12.09.2013 Aufrufe

Aktive Gestaltung der Altersstruktur in logistischen ... - ADDCON

Aktive Gestaltung der Altersstruktur in logistischen ... - ADDCON

Aktive Gestaltung der Altersstruktur in logistischen ... - ADDCON

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Aktive</strong> <strong>Gestaltung</strong> <strong>der</strong> <strong>Altersstruktur</strong> <strong>in</strong> <strong>logistischen</strong><br />

Dienstleistungsunternehmen als Instrument<br />

des Wissensmanagement<br />

Karl-Gerhard Asmus<br />

1 Vorbemerkung<br />

Qualifikation<br />

Im Zeitraum von Anfang 1994 bis Mitte 1997 wurde das geme<strong>in</strong>same Tochterunternehmen <strong>der</strong><br />

Tchibo Frisch-Röst-Kaffee GmbH und <strong>der</strong> Kühne & Nagel GmbH & Co. KG, die TKN Logistik GmbH<br />

(heute Tchibo Logistik GmbH), gegründet und von Null auf ca. 1 000 Mitarbeiter aufgebaut.<br />

Wesentliche Aufgabenstellungen waren das Erarbeiten, Projektieren und Realisieren <strong>der</strong> „Neuen<br />

Tchibo Logistik“ mit eigenem bundesweitem Transportmanagement und dem Planen, Bauen und<br />

Betreiben e<strong>in</strong>es großen, hoch komplexen Logistikzentrums <strong>in</strong> Gall<strong>in</strong> bei Hamburg sowie das Umstellen<br />

von 14 bestandsführenden Regionallägern auf e<strong>in</strong> Zentrallagerkonzept mit e<strong>in</strong>em neuen<br />

Netz von über 30 Umschlagpunkten.<br />

In <strong>der</strong> Personalarbeit g<strong>in</strong>g es wesentlich darum <strong>in</strong> kurzer Zeit e<strong>in</strong>e „Mannschaft“ mit Motivation,<br />

Teamgeist sowie Identifikation mit dem Unternehmen und dem Kunden aufzubauen und zu festigen.<br />

Dies war die notwendige Voraussetzung, um <strong>in</strong> den sehr komplexen Aufgabenstellungen reibungsfrei<br />

und hoch produktiv zusammen zu arbeiten.<br />

Um dieses Ziel zu erreichen, wurde von Anfang an <strong>der</strong> plakativen For<strong>der</strong>ung „von außen“ nur junge<br />

Bewerber e<strong>in</strong>zustellen e<strong>in</strong>e Absage erteilt. Es sollte e<strong>in</strong>e Belegschaftsstruktur entstehen, die es gewährleistet,<br />

dass sehr schnell e<strong>in</strong> Geist <strong>der</strong> Kooperation entsteht und die Mobilisierung umfangreichen<br />

Wissens, Know-how und Erfahrung stattf<strong>in</strong>det, denn nur diese Komb<strong>in</strong>ation br<strong>in</strong>gt und erhält<br />

höchste Leistungen.<br />

Die Gründe und Zusammenhänge sollen hier allgeme<strong>in</strong>gültig dargestellt werden, zumal sie heute<br />

noch genau so aktuell s<strong>in</strong>d, wie zu jener Zeit.<br />

357


Qualifikation<br />

2 These 1<br />

Die Struktur von Teams zusammenarbeiten<strong>der</strong> Menschen, <strong>in</strong> Bezug auf Alter und Erfahrungsstand,<br />

ist von hoher Bedeutung.<br />

2.1<br />

Je natürlicher diese Struktur ist, desto besser s<strong>in</strong>d das Vorhandense<strong>in</strong> und <strong>der</strong> Austausch des Wissens<br />

untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong>. In Abbildung 1 sieht man <strong>in</strong> <strong>der</strong> l<strong>in</strong>ken Graphik den Altersaufbau <strong>in</strong> Deutschland<br />

im Jahre 1910. Diese Alterspyramide ist homogen, d. h. die Anzahl <strong>der</strong> lebenden Menschen<br />

nimmt mit fortschreitendem Alter kont<strong>in</strong>uierlich ab.<br />

Der Altersaufbau 1999 h<strong>in</strong>gegen, wie man ihn <strong>in</strong> <strong>der</strong> mittleren Graphik erkennt, ist heterogen. D. h.<br />

er ist ke<strong>in</strong>eswegs mehr natürlich, son<strong>der</strong>n vorwiegend das Ergebnis zweier Weltkriege (reduzierte<br />

Anzahl von Menschen, vor allem Männer, <strong>der</strong> Kriegsteilnehmer-Jahrgänge – <strong>in</strong> <strong>der</strong> Graphik ist <strong>der</strong><br />

so entstandene „Frauenüberschuss“ <strong>in</strong> den älteren Jahrgängen dunkler dargestellt) und des E<strong>in</strong>satzes<br />

<strong>der</strong> Anti-Baby-Pille (reduzierte Anzahl von Neugeborenen).<br />

Abbi1: Altersaufbau <strong>der</strong> Bevölkerung <strong>in</strong> Deutschland 1<br />

1 Statistisches Bundesamt Deutschland, http://www.destatis.de/themen/d/thm_bevoelk.php<br />

358


Qualifikation<br />

Dass sich dieses Problem e<strong>in</strong>er Inhomogenität <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zukunft noch deutlich verschärft, zeigt die<br />

rechte Graphik, <strong>in</strong> welcher die <strong>der</strong>zeitige <strong>Altersstruktur</strong> auf das Jahr 2050 prognostiziert wurde.<br />

Man sieht sehr deutlich, dass die Verfügbarkeit jüngerer Arbeitskräfte <strong>in</strong> den nächsten Jahrzehnten<br />

dramatisch s<strong>in</strong>ken wird. Dies ist e<strong>in</strong> weiteres Argument dafür, bereits heute über diese Zusammenhänge<br />

nachzudenken und den E<strong>in</strong>satz von älteren Mitarbeitern zu forcieren, statt zu vermeiden.<br />

2.2<br />

In unserer Gesellschaft nimmt die Vere<strong>in</strong>zelung <strong>der</strong> Menschen immer mehr zu: Die Großfamilie gibt<br />

es nicht mehr! Das natürliche Zusammenleben von mehreren Generationen „unter e<strong>in</strong>em Dach“ –<br />

also ohne Hemmschwellen, sich zu treffen und <strong>in</strong> Alltagssituationen zu sehen, zu erleben, zu kommunizieren<br />

und dabei stets vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zu lernen, ist vorbei.<br />

