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<strong>Architekt</strong> <strong>Dipl</strong>.-Ing.(FH) Christoph Schwan<br />

Eine neue Bauphysik<br />

Bauphysikalische Betrachtungen<br />

1


Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort ........................................................................................ 5<br />

Was ist eigentlich Bauphysik? ......................................................... 6<br />

Der Mensch ................................................................................... 8<br />

Das Raumklima ........................................................................... 12<br />

Globale Randbedingungen ........................................................... 14<br />

Die Sonne ................................................................................... 15<br />

Luftmassen ................................................................................. 15<br />

Sonneneinstrahlung ..................................................................... 15<br />

Das Strahlungsgesetz von Stefan-Boltzmann ................................. 16<br />

Zur These über eine Gegenstrahlung ............................................ 18<br />

Einstrahlung aus der Umgebung ................................................... 18<br />

Klimakatastrophe und Treibhausthese .......................................... 19<br />

Cui bono? ................................................................................... 21<br />

Was ist nun aber dran an der Treibhausthese? .............................. 22<br />

Physikalische Grundlagen der energetischen Vorgänge .................. 25<br />

Energie ....................................................................................... 25<br />

„Genutzte Energie“ und „ungenutzte Energie“ ............................... 26<br />

Strahlungsenergie (Wärmestrahlung) ............................................ 26<br />

Kinetische Wärmeenergie (Bewegungsenergie) ............................. 27<br />

Energieverlagerungen .................................................................. 29<br />

Energieübergang von Strahlung in feste Stoffe (Absorption) ........... 29<br />

Abstrahlung von Wärmeenergie .................................................... 30<br />

Austausch von Strahlungsenergie zwischen Flächen ...................... 31<br />

Gleichartige Flächen .................................................................... 32<br />

Flächen mit ungleichen Strahlungskoeffizienten (ε) ........................ 32<br />

Mathematische Behandlung von im Strahlungsaustausch stehenden Flächen<br />

.................................................................................................. 33<br />

Wärmestrahlung und menschlicher Körper .................................... 35<br />

Wärmeleitung, Ursachen und Einflüsse ......................................... 36<br />

Wärmeleitung in mineralischen Baustoffen .................................... 38<br />

Dämmstoffe ................................................................................ 39<br />

Was kann ein Dämmstoff eigentlich leisten? .................................. 40<br />

Bauphysikalische Vorgänge in und an Dämmstoffen ...................... 44<br />

Das Absaufen von Dämmstoffen ................................................... 45<br />

Tauwasser .................................................................................. 46<br />

Nützliche Wirkungen der Kondensation ......................................... 47<br />

Schädliche Wirkungen der Kondensation ....................................... 47<br />

Tauwasser und Massivwände ....................................................... 48<br />

Tauwasser auf Außenwänden mit dünnen Dämmschichten ............ 49<br />

Dicke Dämmschichten auf Außenwänden ...................................... 50<br />

Veralgung von gedämmten Fassadenoberflächen .......................... 51<br />

Das Absaufen dicker Dämmstoffe ................................................. 53<br />

Tauwasserbildung im Sommer ...................................................... 57<br />

Die Energiebilanz ......................................................................... 58<br />

Energieabtrag ............................................................................. 58<br />

Abstrahlung ................................................................................ 59<br />

2


Konvektiver Energieabtrag auf Außenflächen................................. 61<br />

Energieeintrag ............................................................................. 63<br />

Energieeintrag durch die Heizanlage ............................................. 63<br />

Energieeintrag durch Prozesswärme ............................................. 65<br />

Energieabgabe durch die Bewohner .............................................. 65<br />

Kondensationswärme – ein Nullsummenspiel................................. 65<br />

Sonnenenergie ............................................................................ 66<br />

Unmittelbare Einstrahlung ............................................................ 66<br />

Diffuse Einstrahlung .................................................................... 67<br />

Umgebungsstrahlung ................................................................... 67<br />

Die DIN 4108 und die EnEV ......................................................... 68<br />

Die DIN 4108 .............................................................................. 73<br />

Die Wärmeübergangszahl αi („alpha innen“) nach DIN 4108 .......... 77<br />

Die Wärmebergangszahl αa („alpha außen“) nach DIN 4108 .......... 77<br />

Die EnEV, die Folge eines Denkfehlers .......................................... 78<br />

Das neue Modell zum Heizenergieaufwand .................................... 80<br />

Quantifizierung energetischer Vorgänge ........................................ 83<br />

Praktische Schlussfolgerungen ..................................................... 84<br />

Der Gebäudeentwurf ................................................................... 85<br />

Außenwände ............................................................................... 86<br />

Gezimmerte Dächer ..................................................................... 93<br />

Unterspannbahnen ...................................................................... 97<br />

Flachdächer als Warmdach......................................................... 100<br />

Umkehrdächer ........................................................................... 104<br />

Flachdächer mit Kaltdachraum ................................................... 104<br />

Attiken bei Flachdächern ............................................................ 104<br />

Durchgänge bei Flachdächern .................................................... 105<br />

Strömungen in und an Gebäuden ............................................... 105<br />

Geneigte Dächer ....................................................................... 107<br />

Gebäudeecken .......................................................................... 108<br />

Strömungen in Fensterfälzen ...................................................... 108<br />

Türanschläge ............................................................................ 109<br />

Offene Feuerstellen ................................................................... 110<br />

Strömungen im Städtebau ......................................................... 111<br />

Der Coandaeffekt ...................................................................... 111<br />

Kellergeschosse, energetische Betrachtungen ............................. 111<br />

Heiztechnik ............................................................................... 113<br />

Beschreibung und Wirkung konvektiver Heiztechniken ................. 115<br />

Luftdichte Bauweisen und kontrollierte Lüftung ........................... 118<br />

Radon ....................................................................................... 119<br />

Die Temperierung ...................................................................... 120<br />

Die Kosten einer Temperieranlage .............................................. 122<br />

Die Trägheit von Temperieranlagen ............................................ 122<br />

Das erhöhte Temperaturgefälle in der Außenwand ...................... 123<br />

Regelung von Temperieranlagen ................................................ 123<br />

Fehlende Normung und Berechnungen ....................................... 124<br />

Verschattung durch Möbel ......................................................... 125<br />

Temperieranlagen in Altbauten ................................................... 125<br />

3


Die Hypokaustentechnik............................................................. 126<br />

Glas ist ein besondrer Saft ......................................................... 127<br />

Wandheizungen und Einscheibenverglasungen ............................ 129<br />

Anstriche .................................................................................. 135<br />

Der Energiebilanzwert (Φb) ........................................................ 137<br />

Das Wetter als chaotischer Vorgang ........................................... 137<br />

Probleme bei der Ermittlung von (Φb) ........................................ 141<br />

Künftige Bedeutung des U-Wertes .............................................. 141<br />

Technische Folgerungen aus dem Energiebilanzwert (Φb) ............ 141<br />

Die Thermosfassade .................................................................. 142<br />

Weitere Entwicklung energieeinsparender Bauweisen .................. 148<br />

Energieeinsparende Fassadenanstriche ....................................... 151<br />

Schall ....................................................................................... 152<br />

Luft- und Trittschallschutz im Gebäude ....................................... 155<br />

Schallschutz bei Fenstern ........................................................... 158<br />

Raumakustik ............................................................................. 159<br />

Elektrosmog .............................................................................. 159<br />

Schlussbemerkung..................................................................... 160<br />

Glossarium und Personen ........................................................... 161<br />

Verwendete Literatur (Auswahl) ................................................. 173<br />

4


Vorwort<br />

Diese Schrift wendet sich an Fachkollegen aus der <strong>Architekt</strong>enzunft und an Bauherren,<br />

die genauer wissen wollen, warum ihr <strong>Architekt</strong> bestimmte Konstruktionen<br />

plant und bauen lässt. <strong>Architekt</strong>en sollen angeregt werden, die Bearbeitung<br />

bauphysikalischer Fragen als normale Alltagsarbeit zu begreifen und nicht als<br />

Geheimwissenschaft, die man den Experten überlässt. Der anspruchsvolle Titel<br />

„Eine neue Bauphysik“ wurde gewählt, weil die Normen, die bestimmte<br />

Techniken empfehlen und die irrtümlich für Bauvorschriften 1 gehalten werden,<br />

im Verlaufe der Bauentwicklung seit Ende des II. Weltkrieges mehr und mehr<br />

unter den Einfluss der Industrie geraten sind und unübersehbar geworden ist,<br />

dass naturwissenschaftliche Erkenntnis dann geopfert wird, wenn sie den<br />

wirtschaftlichen Interessen der Industrie im Wege steht. Ein schlagendes<br />

Beispiel für diese unheilvolle Entwicklung ist die im Februar 2002 in Kraft<br />

getretene Energieeinsparverordnung (EnEV). 2 Im Grunde ist bei meinen<br />

Darlegungen kaum etwas neu, auch wenn das manches Mal so erscheinen<br />

sollte. Neu ist allerdings, dass ich mir die Freiheit nehme, die offizielle „alte“<br />

Bauphysik kritisch zu beleuchten und Erkenntnisse zu vermitteln suche, die<br />

manchem, der in alten Gleisen gefahren ist und den Normen vertraut hat,<br />

neuartig und sogar suspekt vorkommen müssen.<br />

Ich werde die übliche Wissenschaftssprache 3 vermeiden. Ich halte sie für eine<br />

Fehlentwicklung der deutschen Sprache. Die weitergehende Forschung mag<br />

den hier behandelten Gegenstand im Einzelnen auszuarbeiten. Ich hoffe, dass<br />

die bisher auf diesem Gebiet tätigen Forschungseinrichtungen sich einer gewissen<br />

Zurückhaltung befleißigen, da auch ihnen zu verdanken ist, dass seit mehr<br />

als dreißig Jahren Irrtümer verbreitet werden, die hätten vermieden werden<br />

können, wenn nicht sachfremde Einflüsse 4 aus Industrie und Politik ein Übergewicht<br />

gewonnen hätten 5 . Der hierdurch angerichtete Schaden kann kaum mehr<br />

wieder gut gemacht werden. Großer Schaden ist auch dadurch entstanden, da<br />

die aus dem Ruder gelaufene Forschung sinnvolle Entwicklungen der Baukunst<br />

verhindert hat.<br />

Mit dieser Schrift verbinde ich die Hoffnung, dass <strong>Architekt</strong>en dazu angeregt<br />

werden, selbstverantwortlich nachzudenken und dass Normen nicht mehr als<br />

Kochbuchrezept angewendet werden.<br />

1 Soweit sie nicht ausdrücklich zum Gegenstand der Bauordnungen gemacht worden sind.<br />

2 Die EnEV ist, berücksichtigt man, dass sie schon in ihren Grundansätzen falsch ist, letztlich nur eine<br />

Verkaufshilfe der Dämmstoffindustrie.<br />

3 Fachausdrücke werden kursiv gedruckt und im Glossar erklärt.<br />

4 Die sog. „Drittmittel“, die heute Grundbedingung der universitären Forschung sind und von der Industrie<br />

kommen, haben im Bauwesen zu einer Abkehr von zweckfreier Forschung geführt.<br />

5 Leider hat es auch die medizinisch – physiologische Forschung bisher versäumt, ihren Beitrag zum Bauwesen<br />

zu leisten, obwohl die Qualität unserer Behausungen von großer Wirkung auf den Gesundheitszustand<br />

des Menschen ist.<br />

5


Was ist eigentlich Bauphysik?<br />

Das wesentlichste Kennzeichen der Bauphysik ist ihre Ungenauigkeit und ihre<br />

Beschränkung auf wenige, physikalisch behandelbare, Vorgänge an Bauwerken,<br />

die allerdings sehr komplex sind.<br />

Das sind:<br />

Energetische Vorgänge an und im Gebäude, der Einfluss des Wassers in allen<br />

Aggregatzuständen, die Ein- und Auswirkungen des Wetters, und hier, als Neuigkeit<br />

eingeführt, die Wärmestrahlung, die bisher kaum Gegenstand bauphysikalischer<br />

Betrachtungen war. Dass Gebäude fast immer dem Aufenthalt von<br />

Menschen dienen, wurde in der „offiziellen Bauphysik„ eher als störend empfunden<br />

und daher kaum berücksichtigt. Ich behandle daher auch die Physiologie<br />

des Menschen.<br />

Behandelt werden auch Strömungsvorgänge an Bauwerken, ein bisher nur stiefmütterlich<br />

behandeltes Gebiet. Es ist erstaunlich, in welch vielfältiger Weise sich<br />

Strömungsvorgänge an Bauwerken auswirken.<br />

Da ich selbst seit 1967 den Beruf des <strong>Architekt</strong>en ausübe, kenne ich die Schwierigkeiten<br />

meiner Kollegen bei der Behandlung bauphysikalischer Fragen. Da<br />

spielen Zeitmangel, Stress und Verunsicherung durch unterschiedlichste Meinungen,<br />

die Industriewerbung, die nur selten sachlich, häufig von den Methoden<br />

der Waschmittelwerbung geprägt ist, eine verhängnisvolle Rolle. Die Misere<br />

beginnt bereits beim Studium der <strong>Architekt</strong>ur, wo Vorlesungen über Bauphysik<br />

eine stiefmütterlich behandelte Randerscheinung sind 6 . Mir scheint außerdem,<br />

dass die <strong>Architekt</strong>urlehrer sich auf die Erklärung der geltenden Normen beschränken.<br />

Wie ich von meinen Praktikanten höre, rücken die technischen Fächer<br />

der Baukunst in den Hintergrund, Bauphysik und Baukonstruktion also das<br />

„Gewusst – Wie“, das handwerkliche Fundament der Baukunst, verkümmern zu<br />

Nebenfächern, die in den Entwurfssemestern nicht mehr behandelt werden. 7<br />

Der <strong>Architekt</strong>, der sich in den vergangenen Jahrzehnten vom Allroundfachmann<br />

zum Verteiler von Spezialaufgaben entwickelt hat, übergibt – seine eigenen<br />

Wissenslücken richtig einschätzend - die bauphysikalischen Probleme dem Spezialisten,<br />

dem hauptamtlichen Bauphysiker. Der wiederum arbeitet streng nach<br />

Norm, denn auch er hat es nicht besser gelernt. Schon zur Vermeidung von<br />

Haftungsrisiken sind die Normen 8 für den hauptberuflichen Bauphysiker die wesentliche<br />

Richtschnur.<br />

6 Daran hat sich auch nach vierzig Jahren offenkundig nichts zum Besseren verändert. In einem mir<br />

vorliegenden Skript der Gesamthochschule Kassel aus dem Jahr 2001 wird das Thema ebenso dilatorisch<br />

behandelt, wie ich es als Student in den späten 50er Jahren erlebt habe. Auch meine Praktikanten<br />

wissen nichts Besseres zu berichten.<br />

7 Daher fallen vom neugebauten Hauptbahnhof in Berlin tonnenschwere Stahlträger, wenn sie vom<br />

8<br />

Wind angeblasen werden.<br />

Allerdings ist auch das eine Fehleinschätzung, da Normen ja nur Empfehlungscharakter haben und<br />

keineswegs den Planer aus der eigenen Verantwortung befreien können. Im „Meersburger Urteil“ hat<br />

dies das Bundesverwaltungsgericht auch ausdrücklich festgestellt und darüber hinaus im Normenwerk<br />

einen übermäßigen Einfluss der betroffenen Industrie erkannt.<br />

6


Ganz schlimm wird es, wenn ein <strong>Architekt</strong> seine Spezialprobleme einem sog.<br />

„Energieberater“ anvertraut. Diese sind in der Regel Amateure, denen fundierte<br />

physikalische und mathematische Kenntnisse völlig fehlen. Ihre Funktion<br />

besteht nicht etwa darin, einen sinnvollen Rat zu erteilen sondern darin, die<br />

Energieeinsparungsverordnung (EnEV) zu vollstrecken. Verfolgt man die<br />

Karrieren der Energieberater, bietet sich ein ziemlich einheitliches Bild: In der<br />

Regel sind das gescheiterte Existenzen, die entweder ganz oder teilweise von<br />

der „Energieberatung“ leben. Sie absolvieren obskure Kurse, bei denen sie<br />

darauf getrimmt werden, die EnEV umzusetzen. Eine schöpferische<br />

Ingenieurleistung findet da nicht statt. Statt dessen werden vorgefertigte<br />

Programme in den Computer geschoben, der dann nach wenigen Sekunden<br />

zwanzig Seiten bedrucktes Papier ausspuckt und eine Empfehlung, am Gebäude<br />

Aussendämmungen anzubringen.<br />

Verhängnisvoll sind zurzeit auch die Katastrophenszenarien, die zur Ausbildung<br />

einer Klimakatastrophenhysterie geführt haben und die sich nun auch auf das<br />

Bauwesen auswirken. Eine sachliche Erörterung diesbezüglicher Probleme ist<br />

kaum mehr möglich. Skeptiker handeln sich den Titel „Klimaleugner“ 9 ein. Eine<br />

derartige Wortwahl diente in alten Zeiten der Vorbereitung von Pogromen und<br />

Hexenverfolgung. Mit sauberer Wissenschaft hat das nichts mehr zu tun.<br />

„Eine neue Bauphysik“ ist von einem <strong>Architekt</strong>en für <strong>Architekt</strong>en geschrieben.<br />

Daher ist sie kein wissenschaftliches Werk, auch wenn sie sich auf wissenschaftlicher<br />

Grundlage bewegt. Die Erfahrungen aus der Praxis, die in vielen<br />

Fällen erheblich von den normenmässigen Berechnungsergebnissen abweichen,<br />

sind wesentlicher Bestandteil dieser Schrift. Bauphysik ist keine Geheimwissenschaft.<br />

Ein <strong>Architekt</strong> kann und soll die bauphysikalischen Bedingungen selbst<br />

beherrschen. Der rechnerische Aufwand ist überschaubar und kann auch von<br />

schlechten Mathematikern beherrscht werden. Der <strong>Architekt</strong> soll auch wieder<br />

Vertrauen in sein eigens und vom Berufsleben geprägtes bauphysikalisches<br />

Gefühl entwickeln. Dann kann er bereits in der Entwurfsarbeit die<br />

bauphysikalischen Forderungen sinnvoll umzusetzen.<br />

Eine der wichtigsten Einsichten, die ich vermitteln will, ist, dass die energetischen<br />

Vorgänge am Gebäude ganz überwiegend vom Wetter und von Strahlungsvorgängen<br />

an und außerhalb der Gebäudeoberfläche bestimmt sind. Hierzu<br />

gehört auch die Erkenntnis, dass Gebäude – wetter- und jahreszeitlich bedingt<br />

– sich in einem Umfeld befinden, das ständigen und manchmal sehr erheblichen<br />

Veränderungen unterworfen ist. Den in den Normen vorausgesetzten<br />

„stationären Zustand“ gibt es nicht. Über diesen leicht einsehbaren Sachverhalt<br />

setzen sich die Normen hinweg, im wesentlichen deshalb, weil bauphysikalische<br />

Vorausberechnungen unter der Annahme eines instationären Zustandes,<br />

der zudem – weil vom Wetter bestimmt – chaotisch ist, nur schwer möglich<br />

sind. Eine Norm, bei der nichts gerechnet werden kann, wäre ein Widerspruch<br />

9 So Prof. Rahmsdorf vom Institut für Klimafolgenforschung in Potsdam.<br />

7


in sich. Daher ist auch nicht zu erwarten, dass es jemals Normen geben wird,<br />

die die wirklichen Randbedingungen berücksichtigen. Insofern haben wir uns<br />

mit der Fehlerhaftigkeit der Normen auch in fernerer Zukunft abzufinden 10 . Dies<br />

ist Grund genug, bei der Anwendung von Normen sich stets zu vergegenwärtigen,<br />

dass sie fehlerhaft sein können. Weil dies so ist, haben die Gerichte auch<br />

entschieden, dass die Einhaltung von Normen den Planer nicht von der eigenen<br />

Verantwortung freistellt. 11 Ebenso sieht das der Deutsche Normenausschuss,<br />

der seine Normen als unverbindliche Handlungsanweisungen bezeichnet, die<br />

den Anwender nicht von der eigenen Verantwortung freistellen. Das erinnert an<br />

die Sprüche der pharmazeutischen Industrie: „wegen Risiken und<br />

Nebenwirkungen......“<br />

Ganz absichtlich handelt es sich hier um kein trockenes Fachbuch. Aus eigener<br />

Erfahrung weiß ich, dass man nach einem anstrengenden Arbeitstag keine Lust<br />

mehr hat, sich mit Berechnungsformeln und hochwissenschaftlichen Texten<br />

abzuplagen. Nach längstens fünf Minuten ist da der Leser sanft entschlummert.<br />

Daher habe ich versucht, das Thema unterhaltsam aufzubereiten. Gelegentliche<br />

Abschweifungen in die Politik halte ich für zulässig und auch für erforderlich.<br />

Bauphysik hat auch mit dem Menschen zu tun. Darin unterscheidet sie sich von<br />

der „klassischen Physik“ grundlegend. Wir müssen uns also von vorneherein<br />

darüber einig sein, dass Gebäude dem Menschen dienen, somit auch bauphysikalische<br />

Überlegungen und die daraus entstehenden Lösungen immer daran<br />

überprüft werden müssen, ob sie dem Menschen nützen oder schaden. Daher<br />

beschäftige ich mich zunächst mit dem Menschen.<br />

Der Mensch<br />

Der Mensch ist das Ergebnis einer millionenjährigen Evolutionsgeschichte, die,<br />

soweit hier von Belang, damit begonnen hat, dass ein Lebewesen aus dem<br />

Wasser gekrochen ist und beschlossen hat, fürderhin sein Dasein auf dem Land<br />

zu fristen. Damit trat ein grundlegender Wandel in den Umweltbedingungen<br />

ein. Von der Kiemenatmung stellte es sich auf Lungenatmung um. Die bis dahin<br />

gleichmäßige Umgebungstemperatur war nun einem ständigen Wechsel unterworfen.<br />

Die Temperatur der Luft wechselte in Abhängigkeit von Tag und Nacht,<br />

10<br />

Immer wieder findet man Versuche von Physikern und aus nicht nachvollziehbaren Gründen auch von<br />

Maschinenbauern, bauphysikalische Berechnungen durchzuführen, die von dem Willen durchdrungen<br />

sind, die Problematik mathematisch in den Griff zu bekommen. Betrachtet man die Ergebnisse genauer,<br />

stellt man fest, dass mit stationären Randbedingungen und unzulässigen Vereinfachungen gerechnet<br />

wird, die der Wirklichkeit nicht entsprechen. Ohne die Spur eines Beweises, der eigentlich zu derartigen<br />

Berechnungen – wenn man sie schon macht – gehört, wird lediglich behauptet, dass auch unter<br />

den falschen Annahmen das Ergebnis richtig und verallgemeinerungsfähig sei. Die etwas ehrlicheren<br />

dieser Rechenkünstler weisen darauf auch hin, wiegeln aber im gleichen Atemzuge damit ab, dass die<br />

Genauigkeit der Rechenergebnisse hinreichend sei.<br />

11 Allerdings sollten die Richter in Bauschadensprozessen endlich auch davon abrücken, dass immer<br />

dann, wenn ein Sachverständiger einen Verstoß gegen Normen feststellt, sie einen Anscheinsbeweis<br />

für das Fehlverhalten des Planers oder Handwerkers für gegeben sehen. Das wäre die konsequente<br />

Schlussfolgerung aus der normenkritischen Rechtsprechung der Bundesgerichte.<br />

8


unser Vorfahr war einer heftigen Sonnenbestrahlung ausgesetzt, in Breiten außerhalb<br />

der äquatorialen Zonen gab es den Jahreszeitenwechsel mit lang anhaltenden<br />

Klimaveränderungen, in langen Zeiträumen wechselten Eis – und Warmzeiten<br />

miteinander ab. Mit all dem mussten nun die Landtiere fertig werden. Die<br />

unbarmherzigen Gesetze der Evolution sorgten dafür, dass schlecht funktionierende<br />

Überlebensstrategien untergingen. Nur gute Lösungen hatten eine Überlebenschance.<br />

Unter den guten Lösungen wurden die weniger guten ausgemerzt.<br />

Die Wassertiere hatten sehr gleichmäßige Umweltbedingungen. Die Temperatur<br />

des Wassers blieb im Wesentlichen immer gleich, Temperaturschwankungen erfolgten<br />

sehr langsam, weil Wasser eine hohe Wärmekapazität hat, die höchste,<br />

die es in der Natur überhaupt gibt. Nennenswerte Temperaturänderungen gab<br />

es nur in den oberen Wasserschichten, die Temperatur des Tiefenwassers blieb<br />

gleich. Daher übernahmen die Wassertiere die Wassertemperatur als eigene<br />

Körpertemperatur, was unter dem Gesichtspunkt des geringstmöglichen Energieverbrauchs<br />

die wirtschaftlichste Lösung war. So ist dies bei den Fischen und<br />

den sonstigen im Wasser lebenden Organismen bis heute geblieben 12 und es<br />

deutet nichts darauf hin, dass die Evolution hier noch einen Verbesserungsbedarf<br />

sieht. 13<br />

An Land teilten sich die Wege der Evolution. Die konservativeren Wirbeltiere<br />

blieben bei der Gewohnheit, ihre Körpertemperatur den Umgebungsbedingungen<br />

anzupassen. Hieraus entstanden die wechselwarmen Tiere, also Lurche und<br />

Reptilien. Dies hatte zur Folge, dass sie in Zeiten hoher Lufttemperaturen und<br />

vor allem der erheblich energiehaltigeren Sonneneinstrahlungen die erforderliche<br />

Aktivitätswärme hatten. Blieb diese Energiezufuhr jedoch aus, verfielen sie<br />

in eine Kältestarre, bei der sie inaktiv waren. Einige entwickelten hierbei die Gewohnheit,<br />

sich rechtzeitig einzugraben, andere lagen starr und unbeweglich in<br />

der Gegend herum, gleichsam als tiefgekühlter Fleischvorrat für auch schon<br />

vorhandene Warmblüter. Damit war eine ökologische Nische gebildet, die<br />

natürlich von Mitbewerbern sofort ausgefüllt wurde.<br />

Gleichzeitig entwickelten sich nämlich Tiere, die ihren Energiehaushalt selbst in<br />

die Hand nahmen und die sich von den Umgebungsenergien unabhängig machten.<br />

Die Evolution beschritt somit gleichzeitig einen zweiten Weg. Die hierbei<br />

betroffenen Tiere entwickelten eine Regeltechnik, die zur Aufrechterhaltung einer<br />

gleich bleibenden Körpertemperatur führte. Die günstigste Körpertemperatur<br />

wurde hierbei gleich mitentwickelt. Sie ermöglichte den höchsten Aktivitätsgrad<br />

und fand ihre Obergrenze dort, wo sich die Körpersubstanz zu zersetzen<br />

begann. 14 So kamen wir zu der bei nahezu allen Warmblütern gleichen Körper-<br />

12 Ausgenommen sind hiervon die ins Wasser zurückgekehrten Warmblüter.<br />

13 Bei der Anpassung an die Wassertemperatur ist die Natur rigoros. So haben Forscher an der Universität<br />

Regensburg herausgefunden, dass es Bakterien gibt, die in kochend heißem Wasser leben.<br />

14 Wenn Sie genügend Zeit haben, legen Sie mal ein Rindersteak in die Pfanne, die nie wärmer als 40 °C<br />

wird. Nach etwa sechs Stunden haben Sie ein zartes, rosa gefärbtes Steak, wie Sie es in einer Gaststät-<br />

9


temperatur von etwa 37 °C, die nicht mehr verändert wurde. Die Regelungsimpulse<br />

führten zu einer Verstärkung oder Verminderung der körpereigenen Verbrennungsprozesse,<br />

mit denen Schwankungen der Umgebungsenergien ausgeglichen<br />

wurden.<br />

Was wirkte nun aber auf die Sensoren 15 der Regelung ein? Da war die Temperatur<br />

der Umgebungsluft, mal wärmer, mal kälter als der Tierkörper, wobei die<br />

kühlende oder wärmende Wirkung sehr erheblich durch die Windgeschwindigkeiten<br />

bestimmt wurde. Die Schwankungen in der Energiezufuhr oder dem<br />

Energieabtrag waren groß. Da war aber vor allem die Einstrahlung aus der Sonne,<br />

deren Energiebetrag bei weitem überwog und die stetig und mit geringfügigen<br />

Schwankungen stattfand. Der Energieumsatz aus der Einstrahlung war im<br />

tages- und jahreszeitlichen Verlauf verlässlich und somit eine Umweltbedingung,<br />

mit der die Evolution etwas anfangen konnte. Das tat sie dann auch. Das<br />

endogene Regelungssystem, das ja zuverlässig und wirtschaftlich sein musste,<br />

wurde prinzipiell auf Strahlungsvorgänge eingestellt, es übernahm also das, was<br />

die Reptilien und Lurche auch betrieben, allerdings im Hinblick auf die sehr vorteilhafte<br />

Daueraktivität gepaart mit einer geregelten Verbrennung zur Aufrechterhaltung<br />

der günstigsten Körpertemperatur. In dieser Phase bildete sich auch<br />

die innere Uhr der Lebewesen aus, die bis heute ein sehr verlässlicher Teil des<br />

Regelungsmechanismus ist. Sie ist genau an den Zeittakt angepasst, der auch<br />

die klimatischen Randbedingungen bestimmt. Der Verbrennungsmechanismus<br />

war jedoch verhältnismäßig träge und daher ungeeignet, plötzliche Änderungen<br />

der Lufttemperatur abzufangen. Daher entwickelten die Warmblüter noch eine<br />

weitere Technik der Temperaturerhaltung mit einfachen mechanischen Verfahren.<br />

Sie entwickelten ein Haar- oder Federkleid, das sie geometrisch verändern<br />

konnten. Wenn sie es sträubten, vergrößerte sich das vom Fell eingeschlossene<br />

Luftpolster, das eine wärmedämmende Wirkung hatte. Wie bei den heutigen<br />

Dämmstoffen auch, führte diese Technik zur Erhaltung des Energieniveaus im<br />

von Auskühlung bedrohten Körper. Die energetische Körperoberfläche, die<br />

Haut, wurde von der schnell strömenden Luft nicht erreicht. Somit verminderte<br />

sich auch der konvektive Energieabtrag an der Hautoberfläche.<br />

Ganz raffiniert und ausgeklügelt ist hierbei das Fell der Eisbären. Es besteht aus<br />

röhrenförmigen Haaren, die das einfallende Sonnenlicht auf die Haut leiten. Die<br />

Haut wiederum ist schwarz und damit ein guter Absorber.<br />

Bei größerem Energieverlust, der Auskühlung bewirkt hätte, erhöhten die Tiere<br />

die körperliche Aktivität, z.B. durch das Kältezittern.<br />

Bei übergroßem Energieeintrag wurde die körperliche Aktivität vermindert. Das<br />

Hecheln wurde erfunden, das zur erhöhten Energieabfuhr führte. Da die Tiere<br />

te nie bekommen werden.<br />

15 Zu jedem Regelungssystem gehört ein System von Messfühlern.<br />

10


eweglich waren, suchten sie schattige und kühle Plätze auf, flüchteten sich ins<br />

Wasser oder in Höhlen, andere gruben sich kurzerhand ein. Da sich das Leben<br />

auf dem Land – wie wir heute wohl richtig vermuten – in den äquatornahen<br />

Breiten entwickelt hat, ist auch erklärlich, dass auch heute noch die Techniken,<br />

die vor Überhitzung schützen sollten, bei weitem besser ausgebildet sind als die<br />

Techniken zur zusätzlichen Energiegewinnung in kalten Zonen.<br />

Durch ihre stets mögliche Aktivität waren die Warmblüter den wechselwarmen<br />

Tieren überlegen. Offensichtlich waren sie auch intelligenter. So führten sie die<br />

Brutpflege ein 16 , entwickelten hierbei soziales Verhalten, das eine höchst nützliche<br />

Gruppenbildung ermöglichte. Die endogene Temperaturregelung befähigte<br />

sie außerdem, für wechselwarme Tiere unwirtliche Zonen zu besiedeln. Als entscheidender<br />

Vorteil stellte sich heraus, dass sie gegenüber Klimaveränderungen<br />

widerstandsfähig waren.<br />

Die wechselwarmen Tiere, die im Wettbewerb mit den Warmblütern standen –<br />

jene hatten damals etwa Rattengröße – lösten das Problem einer möglichst guten<br />

Aktivitätstemperatur durch Massenzuwachs. Grosse Massen haben eine<br />

relativ geringe Oberfläche und können entsprechend viel Energie speichern und<br />

daher auch kurzfristige Kältezeiten überbrücken. So entstanden die Dinosaurier.<br />

Ob nun die Klimaänderung vor etwa 65 Millionen Jahren auf einen<br />

Asteroideneinsturz zurückzuführen ist oder ob es sich um eine normale<br />

periodische Veränderung des Klimas gehandelt hat, kann dahingestellt bleiben.<br />

Jedenfalls war die Klimaänderung, die zu einer Abkühlung des Weltklimas<br />

geführt hat, zu abrupt, als dass sich die Saurier hätten anpassen können. Sie<br />

starben aus. Die Warmblüter hingegen überlebten, ja sie entwickelten sich von<br />

da ab zu einer großen Vielfalt und besiedelten den ganzen Erdball. Die<br />

endogene Energieregelung hatte sich außerordentlich gut bewährt, sodass sie<br />

beibehalten und verfeinert wurde.<br />

Nur die Vögel, eine Seitenlinie der Dinosaurier, haben überlebt. Das zunächst<br />

nur dem Fliegen dienende Federkleid erwies sich wegen seiner<br />

wärmerückhaltenden Wirkung auch sonst als nützlich. 17 Die Vögel nutzten diese<br />

Gelegenheit sinnvoll dadurch, dass auch sie sich zu Warmblütern entwickelten.<br />

Die Lurche zogen sich wieder ins Wasser zurück. Von den Reptilien blieben<br />

wenige, die wärmere Rückzugsgebiete fanden, übrig. Die Dinosaurier erwiesen<br />

sich letztlich als energetische Fehlkonstruktion. Befanden sie sich in<br />

16 Die höchste Stufe dieser Entwicklung erreichten die Säugetiere und der Mensch. Siehe auch: Prof.<br />

Sarah Blaffer Hrdy, Mutter Natur, die weibliche Seite der Evolution, Berliner Taschenbuch Verlag<br />

2002.<br />

17 Das ist meine eigene Hypothese. Die Frage nämlich ob – wie ich vermute – erst das Federkleid da<br />

war, und sich sodann die Warmblütigkeit entwickelt hat, oder ob es umgekehrt war, hat mir die<br />

Fachliteratur noch nicht beantworten können. Wenn es zutrifft, dass sich die Federn aus dem Schuppenkleid<br />

der Reptilien entwickelt haben, dürfte meine These stimmen. Zumindest die Frage, ob nämlich<br />

erst die Henne und dann das Ei da waren, ist zugunsten des Eis gelöst. Denn die Dinosaurier waren<br />

Eierleger oder seltener sogar Lebendgebärer.<br />

11


Kältestarre, wurden sie von den stets aktiven Warmblütern angeknabbert.<br />

Schließlich waren sie so massig geworden, dass der Energieverbrauch auf dem<br />

Weg zu neuen Futterplätzen größer war als die Energie, die sie dort aufnehmen<br />

konnten.<br />

Aus den Warmblütern entwickelte sich schließlich auch der Mensch, dessen<br />

früheste Reste in heute wie damals heißen Gebieten Afrikas gefunden werden.<br />

Er verbesserte die Energieregelung durch zwei Neuerungen. Durch den<br />

aufrechten Gang verkleinerte er die Einstrahlungsfläche und er verlor sein<br />

Haarkleid, als er sah, dass das Schwitzen eine sehr wirksame Methode der<br />

Abkühlung war. Nur das Kopfhaar behielt er bei, weil dieses die Einstrahlung<br />

auf den Schädel verminderte. Aber auch der Mensch behielt die einmal<br />

vorgefundene Energieregelung bei. Auch er richtete sich auf Wärmestrahlung<br />

ein und ebenso glich er Temperaturschwankungen der Umgebungsluft durch<br />

mechanische und zusätzliche Techniken aus. Diese verbesserte er im Laufe der<br />

weiteren zivilisatorischen Entwicklung bis zum heutigen Tage, wo er sich selbst<br />

in seinen Behausungen ein künstliches Raumklima schafft und seine<br />

Bekleidungstechniken dem Wetter anpasst.<br />

Für unser Thema ist bedeutend, dass bauphysikalische Betrachtungen, die den<br />

Menschen nicht mit einbeziehen, weitgehend sinnlos sind. Daran scheitern auch<br />

letztlich alle Versuche, Bauphysik berechenbar zu machen.<br />

Das Raumklima<br />

Die Evolution hat also dazu geführt, dass der Mensch ein bestimmtes<br />

Strahlungsklima benötigt. Empirisch kann gesagt werden, dass dieses<br />

Strahlungsklima dem eines angenehmen Sommertages gleichen soll. Ein<br />

derartiges Klima wird als behaglich und angenehm empfunden, weil es einem<br />

evolutionär entstandenen Grundbedürfnis des Menschen entspricht. Um es<br />

banal auszudrücken: Ein richtiges Strahlungsklima ist gesund. Abweichungen<br />

nach oben und unten empfindet der Mensch als unangenehm bis<br />

lebensbedrohend. Ein solches Klima macht krank. Die Schaffung eines in<br />

diesem Sinne „gesunden“ Raumklimas ist daher von großer Wichtigkeit.<br />

Auch der Mensch hat eine Energiebilanz. Er verliert somit Wärmeenergie an die<br />

Umgebung, wie er auch Energie aus der Umgebung aufnimmt. Im Ruhezustand<br />

verliert der Mensch etwa 120 W/h. Bei körperlicher Aktivität steigt diese<br />

Energieabgabe auf ein Mehrfaches. Die Energieabgabe verteilt sich<br />

folgendermaßen 18 :<br />

über die Atemluft 22 – 32 %<br />

durch Konvektion 26 – 30 %<br />

durch Abstrahlung 40 – 50 %<br />

Die Energieaufnahme verhält sich bei einem guten Raumklima so, dass der<br />

Energieeintrag durch Strahlung den Wert 90% annimmt, der Rest von 10 %<br />

18 Quelle: Friedrich Eichler, Bauphysikalische Entwurfslehre, VEB Verlag für Bauwesen, Berlin, 1968<br />

12


durch Konvektion, wobei über die Atemluft überhaupt kein Energieeintrag<br />

stattfindet, solange die eingeatmete Luft kühler als die Körpertemperatur ist.<br />

Das Wohlbehagen stellt sich ein, wenn die von den Umgebungsflächen eines<br />

Raumes abgehende Wärmestrahlung etwa 390 W/m² beträgt, wobei dieser<br />

Wert je nach der Größe strahlender Flächen nach oben und unten schwankt.<br />

Dieser Wert wird bei Wandoberflächentemperaturen von 20 bis 21 °C erreicht. 19<br />

Bei konvektiven Heizungssystemen stellt sich diese Wandtemperatur erst bei<br />

Lufttemperaturen von 25 – 27 °C ein. Somit besteht bei derartigen<br />

Heiztechniken das Dilemma, dass das richtige Strahlungsklima mit überhitzter<br />

Raumluft erkauft werden muss. Entschieden besser sieht es bei<br />

Strahlungsheizungen 20 aus, da hier die Lufttemperatur immer deutlich unter der<br />

Wandtemperatur liegt.<br />

Zu einem bekömmlichen Raumklima gehört letztlich auch eine richtige<br />

Luftfeuchte, die empirisch mit 40 – 55 % relativer Luftfeuchte angenommen<br />

werden kann. Bei darüber liegender Luftfeuchte stellt sich ein dumpfes und<br />

muffiges Raumklima ein, die Wärmeregulierung durch Schwitzen ist behindert.<br />

Bei deutlich niedrigeren Luftfeuchten kommt es zur Austrocknung der<br />

Schleimhäute mit allen unangenehmen Begleiterscheinungen, insbesondere<br />

aber auch dazu, dass sie ihre Fähigkeit verlieren, Keime, Staubpartikel,<br />

Kleinstlebewesen wie Staubmilben, deren Exkremente und sonstige<br />

Luftverunreinigungen abzufangen und unschädlich zu machen 21 . Trockene Luft,<br />

wie sie bei konvektiven Heizsystemen unvermeidbar ist, ist daher auch die<br />

Hauptursache der winterlichen Erkältungskrankheiten 22 .<br />

Die „neue Bauphysik“ wird dies berücksichtigen. Dies bedeutet auch eine<br />

vollkommene Veränderung der in den Normen enthaltenen Betrachtungsweise.<br />

Die Norm kennt den Begriff „Raumklima“ nicht. Sie betrachtet ausschließlich die<br />

