasser abkochen/Lösung nach dem Erkalten in den Alkohol gießen<br />

<strong>und</strong> ggf. tropfenweise Aromat nachgeben 8<br />

Herstellungsverfahren in der heutigen Zeit<br />

Mazeration<br />

Auch <strong>heute</strong> noch wird die Mazeration zur Herstellung von Extrakten<br />

verwendet.<br />

Sie dient dazu, bestimmte Inhaltsstoffe einer Droge durch Einweichen in<br />

Wasser, Öl oder Alkohol zu gewinnen. Das DAB beschreibt den Prozess<br />

folgendermaßen:<br />

„Die Droge wird in der vorgeschriebenen Zerkleinerung mit der angegebenen<br />

Menge Wasser von Raumtemperatur übergossen <strong>und</strong> unter gelegentlichem<br />

Umrühren 30 Min. lang bei Raumtemperatur stehen gelassen. Nach dieser<br />

Zeit wird der Auszug koliert <strong>und</strong> durch Nachspülen auf das vorgeschriebene<br />

Gewicht aufgefüllt.“ 9<br />

Wird dieser Prozess durch Wärmezufuhr unterstützt, spricht man von<br />

Digestion.<br />

Die Mazeration ist die einfachste <strong>und</strong> preisgünstigste Form des<br />

Drogenauszugs. 10<br />

Dekoktion<br />

Ein Dekokt ist ein wässriger Extrakt, der durch Kochen von festen Drogen<br />

(Wurzeln, Hölzern, Rinden) gewonnen wird. Laut DAB wird die Dekoktion<br />

folgendermaßen durchgeführt: „Die Droge wird in der vorgeschriebenen<br />

6 vergleiche Arzneybüchlein, S. 122<br />

5<br />

7 Hof-Apotheke, Natürliche Arzneimittel vom Hofe Ludwigs ΙΙ <strong>und</strong> anderer Fürsten, Weltbild-Bücherdienst<br />

GmbH, 1985, S.122<br />

8 Hof-Apotheke, Natürliche Arzneimittel vom Hofe Ludwigs ΙΙ <strong>und</strong> anderer Fürsten, Weltbild-Bücherdienst<br />

GmbH, 1985, S.125 f.<br />

9 DAB 7 (1968), S. 503<br />

10 www.wikipedia.org/wiki/spezial:Suche?saerch=mazerate


Zerkleinerung in Wasser von über 90ºC geschüttet. Der Ansatz wird in ein<br />

Wasserbad eingehängt <strong>und</strong> unter wiederholtem Umrühren 30 Min. lang auf<br />

dieser Temperatur gehalten. Danach wird heiß koliert. Ist nach schwachem<br />

Auspressen des Drogenrückstands das vorgeschriebene Gewicht der<br />

Abkochung nicht erreicht, so wird der Drogenrückstand mit der erforderlichen<br />

Menge siedendem Wasser übergossen <strong>und</strong> schwach ausgepresst. Mit diesem<br />

Auszug wird das vorgeschriebene Gewicht aufgefüllt.“ 11<br />

Diese Methode ist heutzutage in der Apotheke weitgehend unbedeutend <strong>und</strong><br />

wird kaum noch angewandt. Sie findet allerdings noch Anwendung in der<br />

Zubereitung von Arznei- oder Kräutertees. 12<br />

Destillation<br />

Die Destillation ist ein thermisches Trennverfahren, um ein flüssiges Gemisch<br />

verschiedener ineinander löslicher Stoffe zu trennen. Zunächst wird das<br />

Gemisch zum Sieden erhitzt. Der dabei entstehende Dampf wird in einem<br />

Kühler kondensiert <strong>und</strong> das flüssige Kondensat aufgefangen. Die Trennung<br />

beruht auf den unterschiedlich hohen Siedepunkten bzw Dampfdruckkurven<br />

der Flüssigkeiten. Die Destillation von Alkohol zum Genuss bezeichnet man<br />

als Brennen. Das noch unverdünnte Destillat hat einen Gehalt von 60% vol<br />

oder mehr <strong>und</strong> ist somit pur ungenießbar. Die Verdünnung erfolgt mit<br />