2.3<br />

Betrachtet man e<strong>in</strong>mal gute Sem<strong>in</strong>are, die als Ziel Weiterbildung haben und darauf abstellen, dass<br />

die Teilnehmer auch vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> lernen, so werden dort Gesprächssituationen künstlich hergestellt,<br />

die ger<strong>in</strong>ge „Hemmschwellen“ haben. Je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> e<strong>in</strong>mal an solchen Veranstaltungen teilgenommen<br />

hat, er<strong>in</strong>nert sich mit Freude an diese Situationen, weil er deutlich bemerkte, wie spürbar<br />

leicht die Kommunikationsvorgänge waren und dass gute Ergebnisse erzielt wurden.<br />

2.4<br />

In allen Ausbildungen, von <strong>der</strong> Grund- bis zur Hochschule s<strong>in</strong>d Veranstaltungen mit „erhobenem<br />

Zeigef<strong>in</strong>ger“ verpönt, da wir wissen, dass diese die <strong>in</strong>effektivsten Lernsituationen s<strong>in</strong>d. Ich denke,<br />

sie s<strong>in</strong>d deshalb so wenig erfolgreich und unbeliebt, da sie am weitesten von <strong>der</strong> natürlichen Form<br />

zu lernen entfernt s<strong>in</strong>d!<br />

Wenn wir also natürliche Formen des Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>s im Beruf erzeugen wollen, müssen wir Männer<br />

und Frauen, Jüngere und Ältere gleichberechtigt mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> arbeiten und kommunizieren lassen.<br />

Dann s<strong>in</strong>d die Möglichkeiten die verschiedenen Potenziale von allen nutzen zu können am größten.<br />

2.5<br />

Wissen schöpft sich aus Bildung und Ausbildung (Fach- und Lernausbildung) und den Erfahrungen<br />

aus praktischem Tun sowie Erfahrungsaustausch.<br />

Bildung zu vermitteln ist schon schwierig genug: Kultur, Wissen über das Leben an sich, Grundwerte<br />

und Orientierungen am Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Natur – mit und ohne Zivilisation – braucht viel Zeit<br />

und vor allem Vorleben und Erleben, am besten <strong>in</strong> authentischen Situationen, damit <strong>der</strong> Lernende<br />

(zu Bildende) spürt, dass die Bildungs<strong>in</strong>halte wirklich und echt und nicht „aufgesetzt“ s<strong>in</strong>d. Solche<br />

Inhalte, die quasi als Erlebnisse vermittelt werden, prägen sich am besten, am leichtesten und am<br />

nachhaltigsten e<strong>in</strong>.<br />

359


Qualifikation<br />

Auch die Ausbildung im o. a. S<strong>in</strong>ne ist e<strong>in</strong> langwieriger Prozess und bedarf umso mehr Zeit, je theoretischer<br />

und praxisferner die Ausbildungsmethoden s<strong>in</strong>d. Nachdem uns <strong>in</strong> Deutschland die Ergebnisse<br />

<strong>der</strong> „Pisa-Studie“ erschreckt haben, schauen wir immer häufiger nach Skand<strong>in</strong>avien, speziell<br />

F<strong>in</strong>nland, um zu erfahren, mit welchen Methoden dort soviel bessere Ergebnisse erzielt werden als<br />

hier.<br />

Die Resultate s<strong>in</strong>d klar: Je leichter <strong>der</strong> Wissenszugang, je spielerischer <strong>der</strong> Vermittlungsvorgang<br />

(ohne erhobenen Zeigef<strong>in</strong>ger) und je stärker das zu vermittelnde Wissen an praktischen Beispielen<br />

erlebbar ist, desto schneller und nachhaltiger baut sich (Fach-) Wissen als Ergebnis <strong>der</strong> Ausbildung<br />

auf.<br />

2.6<br />

Wissen für die Bewältigung <strong>der</strong> betrieblichen Aufgaben muss möglichst umfassend se<strong>in</strong>. Es gibt<br />

ke<strong>in</strong> „zu viel Wissen“! Wissen ist nicht schädlich!<br />

Je schmaler die Basis des Wissens, <strong>der</strong> Bildung und Ausbildung – Grundsätze und angewendete<br />

Verfahren – ist, desto häufiger und genauer muss diese – durch das Unternehmen – angepasst<br />

werden, wenn sich die dynamischen Geschäftsprozesse än<strong>der</strong>n. Än<strong>der</strong>ungen passieren umso häufiger,<br />

je weniger die Geschäftsprozesse mechanisiert s<strong>in</strong>d o<strong>der</strong> von Masch<strong>in</strong>en abhängen. Meistens<br />

verän<strong>der</strong>n sich die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen, weil sich das Verhalten <strong>der</strong> Marktteilnehmer än<strong>der</strong>t und<br />

das zunächst kaum merklich.<br />

Hat man Mitarbeiter, die e<strong>in</strong> breites Wissen haben, passen die sich an, ohne lange Vorgesetzte zu<br />

fragen. Kunden registrieren dies als Flexibilität, e<strong>in</strong>e Eigenschaft, die neben Zuverlässigkeit den<br />

höchsten Grad <strong>der</strong> Wertschätzung bei ihnen besitzt.<br />

E<strong>in</strong> großer Wissensschatz bei Mitarbeitern wird von manchen (schwachen) Vorgesetzten als unangenehm<br />

empfunden, da sie zuweilen mit Fragen konfrontiert werden, die sie selbst nicht beantworten<br />

können. Deshalb sollten Unternehmen die Vorgesetzten schulen, mit solchen Situationen<br />

s<strong>in</strong>nvoll umzugehen und die Mitarbeiter kreativ <strong>in</strong> Verbesserungsprozesse e<strong>in</strong>zubeziehen.<br />

Auch für Vorgesetzte ist es überhaupt ke<strong>in</strong>e „Schande“ nicht alles zu wissen – zumal <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er immer<br />

arbeitsteiligeren Welt. Im Gegenteil, die Achtung <strong>der</strong> Mitarbeiter wächst deutlich, wenn sie spüren,<br />

dass ihre Vorgesetzten solches offen e<strong>in</strong>räumen und sich dann aber <strong>in</strong>teressiert und lernfähig zeigen.<br />

E<strong>in</strong> „Wettbewerb <strong>der</strong> guten Ideen“ ist für alle Seiten motivierend und ermöglicht das Erschließen<br />

von Kosten-, Qualitäts- und Leistungsreserven.<br />

360


3 These 2<br />

Qualifikation<br />

E<strong>in</strong>e Belegschaft hat e<strong>in</strong> „kollektives Gedächtnis/Wissen“, weil die Menschen die guten und schlechten<br />

Entwicklungen vergangener Jahre im Unternehmen miterlebt und im Gedächtnis behalten haben.<br />