Temperatur der Raumluft. Das alles entscheidende Strahlungsklima, das, wie<br />

noch gezeigt werden wird, eine richtige Lufttemperatur und Luftfeuchte<br />

selbsttätig bewirkt, ist nicht Gegenstand der Norm. Die DIN 4108 betrachtet ein<br />

Gebäude nur als Warmluftbehälter 23 . Da dies so ist, ist die Norm auch kaum<br />

verbesserungsfähig. Sie muss daher, soweit sie die Raumbeheizung behandelt,<br />

abgeschafft werden. Die Anwendung der DIN 4108 ist nach meiner Auffassung<br />

19<br />

20<br />

21<br />

Dies gilt für Wände mit einem Strahlungskoeffizienten von ca. 95%, wie dies bei normalen verputzten<br />

Innenwänden mit hellen Anstrichen der Fall ist.<br />

Hierzu gehört die Temperiermethode, die der Verfasser selbst anwendet und die in seiner Schrift „Die<br />

Temperierung“, Eigenverlag Berlin, 2001 ausführlich beschrieben und begründet ist.<br />

So unappetitlich dies auch klingen mag: Denken sie bei dieser Gelegenheit einfach mal an den<br />

Nasenrotz.<br />

22 Daher sind diese Erkältungskrankheiten in Wirklichkeit Beheizungskrankheiten.<br />

23 Besonders extrem wird dies bei der sog. „Passivhausbauweise“ sogar absichtlich zum<br />

Konstruktionsprinzip erhoben.<br />

13


ein Verstoß gegen die Regeln der Baukunst und birgt somit ein Haftungsrisiko<br />

für den Planer in sich. Dies ist auch keineswegs neu. Spätestens seit Friedrich<br />

Eichler in den Sechzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts die<br />

„Bauphysikalische Entwurfslehre“ veröffentlicht hat, ist dies bekannt. Am Ende<br />

dieses Kapitels soll er daher zitiert werden:<br />

„Der Mensch strahlt nicht nur Wärme ab, er empfängt auch Wärmestrahlung aus der<br />

Umgebung. Sein Körper nimmt Strahlungswärme gern auf. Es entsteht ein ausgesprochenes<br />

Wohlbefinden, wenn die nötige Wärme dem Körper durch Strahlung zugeführt wird und die Luft<br />

kühl genug ist, um einen Wärmestau zu verhüten. (Winterliche Besonnung im Hochgebirge).<br />

Beim „Tanken“ von Sonnenwärme kann die Wärmeabstrahlung des Körpers bis auf Null<br />

sinken 24 .<br />

Ist die zugeführte Wärme dagegen an Luft gebunden, so wird sie weniger vertragen.<br />

Warmfeuchte Luft, die eine Abkühlung des Körpers durch Verdunstung von Schweiß behindert,<br />

wird als ermüdend und unbehaglich empfunden. Ein physiologisch günstiges Raumklima wird<br />

dem Menschen dann geboten, wenn die Raumflächen hohe Oberflächentemperaturen<br />

aufweisen. (Etwa um 17 °C), die Luft selbst kühl ist und ein optimales Strahlungsgleichgewicht<br />

mit Hilfe zusätzlicher Strahlungswärme 25 erzielt wird. Unter diesen Bedingungen kann auch der<br />

geschlossene Raum reichlich gelüftet werden, ohne dass unerwünschte Abkühlungen eintreten.<br />

Ist die Wärme an die Luft selbst gebunden, die ihrerseits erst die Raumflächen langsam<br />

erwärmen muss, so bedeutet jedes Lüften einen fühlbaren Wärmeverlust und ein<br />

Strahlungsgleichgewicht ist nicht erreichbar. Unsere Heizungssysteme, insbesondere die<br />

üblichen Luftkonvektoren, sind weit davon entfernt, physiologisch optimale Bedingungen für<br />

den Menschen im geschlossenen Raum herzustellen.“<br />

Soweit ein in den sechziger Jahren führender Bauphysiker. Es ist kaum<br />

verständlich, dass dennoch die Entwicklung der genormten 26 Bauphysik, der<br />

Bauweisen und der Heizungstechnik bis zum heutigen Tage ihren Irrweg nicht<br />

verlassen hat und dieser sogar mit nahezu fanatischem Eifer durch die staatlich<br />

finanzierten Forschungsinstitute verteidigt wird 27 .<br />

Globale Randbedingungen<br />

Der Planet Erde ist Teil des Sonnensystems. Er umkreist die Sonne auf einer<br />

elliptischen Bahn und dreht sich hierbei um eine gedachte und schräg zur<br />

Umlaufbahn stehenden Achse. Die Schrägstellung der Erdachse ist Ursache des<br />

jahreszeitlichen Klimawechsels. Die Rotation ist Ursache der<br />

Temperaturschwankungen im Tag-Nacht-Rhythmus.<br />

24 Hier irrt Eichler, da Wärmeabstrahlung erst dann aufhört, wenn die Strahlungsoberfläche beim abso-<br />

luten Nullpunkt angekommen ist.<br />

25 Wandheizungstechniken waren Eichler offensichtlich noch nicht bekannt.<br />

26 Normen sind keine Bauvorschriften. Sie haben nach den Veröffentlichungen des Deutschen Instituts<br />

für Normung nur Empfehlungscharakter. Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sind Normen<br />

von der Interessenlage der Wirtschaft und Industrie beeinflusst. Der Hinweis, man hätte normgemäß<br />

gebaut, ist kein Entlastungsbeweis gegen den Vorwurf einer Fehlplanung.<br />

27 Bei dieser Auseinandersetzung geht es schon längst nicht mehr um die Sache sondern darum, die wissenschaftliche<br />

Reputation zu retten, die bei den Befürwortern der EnEV aufs höchste gefährdet ist.<br />

14


Die Sonne<br />

Die Erde bewegt sich innerhalb der Sonnenwirkung und ist somit den<br />

Einflüssen aus der Sonne unmittelbar ausgesetzt. Der enge Kontakt zur Sonne<br />

wird an verschiedenen Naturerscheinungen sichtbar, so durch das Nordlicht,<br />

elektromagnetische Störungen, die zum Zusammenbruch von<br />

Kommunikationseinrichtungen und der Stromverteilungsnetze führen können,<br />

insbesondere jedoch durch den fortwährenden Empfang von Strahlungsenergie.<br />

Wie entscheidend dieser Einfluss ist, zeigt sich am Temperatursturz bei totalen<br />

Sonnenfinsternissen. Ebenso sind die grundlegenden breitengradabhängigen<br />

Klimaunterschiede ausschließlich eine Folge unterschiedlicher<br />

Einstrahlungsmengen. Mit Ausnahme der durch Kernenergie und Fusionsenergie<br />

bestimmten Prozesse ist der gesamte auf der Erde stattfindende Energieumsatz<br />

auf die eingestrahlte Sonnenenergie zurückzuführen.<br />

Luftmassen<br />

Eine weitere große Rolle für das Wettergeschehen spielen die ständig in<br />

Bewegung befindlichen Luftmassen, die von Zonen hohen in Zonen niedrigen<br />

Luftdrucks fließen. Hierbei wirkt sich die Erdrotation auf die Zugbahn aus. Die<br />

Corioliskraft führt zu gekrümmten Bahnen 28 . Insgesamt bewirkt die ständig in<br />

Bewegung begriffene Luft einen globalen Ausgleichseffekt, der in unseren<br />

Breiten zum „gemäßigten Klima“ führt.<br />

Sonneneinstrahlung<br />

Von ganz außerordentlicher Wirkung bei bauphysikalischen Prozessen ist die<br />

Sonneneinstrahlung. Hierbei haben wir zu unterscheiden zwischen<br />

unmittelbarer Sonneneinstrahlung bei wolkenlosem Himmel, der diffusen<br />

Einstrahlung bei bedecktem Himmel, die an allen Gebäudewänden gleich stark<br />

ankommt und der mittelbaren Strahlung aus der Gebäudeumgebung. Die<br />

Globalstrahlung, die als Durchschnitt aus diffuser und unmittelbarer<br />

Sonnenstrahlung definiert ist, hat folgende Werte, gemessen in W/m²<br />

(Mittelwerte) 29 über einen ganzen Tagesverlauf 30 :<br />

Ja. Feb. März Apr. Mai Juni Juli Aug. Sep. Okt. Nov. Dez.<br />

40 70 90 110 130 190 220 175 110 80 60 40<br />

Die in einer Anlage zur EnEV veröffentlichten Werte weichen hiervon<br />

geringfügig ab 31 . Dies sind ganz beachtliche Beträge an Energieeinstrahlung.<br />

28<br />

Wenn Sie auf einem Plattenteller ein Stück Papier auflegen, ihn in Betrieb setzen und sodann einen<br />

Bleistiftstrich in eine gleich bleibende Richtung ziehen, entsteht eine gekrümmte Linie. So etwa<br />

funktioniert die Corioliskraft.<br />

29 Quelle: www.wetterzentrale.de<br />

30 Für die Betrachtung der energetischen Vorgänge am Gebäude muss jedoch der Tag-Nachtrythmus berücksichtigt<br />

werden. Mit Durchschnittswerten kann man daher wenig anfangen.<br />

31 Diese Tabellen aus der DIN 4108 – 6 unterscheiden nach Himmelsrichtung und Neigungswinkel der<br />

bestrahlten Flächen und sind somit eine sehr gute Planungshilfe, wenn es darum geht, ein Gebäude so<br />

15


Ohne diese Einstrahlung befänden sich unsere Bauwerke in einer Umgebung<br />

mit einer Temperatur von 3 K über dem absoluten Nullpunkt, also bei 3 K 32 .<br />

Daran kann ermessen werden, von welch ausschlaggebender Bedeutung das<br />

globale Strahlungsklima ist. Ohne diesen Energieeintrag würden wir jämmerlich<br />

erfrieren 33 .<br />

Wie noch ausführlich dargestellt werden wird, findet der ganz überwiegende<br />

Teil der energetischen Prozesse an einem Gebäude an der Gebäudeoberfläche<br />

statt, so auch die Wärmeeinstrahlungen. Diese sind je nach Himmelsrichtung<br />

der Oberflächen und nach Dachneigung unterschiedlich, so dass sie auch<br />

getrennt ermittelt werden müssen.<br />

Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass nicht nur aus dem Weltraum, sondern<br />

auch aus der unmittelbaren Umgebung eines Gebäudes Einstrahlungen<br />

herkommen. Auch hier müssen wir uns klar machen, dass jede Oberfläche,<br />

deren Temperatur über dem absoluten Nullpunkt liegt, Wärmeenergie abstrahlt.<br />

<strong>Architekt</strong>en werden daher künftig die Umgebung eines Gebäudes zu<br />

untersuchen haben, um die Einstrahlungsmengen einigermaßen richtig<br />

einzuschätzen. Dass Umgebungsstrahlung von beachtlicher Bedeutung ist, weiß<br />

ein aufmerksamer Autobesitzer. Stellt er im Winter sein Fahrzeug vor einem<br />

Gebäude ab, sind die dem Gebäude zugewandten Scheiben und Blechflächen<br />

eisfrei, die abgewandten Seiten sind mit Reif beschlagen. Die vom Gebäude<br />

abgestrahlte Energie hat also ausgereicht, das Fahrzeug soweit zu erwärmen,<br />

dass Eisbildung unterdrückt wurde.<br />

Das Strahlungsgesetz von Stefan-Boltzmann<br />

Die naturwissenschaftliche Grundlage der Strahlungsprozesse ist das<br />

Strahlungsgesetz von Stefan – Boltzmann 34 . Die Grundformel, nach der die<br />

Strahlungsleistung (Energiestrom) berechnet wird, lautet:<br />

ΦS = 5,67 x ε x (T/100) 4 in Watt/m²<br />

Hierbei bedeuten:<br />

Φs<br />

Strahlungsenergiestrom<br />

ε Spezifischer Strahlungskoeffizient<br />

T Absolute Temperatur in Kelvin (K)<br />

5,67 Stefan-Boltzmann-Konstante<br />

Multipliziert man das gewonnene Ergebnis mit der Größe der Strahlungsfläche<br />

(A), erhält man die Strahlungsleistung der gesamten Wandoberfläche.<br />

zu entwerfen, dass es so gut wie möglich die Sonnenenergie verwertet.<br />

32 Das ist die derzeitige Temperatur der Hintergrundstrahlung im Weltraum.<br />

33 Genau genommen, wäre auf der Erde ohne die Sonneneinstrahlung Leben gar nicht entstanden.<br />

34 Österreichische Physiker, Josef Stefan (1835-1893) und Ludwig Boltzmann (1844-1906); Das Strahlungsgesetz<br />

entstand im Jahr 1878 durch empirische Messungen und wurde 1884 von Boltzmann<br />

theoretisch abgeleitet. Boltzmann war Wegbereiter der Quantenphysik.<br />

16


Zur Berechnung benötigt man also die Oberflächentemperatur, die man messen<br />

kann, und den Strahlungskoeffizienten, der aus Tabellen entnommen werden<br />

kann 35 . Der Strahlungskoeffizient ist ein spezifischer Wert, dessen Basis die<br />

Stefan – Boltzmann – Konstante ist. Dieser Wert ist der Strahlungskoeffizient<br />

des „schwarzen Strahlers“, einem theoretischen Gebilde mit der<br />

höchstmöglichen Strahlungsleistung. Diese Konstante wird mit dem Wert 5,671<br />

angegeben 36 . Alle anderen Strahlungsflächen haben einen geringeren<br />

Strahlungskoeffizienten. Das Diagramm der Strahlungsleistungen im<br />

baupraktischen Bereich zeigt eine mit der Temperaturzunahme flach<br />

ansteigende Kurve.<br />

Will man letztlich den Betrag der abgestrahlten Energie über einen Zeitraum<br />

errechnen und für eine Fläche (A), wird das Ergebnis mit der Zeit (t)<br />

multipliziert. Die Formel für die emittierte Energie lautet sodann<br />

Φs = 5,67 x ε * A * t * (T/100) 4<br />

Das Ergebnis hat dann den Wert in (Ws). Eine Beispielsrechnung sieht so aus:<br />

Gegeben sei eine unverputzte Ziegelwandoberfläche. Aus der Tabelle<br />

entnehmen Sie den Strahlungskoeffizienten zu 5,36. Mit dem<br />

Kontaktthermometer stellen Sie fest, dass die Oberflächentemperatur genau<br />

0 °C beträgt. Die absolute Temperatur beträgt somit 273 °K. Sie wollen nun<br />

wissen, welche Energiemenge diese Wand je 1 m² Fläche in 24 Stunden<br />

abstrahlt. Sie setzen also in die Formel ein und erhalten folgenden Ausdruck:<br />

Φs = 5,36 x 1 x 24 x 2,73 4 = 7,145 kWh/m²<br />

Damit haben Sie, weil es sich um eine baupraktische Annahme handelt, sogleich<br />

auch eine grössenmässige Vorstellung, um welch erhebliche Energiebeträge es<br />

hier geht. Wenn Sie dieses Ergebnis auf die gesamte Wandoberfläche eines<br />

Gebäudes ausdehnen, werden Sie feststellen, dass die abgestrahlte<br />

Energiemenge weit über der Leistungskraft Ihrer Heizanlage liegt. Bereits hier<br />

kündigt sich an, dass die energetischen Vorgänge an Gebäuden anderen<br />

Voraussetzungen unterworfen sind, als diese in der DIN 4108 und der<br />

gleichartigen europäischen Norm EN 832 festgelegt sind.<br />

Zur These über eine Gegenstrahlung<br />

Gelegentlich wird die These verbreitet, es gäbe eine kosmische Gegenstrahlung<br />

in der Größenordnung von 170 – 290 W/m², die rund um die Uhr – auch nachts<br />

einstrahlen würde und sozusagen Energieverluste an Oberflächen ausgleichen<br />

35<br />

36<br />

Ich entnehme die Werte für die Strahlungskoeffizienten dem Buderus-Handbuch für Heizungstechnik,<br />

Beuth-Verlag, Berlin, die auf dem Strahlungskoeffizienten des Schwarzen Strahlers von 5,774 aufgebaut<br />

sind. Im Anhang finden Sie eine Reihe von Werten für Baustoffe.<br />

Pedro Waloschek, Wörterbuch Physik, dtv 1998<br />

17


würde. Es ist nicht nachzuvollziehen, wie es zu dieser Auffassung kommen<br />

konnte. Tatsächlich gibt es eine derart beschriebene Gegenstrahlung jedoch<br />

nicht. Vor allem ist nicht ersichtlich, wo sich die Quelle einer derartigen<br />

Strahlung befinden soll.<br />

Es gibt eine kosmische Hintergrundstrahlung, die eine Leistung von etwa<br />

0,000 000 138 W/m² hat. Diese Strahlungsleistung ist eine Folge der<br />

Durchschnittstemperatur des Universums von ca. 3 K. Gemessen an der<br />

Dimension des Universums und daran, dass es fast leer ist, ist das eine<br />

außerordentlich hohe Temperatur. Sie repräsentiert die gesamte beim Urknall<br />

freigesetzte Energie, die sich wegen der Ausdehnung des Universums<br />

inzwischen verdünnt hat. Für die energetischen Vorgänge an Gebäuden ist die<br />

aus dem Universum eingestrahlte Energie mit Ausnahme der Sonnenenergie<br />

bedeutungslos. Vorausgesetzt, es gäbe keinerlei Energiezufluss auf dem<br />

Planeten Erde aus der Sonne und es fände auch keinerlei radioaktiver Zerfall<br />

mehr statt, würde die Erde durch Abstrahlung auf 3 K abkühlen. Erst dann<br />

stünde sie im energetischen Gleichgewicht zum Universum.<br />

Einstrahlung aus der Umgebung<br />

Von großer Wirkung auf die energetischen Vorgänge am Gebäude ist die aus<br />

der Umgebung des Gebäudes ankommende Wärmestrahlung. Hierbei muss<br />

man sich vergegenwärtigen, dass strahlende Körper nicht nur nach einer<br />

Richtung sondern nach allen freien Richtungen strahlen. Das Naturgesetz,<br />

wonach die Strahlungsstärke mit dem Quadrat der Entfernung abnimmt, gilt nur<br />

für annähernd punktförmige Strahlungsquellen. Baupraktisch kann eine<br />

parallele Bündelung der Einstrahlung angenommen werden. Daher spielt auch<br />

die Entfernung einer Strahlungsquelle keine Rolle. Als Grundregel kann gelten,<br />

dass alle Strahlungsquellen, die im Sichtbereich des Gebäudes liegen,<br />

energetisch auf das Gebäude einwirken. Bei der Einzelermittlung ist der<br />

Strahlungswinkel zwischen Strahlungsquelle und absorbierender<br />

Strahlungsfläche zu berücksichtigen. 37 Von erheblicher Bedeutung sind<br />

Einstrahlungsvorgänge in enger Bebauung und Reflexionen, die vor allem bei<br />

Nordwänden eine beachtliche Größenordnung annehmen können, weil die<br />

gegenüberstehenden Gebäudewände Südwände sind. In Hochgebirgslagen<br />

haben wir es mit schneebedeckten Flächen zu tun, die einmal hervorragende<br />

Reflektoren sind, zum anderen aber auch einen Strahlungskoeffizienten haben,<br />

der dem des schwarzen Strahlers fast gleicht.<br />

Klimakatastrophe und Treibhausthese<br />

Das Folgende ist deshalb von Bedeutung – obwohl mehr politischen Inhalts –<br />

weil die Energieeinsparverordnung und alle daraus entstehenden<br />

Baumaßnahmen ihre Grundlage in der „Treibhausthese“ haben.<br />

Der Mensch neigt dazu – vor allem wenn es ihm zu gut geht- an<br />

37 Hierfür gilt das Lambert`sche Richtungsgesetz, das vorsieht, dass bei schräg eintreffender und schräg<br />

emittierter Strahlung der Cosinus des Strahlungswinkels als Faktor einzusetzen ist.<br />

18


Horrorszenarien zu glauben. Hierbei verhält er sich weitgehend irrational. Wie<br />

ein roter Faden zieht sich diese verhängnisvolle Neigung durch die<br />

Menschheitsgeschichte. So kam es zur Inquisition, zur Hexenjagd, zur schon<br />

zweitausend Jahre währenden Judenverfolgung, zur Kommunistenhatz in den<br />

USA, den furchtbaren Auswirkungen des Nationalismus. Die Reihe kann beliebig<br />

fortgesetzt werden. Allen diesen Ereignissen war stets auch ein handfestes<br />

materielles Interesse zugeordnet. Immer wurde hierbei auch prächtig<br />

verdient 38 . Fast immer wurden die Horrorszenarien durch die jeweiligen<br />

Herrschaftsstrukturen unters Volk gebracht.<br />

So lohnt immer, will man diesen Dingen auf den Grund gehen, die berühmte<br />

Frage „cui bono?“ 39 zu stellen. Sie führt zielsicher zu den Hintergründen, die<br />

von Hysterie, Intoleranz, Meinungsunterdrückung und Irrationalismus<br />

gekennzeichnet sind. Wenn wir ergründen, wer hierbei profitiert, haben wir<br />

auch die Urheber des Wahns dingfest gemacht.<br />

Nicht anders verhält es sich bei dem neuesten Horrorszenario, welches mit den<br />

Begriffen „Treibhausklima“ und „Klimakatastrophe“ verbunden ist. Die These,<br />

die dahinter steckt, ist falsch. 40 Ihre Urheber sind Zyniker 41 , die ersichtlich<br />

davon ausgehen, dass man der Menschheit ungestraft baren Unfug auftischen<br />

kann 42 . Was wird also behauptet?<br />

38<br />

39<br />

Das Spurengas CO2 bilde in der Atmosphäre – wo, wird schon nicht mehr<br />

erklärt – eine Schicht aus, durch die Sonnenstrahlung ungehindert zur<br />

Erdoberfläche hindurchgelange, dort absorbiert würde, sodass dort<br />

Wärmestrahlung emittiert wird, vom Kohlendioxid in der Atmosphäre<br />

wiederum absorbiert und remittiert würde, sodass es im Ergebnis zur<br />

Erwärmung der Atmosphäre und damit zu weltweiten Klimakatastrophen<br />

käme.<br />

Um dies zu verhindern, müsse der antropogene – also vom Menschen<br />

bewirkte - CO2 – Eintrag in die Luft drastisch gesenkt werden.<br />

Insbesondere müsse die Verbrennung fossiler Stoffe reduziert werden.<br />

Hierfür müsse vor allen Dingen Energie verteuert werden.<br />

Daneben gälte es, „erneuerbare“ Energie 43 verstärkt einzusetzen, wobei<br />

Die spätmittelalterlichen Judenpogrome in Regensburg dienten z.B. der Entschuldung. Die jüdischen<br />

Grabsteine dienten als Baustoff für die Errichtung einer Kirche am Neupfarrplatz, die – für protestantische<br />

Kirchen ungewöhnlich, der Jungfrau Maria gewidmet war.<br />

Für die Nichtlateiner: Wem nützt das?<br />

40 Siehe auch Wolfgang Thüne, Freispruch für CO2, Edition Steinherz, 2002<br />

41 Siehe auch Sonja Magolina, Die gemütliche Apokalypse, Siedler Verlag Berlin 1995<br />

42 Unser seinerzeitiger Bundesumweltminister Trittin geht sogar soweit, Kohlendioxid als „Klimakiller“<br />

zu bezeichnen. Ihm ist offenbar völlig entgangen, dass diese Kohlenstoffverbindung notwendige<br />

Voraussetzung der gesamten belebten Natur ist.<br />

19


in Deutschland vor allem auf Windenergie gesetzt wird.<br />

Zur Energieeinsparung müssten die Gebäude in dicke<br />

Dämmstoffschichten eingepackt werden.<br />

Zugleich wurde in Deutschland erfolgreich die Nutzung der Kernenergie<br />

tabuisiert und zum Teufelszeug stigmatisiert, obwohl gerade diese<br />

Technik kaum einen CO2 - Ausstoß kennt.<br />

Wer diese Thesen nicht stützt oder gar sich gegen sie wendet, wird als<br />

„Klimaleugner“ diffamiert. 44<br />

Cui bono?<br />

Da gibt es das Fachgebiet der „Globalklimaforschung“ 45 , das sich zum<br />

pseudowissenschaftlichen Helfershelfer gemausert hat, nachdem es jahrelang<br />

ein Randgebiet der Forschung war. Inzwischen wird diesem Gebiet eine saftige<br />

Förderung aus Steuer – und Industriemitteln gewährt, es wird also reichlich<br />

Geld verdient. Nebenher werden feudale Weltreisen unternommen, bei denen<br />

die Forscher ein zehnminütiges Statement abgeben dürfen. Da kostet den<br />

Steuerzahler dann eine Redeminute schlappe € 20.000,--. Wann sonst schon<br />

kann ein Angestellter im öffentlichen Dienst sich derartige Reisen in so<br />

interessante Länder wie Südamerika, Japan oder Afrika leisten?<br />

Da gibt es die politischen Parteien, die schon seit eh und je wissen, dass man<br />

das Wahlvieh am Besten mit Horrorvisionen vor den Karren spannen kann.<br />

Selbst Parteien wie die Liberalen können sich dem nicht mehr entziehen. Die<br />

politische Auseinandersetzung dreht sich daher schon lange nicht mehr um das<br />

„Ob“, sondern darum, wer das eindrucksvollste Szenario bietet.<br />

Da gibt es die universitäre „Bauphysik“, von der sich ein ordentlicher Physiker<br />

mit Grausen abwendet, die inzwischen zum Kostgänger der Politik und der<br />

Industrie geworden ist, ohne deren Drittmittel die Institute geschlossen werden<br />

müssten. Das läuft nach dem Motto: „Wes Brot ich esse, des Lied ich singe.“<br />

Ein einheitliches Merkmal dieser Pseudoforschung besteht darin, dass sie es<br />

ängstlich vermeidet, sich der wissenschaftlichen Disputation zu stellen.<br />

Stattdessen wurde sie zum bestellten Handlanger der Politik, in deren Diensten<br />

sie bereitwillig Verrat am Geist echter wissenschaftlicher Arbeit übt und<br />

mittlerweile so unverfroren geworden ist, dass sie nicht im Traum daran denkt,<br />

43 Dieser Begriff steht im Widerspruch zum Energieerhaltungssatz.<br />

44 So Prof. Stefan Rahmstorf in Bild der Wissenschaft 1/2003. In diesem Artikel finden sich<br />

bemerkenswerte Widersprüche wie z.B. „Vor rund 100 Millionen Jahren betrug der CO2-Gehalt der<br />

Atmosphäre ein Vielfaches des heutigen“. Wenig später wird uns folgendes mitgeteilt: „Die<br />

Klimageschichte zeigt auch, dass der CO2-Gehalt der Atmosphäre niemals auch nur annähernd so<br />

hoch gewesen ist wie jetzt.“ Was soll jetzt nun gelten? (der.Verf.)<br />

45 Der Forschungsgegenstand „Globalklima“ existiert jedoch nicht. Er ist lediglich ein statistisch gewonnenes<br />

Konstrukt, das aus einer willkürlichen Sammlung von Wetterdaten besteht, aus denen sinnlose<br />

Mittelwerte gewonnen werden.<br />

20


ordentliche wissenschaftliche Arbeit zu leisten, die dann aber auch zum eigenen<br />

Untergang führen würde. 46 Inzwischen bemühen sich die Beteiligten nicht<br />

einmal mehr, diese unappetitliche Verquickung von Politik und<br />

Industrieinteressen zu verbergen. Da wurde vor einiger Zeit die DENA GmbH<br />

gegründet, deren einziges Ziel darin besteht, Druck auf den Bürger auszuüben.<br />

Er soll ungeprüft bei der energetischen Gebäudesanierung die Produkte<br />

einkaufen, die nach den Verordnungen vorgeschrieben sind. Tut er das nicht,<br />

verliert er jeden Anspruch auf Förderung durch Zuschüsse und verbilligte<br />

Kredite der KfW. Die Gesellschafter der DENA sind die Bundesregierung und die<br />

KfW.<br />

Da gibt es endlich als Profiteur die Industrie, die auf der Grundlage von<br />

Bauvorschriften, die Umsatz erzwingen, gewaltige Gewinne einfährt, wohl<br />

wissend, dass sie nutzloses Zeug verscherbelt. 47<br />

Die Träger dieses Geschehens stehen in unauflöslicher Wechselwirkung.<br />

Kontrolle und Kritik finden nicht mehr statt. Man kann von teils totalitären, teils<br />

mafiösen Strukturen sprechen. Ich befürchte, dass auch Korruption im Spiele<br />

ist, sodass es mich nicht wundern würde, wenn demnächst die<br />

Staatsanwaltschaft auf den Plan rückt.<br />

Was ist nun aber dran an der Treibhausthese?<br />

Nichts. Die postulierte Gegenstrahlung existiert nicht. Noch niemals konnte sie<br />

gemessen werden. Die Absorptionslinien von CO2 decken ein extrem schmales<br />

Spektrum ab, sodass der Treibhauseffekt, der sich ja über das gesamte<br />

Spektrum der Wärmestrahlung erstrecken müsste, nicht möglich ist. Wahr ist,<br />

dass das Erdklima sich in einem Gleichgewicht befindet und dass hier seit<br />

Anbeginn sich selbst regelnde Prozesse 48 stattfinden, deren Antriebsenergie von<br />

der Sonne kommt 49 und die zur Konstanz der langjährigen Mittelwerte führen.<br />

Die Behauptung, dass sich seit Beginn der Industrialisierung das Weltklima um<br />

0,7 °C erwärmt habe, steht auf unsicheren Füßen. Vor 150 Jahren gab es noch<br />

gar keine, den ganzen Planeten erfassende Messung von Klimadaten. Ebenso<br />

stand die Messtechnik noch in den Kinderschuhen. Legt man dennoch den Wert<br />

0,7 K auf die in der Wissenschaft verwendete Kelvinskala im Bereich von 0 bis<br />

46 Rühmliche Ausnahmen gibt es auch hier, die jedoch einen schweren Stand haben.<br />

47 Auf der BAUTEC 2001 hatte ich ein Gespräch am Stand des bedeutendsten deutschen Dämmstoffherstellers.<br />

Meine Frage, was man von der Aussage von Prof. Gertis (Fraunhoferinstitut Holzkirchen)<br />

hielte, wonach die beste Dämmstärke 40 cm sei, erfuhr die Antwort: „Das ist natürlich Unsinn“. Meine<br />

weitere Frage, warum dann nicht die Industrie im Sinne einer ordentlichen Verbraucherberatung<br />

ihre Meinung hierzu veröffentlichte, wurde damit beantwortet, dass man sich gegen derartige Verkaufshilfen<br />

angesichts der Notwendigkeit zum maximalen Umsatz nicht wehren würde.<br />

48 Einer dieser sich selbstregelnden Prozesse besteht darin, dass bei erhöhter CO2-Gabe Pflanzen mit<br />

verstärktem Wachstum reagieren und hierdurch CO2 in fester Substanz gebunden wird. Der Preisverfall<br />

bei Bauholz wird von der Holzwirtschaft auch darauf zurückgeführt, dass der mit etwa 20% höhere<br />

Holzzuwachs nicht mehr verkauft werden könne.<br />

49 In Abhängigkeit von der Sonnenfleckentätigkeit wechselt allerdings der solare Energieeintrag. Dies ist<br />

eine Ursache für Klimaschwankungen.<br />

21


305 K, bedeutet eine Temperaturerhöhung von 0,7 °C einen prozentualen<br />

Anstieg von 2,29 Promille. Dieser Wert liegt bereits weit unterhalb der<br />

Messbarkeitsgrenze und weit innerhalb der bekannten Schwankungen nach<br />

oben und unten. Das wissen die Klimaforscher auch. Damit das Ganze in ihrem<br />

Sinne etwas eindrucksvoller aussieht, behaupten sie - allerdings ohne die Spur<br />

eines Beweises – dass es eine Tendenz zur weiteren Erwärmung gäbe und zwar<br />

um bis zu 5,7 K. 50 Die Angabe sogar einer Stelle hinter dem Komma zeigt, dass<br />

hier wissenschaftliche Arbeit vorgetäuscht werden soll.<br />

Die Folge sei das Abschmelzen des Polareises. Verschämt mussten sie<br />

einräumen, dass selbst dann, wenn das Nordpoleis schmelzen würde, der<br />

Meeresspiegel nicht um ein Millimeterchen steigen würde. Auch hier gilt nämlich<br />

das Gesetz des Archimedes. Auch bleiben sie die Antwort darauf schuldig,<br />

warum am Südpol entgegen den physikalischen Eigenschaften von Wasser das<br />

Eis schmelzen soll, wenn sich die Polarluft um 5,7 K erhöht, dennoch aber die<br />

Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt von Wasser bleiben werden.<br />

Unbestreitbar zeigt die Klimageschichte, dass es schon immer Veränderungen<br />

gegeben hat. In einem sich selbst regelnden System ist das ein völlig normaler<br />

Vorgang. Dass derartige Veränderungen für den Menschen gelegentlich<br />

unangenehm sind, ist ebenfalls normal und hinzunehmen. Wem das nicht passt,<br />

soll sich gefälligst einen anderen Planeten zur Heimstatt wählen. Jedenfalls<br />

kann man von der Erde nicht erwarten, dass sie bei ihrer Klimageschichte auf<br />

das Bedürfnis des Menschen Rücksicht zu nehmen hätte. Etwas sinnvoller ist<br />

wohl die Überlegung, dass der Planet Erde so wie er einmal ist, optimale<br />

Bedingungen für die Entwicklung menschlichen Lebens geboten hat. Nun daran<br />

herumzunörgeln, dass das Klima nicht immer so ist, wie es manche sich<br />

wünschen, ist kindisch und – weil daran ohnehin nichts zu ändern ist – auch<br />

sinnlos. Unseren Globalklimaforschern ist das aber nicht auszureden. Trotzig<br />

verkünden sie die dräuende Klimakatastrophe. Dass sie bei ihren<br />

Pseudoforschungen gelegentlich auch noch beim Fälschen und Schlampen<br />

erwischt werden, stört sie wenig. So haben jüngste Untersuchungen an fossilen<br />

Bäumen und an Korallen gezeigt, dass in den vergangenen tausend Jahren die<br />

Schwankung der mittleren Lufttemperatur mindestens doppelt so groß war wie<br />

bisher behauptet. Daran zeigt sich – wie nicht anders zu erwarten war – dass<br />

sich die derzeitige Temperaturerhöhung im normalen Schwankungsbereich<br />

befindet und so normal ist wie der Wechsel von Tag und Nacht 51 . Von einer<br />

nahenden Klimakatastrophe also keine Spur.<br />

Die neuere Forschung zeigt nun folgendes:<br />

Untersuchungen an Bohrkernen im Gletschereis machten es möglich, das Klima<br />

der vergangenen 210 000 Jahre zu untersuchen. Demnach sieht es so aus, dass<br />

50 Die Angehörigen dieses Wissenschaftszweiges sind auch für die Wettervorhersagen zuständig. Mit<br />

Mühe schaffen sie es, das Wetter für etwa 3 Tage vorauszusagen. Da muss man sich schon fragen, ob<br />

bei diesen mageren Künsten es nicht eine Frechheit ist, Prognosen für die kommenden hundert Jahre<br />

mit Zehntelgrad Genauigkeit zu veröffentlichen.<br />

51 Veröffentlichung in Science-Online-Ausgabe GRL.Bd.26, S. 759<br />

22


sich Warm- und Eiszeiten gegenseitig abwechseln. Die Warmzeiten gehen<br />

darauf zurück, dass sich die Bahn der Erde um die Sonne verändert. Die<br />

Warmzeiten sind stets von einem höheren CO2-Gehalt der Atmosphäre<br />

begleitet. Dieser ist jedoch Folge und nicht Ursache der Klimaerwärmung. 52<br />

Welch unsinnige Blüten hervorgetrieben werden, zeigen schon ganz einfache,<br />

auch dem Laien verständliche Überlegungen:<br />

Der Anteil des vom Menschen herbeigeführten CO2-Eintrags in die Atmosphäre<br />

wird selbst von den Anhängern der Treibhausthese nicht höher als 3%<br />

eingeschätzt. Nun hat der frühere Umweltminister Trittin als grandiosen Erfolg<br />

gefeiert, dass auf der jüngsten Umweltkonferenz der Völker eine Verringerung<br />

des antropogenen CO2-Eintrags von etwa 5% vereinbart worden sei. Rechnet<br />

man das aus, kommt man zu dem höchst beeindruckenden Ergebnis, dass –<br />

sollte dieses Ziel erreicht werden- aus dem Wert 3 % dann 2,85 % werden. Das<br />

ist praktisch gar nichts. Der Unterschiedsbetrag liegt weit unter der<br />

Messbarkeitsgrenze. Bezogen auf den gesamten CO2-Eintrag sieht´s noch<br />

trauriger aus. Nun könnte man sagen: Lasst sie vor sich hinspinnen, wem<br />

schadet´s schon? Allerdings hat dieser systematisch betriebene Unfug ganz<br />

fatale Folgen. Durch die auf die Treibhausthese gegründete Ökosteuer – der<br />

Begriff trägt die Lüge sichtbar vor sich her – wird der Steuerzahler empfindlich<br />

abgezockt. Wenn die hierbei eingetriebenen Steuern wenigstens für den<br />

Naturschutz eingesetzt würden, könnte man sich damit noch trösten. In<br />

Wirklichkeit soll aber ein untüchtig gewordenes Sozialsystem über die Runden<br />

gerettet werden.<br />

Noch beunruhigender ist jedoch der Gedanke, dass wir uns daran gewöhnen<br />

sollen, dass Regierungen das Volk nach Strich und Faden belügen dürfen. Der<br />

Untersuchungsausschuss im Deutschen Bundestag des Jahres 2003 musste sich<br />

damit beschäftigen. Dabei ging es um Aussagen von Regierungsmitgliedern zur<br />

Haushaltslage der Bundesrepublik Deutschland vor der Wahl im September<br />

2002. Seitens der Regierung wurde erklärt, dass dieser<br />

Untersuchungsausschuss überflüssig war, da man ja gar nicht bestritte, das<br />

Wahlvolk belogen zu haben. Weit haben wir es gebracht. Wir stehen somit am<br />

Ende der demokratischen Staatsverfassung und am Anfang eines<br />

Staatsterrorismus´, der sich nur noch im Vierjahresrythmus eine<br />

Scheinlegitimation besorgt.<br />

Um uns wieder dem eigentlichen Thema zu nähern:<br />

In der Verordnung EnEV finden wir ein erstes Ergebnis dieser Zustände vor.<br />

Diese zwingt sowohl die Hausbesitzer wie auch die Bauherren eines Neubaus zu<br />

Ausgaben, die der Energieeinsparung dienen sollen, in vielfacher<br />

Milliardenhöhe. Das Ziel der EnEV besteht – gemäß Präambel – in der<br />

„Reduktion des CO2-Eintrags zur Minderung des Treibhauseffekts“. Dass die<br />

empfohlenen Maßnahmen nutzlos sind, wird noch gezeigt werden. Das<br />

eigentliche Staatsinteresse besteht jedoch angesichts einer Staatsquote von<br />

