28.09.2013 Aufrufe

Datengetriebene Wissenschaft - Spektrum der Wissenschaft

Datengetriebene Wissenschaft - Spektrum der Wissenschaft

Datengetriebene Wissenschaft - Spektrum der Wissenschaft

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Der Haftkraft von Pilzsporen auf <strong>der</strong> Spur<br />

Die Simulation <strong>der</strong> Diffusion von Hydrophobinmolekülen in wässriger Lösung in<br />

Gegenwart einer Graphitoberfläche half, ihre hohe Haftfähigkeit zu ergründen. Die<br />

einzelnen Proteinmoleküle sind in verschiedenen Farben dargestellt.<br />

gung simulierten. Dabei konnten wir beobachten,<br />

wie elektrostatische Interaktionen das<br />

Linker­Histon anziehen und es so lenken,<br />

dass es sich in einer bestimmten Orientierung<br />

an das Nukleosom bindet. Außerdem sahen<br />

wir, wie die räumliche Gestalt des Nukleosoms<br />

den Vorgang beeinflusst.<br />

In unseren Simulationen ließen wir das<br />

Linker­Histon an verschiedene Konformationen<br />

des Nukleosoms beziehungsweise seiner<br />

flankierenden Linker­DNA­Stücke anlagern<br />

und konnten so den vorherrschenden Bindungsmodus<br />

herausfinden. Dieser entspricht<br />

den experimentell ermittelten Daten. Es zeigte<br />

sich, dass das Linker­Histon asymmetrisch<br />

am Übergang zwischen <strong>der</strong> nukleosomalen<br />

DNA und einem <strong>der</strong> beiden Linker­DNA­<br />

Stücke haftet (siehe Kasten links). War die<br />

Konformation des Nukleosoms weniger kompakt,<br />

band es sich an einer stärker beengten<br />

Stelle an die Linker­DNA. Die Entdeckung<br />

zweier unterschiedlicher Bindungsarten deutet<br />

darauf hin, dass das Linker­Histon mit<br />

über die Struktur des Chromatins bestimmt.<br />

Indem es die Nukleosomen konformationsabhängig<br />

erkennt und stabilisiert, för<strong>der</strong>t es<br />

die Bildung enger Zickzack­ o<strong>der</strong> lockerer<br />

Schraubenwindungen.<br />

Damit das Durchprobieren vieler verschiedener<br />

Konformationen und Bindungsstellen<br />

die Kapazität unserer Computer nicht überstieg,<br />

nahmen wir für die Simulationen Vereinfachungen<br />

vor. Ausgehend von den errech­<br />

PAOLO MeReGhettI<br />

neten diffusionsgetriebenen »Begegnungskomplexen«<br />

lassen sich nun mit einem<br />

verfeinerten Modell, das die Flexibilität <strong>der</strong><br />

Makromoleküle vollständig berücksichtigt,<br />

weitere Details untersuchen. So kann jetzt<br />

beispielsweise bestimmt werden, wie die Partnermoleküle<br />

ihre Gestalt während des Bindungsvorgangs<br />

aneinan<strong>der</strong> anpassen und welchen<br />

Einfluss dabei die nur auf kurze Distanzen<br />

wirksamen Wasserstoffbrückenbindungen<br />

und hydrophoben Wechselwirkungen haben.<br />

Das Geheimnis<br />

extremer Oberflächenaktivität<br />

Hydrophobine sind kleine Proteine mit <strong>der</strong><br />

höchsten Oberflächenaktivität aller bekannten<br />

Eiweißstoffe. Sie kommen in <strong>der</strong> Hülle<br />

von Pilzsporen vor und haften auch an äußerst<br />

glatten Oberflächen. Wegen dieser Eigenschaft<br />

sind Hydrophobine für biotechnologische<br />

Anwendungen wie die Herstellung<br />

von Biosensoren o<strong>der</strong> die Immobilisierung<br />