Neu <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Belegschaft kommende (Führungs-) Kräfte kennen davon nichts. Sie kennen Theorien<br />

o<strong>der</strong> praktische Erlebnisse aus an<strong>der</strong>en Organisationen. Sätze wie: „Mich <strong>in</strong>teressiert nur die Zukunft<br />

und nicht die Vergangenheit“ belegen dieses deutlich.<br />

Sie machen aber auch zweierlei sichtbar: Dieser neu H<strong>in</strong>zugekommene möchte eigentlich nichts<br />

aus <strong>der</strong> Vergangenheit hören, weil er dann Fragen stellen und zuhören müsste, also <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er passiven<br />

Rolle wäre – und damit hat so manches „Ego“ se<strong>in</strong>e Probleme.<br />

Die Organisationsmitglie<strong>der</strong>, die nicht gefragt werden, schalten <strong>in</strong>nerlich ab und fühlen sich und<br />

ihre bisherigen Leistungen als un<strong>in</strong>teressant und damit als unwert. Ebenso geht es denen, die von<br />

sich aus aktiv werden, um ihr vorhandenes Wissen dem Neuen zu vermitteln, wenn ihnen nicht zugehört<br />

wird, sie nicht beachtet werden. Ihr Leistungsbeitrag erfolgt zukünftig nur noch nach Auffor<strong>der</strong>ung.<br />

Das kreative Leistungspotenzial <strong>der</strong> Gesamtorganisation s<strong>in</strong>kt. Ganz beson<strong>der</strong>s deutlich wird dieser<br />

Effekt <strong>in</strong> sehr großen Organisationen, <strong>in</strong> denen Führungskräfte e<strong>in</strong>er gezielten, sehr häufigen<br />

Job-Rotation unterliegen: Das Bewusstse<strong>in</strong>, dass e<strong>in</strong>e Position eigentlich nur e<strong>in</strong> Mittel zum Zweck,<br />

nämlich e<strong>in</strong>e eilig zu nehmende Stufe auf e<strong>in</strong>er steilen Karriereleiter ist, führt dazu, dass kaum wirkliches,<br />

substanzielles Interesse entsteht. Man sucht den schnellen vorzeigbaren Erfolg und dabei<br />

stören langfristige, solide angelegte Projekte eigentlich nur.<br />

Diese Haltung wi<strong>der</strong>spricht ganz offensichtlich den Interessen <strong>der</strong> Mitarbeiter, die teilweise sehr<br />

lange Zeiträume <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Aufgabenumfeld arbeiten – und leben.<br />

Ebenso offensichtlich ist, dass die Ergebnisse <strong>in</strong> solchen Konstellationen weit entfernt vom möglichen<br />

Optimum liegen. Wenn alle Beschäftigten – Vorgesetzte und Mitarbeiter – <strong>in</strong> geeigneter Arbeitsteiligkeit<br />

und klarem Wissen vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> und übere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> motiviert „am selben Strang ziehen“,<br />

s<strong>in</strong>d alle sicher, dass je<strong>der</strong> se<strong>in</strong> Bestes vorbehaltlos gibt. E<strong>in</strong> solches Vertrauen kann man nicht<br />

von oben ver- o<strong>der</strong> anordnen, es entsteht aus dem geme<strong>in</strong>samen Erleben solcher Situationen.<br />

Unterstützen kann man diese Effekte allerd<strong>in</strong>gs durch speziell angelegte Teambildungsveranstaltungen,<br />

an denen immer das gesamte Team – <strong>in</strong>klusive <strong>der</strong> Vorgesetzten – teilnehmen muss. Im<br />

vorliegenden Fall <strong>der</strong> TKN Logistik GmbH haben wir im Laufe <strong>der</strong> Zeit e<strong>in</strong>e ganze Reihe von solchen<br />

Veranstaltungen durchgeführt und damit erhebliche, deutlich spürbare positive Erfahrungen gemacht.<br />

361


Qualifikation<br />

4 These 3<br />

Junge Menschen – seien sie noch so gut ausgebildet – haben e<strong>in</strong>en überwiegend theoretischen<br />

Wissensschatz, da praktische Erfahrung viel Zeit praktischer Tätigkeiten braucht (B<strong>in</strong>senweisheit!).<br />

Ältere Menschen – selbst wenn sie nicht beson<strong>der</strong>s gut ausgebildet waren – verfügen über e<strong>in</strong>en<br />

langjährig gewachsenen, praktischen Wissensschatz und (m<strong>in</strong>destens) mit ihrer Tätigkeit im Zusammenhang<br />

stehende theoretische E<strong>in</strong>zelkenntnisse.<br />

4.1<br />

Die gesamte Ausbildung – von <strong>der</strong> Berufsausbildung bis zu Post-Graduate-Studiengängen – hat eigentlich<br />

nur das e<strong>in</strong>e Ziel, nämlich die Lernenden fit zu machen ihren jeweiligen Job (Beruf, Position,<br />

Aufgabe ...) beson<strong>der</strong>s gut, fehlerfrei, schnell und effektiv ausüben zu können.<br />

Wenn wir die Bereiche Forschung und Entwicklung, Staatsbürokratie, Rechtsprechung etc. e<strong>in</strong>mal<br />

beiseite lassen, dreht es sich darum, sich nach <strong>der</strong> Ausbildung irgendwo <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wirtschaft positiv<br />

auszuwirken.<br />

Dafür zeigt unser Bildungssystem mit se<strong>in</strong>en weit überwiegenden theoretischen Inhalten deutliche<br />

Schwächen. Die <strong>in</strong>tensive H<strong>in</strong>zunahme von praktischen Fallbeispielen, <strong>in</strong> denen durch erfahrene<br />

„Multiplikatoren“ die wesentlichen Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten ebenso aufgezeigt<br />

werden, wie praktisch aufgetretene unvorhergesehene Probleme – und wie man sie gelöst<br />

hat – wäre außerordentlich hilfreich. Zumal lernt man aus „illustrierten“ Fällen, unter denen sich die<br />

Lernenden etwas vorstellen können, leicht und nachhaltig.<br />

4.2<br />

In <strong>der</strong> Wirtschaft kommt es darauf an, dass die Lernenden die Inhalte aufnehmen, verstehen und<br />

– vor allem – umsetzen können. Also müssen wir jungen Menschen gerade solche Möglichkeiten<br />

geben.<br />

4.3<br />

Betrachten wir die älteren Mitarbeiter: Viele arbeiten bereits (immer noch) lange Zeit im Unternehmen.<br />