52 Veröffentlichung in Science, Bd.310, S. 1313 und 1317.<br />

23


über 50 % darin, große Geldmengen in die Staatskasse zu verfrachten. Eine<br />

gewisse Genialität kann man den Urhebern dieser Gaunerei nicht absprechen.<br />

Würde nämlich tatsächlich eine heizenergiemindernde Bauvorschrift erlassen,<br />

würde sich das Steueraufkommen aus Mineralölsteuern und sonstigen<br />

Energiesteuern mindern. Da dies vermieden werden muss, hat man eine<br />

Verordnung geschaffen, die ganz gewiss das Ziel der Energieeinsparung<br />

verfehlt. Angesichts der geoffenbarten Bereitschaft, das Volk hemmungslos zu<br />

belügen, hat sich bei mir die Überzeugung gefestigt, dass auch die<br />

Verantwortlichen die Nutzlosigkeit der EnEV von Anfang an kannten. Daher ist<br />

es auch erklärbar, dass wissenschaftlich sauber begründete Einwendungen<br />

gegen die EnEV grundsätzlich nicht behandelt werden, weil – wie gezeigt – ein<br />

echtes Interesse an Energieeinsparung gar nicht besteht. Cui bono?<br />

Physikalische Grundlagen der energetischen Vorgänge<br />

Insgesamt sind die physikalischen Vorgänge an und in Gebäuden auch für den<br />

Nichtphysiker erfassbar. Die Schwierigkeiten der Bauphysik liegen darin, dass es<br />

sich bei den bauphysikalischen Vorgängen um nichtstationäre, also um<br />

dynamische Vorgänge handelt. Die Normen behandeln ausschließlich den<br />

stationären Zustand, 53 wie er im Labor simuliert werden kann, der jedoch an<br />

Gebäuden niemals anzutreffen ist. Ein erheblicher Teil der Fehlerhaftigkeit der<br />

Normen ist hierauf zurückzuführen.<br />

Energie<br />

Energie ist die Fähigkeit, Arbeit zu leisten.<br />

Energie zeigt sich in vielen Spielarten. Als Axiom gilt, dass in einem<br />

geschlossenen System Energie weder erzeugt noch vernichtet werden kann. Im<br />

allgemeinen Sinne gilt dies für die durch das Universum verkörperte Energie.<br />

Wir sprechen daher auch vom Energieerhaltungssatz. Energie kann jedoch von<br />

einer Form in eine andere verwandelt werden. Auch hierbei geht prinzipiell<br />

keine Energie verloren. Wenn wir dennoch Begriffe wie Energieerzeugung,<br />

Energieverbrauch oder Energieverlust 54 verwenden, verstoßen wir gegen den<br />

Energieerhaltungssatz. Gemeint sind mit diesen Begriffen die vielfältigen<br />

Vorgänge bei der Energieverwandlung und Energieverlagerung, die zum<br />

Heizenergieverbrauch führen.<br />

Die Grundgröße der Energie ist<br />

1 Joule (J) = 1 Newtonmeter (Nm) = 1 Wattsekunde (Ws)<br />

Im Bauwesen hat sich die Größe (Ws) und hiervon abgeleitet die Kilowattstunde<br />

(kWh) eingebürgert.<br />

Um den Fesseln des Energieerhaltungsatzes zu entkommen, werden wir daher<br />

53 Zur Erklärung: Wenn ein Auto beschleunigt wird, haben wir den nicht stationären Zustand. Fährt danach<br />

das Auto gleichmäßig weiter, ist der Zustand stationär.<br />

54<br />

Diese Begriffe sind anthropozentrisch. Die anthropozentrische Betrachtung der Natur war schon seit<br />

jeher eine Quelle von Irrtümern.<br />

24


künftig folgende Begriffe einführen:<br />

„Genutzte Energie“ und „ungenutzte Energie“<br />

In der Bauphysik haben wir es im Wesentlichen nur mit zwei Energieformen zu<br />

tun: Strahlungsenergie und kinetische Energie. Sie repräsentieren überwiegend<br />

den Begriff „Wärmeenergie“. 55 Im Hinterkopf sollte man auch behalten, dass<br />

Energie stofflos ist.<br />

Strahlungsenergie (Wärmestrahlung)<br />

Strahlungsenergie ist die Energie elektromagnetischer Wellen, wobei wir hier<br />

den Spektralbereich des gesamten Wellenspektrums meinen, der für die<br />

energetischen Vorgänge an Gebäuden von Bedeutung ist. Dieses Spektrum<br />

erstreckt sich vom langwelligen Infrarot bis hin zum Ultraviolett. Hierbei sind die<br />

kurzwelligen Bereiche energiehaltiger als die langwelligen. Wenn wir mit<br />

Wärmestrahlung rechnen, verwenden wir daher Durchschnittswerte mit<br />

ausreichender Genauigkeit. Jedoch sollten wir bedenken, dass die<br />

Sonneneinstrahlung den gesamten Bereich der Wärmestrahlung erfasst,<br />

während die Abstrahlung von Baustoffen immer nur das langwellige infrarote<br />

Spektrum betrifft. Die Arbeit, die diese Energieart leisten kann, besteht im<br />

Wesentlichen darin, dass sie dann, wenn sie von Stoffen absorbiert wird, zur<br />

Temperaturerhöhung führt.<br />

Wärmestrahlung ist die Folge quantenmechanischer Ereignisse im<br />

Teilchenbereich. Das Wirkungsprinzip hierfür wurde durch Max Planck (1858 –<br />

1947) um 1900 erkannt und fand seinen Niederschlag im „Planckschen<br />

Strahlungsgesetz“, das zur Grundlage der Quantentheorie wurde. Vereinfachend<br />

betrachtet geschieht nach dem Atommodell von Niels Bohr folgendes:<br />

Die den Atomkern umgebenden Elektronen umkreisen diesen in geschlossenen<br />

Wellenzügen mit stets gleichen Wellenlängen. Daher können sie nur bestimmte<br />

Bahnen besetzen. 56 Hierbei müssen wir uns vergegenwärtigen, dass nur in der<br />

Elektronenhülle die Wärmeenergie manifestiert ist. Der Atomkern ist hierbei<br />

energetisch neutral. Wird einem Atom Energie zugeführt, wird diese Energie<br />

von der Elektronenhülle aufgenommen. Da die Wellenlänge nicht verkürzt<br />

werden kann, nimmt das Elektron eine höhere Lage ein, die jedoch wiederum<br />

nur ganzzahlig mehrfach länger als eine Wellenlänge sein kann. In diesem<br />

neuen und höheren Energiezustand befindet sich nunmehr das Atom. Das<br />

entropische Prinzip 57 bewirkt, dass das Elektron bestrebt ist, wieder den<br />

55<br />

Der Begriff „Energie“ für sich gesehen ist abstrakt. Die Spielarten, bei denen sich Energie<br />

manifestiert, sind unzählig groß. Mathematisch orientierte Physiker neigen dazu, mit Energie als einer<br />

abstrakten Größe rechnerisch umzugehen und verfallen hierbei häufig in den Fehler, unterschiedliche<br />

Energieformen mathematisch als Einheit zu behandeln und hierbei aber zu übersehen, dass sie in der<br />

Praxis getrennt zu behandeln sind. Zum Beispiel führt eine Gleichbehandlung der Energie, die in Luft<br />

vorhanden ist mit Strahlungsenergie zu fehlerhaften Empfehlungen.<br />

56 Da diese Wellenlängen gemessen werden können, ist es den Astrophysikern möglich, die stoffliche<br />

Zusammensetzung von Sternen zu ermitteln.<br />

25


ursprünglichen niedrigeren Energiezustand einzunehmen. Hierbei muss es aber<br />

die aufgenommene Zusatzenergie wieder absondern. Das erfolgt durch die<br />

Emission eines Lichtquants, also einer Elementarwelle elektromagnetischer<br />

Natur geringster Größe. Diese Elementarwelle hat auch Teilcheneigenschaften,<br />

die dazu geführt haben, dass ihr der Begriff „Photon“ zugeordnet wird, wenn<br />

die Teilcheneigenschaften betrachtet werden. Das Photon ist masselos und<br />

bewegt sich daher mit Lichtgeschwindigkeit 58 . Jede Substanz, die eine<br />

Temperatur über dem absoluten Nullpunkt hat, sondert auf diesem<br />

Wirkungsprinzip gründend, Strahlungsenergie ab. Diese Strahlungsenergie<br />

unterliegt den gleichen Gesetzen wie sichtbares Licht. Trifft diese Energie auf<br />

ein Hindernis, hängt die weitere Energieumwandlung von den Eigenschaften<br />

des Hindernisses ab. An glatten, glänzenden Grenzflächen kommt es zur<br />

Reflexion, in lichtdurchlässigen Körpern kommt es zur Lichtbrechung, an<br />

bestimmten Strukturen kommt es zur Beugung, an undurchsichtigen und nicht<br />

reflektierenden Flächen kommt es zur Absorption. Dazwischen gibt es<br />

gemischte Ereignisse. Für die Bauphysik ist die Absorption der<br />

Strahlungsenergie von großer Bedeutung, da sie zur Erwärmung der bestrahlten<br />

Fläche führt. Das ist also im Wesentlichen die Arbeit, die von Strahlungsenergie<br />

geleistet werden kann. Von ebensolcher Bedeutung ist die Wärmeabstrahlung<br />

von Oberflächen nach dem Strahlungsgesetz von Stefan-Boltzmann., da sie im<br />

Wesentlichen den Energieabtrag an Außenwänden bestimmt. Die kleinste<br />

Energieeinheit, die bei dem Zurückfallen eines Elektrons auf eine niedrigere<br />

Umlaufbahn freigesetzt wird, hat die Bezeichnung „Quant“. Daher hat Planck<br />

ausgesagt, dass Energie „gequantelt“ ist und somit eine körnige Struktur habe.<br />

Kinetische Wärmeenergie (Bewegungsenergie)<br />

Wenn wir einen uns warm erscheinenden Gegenstand berühren, haben wir eine<br />

Wärmeempfindung. Die Natur dieser Wärmeempfindung war bis in das erste<br />

Drittel des 19.Jhdts. hinein unbekannt 59 . Bald danach wurde jedoch erkannt,<br />

dass Wärme eine Form der Energie ist. Sie wurde sodann als die<br />

Bewegungsenergie der um einen Ruhepunkt schwingenden Teilchen definiert.<br />

Somit ist die Wärmeempfindung das Spüren der Aufprallenergie schwingender<br />

Teilchen. Die Schwingungsenergie (Ek) wird aus den Bewegungsgesetzen<br />

abgeleitet und hat die Formel<br />

Ek = ½ * m * v²<br />

Hierbei ist (m) die Masse des schwingenden Teilchens, (v) dessen<br />

Geschwindigkeit im Schwingungsvorgang 60 . Die Formel ist auch aus sonstigen<br />

57 Jedes System neigt dazu, den geringstmöglichen Energiezustand einzunehmen.<br />

58 Hierdurch ist die Lichtgeschwindigkeit definiert. Da es etwas Geringeres als Masselosigkeit nicht<br />

gibt, kann die Lichtgeschwindigkeit als nicht weiter erklärbare Naturkonstante auch nicht übertroffen<br />

werden. Die Idee einer Hyperlichtgeschwindigkeit wäre nur dann tragfähig, wenn Naturkonstanten inkonstant<br />

werden könnten. Ein Universum ohne Naturkonstanten ist aber offenbar nicht möglich.<br />

59<br />

Die damaligen Naturforscher und Philosophen glaubten, dass es einen Wärmestoff gäbe, den sie<br />

„Phlogiston“ oder „Caloricum“ nannten.<br />

26


Bereichen, z.B für gleichmäßig beschleunigte oder verzögerte Bewegungen aus<br />

dem Fahrschulunterricht allgemein bekannt.<br />

Wie auch bei der Strahlungsenergie sind die Messgrößen für kinetische Energie<br />

1 Joule (J) = 1 Newtonmeter (Nm) = 1 Wattsekunde (Ws)<br />

Wir können daher Strahlungsenergie und kinetische Energie rechnerisch gleich<br />

behandeln. Von einer gemeinsamen Berechnung ist jedoch dringend abzuraten,<br />

da die physikalischen Vorgänge grundlegend verschieden sind.<br />

Die Formel für (Ek) zeigt, dass nur Masse und Geschwindigkeit behandelt<br />

werden. Da die Masse stets gleich bleibt, können wir unmittelbar aus der<br />

Formel ablesen, dass nur die Schwingungsgeschwindigkeit eine Veränderung<br />

des Energiebetrags bewirkt. 61 Je größer die Schwingungsgeschwindigkeit ist,<br />

umso größer ist daher auch die Energie.<br />

Energiehaltige – also warme – Stoffe bestehen also aus schwingenden Teilchen.<br />

Dies gilt für alle Aggregatzustände, also auch für Luft und Wasser. Und ebenso<br />

gilt dies für Wasserdampf. Wasserdampfteilchen schwingen bei baupraktischen<br />

Temperaturen beispielsweise mit einer Geschwindigkeit (v) von etwa 2000<br />

m/s. 62<br />

Energieverlagerungen<br />

Das entropische Prinzip, das darin besteht, dass in einem geschlossenen<br />

energiehaltigen System sich der niedrigste und gleichmäßigste Energiezustand<br />

einstellt, führt zu Energieverlagerungen, die stets vom höheren zum niedrigeren<br />

Energiezustand gerichtet sind. Volkstümlich: Wärme strömt zur Kälte. Daher<br />

kann „Kälte“ nicht in eine warme Wand einströmen, auch wenn dies so<br />

empfunden wird. Den Dualismus „Wärme – Kälte“ gibt es in der Physik nicht.<br />

Der Begriff „Kälte“ beschreibt daher nur die Empfindung für einen niedrigen<br />

Energiezustand. Die Physik kennt nur unterschiedliche Energiezustände 63 . Das<br />

Phänomen der Energieverlagerung vom höheren zum niedrigen Energiezustand<br />

ist eine der Ursachen für die energetische Problematik an Gebäuden.<br />

Am Bau haben wir es mit einem sehr geringen Temperaturspektrum der nach<br />

60 Hierbei ist zu beachten, dass Schwingungsvorgänge sich aus gleichmäßig beschleunigten und<br />

verzögerten Bewegungszuständen zusammensetzen, woraus folgt, dass die bei Schwingungszuständen<br />

vorhandene kinetische Energie oszilliert.<br />

61 Bei sehr hohen Energiezuständen sind die Schwingungsgeschwindigkeiten so groß, dass auch relativistische<br />

Effekte zu berücksichtigen sind. In der Bauphysik ist dies jedoch ohne Belang.<br />

62 Wir sehen also, dass der Begriff „Wärmeenergie“ am Bauwerk sich aus der Strahlungsenergie im Bereich<br />

der Wärmestrahlung und aus der Bewegungsenergie schwingender Teilchen zusammensetzt.<br />

63 Die Vorstellung, wonach Kälte das Gegenteil von Wärme sei, setzt das Vorhandensein einer negativen<br />

Energie voraus. Stephen Hawkins beschäftigt sich derzeit mit dieser Hypothese.<br />

27


oben offenen Kelvinskala zu tun. Empirisch wissen wir, dass die geringste<br />

Temperatur der Außenluft etwa – 20 °C beträgt. Die baupraktisch relevante<br />

maximale Temperatur der Sommerluft beträgt etwa 30 °C. Absolut ist dies eine<br />

Temperaturspreizung von 50 K die 16,5% der am absoluten Nullpunkt<br />

beginnenden und bei +30 °C endenden Temperaturspanne beträgt 64 . Das ist im<br />

Grunde wenig 65 .<br />

Weil wir es am Bau nur mit Strahlungsenergie und kinetischer Energie zu tun<br />

haben, können wir die Betrachtung der Energieverlagerung hiernach ordnen.<br />

Hierbei werden wir sehen, dass die Strahlungsvorgänge verhältnismäßig präzise<br />

erfasst werden können, während die Verlagerung von kinetischer Energie<br />

kompliziert und vielschichtig ist. Berechnungen der kinetisch bestimmten<br />

Energieverlagerungen sind daher mit Fehlern behaftet, die sich jedoch nicht<br />

gravierend auswirken, weil ihr Anteil an den energetischen Vorgängen<br />

insgesamt gering ist.<br />

Energieübergang von Strahlung in feste Stoffe (Absorption)<br />

Wenn Strahlungsenergie auf feste Körper trifft, geht die Energie des Photons in<br />

kinetische Energie der Teilchen über. Beim hypothetischen Schwarzen Körper<br />

würde die gesamte Strahlungsenergie sich in Bewegungsenergie umwandeln.<br />

Die Photonen heben beim Auftreffen die Elektronenwolke, die um die<br />

Atomkerne herumschwingt, auf eine höhere Ebene, die Schwingungsenergie<br />

nimmt entsprechend zu. Diese Umwandlung von Strahlungsenergie in<br />

kinetische Energie erfolgt nach dem Energieerhaltungssatz verlustlos.<br />

Da jedoch alle Stoffe ein Reflexionsvermögen haben, wird nicht die gesamte<br />

einstrahlende Energie im Stoff aufgenommen. Ein Teil dieser Energie wird<br />

reflektiert, ohne dass sie energetisch irgendetwas im Stoff bewirkt. Wenn wir<br />

etwas sehen, ist dies eine Folge reflektierter elektromagnetischer Wellen. Der<br />

hypothetische Schwarze Strahler, der ja die gesamte Strahlungsenergie<br />

verschluckt (absorbiert), wäre daher für uns unsichtbar. 66<br />

Zwischen Absorption und Reflexionsvermögen besteht daher der<br />

Zusammenhang, dass die Summe aus eingestrahlter Energie gleich der Summe<br />

aus absorbierter und reflektierter Energie ist. Hier gilt daher die Gleichung:<br />

EStrahlung = Ereflektiert + Eabsorbiert<br />

In gleicher Weise sind Strahlungsfähigkeit und Absorptionsfähigkeit miteinander<br />

verbunden. Der spezifische Absorptionskoeffizient ist dem<br />

64 Allerdings können sonnenbestrahlte Oberflächen erheblich wärmer, abstrahlende Flächen erheblich<br />

kälter werden.<br />

65 Diese Schrift behandelt folglich nur die Bauphysik für gemäßigte Breiten. In tropischen oder arktischen<br />

Regionen gelten zwar die physikalischen Grundsätze ebenso, im Hinblick auf die Bedürfnisse<br />

des Menschen führen sie jedoch zu teils gravierend anderen Empfehlungen.<br />

66 Nach diesem Prinzip waren wohl die sagenhaften Tarnkappen gebaut.<br />

28


Strahlungskoeffizienten gleich. Daher kann messtechnisch sowohl der<br />

Absorptionskoeffizient wie der Strahlungskoeffizient aus dem<br />

Reflexionsvermögen einer Stoffoberfläche ermittelt werden. Etwas komplizierter<br />

wird es dann, wenn bei den Strahlungsvorgängen ganz oder teilweise<br />

durchsichtige, durchscheinende oder sonst wie für elektromagnetische Wellen<br />

durchlässige Stoffe, z.B. Glas im Spiele sind. Hier sind zusätzlich auch noch<br />

Durchlässigkeitskoeffizienten zu berücksichtigen. Der Gesamtbetrag der<br />

Strahlungsenergie ändert sich jedoch hierbei nicht.<br />

Abstrahlung von Wärmeenergie<br />

Die am Bau vorherrschenden energetischen Geschehnisse werden in ganz<br />

überwiegendem Maße durch Strahlungsprozesse bestimmt. Hierbei ist zu<br />

bedenken, dass zwischen Luft und festen Stoffen ein Energieaustausch durch<br />

Strahlungsvorgänge so gut wie nicht stattfindet. Luft hat nämlich einen gegen<br />

Null tendierenden Strahlungs- bzw. Absorptionskoeffizienten und ist –<br />

baupraktisch gesehen – für Strahlung vollkommen durchlässig. Luft wird daher<br />

nicht unmittelbar durch die Sonneneinstrahlung erwärmt sondern erst dann,<br />

wenn sie mit erwärmten Stoffen, z.B. der Erdoberfläche in Berührung kommt.<br />

Damit Strahlungsprozesse geschehen können, muss die Schicht einen freien<br />

Strahlungsraum von wenigstens einer Lichtwellenlänge haben. Die<br />

diesbezüglichen Dimensionen bewegen sich im Mikrometerbereich. Im<br />

Normalfall kann sich daher Strahlung ungehindert entfalten.<br />

Von großer Bedeutung ist, dass Abstrahlung völlig unbeeinflusst von sonstigen<br />

äußeren Zuständen in der näheren oder weiteren Umgebung stattfindet. Eine<br />

Wandoberfläche strahlt daher ständig und unaufhaltsam, vollkommen<br />

unbeeindruckt etwa auch von der Zusammensetzung hinter der strahlenden<br />

Oberfläche.<br />

So sind auch Dämmstoffe auf einer Wandoberfläche für das Abstrahlverhalten<br />

einer Wand vollkommen unmaßgeblich. Prinzipiell findet Abstrahlung solange<br />

statt, bis der strahlende Stoff seine gesamte Energie abgegeben hat. Er<br />

befände sich somit in der Temperatur des absoluten Nullpunkts. Dieser<br />

Temperaturzustand kann jedoch in der Praxis nicht erreicht werden, weil auf<br />

jeden Körper auch Wärmeenergie einstrahlt.<br />

Es wird noch gezeigt werden, dass die Summe aus Einstrahlungs- und<br />

Abstrahlungsvorgängen am Gebäude den Energieumsatz im Wesentlichen<br />

bestimmt. Der Einfluss aus konvektiven Vorgängen und<br />

Lüftungswärmeverlusten ist beim Gesamtenergieumsatz gering. Ebenso<br />

geringfügig ist der Anteil von Beheizungsanlagen. Bei der großen Bedeutung,<br />

die der Einsparung von Heizenergie zugemessen wird, muss dies in der neuen<br />

Bauphysik berücksichtigt werden. Die Norm DIN 4108 betrachtet hingegen<br />

Strahlungsprozesse überhaupt nicht. Sie betrachtet lediglich die energetischen<br />

Vorgänge, die dadurch ausgelöst werden, dass zwischen der Raumluft und der<br />

Außenluft ein Temperaturunterschied besteht, der Wärmeleitungsvorgänge<br />

innerhalb des Baustoffs auslöst. Daher verfehlt diese Norm jeglichen<br />

29


Lösungsweg zur Energieeinsparung.<br />

Austausch von Strahlungsenergie zwischen Flächen<br />

Innerhalb eines Gebäudes findet permanent zwischen den strahlenden Stoffen<br />

ein Energieaustausch statt. Zur Vereinfachung der folgenden Betrachtungen<br />

stellen wir uns das Gebäude leer vor, außerdem unterstellen wir zur weiteren<br />

Vereinfachung, das der Entwurf auf rechtwinkliger und senkrechter Geometrie –<br />

wie immer noch vorherrschend – aufgebaut ist. Weiterhin unterstellen wir, dass<br />

die Strahlung senkrecht von der Fläche ausgeht und daher die bestrahlten<br />

Flächen senkrecht trifft. 67 Für baupraktische Überlegungen ist diese Annahme<br />

ausreichend genau. Von jetzt an haben wir es jedoch mit sehr verschiedenen<br />

Möglichkeiten des Strahlungsaustausches zu tun. Ich empfehle dem Leser, zum<br />

besseren Verständnis des Folgenden Skizzen anzufertigen.<br />

Gleichartige Flächen<br />

Parallel gegenüberliegende Flächen mit gleichem Strahlungskoeffizienten, also<br />

z.B. zwei weiß gestrichene verputzte Wände bestrahlen sich gegenseitig<br />

unaufhörlich. Sollte zunächst eine der Wände wärmer sein, wird sie, dem<br />

Gesetz von Stefan-Boltzmann folgend, auch eine höhere Strahlungsenergie<br />

emittieren. Die kältere Wand absorbiert einen Teil der eingestrahlten Energie,<br />

sodass sie ein höheres Energieniveau einnehmen wird. Je nach Wärmekapazität<br />

der beiden Wände wird sich früher oder später das Energieniveau der beiden<br />

Wände angleichen. Der freie Raum zwischen den Wänden ist sodann von<br />

gleicher Strahlungsenergie erfüllt, die sich gegenseitig durchdringt und nicht –<br />

wie in mancher Fachliteratur angegeben ist – sich gegenseitig aufhebt. Dieser<br />

Energiezustand kennzeichnet sodann das Strahlungsklima im Raum.<br />

Flächen mit ungleichen Strahlungskoeffizienten 68 (ε)<br />

Stehen sich Flächen mit ungleichen Strahlungskoeffizienten gegenüber, also<br />

auch mit entsprechend ungleichem Reflexionsvermögen, kommt es zu keinem<br />

Energieabgleich sondern zu einem gerichteten Wärmestrom 69 aus Strahlung<br />

(Φs).<br />

(ε) links kleiner als rechts<br />

Hat nun die beheizte – linke – Wand den geringeren Strahlungskoeffizienten<br />

und damit einhergehend den höheren Reflexionsgrad, wird sie einen<br />

entsprechend geringen Anteil der kinetischen Wärmeenergie als Strahlung<br />

emittieren. Hätten wir es hierbei mit einer hochreflektierenden Oberfläche zu<br />

tun, hätte diese Oberfläche sogar einen wärmerückhaltenden Effekt für die<br />

hinter der Reflexionsschicht befindliche Wärmeenergie. Die abgestrahlte Energie<br />

67 In Wirklichkeit geht von jedem Flächenpunkt Strahlung so aus, dass eine über diesem Punkt gedachte<br />

halbkugelige Schale gleichmäßig von den Photonen getroffen würde.<br />

68 Die nachfolgenden Erörterungen des Strahlungsausgleiches zwischen parallelen Flächen gehen davon<br />

aus, dass links die beheizte, rechts die unbeheizte Außenwandoberfläche ist.<br />

69<br />

Der Begriff „Wärmestrom“ ist metaphorisch und entstammt noch der Vorstellung, dass es einen<br />

Wärmestoff gäbe.<br />

30


trifft auf die stärker absorbierende Wand, wo sie zum größeren Teil in<br />

kinetische Energie umgewandelt wird. Ein Teil dieser Energie wird durch<br />

Wärmeleitungsprozesse abgeführt, der andere Teil wird zur reflektierenden<br />

Schicht zurückgestrahlt, dort wiederum reflektiert und so fort. Da ein Teil dieser<br />

Energie jeweils von der rechten Schicht absorbiert und abgeleitet wird, pendelt<br />

sich im Verlaufe des Prozesses ein nach rechts gerichteter Energiestrom ein,<br />

vorausgesetzt, dass die Energiezufuhr von links aufrecht erhalten bleibt. Diese<br />

schwankt bei instationären Zuständen, wie sie am Bauwerk bestehen,<br />

beträchtlich. Stellen wir uns diese Situation z.B. für eine zweischalige<br />

Außenwandkonstruktion mit innen liegender Luftschicht vor, weiterhin, dass<br />

durch Sonneneinstrahlung die rechte Schicht erwärmt wird und wärmer als die<br />

linke Schicht ist, würde dies dazu führen, dass die von außen kommende<br />

Energie an der linken Reflexionsschicht nach außen zurück gespiegelt würde.<br />

Nachteilig wäre dies für die Energiekosten in der Heizperiode, vorteilhaft jedoch<br />

im Sommer, da die linke Wand kühl bliebe.<br />

(ε) links größer als rechts<br />

Bei einer derartigen Konstellation ändert sich der Ablauf bei sehr guten<br />

Reflektoren und einer beheizten Innenwand dramatisch. Der überwiegende Teil<br />

der abgestrahlten Energie wird nach links reflektiert und bleibt somit der<br />

Konstruktion erhalten. Dies ist das Grundprinzip einer neuen Technik der<br />

Energierückhaltung, die der Verfasser entwickelt hat und die inzwischen<br />

patentiert ist. 70<br />

Der sommerliche Wärmeschutz ist auch bei dieser Konstruktionsweise gegeben,<br />

da die von außen eingestrahlte Energie wegen der geringen Strahlungsfähigkeit<br />

von reflektierenden Schichten in der rechten Wandschicht zurückgehalten<br />

wird 71 .<br />

Mathematische Behandlung von im Strahlungsaustausch stehenden<br />

Flächen<br />

Die Physik von im Strahlungsaustausch stehenden Flächen wird mathematisch<br />

unter der vereinfachenden aber doch zu sehr genauen Ergebnissen führenden<br />

Annahme behandelt, dass die Emission der Flächen sich aus der unmittelbaren<br />

Wärmestrahlung nach dem Strahlungsgesetz von Stefan – Boltzmann und einer<br />

einmaligen Reflexion der von der gegenüberliegenden Fläche kommenden<br />

Wärmestrahlung zusammensetzt. Betrachtet werden somit in getrennter<br />

Berechnung die Strahlungswärmeströme von links (Φli) und von rechts (Φre)<br />

Hierbei bezeichnen wir die unmittelbare Strahlungsenergie von links mit (Φsli),<br />

die von rechts mit (Φsre). Die reflektierte Strahlungsenergie bezeichnen wir an<br />

der linken Seite mit (Φrli) und rechts mit (Φrre). Für die beiden<br />

70 In anderen Bereichen des täglichen Lebens wird dieser Effekt schon sehr lange und auch erfolgreich<br />

genutzt. Denken Sie an die Thermoskanne, an reflektierende Folien im Rettungswesen und auch an<br />

das in Alufolie eingewickelte Wienerwaldhendl.<br />

71 Die konstruktive Umsetzung dieser Technologie wird im anwendungstechnischen Teil unter dem<br />

Begriff „Termosfassade“ behandelt.<br />

31


Teilwärmeströme gilt sodann:<br />

Φli = Φsli + Φrre<br />

Φre = Φsre + Φrli<br />

Der resultierende Wärmestrom aus Strahlungsvorgängen (Φs) ist die Differenz<br />

aus den beiden Teilwärmeströmen nach der Beziehung<br />

Φs = Φli - Φre<br />

Wird das Ergebnis für (Φs) negativ, findet von rechts ein überschießender<br />

Energieeintrag statt. Die Heizanlage kann, falls sich diese physikalischen<br />

Vorgänge in einer zweischaligen Außenwandkonstruktion abspielen,<br />

abgeschaltet werden.<br />

Die vorstehende Berechnung des Wärmestroms aus Strahlungsvorgängen<br />

zwischen parallelen Flächen zeigt in den Ergebnissen sehr anschaulich die<br />

Energiebeträge, die hin und hergeschickt werden. Die jeweiligen Energiebeträge<br />

werden für (Φs) nach dem Strahlungsgesetz von Stefan-Boltzmann errechnet,<br />

die Beträge für (Φr) mit Hilfe der Emissionskoeffizienten, also als Bruchteile von<br />

(Φs). Sollten für das Reflexionsvermögen keine Tabellenwerte zur Verfügung<br />

stehen, kann es mit ausreichender Genauigkeit aus den Strahlungskoeffizienten<br />

abgeleitet werden.<br />

Die tatsächlichen Energiebeträge in (W/m²) können durch den Praktiker sehr<br />

einfach mit folgenden Formeln errechnet werden:<br />

Φ = Cli-re * A * (Tli/100) 4 – (Tre/100) 4<br />

Hierbei sind (Tli) und (Tre) die absoluten Temperaturen in (K) der im<br />

Strahlungsaustausch stehenden Flächen. (Cli-re) ist der<br />

Strahlungsaustauschkoeffizient, der nach folgender Formel errechnet wird:<br />

Cli-re = 5,67 / (1/εli + 1/εre – 1)<br />

Hierbei sind (εli) und (εre) die Strahlungskoeffizienten der im<br />

Strahlungsaustausch stehenden Flächen, der Wert 5,67 ist (σ) des Schwarzen<br />

Strahlers. Die obigen Formeln ergeben den tatsächlichen Energiestrom in<br />

W/m². Bei positivem Ergebnis geht der Energiestrom von links nach rechts, bei<br />

negativem Ergebnis ist der Energiestrom von rechts nach links gerichtet. Es<br />

findet sodann ein Energieeintrag von außen nach innen statt 72 .<br />

In der praktischen Anwendung empfiehlt es sich, im ersten Rechengang den<br />

72 Der hier vorgestellte Rechengang folgt Cerbe/Hoffmann, Einführung in die Thermodynamik, Hanser<br />

– Verlag, 1994.<br />

32


Strahlungsaustauschkoeffizienten (C12) 73 zu berechnen, der bei allen weiteren<br />

Berechnungen gleich bleibt. Er kennzeichnet den Strahlungsaustausch innerhalb<br />

der einmal gewählten Konstruktion.<br />

Da eine genauere Berechnung der energetischen Vorgänge dann gegeben ist,<br />

wenn unterschiedliche Klimalagen untersucht werden, dürfte sich eine<br />

stundenweise Berechnung einbürgern. Durch eine entsprechend sinnvolle<br />

Anwendung des mit Hilfe von EXCEL möglichen Rechenverfahrens, können hier<br />

sehr rasch unterschiedliche Wetterbedingungen berechnet werden. Im gleichen<br />

Rechengang kann auch der sommerliche Wärmeschutz einer derartigen<br />

Konstruktion überprüft werden. In der Regel erscheinen im Sommer die Werte<br />

für (Φ) mit negativem Vorzeichen. (Bei dieser Definition von links und rechts) 74<br />

Wärmestrahlung und menschlicher Körper<br />

Betrachten wir unseren Körper genauer, stellen wir fest, dass er an dünnen<br />

Partien durchscheinend ist. Halten wir unsere Hand gegen eine starke<br />

Lichtquelle, sehen wir einen roten Lichtschein. Auch Ohren werden von der<br />

Sonne mühelos durchstrahlt. Kinder nützen diesen Effekt wirkungsvoll zum<br />

Schrecken ihrer Geschwister, indem sie eine Taschenlampe in den Mund<br />

stecken und hierdurch beeindruckende gespenstische Effekte bewirken.<br />

Strahlung dringt also auch in den menschlichen Körper ein. Augenscheinlich<br />

wirkt Strahlung in die Tiefe des menschlichen Körpers durch die Haut hindurch.<br />

Somit wird ein erheblicher Teil der Körpersubstanz unmittelbar von<br />

Wärmestrahlung erreicht. Besonders effektiv ist dieser Vorgang natürlich, wenn<br />

der Körper der unmittelbaren Sonnenstrahlung ausgesetzt ist. Er ist jedoch<br />

auch beim bekleideten Menschen vorhanden, da auch Kleidungsstücke Wärme<br />

abstrahlen. Die „wärmende“ Wirkung der Kleidung besteht weniger in der<br />

Dämmfähigkeit der Stoffe. Diese wirkt sich schon wegen der geringen<br />

Materialstärke nur unwesentlich aus. Von erheblich größerer Wirkung ist das<br />

Strahlungs- und Reflexionsvermögen von Textilien. Auch hier gelten als<br />

überwiegend bedeutender Vorgang die physikalischen Effekte von im<br />

Strahlungsaustausch stehenden Oberflächen. 75<br />

Beim bekleideten Menschen sind daher auch die Umgebungslufttemperaturen<br />

von nur untergeordneter Bedeutung. Der klimatische Zustand der Schicht<br />

zwischen Hautoberfläche und Kleidung wird nahezu ausschließlich durch<br />

Strahlungsprozesse bestimmt. Wir müssen uns daher mit der Einsicht vertraut<br />

machen, dass die Temperatur der Umgebungsluft – vor allem in geschlossenen<br />

Räumen - kein Endziel ist. Die Lufttemperatur ist in geschlossenen Räumen nur<br />

ein Indikator für den Strahlungszustand im Raum. Das Strahlungsklima wird<br />

73 In der DIN EN ISO 6946 wurde dem Strahlungsaustauschkoeffizienten, der dort<br />

„Strahlungsaustauschzahl“ heißt, der Buchstabe (E) zugeordnet.<br />

74 Wer Schwierigkeiten im Verständnis zum Strahlungsaustausch hat, kann sich auch in er Fachliteratur<br />

orientieren. Sehr gut ist das z.B. dargestellt in Cerbe/ Hoffmann, Einführung in die Thermodynamik,<br />

Hanser Verlag, 10.Aufl.1994.<br />

75 Der Siegeszug baumwollener Unterwäsche geht auf das gute Reflexionsvermögen von Baumwolle<br />

zurück.<br />

33


ausschließlich durch die Oberflächentemperaturen und den<br />

Strahlungskoeffizienten bestimmt.<br />

Wärmeleitung, Ursachen und Einflüsse<br />

Wärmeleitung ist Energieverlagerung in festen Stoffen. Der Vorgang der<br />

Wärmeleitung ist grundsätzlich sehr einfach. Es geschieht annähernd das<br />

Gleiche wie auf dem Billardtisch. Energiehaltige Teilchen geben ihre<br />

Bewegungsenergie durch elastische Stöße an andere Teilchen weiter. Aus<br />

statistischen Gründen und wegen des Gesetzes der großen Zahl kommt es im<br />

Ergebnis dazu, dass sich in allen Stoffen die Bewegungsenergie gleichmäßig<br />

durchmischt. Der Übergang von Energie zwischen gasförmigen und festen<br />

Stoffen heißt Konvektion und kann nur dann in nennenswertem Masse<br />

stattfinden, wenn das Gas – in der Physik Fluid genannt – am festen Körper<br />

vorbeistreicht.<br />

Haben wir den am Bau vorherrschenden Fall, dass an einer Grenzschicht<br />

Wärmeenergie durch Strahlung oder Konvektion abgegeben wird und das<br />

Bauwerk verlässt, wird – soweit vorhanden – Energie aus anderen Bereichen<br />

des Bauteils nachgeführt. Wird sehr viel Energie vom Bauwerk abgegeben –<br />

was vorwiegend an der Gebäudehülle geschieht - und ist an anderer Stelle des<br />

Stoffs ein hohes Energieniveau, herrscht ein entsprechend großes<br />

Temperaturgefälle, welches für die Schnelligkeit des Wärmeleitungsvorganges<br />

verantwortlich ist. Das Temperaturgefälle ist es wert, einer gesonderten<br />

Betrachtung unterzogen zu werden.<br />

Ganz ist das Gleichnis vom Billardtisch nämlich nicht richtig. In Wirklichkeit<br />

schwingen natürlich alle Teilchen, während die angestoßenen Billardkugeln ja<br />

still liegen. Nur Teilchen im Energiezustand des absoluten Nullpunkts schwingen<br />

nicht. Sie sind – unter den Einschränkungen des Mößbauereffekts allerdings –<br />

zur Ruhe gekommen.<br />

Ich selbst postuliere außerdem eine „thermische Resonanz“ (T.R.), was besagt,<br />

dass ein Teilchensystem dazu neigt, sozusagen im Gleichschritt zu schwingen.<br />

Der Vergleich mit dem Vorgang in einem Ballsaal, bei dem die Tänzer sich im<br />

gleichen Takt bewegen, vermag zu verdeutlichen, dass hier wie da die<br />

Häufigkeit von Kollisionen mit zunehmender Resonanz abnimmt 76 . Somit<br />

verlangsamt sich bei zunehmender Resonanz die Wärmeleitung ganz erheblich.<br />

Die Resonanz nimmt mit steigendem Temperaturgefälle ab, die<br />

Kollisionshäufigkeit nimmt entsprechend zu. Somit wird auch erklärbar, dass<br />

das Maß der Wärmeleitung progressiv zum Temperaturgefälle zunimmt. Dies<br />

wird allerdings in den Tabellen zu den Wärmeleitzahlen nach DIN 4108 nicht<br />

76 In der Fachliteratur habe ich bis heute nichts über „thermische Resonanz“ gefunden. Zu vermuten ist,<br />

dass die Fähigkeit zur thermischen Resonanz eine spezifische Eigenschaft von Stoffen ist. Damit wäre<br />

auch erklärbar, dass Stoffe mit gleicher Masse unterschiedliche Wärmeleitfähigkeit haben. (z.B. Vergleich<br />

von Glas mit Aluminium) Gelänge es den Festkörperphysikern, Einfluss auf die spezifische<br />

T.R. zu nehmen, könnte sodann ein Verfahren zur Veränderung der Wärmeleitfähigkeit von Stoffen<br />

entwickelt werden.<br />

34


erücksichtigt. Dort finden wir nur Durchschnittswerte. Dies wäre nun bei den<br />

verhältnismäßig geringen Temperaturstufungen in homogenen Baustoffen recht<br />

unbedeutend.<br />

Von erheblicher Bedeutung ist dieser Effekt jedoch in aussenliegenden<br />

Dämmstoffen, wenn diese nicht nur zur Erhöhung des Temperaturniveaus im<br />

gedämmten Stoff sondern zur Energieeinsparung eingesetzt werden. In den<br />

Dämmstoffen befindet sich nämlich ein sehr großes Temperaturgefälle<br />

innerhalb einer dünnen Schicht, das im baupraktischen Bereich ein Ausmaß<br />

erreichen kann, das zu einem überproportionalen Energiedurchgang führt. Um<br />

diesen Effekt in seiner ganzen Größe zu ermessen, müssen wir uns<br />

vergegenwärtigen, dass vor allem in klaren Winternächten die<br />

Dämmstoffoberfläche durch Abstrahlung weit unter die Lufttemperatur<br />

abkühlen kann. Da die Schicht hinter dem Dämmstoff meistens noch etwa 12 –<br />

15 °C hat, haben wir es somit mit einem großen Temperaturgefälle zu tun und<br />

somit auch mit einem beträchtlichen Energiedurchgang, der erheblich größer<br />

ist, als er nach den Rechenverfahren möglich ist. Dies ist einer der Gründe,<br />

weshalb alle Versuche, mit nachträglich angebrachten Dämmschichten die<br />

Heizkostenrechnung zu senken, fehlgeschlagen sind. Andere Ursachen dieser<br />

Fehlschläge werden noch a.a.O. erörtert werden.<br />

Von weiterem Einfluss auf die Wärmeleitfähigkeit ist die stoffliche Struktur.<br />

