Datengetriebene Wissenschaft - Spektrum der Wissenschaft
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Reinhard Breuer<br />
Das Unmögliche demnächst –<br />
nur Wun<strong>der</strong> dauern etwas länger<br />
Als ich in die <strong>Wissenschaft</strong> einstieg, war man schon froh, wenn man mit dem Rechner eine<br />
Kurve »plotten« konnte – gerne auch mal in Abhängigkeit von zwei Variablen, also echt<br />
dreidimensional! Später gelang es vereinzelt sogar, dynamische Probleme mit Hilfe von Differenzialgleichungen<br />
für einige Zeitschritte zu verfolgen. Und das vom »Terminal« aus, ganz ohne Lochstreifen<br />
o<strong>der</strong> karten – ein absolutes Highlight in <strong>der</strong> Computersteinzeit.<br />
Der Rückblick sei gestattet, um die Dimensionen des Fortschritts zu begreifen: Welche Probleme<br />
sich heute mit Superrechnern behandeln lassen und welch riesige Datenmengen dabei produziert<br />
und gezielt ausgewertet werden, überstieg noch vor wenigen Jahren fast die Vorstellungskraft o<strong>der</strong><br />
galt schlicht als unmöglich. Darum erstaunt es mich immer wie<strong>der</strong>, was in <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong> inzwischen<br />
alles machbar ist – und was insbeson<strong>der</strong>e auch an dem vom <strong>Wissenschaft</strong>smäzen Klaus<br />
Tschira gegründeten Heidelberger Institut für Theoretische Studien passiert, mit dem sich dieser<br />
Son<strong>der</strong>teil beschäftigt.<br />
Die dort tätigen Forscher stellen ausgewählte Projekte ihrer Arbeit auf den folgenden Seiten<br />
selbst vor, betreut und unterstützt von <strong>der</strong> Redaktion von »<strong>Spektrum</strong> <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong>«. Einige<br />
haben vorher schon in unserem Magazin geschrieben o<strong>der</strong> wurden darin porträtiert: so <strong>der</strong> Computerlinguist<br />
Michael Strube (»Wikipedia: Wissen für die Künstliche Intelligenz«, 12/2010, S. 94) und <strong>der</strong><br />
Astrophysiker Volker Springel (»Vielleicht laufen wir einem Phantom nach«, 11/2010, S. 34).<br />
Wer hätte sich träumen lassen, was Forscher heutzutage mit Hilfe von Simulationen – so nennt<br />
man die Berechnungen inzwischen – alles ergründen können: neben <strong>der</strong> Entstehung von<br />
Galaxien (S. 10) und <strong>der</strong> automatischen Erkennung natürlicher Sprachen (S. 30) auch die Stammesgeschichte<br />
von Organismen (S. 22) o<strong>der</strong> die Wechselwirkung von Proteinen (S. 14). Man möchte an<br />
numerische Zauberei glauben, so schnell gerät das (einst) Unmögliche in Reichweite – nur Wun<strong>der</strong><br />
dauern immer noch etwas länger.<br />
Mit den exponentiell anwachsenden Datenmengen und Publikationen wächst aber zugleich<br />
das Problem, sich darin noch zurechtzufinden. Entsprechend arbeiten auch Gruppen am HITS über<br />
Datenbankmanagement, beispielsweise um für Forscher Informationen über Stoffwechselprozesse<br />
bereitzustellen (S. 26). Denn die Simulation von Problemen mit niemals völlig zutreffenden, aber<br />
oft nützlichen Modellen (wie Klaus Tschira in seinem Editorial auf <strong>der</strong> nächsten Seite vermerkt) ist<br />
nur ein Aspekt jener »datengetriebenen <strong>Wissenschaft</strong>«, die mit dem Siegeszug <strong>der</strong> Höchstleistungsrechner<br />
immer mehr an Bedeutung gewinnt. Auf die immensen Herausfor<strong>der</strong>ungen, vor die sie<br />
alle Forschungsgebiete stellt, weist HITSChef Andreas Reuter in seinem Beitrag ab S. 6 hin.<br />
Ob diese Herausfor<strong>der</strong>ungen schon überall verstanden sind, lässt sich bezweifeln. Wohin jedoch die<br />
abenteuer liche Reise vermutlich geht, können Sie bei <strong>der</strong> Lektüre <strong>der</strong> folgenden Artikel erahnen.<br />
Reinhard Breuer<br />
EditoratLarge<br />
<strong>Spektrum</strong> <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong><br />
2 SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT · EXTRA