Sie kennen die Produkte (auch Dienstleistungsprodukte), ihre Stärken und ihre Schwächen<br />

und meist auch warum das so ist. Sie wissen, welche Produkte bei den Kunden gut ankommen und<br />

welche nicht. Und auch hier kennen sie meist die Gründe. Man muss sie nur e<strong>in</strong>mal fragen. Meist ist<br />

man dann sehr erstaunt, welch e<strong>in</strong>fache und klare Gedankengänge die Ursachen und Wirkungen<br />

aufzeigen. Ihre Methode ist ebenfalls e<strong>in</strong>fach: Sie registrieren achtsam alle Vorgänge im Unternehmen<br />

und se<strong>in</strong>em Umfeld und stellen sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en ursächlichen und zeitübergreifenden Zusammenhang.<br />

Sie benutzen e<strong>in</strong> höchst komplexes und schwer zu simulierendes Werkzeug, den normalen<br />

guten Menschenverstand, unvore<strong>in</strong>genommen und nüchtern alles berücksichtigend, was sie im<br />

Laufe <strong>der</strong> Zeit erfahren haben.<br />

362


4.4<br />

Dieses Phänomen er<strong>in</strong>nert mich an die Mediz<strong>in</strong>, wenn „Schulmediz<strong>in</strong>er“ sagen: „Dieses Medikament/dieser<br />

Stoff wirkt offenbar. Aber da wir nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage s<strong>in</strong>d, dies mit unseren wissenschaftlichen<br />

Methoden nachzuweisen, s<strong>in</strong>d wir dagegen es e<strong>in</strong>zusetzen.“ Schade, Chancen werden vertan.<br />

4.5<br />

In <strong>der</strong> Wirtschaft ist das glücklicherweise an<strong>der</strong>s: Hier müssen alle Chancen ergriffen werden, die<br />

e<strong>in</strong>e Ergebnisverbesserung möglich machen. Also müssen die Erfahrungen älterer Mitarbeiter gehört<br />

und berücksichtigt werden. Mögen sie auch manchmal unwissenschaftlich und <strong>in</strong> <strong>in</strong>dividuell<br />

persönlicher Form zur Verfügung stehen. Sie s<strong>in</strong>d vorhanden und sehr nützlich.<br />

5 These 4<br />

Die e<strong>in</strong>seitige Ausrichtung e<strong>in</strong>er Belegschaftsplanung ausschließlich auf e<strong>in</strong>e Altersstufe stellt nur<br />

entwe<strong>der</strong> den theoretischen o<strong>der</strong> den praktischen Ansatz <strong>in</strong> den Vor<strong>der</strong>grund.<br />

E<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>seitige Ausrichtung verschwendet Wissen, respektive nutzt nicht alles erreichbare Wissen<br />

und ist somit immer suboptimal, manchmal sogar schädlich.<br />

5.1<br />

Theoretisches Ausbilden ist fokussiert auf gutes Gel<strong>in</strong>gen, weil ja (eigentlich) theoretisch an alles<br />

gedacht wurde. Alle nötigen Voraussetzungen wurden geschaffen. Das Darstellen von „worst case“-<br />

Szenarien o<strong>der</strong> das Lehren von „Disaster Management“ stellen die absolute Ausnahme dar. Gerade<br />

diese problematischen Abläufe aber f<strong>in</strong>den wir <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis immer wie<strong>der</strong> vor, weil ungeplante,<br />

unvorhergesehene, ungewollte, bisher unbekannte o<strong>der</strong> zufällige Ereignisse stattf<strong>in</strong>den und das<br />

geplante Vorgehen stören o<strong>der</strong> be-/verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n.<br />

Deshalb ist praktische Erfahrung unverzichtbar.<br />

Qualifikation<br />

5.2<br />

Die meisten Unternehmen entwickeln sich über e<strong>in</strong>en längeren Zeitraum aus kle<strong>in</strong>en Anfängen.<br />

Die Belegschaft nimmt im Laufe <strong>der</strong> Zeit langsam aber beständig zu, ohne dass dah<strong>in</strong>ter e<strong>in</strong> „Masterplan“<br />

<strong>der</strong> personellen Unternehmensentwicklung steht. Umso <strong>in</strong>teressanter ist es, sich an Beispielen<br />

orientieren zu können, bei denen große Belegschaften über e<strong>in</strong>en kurzen Zeitraum aufgebaut<br />

wurden. Man muss <strong>in</strong> schneller Folge Maßnahmen treffen, die sich erst mittel- und langfristig<br />

auswirken. Sie s<strong>in</strong>d nicht schnell revidierbar, wenn man merkt, dass man grundsätzliche Fehler gemacht<br />

hat.<br />

In e<strong>in</strong>em Neuanfang mit größeren Beschäftigtenzahlen liegt also e<strong>in</strong> bewusster großer <strong>Gestaltung</strong>sspielraum,<br />

<strong>der</strong> genutzt werden kann und muss.<br />

363


Qualifikation<br />

5.3<br />

Wie bereits e<strong>in</strong>gangs erwähnt, musste bei <strong>der</strong> TKN Logistik GmbH <strong>in</strong>nerhalb von weniger als drei<br />

Jahren e<strong>in</strong>e Belegschaft von knapp 1.000 Mitarbeitern aufgebaut werden. Dabei bestand die Notwendigkeit,<br />

beson<strong>der</strong>s im operativen Bereich, <strong>in</strong>nerhalb von 12 Monaten etwa 700 Mitarbeiter<br />

e<strong>in</strong>zustellen, e<strong>in</strong>zuweisen, e<strong>in</strong>zuarbeiten und mit <strong>der</strong> Gesamtheit e<strong>in</strong> großes kooperatives Team zu<br />

bilden, da die Arbeitsprozesse sehr <strong>in</strong>terdependent waren und noch s<strong>in</strong>d.<br />

Um überhaupt für dieses Ziel geeignete Kandidaten zu f<strong>in</strong>den, haben wir alle Bewerber für gewerbliche<br />

Führungspositionen – ab Teamleiter (Schichtführer) aufwärts – <strong>in</strong> mehreren Assessment Centern<br />

ausgewählt. Dabei haben wir e<strong>in</strong>er vorhandenen Teamfähigkeit die größte Bedeutung beigemessen.<br />

Nicht wenige Bewerber haben wir bei Mängeln <strong>in</strong> diesem Bereich abgelehnt, auch wenn<br />

sie fachlich noch so gut erschienen.<br />

5.4<br />

E<strong>in</strong> zweites wesentliches Thema war, aus den Geeigneten diejenigen auszusuchen die dann auch<br />

e<strong>in</strong>gestellt wurden. Hierbei haben wir auf e<strong>in</strong>e ausgewogene, durchmischte <strong>Altersstruktur</strong> <strong>in</strong> den<br />

e<strong>in</strong>zelnen Teilbereichen sehr großen Wert gelegt – wenn auch ohne zu strenge Dom<strong>in</strong>anz von re<strong>in</strong><br />

rechnerischen Quoten. Dazu ist wichtig, dass an dieser Endauswahl auch ausgesuchte Mitarbeiter<br />