Besonders gut erkennbar wird dies beim Vergleich von Aluminium mit Glas.<br />

Die Stoffdichten sind mit 2,56 kg/dm³ bzw. mit 2,40 – 3,00 kg/dm³ angegeben.<br />

Die Stoffdichten – also das spezifische Gewicht – sind also fast gleich groß.<br />

Gewaltig unterschiedlich sind aber die jeweiligen Wärmeleitzahlen (λ) in<br />

(W/mK). Aluminium hat den Wert 229,00, Glas hat den Wert 0,75. Demzufolge<br />

leitet eine Schicht aus Aluminium den 305 – fachen Energiebetrag einer gleich<br />

dicken Glasschicht 77 . Die oft gehörte Ansicht, dass die Stoffdichte die<br />

Wärmeleitzahl bestimmen würde, ist somit falsch. Da sich Aluminium von Glas<br />

strukturell dadurch unterscheidet, dass es ein kristallines wohl geordnetes<br />

Gefüge hat und ausserdem elektrisch leitfähig ist, während Glas ein amorphes<br />

Gemenge von zusammengeschmolzenen Mineralien ist, ist erkennbar, dass<br />

Stoffe mit kristallinem Gefüge die besseren Wärmeleiter sind. Verdeutlicht wird<br />

dies damit, dass Quarzglas, das bereits ein kristallines Gefüge hat, ansonsten<br />

stofflich fast die gleiche Zusammensetzung wie Fensterglas hat, bereits eine<br />

Wärmeleitzahl von 1,36, also immerhin schon doppelt so groß, aufweist.<br />

Von weiterhin erheblichem Einfluss auf die Wärmeleitfähigkeit ist die elektrische<br />

Leitfähigkeit von Stoffen. Bei elektrischen Leitern verlagert sich der<br />

Wärmeenergietransport auf die freien Leitungselektronen, die ihrerseits ihre<br />

Energie an die Stoffteilchen übergeben.<br />

Dieser Effekt wird auch in eigentlichen Nichtleitern wirksam, wenn sie<br />

durchfeuchtet sind. Das in den mineralischen Baustoffen enthaltene Wasser löst<br />

vorhandene Salze und wird somit zum elektrisch leitenden Elektrolyten.<br />

77 Quelle: Buderus, Handbuch der Heizungstechnik.<br />

35


Abgesehen davon, dass das in den Stoffporen enthaltene Wasser die<br />

Schwingungsenergie unmittelbar weiterleitet, führt es dazu, dass es auch in<br />

mineralischen Baustoffen zu zusätzlichen Wärmeleitungsprozessen wie in<br />

Metallen kommt.<br />

In mineralischen Baustoffen eingelagertes Wasser, das besonders in<br />

Altbausubstanzen bis zu 15% des Mauervolumens erreichen kann, verstärkt<br />

dies die Wärmeleitung beträchtlich. Gelingt es, derartige Mauern in einen<br />

dauerhaft trockenen Zustand zu bringen, sinken die Wärmeleitzahlen bis auf ein<br />

Viertel des ursprünglichen Wertes. 78<br />

In porigen Baustoffen bei einer Porengröße im Mikrometerbereich und größer<br />

kommt es zu stoffinternen Strahlungsprozessen. Für diese Strahlungsprozesse<br />

gilt uneingeschränkt das Strahlungsgesetz von Stefan – Boltzmann. Auch hier<br />

wird ein zusätzlicher Wärmestrom in Gang gesetzt, der durch die<br />

unterschiedlichen Porenwandtemperaturen bei gleichem Strahlungskoeffizienten<br />

bestimmt ist. Je größer die Stoffporen sind, umso bedeutender ist diese Art der<br />

Wärmeleitung. Wegen der Großporigkeit von Dämmstoffen insbesondere aus<br />

Polystyrol und wegen des sehr großen Temperaturgefälles innerhalb der<br />

Dämmschicht sind in derartigen Stoffen die Strahlungsprozesse besonders<br />

intensiv und mindern daher die dämmende Wirkung. Verstärkt wird dieser<br />

Effekt durch den nahe beim Schwarzen Strahler liegenden<br />

Strahlungskoeffizienten von Polystyrol. Da die absolute Temperatur bei der<br />

Berechnung von Strahlungsenergie mit der vierten Potenz als Faktor eingeführt<br />

wird, ist auch deshalb die Annahme der DIN 4108, wonach die Wärmeleitung<br />

linear mit dem Temperaturgefälle anstiege, falsch.<br />

Wir sehen also, dass Wärmeleitung in Baustoffen ein äußerst vielschichtiger und<br />

vielseitig beeinflusster Vorgang ist, der mit den in den Normen angegebenen<br />

Wärmeleitzahlen nur unzureichend beschrieben ist. Die fourier´sche<br />

Wärmeleitungsgleichung ist daher eine extreme Vereinfachung und nur<br />

eingeschränkt verwendbar. 79<br />

Wärmeleitung in mineralischen Baustoffen<br />

Hierzu gehören Ziegelbaustoffe, Beton, Porenbeton, Kalksandsteine,<br />

Lehmausfachungen, Gipsbaustoffe, um nur die Wichtigsten zu nennen. Bei<br />

diesen Baustoffen erfolgt Wärmeleitung überwiegend durch die Weitergabe der<br />

Bewegungsenergie der schwingenden Teilchen durch elastische Stöße. Interne<br />

Strahlungsprozesse spielen kaum eine Rolle. Sehr wesentlich wird die<br />

Wärmeleitzahl durch den Feuchtigkeitsgehalt bestimmt. Die Tabellenwerte der<br />

Wärmeleitzahl (λ) gehen von einer mittleren Stofffeuchte aus, die bei<br />

78 Quelle: Messungen von Cammerer, zitiert in Eichler, bauphysikalische Entwurfslehre. Neuerdings<br />

durch Untersuchungen des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik bestätigt.<br />

79 Gemeint ist hier die fourier´sche Wärmeleitungsgleichung in ihrer in der EnEV abgebildeten Form, die<br />

in einer unzulässigen Weise von der Eindimensionalität der Energieverlagerung und davon ausgeht,<br />

dass die Wärmekapazität eliminiert wird. Die fourier´sche Gleichung wurde daher gefälscht.<br />

36


Neubauten gemessen worden ist. Sie können als brauchbare Anhaltswerte<br />

verwendet werden, sind jedoch im Einzelfall zu verbessern. Beachtliche<br />

Verbesserungen – also Verringerungen der Wärmeleitzahl – treten ein, wenn<br />

z.B. durch Wandheizungstechniken der Baustoff seine Haushaltsfeuchte verliert<br />

und restlos austrocknet. Je nach Baustoff und Ausgangsfeuchte kommt es bis<br />

zur Viertelung der Wärmeleitzahl. Von sehr großer Bedeutung für die<br />

Wärmeleitzahl ist die Stofffeuchtigkeit in Ziegelwänden im Altbaubestand mit<br />

Stärken von über 40 cm.<br />

Dämmstoffe<br />

Dämmstoffe sind Materialien mit geringer Wärmeleitfähigkeit. Die dämmende<br />

Wirkung beruht jedoch nicht – wie vielfach geglaubt wird – in den<br />

Eigenschaften des Materials, sondern im Gefüge, in welches das Material<br />

gebracht worden ist 80 . Sowohl die Kunststoffe, aus denen Dämmstoffe<br />

hergestellt werden, z.B. Polystyrol, wie auch die mineralischen Stoffe Glas und<br />

Gestein, aus denen faserige Dämmstoffe hergestellt werden, sind – für sich<br />

gesehen – gute Wärmeleiter. In kompakter Form wären sie daher als<br />

Dämmstoff ungeeignet. Dämmstoffe simulieren stehende Luftschichten, die,<br />

falls sie nicht strömen, die geringste Wärmeleitfähigkeit haben. Geringer<br />

wärmeleitend wäre nur noch das Vakuum, in welchem gar keine Wärmeleitung<br />

mehr möglich ist.<br />

Das Gefüge aller Dämmstoffe ist dadurch gekennzeichnet, das geringe<br />

Materialmengen ein großes Luftvolumen einschließen. Um die dämmende<br />

Wirkung von Dämmstoffen zu verstehen, genügt es, sich mit der Dämmwirkung<br />

stehender Luftschichten zu befassen, die nichts anderes ist als eine<br />

Verminderung des Energieübergangs von dichten in weniger dichte Stoffe.<br />

Eine energiehaltige Wand besteht nach der kinetischen Wärmetheorie aus einer<br />

Ansammlung schwingender Teilchen. Gerät ein derartiges Teilchen in Kontakt<br />

mit einem gasförmigen Teilchen, überträgt es durch einen elastischen Stoß<br />

seine Bewegungsenergie an das Gasteilchen. Je häufiger dies geschieht, umso<br />

intensiver ist der Energieübergang. Da Luft im Verhältnis zu festen Körpern<br />

teilchenarm ist, geschieht die Kontaktnahme zwischen den Teilchen des festen<br />

Stoffs mit den Gasteilchen selten. Hierbei wird auch verständlich, warum<br />

stehende Luft besser dämmt als bewegte Luft, bei welcher – in Abhängigkeit<br />

von der Strömungsgeschwindigkeit – mehr Zusammenstösse stattfinden. Zur<br />

Veranschaulichung: Wenn Sie mit Ihrem Auto schnell durch Regen<br />

hindurchfahren, sehen Sie, dass die Regentropfen sehr häufig gegen die<br />

Windschutzscheibe treffen. Bringen Sie das Auto zum Stillstand, verringert sich<br />

die Häufigkeit der Tropfenkollision.<br />

Ein weiteres kommt hinzu: Steht die Luft, wird sie sich allmählich erwärmen.<br />

Das Temperaturgefälle zwischen festem Stoff und Luft wird somit geringer.<br />

Auch dies führt zur Verminderung der Wärmeenergieübertragung. Strömende<br />

Luft hingegen ist nicht vorgewärmt, das Temperaturgefälle ist somit größer und<br />

80 Der beste Wärmeleiter Gold wäre in schaumigem Zustand ein guter Dämmstoff.<br />

37


der Wärmeübergang ist verstärkt.<br />

Stehende Luftschichten können leider nicht beliebig dick gemacht werden. Die<br />

Praxis hat gezeigt, dass Luftschichtdicken, die stärker als 50 mm sind, zu<br />

zirkulieren beginnen. Ihre dämmende Wirkung nimmt daher ab. Daher werden<br />

in den Normen Luftschichten, die zur „Hinterlüftung“ eingesetzt werden, nicht<br />

als dämmend angesehen.<br />

Da Luftschichten bis 30 – 50 mm Stärke jedoch eine sehr gute Dämmwirkung<br />

haben, genügen diese in aller Regel zur Erreichung des sog.<br />

„Mindestwärmeschutzes“, der dann gegeben ist, wenn Tauwasserbildung auf<br />

der Wandinnenoberfläche ausgeschlossen ist. Voraussetzung ist lediglich, dass<br />

diese Luftschichten stehend und von der Umgebungsluft getrennt sind. Besteht<br />

das Ziel im „Mindestwärmeschutz“, benötigt man daher keine Dämmstoffe. Die<br />

Fehlentwicklung 81 hin zu dickeren Dämmschichten, wobei hier die<br />

Maximalforderung bis zu 45 cm Materialstärke reicht 82 , hat die Entwicklung von<br />

Dämmstoffen begünstigt, die strukturbedingt jede beliebige Luftschichtdicke<br />

simulieren können. Damit erreicht man in etwa die Wirkung stehender Luft,<br />

allerdings vermindert um die erhöhte Wärmeleitung innerhalb der<br />

Dämmstoffmaterialien.<br />

Was kann ein Dämmstoff eigentlich leisten?<br />

Der werbenden Dämmstoffindustrie ist es gelungen, dem Verbraucher, aber<br />

auch den <strong>Architekt</strong>en einzureden, dass Dämmstoffe am Gebäude den<br />

Energieverbrauch einschränken könnten, sie also den Energiedurchgang nahezu<br />

vollständig verhindern könnten. Dieser Irrglaube hat sich so in den Hirnen<br />

festgesetzt, dass sogar durch Bauvorschriften Bauherren gezwungen werden,<br />

extrem verdickte Dämmstoffe zu verbauen. Inzwischen ist rein sprachlich der<br />

Begriff „Dämmung“ sogar zum Synonym für den Begriff „Energieeinsparung“<br />

geworden Es lohnt also, sich mit der tatsächlichen Wirkungsweise von<br />

Dämmstoffen zu beschäftigen.<br />

Der Begriff „Dämmstoff“ ist sehr gut gewählt, steckt in ihm nämlich das Wort<br />

„Damm“. Wählt man die Analogie „Staudamm“, kann man sich recht gut die<br />

Wirkungsweise von Dämmstoffen veranschaulichen. In diesem Zusammenhang<br />

hilft uns auch der sonst physikalisch falsche Ausdruck „Wärmestrom“ weiter.<br />

Wenn wir in einem strömenden Gewässer einen Damm errichten, führt dies<br />

zum Aufstau des Wassers. Für den Begriff „Wasser“ müssen wir uns jetzt nur<br />

noch den Begriff „Energie“ denken. Hierbei steigt der Wasserspiegel, womit die<br />

Energie der Lage zunimmt. Dieser Zustand bleibt sodann erhalten. Erreicht das<br />

Wasser die Dammkrone, fließt es über diese hinweg. Ein flussabwärts stehender<br />

Beobachter würde hierbei feststellen, dass zeitweise der Fluss versiegt ist,<br />

nämlich während der Aufstauzeit, danach aber genau soviel Wasser abfließt wie<br />

81 Diese Fehlentwicklung wird a.a.O. noch ausführlich behandelt werden.<br />

82 Z.B. Prof. Karl Gertis, Fraunhoferinstitut Holzkirchen<br />

38


zuvor.<br />

Übertragen wir diese Analogie auf den Bau:<br />

Wir bringen also auf der Außenseite der Wand einen Dämmstoff an. Die<br />

Fließart des Wärmestroms verändert sich hierdurch. Das Temperaturgefälle<br />

bleibt jedoch erhalten, damit auch die Gesetzmäßigkeit, wonach Wärmeenergie<br />

sich zum Bereich des niedrigeren Energiezustandes hinbewegt. Allerdings bildet<br />

sich in der gedämmten Wand ein Energiestau aus, der dadurch erkennbar wird,<br />

dass sich die Temperatur der gedämmten Wand erhöht.<br />

Diese Temperaturerhöhung der gedämmten Wand ist ein guter Erfolg, weil<br />

hierdurch die Bildung von Tauwasser verhindert wird. Die Dämmung von<br />

Bauteilen zur Verhinderung von Tauwasserbildung war der ursprüngliche<br />

Gegenstand DIN 4108. Dies war sinnvoll, vernünftig und ist auch heute eine<br />

richtige Anwendung von Dämmstoffen.<br />

Der Zweck von außen angebrachten Dämmstoffen besteht also darin, im Bauteil<br />

eine Temperaturerhöhung herbeizuführen, die der Bildung von Tauwasser<br />

entgegenwirkt. Einen anderen Sinn haben Dämmstoffe nicht.<br />

Zur Ehrenrettung im Hinblick auf Energieeinsparung: Durch die Erhöhung der<br />

Wandtemperatur verringert sich bei Konvektionsheizungen das<br />

Temperaturgefälle zwischen Innenraumluft und Innenwandoberfläche, sodass<br />

hierdurch ein kleiner Energiespareffekt eintritt.<br />

Betrachten wir aber nun den weiteren Vorgang der Wärmeleitung im<br />

Dämmstoff:<br />

Wir haben gesehen, dass das Temperaturniveau in der gedämmten Wand<br />

gestiegen ist. Würde man nun zwei Wandquerschnitte aufzeichnen und durch<br />

eine Linie den Temperaturverlauf darstellen, würde sich zeigen, dass im<br />

baupraktischen Bereich in der ungedämmten Wand eine gerade Linie 83 von der<br />

Innenraumtemperatur mit 20 °C bis zur Außenwandoberfläche mit etwa + 3 °C<br />

gezeichnet werden müsste. Bei der gedämmten Wand würde diese Linie flacher<br />

verlaufen, weil dort die Oberflächentemperatur der gedämmten Wand je nach<br />

Dämmstärke mehr oder weniger höher liegt. Messungen im Winter zeigen aber,<br />

dass die Oberflächentemperatur auf der außen liegenden Dämmschicht sich von<br />

der der ungedämmten Wand nicht unterscheidet. 84 Dies zeigt, dass innerhalb<br />

des Dämmstoffs ein sehr großes Temperaturgefälle herrscht. Wir haben nun<br />

also – soweit wir noch „dämmophil“ sein sollten - ein äußerst unangenehmes<br />

Problem am Hals: Wollen wir das Temperaturgefälle, das ja der Motor des<br />

Wärmeleitungsgeschehens ist, verkleinern, müssen wir die Dämmstärke<br />

verkleinern, weil hierdurch das Temperaturniveau in der Wand sinkt und somit<br />

83 Eine gerade Linie stellt den Temperaturverlauf innerhalb einer Wandkonstruktion allerdings nur ungenau<br />

dar. Im Bereich der Tauzone findet nämlich eine erhöhte Wärmeleitung statt, sodass dort die<br />

Linie steiler abfällt.<br />

84 Dieses Phänomen wird a.a.O noch erörtert werden.<br />

39


auch die Oberflächentemperatur der gedämmten Wand. Verstärken wir<br />

hingegen die Dämmstärke, erhöht sich in gewissen Grenzen 85 das<br />

Temperaturniveau der gedämmten Wand, allerdings erhöht sich damit auch das<br />

Temperaturgefälle im Dämmstoff.<br />

Das Ausmaß des „Wärmestroms“ – in Wirklichkeit fließt natürlich nichts<br />

Stoffliches – steht in einem unmittelbaren, linearen Zusammenhang mit dem<br />

Temperaturgefälle. Eine Verdoppelung des Temperaturgefälles führt –<br />

vereinfachend betrachtet – zu einer Verdoppelung des Durchgangs an<br />

Wärmeenergie.<br />

Wir müssen also – ganz gegen unsere jahrelang entwickelten Gewohnheiten –<br />

erkennen, dass eine Verstärkung von Dämmschichten zu keiner Verringerung<br />

des Energiedurchgangs führen kann sondern nur zu einer Veränderung des<br />

zeitlichen Ablaufs. Wir haben bereits im Winter durch Messungen festgestellt,<br />

dass die Oberflächentemperaturen von gedämmten und ungedämmten<br />

Fassaden völlig gleich sind. 86 Da die Dämmstoffindustrie und ihre willfährigen<br />

professoralen Helfer behaupten, dass Dämmstoffe den Energiedurchgang<br />

signifikant behindern, müsste – falls dies stimmen sollte – allerdings die<br />

gedämmte Oberfläche erheblich kälter sein. Sie ist es aber nicht. Allein diese<br />

Beobachtung sollte uns skeptisch stimmen. Nun machen wir aber ein<br />

Gedankenexperiment, dem bei gedämmten und ungedämmten Fassaden<br />

gleiche Oberflächentemperaturen zugrunde liegen. Wir lassen also zunächst<br />

einmal in Gedanken die Dämmstärke beliebig anwachsen und vergessen hierbei<br />

auch die Hyperbeltragik. Die Folge ist – wie wir schon gesehen haben – ein<br />

Ansteigen des Temperaturgefälles im Dämmstoff, dessen unterer Punkt die<br />

Oberflächentemperatur außen ist. Wir sehen also, dass trotz steigender<br />

Dämmwirkung – sichtbar am großen Temperaturgefälle – die Wärmeenergie<br />

ungehindert durch den Dämmstoff hindurch marschiert.<br />

Nun vermindern wir die Dämmstärken. Das Ergebnis ist immer das Gleiche. Der<br />

hindurchgehende Energiebetrag bleibt gleich, weil sich geringer werdender<br />

Dämmeffekt und sinkendes Temperaturgefälle stets die Waage halten 87 . Der<br />

letzte Schritt besteht darin, den Dämmstoff die Dimension Null annehmen zu<br />

lassen. Und auch hier ist keine messbare Veränderung des Wärmedurchgangs<br />

feststellbar. Möglicherweise bildet sich aber jetzt auf der Wandinnenseite<br />

Schimmel, ein Zeichen für Tauwasserbildung. Also bringen wir wieder flugs<br />

Dämmstoff an, denn an der Erhöhung der Stofftemperatur sind wir natürlich<br />

85 Hier spielt die sog. „Hyperbeltragik“ eine ungute Rolle, die darin besteht, dass der Dämmeffekt mit<br />

zunehmender Dämmstärke hyperbolisch abnimmt und sich in der Praxis gezeigt hat, dass bei einer<br />

Dämmstärke von 80 mm das Optimum erreicht ist und darüber hinaus keine signifikanten Erhöhungen<br />

der Dämmfähigkeit mehr eintreten.<br />

86 Dass gedämmte Oberflächen sogar entschieden kälter als die Umgebungsluft werden können, wird<br />

noch a.a.O. behandelt werden.<br />

87 Dies ergibt sich aus der linearen Struktur der Fourier´schen Wärmeleitungsgleichung.<br />

40


interessiert.<br />

Dämmstoffe sind zur Verringerung des Energiedurchgangs durch Außenwände<br />

ungeeignet, soweit sie das Maß überschreiten, das zur Tauwasservermeidung<br />

erforderlich ist.<br />

Wer mir bis hierhin gefolgt ist und es verkraftet hat, dass ich an der<br />

bauphysikalischen Weltordnung gerüttelt habe, kann sich selbst letzte<br />

Gewissheit hierüber mit einer Berechnung nach den Regeln der DIN 4108<br />

verschaffen, wobei er hierbei die Grenzschichttemperaturen zwischen Wand<br />

und Dämmstoff berechnen muss. Die Formeln hierfür stehen alle im<br />

„Wendehorst“ 88 . Hierbei wird er dann zu dem hier geschilderten Ergebnis<br />

kommen. Das Temperaturgefälle, ausgedrückt in (Δ K) geht bei diesen<br />

Berechnungen nämlich als Faktor in die Berechnung ein. Zwischen<br />

Temperaturgefälle und Energiedurchgang besteht ein linearer – also<br />

unmittelbarer – Zusammenhang.<br />

Zum besseren Verständnis eine weitere aus dem Alltag bekannte Analogie:<br />

Jeder kennt das Phänomen des Staus auf Autobahnen. Was nehmen wir hier<br />

wahr? Nach bisher flotter Fahrt merken wir am Geblinke von Warnlichtern<br />

vorausgefahrener Autos: Ein Stau! Wir treten also auf die Bremse. Von da ab<br />

geht es im Kriechgang weiter. Je dichter der Verkehr bisher war, umso größer<br />

ist der Stau. Nach den Verkehrslageberichten oft über 40 km. Irgendwann<br />

kommen wir dann zu der Stelle, die den Stau ausgelöst hat. Meistens ist das<br />

eine Baustelle, bei der nur noch eine Fahrspur freigegeben ist. Kaum sind wir<br />

da vorbei, geht es schneller als zuvor weiter, weil nämlich der Verkehr vor uns<br />

eine ganze Zeit lang sehr dünn ist. Wir können daher einen großen Teil des<br />

eingetretenen Zeitverlustes wieder wettmachen.<br />

Betrachten wird dieses Ereignis für alle betroffenen Autofahrer, stellen wir fest,<br />

dass jeder letztlich sein Ziel erreichen wird. Nicht einer ist übrig geblieben. Bei<br />

einigen ist das Abendessen inzwischen kalt geworden. Nun können wir die<br />

Menge der Autofahrer mit der Energiemenge gleichsetzen, die wegen eines<br />

Temperaturgefälles sich verlagert. Die Engstelle auf der Autobahn setzen wir<br />

mit einer Dämmschicht gleich. Die Analogie stimmt bis ins Detail. Die<br />

Anhäufung der Autos vor dem Stau entspricht dem erhöhten Energieniveau<br />

hinter einem Dämmstoff. Das wichtigste, was uns nun klar wird: Am Ende ist<br />

die Summe der durchgefahrenen Autos genau so hoch, als hätte es die<br />

Engstelle gar nicht gegeben. Übertragen: Ob mit oder ohne Dämmstoff –<br />

letztlich ist die durchgegangene Energiemenge gleich. Nur die Art und Weise,<br />

wie sie sich verlagert hat, der zeitliche Ablauf, war unterschiedlich. Mit dieser<br />

Analogie im Hinterkopf werden wir das weitere besser verstehen.<br />

In den Hirnen der Verbraucher – auch der <strong>Architekt</strong>en – hat sich festgesetzt,<br />

dass Dämmung mit Energieeinsparung faktisch gleichgesetzt werden kann. In<br />

88 Standardtabellensammlung für <strong>Architekt</strong>en und Bauingenieure.<br />

41


Wirklichkeit handelt es sich aber um zwei völlig verschiedene Dinge. Ich halte<br />

es für eine grandiose Meisterleistung der Werbefachleute, dass es ihnen<br />

gelungen ist, für den einfachen Begriff „Dämmung“ einen völligen<br />

Bedeutungswandel hin zum Begriff „Energieeinsparung“ herbeigeführt zu<br />

haben.<br />

Bauphysikalische Vorgänge in und an Dämmstoffen<br />

Dämmstoffe sind ein sehr problematisches Material. Wir wollen nun den außen<br />

angebrachten Dämmstoff betrachten und sehen was da so alles geschieht.<br />

Zunächst jedoch untersuchen wir die strukturellen Eigenschaften der<br />

Dämmstoffe, da diese sehr bedeutsam sowohl im Guten als auch im Bösen sind.<br />

Gemeinsam ist allen Dämmstoffen die geringe auf das Volumen bezogene<br />

Masse. Daher sind sie zur Speicherung absorbierter Energie nennenswert nicht<br />

fähig. Allerdings können sie sich an der Oberfläche bei einstrahlender<br />

Sonnenenergie erstaunlich schnell aufheizen, ebenfalls eine Folge der geringen<br />

Masse.<br />

Von Bedeutung ist weiterhin das schlechte kapillare Leitvermögen für in den<br />

Dämmstoff eingedrungenes oder dort gebildetes tropfbares Wasser. Besonders<br />

schlecht ist dies bei Polystyrolschäumen, die deshalb auch in WC-Spülkästen als<br />

Material für die Schwimmer verwendet werden. Nicht viel besser verhält es sich<br />

bei faserigen Dämmstoffen in Mattenform, die zwar kapillar leitfähig sind, leider<br />

aber nur parallel zur Wand, was auf die Ausrichtung der Fasern zurückzuführen<br />

ist.<br />

Das Absaufen von Dämmstoffen im Winter<br />

Wir haben bereits gesehen, dass die Wirkung von Dämmstoffen dazu führt,<br />

dass Tauwasserbildung auf der Wandinnenseite verhindert wird. Dies allerdings<br />

geht damit einher, dass die Tauzone, also der Bereich, in welchem<br />

Wasserdampf tropfbar wird, sich nun im Dämmstoff selbst befindet. Es ist daher<br />

stets davon auszugehen, dass bei diffusionsoffenen Konstruktionen, die die<br />

Regel sind, sich im Dämmstoff tropfbares Wasser bildet, es also dort zur<br />

Durchfeuchtung kommt. Es ist für die Funktionstüchtigkeit des Dämmstoffs<br />

ganz entscheidend, dass dieses Wasser einen Weg ins Freie findet und dort<br />

schneller abtrocknet als Tauwasser nachgeführt werden kann. Tropfbares<br />

Wasser kann aber nur kapillar bewegt werden, sodass die schlechte kapillare<br />

Leitfähigkeit der Dämmstoffe sich als großer Nachteil herausstellt. Bei dünnen<br />

Dämmschichten reicht sie gerade noch aus, um bleibende Schäden zu<br />

vermeiden. 89 Bei Schichtdicken, wie sie neuerdings nach EnEV und deren<br />

Propagandisten empfohlen werden, findet das Tauwasser keinen Weg mehr<br />

nach außen, es verbleibt daher im Dämmstoff und löst nun eine verhängnisvolle<br />

Entwicklung aus. In der Folge reichert sich nämlich das Tauwasser an, weil der<br />

Taupunkt stetig nach innen wandert. Letztlich kommt es zum „Absaufen“ des<br />

89 Entscheidender dürfte hierbei sein, dass dünne Dämmschichten bei Sonneneinstrahlung vollständig<br />

durchwärmt werden, sodass Tauwasser sich in Dampf umwandelt und in diesem Aggregatzustand ausdiffundieren<br />

kann.<br />

42


Dämmstoffes. Meistens ist hierbei die vordere Dämmschicht noch trocken,<br />

sodass der Bauschaden erst dann bemerkt wird, wenn er sich durch<br />

Durchnässung des Mauerwerks, verbunden mit Schimmelbildung bemerkbar<br />

macht. Dass die dämmende Wirkung des Dämmstoffes hierbei sich in ihr<br />

Gegenteil verkehrt, weil er – nass wie er nun ist – auch noch ein sehr guter<br />

Wärmeleiter geworden ist, sei nur am Rande vermerkt. Die Folge ist<br />

unausweichlich: Das Gebäude muss eingerüstet werden, die gesamte<br />

Dämmschicht mit allem was darauf klebt muss entfernt werden, das Mauerwerk<br />

braucht zur Trocknung Monate, und danach stellt sich die Frage „was nun?“<br />

Sollte das vom Dämmstoff befreite Mauerwerk ausreichend dick sein, z.B. aus<br />

36,5 cm starkem Ziegelmauerwerk bestehen, genügen zu Sanierung ein<br />

normaler Verputz und der Schwur „nie, nie wieder Dämmstoff an die Fassade<br />

kleben!“.<br />

Sollte das Mauerwerk aber so konstruiert sein, dass es ohne Dämmstoff gar<br />

nicht auskommt, ist guter Rat im wortwörtlichen Sinne teuer. Eine der besten<br />

Lösungen dieses Problems besteht darin, eine 40 mm dicke Schaumglasschicht<br />

anzukleben und diese sodann mit einer vorgehängten Fassadenkonstruktion zu<br />

verhüllen. Schaumglas ist nämlich ein Dämmstoff aus geschlossenen<br />

Glasblasen, der vollkommen dampfdicht ist, und sich daher nicht mit Tauwasser<br />

anreichern kann. Es ist es ein hervorragendes Material – leider aber auch<br />

kostspielig. 90<br />

Das „Absaufen“ von Dämmungen ist ein wohlbekannter und häufiger<br />

Bauschaden. Halbwegs aufmerksamen Baumenschen ist er zumindest aus der<br />

Fachliteratur hinlänglich bekannt. Da es nicht nur die „anerkannten Regeln der<br />

Baukunst“ gibt, sondern auch „anerkannte Fehler der Baukunst“, kann sich ein<br />

Planer nicht auf Nichtwissen oder gar auf Normen und Empfehlungen der<br />

Dämmstoffindustrie herausreden. Er ist in vollem Umfang<br />

schadensersatzpflichtig und wir können nur hoffen, dass er ausreichend<br />

berufshaftpflichtversichert ist.<br />

Das Absaufen von Dämmstoffen im Sommer<br />

In der einschlägigen Fachliteratur wurde dieser Vorgang bis heute nicht<br />

behandelt. Ich vermute, dass das sommerliche Absaufen von Dämmstoffen<br />

sogar immer am Anfang der Schadensentwicklung steht. Was geschieht da also<br />

unvermeidbar? Im Sommer haben wir hohe Lufttemperaturen und relative<br />

Luftfeuchtigkeiten von 90% und mehr. Geringe Absenkungen der<br />

Lufttemperatur führen daher sehr schnell zur Wasserdampfsättigung.<br />

Wasserdampf verwandelt sich in tropfbares Wasser. An einem feuchtschwülen<br />

heißen Sommertag diffundiert also Wasserdampf ungehindert in die<br />

Dämmschicht ein. In der Dämmschicht befindet sich allerdings ein<br />

Temperaturgefälle von außen nach innen. In den tieferen Schichten des<br />

Dämmstoffs ist es also kälter. Spätestens an der Grenzschicht zwischen<br />

Dämmstoff und Mauerwerk kommt es zum Ausfall von Tauwasser, das sich<br />

90 Eine weitere sehr gute Möglichkeit ist der Bau einer TERMOSFASSADE, einer Erfindung des<br />

Verfassers.<br />

43


dort anreichert und sodann sowohl das Mauerwerk kapillar durchdringt als auch<br />

sich im Dämmstoff selbst anreichert. Dass das ganz erhebliche Wassermengen<br />

sind, können Sie am gleichen feuchtschwülen Sommertag an der aus dem<br />

Kühlschrank geholten Bierflasche erkennen, die sich in Sekundenschnelle mit<br />

einer Wasserschicht überzieht. Die geringe kapillare Leitfähigkeit der<br />

Dämmstoffe hindert das Wasser daran, nach außen zu wandern. Es verbleibt im<br />

Dämmstoff. Bemerkbar wird dieser Schaden dann, wenn die<br />

Innnenwandoberflächen verschimmeln. Öffnet man sodann den Dämmstoff,<br />

besteht das typische Schadensbild darin, dass in der Tiefe des Dämmstoffs<br />

klatschnasse Feuchtigkeit vorgefunden wird, während die oberen<br />

Dämmstoffschichten noch trocken sind. Während ich diesen Text schreibe,<br />

bearbeite ich einen derartigen Bauschaden als Gutachter. Die hierauf von mir<br />

angeschriebene Bauunternehmung reagierte inzwischen mit dem Einwand, dass<br />

das nicht sein könne, weil die Beschichtung des Dämmstoffs doch wasserdicht<br />

sei. Völlige Ahnungslosigkeit also über die bauphysikalischen Prozesse. Die<br />

Schadensbeseitigung dürfte in diesem Fall etwa € 15.000,-- kosten. Das<br />

Dumme ist nur, dass die bedauernswerte Bauunternehmung etwa einhundert<br />

gleiche Gebäude in der gleichen Siedlung gebaut hat. Die Pleite ist somit<br />

vorprogrammiert.<br />

Tauwasser<br />

Wasserdampf ist ein Gas und unsichtbar. Das, was wir in einer Waschküche<br />

sehen, sind winzige Wassertröpfchen, aber kein Wasserdampf. Wasserdampf ist<br />

stets Bestandteil der Luft. Das Wassergas, Dampf genannt, besteht somit aus<br />

frei schwebenden einzelnen Wassermolekülen der Formel 2H2O.<br />

Wassermoleküle kommen immer nur paarweise vor. Dampf ist dann vorhanden,<br />

wenn die Schwingungen der Teilchen so energiehaltig sind, dass sie die<br />

Adhäsionskräfte der Wasserteilchen überwinden. Diese Adhäsionskräfte sind<br />

eine Folge dessen, dass Wassermoleküle Dipole sind, also prinzipiell sich wie<br />

Magnete mit einem positiven und einem negativen Pol verhalten. Überwiegen<br />

die Adhäsionskräfte, verbinden sich die einzelnen Moleküle zu einer Flüssigkeit.<br />

Verliert diese Flüssigkeit weiter Energie, verfestigt sie sich sogar und wird zu<br />

Eis. Bei Energiezufuhr beginnen die adhäsiv zur Flüssigkeit verbundenen<br />

Teilchen so heftig zu schwingen, dass der Zusammenhalt überwunden wird, die<br />

Moleküle lösen sich aus dem Verband und werden zu Dampf. Die Teilchen<br />

schwingen auch als Dampf weiter. Im baupraktischen Bereich beträgt die<br />

Schwingungsgeschwindigkeit etwa 2000 bis 3000 m/s und liegt somit erheblich<br />

über der Schallgeschwindigkeit. Daher wird auch verständlich, dass die winzig<br />

kleinen Teilchen mühelos in die üblichen Baustoffe eindringen, die aus der<br />

Sichtweise der Teilchen ja mit riesigen Hohlräumen durchsetzt sind.<br />

Geraten die Dampfteilchen in einen Bereich, der kalt ist, übertragen sie ihre<br />

Energie in die kalten Stoffe, werden dadurch selbst energieärmer und ab einer<br />

gewissen Energiearmut überwiegen sodann wieder die Adhäsionskräfte der<br />

Teilchen untereinander. Es bildet sich wieder flüssiges Wasser, dem man die<br />

Bezeichnung „Tauwasser“ verliehen hat. Der morgendliche Tau auf unseren<br />

Wiesen entsteht auf die genau gleiche Art, da auch hier Wasserdampf auf die<br />

während der Nacht ausgekühlten Pflanzen trifft. Der wissenschaftliche Begriff<br />

44


ist „Kondenswasser“ oder ganz einfach „Kondensat“.<br />

Von bauphysikalischem Interesse ist weiterhin, dass bei der Bildung von<br />

Tauwasser diejenige Energie wieder freigesetzt wird, die einst zur Verdampfung<br />

des Wassers geführt hat. Diese Energie nennt man „Kondensationswärme“.<br />

Hierbei handelt es sich um beachtliche Energiemengen. Man sollte hierbei auch<br />

wissen, dass dieser Energieumsatz nicht mit Temperaturänderungen verbunden<br />

ist sondern ausschließlich die Energie verkörpert, die zur Änderung des<br />

Aggregatzustandes aufgewendet ist. 91 Daher ist die Kondensationswärme von<br />

Wasser eine konstante Größe, nämlich 2.558 kJ/kg Wasser. 92<br />

Nützliche Wirkungen der Kondensation<br />

Die bei der Kondensation frei werdende Kondensationswärme kann vielfältig<br />

genutzt werden. Bekannt ist die Brennwerttechnik, bei der durch Kondensation<br />

von Abgasen aus Öl- und Gasfeuerungsanlagen ein großer Anteil der dort<br />

enthaltenen Wärmeenergie zurückgewonnen und dem Heizsystem zugeführt<br />

werden kann.<br />

Ich selbst habe eine Fassadenkonstruktion entwickelt, die inzwischen patentiert<br />

ist, bei der durch die diffusionsoffene Wand Wasserdampf dringt, sich an kalten<br />

Flächen niederschlägt und dort kondensiert. Hierbei bleibt die frei werdende<br />

Kondensationswärme dem Bauwerk erhalten. Erste Messergebnisse zeigen,<br />

dass auch dort beachtliche Energiemengen zurückgewonnen werden können.<br />

Eine weitere Anwendung ist bei Klimaanlagen üblich, wo über Wärmetauscher<br />

die in der Fortluft enthaltene Energie ebenfalls durch Kondensationseffekte<br />

zurückgewonnen wird. Letztlich wird durch Kondensation auch Lufttrocknung<br />

möglich. Hierbei wird warmfeuchte Luft über kalte Flächen geleitet, wodurch<br />

der anteilige Wasserdampf kondensiert und somit der Luft Wasser entzogen<br />

wird. Regelmäßig dient ein derartiges Verfahren der Stabilisierung der relativen<br />

Luftfeuchte z.B. in Schwimmbädern. Auch dieser Effekt wird bei der eben<br />

erwähnten Fassadenkonstruktion genutzt. 93<br />

Schädliche Wirkungen der Kondensation<br />

Tauwasserbildung in Bauteilen ist eine der häufigsten Schadensursachen bei<br />

Bauwerken. Sie führt nämlich zur Durchnässung mit allen nachteiligen Folgen<br />

wie<br />

Korrosion,<br />

Verrottung, insbesondere bei Holz und Gips,<br />

Erhöhung der Wärmeleitfähigkeit, somit erhöhte Energieverluste,<br />

91 Eine praktische Anwendung dieses Effektes finden wir in der Brennwerttechnik, die in der Rückgewinnung<br />

von Kondensationswärme aus den kondensierenden Abgasen der Heizanlage besteht.<br />