von Enzymen von großem Interesse. Wir<br />

wollten wissen, wie sie sich in Lösung verhalten<br />

und worauf ihre extreme Haftfähigkeit an<br />

Oberflächen beruht. Dazu simulierten wir die<br />

brownsche Molekularbewegung von hun<strong>der</strong>ten<br />

Hydrophobinmolekülen in wässriger Lösung<br />

in Gegenwart einer Graphitoberfläche.<br />

Ausgehend von einer experimentell ermittelten<br />

Proteinstruktur des Klasse­II­Hydropho<br />

bins (HFBI) aus dem Schimmelpilz Tricho<strong>der</strong>ma<br />

reesei verwendeten wir ein Modell,<br />

bei dem die Proteine mit atomarer Auflösung<br />

dargestellt waren, aber nicht ihre Konformation<br />

verän<strong>der</strong>n konnten. Die Simulationen<br />

zeigten, wie Dipol­Dipol­Wechselwirkungen<br />

das Erkennen <strong>der</strong> Moleküle untereinan<strong>der</strong><br />

för<strong>der</strong>n. Zudem konnten wir sehen, wie die<br />

Proteine Oligomere bilden: Die in <strong>der</strong> Simulation<br />

gefundene Zusammenlagerung von jeweils<br />

vier Hydrophobinen entspricht den kristallografisch<br />

nachgewiesenen Homotetrameren.<br />

An <strong>der</strong> Graphitoberfläche neigen diese<br />

Oligomere dazu, sich aufzulösen und über<br />

ihre hydrophobe Außenseite mit dem Festkörper<br />

in Kontakt zu treten (Kasten links).<br />

Die biomolekulare Erkennung ist ein anspruchsvolles<br />

Problem, das mo<strong>der</strong>nste rechnergestützte<br />

Methoden aus den verschiedensten<br />

Fachgebieten erfor<strong>der</strong>t. Die drei hier beschriebenen<br />

Anwendungen sind gute Beispiele<br />

dafür, wie Computersimulationen dabei helfen<br />

können, dieses äußerst komplexe Problem<br />

zu lösen. Ÿ<br />

die autorin<br />

Rebecca C. Wade studierte<br />

Physik an <strong>der</strong> University<br />

of Oxford (B. A. hons.<br />

1985) und promovierte in<br />

molekularer Biophysik<br />

(D. Phil. 1988). Danach<br />

forschte sie an den Uni­<br />

versitäten houston und<br />

Illinois. 1992 bis 2001 war sie Gruppenleiterin<br />

am european Molecular Biology<br />

Laboratory (eMBL) in heidelberg. seit 2001<br />

leitet sie die Gruppe »Molecular and<br />

Cellular Modeling« (MCM), zunächst bei<br />

<strong>der</strong> eML Research gGmbh und seit 2010<br />

am heidelberger Institut für theoretische<br />

studien (hIts).<br />

quellen<br />

Ferrari, S. et al.: Virtual screening Identification<br />

of nonfolate Compounds, Including<br />

a Cns Drug, as Antiparasitic Agents<br />

Inhibiting Pteridine Reductase. In: journal<br />

of Medical Chemistry 54, s. 211 – 221, 2011<br />

Mereghetti, P. et al.: Brownian Dynamics<br />

simulation of Protein solutions: structural<br />

and Dynamical Properties. Biophysical<br />

journal 99, s. 782 – 791, 2010<br />

Mereghetti, P., Wade, R. C.: Diffusion of<br />

hydrophobin Proteins in solution and<br />

Interactions with a Graphite surface. In:<br />

BMC Biophysics 4, Artikel 9, 2011,<br />

doi:10.1186/2046­1682­4­9<br />

Pachov, G. et al.: On the structure and<br />

Dynamics of the Complex of the nucleosome<br />

and the Linker histone. In: nucleic<br />

Acid Research 2011, doi: 10.1093/nar/gkr101<br />

DATENgETRIEbENE WISSENSCHAFT 17

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!