<strong>der</strong> jeweiligen Teilbereiche beteiligt waren.<br />

Das Ergebnis war schließlich e<strong>in</strong>e <strong>Altersstruktur</strong>, die nahezu alle Altersgruppen ausgewogen be<strong>in</strong>haltete.<br />

Bei den bereits erwähnten anschließenden Teambildungsmaßnahmen zeigte sich dieser<br />

Umstand als außerordentlich för<strong>der</strong>lich für die Schnelligkeit und Festigkeit <strong>der</strong> Teambildung. Sehr<br />

bemerkenswert war auch das Feedback, welches wir immer wie<strong>der</strong> aus dem Mitarbeiterkreis erhielten:<br />

Sie empfanden unseren Ansatz als ungewöhnlich, aber sehr positiv und für die Stimmung<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Belegschaft sehr för<strong>der</strong>lich. E<strong>in</strong> Umstand, <strong>der</strong> auch wesentlich zu e<strong>in</strong>er schnellen Vertrauensbildung<br />

zwischen Belegschaft und Unternehmensleitung beigetragen hat. Die Mitarbeiter empfanden<br />

ihren Gerechtigkeits<strong>in</strong>st<strong>in</strong>kt wohltuend beachtet. Wenngleich dieses nicht das oberste Ziel war,<br />

haben wir die positiven Auswirkungen deutlich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Motivation, <strong>der</strong> Stimmung im Unternehmen<br />

und <strong>der</strong> Leistungsbereitschaft, beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong> Krisensituationen, verzeichnen können.<br />

5.5<br />

E<strong>in</strong> sehr großer Teil <strong>der</strong> Mitarbeiter kam aus artfremden Berufen, so hatten wir zum Beispiel e<strong>in</strong>e<br />

ehemalige Bibliothekar<strong>in</strong> als außerordentlich fähige Mitarbeiter<strong>in</strong> im Leitstand e<strong>in</strong>gesetzt. Da wegen<br />

<strong>der</strong> spezifischen Ausprägungen des Logistikzentrums mit neuartigen Techniken und Verfahren<br />

aber sowieso alle Neuen speziell e<strong>in</strong>gewiesen und geschult werden mussten, war dieser Umstand<br />

ke<strong>in</strong> Problem, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e gut lösbare Aufgabenstellung, die mit im Unternehmen eigens erarbeiteten<br />

und hergestellten Ausbildungsunterlagen von e<strong>in</strong>em eigenen Ausbildungsteam effizient<br />

bewältigt wurde.<br />

364


6 These 5<br />

Qualifikation<br />

Auf ke<strong>in</strong>en Fall dürfen ältere und erfahrene Mitarbeiter <strong>in</strong> Unternehmen und Betrieben fehlen.<br />

6.1<br />

Seit e<strong>in</strong>iger Zeit setzen die meisten Unternehmen e<strong>in</strong>seitig auf junge Belegschaften – besser ausgedrückt<br />

– auf das H<strong>in</strong>ausdrängen älterer Mitarbeiter (auch Führungskräfte), zum Beispiel <strong>in</strong> Altersteilzeit,<br />

Vorruhestand etc. und das Verweigern <strong>der</strong> E<strong>in</strong>stellung von Mitarbeitern, die die 46 bis 48<br />

Jahre überschritten haben.<br />

H<strong>in</strong>tergrund ist die Hypothese, dass Ältere nicht mehr ausreichend leistungsfähig seien, d. h. neuen<br />

Ideen gegenüber nicht aufgeschlossen und weniger produktiv. Diese Annahme und/o<strong>der</strong> Behauptung<br />

ist falsch. So gibt es z.B. nur wenige Ältere, die, nach e<strong>in</strong>iger Erklärung und E<strong>in</strong>weisung, nicht<br />

mit neuen (Computer-) Systemen gut zurechtkommen. Sicherlich ist <strong>der</strong> (jugendliche) Enthusiasmus<br />

nicht so ausgeprägt aber die Beherrschung <strong>der</strong> notwendigen Applikationen ist gegeben.<br />

Wenn also nur junge Mitarbeiter <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Unternehmen s<strong>in</strong>d, stehen die oben dargestellten typischen<br />

Wissenskomponenten <strong>der</strong> Älteren und Erfahrenen nicht zur Verfügung. Für die betreffenden<br />

Unternehmen ist das e<strong>in</strong> Mangel, dessen Folgen allerd<strong>in</strong>gs selten unmittelbar spürbar s<strong>in</strong>d, son<strong>der</strong>n<br />

sich über e<strong>in</strong>en längeren Zeitraum – wie e<strong>in</strong>e Mangelersche<strong>in</strong>ung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Organismus – verheerend<br />

auswirken.<br />

Exkurs: In <strong>der</strong> jüngeren Vergangenheit haben wir e<strong>in</strong>e ganze Reihe von Fällen, mit solchen Fehlentwicklungen<br />

miterleben können:<br />

Der Aufstieg und Fall des e-Bus<strong>in</strong>ess <strong>in</strong> dem kurzen Zeitraum von wenigen Jahren um das Jahr<br />

2000 herum. Vorwiegend jüngere, unerfahrene Leute, später auch als Führungskräfte e<strong>in</strong>gesetzt,<br />

entfesselten e<strong>in</strong>en so genannten Hype, <strong>in</strong>dem sie völlig e<strong>in</strong>seitig auf e<strong>in</strong>e neue Form <strong>der</strong> Wirtschaft,<br />

IT-gestützt und Internet-basiert, bauten. Sie trafen sich alle – <strong>in</strong> Start Ups, <strong>in</strong> Banken, <strong>in</strong> För<strong>der</strong>gesellschaften,<br />

an <strong>der</strong> Börse, <strong>in</strong> Unternehmen und vor allem <strong>in</strong> <strong>der</strong> Presse – immer mit <strong>der</strong>selben<br />

e<strong>in</strong>fachen Aussage: E<strong>in</strong> neues Zeitalter <strong>der</strong> Wirtschaft ist <strong>in</strong>ternational angebrochen. Es beruht<br />

auf mo<strong>der</strong>nsten Techniken und alle, die davon nichts o<strong>der</strong>, weil sie nicht mitjubelten, nicht genug<br />

verstanden, waren „Mega out“.<br />

Es gelang e<strong>in</strong>e Stimmung des Aufbruchs zu erzeugen, die mit höchster Begeisterung ungeahnte<br />

Kräfte kreativ freisetzen konnte. So weit, so gut.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs wurde auch überall <strong>der</strong>selbe Grundfehler (natürlich neben vielen an<strong>der</strong>en) begangen:<br />