92 Dieser Wert gilt bei normalem Luftdruck.<br />

93 Der gleiche Effekt verursacht bei Konvektionsheizungen ein Absinken der r.L. auf bis zu 25%, also<br />

zu einem gesundheitsgefährdenden Zustand der Raumluft.<br />

45


Auflösung von wasserlöslichen Stoffen, z.B. Klebemittel,<br />

Schimmelbildung mit großen gesundheitlichen Gefahren,<br />

Bei Behinderung der Abtrocknungsvorgänge Blasenbildung und<br />

Abplatzungen, z.B. bei Flachdächern, bei Anstrichen auf Fassaden und<br />

Fenstern etc.,<br />

Frostabsprengungen bei durchnässten Konstruktionen,<br />

Durchnässung von Fassadenoberflächen mit anschließender Algen- und<br />

Moosbildung,<br />

Durchnässung von Dämmschichten mit Verlust der Dämmwirkung und<br />

Durchnässung des gedämmten Mauerwerks.<br />

Dieser Katalog kann endlos fortgesetzt werden. Bausachverständige leben<br />

überwiegend von Tauwasserschäden. Ein verantwortungsvoll planender<br />

<strong>Architekt</strong> muss bei seinen Konstruktionen – eigentlich in einem besonderen<br />

Arbeitsgang – die Problematik der Tauwasserbildung überprüfen. Setzt er sich<br />

leichtfertig darüber hinweg, gerät er unvermeidbar in die persönliche Haftung,<br />

die er auf niemanden abwälzen kann. Dies kann er nur durch sorgfältige<br />

Planung vermeiden. Notfalls und beim Fehlen der bauphysikalischen Kenntnisse<br />

muss er den Rat von Fachleuten einholen. Ich empfehle hier auch den<br />

kollegialen fachlichen Austausch nach dem Motto „Vier Augen sehen mehr als<br />

zwei.“ Weil es sich hier um einen der problematischsten Sachverhalte handelt,<br />

sollen diese hier etwas genauer beleuchtet werden.<br />

Tauwasser und Massivwände<br />

Betrachten wir eine massive Außenwand, die heutzutage als 36,5 cm dicke<br />

Ziegelwand zu denken ist, innen verputzt, gestrichen oder tapeziert, außen als<br />

Sichtmauerwerk oder verputzt und gestrichen, haben wir es mit einer recht<br />

ordentlichen Konstruktion zu tun, von der wir empirisch wissen, dass es an ihr<br />

keine nennenswerten Tauwasserschäden gibt. Was geschieht in dieser Wand,<br />

wenn Wasserdampf eindringt? Wir haben bereits gesehen, dass die mit großer<br />

Geschwindigkeit schwingenden Wassermoleküle mühelos in die Wand<br />

eindringen. Irgendwo im Wandquerschnitt erreicht jedoch der Wasserdampf<br />

eine vollkommene Sättigung, die relative Luftfeuchte in der Wand beträgt dann<br />

100 %. Diese Zone ist dann erreicht, wenn der Wandquerschnitt entsprechend<br />

abgekühlt ist. Baupraktisch ist dies das vordere Drittel der Wand. Aus dem<br />

Wasserdampf ist nun flüssiges Wasser geworden. Der Weg nach außen ist noch<br />

etwa 12 cm lang. Ist die Tauwasserbildung sehr massiv, was im Wesentlichen<br />

von der Wasserdampfmenge abhängt, also von den Feuchtigkeitszuständen<br />

innerhalb des Raumes, bildet das Tauwasser eine Dampfbremse. Denn<br />

geschlossene Wasserschichten sind eine perfekte Dampfsperre. Hat das<br />

durchfeuchtete Mauerwerk eine ausreichende kapillare Leitfähigkeit, ist alles<br />

bestens geregelt. Bei Ziegelmauerwerk ist das immer der Fall. Das Wasser<br />

wandert kapillar nach allen Seiten weg, auf dem Weg nach innen verwandelt es<br />

sich wieder in Dampf, auf dem Weg nach außen gerät es an die<br />

Mauerwerksoberfläche, wo es nach alter Sitte vom Wind abgetrocknet wird und<br />

dadurch nachrückendem Wasser Platz schafft.<br />

Wichtig ist nur noch, dass dem Wasser auf diesem Weg keinerlei Hindernisse<br />

46


entgegenstehen. Und da wird oft gesündigt. Eine der häufigsten Verfehlungen<br />

sind Anstriche, die eine Haut bilden, z.B. Fassadenanstriche aus<br />

Dispersionsfarben. Die Farbenindustrie versichert zwar, dass sie ausreichend<br />

diffusionsoffen seien. Die hierbei veröffentlichten Werte des<br />

Diffusionswiderstandes sind jedoch Laborwerte und haben mit den<br />

tatsächlichen Verhältnissen am Bau wenig zu tun. Der Diffusionswiderstand<br />

ändert sich nämlich mit der Temperatur gewaltig. Bei abnehmender Temperatur<br />

steigt der Diffusionswiderstand über die Laborwerte hinaus an. Bei bestimmten<br />

Wetterlagen kann die Wandoberfläche erheblich unter die Temperatur der<br />

Außenluft auskühlen, eine Folge von Abstrahlungsvorgängen. Hierbei kann ein<br />

Bereich unmittelbar hinter der Wandfarbe sogar vereisen. Das eingeschlossene<br />

Tauwasser hat keine Möglichkeit mehr, nach außen zu gelangen. Es verbleibt<br />

somit in der Wand und reichert sich dort im Verlaufe des Winters an.<br />

Irgendwann im Frühling erwärmt die Sonne die durchnässte Wand. Geschieht<br />

dies sehr plötzlich, wird das Wasser in der Außenzone dampfförmig, in den<br />

weiter hinten gelegenen Schichten bleibt es flüssig 94 . Wir haben nun den<br />

unheilvollen Zustand einer eingeschlossenen Dampfschicht, die einen<br />

entsprechend hohen Dampfdruck aufbaut. Diesem Druck ist jedoch die<br />

Dispersionsfarbenhaut nicht gewachsen, sodass sich an der Außenfläche, vor<br />

allem an Südseiten, regelrechte Blasen bilden. Das Ergebnis ist eine großflächig<br />

zerstörte Anstrichfläche.<br />

Der mir einzig bekannte Weg, diese Schadensentwicklung zu vermeiden,<br />

besteht darin, Fassadenputze mit Mineralfarben zu streichen oder sie<br />

durchzufärben, da diese Farben keine Häute ausbilden und dampfdurchlässig<br />

bleiben. Noch besser ist es, die Außenfläche als unverputztes Sichtmauerwerk<br />

zu gestalten. Das ist einer der Gründe, warum ich selbst bei meinen Bauwerken<br />

fast immer Sichtmauerwerk verwende.<br />

Tauwasser auf Außenwänden mit dünnen Dämmschichten<br />

Dünne Massivwände, z.B. einschalige Ausfachungen von Fachwerkbauten<br />

kühlen so stark aus, dass sich bei ihnen auf der Innenfläche Tauwasser<br />

niederschlägt. Soweit denkmalpflegerische Belange nicht entgegenstehen 95 ,<br />

kann eine derartige Wand durch eine außen aufgebrachte Dämmschicht<br />

verbessert werden. Die bereits früher erklärte Staudammwirkung führt zu einer<br />

Erhöhung der Wandtemperatur und damit zur Vermeidung der<br />

Tauwasserbildung. Dieser Erfolg wird bereits bei dünnen Dämmschichten<br />

erreicht, die niemals dicker als 40 mm sein müssen. Recht gut hierfür geeignet<br />

ist die gute alte Heraklith-Platte, die auch 50 mm dick sein darf, deren<br />

Grundmaterial Holzspäne sind, die mit einer Zementmasse untereinander<br />

verbunden sind. Sie ist ein sehr guter Putzträger und verbindet sich mit der<br />

94 Die im Frühling stattfindende spontane Erwärmung der Maueroberfläche erreicht in dieser Phase<br />

noch nicht die tiefer gelegenen Schichten.<br />

95 Bei sichtbar belassenem Fachwerk scheidet diese Technik aus. Lösungsmöglichkeiten hierfür werden<br />

unter dem Kapitel „Hypokaustentechnik“ behandelt.<br />

47


Fachwerkwand organisch. Ihre kapillare Leitfähigkeit ist gut, der hohe<br />

Holzanteil ermöglicht die Abspeicherung von eingestrahlter Sonnenenergie. Zur<br />

Vermeidung von Hohlräumen innerhalb der Wand sollte sie vollflächig<br />

angemörtelt sein, eine zusätzliche mechanische Verankerung ist unverzichtbar.<br />

Dieser Konstruktion vermeidet sicher Tauwasserbildung.<br />

Dicke Dämmschichten auf Außenwänden<br />

Ein fehlerhaftes bauphysikalisches Modell 96 , nunmehr in der EnEV<br />

festgeschrieben, geht davon aus, dass der sog. „Transmissionswärmeverlust“<br />

durch möglichst dicke Dämmschichten soweit zu reduzieren sei, dass durch eine<br />

Außenwand rechnerisch der Wärmeenergiedurchgang nur noch so gering ist,<br />

dass er nahezu vollständig unterbunden ist und dass es nur noch darum ginge,<br />

das Gebäude auch luftdicht herzustellen, damit Lüftungswärmeverluste<br />

unmöglich würden. Auf dem Papier ist so das „Nullenergiehaus“ konzipiert<br />

worden. 97 Unter anderem werden bei derartigen Konstruktionen exzessiv<br />

Dämmschichten – meistens aus Polystyrol – eingesetzt, mit Schichtdicken von<br />

20 cm und mehr. Die Dämmstoffindustrie und die Unternehmungen, die die<br />

sog. Wärmedämmverbundsysteme (WDVS) vertreiben, rechnen ihren<br />

Auftraggebern vor, dass nunmehr der Energieverbrauch dramatisch sinken<br />

würde. Bis heute warte ich allerdings auf zuverlässige Forschungsergebnisse,<br />

die diese Prognosen bestätigen. Der Bundesfachverband für WDVS verfügt über<br />

keine Messergebnisse, die belegen, dass eine nennenswerte Energieeinsparung<br />

erreicht werden kann. Zu vermuten ist allerdings, dass derartige Messungen<br />

vorgenommen worden sind, deren traurige Ergebnisse jedoch zur Werbung für<br />

WDVS ungeeignet sind. Stattdessen häufen sich in neuerer Zeit<br />

Schadensmeldungen, die offensichtlich typisch für derartige<br />

Außenwandbeschichtungen sind. Vorwiegend handelt es sich hierbei um<br />

Veralgung und Verpilzung der Fassadenoberflächen 98<br />

Absaufen der Dämmstoffe<br />

Durchnässung der Außenwände<br />

Schimmelbildung an Fensteröffnungen und bei konstruktiven<br />

Wärmebrücken, z.B. auskragende Betonplatten und Fensterlaibungen.<br />

Was geschieht da also? Warum auch der Energiespareffekt ausbleibt, wird<br />

a.a.O. behandelt werden.<br />

96 Hierauf wird noch sehr ausführlich a.a.O. eingegangen werden. In diesem Kapitel geht es nur darum,<br />

die bauphysikalischen Ereignisse in und am Dämmstoff zu schildern.<br />

97 Von einem echten Nullenergiehaus wäre zu fordern, dass es ein Gebäude ist, dem keinerlei Energie<br />

zugeführt wird. In Wirklichkeit ist das Nullenergiehaus natürlich eine Fiktion. Betrachtet man derartige<br />

Gebäude genauer, findet man Energieversorgungseinrichtungen in Form von Sonnenkollektoren,<br />

photovoltaischen Anlagen, Wärmepumpen, die Umweltenergien ins Gebäude fördern und elektrische<br />

Energie in beachtlicher Menge verbrauchen.<br />

98 Das Fraunhoferinstitut für Bauphysik (IBP) bezeichnet je nach Erscheinungsform diesen Schaden als<br />

Leoparden oder Tigereffekt.<br />

48


Veralgung von gedämmten Fassadenoberflächen<br />

Wenn wir versuchshalber eine Schüssel Wasser auf dem Balkon aufstellen,<br />

werden wir, solange das Wasser nicht gefriert, nach wenigen Tagen eine<br />

Grünverfärbung des Wassers feststellen. Hierbei handelt es sich um Algen, also<br />

um eine einfache aber sehr robuste Pflanzenart, die eine fadenförmige Struktur<br />

hat. Nach längstens zwei Wochen hat sich im Wasser ein Algenteppich<br />

entwickelt, der zeigt, dass es sich hier um ein genügsames und wuchsfreudiges<br />

Lebewesen handelt. Lassen wir das Wasser eintrocknen, verfärben sich die<br />

Algen braun und bieten einen traurigen Anblick. Zur Trauer besteht jedoch kein<br />

Grund, denn die Algen sind keineswegs tot. Werden sie wieder nass, erwachen<br />

sie – als wäre nichts geschehen – zu weiterem fröhlichem Wachstum. Da diese<br />

Algenbildung in jeder besseren Wasserpfütze stattfindet, die ebenfalls<br />

austrocknet, verwehen die Algensporen auch und verbreiten sich so über die<br />

Luft überall hin, auch auf Ihren Balkon. Die Luft ist also angefüllt mit herum-<br />

schwebenden Algensporen. Das einzige, was sie zum Gedeihen benötigen, sind<br />

nasse Zonen. Die paar Mineralien, die sie benötigen, werden gleich mit<br />

angeweht, das CO2, das ihre Nahrung ist, findet sich in ausreichender Menge in<br />

der Luft.<br />

Wenn wir am Gebäude Algenwuchs feststellen, deutet dies auf durchnässte<br />

Oberflächen hin. Die finden wir überall, so z.B. an Grundstücksmauern, die<br />

allseitig beregnet werden und im Schatten stehen, an nicht abgedichteten<br />

Stützwänden, die von der Erdseite her durchnässen und nun auch in gehäuftem<br />

Masse an den Oberflächen von Wärmedämmverbundsystemen mit dicken<br />

Dämmschichten.<br />

Woher kommt die Durchnässung der Oberflächen, fragt sich die Fachwelt. Vor<br />

einiger Zeit erhielt ich eine Einladung zu einer Fachtagung der WDVS-Industrie,<br />

die dieses Problem zum Gegenstand haben sollte. Ich bekundete mein<br />

Interesse an dieser Veranstaltung, teilte jedoch zugleich meinen Standpunkt<br />

mit, dass die Veralgung ein Problem der WDVS sei und sehr einfach dadurch<br />

lösbar sei, dass man derartige und ohnehin auch energetisch unwirksame<br />

Bauweisen nicht ausführen sollte. Anscheinend kamen auch von anderen<br />

Eingeladenen ähnliche Kommentare mit der Folge, dass die Veranstaltung sang-<br />

und klanglos abgesagt wurde.<br />

Wir haben bereits gesehen, dass von jedem Stoff Wärmestrahlung emittiert<br />

wird. Das gilt auch für Dämmstoffe und die darüber befindlichen<br />

Kunstharzputze. Nehmen wir einmal an, dass die Wandoberfläche in der<br />

Ausgangsphase noch eine Oberflächentemperatur von 5 °C hat. Dies ist in<br />

Kelvin umgerechnet eine Temperatur von 278 K. Nach dem Strahlungsgesetz<br />

von Stefan – Boltzmann errechnet sich damit unter der Annahme eines<br />

Strahlungskoeffizienten von 0,90 der Stefan – Boltzmann – Konstanten eine<br />

Strahlungsleistung von etwa 300 W/m². Da eine Dämmschicht massearm ist,<br />

hat sie in kürzester Zeit ihre gespeicherte Energie abgegeben und zwar so<br />

lange, bis sich ein Strahlungsgleichgewicht mit der Umgebungsstrahlung und<br />

49


der Strahlung aus dem Weltraum eingestellt hat. Die Temperatur der Außenluft<br />

spielt ebenfalls eine, wenn auch kleine Rolle, da die konvektiv bestimmte<br />

Energieübertragung nur zu einer sehr kleinen Energiezufuhr beiträgt. Geschieht<br />

dies in einer frostklaren Winternacht, bei der die Einstrahlung aus der<br />

Umgebung gering, die Einstrahlung aus dem Weltraum praktisch überhaupt<br />

nicht mehr stattfindet, kann die Oberflächentemperatur weit unter die<br />

Temperatur der Außenluft absinken. Von innen findet wegen der dicken<br />

Dämmschicht die Energiezufuhr zur Oberfläche nur sehr verzögert statt. Obwohl<br />

in dieser Nacht wegen der geringen Lufttemperatur auch der absolute<br />

Wassergehalt der Luft klein ist, haben wir es dennoch mit sehr hohen relativen<br />

Luftfeuchtigkeiten zu tun.<br />

Somit wird nun die Wandoberfläche des WDVS zur Kondensationsebene<br />

gegenüber dem in der Luft enthaltenen Wasserdampf. Liegt die<br />

Oberflächentemperatur noch über dem Gefrierpunkt, wird die Oberfläche nass,<br />

liegt sie darunter, kommt es zur Reifbildung. Tagsüber wird dieser Reif<br />

abgeschmolzen. Das Ergebnis ist in jedem Fall eine Vernässung der<br />

Fassadenoberfläche. 99<br />

Diese Ereignisse finden nun nicht nur etwa nur im Kernwinter statt, wo sie<br />

verhältnismäßig folgenlos bleiben, weil da der Anteil der Algensporen in der Luft<br />

sehr klein ist, sondern schon ab Ende August, wie jedermann von seinem Auto<br />

weiß, dessen Blechkleid bereits in dieser Jahreszeit mit einer Reifschicht<br />

bedeckt sein kann. Dabei können wir auch sehen, dass die Blechoberfläche weit<br />

unter die Aussenlufttemperatur auskühlen kann. In dieser Zeit ist aber bei Algen<br />

noch volle Vegetationsphase. Wir haben also nun alles, was zur Algenbildung<br />

benötigt wird, beisammen, vor allem eine ausreichend nasse Fläche. Bei der<br />

Genügsamkeit der Algen reicht das für ein üppiges Wachstum aus.<br />

Die Sekundärfolge ist sodann eine verhältnismäßig rasch zerstörte<br />

Fassadenoberfläche, da die biochemischen Ereignisse die Fassadenoberfläche<br />

zersetzen. Hinzu kommt, dass der Algenteppich Nährboden für weitere<br />

pflanzliche Lebewesen wird, vorwiegend Moose und Flechten. Dass das Ganze<br />

auch hässlich aussieht, sei nur am Rande vermerkt 100 .<br />

Derzeit sind unsere fleißigen Chemiker dabei, „algizide“ Mittel zu erfinden, die<br />

als Gift auf die Fassaden aufgesprüht werden sollen. Diesen Mitteln kann man<br />

bereits jetzt vorhersagen, dass sie sich alsbald auch als gesundheitsschädlich<br />

99 Ich habe schon eine Reihe derart schadensbetroffener Gebäude besichtigt, bei denen sichtbar ist, dass<br />

im Bereich der wärmeleitenden Verankerungen, dort also, wo das WDV-System unterbrochen ist,<br />

scharf abgegrenzte helle, nicht veralgte Flächen zu sehen sind. Dies ist ein klarer Beweis dafür, dass<br />

die Dämmschicht schadensverursachend ist. Neuerdings heißt diese Erscheinung „Panthereffekt“ wegen<br />

der kreisrunden weißen Flächen auf veralgtem Untergrund.<br />

100 Der BGH hat in einem solchen Schadensfall bereits entschieden, dass selbst dann, wenn strukturelle<br />

Schäden an der Fassade noch nicht eingetreten sind, die Veralgung als schwerer Mangel anzusehen ist<br />

und somit den Besteller berechtigt, Zahlung zu verweigern und Schadensersatzforderungen geltend zu<br />

machen.<br />

50


herausstellen werden – ich erinnere an das traurige Ende der Holzschutzmittel –<br />

und sodann vom Gesundheitsminister wieder verboten werden. Auch ich weiß<br />

keinen Rat, wie WDVS vor Veralgung und nachfolgender Zerstörung geschützt<br />

werden können. 101 Das Problem wird sich von selbst lösen, wenn sich<br />

herumgesprochen haben wird, dass ja ohnehin der beabsichtigte<br />

Energiespareffekt ausbleibt.<br />

Das Absaufen dicker Dämmstoffe<br />

Eigentlich hätte es gar nicht zu diesem Bauschaden kommen dürfen. Bereits in<br />

den frühen sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts hatten wir es schon<br />

einmal mit dem Absaufen von Dämmstoffen zu tun, nämlich auf Flachdächern,<br />

die als sog. „Warmdach“ konstruiert waren. Bereits damals stellten die<br />

Bausachverständigen fest, dass die Dämmschichten in Warmdächern, obwohl<br />

sie von beiden Seiten in wasserdichte Schichten eingepackt waren, vollkommen<br />

nass waren. Die Durchnässung war so vollkommen, dass wegen des Gewichts<br />

der auflastenden Wassermassen die Statik der Dachdecken nicht mehr stimmte.<br />

In dieser Zeit geriet das Warmdach in einen so großen Verruf, dass viele<br />

<strong>Architekt</strong>en kategorisch dem Flachdach abgeschworen haben. Wenn schon<br />

Flachdächer gebaut werden sollten, griff man wieder zum unterlüfteten<br />

Kaltdach. Die Erfindung des Umkehrdaches löste das Problem ebenfalls recht<br />

ordentlich. Ich meine, dass Warmdächer nur dann zu verantworten sind, wenn<br />

entweder die Konstruktionsweise des Umkehrdaches gewählt wird oder als<br />

Dämmstoff dampfdichtes Schaumglas verwendet wird. 102<br />

Die Erfindung der WDVS ist eigentlich nichts anderes, als dass eine am<br />

Flachdach höchst schadensträchtige Konstruktion, die zu Recht vom Markt<br />

verschwunden ist, an den Außenwandoberflächen wieder fröhliche Urständ<br />

feiert. Und damit haben wir uns einen längst für überwunden geglaubten<br />

Bauschaden wieder an den Hals gehängt.<br />

Die Schadensberichte über abgesoffene, also völlig durchnässte Dämmschichten<br />

auf Außenwänden häufen sich in der Fachliteratur, was aber die einschlägige<br />

Industrie nicht im geringsten daran hindert, diese Konstruktion mit massiver<br />

Propaganda und sehr erfolgreich zu vertreiben. Unterstützt wird sie hierbei<br />

101 Einer der Hersteller von WDVS, die Fa.KEIM, Diedorf, empfiehlt neuerdings, statt der bisher<br />

üblichen Kunstharzbeschichtungen eine wasseraufnahmefähige und mindestens 7 mm dicke<br />

mineralische Beschichtung aufzubringen, die das Tauwasser vorübergehend aufsaugt. Damit soll der<br />

Veralgung entgegengewirkt werden. Interessant ist jedenfalls, dass ein bedeutendes Werk mit hohem<br />

Ansehen in der <strong>Architekt</strong>enschaft damit dem „klassischen“ WDVS bescheinigt, dass es<br />

bauschadensträchtig ist.<br />

102 Eines meiner Frühwerke ist ein 1967/68 errichtetes Mehrfamilienhaus in Regensburg. Damals propagierte<br />

man das gefällelose Flachdach. Unerfahren, wie ich damals war, übernahm ich diese Anregung.<br />

Ich ließ jedoch dieses Dach, das nur über Wasserspeier entwässert war, die damals nachgerade mein<br />

Markenzeichen waren, mit einer 60 mm dicken, zweilagig verlegten Schaumglasschicht dämmen.<br />

Dieses nun schon 40 Jahre alte Dach funktioniert bis heute in jeder Hinsicht, obwohl ich das fehlende<br />

Gefälle heute als Mangel betrachte. Kürzlich habe ich von einem Bewohner dieses Hauses, der einer<br />

der noch wenigen übrig gebliebenen Erstbewohner ist, erfahren, dass noch niemals an diesem Dach irgendetwas<br />

gemacht worden ist. Ich habe daher empfohlen, dass man wenigstens einmal die Dachhaut<br />

mit Bitumen tränken sollte, da dieses leider durch UV-Bestrahlung allmählich spröde wird.<br />

51


durch das Fraunhoferinstitut Holzkirchen, durch den prominentesten Promotor<br />

der EnEV, Prof.Dr.-Ing. Gerd Hauser und etliche andere mehr. 103 Letzterer war<br />

wenigstens so anständig, vor einiger Zeit selbst seine Ideen in Zweifel zu<br />

ziehen 104 , - zwar nur verklausuliert -, während der frühere Leiter des<br />

Holzkirchner Instituts, Prof. Karl Gertis 105 , immer noch behauptet, dass die<br />

beste Dämmstärke 40 cm sei. Die Fachwelt wartet bis heute vergeblich auf<br />

einen Widerruf dieses offenkundigen Unsinns. Wir wollen uns nun aber mit den<br />

Vorgängen beschäftigen, die das Absaufen der dicken Dämmschichten<br />

bewirken.<br />

Als „dicke Dämmschichten“ bezeichne ich Dämmmaterialien, die eine Stärke von<br />

100 mm übersteigen. Üblicherweise werden bei WDVS Dämmstoffe aus<br />

Kunststoff, also Polystyrol oder Polyurethan verwendet, da auf diesen wegen<br />

ihrer Festigkeit unmittelbar eine Beschichtung, meist aus kunstharzgebundenen<br />

Dünnputzen aufgebracht wird. Da findet man in der Praxis bereits<br />

Dämmstärken von 200 mm nach dem Motto „Viel hilft viel“. Dahinter steckt<br />

allerdings profunde Unkenntnis über die Wirkungsweise von Dämmstoffen.<br />

Trotz der abweichenden Meinung von Prof. Karl Gertis ist sich die Wissenschaft<br />

darin einig, dass die Dämmwirkung von Dämmstoffen mit zunehmender<br />

Schichtstärke nicht etwa linear zunimmt sondern zusätzliche Schichtdicken nur<br />

einen Zuwachs an Dämmfähigkeit bringen, der wie ein Hyperbelast gegen Null<br />

strebt. Man spricht daher von der „Hyperbeltragik“ bei Dämmstoffen. Daher gibt<br />

es eine Wirtschaftlichkeitsgrenze, die nach allgemeiner Meinung bei einer<br />

Dämmstärke von 80 mm erreicht ist. Bei faserigen Dämmstoffen, deren obere<br />

Schicht durchblasen werden kann, wird die Wirtschaftlichkeitsgrenze bei 100<br />

mm erreicht. Jedes darüber hinausgehende Maß ist baupraktisch unwirksam,<br />

löst konstruktive Probleme aus und bedeutet Geldverschleuderung.<br />

Unser Wasserdampf, dessen aggressives weil energiegeladenes Verhalten wir<br />

bereits kennen gelernt haben, dringt in die gedämmte Wand ein. Da wegen der<br />

Dämmschicht die Wandtemperatur hoch ist, bleibt er hier dampfförmig. Er<br />

wandert also weiter und gelangt nunmehr in die Dämmschicht, die<br />

diffusionsoffen ist und keinerlei nennenswerten Widerstand entgegensetzt. Aber<br />

auch im dicksten Dämmstoff befindet sich irgendwo eine Tauzone, also der<br />

Bereich, in dem die relative Luftfeuchtigkeit wegen der sinkenden Temperatur<br />

auf 100% ansteigt. Der Wasserdampf verwandelt sich somit in Wasser. Diese<br />

Tauzone befindet sich, wie man empirisch festgestellt hat, was aber auch durch<br />

Berechnungen bestätigt wird, stets an der Grenze zum vorderen Drittel der<br />

103 Aber auch beim IBP scheint ein Umdenken zu beginnen. Am 27.März 2007 habe ich mit Vergnügen<br />

vernommen, dass man beim IBP darüber nachzudenken beginnt, die empfohlenen Dämmstärken<br />

wieder zu verkleinern, da der Mindestwärmeschutz ja ausreichen würde. Damit landen wir dann<br />

wieder bei den Früheren Dämmstärken von etwa 40 mm, gegen die nichts einzuwenden ist.<br />

104 Deutsche Bauzeitschrift DBZ 3/1997, Analyse des Heizenergieverbrauchs von Mehrfamilienhäusern<br />

auf der Basis der GEWOS-Erhebung.<br />

105 Inzwischen emeritiert.<br />

52


Dämmschicht 106 . Bei 200 mm Schichtstärke liegt somit die Tauzone etwa 67<br />

mm vor der Außenwandfläche. Wäre es der Dämmstoffindustrie gelungen,<br />

kapillar leitfähiges Material zu entwickeln, begönne nun der von der<br />

Massivwand her bekannte Prozess der Wasserwanderung nach außen und der<br />

dortigen Abtrocknung. So aber sind sowohl faserige als auch geschäumte<br />

Dämmstoffe von sehr geringer kapillarer Leitfähigkeit quer zur Schicht, sodass<br />

sich in dicken Schichten mehr Kondensat bildet als nach außen wandern kann.<br />

Also kommt es unweigerlich zur Anreicherung von tropfbarem Wasser in der<br />

Dämmschicht.<br />

Dieser Vorgang durchläuft mehrere Phasen:<br />

Mit Beginn der Heizperiode dringt Wasserdampf in die Dämmschicht ein,<br />

der in der Tauzone kondensiert und dort den Dämmstoff mit winzigen<br />

Wassertröpfchen durchsetzt.<br />

In der Tauzone verstärkt sich die Tröpfchenbildung. Es kommt zur<br />

flächigen Benetzung des Materials.<br />

Die Dämmfähigkeit des benetzten Dämmstoffes verringert sich in der<br />

Tauzone, womit sich die dämmende – weil trockene- Schicht verdünnt.<br />

Der nun dünner gewordene Dämmstoff – der feuchte Bereich ist kein<br />

Dämmstoff mehr – verlagert seine Tauzone nach innen. Es kommt somit<br />

zu einer Wanderung der Tauzone nach innen unter Beibehaltung der<br />

Wassermenge in der ursprünglichen Lage der Tauzone. Der vordere<br />

Bereich des Dämmstoffs bleibt hierbei trocken.<br />

In längeren Zeiträumen wandert eine geringere Wassermenge in die<br />

Bereiche vor der Tauzone, die sich dort anlagert bis in einen Bereich, wo<br />

sich Trocknungsvorgänge auswirken, sodass die inzwischen schon<br />

erhebliche Durchnässung des Dämmstoffes an der Außenfläche nicht<br />

sichtbar wird. Die Durchnässung der Konstruktion kann also nur durch<br />

eine Probeöffnung festgestellt werden. Äußerlich sieht alles noch recht<br />

gut aus.<br />

Sobald sich im Dämmstoff geschlossene Wasserschichten gebildet haben,<br />

nehmen diese die Eigenschaft von Dampfsperren an. Die weitere<br />

Tauwasserbildung findet von da ab nur noch an der Grenzschicht<br />

zwischen Mauerwerk und nassem Dämmstoff statt. Allmählich<br />

durchfeuchtet das Mauerwerk von außen her.<br />

Bei bestimmten Wetterlagen und Sonneneinstrahlung kommt es zur<br />

Erwärmung der nassen Dämmschicht von außen, sodass ein Teil des<br />

eingeschlossenen Wassers dampfförmig wird. Dieser Wasserdampf<br />

wandert teilweise nach außen, aber auch nach innen, wo er eine<br />

Tauzone findet, in der er kondensiert. Der Wasserdampfstrom wechselt<br />

also teilweise seine Richtung.<br />

Bei Frostwetter und starker Wärmeabstrahlung kommt es in der<br />

106 In Abhängigkeit von der Temperatur der Fassadenoberfläche und der eindringenden Wasserdampfmengen<br />

wandert die Tauzone hin und her, sodass wir uns die Tauzone als eine verhältnismäßig dicke<br />

Schicht parallel zu Außenwandoberfläche vorstellen müssen, die jedoch an nach außen springenden<br />

Ecken und Vorsprüngen sich beachtlich nach innen verlagert, da diese Bereiche besonders stark von<br />

Auskühlung betroffen sind.<br />

53


Dämmschicht zur Bildung von Eiskristallen und damit zu einer<br />

Volumenvergrößerung des Wassers. In Bereichen, in denen sich diese<br />

Volumenvergrößerung nicht entfalten kann, kommt es zu<br />

Frostaufbrüchen und damit zur mechanischen Zerstörung der Strukturen.<br />

Schichten lösen sich voneinander.<br />

Die Eiskristallbildung zerstört auch die geschlossenzelligen Strukturen<br />

von Dämmstoffen aus Kunststoffen, sodass jetzt der völligen<br />

Durchnässung des Dämmstoffs nichts mehr entgegensteht.<br />

Auf den Innenwandflächen, die feucht geworden sind, kommt es zur<br />

Ablösung wasserlöslicher Konstruktionen, z.B. Tapeten, Anstriche und<br />

zur Bildung von Nährböden für Schimmel. Holzkonstruktionen<br />

durchfeuchten, quellen auf und beginnen zu verrotten.<br />

Bei Sättigung der Dämmstoffe mit Wasser reicht die Sommerperiode zur<br />

Austrocknung nicht mehr aus. Es kommt zu erheblicher Dampfbildung<br />

mit erhöhten Dampfdrücken, sodass jetzt auch die<br />

Fassadenbeschichtungen abgedrückt werden, sichtbar an Blasenbildung<br />

und Ablösung von Farbanstrichen.<br />

Energetisch treten hierbei sogar Verbesserungen ein, da der durchnässte<br />

Dämmstoff zur Speicherung von Wärmeenergie in der Lage ist, sodass<br />

derart durchnässte Fassaden bei Sonneneinstrahlung deutlich höhere<br />

Temperaturen haben.<br />

Insgesamt hat die Wandkonstruktion völlig versagt. Die Sanierung wird<br />

mit der Entfernung des WDVS eröffnet.<br />

Dies ist ein wahres Horrorszenario, das jedoch aus der Praxis durchaus bekannt<br />

ist. Natürlich muss es nicht in jedem Einzelfall zu diesem bitteren Ende<br />

kommen. Wir <strong>Architekt</strong>en leben auch von dem Phänomen, dass nicht jeder<br />

Planungsfehler zum Bauschaden führt. Baukonstruktionen haben auch die<br />

Eigenschaften von sich selbstregelnden Systemen, sie helfen sich daher<br />

gelegentlich selbst. Beispiel: Jeder Gebäuderiss ist eigentlich nichts anderes als<br />

eine vom Planer vergessene Bewegungsfuge, die sich das Bauwerk in seiner<br />

Not selbst herstellt.<br />

Würde es der Dämmstoffindustrie gelingen, Materialien mit wirksamen und quer<br />

zur Dämmschicht gerichteten Kapillaren herzustellen, damit das Wasser zügig<br />

zur Außenhaut geleitet wird, wo allerdings dampfbremsende Beschichtungen<br />

unbedingt zu vermeiden sind, wäre dies ein richtiger Weg zur Verbesserung der<br />

Wärmedämmverbundsysteme, die allerdings nur in der geringeren<br />

Schadensträchtigkeit läge. Dass derartige Konstruktionen nicht zur<br />

Verbesserung der Energiebilanz am Gebäude beitragen können, sie somit<br />

vermieden werden sollten, wird noch a.a.O. ausführlich behandelt werden.<br />

Tauwasserbildung im Sommer<br />

Dass es auch im Sommer Tauwasserbildung gibt, die den Pfarrer Kneipp dazu<br />

angeregt hat, den Gebrechlichen zu raten, früh morgens barfuss im taunassen<br />

Gras herumzustapfen und wir in einem fröhlichen Wanderlied mitteilen, dass wir<br />

im Frühtau zu Berge gehen, hat sich im Bauwesen noch nicht so richtig<br />

54


herumgesprochen. An heißen und schwülen Sommertagen haben wir hohe<br />

relative Luftfeuchtigkeiten mit häufiger Wasserdampfsättigung und<br />

entsprechend hohem Partialdampfdruck. Unvermeidbar ist daher der<br />

Wasserdampfeintritt von außen in die Umschliessungsflächen. Bei den<br />

Superdämmungen nach EnEV diffundiert der Wasserdampf auch in die<br />

Dämmschichten hinein, die im Sommer natürlich innen kühler als außen sind.<br />

Somit kommt es mitten im Sommer zu Tauwasserbildung im Dämmstoff. Der<br />

Wasserdampf dringt hierbei ungebremst in den Dämmstoff ein. Das flüssige<br />

Tauwasser findet aber seinen Weg nicht mehr nach außen- die kapillare<br />

Leitfähigkeit des Dämmstoffs reicht hierzu nicht aus. Befördert wird dieser<br />

Prozess durch die großen sommerlichen Temperaturschwankungen im Tag-<br />

Nacht-Rhythmus. Bei den hohen Lufttemperaturen und der ebenso großen<br />

relativen Luftfeuchte werden da im Sommer entschieden größere<br />

Tauwassermengen gebildet als im Winter. Untersucht wurde das bisher aber<br />

noch nicht, Statt dessen geistert das Gerücht durch die Bauphysikerzunft, dass<br />

im Sommer mehr Wasser aus den Umschliessungshüllen austrocknen würde, als<br />

im Winter eindiffundiert. Das Gegenteil scheint der Fall zu sein.<br />

Die Energiebilanz<br />

Der Energieerhaltungssatz gebietet, dass bei der Betrachtung der energetischen<br />

Ereignisse am Gebäude der Energieeintrag und der Abtrag von Energie gleich<br />

groß sein müssen. Wäre dies nicht so, würde ein Gebäude entweder bis zum<br />

absoluten Nullpunkt auskühlen oder es würde immer energiegeladener – also<br />

heißer - werden. Beides tritt nicht ein, völlig unabhängig davon, ob ein Gebäude<br />

beheizt wird oder nicht. Dass ein nicht beheiztes Gebäude dazu strebt, den<br />

Energiezustand der Umgebung anzunehmen, ist eine Folge des entropischen<br />

Prinzips. Solange ein Temperaturgefälle besteht, verlagert sich die Energie, bis<br />

ein Gleichgewicht eingetreten ist.<br />

Wir wissen, dass im Winter unbeheizte Gebäude im Innern fast immer wärmer<br />

sind als die Umgebung. Das ist bereits ein erster Hinweis darauf, dass<br />

Gebäuden von außen Energie zugeführt wird. Nun wollen wir aber in die<br />

Energiebilanz etwas Ordnung bringen: Wie in jeder ordentlichen Bilanz müssen<br />

Aktiva (Energieeintrag mit dem Vorzeichen „+“) und Passiva (Energieabtrag mit<br />

dem Vorzeichen „-“) sauber getrennt aufgelistet werden.<br />

Energieabtrag<br />

Den Begriff „Energieverlust“ sollte man vermeiden, weil prinzipiell Energie nicht<br />

verloren geht. Im schlechtesten Fall verlagert sie sich in Bereiche, wo sie<br />

unserer Nutzung entzogen ist. Im baupraktischen Bereich haben wir es nur mit<br />

drei Wegen der Energieverlagerung zu tun. Das sind:<br />

Strahlung (quantenphysikalischer Vorgang)<br />

Konvektion (Wärmeübergang zwischen Fluiden und Feststoffen)<br />

Wärmeleitung (Verlagerung von Wärmeenergie in Feststoffen als interner<br />

Prozess)<br />

55


Ich werde noch ausführen, dass Wärmeleitung z.B. in Außenwänden nicht<br />

gleichbedeutend mit Energieabtrag ist, sondern nur zur Energieverlagerung im<br />