Trinkwasser auf einen Gehalt von ca 40% vol. 13<br />

Abbildung 4: Destillationsapparatur<br />

Neue Rezepte für <strong>Kräuterliköre</strong><br />

Wohltuender Kräuterlikör<br />

1 Zweig Rosmarin/2 Blätter Basilikum/3 Blätter Minze/5 Blätter Salbei/0,5 TL<br />

Oregano/4 Blüten Kamille/300 ml Weingeist 90%/0,5 Zitronenschale/300g<br />

Zucker/300 ml Wasser/12 Tage Kräuter <strong>und</strong> Alkohol ziehen lassen, filtrieren <strong>und</strong><br />

einige Wochen an einem dunklen Ort stehen lassen 14<br />

Einige Bestandteile im Kräuterlikör „Kümmerling“<br />

Angelikawurzel/Gewürznelke/Guajakharz/Kalmus/Minze/Süßholz/Wermuth/Zimtrind<br />

e 15<br />

Ausgewählte Inhaltsstoffe in <strong>Kräuterliköre</strong>n<br />

11 DAB 7 (1968), S. 503<br />

12 www.wikipedia.org/wiki/spezial:Suche?saerch=decocte<br />

13 www.wikipedia.org/wiki/spezial:Suche?saerch=destillate<br />

14 www.chefkoch.de/rezepte/653801166889609/Sivi-s-wohltuender-Kraeuterlikoer.html<br />

15 Aufschrift auf Kümmerling-Flasche


Abbildung 5: Zimtrinde<br />

- Zimt gehört zu den am längsten bekannten <strong>und</strong> verwendeten Gewürzen. Ihm<br />

wurde eine „windzerteilende“ Wirkung zugeschrieben. Außerdem galt er als<br />

verdauungsfördernd <strong>und</strong> wurde als Stomachikum verwendet. Seine<br />

Beliebtheit spiegelt sich in der häufigen Verwendung in den alten Rezepten<br />

wieder. 16<br />

Heute kennt man die Inhaltsstoffe der Zimtrinde (ätherisches Öl, vor allem<br />

Zimtaldehyd, Eugenol, andere Phenylpropane, Monosesquiterpene <strong>und</strong><br />

Cumarin) <strong>und</strong> nutzt sie weiterhin gerne als Stomachikum, Carmiativum, bei<br />

Völlegefühl, Blähungen, gastrointestinalen Spasmen <strong>und</strong> zur Appetitanregung.<br />

Außerdem wird es gern als Geschmackskorrigens in der Likörzubereitung<br />

eingesetzt. 17 Auch von unseren Kommilitonen wurde Zimt bei der Herstellung<br />

der Schokolade <strong>und</strong> den Nervenkeksen von Hildegard von Bingen in großen<br />

Maßen verwendet.<br />

- Enzian war in der Antike schon bekannt <strong>und</strong> wurde gegen Magen- <strong>und</strong><br />

Leberleiden, Krämpfe <strong>und</strong> innere Zerreißungen eingesetzt. Auch in den<br />

Kräuterbüchern des Mittelalters wurde seine heilende Wirkung gelobt. Vor<br />

allem wurde es als Stomachikum <strong>und</strong> Stimulans verwendet. 18 Auf heutigem<br />

Wissenstand enthält die Enzianwurzel Gentiopikrosit, Amarogentin <strong>und</strong><br />

andere Bittermittel (Amarum purum), welche für die appetitanregende Wirkung<br />

<strong>und</strong> als Tonikum verantwortlich sind. Außerdem wirkt Enzian cholagog. 19<br />