Man glaubte, dass diese wirtschaftlichen Zusammenhänge und die daraus erwachsenden Chancen<br />

nur von jungen Menschen begriffen und umgesetzt werden könnten. In vielen neu gegründeten<br />

Unternehmen – natürlich Aktiengesellschaften, damit das haftende Kapital vor allem von an<strong>der</strong>en<br />

kam – waren die Vorstände nicht älter als Mitte Dreißig. Ende Dreißiger wurden schon milde belä-<br />

365


Qualifikation<br />

chelt und noch Ältere wurden überhaupt nicht mehr wahrgenommen. Nahezu e<strong>in</strong>e ganze Generation<br />

litt unter selektiver Wahrnehmung und fand das auch noch gut! Mit den bekannten Folgen.<br />

Hätte man auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er solchen Phase <strong>der</strong> berechtigten Begeisterung an neuen Verfahren (z.B. Internet<br />

o<strong>der</strong> globale Ortung) und den damit verbundenen Chancen Kollegen, Mitarbeiter und/o<strong>der</strong><br />

Führungskräfte mit viel Berufs- und Lebenserfahrung <strong>in</strong> den Teams gehabt, wären die Auswüchse<br />

mit sehr hoher Sicherheit nicht passiert. So aber wurde alles „auf e<strong>in</strong>e Karte gesetzt“, Warnungen<br />

vor Schönrechnereien und optimistischen Übertreibungen wurden „<strong>in</strong> den W<strong>in</strong>d geschlagen“. Die<br />

(wenigen) Mahner, die überhaupt gehört wurden, wurden verächtlich gemacht und öffentlich als<br />

<strong>in</strong>kompetent und kle<strong>in</strong>mütig bezeichnet.<br />

Wie wir alle wissen, platzte die Blase weltweit mit außerordentlich negativen Auswirkungen – volkswirtschaftlich<br />

wie <strong>in</strong>dividuell.<br />

Diese wirtschaftliche Episode ist e<strong>in</strong> Schulbeispiel dafür, wenn Führungskräfte nicht über angemessene<br />

Urteilskraft verfügen, sich ohne Korrektiv an bloßen Ideen und Fantasien begeistern und dabei<br />

den Boden <strong>der</strong> Tatsachen verlassen. Dies aber s<strong>in</strong>d negative Übertreibungen, die Erfahreneren<br />

mit abgewogenerem Urteilsvermögen nicht passiert wären.<br />

6.2<br />

Die oben erwähnten vielfältigen <strong>in</strong>dividuellen Erfahrungsh<strong>in</strong>tergründe unserer Mitarbeiter waren<br />

für unsere Arbeit und die Weiterentwicklung/Optimierung <strong>der</strong> Ablaufprozesse von hohem Nutzen.<br />

Dies gilt <strong>in</strong> gleicher Weise für die Unbefangenheit gegenüber <strong>der</strong> <strong>in</strong>tensiven mo<strong>der</strong>nen Systemtechnik.<br />

Da es im gesamten Unternehmen nur Arbeitsplätze gab, die mehr o<strong>der</strong> weniger direkt mit<br />

Computersteuerung o<strong>der</strong> Computern als notwendigem Arbeits<strong>in</strong>strument ausgestattet waren, war<br />

es auch im Laufe <strong>der</strong> Zeit immer wie<strong>der</strong> zu beobachten, wie sich die Mitarbeiter untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> gegenseitig<br />

unterstützten, je<strong>der</strong> nach se<strong>in</strong>en Fähigkeiten.<br />

Solche Effekte kann man nicht verordnen. Aber vor dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> geschil<strong>der</strong>ten, bewusst<br />

herbeigeführten Rahmenbed<strong>in</strong>gungen f<strong>in</strong>den sie – sozusagen von alle<strong>in</strong> – statt und nutzen dem<br />

Unternehmen sowie den Mitarbeitern <strong>in</strong>sgesamt.<br />

6.3<br />

Um die Vorteile e<strong>in</strong>er durchmischten <strong>Altersstruktur</strong> deutlicher zu machen, ist es auch s<strong>in</strong>nvoll, die<br />

negativen Effekte von (theoretischen) homogenen Strukturen zu untersuchen, um durch e<strong>in</strong>e solche<br />

Darstellung die Aussagen dieses Beitrages zu stützen:<br />

6.3.1<br />

Hätte man <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Unternehmen nur ältere, erfahrene Mitarbeiter, so ergäben sich folgende<br />

Nachteile:<br />

• Zu wenig aktuelle, neue, theoretische Denkansätze und Arbeitsmethoden.<br />

366


• Zu wenig unbefangener Umgang mit Neuem, wie Denkmustern, Methoden, Technik (IT) etc..<br />

• Zu wenig ungestümes Vorwärtsdrängen <strong>in</strong> unbekannte, unerprobte Bereiche.<br />

• Da viele absehbar gleichzeitig aus dem Arbeitsleben ausscheiden, müssen auch wie<strong>der</strong>um viele<br />

gleichzeitig neu e<strong>in</strong>gestellt werden.<br />

• Das Problem <strong>der</strong> nicht organischen Kont<strong>in</strong>uität <strong>der</strong> Organisation tritt geballt auf.<br />

6.3.2<br />

Hätte man nur junge Mitarbeiter, zeigten sich folgende Nachteile:<br />

• Zu wenig Erkenntnisse aus gemachten Fehlern (eigen o<strong>der</strong> fremd).<br />

• Zu wenig Orientierung und Entwicklung von sozialen, zwischenmenschlichen Werten.<br />

• Zu wenig „Witterung“ von nicht erklärbaren und unvorhergesehenen problematischen Entwicklungen.<br />

• Das eigene Fortkommen steht im Vor<strong>der</strong>grund (Eigennutz vor Geme<strong>in</strong>nutz).<br />

• Zu wenig Souveränität.<br />

• Das o. g. Problem des gleichzeitigen Ausscheidens stellt sich ebenfalls – nur später!<br />

6.4<br />

Die Lösung, um all diese Nachteile zu vermeiden, liegt nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em puristischen Ansatz , son<strong>der</strong>n<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> abgewogenen Mischung:<br />

Optimal ist e<strong>in</strong>e <strong>Altersstruktur</strong>, die alle Altersbereiche umfasst – wenn auch an die Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>der</strong> jeweiligen Organisation angepasst. Das heißt zum Beispiel <strong>in</strong> Bereichen mit starker körperlicher<br />

Belastbarkeit sollten jüngere Jahrgänge überrepräsentiert se<strong>in</strong>, ältere aber nicht fehlen.<br />