Baustoff führt. Um ein behagliches Raumklima zu erzeugen, benötigen wir<br />

erwärmte Baustoffe. Die Baustofferwärmung ist also ausdrückliches Ziel der<br />

Beheizung, hat also mit Energieabtrag nichts zu tun. Die Wärmeleitung im<br />

Baustoff ist daher eine unvermeidbare Begleiterscheinung des<br />

Beheizungsvorgangs. Erst wenn die in den Baustoff eingetragene Energie das<br />

Bauwerk endgültig verlässt, können wir von Energieverlust 107 sprechen.<br />

Führt man diesen Gedanken konsequent zu Ende, stoßen wir auf die –<br />

allerdings normwidrige – Tatsache 108 , dass der Energieverlust nur an der<br />

Gebäudeoberfläche stattfindet. Sieht man einmal davon ab, dass an einem<br />

Gebäude auch kaltes Wasser herablaufen kann, sodass dann auch<br />

Wärmeleitungsprozesse stattfinden würden, kann Wärmeenergie nur konvektiv,<br />

also durch strömende Luft und durch Abstrahlung dem Gebäude entzogen<br />

werden 109 . Dieser Prozess wird aber in der DIN 4108 völlig unzureichend<br />

behandelt.<br />

Abstrahlung<br />

Jeder Körper, der eine Temperatur oberhalb des absoluten Nullpunktes bei -<br />

273 °C oder 0 K hat, strahlt fortwährend Energie in Form von<br />

elektromagnetischen Wellen ab. Das Prinzip ist bereits erklärt. Maßgebend für<br />

die Berechnung der Abstrahlungsleistung sind folgende Faktoren:<br />

Stefan-Boltzmann-Konstante (5,671)<br />

Absolute Temperatur der strahlenden Oberfläche in (K)<br />

Strahlungskoeffizient (ε) der strahlenden Fläche als Bruchteil der Stefan-<br />

Boltzmann-Konstanten.<br />

Mit Hilfe dieser Größen lässt sich die Abstrahlungsleistung recht genau<br />

ausrechnen. Die Oberflächentemperatur ist messbar. Der Strahlungskoeffizient<br />

kann ebenfalls über den Umweg der Messung des Reflexionsgrades gemessen<br />

werden. Er ist unabhängig von der Temperatur und kann wie ein konstanter<br />

Wert verwendet werden. Außerdem gibt es Tabellen, denen man für die<br />

gebräuchlichsten Materialien die Strahlungskoeffizienten entnehmen kann. Die<br />

einzige variable Größe bei der Ermittlung der Strahlungsleistung ist somit die<br />

Temperatur der strahlenden Oberfläche. Das ist wörtlich zu nehmen. Die<br />

Beschaffenheit des Materials hinter der Oberfläche ist ohne jeglichen Einfluss.<br />

Ohne jeglichen Einfluss auf die Abstrahlungsleistung sind auch die<br />

107 Da auch ich gerne den Begriff „Energieverlust“ verwende, rege ich zur Vermeidung physikalischer<br />

Ungenauigkeit an, diesen Begriff immer – mindestens gedanklich – mit dem besitzanzeigenden Fürwort<br />

„unser“ zu verbinden, womit dann ausgedrückt ist, dass wir zu Lasten unseres Geldbeutels etwas<br />

eingebüsst haben.<br />

108 Nach Norm beginnt der „Energieverlust“ an der Innenwandoberfläche.<br />

109 Im Bereich der oberirdischen Bauteile.<br />

56


Umgebungsbedingungen gleich welcher Art. Abstrahlung ist also ein autonomer<br />

Vorgang, der, solange die Temperatur der strahlenden Fläche sich nicht<br />

verändert, immer gleich bleibt.<br />

Um uns eine Vorstellung über die Größenordnung zu machen, nochmals ein<br />

Rechenbeispiel: Gegeben sei eine Ziegelwand aus dunkelbraunem Material mit<br />

einem Strahlungskoeffizienten nach Tabelle von 5,36. Die<br />

Oberflächentemperatur im Winter sei 3 °C (276 K).<br />

Nun setzen wir in die Stefan-Boltzmann-Formel ein und erhalten folgenden<br />

Rechenansatz:<br />

ΦAbstrahlung = 5,36 * (276/100) 4 = 311,02 W<br />

Würde man diese Strahlungsleistung auf die Wandoberfläche eines Hauses<br />

umlegen, kämen wir auf einen Energiebetrag, der die Heizleistung des<br />

Heizkessels um etwa das 40-fache überschreiten würde. Bereits jetzt erkennen<br />

wir, dass alleine wegen des Energieabtrages durch Strahlung und des<br />

gewaltigen Defizits zur Leistung des Kessels es auch einen weiteren und im<br />

Verhältnis zur Kesselleistung riesigen exogenen Energieeintrag geben muss. Wir<br />

müssen daher die Vorstellung aufgeben, dass die Aufgabe des Kessels darin<br />

bestünde, im Gebäudeinnern den gesamten Energieabtrag des Gebäudes nach<br />

außen auszugleichen. Das „Warmluftbehältermodell“ der DIN 4108 und der<br />

EnEV ist also nicht haltbar.<br />

Wollen wir die Abstrahlungsleistung eines Gebäudes genau ermitteln, müssen<br />

wir die einzelnen Gebäudeoberflächen oberhalb des Erdreichs gesondert<br />

untersuchen und hierbei die zutreffenden Strahlungskoeffizienten und auch die<br />

abstrahlungsbedingt verschiedenen Oberflächentemperaturen berücksichtigen.<br />

Die Mühe der fortlaufenden Messung der Oberflächentemperaturen können wir<br />

uns weitgehend ersparen, da sich im baupraktischen Bereich die in der<br />

Berechnungsformel enthaltene 4. Potenz nicht gravierend auswirkt. Ich<br />

empfehle, in der Kernheizzeit von einer Wandoberflächentemperatur bei<br />

Mauerwerk von i.M. 5 °C auszugehen. 110 Für die Heizungsübergangszeit schlage<br />

ich den Wert 8 °C vor. Etwas sorgfältiger sollte man bei der<br />

Abstrahlungsleistung von Glasflächen vorgehen, da deren<br />

Oberflächentemperatur sehr stark in Abhängigkeit von der Beheizungstechnik<br />

steht. Bei konvektiven Heiztechniken liegt sie durchwegs um etwa 3 – 5 °C<br />

höher, weil hier ständig auf der Raumseite ein konvektiver Energieübergang<br />

stattfindet. Bei Wandheizungen sieht es erheblich günstiger aus, da wir<br />

raumseitig eine stabile Luftschichtung haben. Darüber später mehr.<br />

Gesondert zu berechnen sind Dachkonstruktionen. Bei Flachdachkonstruktionen<br />

gilt auch hier, dass nur die Oberflächentemperatur maßgebend ist. Bei<br />

belüfteten Steildächern gilt als energetische Oberfläche die Fläche unterhalb der<br />

110 Das ist ein Mittelwert den ich im Winter 2001/2 ermittelt habe.<br />

57


Belüftungszone, also nicht etwa die Dachziegeloberfläche. Diese gilt bereits als<br />

Quelle von Einstrahlung.<br />

Trostreich ist auch, dass für die erdberührten Bauteile die Abstrahlungsleistung<br />

ohne Interesse ist. Hier überwiegen die Wärmeleitungsprozesse ins<br />

angrenzende Erdreich hinein, wobei wir nur noch zu überlegen haben, ob es<br />

eigentlich sinnvoll ist, die Grenzschicht zwischen Außenwand und Erdreich als<br />

Ort des Energieabtrags zu definieren. Hierzu anderswo mehr.<br />

Konvektiver Energieabtrag auf Außenflächen<br />

Berechnungstechnisch haben wir hier ein unlösbares Problem, was auch schon<br />

die DIN 4108 erkannt hat und daher dort keine Rechenverfahren angeboten<br />

werden. Stattdessen schreibt die Norm einen sog.<br />

Wärmeübergangskoeffizienten mit der stets festen Größe von 25 W/m² vor, der<br />

in Wirklichkeit bei Windstille auf etwa 2 W/m² zusammenschrumpft. Er hat also<br />

die Eigenschaft eines pauschalen Zuschlags. Der tatsächliche konvektive<br />

Energieabtrag wird ganz entscheidend von der Strömungsgeschwindigkeit der<br />

Aussenluft bestimmt. Dabei verzehnfacht sich diese Größe z.B. bei<br />

Windgeschwindigkeiten von 6 m/s. 111 Um genauere Werte zu bekommen, muss<br />

im Einzelfall das orografische 112 Wetter ermittelt werden. Wenn man Glück hat,<br />

stehen sogar Daten einer Wetterstation zur Verfügung. Ansonsten ist man nicht<br />

schlecht beraten, Nachbarbefragungen durchzuführen. Auch die vorhandene<br />

natürliche Umwelt gibt Hinweise. Finden wir Windflüchter 113 vor, haben wir es<br />

mit einer windigen Ecke zu tun. Schneeverwehungen, dünenartige Strukturen,<br />

die Struktur von Hecken und Sträuchern geben ebenfalls Hinweise auf eine<br />

besondere Windlage. Auch ein Blick auf vorhandene traditionelle Bauweisen<br />

lohnt immer.<br />

Brett- oder Schindelverkleidungen signalisieren fast immer eine windreiche<br />

Lage. Auch unsere Vorfahren waren schon schlau genug, um zu erkennen, dass<br />

derartige Verkleidungen den Wind von der energetischen Gebäudeoberfläche<br />

abhalten. Haben wir es mit Wind zu tun, können wir in dieser Phase getrost mit<br />

einem Energieabtrag von 300 – 400 W/m² rechnen. In einer windigen Gegend<br />

sind wir, wie unsere Vorfahren bestens beraten, Außenhüllen zu bauen, die den<br />

Energieabtrag durch Wind unterdrücken. Das ist eine der einfachsten<br />

Methoden, Energie in beachtlichen Mengen einzusparen.<br />

Außendämmungen können das nicht leisten. Fegt nämlich kalte Luft über das<br />

WDVS, kühlt auch hier die Oberfläche sehr rasch aus. Hierdurch erhöht sich das<br />

Temperaturgefälle im Dämmstoff, sodass auch hier ein erhöhter Energieabtrag<br />

an der Außenwand stattfindet.<br />

111 Zur Berechnung dienen Faustformeln.<br />

112 Typische Wetterverhältnisse für einen begrenzten geografischen Bereich.<br />

113 Bäume, die auffällig schräg stehen, weil sie dem Wind nachgegeben haben, ähnlich, wie ein Segel-<br />

boot bei Seitenwind krängt.<br />

58


Ist die Gebäudeoberfläche nass, erhöht sich der konvektive Energieabtrag, weil<br />

der Oberfläche nun auch Kondensationswärme entzogen wird.<br />

Der Wärmeübergang von festen Stoffen in die Luft und in Flüssigkeiten – und<br />

auch der umgekehrte Vorgang – wurden schon von Newton überlegt. Zu einer<br />

Lösung ganz praktischer Fragestellungen kam Newton aber nicht. Hierzu fehlte<br />

es ihm an allem, so an Messgeräten und auch an der Mathematik. Heute weiß<br />

man, dass derartiges nur mit sehr komplizierten Differentialgleichungen<br />

behandelt werden kann und auch dann nur für genau messbare und<br />

verhältnismäßig unkomplizierte Einzelfälle. Eine allgemeine Lösung für dieses<br />

Problem gibt es bis heute noch nicht. Daher finden wir in Physikbüchern die<br />

trostreiche Mitteilung, dass die Wärmeübergangszahl, die mit (α) bezeichnet<br />

wird, eine Schwankungsbreite von 2 – 20 000 W/m²K hat. Die entscheidende<br />

Größe an Fassadenaussenflächen ist hierbei die Windgeschwindigkeit (w), die in<br />

m/s angegeben wird. Daher ist bei Windstille und in stehenden Luftschichten<br />

die Wärmeübergangszahl mit etwa 2 W/m²K am geringsten. Es gibt<br />

Faustformeln, bei denen die Windgeschwindigkeit in der Weise berücksichtigt<br />

wird, dass der Wärmeübergangszahl stehender Luft der zwölffache Betrag der<br />

Quadratwurzel aus (w) hinzuaddiert wird. Da wir die Windgeschwindigkeit<br />

messen können haben wir also nun eine näherungsweise Berechnungsformel 114<br />

für den konvektiven Wärmeübergang:<br />

Φ konvektiv = 2 + 12 * (w) ½ * K in (W/m²K)<br />

Ein kleines Rechenbeispiel:<br />

Gegeben ist eine verputzte Wand mit einer Oberflächentemperatur von + 2 °C.<br />

(275 K). Die Windgeschwindigkeit wurde mit 9 m/s bei einer Lufttemperatur<br />

von – 3 °C (270 K) gemessen. Wir wollen den konvektiven Energieabtrag<br />

bestimmen. Also setzen wir in die Formel ein:<br />

Φkonvektiv = 2 + 12 * ( 9 ) ½ * (275 – 270) W/m² = 190 W/m²<br />

Hätten wir Windstille, bliebe es beim Wärmeabtrag von 2 W/m², woraus wir<br />

auch erkennen können, dass hierbei die Lufttemperatur verhältnismäßig<br />

uninteressant ist. Bestimmend für die Wärmeübergangszahl sind aber auch<br />

noch weitere Einflüsse wie<br />

Rauhigkeit der Oberfläche<br />

Windrichtung<br />

Relative Luftfeuchte der Aussenluft<br />

Feuchtigkeitszustand der Wandoberfläche<br />

Der Praktiker muss hier entsprechende Berichtigungen in seiner Berechnung<br />

vornehmen. Schön wäre es, wenn z.B. das Fraunhoferinstitut für Bauphysik<br />

Messungen durchführen würde und diese den Fachleuten zur Verfügung stellen<br />

würde. Der in der Norm DIN 4108 angegebene Pauschalwert für den<br />

114 Entnommen aus Horst Herr, Wärmelehre, Verlag Europa – Lehrmittel, Haan-Gruiten, 2.Aufl.1994<br />

59


Wärmeübergang jedenfalls ist ein unbrauchbarer Unsinn. Das zeigt sich auch<br />

daran, dass es nach der Norm niemals den Fall des konvektiven oder<br />

strahlenden Energieeintrags gibt. So bleibt unberücksichtigt, dass Außenwände<br />

in der Heizungsübergangszeit nächtens Oberflächentemperaturen unter dem<br />

Gefrierpunkt annehmen können die Frühlingssonne jedoch zu rascher<br />

Erwärmung der Umgebungsluft führt, die sodann an den kalten Wänden<br />

entlangstreicht und somit konvektiver Energieeintrag – und nicht zu knapp –<br />

stattfindet. Ebenso verhält es sich mit der Erwärmung von Außenwänden durch<br />

Sonneneinstrahlung. Nach Norm jedoch findet in der gesamten Heizperiode<br />

rund um die Uhr nur Energieabtrag statt – mit der stets gleichen Größe von 25<br />

W/m². Übrigens auch dann, wenn offensichtlich die Luft am Gebäude wärmer<br />

ist als die Aussenwandoberfläche, eine in der Heizungsübergangszeit häufig<br />

vorkommende Situation.<br />

Energieeintrag<br />

Auch der Eintrag von Energie ins Gebäude ist zu ordnen. In der Reihenfolge<br />

ihrer Bedeutung sind dies:<br />

Einstrahlung aus der Umgebung<br />

Unmittelbare Sonneneinstrahlung<br />

Diffuse Einstrahlung<br />

Konvektiver Energieeintrag<br />

Heizanlage<br />

Prozesswärme aus technischen Aggregaten<br />

Energieabgabe durch die Bewohner<br />

Kondensationswärme<br />

Um uns den wichtigen Anteilen ausführlicher widmen zu können, behandeln wir<br />

zunächst die letzten vier Energieeinträge:<br />

Energieeintrag durch die Heizanlage<br />

Für die Dimensionierung der Heizanlage gibt es ganz ordentliche<br />

Berechnungsverfahren, die allerdings durchwegs zur Überdimensionierung<br />

führen, da sie ja auf die Spitzenlast hin zu bauen sind. Die aber wird nur selten<br />

abgefragt. Bei größeren Bauwerken plant der Fachingenieur normgemäß. Bei<br />

kleinen Bauwerken kommt man mit Faustformeln ganz gut hin, wenn der<br />

Bauherr die Kosten für den Fachingenieur scheut 115 . Interessant bei unserer<br />

Betrachtung ist, welche Wärmeleistung die Anlage bezogen auf die Hüllfläche<br />

abgibt.<br />

Nehmen wir also einmal ein Beispiel, ein kleineres Einfamilienhaus mit einem<br />

Erdgeschoss mit 3,00 m Geschosshöhe, 1,00 m Drempelhöhe, Satteldach mit<br />

54 ° Dachneigung, ausgebaut. Gebäudeumriss 8,50 m x 12,50 m. Der Kosinus<br />

bei 54 ° beträgt 0,59. Der Tangens lautet 1,38. Nun können wir rechnen:<br />

115 Für meine Temperieranlagen rechne ich den beheizten umbauten Raum aus und dimensioniere mit<br />

10W/h m³. Für Warmwasserbereitung gibt es je nach Familiengröße einen Zuschlag von bis zu 30%.<br />

Zuschläge dienen auch zur Berücksichtigung des tatsächlichen Wirkungsgrades.<br />

60


Oberflächen<br />

Dachfläche: 8,50 x 12,50/ 0,59 = 180,08 m²<br />

Giebel: 8,50 x 4,25 x 1,38 = 49,85 m²<br />

Drempel: (8,50 + 12,50) x 2 = 42,00 m²<br />

EG-Wand: (8,50 + 12,50) x 2 x 3,00 = 126,00 m²<br />

Summe Oberfläche 397,93 m²<br />

Umbauter Raum<br />

EG + Drempel: 8,50 x 12,50 x 4,00 = 425,00 m³<br />

Dach: 8,50 x 12,50 x 4,25 x 1,38/2 = 311,58 m³<br />

Bodenkonstruktion: 8,50 x 12,50 x 0,30 = 31,87 m³<br />

Summe umbauter Raum = 768,45 m³<br />

Die erforderliche Heizleistung beträgt somit 768,45 x 13 W = 9.989,85 W =<br />

10 kW.<br />

Folglich wird der Wärmebereiter auf eine Leistung von 14 116 kW bestimmt. Das<br />

ist die Spitzenlast, die jedoch nur ganz selten benötigt wird. Lege ich diese<br />

Heizleistung auf die Gebäudeoberfläche um, erhalten wir<br />

14 000 / 397,93 = 35,18 W/m²<br />

Hiervon können wir 25% auf den konvektiven Energieabtrag umlegen, sodass<br />

zum Ausgleich des Strahlungsverlustes 26,38 W/m² zu Verfügung stehen.<br />

Vorhin haben wir nur den strahlungsbedingten Energieabtrag mit 311 W/m²<br />

berechnet. Dieser Energieabtrag ist naturgesetzlich und es kann nicht daran<br />

gerüttelt werden. Da haben wir das vorausgesagte Ergebnis, dass die nur auf<br />

diesen Energieabtrag bezogene die Heizanlage bei Volllast gerade einmal 7/100<br />

abdecken kann. Und dennoch sind wir ganz frohgemut und zuversichtlich, dass<br />

unsere 14 kW Heizleistung völlig ausreichen und da sogar noch ein<br />

Angstzuschlag nach altem Heizungsbauerbrauch berücksichtigt ist. Schon diese<br />

Rechnung zeigt uns, dass der überwiegende Anteil der ins Gebäude<br />

eingetragenen Energie nicht von der Heizanlage kommen kann sondern von<br />

woanders her.<br />

Energieeintrag durch Prozesswärme<br />

Darunter verstehen wir ein Sammelsurium von Energieeinträgen, z.B. die<br />

Abwärme von Kühlschränken, Herd, ungedämmte Heizleitungen, Glühlampen,<br />

Fernsehgerät, die Abwärme des Heizaggregats und vieles andere mehr. In der<br />

DIN 4108 – 6 ist das recht gut aufgelistet. Viel kommt dabei aber unterm Strich<br />

meistens nicht heraus.<br />

Energieabgabe durch die Bewohner<br />

Auch diese Energiebeträge kann man errechnen. Am einfachsten geschieht<br />

dies, wenn man kurzerhand den Brennwert der täglich aufgenommenen<br />

116 Dieser Wert enthält den sog. „Angstzuschlag“<br />

61


Nahrung ermittelt und gleichzeitig die Aufenthaltsdauer der Bewohner im Haus.<br />

Wer will, kann auch das ausrechnen. Aufregend ist aber auch hier das Ergebnis<br />

nicht. Wer tüchtig Heizenergie einsparen will, sollte regelmäßig Parties<br />

veranstalten. Energiemässig lohnt sich das, vorausgesetzt, die Gäste bringen<br />

Essen und Getränke mit. Fleißiges Tanzen verbessert das Ergebnis beträchtlich.<br />

Zumindest bis zu dem Tage, an dem auch noch die von des Gastkörpern<br />

abgelieferte Energie mit der Ökosteuer belegt wird.<br />

Kondensationswärme – ein Nullsummenspiel<br />

Da haben wir es mit einer Energieart zu tun, an die bisher noch niemand<br />

gedacht hat, obwohl es sich hier um ansehnliche Beträge handelt. Um was geht<br />

es dabei?<br />

Kondensationswärme ist die Energie, die ohne Temperaturänderung beim<br />

Verdampfen von Wasser oder beim umgekehrten Prozess, der Kondensation<br />

umgesetzt wird. Bei normalem Luftdruck beträgt die Kondensationswärme von<br />

einem Kilogramm Wasser bereits 2,26 kWh. Da in einem normalen<br />

Vierpersonenhaushalt täglich bis zu 40 l Wasser verdampft werden, stecken in<br />

diesem Dampf ansehnliche 90 kWh Leistung. Bei den heutigen Strompreisen<br />

entspricht dies einem Gegenwert von etwa € 7,20. Verfolgen wir diese Kosten<br />

über die gesamte Heizperiode von acht Monaten, produziert unser<br />

Vierpersonenhaushalt also latente 117 Energie im Wert von<br />

8 x 30 x 7,20 = € 1.728,--.<br />

Wer hätte das gedacht? Bei unserem Musterhäusle von vorhin hätten unsere<br />

vier Leute bequem Platz. Schon nach erstem Hinsehen merken wir, dass der<br />

Wert der Kondensationswärme die Jahresheizkosten mindestens erreicht wenn<br />

nicht sogar übertrifft. Auch hier bleibt nichts anderes übrig als zu folgern, dass<br />

da noch woanders eine Energiequelle sein muss. Die Energiebilanz muss ja<br />

schließlich aufgehen.<br />

Bei der Kondensationswärme haben wir nun aber eine besondere Situation vor<br />

allem im konventionellen Mauerwerksbau und bei solchen<br />

Hüllflächenkonstruktionen, in denen es zur Kondensation kommt. In der<br />

Tauzone, also noch innerhalb des Wandquerschnitts findet nämlich<br />

bestimmungsgemäß Kondensation statt. Hierbei wird ohne den geringsten<br />

Energieverlust die gesamte Energie, die für das Verdampfen aufgewendet<br />

wurde als Kondensationswärmeenergie wieder freigesetzt und erwärmt somit<br />

den Bereich in der Nähe der Tauzone. Die von uns <strong>Architekt</strong>en so gefürchtete<br />

Tauwasserbildung in den Konstruktionen hat also auch etwas Gutes, sie ist<br />

nämlich eine perfekte Energierückgewinnung. Allerdings handelt es sich bei der<br />

hier vorgeführten Kondensationswärme nicht um einen zusätzlichen<br />

Energieeintrag sondern um eine Energieumsetzung innerhalb des vorhandenen<br />

Energieumsatzes.<br />

117 Die im Wasserdampf enthaltene Energie, zur Änderung des Aggregatzustandes geführt hat, wird als<br />

latente (lat. herumliegend) Energie bezeichnet.<br />

62


Sonnenenergie 118<br />

Die strahlende Sonne ist natürlich eine Hauptenergiequelle am Gebäude. Die<br />

Einstrahlungsleistung auf die Erdoberfläche wurde schon aufgelistet. Die dort<br />

gezeigten Strahlungsmengen kommen leider nicht vollständig dem Gebäude<br />

zugute, sind aber dennoch immer noch im Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der<br />

Heizanlage gewaltig. Betrachten wir das nun aus dem Blickwinkel eines<br />

Gebäudes, müssen wir folgendes feststellen:<br />

Unmittelbare Einstrahlung<br />

Unmittelbare Einstrahlung findet nur bei wolkenlosem Himmel statt. Bestrahlt<br />

werden gleichzeitig immer nur zwei Gebäudeseiten. Hierbei sind die Ost- und<br />

Westseiten benachteiligt, da dort die Einstrahlungsdauer im Winter nur 1,5 bis 2<br />

Stunden währt. Ungedämmte Wände nutzen dieses geringe Angebot voll aus,<br />

gedämmte Wände jedoch nicht, da die verminderte Wärmeleitung in der<br />

Dämmschicht dazu führt, dass sich nach dem Ende der Einstrahlung das<br />

Temperaturgefälle dreht und somit der von außen in Gang gesetzte<br />

Wärmestrom das Mauerwerk in der gegebenen kurzen Zeit niemals erreichen<br />

kann.<br />

Auf südlich ausgerichteten Wänden ist der solare Energieeintrag am Größten.<br />

Dort scheint die Sonne ebenso lange wie im Sommer. Allerdings steht die<br />

Sonne dort tiefer – Vor- und Nachteil zugleich. Vorteilhaft ist die annähernd<br />

senkrecht zur Mauerfläche stehende Einstrahlrichtung, nachteilig ist die<br />

erheblich größere Verschattung in Abhängigkeit von der Umgebung und der<br />

längere Weg der Strahlung durch die Atmosphäre, der die Einstrahlungsleistung<br />

mindert.<br />

Hieraus ergeben sich an den <strong>Architekt</strong>en zwei Forderungen:<br />

Bereits beim Entwurf sollte darauf geachtet werden, dass der Baukörper<br />

eine gute Ausrichtung zur Sonne hat.<br />

Zugleich muss der <strong>Architekt</strong> beim Entwurf auch die mögliche<br />

Verschattung überprüfen 119 .<br />

An die Gartenarchitekten eine Bitte:<br />

Vermeidet Nadelbäume vor den Sonnenseiten von Gebäuden 120 . Sie verhindern<br />

die Einstrahlung der unmittelbaren Sonnenenergie. Laubbäume dagegen sind<br />

erwünscht, da sie im Herbst die Blätter abwerfen und daher Hauswände im<br />

Winter kaum verschattet werden. 121<br />

118 Die Ausführungen betrachten hier nur die Zustände in der Heizperiode.<br />

119 Eine praktische Methode zur Feststellung der Verschattung von Gebäuden stammt von Dr.-Ing. Timo<br />

Born, Bauhausuniversität Weimar. DAB 3/2006.<br />

120 Lärchen werfen im Herbst die Nadeln ab. Sie sind daher erwünscht.<br />

121 Besonders vorteilhaft sind Hausberankungen mit Wildem Wein (Parthenocissus tricuspidata) oder<br />

(quinquefolia). Sie bilden im Sommer einen hervorragenden Wärmeschutz, im Herbst eine letzte Farbenpracht.<br />

Im Winter lassen sie die Sonneneinstrahlung zu.<br />

63


Die unmittelbare Sonneneinstrahlung kann an Gebäuden nur dann ungemindert<br />

angesetzt werden, wenn sie auf die Wände senkrecht auftrifft. In unseren<br />

Breiten findet das also niemals statt, es sei denn, wir würden von dem alten<br />

und bewährten Brauch, senkrechte Wände zu bauen, abweichen. Wir haben es<br />

also stets mit einem mehr oder weniger großen Einfallswinkel zu tun, der von<br />

der geografischen Ausrichtung der Wand und vom ständig wechselnden<br />

Sonnenstand abhängt. Die Einstrahlungsleistung ist, wenn es uns gelungen ist,<br />

den Einfallswinkel zu ermitteln, mit dessen Sinus zu multiplizieren. Mir ist es<br />

inzwischen gelungen, hierfür eine sehr einfache Berechnungsformel mit<br />

stündlichen Werten zu entwickeln, sodass es nun möglich ist, sehr genaue<br />

Werte der Einstrahlungsleistung zu berechnen.<br />

Diffuse Einstrahlung<br />

Hierunter versteht man die Einstrahlungsmengen vom Himmel, die nicht<br />

unmittelbare solare Einstrahlung sind. Das gilt also ganzjährig - auch für die<br />

Nordseiten und außerdem bei bewölktem Himmel. Die diffuse Einstrahlung kann<br />

Tabellenwerten entnommen werden.<br />

Umgebungsstrahlung<br />

Hierbei handelt es sich um die Einstrahlung aus der Umgebung des Gebäudes,<br />

also vorwiegend von in der Nachbarschaft stehenden Gebäuden und von der<br />

umgebenden Erdoberfläche. Diese Einstrahlungsart hat man in der offiziellen<br />

Bauphysik völlig übersehen, obwohl sie von beträchtlicher Größe ist. Sie kann<br />

recht gut nach dem Strahlungsgesetz von Stefan-Boltzmann errechnet werden.<br />

Die Oberflächentemperaturen der Erdoberfläche sind in einer Messreihe des<br />

Fraunhoferinstituts für Bauphysik als langjährige Mittelwerte erfasst worden.<br />

Von ganz großer Bedeutung ist, dass die Umgebungsstrahlung rund um die Uhr<br />

wirkt. Die Strahlungsleistung sinkt unter einen Wert von 270 W so gut wie nie<br />

ab. Damit ist die Umgebung die bedeutendste exogene Energielieferantin. Ihre<br />

völlige Missachtung in der offiziellen Bauphysik und in den Normen zeigt<br />

schlagend, wie schludrig unsere aus Steuermitteln bezahlten Wissenschaftler<br />

arbeiten.<br />

Die DIN 4108 und die EnEV<br />

Im Nachfolgenden erkläre ich, weshalb die DIN 4108 als Planungsinstrument für<br />

die Einsparung von Heizenergie ungeeignet ist. Da die<br />

Energieeinsparverordnung (EnEV) nur einen rechnerischen Nachweis der<br />

Energieeinsparung nach der DIN 4108 anerkennt, beruht sie auf schwer<br />

fehlerhafter Grundlage. Die Schlussfolgerung hieraus ist, dass der Staat uns<br />

derzeit zwingt, wissenschaftlichen Unfug zu betreiben, entsprechend unsinnige<br />

Maßnahmen zu planen, das Geld unserer Bauherren nutzlos zu verschleudern<br />

und dann – wenn die dies früher oder später wegen des ausgebliebenen<br />

Energieeinsparungseffektes merken – uns <strong>Architekt</strong>en mit<br />

Schadensersatzklagen überziehen, die uns unweigerlich wirtschaftlich ruinieren.<br />

Hierzu muss man als <strong>Architekt</strong> wissen, dass wir bei Baumassnahmen, die einem<br />

technisch-wirtschaftlichen Zweck dienen, nicht etwa nur die Planung und<br />

Durchführung schulden, sondern weit darüber hinaus auch den technischen<br />

Erfolg. Tritt dieser nicht ein, werden wir von jedem Gericht in Deutschland<br />

64


ereits nach dem Beweis des „ersten Anscheins“ oder – wie die Rechtsgelehrten<br />

sagen, „prima facie“ - verurteilt werden. Nun geht bereits das Gerücht durchs<br />

Land, dass WDVS noch niemals zu einem signifikanten Minderverbrauch an<br />

Heizenergie geführt haben. Meine eigenen Bemühungen, unmittelbar von der<br />

Dämmstoffindustrie Nachweise über eingetretene Energieeinsparungen zu<br />

bekommen, waren bisher vollkommen erfolglos. Auch in den einschlägigen<br />

Werbeunterlagen für WDVS werden Sie niemals präzise Angaben über eine –<br />

gar planbare – Energieeinsparung vorfinden. Werden Verkäufer von WDVS<br />

aufgefordert, diesbezügliche Aussagen zu machen oder gar Versprechungen<br />

abzugeben, werden diese stets ausweichende Auskünfte geben. Eine der<br />

beliebtesten faulen Ausreden läuft darauf hinaus, „dass man leider, leider auf<br />

das „Nutzerverhalten“ keinen Einfluss hätte, dieses aber meistens – nahezu<br />

böswillig – dem Ziel der Energieeinsparung zuwiderlaufe“.<br />

Es gibt einen Bundesfachverband für die Hersteller von WDVS mit Sitz in<br />

Baden-Baden. Dessen Bundesgeschäftsführer lernte ich im November 2004 bei<br />

einer Veranstaltung der Fraunhofergesellschaft, Institut für Bauphysik kennen.<br />

In einer Diskussionsrunde erklärte ich ihm, dass ein risikoscheuer <strong>Architekt</strong><br />

kaum ein WDVS anraten könne, wenn er seinem Bauherrn nicht einen Erfolg<br />

garantieren könne, der in diesem Falle ja nur in Form einer zugesicherten<br />

Energieeinsparung bestehen könne. Leider bekäme man aber derartige<br />

Garantien weder vom Hersteller noch von den Verarbeitern von WDVS. Auch<br />

hier erhielt die Diskussionsrunde nur ausweichende Erklärungen. In einer Pause<br />

trat jedoch der Bundesgeschäftsführer an mich heran und teilte mir mit, dass er<br />

über „tausende von Erfolgsberichten“ verfügen würde, die er mir geben könne.<br />

Ich bat ihn darum. Allerdings wäre ich nur an solchen Unterlagen interessiert,<br />

bei denen ausschließlich die Wirkung von WDVS nachgewiesen sei. Nach<br />

etlichen Wochen und einem Erinnerungsschreiben erhielt ich dann tatsächlich<br />

einen prall gefüllten Umschlag. Ich war gespannt und auch besorgt, da<br />

ankündigungsgemäss ja nun meine eigenen Thesen unmittelbar vor dem<br />

Untergang standen. Der Umschlag enthielt eine Sammlung von grafisch gut<br />

gemachten Prospekten, in denen jedoch nichts über die spezifische<br />

Energieeinsparung durch WDVS stand. Dem Ganzen lag außerdem ein Brief des<br />

Bundesgeschäftsführers bei, dessen wichtigste Passage ich hier wörtlich zitiere,<br />

um mich nicht dem Vorwurf der Fehlinterpretation auszusetzen:<br />

…„Mit den tausendfachen Belegen meinte ich, dass mehr als 600.000.000 qm<br />

funktionierende WDV-Systeme mehr als genug Beweis sind. Selten aber werden<br />

energetische Sanierungsmassnahmen im Einzelverfahren angewendet. Dagegen<br />

sprechen sowohl die EnEV als auch beispielsweise die Förderprogramme der<br />

KfW, die nur Koppelungsmassnahmen berücksichtigen“...<br />

Soso! Die WDVS – Industrie kann also keine Belege darüber vorlegen, dass<br />

allein auf ihre Technik gegründete Maßnahmen zur Energieeinsparung<br />

beitragen. Stattdessen verfügt sie nur über Berechnungen, die auf einem<br />

fehlerhaften bauphysikalischen Modell gegründet sind. Was soll man dazu<br />

sagen?<br />

65


Soll ich wirklich glauben, dass in den dreißig Jahren, in denen nun schon WDVS<br />

verkauft und gebaut werden, noch niemals messtechnische Untersuchungen<br />

vorgenommen worden sind? Soviel Schlamperei traue ich der WDVS-Industrie<br />

eigentlich nicht zu. Daher vermute ich wohl zu Recht, dass Messergebnisse<br />

vorliegen, die jedoch für die WDVS enttäuschend sind und daher in<br />

irgendwelchen Tresoren schlummern. So erging es ja der berühmten GEWOS -<br />

Studie, die nicht mehr zu bekommen ist. Das Ergebnis dieser Studie ist<br />

allerdings bekannt. Bei den dort gemessenen Gebäuden kam es nämlich nach<br />

Montage der WDVS zu einer Erhöhung des Heizenergieverbrauchs um 17%. In<br />

einer Fachzeitschrift wurde das veröffentlicht. (DBZ 1993) Da war natürlich die<br />

Aufregung groß. Um die WDVS-Technik vor dem Zusammenbruch zu retten,<br />

musste daher sofort ein Gegengutachten her. Das wurde dann auch erstellt.<br />

Der Gutachter 122 ermittelte sodann, dass das Ergebnis nicht richtig sein könne.<br />

Er hatte dies nach den Berechnungsverfahren, die sich heute in der EnEV<br />

finden, ermittelt 123 . Gemessen hat er allerdings nichts.<br />

Natürlich wurde bei diesem Gutachten nicht der eigentlich nahe liegende<br />

Gedanke erwogen, dass in der Physik immer dann, wenn Messungen und<br />

Berechnungen nicht zusammenpassen, möglicherweise das<br />

Berechnungsverfahren falsch sein könne. Eine solche Überlegung hätte gutem<br />

altem wissenschaftlichen Brauch entsprochen. So aber zog man die Korf´sche<br />

Verfahrensweise vor, die Teil der deutschen Literaturgeschichte geworden ist<br />

und da lautet:<br />

„Eingehüllt in feuchte Tücher<br />

prüft er die Gesetzesbücher,<br />

um zu schließen messerscharf,<br />

dass nicht sein kann, was nicht sein darf“. 124<br />

Wie wollte man damals den Nachweis der Wirksamkeit von WDVS retten? Da<br />

waren einerseits Messergebnisse, die ordentlich und sauber gewonnen waren.<br />

Außerdem lagen langjährig gewonnene Aufzeichnungen über den früheren<br />

Energieverbrauch vor. Daraus ergab sich eindeutig, dass bei Gebäuden, die<br />

nachträglich mit WDVS ausgerüstet worden waren, der Heizenergieaufwand<br />

beträchtlich gestiegen war. Eine Nachkontrolle hätte sich nun darauf<br />

beschränken können, dass man die Messmethoden und die Auswertungen auf<br />

Stichhaltigkeit hin kontrolliert hätte. Das hat man aber unterlassen. Offenbar<br />

war an den Messmethoden nichts auszusetzen.<br />

Im Gegengutachten wurde stattdessen nicht anderes gemacht, als dass eine<br />

Berechnung nach DIN 4108 und nach den der EnEV dienenden<br />

Berechnungsweisen durchgeführt worden ist. Ob das diesen<br />

122 Prof.Dr.-Ing. Gerd Hauser in DBZ 1993<br />

123 Die Beweisführung erfolgte durch das Verfahren, das bewiesen werden sollte. Ein derart gewonnener<br />

Beweis ist selbstverständlich wertlos und zeigt nur, dass da nicht einmal die Methode einer<br />

wissenschaftlichen Beweisführung beherrscht wird.<br />

124 Aus Christian Morgenstern, Galgenlieder<br />

66


Berechnungsverfahren zugrunde liegende bauphysikalische Modell richtig oder<br />

falsch war, wurde nicht untersucht. Das Modell wurde dogmenartig als fehlerlos<br />

unterstellt. Da aber dieses Modell offenkundig – wie auch hier gezeigt wird –<br />

fehlerhaft ist, konnten natürlich auch die darauf gegründeten<br />

Berechnungsergebnisse nicht richtiger sein.<br />

Spätestens dann, als die gewaltigen Unterschiede zwischen Messergebnissen<br />

und Berechnungsergebnissen sichtbar wurden, hätte es einer wissenschaftlich<br />

sauberen Arbeitsweise entsprochen, die Berechnungsverfahren auf<br />

Stichhaltigkeit hin zu überprüfen. Im Zweifel kommt nämlich einer Messung<br />

eine höhere Zuverlässigkeit als einer Berechnung zu 125 . Genügend Hinweise<br />

lagen dem Gutachter aus den Reihen der Kritiker auch vor, sodass er hier auch<br />

nicht beim Punkte Null hätte anfangen müssen. Eine saubere wissenschaftliche<br />

Vorgehensweise hätte also zumindest Zweifel am bisherigen Werk auslösen<br />

müssen. Die Wissenschaftsgeschichte zeigt, dass sehr oft einer neuen<br />

Erkenntnis der Zweifel am Bisherigen vorangeht.<br />

Ein Hintertürchen hat der Gutachter sich jedoch schlauerweise offen gehalten.<br />

Er wies nämlich darauf hin, dass klimatische Einflüsse und das Nutzerverhalten<br />

in seinem Gutachten nicht berücksichtigt werden konnten. Warum eigentlich<br />

nicht? Wer hindert denn das Fraunhoferinstitut daran, 300 Datenlogger zu<br />

kaufen und sie in Wohnungen unterschiedlicher Größe und mit unterschiedlicher<br />

Bewohnerstruktur aufzuhängen? Nach längstens zwei Heizperioden hätte man<br />

dann aussagekräftige Daten zum Nutzerverhalten. Und – wer hat eigentlich<br />

verboten, die sehr zuverlässigen und nahezu zahllosen Wetterdaten in die<br />

energetischen Berechnungen einzuführen? Ich meine, dass jemand, der mit<br />

dem Anspruch Wissenschaftler zu sein und aus Steuermitteln seinen<br />

Lebensunterhalt bestreitet, die Pflicht hat, dann wenn er auf ein – wie hier –<br />

messtechnisches Problem stößt, dieses auch zu bearbeiten. Ein „richtiger“<br />

Wissenschaftler kann sich nicht damit begnügen, auf ein Problem hinzuweisen.<br />