Abbildung 6: Enzian<br />

- Ingwer wird neben der Verwendung als Gewürz als Stomachikum, Tonikum<br />

<strong>und</strong> Digestivum bei allen Arten gastrointestinaler Beschwerden eingesetzt. 20<br />

Schon früher wusste man die Wirkung von Ingwer als Husten Mittel, gegen<br />

Reisekrankheit, aber vor allem bei Verdauungsbeschwerden jeglicher Art zu<br />

schätzen. 21<br />

16 Gerhard Madaus: Lehrbuch der biologischen Heilmittel Band 2, Georg Olms Verlag 1976, S. 1000 f.<br />

17 Max Wichtl (Hrsg.): Teedrogen <strong>und</strong> Phytopharmaka, Wissenschaftl. Verlagsgesellschaft mbH, 1997, S. 154<br />

18 Gerhard Madaus: Lehrbuch der biologischen Heilmittel Band 2, Georg Olms Verlag 1976, S. 1438 ff.<br />

19 Max Wichtl (Hrsg.): Teedrogen <strong>und</strong> Phytopharmaka, Wissenschaftl. Verlagsgesellschaft mbH, 1997, S. 255<br />

20 Max Wichtl (Hrsg.): Teedrogen <strong>und</strong> Phytopharmaka, Wissenschaftl. Verlagsgesellschaft mbH, 1997, S. 632<br />

21 www.wikipedia.org/wiki/Ingwer


Abbildung 7: Ingwer<br />

- Wermut wurde in der früheren Zeit gern <strong>und</strong> viel in <strong>Kräuterliköre</strong>n verwendet.<br />

Er diente vorwiegend als Mittel zur Stärkung des Magens, wirkte<br />

wurmvertreibend, stuhlerweichend <strong>und</strong> auch gegen Seekrankheit. Weitere<br />

wichtige Anwendungsgebiete waren die Appetitanregung <strong>und</strong> er war auch<br />

hilfreich bei Blähungen <strong>und</strong> Verdauungsschwäche. 22 Heutzutage wirken die in<br />

der Droge enthaltenen Bitterstoffe wie Absinthin <strong>und</strong> die ätherischen Öle<br />

gegen Appetitlosigkeit <strong>und</strong> dyspeptische Beschwerden, ferner auch als<br />

Carinativum, Choleretikum <strong>und</strong> bei Krämpfen in Darm <strong>und</strong> Gallenwegen 23<br />

Abbildung 8: Wermutkraut<br />

- Minze wirkt seit jeher bei Magen- <strong>und</strong> Verdauungsproblemen, Würmern <strong>und</strong><br />

Flatulenzen. 24 Diese Wirkung kann heutzutage durch die Inhaltsstoffe belegt<br />

werden. Pfefferminz enthält vor allem ätherisches Öl, als wirksame<br />

Komponenten können Menthol, Menthon <strong>und</strong> Menthofuran betrachtet werden.<br />

Auch <strong>heute</strong> wird sie noch eingesetzt vor allem in Form von Tees <strong>und</strong> Ölen als<br />

Carminativum, Spasmolytikum <strong>und</strong> Cholagogum. 25<br />

Handelte es sich bei der im Mittelalter <strong>und</strong> frühen Neuzeit verwendeten<br />

Pflanze noch um Krauseminze, wurde ab dem 18. Jahrh<strong>und</strong>ert die<br />

Neuzüchtung Pfefferminze verstärkt eingesetzt.<br />

Abbildung 9: Krauseminze<br />

22 Gerhard Madaus: Lehrbuch der biologischen Heilmittel Band 1, Georg Olms Verlag 1976, S. 374 ff.<br />

23 Max Wichtl (Hrsg.): Teedrogen <strong>und</strong> Phytopharmaka, Wissenschaftl. Verlagsgesellschaft mbH, 1997, S. 36<br />

24 Gerhard Madaus: Lehrbuch der biologischen Heilmittel Band 2, Georg Olms Verlag 1976, S. 1875 ff.<br />

25 Max Wichtl (Hrsg.): Teedrogen <strong>und</strong> Phytopharmaka, Wissenschaftl. Verlagsgesellschaft mbH, 1997, S. 392