7 These 6<br />

Qualifikation<br />

Wissen kommt nicht „von ungefähr“, Wissen muss aktiv erarbeitet – gelernt und verstanden werden.<br />

Will e<strong>in</strong> Unternehmen viel Wissen nutzen, muss es dafür sorgen, dass die Mitarbeiter die „Orte“<br />

kennen, wo welches ist und dass und wie sie es für ihren Arbeitsprozess nutzen können und sollen.<br />

7.1<br />

Wissensvorräte, wie Datenbanken, Bibliotheken, Data Warehouses etc. nützen nichts, wenn sie<br />

nicht durch Menschen gebraucht, <strong>in</strong>terpretiert und umgesetzt werden. Der Versuch, diese Vorgänge<br />

völlig zu automatisieren, muss scheitern: Suchmasch<strong>in</strong>en s<strong>in</strong>d zwar e<strong>in</strong>e gute Hilfestellung, aber<br />

Je<strong>der</strong> von uns hat sich schon e<strong>in</strong>mal bei Google & Co. unüberschaubaren und damit kaum verarbeitbaren<br />

Informations- und Datenmengen gegenübergesehen. Das bloße Anhäufen und irgendwie<br />

Bereitstellen von Wissen reicht also nicht aus.<br />

367


Qualifikation<br />

7.2<br />

Der Begriff „Wissensmanagement“ unterstellt ja e<strong>in</strong> aktives Tun und das ist <strong>in</strong> diesem Zusammenhang<br />

das Ergreifen von Maßnahmen, um den Unternehmen alles nötige Wissen zur Verfügung zu<br />

stellen und darüber h<strong>in</strong>aus „Wissensreserven“ zu bilden, um für mögliche, wenn auch nicht geplante,<br />

spätere Anfor<strong>der</strong>ungen gewappnet zu se<strong>in</strong>.<br />

Und das ist neben Aus- und Weiterbildung:<br />

• Gezieltes Schaffen e<strong>in</strong>er (angepassten) heterogenen <strong>Altersstruktur</strong>.<br />

• Schaffen e<strong>in</strong>er Unternehmenskultur, die Achtung vor den Me<strong>in</strong>ungen <strong>der</strong> Mitarbeiter auf allen<br />

Ebenen erzeugt und<br />

• die dazu führt, dass diese auch geäußert werden.<br />

• E<strong>in</strong>führen von Verfahren zum regelmäßigen Austausch von Gedanken, E<strong>in</strong>schätzungen und Erfahrungen.<br />

Notwendig ist also e<strong>in</strong>e offene Kommunikation zwischen den Ebenen und untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong>.<br />

7.3<br />

E<strong>in</strong>e solche Kultur ersetzt natürlich nicht die klare Führung! Aber die Entscheidungsprozesse werden<br />

e<strong>in</strong>deutig besser, da positive o<strong>der</strong> negative Erfahrungen auch methodischer Art e<strong>in</strong>fließen.<br />

7.4<br />

Als wirkungsvolle Maßnahme ersche<strong>in</strong>t:<br />

Das gezielte E<strong>in</strong>setzen von Mentoren <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Aufbauorganisation, die ähnlich wie Qualitätsmanager<br />

o<strong>der</strong> Controller laufende Prozesse und Planungen analysieren und mit ihrem Wissen<br />

(Erfahrungsschatz) begleiten und bee<strong>in</strong>flussen. Mentoren s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> unserem Sprachgebrauch reife<br />

Erwachsene, die junge Menschen (Schützl<strong>in</strong>g, Mentee) unterstützen und för<strong>der</strong>n, <strong>in</strong> unterschiedlichen<br />

Lebenslagen beraten und ihnen vor allem bereitwillig Problemerkennung und -bewältigung<br />

vormachen. Mentoren erhalten ihre persönliche Zufriedenheit, wenn sie feststellen, dass von e<strong>in</strong>em<br />

Schützl<strong>in</strong>g die Ratschläge und Überlegungen zur Erkenntnisgew<strong>in</strong>nung beachtet werden und<br />

<strong>in</strong> dessen Verhaltensweisen e<strong>in</strong>fließen 2 .<br />

E<strong>in</strong>ige fortschrittliche Unternehmen – so z.B. <strong>der</strong> Otto Versand <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Logistikbetrieben – haben<br />

e<strong>in</strong> ähnliches Modell, welches dort e<strong>in</strong>e Patenschaft erfahrener Mitarbeiter für neu <strong>in</strong> den jeweiligen<br />

Betrieb kommende Mitarbeiter be<strong>in</strong>haltet.<br />

2 Vgl. Karl-Gerhard Asmus, Karriere <strong>in</strong> <strong>der</strong> Logistik, 2004, S. 32 ff.<br />

368


7.5<br />

In alten Kulturen (auch bei uns <strong>in</strong> Europa) war es üblich/selbstverständlich, vor wichtigen Entscheidungen<br />

den Rat „<strong>der</strong> Alten“ (Erfahrenen) e<strong>in</strong>zuholen. Bei uns ist es aus <strong>der</strong> Mode gekommen, gilt<br />

als unselbständig und <strong>in</strong>kompetent. Dabei ist es das genaue Gegenteil davon: Sich raten zu lassen<br />

(aus <strong>der</strong> eigenen Belegschaft), deutlich zu zeigen, dass man nicht alles weiß, zeugt von Souveränität<br />

und Klugheit, da ke<strong>in</strong> Wissen verschwendet o<strong>der</strong> ungenutzt bleibt.<br />

8 Aktuelle Unternehmensbefragung<br />

Qualifikation<br />

8.1<br />

Die Grundaussage dieses Beitrages wird durch e<strong>in</strong>e aktuelle repräsentative Befragung des Deutschen<br />

Industrie- und Handelskammertages (DIHK), die bei 2.154 Unternehmen durchgeführt und<br />

am 23.06.2004 im Internet veröffentlicht wurde 3 , gestützt: Die Frage war, welche Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

die Unternehmen an ihren Führungsnachwuchs stellen, <strong>der</strong> sich zum größten Teil aus Hochschulabsolventen<br />

rekrutiert.<br />

8.2<br />

Der Hauptgeschäftsführer des DIHK, Mart<strong>in</strong> Wansleben me<strong>in</strong>te bei <strong>der</strong> Vorstellung <strong>der</strong> Studie, dass<br />

die Qualifikation <strong>der</strong> Fach- und Führungskräfte für die Sicherung des Personalpotenzials und die<br />

Innovationsfähigkeit <strong>der</strong> Unternehmen e<strong>in</strong> entscheiden<strong>der</strong> Faktor sei. Weiter sagte er, dass es erschreckend<br />

sei, wie groß offenbar die Defizite bei den persönlichen und sozialen Komponenten<br />

s<strong>in</strong>d. Man sieht e<strong>in</strong>en akuten Handlungsbedarf. Die Hauptgründe liegen laut <strong>der</strong> Hälfte <strong>der</strong> Befragten<br />