Von Wissenschaftlern muss man mehr erwarten können, als die Verkündung<br />

von Binsenweisheiten. Stößt ein Wissenschaftler auf ein Problem, hat er die<br />

verdammte Pflicht und Schuldigkeit, die Ärmel hochzukrempeln und zu<br />

forschen.<br />

So wie die Dinge heute liegen, die Unduldsamkeit der Urheber der EnEV im<br />

Umgang mit den Kritikern, die bis zur Verunglimpfung hinreicht, die<br />

Verweigerung der Auseinandersetzung mit der wissenschaftlichen Öffentlichkeit<br />

und nicht zuletzt die unübersehbare wirtschaftliche Interessenlage sind die<br />

einzigen Erklärungen dafür, dass man im Bereich der EnEV den Boden der<br />

wissenschaftlich sauberen Arbeitsweise verlassen hat. Nur so ist die Absurdität<br />

erklärbar, dass Messergebnisse eines anerkannten Instituts deshalb für falsch<br />

erklärt werden, weil sie mit Berechnungen im Widerspruch stehen.<br />

125 In allen anderen wissenschaftlich betriebenen Forschungszweigen wird immer eine auf Berechnungen<br />

aufgebaute These. die durch Messergebnisse nicht bestätigt wird, verworfen. In der sog. „Bauphysik“<br />

scheint das nicht zu gelten.<br />

67


Es spricht also vieles dafür, dass auch bei der WDVS-Industrie Messergebnisse<br />

vorliegen, die allerdings die Wirkungslosigkeit von WDVS zeigen. Und dennoch<br />

werden WDVS mit riesigem Werbeaufwand vertrieben und gebaut. Das Ganze<br />

wird inzwischen durch die EnEV erzwungen. Wer sich verweigert, riskiert ein<br />

Bußgeldverfahren, das sich gewaschen hat und außerdem den Verlust von<br />

Zuschüssen. Die Umlage als Wohnraummodernisierung auf die Mieter kann man<br />

dann auch vergessen. Zugeschlagen wird außerdem mit der Moralkeule, da der<br />

Aufwand ja weniger der Verbilligung der Wohnkosten dienen soll sondern der<br />

Rettung der Menschheit vor der Klimakatastrophe. Ein gigantischer Erfolg aus<br />

dem Zusammenwirken der Werbefachleute, der Industrielobby und einer<br />

drittmittelfianzierten Pseudoforschung und nicht zuletzt einer<br />

spendenbedürftigen Parteienlandschaft.<br />

Betrachtet man das unter rechtlichen Gesichtspunkten, haben wir einen<br />

Tatbestand, bei dem eine ganze Industrie mit staatlicher Unterstützung eine<br />

Technik vertreibt, von der sie genau weiß, dass die zugesagten Eigenschaften<br />

fehlen. Sollte das ein Staatsanwalt zu Ohren bekommen, muss er von Amts<br />

wegen ein Ermittlungsverfahren einleiten, bei dem zu überprüfen wäre, ob hier<br />

nicht der Straftatbestand des Betrugs (§ 263 StGB) vorliegt. Ich jedenfalls<br />

möchte nicht in der Haut der WDVS-Leute stecken.<br />

Unter vertragsrechtlichen Gesichtpunkten haben wir es außerdem dann mit<br />

einem arglistig verschwiegenen Mangel zu tun. Da verjähren aber<br />

Gewährleistungsansprüche und Schadensersatzforderungen erst nach längeren<br />

Zeiträumen. Von Bedeutung ist hierbei, wann der Geschädigte erstmals vom<br />

Bestehen des Mangels erfährt. Ob die einschlägige Industrie über die Mittel<br />

verfügt, das alles zu finanzieren, möchte ich doch stark bezweifeln. Da drohen<br />

also riesige Pleiten. Dennoch werden da keine Arbeitsplätze verloren gehen.<br />

Denn das Abkratzen und Entsorgen von nutzlosen WDVS macht mindestens<br />

genau soviel Arbeit wie die seinerzeitige Montage.<br />

Ich selbst stehe gelegentlich bei Vorträgen vor Kollegen vor einem eigenartigem<br />

Problem: Die meisten von ihnen sind alterprobte Baumenschen, die ihre<br />

Erfahrungen gesammelt haben, dazu neigen, frühere Konstruktionen zu<br />

wiederholen, wenn sie sich bewährt haben und im Übrigen stets die gleichen<br />

Planungsmethoden anwenden. Somit führen sie auch bei ihren Bauanträgen die<br />

altgewohnten U-Wert-Berechnungen vor, um nachzuweisen, dass sie<br />

energieeinsparend geplant haben. Neuerdings füttern sie auch<br />

Computerprogramme, womit sie sogar monatsweise den Nachweis der<br />

energieeinsparenden Bauweise führen. Die allermeisten Kollegen haben auch<br />

ein unerschütterliches Vertrauen in ihre Berechnungen. Dabei übersehen sie<br />

etwas Entscheidendes: Die Berechnungen führen nur zu einem U-Wert und zu<br />

sonst nichts. Der U-Wert zeigt aber nur eine Materialeigenschaft. Die zu den<br />

Heizkosten führenden energetischen Prozesse bleiben dabei unbearbeitet.<br />

Daher stoße ich bei einem Teil meiner Kollegen stets auf spontane Ablehnung<br />

meiner Thesen. Selbst wenn es mir an einem guten Tag gelungen ist, alles<br />

schlüssig und einsichtig vorzutragen, bekomme ich spätestens in der<br />

68


Diskussionsrunde zu hören, dass es doch nicht sein könne, dass eine ganze<br />

Norm, eine komplette Verordnung und alle darauf gegründeten Techniken<br />

falsch seien und nur ich es besser wüsste. Da gibt es das Phänomen der<br />

spontanen Ablehnung einer These, wenn sie dem Altgewohnten widerspricht –<br />

nicht argumentativ sondern nur gefühlsmäßig – und weil es Unbehagen auslöst,<br />

wenn man bei Zustimmung auch zugeben müsste, dass man geirrt hat und<br />

vielleicht sogar jahrelang etwas Unnützes geplant hat.<br />

Daher meine Bitte an die Kollegen:<br />

Es ist nichts Neues in der Wissenschaftsgeschichte, dass Einzelne ein<br />

althergebrachtes Wissenschaftsgebäude zum Einsturz gebracht haben. Vieles<br />

deutet sogar darauf hin, dass das eher die Regel ist. Die Wahrheit einer These<br />

ist keine Sache der Mehrheitsentscheidung 126 und schon gar nicht des<br />

„gesunden Volksempfindens“. Setzen Sie sich also mit meinen Thesen ernsthaft<br />

auseinander. Ihr Risiko ist gering.<br />

Entweder werden Sie sich Ihrer bisherigen Überzeugung noch sicherer oder Sie<br />

denken – vielleicht erstmalig in Ihrem Berufsleben – über den Sinn einer Norm<br />

und einer Verordnung nach und verbessern hierdurch die Qualität Ihrer<br />

Planung. Beides ist von Vorteil. Der eigentliche Risikoträger bin ich, der das<br />

Wagnis unternimmt, eine eigene Überzeugung zu veröffentlichen, obwohl sie<br />

eine Minderheitenmeinung darstellt und daher todsicher zum Gegenstand<br />

persönlicher Verunglimpfung werden wird.<br />

Die DIN 4108<br />

In ihrer ursprünglichen Fassung und Zielsetzung war die DIN 4108<br />

(Wärmeschutz im Hochbau) aus den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts<br />

sinnvoll und auch nützlich. Um was ging es dabei?<br />

Die zunehmende Verwendung des Baustoffs Beton im allgemeinen Hochbau für<br />

Stahlbetondecken statt bisher Balkendecken, auch für Fensterstürze,<br />

Balkonplatten und ähnliche Konstruktionen führte zu signifikanten<br />

Tauwasserschäden an den Gebäudeinnenflächen. Wegen der guten<br />

Wärmeleitung von Beton kühlten diese Bauteile rasch aus, sodass es alsbald zu<br />

Tauwasserschäden auf den Innenflächen kam – gefolgt von<br />

Schwarzschimmelbildung. Noch schlimmer war das bei Außenwänden, die völlig<br />

aus Beton hergestellt waren. Da man die Wirkung von Dämmstoffen bereits<br />

kannte, es im gedämmten Material zu einem Energiestau kam, war es sehr<br />

rasch Vorschrift, derartige Bauteile mit Dämmstoffen zu verkleiden. Uns<br />

<strong>Architekt</strong>urstudenten wurde damals gesagt, dass prinzipiell alle Betonflächen in<br />

einer Außenwand zu dämmen seien. Das übliche Material hierfür waren<br />

Holzwolleleichtbauplatten, unter dem Namen „Heraklith“ schon damals bekannt,<br />

das mit 2 – 3 cm Stärke eingebaut wurde. Die Erfahrung zeigte, dass dies völlig<br />

zur Verhinderung der Tauwasserbildung ausreichte. Das war so üblich, dass die<br />

Poliere auch dann Heraklith einbauen ließen, wenn es in den Werkzeichnungen<br />

gar nicht enthalten war. Die Vorderkanten von Stahlbetondecken wurden so<br />

126 Hierzu der neuere Volksmund: „Millionen Fliegen können nicht irren. Daher fresst Scheiße!“<br />

69


immer verkleidet. Später zeigte sich, dass dort im Fassadenverputz Haarrisse<br />

entstanden sind, eine Folge dessen, dass sich die Putzflächen vor dem Heraklith<br />

stärker erwärmten, wenn die Sonne darauf schien. Diese Haarrisse wurden<br />

damit kaschiert, dass man diese Bereiche farblich absetzte, womit die<br />

„Bauchbindenarchitektur“ erfunden war.<br />

Später wurde es üblich, auch Unterseiten von Kellerdecken mit Heraklith zu<br />

verkleiden, da man festgestellt hatte, dass es auch unter den Estrichen darüber<br />

zu Tauwasserbildung kam. Man legte die Heraklithplatten auf die Betonschalung<br />

und drückte spezielle Drahtanker hinein, die sich dann mit dem Beton<br />

verbunden haben.<br />

Mit derartigen Maßnahmen waren die Anforderungen der DIN 4108 auch<br />

ausreichend erfüllt. Mit der Einsparung von Heizenergie hatte das alles nichts zu<br />

tun. Die war bis in die Mitte der sechziger Jahre überhaupt kein Thema. Es ging<br />

nur um die Verhinderung von Tauwasserbildung auf Wandoberflächen.<br />

Die mathematische Grundlage dieser Konstruktionen war das Fourier´sche 127<br />

Gesetz über die Wärmeleitung. Dieses Gesetz sagt aus, dass das Maß der<br />

Wärmeleitung proportional zur Wärmeleitfähigkeit, zum Temperaturgefälle und<br />

zur Stoffdicke errechnet werden kann. Aus anderen Forschungen war Fourier<br />

gewohnt, komplizierte Vorgänge in ihre Einzelbestandteile zu zerlegen, diese<br />

sodann zu berechnen und die Ergebnisse wieder zu addieren 128 . Genau so ging<br />

er auch vor, als es darum ging, mehrschichtige Bauteile im Hinblick auf<br />

Wärmeleitung zu untersuchen. Der berühmte U-Wert – früher die noch<br />

berühmtere k-Zahl – ist daher nichts anderes als die Addition von Einzelwerten,<br />

die für jede Schicht gesondert errechnet werden.<br />

Allerdings wusste Fourier über seinen Forschungsgegenstand nichts. Zu seiner<br />

Zeit galt noch die Phlogistonlehre, die besagte, dass Wärme eine diskrete<br />

Flüssigkeit sei, die durch Stoffe hindurchströmen würde. Wärme war also etwas<br />

Stoffliches. Aus dieser Zeit stammt auch der Begriff „Wärmestrom“. Die heute<br />

gültige Definition von Wärme als Bewegungsenergie schwingender Teilchen ist<br />

ein Kind des späten 19.Jhdts.<br />

Die Überlegungen Fouriers müssen daher kritisch unter dem Gesichtspunkt<br />

gesehen werden, dass ihnen eine falsche Vorstellung über „Wärme“ zugrunde<br />

liegt. Die hieraus abgeleiteten Wärmeleitungsgleichungen sind starke<br />

Vereinfachungen eines in Wirklichkeit sehr komplexen Geschehens.<br />

Der zeitliche Ablauf der Wärmeleitung war in den fourier´schen Gleichungen<br />

nicht berücksichtigt. Im Übrigen funktionieren diese Gleichungen in ihrer<br />

heutigen Form auch nur für den stationären Zustand, also die ständige<br />

Gleichheit aller Randbedingungen. Dennoch kann gesagt werden: Für die<br />

127 Jean Baptiste Josèphe de Fourier, 1768 – 1830, franz. Physiker<br />

128 Siehe auch die Fourier-Analyse und die Fourier-Synthese<br />

70


damalige Fassung der DIN 4108 war die Berechnung der Wärmeleitung in<br />

festen Stoffen ausreichend genau. Vor allem konnte man auch ausrechnen, zu<br />

welcher Temperaturerhöhung es auf Innenwandoberflächen kam, wenn man<br />

Dämmstoffe anordnete. Da man bereits wusste, wann es bei bestimmten<br />

Wandtemperaturen bei bestimmten Raumlufttemperaturen und relativen<br />

Luftfeuchten zum Tauwasserausfall kam, konnte man somit für jeden beliebigen<br />

Wandaufbau ausrechnen, ob und wie viel man zu dämmen hatte.<br />

Bereits in den späten fünfziger Jahren dachte man auch schon darüber nach,<br />

dass es nicht nur Wärmeleitung innerhalb der Wand gab sondern auch einen<br />

Energieübergang von der Raumluft in die Wand und ebenso auch von der<br />

Außenwandoberfläche ins Freie. Auch hier ist der Übertragungsmechanismus<br />

wie in festen Stoffen. Energiehaltige Luftteilchen führen elastische Stöße gegen<br />

die Wand aus und ebenso kommt es auch zu elastischen Stößen zwischen<br />

Außenwandoberfläche mit den Teilchen der Umgebungsluft. Hier waren die<br />

Ereignisse jedoch sehr kompliziert, da strömende Luft sich der Berechnung<br />

weitgehend entzieht. Bis heute gibt es noch kein zuverlässiges rechnerisches<br />

Verfahren, mit dem der Energieübergang zwischen Luft und festen Stoffen<br />

sicher berechnet werden kann. Da dies so ist, bezeichnet man diesen Vorgang<br />

auch nicht mehr als Wärmeleitung sondern als Konvektion. In der Technik wird<br />

hierbei stets das praktische Experiment angewendet. Im Bauwesen behilft man<br />

sich mit Faustformeln, um wenigsten grobe Anhaltswerte zu erhalten.<br />

Die Schöpfer der DIN 4108 wollten die Konvektion an den Oberflächen von<br />

Wänden wenigstens nicht ganz vernachlässigen. Daher legten sie willkürliche<br />

sog. „Wärmeübergangszahlen“ fest, die als konstante Größen vollkommen<br />

unabhängig von den tatsächlichen Ereignissen in das Rechenergebnis eingefügt<br />

werden müssen. Der Wert für den Wärmeübergang „innen“ (Rsi) ist so klein<br />

bemessen, dass er eigentlich weggelassen werden könnte.<br />

Anders ist es mit dem Wärmeübergang „außen“(Rse), der pauschal mit 25<br />

W/m² verordnet ist. Dieser Wert ist offenkundig falsch, weil, weil bei<br />

instationären Vorgängen die Einführung von konstanten Werten immer falsch<br />

ist. Darüber später noch mehr.<br />

Ich meine, dass es das Beste wäre, die Norm von den Wärmeübergangszahlen<br />

zu befreien, weil sie nämlich in der DIN 4108 nichts zu suchen haben. Würde<br />

man die Norm auf die Berechnung der Wärmeleitung im festen Stoff reduzieren,<br />

wäre sie nach wie vor ein nützliches Instrument zur Untersuchung der<br />

Stofftemperaturen und der Lage der Tauzone in allen Schichten, in denen<br />

Wärmeleitungsvorgänge überwiegen 129 . In den Bereichen die nahe an den<br />

Außenflächen liegen, werden die Wärmeleitungsvorgänge jedoch von anderen<br />

physikalischen Vorgängen überlagert, sodass dort die fourier´sche<br />

Wärmeleitungsgleichung – zumindest an Bauwerken – versagt und uns in die<br />

129 Damit wäre die Berechnung des Wärmestroms auch genauer, da sich die einzusetzende<br />

Temperaturdifferenz aus den Oberflächentemperaturen der untersuchten Konstruktion ergibt.<br />

71


Irre führt.<br />

Die fourier´sche Gleichung gilt nur für Wärmeleitung in festen Stoffen. Zu<br />

einem annähernd richtigen Ergebnis führt sie bei der Annahme des stationären<br />

Zustands bei stets gleichen Randbedingungen Nach der Aufheizungshase und<br />

vor der Auskühlungsphase. Solche Bedingungen herrschen aber nur im Labor.<br />

Nicht anwendbar ist sie für den Energieübergang aus oder in die<br />

Umgebungsluft. Überhaupt nicht berücksichtigt sind Strahlungsvorgänge, die<br />

– wie wir schon gesehen haben – an Außenwänden das energetische<br />

Geschehen beherrschen. Zweifellos kannte auch Fourier schon das Phänomen,<br />

dass Sonnenstrahlung zur Erwärmung führte. Ebenso wusste er empirisch, dass<br />

in der Nähe eines Ofens durch die Luft hindurch Wärme übertragen wurde. Was<br />

aber physikalisch dahinter stand, wusste er nicht. Daher hat er das auch nicht<br />

behandelt. Zu seiner Zeit war ja nicht einmal geklärt, was Energie ist. Die nicht<br />

zu leugnende Erwärmung durch Sonnenstrahlen erklärte man durch das<br />

Vorhandensein eines „Äthers“, der den Wärmetransport bewirkte. Erst Albert<br />

Einstein hat zu Anfang des 20.Jhdts. die Äthertheorie aus der Welt geschafft.<br />

Die fourier´sche Gleichung, die unveränderter Bestandteil der DIN 4108<br />

geworden ist, behandelt daher nur einen kleinen Teilbereich des energetischen<br />

Geschehens, ist aber weit davon entfernt, diese umfassend beschreiben zu<br />

können. In jedem Falle versagt sie völlig bei der Beschreibung von<br />

Energieübergängen an Wandoberflächen. Daran ändern auch die in der Norm<br />

enthaltenen Wärmeübergangszahlen nichts. Diese sind willkürliche und falsche<br />

Festlegungen.<br />

Die Wärmeübergangszahl Rsi nach DIN 4108<br />

Der Wert ist als konstante Größe mit 7,7 W/m²K angegeben. Er soll den<br />

Wärmeübergang von Raumluft in die Wand beschreiben. Da der<br />

Temperaturunterschied bei gleichmäßig beheizten Räumen zwischen Raumluft<br />

und Wandoberfläche gering ist, wird K in aller Regel mit dem Wert (1)<br />

angegeben, sodass es bei 7,7 W/m² bleibt.<br />

Bei Wandheizungstechniken, z.B. bei Temperieranlagen wird der Wert negativ,<br />

da die Wand etwas wärmer als die Raumluft ist. In diesem Falle haben wir es<br />

mit dem Kuriosum zu tun, dass wir in ein und derselben Wand zwei Richtungen<br />

des Wärmestroms haben. Wie gewohnt, gibt es den zur kälteren Seite, im<br />

Winter also nach außen gerichteten Wärmestrom, jedoch aber auch einen<br />

Wärmestrom, der zum Raum hin gerichtet ist. Bereits hier versagen die<br />

Berechnungsweisen nach DIN 4108, da diese nur eine Richtung des<br />

Wärmestroms kennen.<br />

Wie später noch beim Thema „Gebäudeheizung“ ausführlich gezeigt wird,<br />

beträgt die optimale Oberflächentemperatur von Umschließungsflächen etwa 20<br />

- 21 °C. Berechnet man nach Stefan-Boltzmann die damit verbundene<br />

Strahlungsleistung, ergibt sich ein Wert von etwa 390 W/m². Das ist die<br />

Energie, die durch Strahlung permanent von der Wandoberfläche emittiert wird<br />

und durch nichts unterdrückt werden kann. Die Norm bietet uns hierfür den<br />

72


Wert Rsi mit etwa 7,7 W/m². Allein dies zeigt, dass die DIN 4108 zur<br />

Beschreibung der Energieverlagerung außerhalb des festen Materials<br />

ungeeignet ist.<br />

Die Wärmeübergangszahl Rse nach DIN 4108<br />

Auch hier will uns die Norm einreden, dass mit diesem Wert, der mit 25 W/m²<br />

pauschal anzunehmen ist, der Energieübergang von der Wandoberfläche in die<br />

Umgebung ausreichend beschrieben sei. Nicht einmal der konvektive<br />

Energieübergang wird hierbei zutreffend erfasst. Dennoch glauben die<br />

Anwender der Norm, dass der Einbau dieses Werts in die Berechnung des<br />

U-Werts richtig sei. Tatsächlich ist dieser Wert aber nur vorschriftsmäßig und<br />

sonst nichts. Der konvektive Energieübergang wird ganz überwiegend durch die<br />

Windgeschwindigkeit, weniger durch die Lufttemperatur bestimmt. Bereits bei<br />

einem Wind von etwa 6 m/s steigt der konvektive Energieabtrag auf Werte bis<br />

zu 200 W/m² an. Eine Außenwand im Winter mit einer Oberflächentemperatur<br />

von etwa 3 °C 130 emittiert strahlend etwa 300 W/m². Auch dies völlig autonom<br />

und unabhängig von den Umgebungsbedingungen. Auch hier wird die<br />

Fehlerhaftigkeit von (αa) sofort mühelos erkennbar.<br />

Noch unsinniger stellt sich der Wert Rse dar, wenn auf der Außenwand<br />

exogener Energieeintrag stattfindet. Der kann auf einer Südwand die Größe von<br />

650 W/m² annehmen.<br />

Die EnEV, die Folge eines Denkfehlers<br />

Wir haben uns nun mit den meisten physikalischen Ereignissen soweit vertraut<br />

gemacht, dass es nicht mehr schwer sein sollte, meine These, wonach die EnEV<br />

auf einem Denkfehler beruht und daher das Ziel der Einsparung von<br />

Heizenergie verfehlt, nachzuvollziehen. Ich warne jedoch meine Leser: Sollten<br />

Sie meinen Thesen zustimmen, sind sie bis auf weiteres in einer<br />

Außenseiterposition. Sie werden Schwierigkeiten mit Baubehörden bekommen.<br />

Sie werden staunen, dass es auch im 21.Jhdt. wahre Glaubenskriege über einen<br />

naturwissenschaftlichen Gegenstand geben kann. Da hat sich seit Galileis Zeiten<br />

nichts geändert. Es ist ja auch ein starkes Stück, dass es noch Menschen gibt,<br />

die die Autorität des Staates und die Unfehlbarkeit von Normenausschüssen bei<br />

der Herausgabe von Verordnungen bezweifeln.<br />

Bevor wir daher wieder bauphysikalisch werden, ein klein wenig Politik, die mit<br />

unserem Thema eng verknüpft ist. Es wäre blauäugig, das außer Acht zu<br />

lassen. Schnurstracks landen wir also bei einem gesellschaftspolitischen<br />

Zustand, der sich beileibe nicht nur auf die Bauphysik beschränkt.<br />

Insgesamt geht es um Geld, Einfluss und Macht, die sich gegenseitig bedingen.<br />

Da gibt es die Industrie, der jedes Mittel recht ist, wenn es um Gewinne geht,<br />

da gibt es die politische Ebene, die leider gegen die unzähligen Spielarten der<br />

Korruption nicht immun ist. Inzwischen müssen wir auch damit leben, dass<br />

Wirtschaftspolitik nicht auf der politischen Ebene sondern von der Industrie<br />

130 Eine derartige Temperatur stellt einen guten Mittelwert für winterliche Verhältnisse dar.<br />

73


etrieben wird, was im Grundsatz durchaus begrüßenswert wäre, wenn der<br />

Einfluss der Industrie nicht soweit ginge, dass sie die Politik als willfähriges<br />

Werkzeug zur Durchsetzung eigener Interessen nutzen würde. Hierbei wird<br />

dann regelmäßig das Gemeinwohl geopfert.<br />

Irgendwo dazwischen steht die Wissenschaft, die das Ideal der Zweckfreiheit<br />

aufgegeben hat. Auch sie ist käuflich geworden 131 . Da geht es um „Drittmittel“,<br />

die die Industrie hergibt und ohne die die meisten Forschungsinstitute nicht<br />

existenzfähig wären. Von uns Normalbürgern aber kann nicht der Glaube<br />

gefordert werden, dass die finanziellen Wohltaten, die der Wissenschaft<br />

zufließen, von Gutmenschen und absichtslos gegeben werden. Natürlich werden<br />

da Gegenleistungen verlangt und erbracht.<br />

Wie anders ist am Beispiel der EnEV sonst zu erklären, dass in ihrem ersten<br />

Abschnitt, bei dem es um den baulichen Wärmeschutz geht, nicht ein einziges<br />

Mal die Verwendung von Dämmstoffen verlangt wird 132 , dennoch das Ziel der<br />

EnEV ausschließlich durch den exzessiven Verbrauch von Dämmstoffen erreicht<br />

werden kann. 133 Die EnEV, die insofern vermummt daherkommt, ist der<br />

sichtbare Beweis für eine einseitige Begünstigung der Dämmstoffindustrie durch<br />

den Staat. 134 Damit hierbei nichts schief geht, hat man vorgeschrieben, dass<br />

solare Einstrahlungsgewinne auf gedämmte Maueroberflächen nicht gerechnet<br />

werden dürfen, obwohl jedes kleine Kind weiß, wie warm auch im Winter eine<br />

Wandoberfläche werden kann, wenn sie von der Sonne beschienen wird. In<br />

diesem Berechnungsverbot steckt jedoch auch das Eingeständnis dafür, dass<br />

außen angebrachte Dämmstoffe – die als selbstverständlich vorausgesetzt<br />

werden – die solaren Einstrahlungsgewinne zunichte machen. Auf der gleichen<br />

Begünstigungslinie liegt das Verbot, den Einfluss der Wärmespeicherfähigkeit zu<br />

berechnen. Allen Ernstes wird behauptet, dass energetisch kein Unterschied<br />

zwischen einer Leichtkonstruktion, die aus dünnen Häuten und jeder Menge<br />

Dämmstoff besteht, und einer ordentlichen Ziegelmauer gegeben sei. 135<br />

Schließlich beging man den Kardinalfehler, Wärmeleitung betragsmäßig mit<br />

dem Energieverbrauch gleichzusetzen. Folgendes Modell wurde für gültig<br />

erklärt, das an Naivität kaum überbietbar ist:<br />

„Ein Gebäude sei ein Hohlraum, der von wärmeleitenden Hüllen begrenzt ist. Im<br />

Hohlraum befände sich eine Wärmequelle. Diese Wärmequelle erwärme die Luft<br />

im Hohlraum. Die so in der Luft befindliche Energie habe nur noch ein Ziel – so<br />

131 Daher regt sich auch kein Widerstand gegen die unsinnige Treibhausthese, die ja die eigentliche<br />

Grundlage der EnEV ist.<br />

132 Ausnahme: im Drempelbereich von ausgebauten Dächern werden Dämmstoffe verlangt.<br />

133 Dass – wie ich noch zeigen werde – das Ziel der Energieeinsparung durch dämmstofflose<br />

Konstruktionen erreicht werden kann, haben allerdings die Urheber der EnEV nicht gewusst.<br />

134 Wir haben es also nebenher auch noch mit dem Straftatbestand der Begünstigung zu tun.<br />

135 Siehe auch unter Fachtexten des Verfassers das Kapitel 34.<br />

74


schnell wie möglich durch die Gebäudehülle in die Umgebung zu verschwinden.<br />

Die verschwundene Energie müsse durch die Wärmequelle ersetzt werden. So<br />

entstünde also der Heizenergieverbrauch.“<br />

Sodann hat man neue Fachausdrücke erfunden:<br />

Zum einen die „Transmissionswärme“, zum anderen den<br />

„Transmissionswärmeverlust“. Letzteren gälte es, so klein wie möglich zuhalten.<br />

Damit der Planer streng an dieses Modell gebunden bleibt und keinesfalls in die<br />

Versuchung gerät, es zu bezweifeln, zwingt die Verordnung zur Berechnung nur<br />

nach diesem Modell. Alternativen sind streng verboten, selbst dann, wenn sie<br />

sich auf sicherer wissenschaftlicher Grundlage bewegen. Zur Zufriedenheit der<br />

Dämmstoffindustrie hat man sehr geringe U-Werte vorgeschrieben, die fast in<br />

jedem einzelnen Fall zur Verwendung von Dämmstoff zwingen.<br />

Damit jedoch nicht genug: Die Dämmstoffe werden zu solchen Dicken<br />

hochgerechnet, dass rechnerisch eigentlich gar keine nennenswerte Energie<br />

mehr durch Wände hindurchgehen kann. Es bleiben somit nur noch<br />

„Lüftungswärmeverluste“ übrig. Auch dieses Problem wurde im<br />

Verordnungsweg ganz konsequent gelöst. Nunmehr müssen Gebäude luftdicht<br />

sein. Dass dabei der notwendige Luftaustausch zu kurz kommt, interessiert den<br />

Verordnungsgeber nicht. Er kann ja nichts dafür, dass der Mensch<br />

sauerstoffhaltige Luft atmen muss. Soll der sich doch Lüftungsanlagen mit<br />

Wärmerückgewinnung einbauen. Wer sich das nicht leisten kann, soll<br />

„stoßlüften“. Das ist die Lüftungsart der Armen. Was dabei allerdings gespart<br />

werden soll, bleibt unklar. Ob Stoßlüftung oder dauernde Spaltlüftung – an der<br />

vernünftigen Vorschrift eines 0,6-fachen Luftwechsels je Stunde kommt auch<br />

die EnEV nicht vorbei. Energetisch wirken sich beide Lüftungsarten gleich aus.<br />

Nur frage ich mich, ob der Verordnungsgeber allen Ernstes meint, dass die<br />

geplagten Menschen nun auch ihre Nachtruhe stündlich zum Stoßlüften<br />

unterbrechen sollen.<br />

Sei es wie es sei:<br />

Die Gleichsetzung von berechneter Transmissionswärme mit<br />

Heizenergieaufwand ist ein riesiger Denkfehler, der auch leicht durchschaubar<br />

ist. Möglicherweise ist das auch gar kein Denkfehler sondern ein absichtlich<br />

verbreiteter Unsinn.<br />

Ein neues Modell zum Heizenergieaufwand<br />

Spätestens seit der empirischen Erkenntnis, dass ein bekömmliches Raumklima<br />

temperierte Umgebungsflächen benötigt, da nur diese ein richtiges<br />

Strahlungsklima schaffen können, ist der Energieeintrag in die Hüllflächen und<br />

die damit verbundene Wärmeleitung nicht mehr Energieverlust sondern Teil des<br />

Beheizungsvorgangs, plan- und absichtsvoll gewollt. Die Verlagerung der vom<br />

Wärmebereiter erzeugten Energie in die Wand hinein ist vor allem in der<br />

Aufheizphase mit hohem Energieaufwand verbunden, systematisch aber genau<br />

das Gleiche wie der Vorgang im Heizkessel oder am Heizkörper. Findet diese<br />

Energieverlagerung nicht statt, kann es auch zu keinem vernünftigen<br />

Raumklima kommen. Tatsächlich findet durch Wärmeleitung innerhalb der<br />

75


Wand kein Energieverlust statt sondern eine plan- und absichtsvolle<br />

Erwärmung der Wand. Energie, die noch im Bauwerk gespeichert ist, ist<br />

nämlich noch da und nützlich und vor allem nicht „verloren“.<br />

Wenn das aber – wie augenscheinlich – so und nicht anders ist, wir aber vor<br />

der Tatsache stehen, dass im Winter ein Gebäude „durchgeheizt“ werden muss,<br />

muss es auch einen Ort des Energieverlustes geben, trotz des<br />

Energieerhaltungssatzes. Da wir an Naturgesetzen nicht rütteln wollen, müssen<br />

wir den Begriff „Energieverlust“ neu definieren. Verlorene Energie ist daher die<br />

Energie, die sich der Verwendung durch den Menschen entzogen hat, die also<br />

nunmehr in der Umgebung herumvagabundiert. Verloren ist sie keineswegs.<br />

Und nun kommt die entscheidende Erkenntnis:<br />

Der Ort des neu definierten Energieverlustes ist nichts anderes als eine richtig<br />

bestimmte Systemgrenze. Da wir bereits festgestellt haben, dass im Bauwerk<br />

enthaltene Energie keineswegs als verloren angesehen werden kann, dass uns<br />

aber auch die vom Bauwerk entwichene Energie nichts mehr nützt, bleibt nur<br />

noch eine klar definierte Systemgrenze übrig: das ist die Gebäudeoberfläche.<br />

Genau an dieser Stelle enden aber die Berechnungsverfahren der DIN 4108.<br />

Dort finden nämlich nicht Wärmeleitung sondern zwei Wirkungsmechanismen<br />

statt, die beide von der Norm gar nicht behandelt werden:<br />

Abstrahlung von elektromagnetischen Wellen, Wärmestrahlung genannt,<br />

und<br />

Energieabtrag durch konvektive Ereignisse.<br />

Diese beiden Vorgänge haben aber mit der in der Wand stattfindenden<br />

Wärmeleitung nahezu nichts zu tun. Abstrahlung ist ein autonomer Prozess, der<br />

nur von der Oberflächentemperatur und vom Strahlungskoeffizienten abhängt.<br />

Die Oberflächentemperatur aber ist von den Umgebungsbedingungen abhängig<br />

und nicht vom Beheizungszustand des Gebäudes.<br />

Beim Energieabtrag durch Konvektion sind die entscheidenden Größen die<br />

Windgeschwindigkeit, die Lufttemperatur und ebenfalls die<br />

Oberflächentemperaturen. Auch die Rauhigkeit der Oberfläche ist von großem<br />

Einfluss. Auch diese sind völlig unabhängig von den Vorgängen in der Wand.<br />

Dennoch gibt es eine Verbindung dieser beiden Wirkungen mit der<br />

Wärmeleitung. Dem guten alten Fourier verdanken wir die Einsicht, dass<br />

Wärmeleitung ein Temperaturgefälle benötigt. Auf der Rauminnenseite ist die<br />

Oberflächentemperatur eine Folge der Raumbeheizung. Auf der<br />

Gebäudeoberfläche ist sie eine Folge von strahlendem und konvektivem<br />

Energieabtrag und ebensolchem Energieeintrag. Unterscheiden sich die beiden<br />

Temperaturen, kommt es zur Wärmeleitung. Wir stehen somit vor dem<br />

Mysterium, dass es zwischen den beiden Wandoberflächen einen<br />

Informationsfluss gibt, der den Wärmestrom in Gang setzt.<br />

Eines jedenfalls begreifen wir nun ganz schnell: Die Oberflächentemperatur<br />

einer Außenwandoberfläche ist nicht im Geringsten eine Folge der<br />

76


Wärmeleitung. Im Gegenteil:<br />

Die Wärmeleitung folgt der Oberflächentemperatur.<br />

Die Praxis bestätigt das auch. Ich habe in mehreren Wintern mit einem<br />

Präzisionsgerät Oberflächentemperaturen von Wänden unterschiedlichster<br />

Bauart gemessen. Da waren Oberflächen von WDVS, von<br />

Ziegelsichtmauerwerk, von verputzten Wänden und auch von<br />

Leichtkonstruktionen. Niemals konnte ich einen bauartbedingten signifikanten<br />

Temperaturunterschied messen. Hätten die Dämmtechniker Recht, müssten die<br />

Oberflächen wärmegedämmter Fassaden deutlich kälter sein, weil der<br />

Dämmstoff den Wärmedurchgang zur Fassadenoberfläche behindert. Die<br />

Oberflächentemperaturen sind jedoch mehr oder weniger gleich. Besonders<br />

aufschlussreich waren Messungen an Massivbauten, die unbeheizt waren. Auch<br />

hier waren keine auffälligen Unterschiede zu beheizten Bauten feststellbar. Dies<br />

zeigte, dass die Oberflächentemperaturen nur von den Wetterbedingungen<br />

abhingen, keineswegs jedoch von der Wärmeleitung in der Wand. Weitere<br />

Messungen zeigten, dass bei sich ändernden Außenlufttemperaturen und<br />

Einstrahlungsbedingungen die Wandoberflächentemperaturen bei<br />

ungedämmten Wänden nur sehr langsam veränderten, bei gedämmten<br />

Konstruktionen sehr rasch. Ging die Veränderung der Oberflächentemperatur<br />

auf unmittelbare Sonneneinstrahlung zurück, reagierten gedämmte Wände mit<br />

nahezu verzögerungsfreier Oberflächenerwärmung, ungedämmte Wände waren<br />

auffällig träger.<br />

Die Oberflächentemperaturen von Hüllflächen werden somit nur durch exogene<br />

Ereignisse strahlender und konvektiver Art bestimmt, nicht jedoch von deren<br />

Bauart. Diese Einsicht ist von entscheidender Bedeutung für den<br />

Heizenergieverbrauch und für Konstruktionen, die ihn vermindern sollen.<br />

Hier öffnet sich der Weg zu tatsächlich energieeinsparenden Konstruktionen.<br />

Wir müssen nämlich die Oberflächentemperaturen unserer Gebäude<br />

beeinflussen. Im Winter müssen sie wärmer werden, im Sommer müssen wir<br />

sie kühl halten. Wie das funktioniert, kommt noch.<br />

Wenn wir bis dahin vorgedrungen sind – sie sind jetzt schon ein ganz guter<br />

Ketzer – müssen wir noch einen Blick auf WDVS werfen. Und was sehen wir da?<br />

Die Abstrahlungsleistung ist genau die gleiche wie die einer normalen<br />

Massivwand. Auch der konvektive Energieabtrag ist gleich. Wir wissen schon,<br />

dass alleine die Abstrahlungsleistung bei etwa 300 W/m² liegt und dass gegen<br />

sie kein Kraut gewachsen ist. Der Dämmstoff kann bei weitem nicht –<br />

zumindest zunächst – diese Energie mit ausreichender Schnelligkeit zur<br />

Oberfläche durchlassen. Zugleich wird aber vorne in sternenklaren<br />

Winternächten abgestrahlt - auf Teufel komm raus. Die Dämmstoffoberfläche<br />

wird also ständig abkühlen. Wir wissen, dass derartige Oberflächen von WDVS<br />

weit unter die Lufttemperatur abkühlen können. Nun kommt wieder der alte<br />

Fourier zum Zuge, der ja richtig geweissagt hat, dass das Maß der<br />

Wärmeleitung direkt proportional zum Temperaturgefälle steht. Und siehe da –<br />

77


das entropische Gesetz wirkt wieder einmal – der Wärmestrom, der nun durch<br />

den Dämmstoff geht, ist exakt so groß, wie wenn gar kein Dämmstoff<br />

vorhanden wäre. Das enorm vergrößerte Temperaturgefälle hat das bewirkt.<br />

Fassen wir vorläufig zusammen:<br />

Das der DIN 4108 und der EnEV zugrunde liegende Modell, wonach der<br />

Heizenergieaufwand nur durch die Transmissionswärme bestimmt sei, ist falsch.<br />

