Stimmgewaltig, bildschön, erfolgreich â die russische Opern ...
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16 STILikonen Stilist Anna Netrebko<br />
BLONDINE FÜR DIE BÜHNE<br />
Anna Netrebko während der<br />
Generalprobe für den <strong>Opern</strong>ball<br />
2007 in der Wiener Staatsoper<br />
schmecken dann ihre geliebten Marillenpalatschinken in<br />
einem Wiener Gourmettempel, wenn sie erzählt, „dass einmal<br />
eine von meinen Zimmerkolleginnen einen Riegel Mars ins<br />
Studentenheim mitgebracht hat. Das war damals in Petersburg<br />
eine Sensation. Wir haben ihn nicht gleich gegessen, sondern<br />
für den Abend aufgehoben, in winzig kleine Stücke geschnitten,<br />
sodass jede von uns etwas davon hatte und jeden der nur<br />
zwei Bissen genossen!“<br />
Freude statt Dekadenz<br />
Damit sind wir gleich beim Thema „den Mund besser nicht<br />
zu voll nehmen“. Symptomatisch eine kleine Szene bei Louis<br />
Vuitton. Anna Netrebko ist im Pariser Flagship-Store, um eine<br />
Tasche für sich abzuholen. Der Blick schweift über <strong>die</strong> Regale:<br />
„Ist <strong>die</strong>ser Koffer nicht auch schön? Oder der? Aber den kauf<br />
ich mir heute nicht mehr, den Wunsch erfülle ich mir erst in<br />
einem Jahr …“ Es sind keine finanziellen Überlegungen, <strong>die</strong> zu<br />
<strong>die</strong>sem Entschluss führen. Anna Netrebko hat nur nicht vergessen:<br />
„Vorfreude ist <strong>die</strong> schönste Freude!“<br />
Es ist auch Freude, <strong>die</strong> ihren Stil und ihr Interesse an Mode<br />
beflügelt. Deshalb ist sie in Modedingen bestens bewandert,<br />
nicht weil es gesellschaftlich opportun wäre. Wenn sie bei der<br />
Begrüßung einer Freundin angesichts deren Robe bewundernd<br />
„Oh, Chanel!“ ausruft, so ist <strong>die</strong>s Ausdruck spontaner Begeisterung.<br />
Kein Unterton von „na gehört sich doch so“ schwingt<br />
da mit. Denn auf das, was „man“ gerade so zu tragen hat, ist<br />
<strong>die</strong> stilsichere Künstlerin nicht explizit erpicht. Auch <strong>die</strong>se<br />
Seite, <strong>die</strong> der unkonventionellen Persönlichkeit und Künstlerin,<br />
macht Anna Netrebkos gesellschaftliches Faszinosum aus.<br />
Diese Freiheiten ausleben zu können und zu dürfen, ist ihr<br />
eine Herzensangelegenheit. Als in einer repressiven kommunistischen<br />
Diktatur Aufgewachsene weiß sie nur zu gut um <strong>die</strong><br />
Gefährdung des kostbaren Guts „Freiheit“ Bescheid. Die materiellen<br />
Werte des Lebens verlieren in Relation dazu für sie<br />
an Wertigkeit. Familie, Freundschaften, Gesundheit, Erfüllung<br />
in der Arbeit stehen bei ihr höher im Kurs. Zu philosophischen<br />
Betrachtungen über all <strong>die</strong>s und das Leben im Allgemeinen<br />
kann und will sie sich aber nicht aufschwingen. „Warum zermarterst<br />
du dir damit den Kopf?! Versuche hier, heute, mit deinen<br />
Mitmenschen glücklich zu leben“, hatte sie einmal einem<br />
sich mit Philosophie, Politik und Religion viel beschäftigenden<br />
Kollegen gesagt, „wir kleinen Menschen wissen ja letztendlich<br />
doch nichts und werden auch nie etwas über das letzte Geheimnis<br />
unserer Existenz erfahren ...“<br />
Der Wiener Autor und <strong>Opern</strong>kritiker Martin Kienzl gilt als Experte<br />
der Klassik – ob durch seine Arbeit mit Universal Music Austria,<br />
seine Position als Künstler- und Orchestertourneemanager der<br />
Konzertagentur Baron oder wegen seines Wirkens für das Schleswig-<br />
Holstein Musik Festival. Mit Anna Netrebko verbindet ihn eine über<br />
<strong>die</strong> vielen Jahre gemeinsamer Arbeit gewachsene Freundschaft.<br />
<strong>Opern</strong>diva, Verwandlungskünstlerin<br />
und Mädchen von<br />
nebenan – Anna Netrebko<br />
ist immer alles zugleich