<strong>in</strong> fehlenden Wertvorstellungen und e<strong>in</strong>er schlechten Erziehung.<br />

8.3<br />

Dieses s<strong>in</strong>d Aspekte, die auch nicht durch e<strong>in</strong>e spätere theoretische Wissensvermittlung o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e<br />

ebensolche Ausbildung kompensiert werden können. Hier geht es um Themen, die sich uns Menschen<br />

vorwiegend praktisch erschließen - durch Vormachen, Sehen, Beachten, Verstehen, für gut<br />

Bef<strong>in</strong>den und Nachmachen! Der Ort dieses Lernens ist also die berufliche und betriebliche Praxis.<br />

Auch aus diesem Grunde wünschen sich 68 % <strong>der</strong> Befragten e<strong>in</strong>e ausgeprägtere berufliche Praxis<br />

für die Neue<strong>in</strong>steiger. Was nützt schließlich die beste theoretische Ausbildung, wenn Derjenige<br />

nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage ist, se<strong>in</strong> Wissen <strong>in</strong> die Praxis umzusetzen. Genau aus diesem Grunde hat sich etwa<br />

die Hälfte <strong>der</strong> befragten Unternehmen von e<strong>in</strong>em Berufse<strong>in</strong>steiger wie<strong>der</strong> getrennt. Als weitere<br />

Gründe für e<strong>in</strong>e solche Trennung werden Selbstüberschätzung, mangelndes Sozialverhalten und<br />

mangelnde Integrationsfähigkeit <strong>der</strong> E<strong>in</strong>steiger genannt. Die Bewertung von Herrn Wansleben ist<br />

völlig klar: „Die zentrale Bedeutung des Praxisbezugs zieht sich wie e<strong>in</strong> roter Faden durch die gesamte<br />

Studie …“ 4 .<br />

3 Deutscher Industrie- und Handelskammertag, DIHK, www. dihk.de/<strong>in</strong>halt/<strong>in</strong>formationen/<br />

news/meldungen<br />

369


Qualifikation<br />

9 H<strong>in</strong>weis an Ausbil<strong>der</strong> und an<strong>der</strong>e Wissensvermittler<br />

An dieser Stelle sei aber auch e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weis an die Ausbil<strong>der</strong> und Wissensvermittler an Schulen und<br />

Hochschulen gestattet: In vielen solchen Instituten wird – auch wegen des starken Wettbewerbs<br />

auf diesem Markt – den Lernenden suggeriert, dass sie durch den Abschluss an <strong>der</strong> betreffenden<br />

Bildungse<strong>in</strong>richtung eigentlich unmittelbar für sämtliche Führungspositionen bestens gerüstet seien.<br />

So verständlich e<strong>in</strong>e solche Haltung aus den oben genannten Gründen auch se<strong>in</strong> mag: Erstens ist<br />

es falsch, wie dieser Beitrag und die Praxis aufzeigen und zweitens schadet man damit den Absolventen,<br />

die mit überzogener Erwartung <strong>in</strong> die Unternehmen gehen und erhebliche Probleme<br />

bekommen.<br />

Schließlich ist e<strong>in</strong> wenig mehr Bescheidenheit im Umgang mit Menschen immer e<strong>in</strong>e Tugend. Aber<br />

auch die lässt sich wie<strong>der</strong> nicht <strong>in</strong> Lehrplänen abbilden.<br />

4 Deutscher Industrie- und Handelskammertag, DIHK, www. dihk.de/<strong>in</strong>halt/<strong>in</strong>formationen/<br />

news/meldungen<br />

370


Der Autor<br />

Dipl.-Kfm. Karl-Gerhard Asmus<br />

Qualifikation<br />

Jahrgang 1945. Karl-Gerhard Asmus wurde nach 14 Jahren als Berufs- und Generalstabsoffizier bei<br />

<strong>der</strong> deutschen Bundeswehr 1980 Hauptabteilungsleiter Logistik bei <strong>der</strong> alli-Frischdienst GmbH <strong>in</strong><br />

Hannover, dabei verantwortlich für Logistikkonzepte und die direkte Führung von 450 Mitarbeitern<br />

an sieben Standorten.<br />

1986–1990 war er Regionalleiter Norddeutschland bei <strong>der</strong> trans-o-flex Schnell-Lieferdienst GmbH,<br />

We<strong>in</strong>heim. Dabei oblag ihm die Führung von 750 Mitarbeitern (<strong>in</strong>klusive Subunternehmern) an elf<br />

Standorten.<br />

1991 trat er als Zentralleiter Landverkehre (KN SCHNELLGUT und KN PARCEL) <strong>in</strong> die Kühne +-Nagel<br />

Deutschland (AG & Co.) KG <strong>in</strong> Hamburg e<strong>in</strong>. Dabei führte er die Sanierung des Landverkehrsbereiches<br />

bis 1994 durch.<br />

1994 wurde er Geschäftsführer <strong>der</strong> TKN Logistik GmbH <strong>in</strong> Gall<strong>in</strong> bei Hamburg, e<strong>in</strong>em Geme<strong>in</strong>schaftsunternehmen<br />

<strong>der</strong> Tchibo Frisch Röst Kaffee GmbH und Kühne + Nagel Deutschland. Dabei<br />

erfolgten die Gründung und <strong>der</strong> Aufbau des Unternehmens auf ca. 1 000 Mitarbeiter. Weitere<br />

Schwerpunkte waren das Planen, Projektieren und Realisieren e<strong>in</strong>es mo<strong>der</strong>nen Logistikzentrums<br />

sowie e<strong>in</strong>es eigenständigen Transportmanagement.<br />

Ende 1998 machte er sich selbständig als Inhaber/Geschäftsführer <strong>der</strong> consult-as Unternehmensberatung<br />

für Logistik, Führung und Personal. Unter an<strong>der</strong>em war er <strong>in</strong> 2000–2001 Personalleiter <strong>der</strong><br />

Birkart Globistics AG, Aschaffenburg, als Interim Manager.<br />

Im April 2002 übernahm er die <strong>ADDCON</strong> Unternehmens- und Personalberatungsgesellschaft für<br />

Verkehr und Logistik mbH (www.addcongmbh.com). Diese führt er seitdem als Alle<strong>in</strong>gesellschafter/Geschäftsführer<br />

mit dem Schwerpunkt <strong>der</strong> Personalberatung für Logistik, Verkehrs- und Personalwesen<br />

sowie Interim Management.<br />

371

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!