Interpretation der alten Rezepte im Vergleich zu den neueren<br />

Betrachtet man die altertümlichen Rezepte für <strong>Kräuterliköre</strong>, so fällt auf, dass die<br />

ältesten Rezepte, die aus dem 16. Jahrh<strong>und</strong>ert stammen, auf Weinbasis beruhen,<br />

während die neueren Rezepte aus der Hof-Apotheke (19. Jahrh<strong>und</strong>ert) schon<br />

Weingeistspiritus als Gr<strong>und</strong>lage enthalten. Bei den Rezepten aus der Hof-Apotheke<br />

sind die Herkunft <strong>und</strong> das genaue Alter der Rezepte nicht genau belegt <strong>und</strong> bekannt.<br />

Auffallend ist, dass sich in den Rezepten einige Zutaten oftmals wieder finden, bei<br />

diesen gehen wir davon aus, dass sie eine gewisse Wirkung auf den Magen gezeigt<br />

haben müssen. Zu nennen sind hier Zimtrinde, Ingwer, Wermut, Kümmel, Anis <strong>und</strong><br />

Pfefferminze. Vereinzelt finden sich auch Enzian, Nelken <strong>und</strong> Coriander. Vergleicht<br />

man unser erstes Rezeptbeispiel mit Rezept 3 oder 4, so wird deutlich, dass in<br />

Rezept 1 viele verschiedene Zutaten verwendet werden, von denen wir ausgehen,<br />

dass sie eher teuer in der Anschaffung waren. Dieses Rezept wurde wahrscheinlich<br />

eher von den besser gestellten Bürgern <strong>und</strong> Adeligen verwendet, die Mahlzeiten gut<br />

<strong>und</strong> in reichlichem Maße zu sich genommen haben. Rezept 3 <strong>und</strong> 4 enthalten jeweils<br />

nur zwei verschiedene Kräuter, die in Wein gekocht werden sollen. Besonders bei<br />

Rezept 3 gehen wir davon aus, dass Wermut <strong>und</strong> Kümmel nicht allzu teuer waren<br />

<strong>und</strong> dieses Rezept auch für die ärmeren Bürger erschwinglich war. Alternativ zu den<br />

<strong>Kräuterliköre</strong>n oder <strong>–</strong>weinen gab es <strong>damals</strong> auch verbreitet Rezepte für Magenpulver<br />

(siehe Rezept 2), die vor dem Verzehr aufgelöst wurden. Gerne wurden auch<br />

Latwergen (auch: „Leckschmiere“), eine Art dickflüssiger Mus aus Früchten <strong>und</strong><br />

anderen Pflanzenteilen, eingesetzt.<br />

Mit den uns <strong>heute</strong> bekannten <strong>Kräuterliköre</strong>n haben die altertümlichen Liköre wenig<br />

gemein. Der Zuckeranteil <strong>damals</strong> war wesentlich geringer <strong>und</strong> somit die Konsistenz<br />

flüssiger <strong>und</strong> die Süße weniger stark ausgeprägt. Aus Erzählungen von Frau Dr.<br />

Gabriele Wacker erfuhren wir, dass der Zucker <strong>damals</strong> nicht so reichlich vorhanden<br />

<strong>und</strong> teuer war. Der Geschmackssinn der Menschen unterschied sich von dem<br />

heutigen, Zucker galt überwiegend als Energiequelle <strong>und</strong> die Menschen waren auch<br />

nicht an allzu viel Zucker gewöhnt. Diese These können wir auch vertreten, nachdem<br />

wir die Nervenkekse von Hildegard von Bingen, die Gemüsesäfte <strong>und</strong> die<br />

altertümliche Schokoladenherstellung unserer Kommilitonen probiert haben. Alle<br />

diese Rezepte waren nicht besonders süß <strong>und</strong> somit für unseren Geschmack<br />

ungewohnt. Bei den Keksen konnte man den Unterschied zwischen der alten<br />

zuckerfreien Version <strong>und</strong> dem neuen zuckerhaltigen Rezept deutlich schmecken.<br />

Auch bei dem von uns hergestellten „Mentha“ Pfefferminzschnaps konnten wir<br />

dieses Phänomen beobachten. Er war nicht besonders süß <strong>und</strong> zu flüssig für einen<br />

Likör nach unseren heutigen Vorstellungen.<br />

Heutzutage werden die Liköre mit viel mehr Zucker hergestellt. Sie werden vielmehr<br />

als Genuss- als als Arzneimittel verwendet. Bei der Suche nach neueren arzneilich<br />

wirksamen Kräuterlikörrezepten traten Probleme auf. Die Hersteller der gängigen<br />

<strong>Kräuterliköre</strong>, wie z. B. Jägermeister, Ramazzotti, Underberg <strong>und</strong> Averna geben die<br />

Zutaten nicht preis <strong>und</strong> halten ihr Rezept geheim. Auf unsere Anfrage bei<br />

Jägermeister in Wolfenbüttel bekamen wir keine Antwort. Lediglich beim Kräuterlikör<br />

Kümmerling konnten wir einige Zutaten herausfinden. Hier ist ein Vergleich bezüglich<br />

der Kräuter mit den alten Rezepten möglich. Es werden Gewürznelke, Minze,<br />

Wermut <strong>und</strong> Zimtrinde verwendet, diese Zutaten waren <strong>damals</strong> schon beliebt <strong>und</strong><br />

gebräuchlich. Sonst stießen wir bei unserer Suche zwar auf zahlreiche Rezepte, hier<br />

vermuten wir jedoch, dass die Liköre vordergründig als Genussmittel verwendet<br />

werden sollen.


Herstellung <strong>und</strong> Probe von „Mentha“ Pfefferminzschnaps<br />

Als praktischen Teil unserer Arbeit fertigten wir den Pfefferminzschnaps nach oben<br />

genanntem Rezept aus der Hof-Apotheke an. Hierbei lösten wir Zucker unter<br />

Erwärmen in Wasser, gaben Pfefferminzöl, Anisöl <strong>und</strong> Tannin in Weingeistspiritus<br />

(Ethanol 90%) <strong>und</strong> vereinigten die flüssigen Phasen zu einem Schnaps. Dieser<br />

musste nur noch auskühlen <strong>und</strong> war dann für den Verzehr geeignet.<br />

Diesen Schnaps verteilten wir dann unter Kommilitonen <strong>und</strong> Professoren <strong>und</strong><br />

nahmen ihre Bewertungen auf. Dabei fanden von 25 Probanden 52% den Schnaps<br />

gut, 44% mittelmäßig <strong>und</strong> nur einer Person hat er nicht geschmeckt. Viele erinnerte<br />

der intensive Pfefferminzgeschmack an ein M<strong>und</strong>wasser, einige fanden unser<br />

Produkt zu flüssig, zu wenig süß <strong>und</strong> den Alkohol haben einige nicht deutlich genug<br />

herausgeschmeckt. Aber allgemein bekamen wir doch eine positive Resonanz. Die<br />

meisten fanden den Schnaps erfrischend <strong>und</strong> lecker.<br />

Wenn wir dieses Rezept nach heutiger Zeit im großen Maßstab produzieren würden,<br />

würden wir den Zuckergehalt erhöhen, um eine sirupartigere Konsistenz zu erzielen<br />

<strong>und</strong> anstatt nur Öl noch echte Pfefferminzblätter mit verwenden. Dies käme auch der<br />

Optik zugute.<br />

Als Abschluss kann man über unsere theoretische <strong>und</strong> praktische Arbeit<br />

sagen, dass es uns viel Spaß gemacht hat, über dieses Thema Informationen<br />

zu sammeln, in alten Büchern zu stöbern <strong>und</strong> natürlich den Likör herzustellen<br />

<strong>und</strong> ihn zu testen.<br />

Bei unserer „Ausschankr<strong>und</strong>e“ durch die Uni hörten wir des öfteren folgenden<br />

Satz:<br />

„Wenn ihr morgen wieder nen Likör herstellt, könnt ihr gerne noch mal bei mir<br />

vorbeischaun !!!“


Literaturverzeichnis<br />

1. Georg Heinrich Zinke, Des Oeconomischen Lexici 2. Teil, 1744<br />

2. Heidi Grun, Auf Spurensuche, Auflage 2005, MV-Verlag<br />

3. Astrid Müller-Grzenda: Pflanzenwässer <strong>und</strong> gebrannter Wein als Arzneimittel zu<br />

Beginn der Neuzeit, Deutscher Apotheker Verlag Stuttgart<br />

4. Arzeybüchlein von Balthasar Sumer<br />

Sehr gut <strong>und</strong> nützlich, einem jedem Haußvater zu Gebrauche/darinnen etliche<br />

auserlesene <strong>und</strong> offt probierte Rezept <strong>und</strong> Stücke/fast für alle des Menschen<br />

Leibergebrechen <strong>und</strong> Beschwerunge/von der Scheitel des Hauptes an/bis auff die<br />

Fußssohlen, ordentlich in etliche gewisse Kapitel eingetheilet/gef<strong>und</strong>en werden.<br />

Zusammengetragen von einem Gelahrten <strong>und</strong> erfahrenen Liebhaber der<br />

Artzney/<strong>und</strong> jetzt erst zu Nutz <strong>und</strong> besten dem gemeinen Man in Druck verfertiget.<br />

Item: Zu Ende findet man etliche Stück/ein in der Haushaltung dienstlich<br />

Cum gratia & Privilegio<br />

Gedruckt zu Wittenberg/Bey<br />

Lorentz Sauberlich Im Jahr MDXCIX<br />

5. Hof-Apotheke, Natürliche Arzneimittel vom Hofe Ludwigs ΙΙ <strong>und</strong> anderer Fürsten,<br />

Weltbild-Bücherdienst GmbH, 1985<br />

6. DAB 7 (1968)<br />

7. Gerhard Madaus: Lehrbuch der biologischen Heilmittel Band 2, Georg Olms<br />

Verlag, 1976<br />

8. Max Wichtl (Hrsg.): Teedrogen <strong>und</strong> Phytopharmaka, Wissenschaftl.<br />

Verlagsgesellschaft mbH, 1997<br />

Abbildungsverzeichnis<br />

Abb. 1: www.illesbalears.es/downloadServlet?id=00006134&table=1<br />

Abb. 2: www.upload.wikipedia.org/wikipedia/commons/f/fa/State_Banquet_Surfing_<br />

the_Peacock_Fac_simile_of_a_Woodcut_in_an_edition_of_Virgil_folio_<br />

published_at_Lyons_in_1517.png<br />

Abb. 3: Astrid Müller-Grzenda: Pflanzenwässer <strong>und</strong> gebrannter Wein als Arzneimittel<br />

zu Beginn der Neuzeit, Deutscher Apotheker Verlag Stuttgart, S.<br />

Abb. 4: www.versuchschemie.de/upload/files/DSC01914.JPG<br />

Abb. 5: www.biologie.uni-hamburg.de/b-online/koehler/koeh-039.jpg<br />

Abb. 6: www.biologie.uni-hamburg.de/b-online/koehler/koeh-066.jpg<br />

Abb. 7: www.biologie.uni-hamburg.de/b-online/koehler/koeh-146.jpg<br />

Abb. 8: www.caliban.mpiz-koeln.mpg.de/stueber/koehler/ABSINTH.jpg<br />

Abb. 9: www.biologie.uni-hamburg.de/b-online/koehler/koeh-096.jpg

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