Dies liegt daran, dass in diesem Modell nur der Energiegehalt der Raumluft<br />

betrachtet wird und die Systemgrenze, an der der „Energieverlust“ stattfindet,<br />

an der Innenoberfläche der Wand angenommen wird. Es handelt sich um das<br />

„Warmluftbehältermodell“. Falsch ist das Modell vor allem auch deshalb, weil es<br />

keine zutreffende Beschreibung des Energieübergangs an der Außenfläche der<br />

Wand anbietet.<br />

Mein neues Modell geht von folgendem aus:<br />

Der Ort des den Energieaufwand bestimmenden Geschehens ist die<br />

Oberfläche der Außenwand.<br />

Das Wetter bestimmt die Oberflächentemperaturen.<br />

Der Energieabtrag findet bei Windstille und geringen<br />

Windgeschwindigkeiten überwiegend durch Abstrahlung statt.<br />

Bei großen Windgeschwindigkeiten – die allerdings im Winter seltene<br />

Ereignisse sind – erhöht sich auch der konvektive Energieabtrag.<br />

Dem steht ein Energieeintrag von außen gegenüber, der ebenfalls<br />

überwiegend durch Einstrahlung und geringer durch konvektive<br />

Ereignisse bestimmt wird.<br />

Das energetisch zu betrachtende System ist das Bauwerk im Ganzen,<br />

wobei die Systemgrenze mit der oberirdischen Hülloberfläche identisch<br />

ist.<br />

Der Heizenergieaufwand entsteht dadurch, dass in der Energiebilanz aus<br />

Energieeintrag und Energieabtrag an der Gebäudeoberfläche – und nur<br />

dort - durch zugeführte Heizenergie eine ausgeglichene Energiebilanz<br />

erreicht werden muss.<br />

Dieses neue Modell ist so neu gar nicht. Es wird von einem halbwegs<br />

aufmerksamen Beobachter täglich empirisch erfahren. Auf seinen banalsten<br />

Punkt gebracht, bestätigt dieses Modell die Binsenwahrheit, wonach im Winter<br />

geheizt werden muss, im Sommer aber nicht.<br />

Quantifizierung energetischer Vorgänge<br />

Die praktische Nutzanwendung dieser wieder belebten Einsichten ist nur dann<br />

möglich, wenn wir uns den Größenordnungen der energetischen Prozesse<br />

zuwenden. Ich verzichte hier auf eine detaillierte Berechnung. Ich beschränke<br />

mich auf das Ergebnis, das jeder, der mit der Stefan-Boltzmann-Formel, den<br />

Einstrahlungstabellen und mit den Faustformeln zur Berechnung konvektiver<br />

Ereignisse umgehen kann, mühelos selbst herausfinden kann.<br />

Definiere ich die Summe aus Energieabtrag und Energieeintrag als<br />

78


„Energieumsatz“, werden etwa 97% hiervon durch wetterbestimmte Ereignisse,<br />

durch Strahlungsvorgänge und Konvektion an der Gebäudeoberfläche<br />

bestritten. Nur der kleine Rest von maximal 3% ist auf der Seite des<br />

Energieeintrags auf die Heizanlage zurückzuführen. Die Musik spielt also nicht<br />

im Heizraum sondern an der Gebäudeoberfläche.<br />

Die gewohnte Vorstellung, wie sie in der EnEV enthalten ist, wonach es darum<br />

ginge, dass die gesamte Energieproduktion im Heizraum stattfände und es nur<br />

darum ginge, nunmehr die gewonnene Energie am Verlassen des Gebäudes zu<br />

hindern, ist somit falsch. In diesem Sinne ist daher auch der Zentralbegriff<br />

„Transmissionswärmeverlust“ dann, wenn er zur Beschreibung der<br />

energetischen Vorgänge am Gebäude herhalten soll, sinnlos. Der in der EnEV<br />

definierte Transmissionswärmeverlust kann nämlich nicht größer als die<br />

Leistung der Heizanlage sein. Diese Aussage gilt in jedem Falle für ständig und<br />

kontinuierlich beheizte Gebäude.<br />

Praktische Schlussfolgerungen<br />

Unser Thema lautet „Einsparung von Heizenergie“. Wir haben gesehen, dass<br />

Außendämmungen, z.B. in der Form von WDVS nicht zur Einsparung von<br />

Heizenergie führen können. Wir wollen das aber erreichen. Meine bisherigen<br />

Darlegungen wären sinnlos, wenn ich lediglich die Erfolglosigkeit der bisherigen<br />

Techniken nachgewiesen hätte, jedoch die Auskunft darüber verweigerte, was<br />

nun zu tun sei.<br />

Im Grundsätzlichen ist die Lösung erschreckend einfach. Da wir bereits<br />

eingesehen haben, dass die den Energieverbrauch entscheidenden Vorgänge an<br />

der Gebäudeoberfläche stattfinden, ergibt sich folgende Forderung:<br />

Der strahlende Energieabtrag ist gering zu halten.<br />

Der konvektive Energieabtrag ist gering zu halten.<br />

Der strahlende Energieeintrag ist zu ermöglichen.<br />

Der konvektive Energieeintrag ist zu ermöglichen.<br />

Hieraus entwickelte technische Lösungen müssen auch den sommerlichen<br />

Wärmeschutz gewährleisten. Insgesamt kommt es also darauf an, die<br />

Energiebilanz an der Gebäudeoberfläche so zu beeinflussen, dass der ohnehin<br />

sehr geringe Anteil des Energieeintrags aus der Heizanlage noch geringer wird.<br />

Hier ist an drei Fronten anzugreifen:<br />

Gebäudeentwurf im Großen.<br />

sinnvolle Fassadentechnik im Detail.<br />

Sinnvolle Heiztechnik.<br />

Der Gebäudeentwurf<br />

Da wir gesehen haben, dass Einstrahlungsvorgänge den überwiegenden Teil<br />

des Energieeintrags bewerkstelligen, können wir das im Entwurf verarbeiten.<br />

Der Idealfall wäre ein Gebäude das nur eine Sonnenseite, nördlich des Äquators<br />

also nur eine Südseite hätte. Leider hätte ein derartiges Gebäude aber kein<br />

79


Volumen. Folglich müssen unsere Bauwerke nach allen Himmelsrichtungen<br />

ausgerichtet sein. Unter diesem Gesichtspunkt wären Grundrisse auf<br />

dreieckigem Umriss ideal, weil man hierbei die reine Nordseite und im Winter<br />

unbeschienene Wand vermeiden kann. Wahrscheinlich gibt es derartiges schon.<br />

Zu denken ist auch an drehbare Gebäude. Aber welch ein Aufwand? Die<br />

Sonnenblumen führen uns vor, dass aber auch das geht.<br />

Wichtig ist bei energetisch guten Entwürfen, dass die Hauptfensterflächen<br />

südlich orientiert sind. Derartige Fenster sind wahre Energiefallen. Den<br />

sommerlichen Wärmeschutz müssen wir aber auch hinbekommen. Technische<br />

Lösungen hierfür gibt es reichlich. Versuche, derartige Häuser zu bauen,<br />

kennen wir von der „Passivhausbauweise“, die durchaus vernünftige Ansätze<br />

bietet, leider aber gepaart mit einer exzessiven Verwendung von<br />

überdimensionierten Dämmschichten, deren Unwirksamkeit wir inzwischen<br />

kennen gelernt haben.<br />

In eng bebauten Gebieten ist die Stellung des Baukörpers meistens vorgegeben<br />

oder gar in einem Bebauungsplan geregelt. Da muss man sich eben nach der<br />

Decke strecken. Energetisch ist hier aber von Vorteil, dass die Einstrahlung aus<br />

der unmittelbaren Umgebung hoch ist. Nordwände erfahren eine hohe<br />

Umgebungsstrahlung von gegenüberliegenden Südwänden. Gegenüberliegende<br />

Fensterscheiben führen häufig zu reflektierter Sonneneinstrahlung auf<br />

Nordwänden.<br />

Wird in offener Landschaft gebaut, lohnt eine Untersuchung der Umgebung.<br />

Nadelbäume vor Südwänden verschatten und mindern daher die<br />

Sonneneinstrahlung. Sie sollten daher durch Laubbäume ersetzt werden.<br />

Auf der Hand liegt, dass Baukörper bei denen die Oberfläche der Gebäudehülle<br />

im Verhältnis zum Baukörpervolumen klein ist, auch kleinere<br />

Abstrahlungsleistungen haben. Andererseits ist natürlich die<br />

Einstrahlungsleistung ebenfalls verhältnismäßig klein. An einer Tabelle können<br />

wir uns das veranschaulichen. Betrachten wir daher eine einfache<br />

Würfelgeometrie, wobei wir jedoch die Bodenfläche nicht berücksichtigen.<br />

Kantenlänge (K) Volumen (V) Oberfläche (O) Verhältnis V : O<br />

1 1 5 1 : 5,00<br />

2 8 20 1 : 2,50<br />

3 27 45 1 : 1,67<br />

4 64 80 1 : 1,25<br />

Wir sehen also, dass die Bedeutung der energetischen Vorgänge am Gebäude<br />

größenabhängig ist. Bei einem kleinen Einfamilienhaus ist diese Bedeutung<br />

erheblich größer als bei einem großen und massigen Baukörper. Das haben<br />

80


seinerzeit auch schon die Dinosaurier herausgefunden.<br />

Wäre nun das bauphysikalische Modell der EnEV richtig – wie aber nicht –, wäre<br />

der große und möglichst gedrungene Baukörper einem kleinen und<br />

möglicherweise auch noch gegliederten Baukörper energetisch überlegen. Die<br />

beste Hauskörperform wäre daher die Kugel.<br />

Berücksichtigen wir beim Entwurf aber vernünftigerweise die Energiebilanz des<br />

Gebäudes und nicht nur den Transmissionswärmedurchgang, wie das der<br />

Gesetzgeber in seiner unergründlichen Einfalt vorschreibt, erlangen wir eine<br />

große Freiheit beim Entwurf des Baukörpers. Das Verhältnis von Volumen zu<br />

Oberfläche ist keine entscheidende Größe. Hierbei müssen wir den Baukörper<br />

nach den besten Einstrahlungsbedingungen entwerfen. Im<br />

Sonneneinstrahlungswinkel von 135° bis 225° 136 soll die Fassaden- und<br />

Fensterfläche möglichst groß sein, die anderen Richtungen sollen entsprechend<br />

knapp gehalten werden. 137 Dachflächen sollten zu den „guten“ Richtungen hin<br />

möglichst senkrecht zum vertikalen Einstrahlungswinkel der winterlichen Sonne<br />

stehen. Diese Überlegung führt zum Steildach.<br />

Nun kann man einen Entwurf natürlich nicht ausschließlich unter<br />

energetischen Gesichtspunkten ausarbeiten. In der Alltagspraxis genügt es<br />

daher auch, dass man diese Gedankengänge im Hinterkopf hat und zumindest<br />

grobe Verstöße gegen diese Erkenntnisse unterlässt.<br />

Außenwände<br />

Außenwände werden ihrer Bauart nach in Massivkonstruktionen und<br />

Leichtkonstruktionen unterschieden. Die Massivwand hat meistens auch<br />

tragende Funktion, bei der Leichtwand werden die Lasten von einer<br />

gesonderten Konstruktion aus Stützen und Trägern übernommen. Da gibt es<br />

drei grundsätzliche Varianten nach der Stützenstellung, also vor, innerhalb oder<br />

hinter der Wand. Die bevorzugten Baustoffe für die Tragkonstruktionen sind<br />

Holz (z.B. beim traditionellen Fachwerkhaus), Stahl und Stahlbeton. Stahl,<br />

eigentlich ein wundervoller Baustoff, muss, wenn er in oder hinter der Hülle<br />

steht, feuersicher ummantelt werden. Dabei geht die Eleganz dieses Materials<br />

verloren. Bei meinen eigenen Stahlskelettbauten habe ich daher den Stahl<br />

immer vor der Wand angeordnet, weil er dort nur gering feuergefährdet ist und<br />

im Brandfall mit Löschwasser gekühlt werden kann.<br />

Der größte Vorteil der Massivwand besteht in ihrer Fähigkeit, Wärmeenergie zu<br />

speichern. Nachteilig ist der hohe Energieaufwand in der Anheizphase, die<br />

entsprechend lange dauert. Vorteilhaft ist dies wiederum im Sommer, da es<br />

lange dauert, bis ein Massivbau so aufgeheizt ist, dass es ungemütlich wird.<br />

Wenn aber ein Massivbau endlich aufgeheizt ist, dauert es lange, bis der Ausfall<br />

der Heizungsanlage überhaupt bemerkt wird. Die berühmte „Schafskälte“ im<br />

136 Das sind die Himmelsrichtungen SO bis SW.<br />

137 Dieser Regel soll auch die Anordnung der Fensterflächen folgen.<br />

81


Juli wird vom Massivbau mühelos überwunden. Bei Leichtbauweisen muss<br />

dagegen nochmals im Juli die Heizanlage angeworfen werden.<br />

Letztlich muss der Bauherr selbst entscheiden, was er lieber hat. Eine Rolle<br />

spielt hierbei die Nutzung. Haben wir es mit einem nur zeitweise bewohnten<br />

Ferienhaus zu tun, dürfte die Leichtbauweise vorteilhaft sein. Der<br />

Aufheizvorgang ist von kurzer Dauer, die Abkühlungsphase ist ebenfalls kurz.<br />

Die Heizanlage läuft somit im Wesentlichen nur während der Benutzung. Daher<br />

ist der gute alte Zimmerofen bei Ferienhäusern immer noch eine recht gute<br />

Heiztechnik.<br />

Beim dauernd bewohnten Haus ist die Massivbauweise klar überlegen, weil sich<br />

dort die erhöhten Kosten des Aufheizvorgangs auf eine gesamte Heizperiode<br />

verteilen und somit nicht nennenswert ins Gewicht fallen.<br />

Alles entscheidend beim Massivbau ist die Fähigkeit, eingestrahlte Sonnen- und<br />

Umgebungsstrahlung abzuspeichern. Das wird allerdings von den Anhängern<br />

der EnEV und der Dämmtechnik, die ich scherzhaft als die „Dämmophilen“<br />

bezeichne, heftig bestritten. Sie „beweisen“ mit den Rechenmethoden der DIN<br />

4108, dass es auf die Speicherfähigkeit nicht ankäme. Mit dieser Methode kann<br />

auch gar kein anderes Ergebnis herauskommen. Das physikalische Modell geht<br />

hierbei ja von der kindlichen Annahme aus, dass der energetisch<br />

interessierende Vorgang, der letztlich die Heizkosten bestimmt, ausschließlich<br />

darin bestünde, dass die im Hause freigesetzte Energie durch die Außenhülle<br />

verschwände und sonst nichts beachtenswertes geschähe. Wir wissen es aber<br />

inzwischen besser. Vor allem haben wir inzwischen erkannt, dass der<br />

Energieeintrag aus der Heizanlage bestenfalls 3% des Gesamteintrags beträgt,<br />

während der große Rest – auch in der Heizperiode – ein Geschenk der Sonne<br />

ist.<br />

Dieser riesige Energiebetrag nützt uns aber nichts, wenn wir Häuser bauen, die<br />

ihn nicht verwerten – also die eingestrahlte Energie nicht abspeichern können.<br />

Die Dämmophilen sagen nun folgendes:<br />

„Das ist ja gut und schön, dass Wärmeenergie abgespeichert werden kann –<br />

das wollen wir ja gar nicht bestreiten. Allerdings ist das ein Nullsummenspiel,<br />

da die gleiche Energie ja wieder abgestrahlt wird. Einstrahlung und Abstrahlung<br />

sind gleich groß, das Ergebnis ist also Null. Eine Größe Null muss man aber<br />

nicht beachten.“<br />

Diesem Denkfehler unterliegen auch die EnEV und die hierfür grundlegende<br />

DIN 4108. Das wird schon daran erkennbar, dass die energetischen Vorgänge<br />

an der Gebäudeoberfläche in der Norm überhaupt nicht behandelt werden.<br />

Selbst das banale Erfahrungswissen, dass der Heizenergieverbrauch durch das<br />

Wetter bestimmt wird und dieses seine Wirkung natürlich nur an der<br />

Gebäudeoberfläche hat, wird in der Norm nicht verwertet. Nicht im Traume<br />

kommen die Dämmophilen auf die Idee, einmal darüber nachzudenken, warum<br />

man im Winter heizen muss, im Sommer dagegen nicht. Noch viel weniger<br />

82


denken sie darüber nach, dass es zwischen Kernwinter und Hochsommer<br />

Zwischenzustände gibt, die teilweise noch innerhalb der Heizperiode liegen und<br />

zeitlich den längsten Teil der Heizperiode einnehmen, sodass die Höhe der<br />

Heizkostenrechnung nicht im Kernwinter sondern vom Verlauf der<br />

Heizungsübergangszeiten bestimmt wird. Es stört sie nicht im Geringsten, dass<br />

die DIN 4108 all das nicht behandelt und genau dort, wo es interessant wird,<br />

nämlich an der Gebäudeoberfläche, zu rechnen aufhört. Statt dessen erklären<br />

sie den Wärmeleitungsvorgang von innen nach außen zum<br />

„Transmissionswärmeverlust“, was konsequent zur Anordnung von<br />

Dämmschichten von mindestens 15 cm Dicke führt, da rein rechnerisch ja nun<br />

kaum noch Wärmeenergie durch die Gebäudehülle nach außen wandern kann.<br />

Sie hätten ja Recht, wenn die gesamte eingetragene Energie ausschließlich<br />

dem Heizkessel entstammte. So aber sind es – wie wir gesehen haben – nur<br />

3%. 138<br />

Ich gebe zu: Das Modell der EnEV hat den Vorzug der Einfachheit und der<br />

leichten Berechenbarkeit. Eine Betrachtung der energetischen Vorgänge an der<br />

Gebäudeoberfläche ist entschieden komplizierter und vielfältiger und daher –<br />

weil wetterabhängig – auch letztlich nicht berechenbar, weil das Wetter als<br />

bestimmender Einfluss chaotisch ist und chaotische Vorgänge definitionsgemäß<br />

unberechenbar sind. Diese Unberechenbarkeit ist es wohl auch, dass der<br />

Normenausschuss es strikt ablehnt, eine der sparsamen Energieverwendung<br />

dienende Norm zu entwickeln. Heraus käme nämlich eine Norm, bei der man<br />

nichts berechnen könnte – aus dem Blickpunkt des Normenausschusses ein<br />

Unding an sich. 139<br />

Was ist aber nun zum Einwand „Nullsummenspiel“ zu sagen? Betrachten wir<br />

also zunächst nur Strahlungsvorgänge. Das Sonnenspektrum umfasst eine<br />

große Bandbreite von Wellenlängen, darunter auch den energiereichsten Anteil<br />

der Wärmestrahlung, nämlich das Ultraviolett. Dieses hat die interessante<br />

Eigenschaft, dass es auch ungehindert durch Wolken zur Erdoberfläche gelangt.<br />

Daher werden wir auch bei bewölktem Himmel braun. Daher heizt sich ein Auto<br />

auch bei bewölktem Himmel auf, weil auch dann genügend Wärmestrahlung<br />

auf dem Blech ankommt. Ebenso ist es beim Gebäude.<br />

Wir haben bereits gesehen, dass die eingestrahlte Energie – verlustlos –<br />

umgewandelt wird. Da gibt es nur zwei Möglichkeiten auf Wandoberflächen:<br />

Absorption und Reflexion. (Von den Ereignissen bei lichtdurchlässigen Stoffen<br />

wollen wir absehen.) So entsteht beispielsweise auch der Farbeindruck.<br />

Erscheint eine Fläche rot, besagt das, dass die Lichtwellen, die im Rot nicht<br />

enthalten sind, absorbiert worden sind. Gegenüber dem roten Spektrum verhielt<br />

138 Zur Ehrenrettung der EnEV: In Polarregionen mit monatelanger Polarnacht ohne Sonneneinstrahlung<br />

wäre sie annähernd vernünftig.<br />

139 Nun besteht auch noch das – menschlich verständliche – Problem, dass eine derartige Norm mit den<br />

bisherigen Normen und der EnEV vollkommen brechen müsste. Es würde zutage kommen, dass ein<br />

Heer von Professoren und Beamten uns seit etwa dreißig Jahren puren Unsinn aufgezwungen hat. Da<br />

muss also erst eine ganze Generation aussterben, bis es zu einer vernünftigen Normung kommen kann.<br />

83


sich die Wand als Reflektor, alle anderen Spektralfarben wurden absorbiert.<br />

Diese Ereignisse hängen ausschließlich von der Oberflächenbeschaffenheit eines<br />

Stoffes ab. Das reflektierte Licht entschwindet samt seinem Energiegehalt in der<br />

Umgebung, das absorbierte Licht führt zur Erhöhung des Energiegehalts des<br />

Absorbers, der also wärmer wird. Nun können wir auch verstehen, warum<br />

schwarze Flächen sich schneller und mehr erwärmen. Sie absorbieren nämlich<br />

alle Spektren und verwerten daher durch Erwärmung die in der Strahlung<br />

enthaltene Energie am Besten. Am Allerbesten ist hierbei der sog. „Schwarze<br />

Strahler“, der aber nur ein theoretisches Gebilde ist, das in der Natur nicht<br />

vorkommt. Er würde nämlich alles Licht absorbieren und völlig in Wärmeenergie<br />

umsetzen.<br />

Schwarz ist daher auch keine Farbe, auch wenn wir es täglich mit schwarz<br />

gestrichenen Flächen zu tun haben. Genau genommen sind schwarze Flächen<br />

unsichtbar – allerdings nur im Hinblick auf das eingeschränkte<br />

Wahrnehmungsvermögen des menschlichen Auges. Im langwelligen Bereich<br />

kann auch eine schwarze Fläche Licht absondern, das jedoch für den Menschen<br />

unsichtbar ist. Hierbei handelt es sich um Infrarot (IR).<br />

Wir müssen also erkennen, dass eine von Strahlung erreichte Fläche Energie<br />

aufnimmt und durch Strahlung auch wieder abgibt. Das Wellenlängenspektrum<br />

aber der abgegebenen Strahlung ist in aller Regel völlig anders als das der<br />

empfangenen Strahlung. Nur ein perfekter Reflektor ist in der Lage, das<br />

gesamte empfangene Spektrum wieder abzugeben. Den perfekten Reflektor<br />

gibt es aber ebenso wenig wie den Schwarzen Strahler. Daher erwärmt sich<br />

auch ein Spiegel, der in das Sonnenlicht gestellt wird – allerdings weit weniger<br />

als ein daneben befindlicher Backstein.<br />

Nun müssen wir uns nur noch klar machen, dass die einzelnen Spektren einen<br />

unterschiedlichen Energiegehalt haben. Hierbei gilt:<br />

Je kürzer die Wellenlänge, umso höher der Energiegehalt.<br />

Und schon ist es aus mit dem Nullsummenspiel. Im eingestrahlten Sonnenlicht<br />

ist auch sehr kurzwelliges Licht enthalten, vor allem das unsichtbare Ultraviolett<br />

(UV). Dieses UV ist der energiehaltigste Teil des Sonnenlichts. Es wird natürlich<br />

völlig absorbiert, da Gebäudeoberflächen UV nicht reflektieren können. Damit<br />

wird die gesamte im UV enthaltene Energie in Wärmeenergie umgesetzt, die<br />

sich durch die Erhöhung der Temperatur der Wandoberfläche bemerkbar<br />

macht. Aber auch diese Wand strahlt wiederum Wärmeenergie ab. Zu einem<br />

kleinen Teil im sichtbaren Bereich des Wellenspektrums, zu einem größeren Teil<br />

im infraroten Bereich. Diese Spektren sind allerdings insgesamt erheblich<br />

energieärmer, Es wird also erheblich weniger Energie abgestrahlt als durch<br />

Absorption aufgenommen worden ist. Das ist auch ganz offensichtlich. Wäre<br />

das Ganze ein Nullsummenspiel, wie die Dämmophilen zu behaupten pflegen,<br />

könnte es ja gar nicht zur Erwärmung der Wand kommen und ebenso wenig<br />

dazu, dass auch dann, wenn die Sonne hinterm Hauseck verschwunden ist, die<br />

Wand noch stundenlang wärmer ist, als unbeschienene Flächen. Wir sehen<br />

84


also, dass während des Einstrahlvorgangs stets mehr Energie aufgenommen<br />

wird, als abgegeben werden kann.<br />

Damit dieses jedoch unserer Energiebilanz zugute kommen kann, muss die<br />

Energie gespeichert werden. Je massereicher eine Wand ist, umso besser<br />

funktioniert das. 140<br />

Wir wissen aber auch, dass diese Vorgänge nicht den ganzen Tag lang konstant<br />

ablaufen. Sie unterliegen dem von der Drehung der Erde um ihre Achse<br />

vorgegebenen und unabänderlichern zeitlichen Verlauf. Das ist ganz<br />

entscheidend. Erstaunlicherweise wird auch der zeitliche Ablauf des Geschehens<br />

weder von der EnEV noch von der DIN 4108 gewürdigt.<br />

Das Ziel unserer Bemühungen muss aber natürlich darin liegen, dass wir den<br />

exogenen Energieeintrag bestmöglich verwerten. Hierzu sind eigentlich nur zwei<br />

Maßnahmen erforderlich: Wir müssen alles vermeiden was den Energieeintrag<br />

von außen behindert und alles dafür tun, dass die Energie bestmöglich in der<br />

Außenwand so abgespeichert und weiter behandelt wird, dass das winterliche<br />

Energiedefizit so gering wie möglich ausfällt. 141 Wir benötigen also ein<br />

„energetisches Rückschlagventil“.<br />

Nun wird auch die Fehlerhaftigkeit von überdimensionierten und außen<br />

angebrachten Dämmschichten erklärbar. Sie bewirken nämlich, dass die<br />

eingestrahlte Energie zwar vom Dämmstoff absorbiert wird, dessen schlechte<br />

Wärmeleitfähigkeit den Durchgang der Wärmeenergie ins Mauerwerk hinein<br />

jedoch im Verlaufe der zeitlich begrenzten Einstrahlungsdauer verhindert.<br />

Wärmedämmstoffe sind aber auch ganz miserable Wärmespeicher. Daher<br />

kühlen sie mit dem Ende der Einstrahlung in kurzer Zeit auch wieder aus. 142 Ihr<br />

Abstrahlvermögen ist nämlich ebenso groß wie das einer verputzten Mauer.<br />

So ungefähr können wir also nun den Vorteil wärmespeichernder Außenwände<br />

verstehen. Entscheiden wir uns für die Massivbauweise, wissen wir empirisch<br />

und aus jahrhundertelanger Erfahrung, dass eine Ziegelwand von etwa 36 cm<br />

Dicke unter dem Gesichtspunkt der sparsamen Materialverwendung ein<br />

gewisses Optimum darstellt, wohl wissend, dass eine Ziegelwand von 50 cm<br />

Stärke besser, aber leider für den Durchschnittsbauherrn unerschwinglich ist.<br />

Eine gute – jedoch weniger bekannte – Wandkonstruktion ist die massive<br />

Holzwand, die man aus übereinander gelegten Balken errichten kann. Das<br />

140 Aber auch hier sollte man Übertreibungen vermeiden. Eine meterdicke Bruchsteinwand hat eine so<br />

hohe Wärmekapazität, dass sie auch im heißesten Sommer an der Innenoberfläche kalt bleibt. Eicke –<br />

Henning, ebenfalls ein Dämmophiler, kann also mit seinem Burgmauerbeispiel nichts beweisen.<br />

141 Unter dem Kapitel „Thermosfassade“ werde ich zeigen, dass es möglich ist, durch bauliche<br />

Maßnahmen dieses Ziel erheblich erreichbarer zu machen.<br />

142 Wenn man eine 15 cm dicke Platte aus Styropor aus einem geheizten Raum is Freie bringt, dort eine<br />

Aussenlufttemperatur von -10 °C herrscht, dauert es etwa 120 Minuten, bis die Platte die<br />

Außentemperatur angenommen hat.<br />

85


hängt mit den Eigenschaften des Baustoffs Holz zusammen. Gewichtsbezogen<br />

ist nämlich Holz ein außerordentlich guter Wärmespeicher mit einer<br />

Wärmekapazität, die mehr als doppelt so hoch ist als die mineralischer<br />

Baustoffe.<br />

Vergleicht man daher eine Ziegelwand aus Leichthochlochziegeln, die eine<br />

Masse von ca. 700 kg/m³ hat, mit einer Balkenwand, die eine Masse von etwa<br />

650 kg/m³ hat, erreicht man eine ausreichend wärmespeichernde Wand bereits<br />

bei einer Stärke von 20 cm. Der Dämmwert einer derartigen Holzwand liegt<br />

sogar etwas über dem der verglichenen Ziegelwand. Beim derzeitigen (2010)<br />

Holzpreis ist eine Holzbalkenwand daher billiger als eine gemauerte<br />

Konstruktion.<br />

Ähnlich gute Ergebnisse könnte man mit einer Blockrahmenkonstruktion<br />

erreichen, deren meist 20 cm dicker Hohlraum nicht – wie üblich – mit<br />

Dämmstoffen sondern mit gestampften Holzabfällen, mit wieder aufbereitetem<br />

Zeitungspapier oder mit gepresstem Stroh ausgefüllt wäre. Auch hier hätte man<br />

gute wärmespeichernde Eigenschaften, auf die es – wie bereits gezeigt – mehr<br />

ankommt, als auf den U-Wert 143 .<br />

Da wir den Wert wärmespeichernder Konstruktionen nun ausreichend kennen<br />

gelernt haben, nur noch ein kurzer Blick auf Leichtwandkonstruktionen, deren<br />

wesentlicher Bestandteil Dämmstoffe sind und die vorne wie hinten nur noch<br />

dünne Schalen haben, außen als Wetterhaut, innen als Untergrund für<br />

Raufasertapeten.<br />

Da diese Konstruktionen kaum Wärmeenergie so abspeichern können, sodass<br />

die tagsüber eingetragene Energie verwertet werden kann, müssen sie<br />

durchgehend beheizt werden. Die Wandoberflächen kommen dabei sehr rasch<br />

auf eine ausreichende Temperatur, da geringe Massen sehr rasch erwärmt<br />

werden können. Ebenso rasch kühlen diese Wände aber auch wieder aus, wenn<br />

die Heizanlage abschaltet. Exogene Energie kann natürlich nicht gespeichert<br />

werden – sie wird verschenkt. So gebaute Häuser sind also – bauphysikalisch<br />

gesehen – Warmluftbehälter, die zudem luftdicht sein müssen. Erlaubt ist eine<br />

derartige Bauweise als Folge einer unsinnigen Heizungsnorm, die lediglich eine<br />

bestimmte Raumlufttemperatur vorschreibt, die anderen, das Raumklima<br />

bestimmenden Faktoren aber nicht behandelt. Die Bewohnbarkeit im Winter<br />

wird nur durch Dauerbetrieb der Heizanlage ermöglicht. Das energetische<br />

Konzept versagt völlig, will man den vorgeschriebenen 0,6-fachen Luftwechsel<br />

je Stunde durchführen. Kurzerhand erklären die Hersteller derartiger Häuser,<br />

dass ein 0,3-facher Luftwechsel ausreichend sei. Werden derartige<br />

Konstruktionen auch noch mit nachtabgesenkten Heizanlagen betrieben, kommt<br />

es zu einem ständigen Wechsel von Konstruktionstemperaturen. Nachts<br />

verlieren derartige Konstruktionen ihren Energiegehalt, sie kühlen aus, während<br />

zugleich die relative Luftfeuchtigkeit in den Räumen steigt. Tauwasserbildung in<br />

143 Mein Kollege <strong>Architekt</strong> Dietrich Becker aus Sömmerda hat da ganz konsequent ein Haus entwickelt,<br />

dessen Außenwände aus gepressten Strohballen bestehen.<br />

86


der Konstruktion ist dann unausweichlich.<br />

Zumutbar sind derartige Konstruktionen daher nur für untergeordnete Zwecke.<br />

Für nur zeitweise genutzte Ferienhäuser mögen sie angehen, ebenso taugen sie<br />

als Baubaracken und ähnliches. Ihr Urahn ist ja auch die<br />

Reichsarbeitsdienstbaracke aus der Nazizeit.<br />

Völlig ungelöst bei derartigen Konstruktionen ist der sommerliche Wärmeschutz,<br />

da sie sich im Sommer unerträglich aufheizen. Diese Mängel sind natürlich auch<br />

den Konstrukteuren bekannt. Daher werden derartige Gebilde fast nur noch mit<br />

Anlagen zur „kontrollierten Lüftung“ angeboten. Das sind im Wesentlichen<br />

zusätzliche Klimaanlagen herkömmlicher Bauart, die im Winter den Luftwechsel<br />

über wärmerückgewinnende Kondensationsstrecken ermöglichen und im<br />

Sommer als Luftkühlungsanlage betrieben werden können. Dieser technische<br />

Aufwand, der natürlich zusätzliche Betriebs – und Wartungskosten nach sich<br />

zieht, kostet nicht wenig. Die Unfähigkeit, exogene Energie zu verwerten wird<br />

sodann mit aufwändigen sonstigen Techniken ausgeglichen, als da sind:<br />

Erdwärmespeicher, Solarzellen-und-kollektoren, Energierückgewinnungsanlagen<br />

und vieles andere mehr. Das Ganze nennt sich dann waschmittelwerbeartig<br />

„Passivhaus“ und ist in aller Regel erheblich teurer und störungsanfälliger als<br />

der simple altgewohnte Massivbau.<br />

Technikfreaks mögen sich dafür begeistern. Mich konnte man davon jedoch<br />

bisher nicht überzeugen. Mich schaudert schon der Gedanke daran, dass der<br />

Produzent der technischen Aggregate illiquide wird und daher die<br />

Ersatzteillieferung nicht mehr funktioniert. Dann ist guter Rat teuer. Ich meine,<br />

dass ein Haus auch in Krisenzeiten funktionieren muss. Daher bin ich –<br />

vielleicht ist das auch jahrgangsbedingt 144 – ein großer Freund des Notkamins,<br />

auch wenn er inzwischen aus den Bauordnungen herausgestrichen worden ist.<br />

Gezimmerte Dächer<br />

Dächer bilden einen großen Teil der Hüllfläche. Bei einem Einfamilienhaus mit<br />

Steildach kann es mehr Fläche als die Außenwände einnehmen. Dachräume<br />

waren früher unproblematisch als sie nur Speicher und Trockenböden waren.<br />

Sie übernahmen die Außentemperaturen auch innen. Bauphysikalisch war das<br />

alles unbedenklich. Heute werden Dachräume jedoch ausgebaut, die<br />

Dachkonstruktion ist also zugleich Hüllfläche von bewohnten Räumen.<br />

Technisch wäre es nun möglich, auch Dächer in Massivbauweise zu errichten.<br />

Damit – und wäre dies die Regelkonstruktion – könnten wir das über die<br />

massive Gebäudewand gesagte auch auf die Dachkonstruktion übertragen.<br />

So aber müssen wir uns damit abfinden, dass die traditionelle Tragkonstruktion<br />

eines Steildaches eine gezimmerte Konstruktion ist 145 . Ebenso traditionell ist,<br />

144 Der Verfasser entstammt dem Jahrgang 1938, hat also als Kind Krisenzeiten, bei denen es um das<br />

pure Überleben gegangen ist, noch selbst erlebt.<br />

145 Das gezimmerte Dach ist auch immer noch Ursache von schönen Richtfesten, die ich nicht missen<br />

möchte.<br />

87


dass eine Dachkonstruktion eine Leichtkonstruktion ist, bei der tragende und<br />

hüllende Elemente in Schichten erstellt werden.<br />

Nachteilig hierbei ist die geringe Wärmespeicherfähigkeit von Dächern. Hierbei<br />

kann jedoch einiges verbessert werden. Daher sollte man – analog zu den<br />

Überlegungen zur Holzbalkenwand – möglichst viel Holz einsetzen. Das<br />

Mindeste hierbei ist eine vollflächige Abschalung der Sparren mit wenigstens 22<br />

mm Stärke. Weiteren Verbesserungen steht natürlich nichts im Wege. Sehr<br />

geeignet ist die üppige Verwendung von Holzfasermaterialien statt<br />

überdimensionierter Dämmschichten. Wenn man über der Abschalung<br />

beispielsweise 60 mm dicke Holzfaserplatten verlegt, kann eine etwa noch<br />

erforderliche Dämmschicht mit 40 – 60 mm bemessen werden. Hierbei muss<br />

man wissen, dass auch am Dach die nach EnEV vorgeschriebenen<br />

Dämmstärken maßlos überzogen sind und auch nicht annähernd den<br />

berechneten Erfolg im Hinblick auf Energieeinsparung bringen können. Die<br />

Wirtschaftlichkeitsgrenze von Dämmstärken wird je nach gewähltem Material<br />

bei 80 bis 100 mm erreicht. Hierbei muss man wissen, dass auch hier gilt, dass<br />

die Hauptfunktion eines Dämmstoffes in der Anhebung der Temperatur hinter –<br />

oder beim Dach – unter dem Dämmstoff ist. Der Wärmedurchgang selbst wird<br />

jedoch nicht verhindert sondern nur verzögert.<br />

Bei den von mir konstruierten ausgebauten Dächern hat sich sehr bewährt,<br />

dass die Kantholzkonstruktion auf Sicht konstruiert ist, also wenigstens<br />

Holzbalken der Schnittklasse S und gehobelt verwendet werden und die darüber<br />

liegende Schalung als Sichtschalung mit Sichtseite nach unten verlegt wird.<br />

Wenn diese Schalung aufgeschraubt wird, erkennen die Prüfstatiker an, dass<br />

sodann die Dachkonstruktion als Scheibe angesehen werden kann. Der gesamte<br />

weitere Aufbau des Daches – auch in energetischer Hinsicht – befindet sich<br />

sodann über der Schalung, was auch die Handwerker freut, da die sehr<br />

unangenehme und kräftezehrende Überkopfarbeit vermieden bleibt. Ein großer<br />

Vorteil besteht – energetisch gesehen – darin, dass nun die Sparren und<br />

sonstigen Teile des Dachstuhls samt Schalung als wärmespeichernde Masse<br />

dienen. Bei einem Dachstuhl eines Einfamilienhauses über 100 m² Grundfläche<br />

sind das schon etwa 8 m³ wärmespeicherndes Holz, was etwa der<br />

Speicherkapazität von 12m³ Ziegelmauerwerk entspricht. Das ist nicht viel<br />

weniger als die Mauerwerksmasse im Erdgeschoss.<br />

Wenn wir jetzt noch über der Schalung zusätzliche Weichfaserplatten anordnen,<br />

kommen wir in der Regel zu einer ausreichenden Wärmekapazität der<br />

Dachkonstruktion. Für den winterlichen Wärmeschutz haben wir also das Nötige<br />

getan. Damit der gute Baubeamte zufrieden ist, ordnen wir noch eine<br />

zusätzliche Dämmschicht aus Mineralwolleplatten an, die zwar überflüssig ist<br />

aber zu einer beanstandungsfreien Bauabnahme führt, was ja auch etwas wert<br />

ist.<br />

Nun haben wir also über der Schalung einen mindestens 10 cm dicken Aufbau,<br />

über dem nun die Dachhaut, also irgendein Ziegel- oder Betonsteindach<br />

hergestellt wird. Dieses muss unterlüftet sein. Daher müssen wir die Dachlatten<br />

88


entsprechend hoch über der Schalungsfläche anordnen, was zu sog.<br />

„Konterbohlen“ führt, die man im Verlauf der Dachsparren hochkant befestigt.<br />

Der Rest ist wie gewohnt. Noch ist aber die Konstruktion nicht vollständig<br />

beschrieben. Daher zunächst ein paar bauphysikalische Betrachtungen zum<br />

Steildach.<br />

Bauphysikalisch ist ein Dach extrem belastet. Im Sommer heizt sich die<br />

Dachhaut, so sie aus Dachpfannen besteht, zeitweise bis auf 70 °C auf. Damit<br />

haben wir auf dem Dach einen Wärmestrahler mit einer Abstrahlungsleistung<br />

nach unten von bis zu 800 W/m². Diese Strahlung führt im Verlaufe eines<br />

Sommertages zur Erhitzung der gesamten Dachkonstruktion bis hin zur<br />

Unterfläche des Daches und damit zu einem höchst unangenehmen und auch<br />

gesundheitsschädlichen Überangebot von Wärmestrahlung. Derartige<br />

Wohnräume werden im Sommer unbewohnbar. Der Ausdruck „Barackenklima“<br />

ist nachgerade noch milde.<br />

Ich habe hiergegen ein Mittel gefunden, das im Bauwesen bisher unbekannt<br />

war. Die Unbekanntheit dieser Technik ist übrigens auch eine Folge der<br />

Normengläubigkeit meiner Kollegen. Die DIN 4108 bietet nämlich keine Lösung<br />

des Problems an, da sie Strahlungsprozesse nicht behandelt. Ich gebe also nun<br />

eines meiner Betriebsgeheimnisse preis:<br />

Die Energieverlagerung von der Dachhaut bis zur Dachuntersicht fände in dem<br />

tatsächlich erlebten Masse nicht statt, wenn sie nur auf<br />

Wärmeleitungsprozessen beruhen würde. Tatsächlich geschieht die<br />

Energieverlagerung jedoch aus einer Abfolge von Wärmeleitungs- und<br />

Strahlungsprozessen, wobei die Strahlungsprozesse eindeutig überwiegen.<br />

Wärmestrahlung kann jedoch reflektiert werden. Ich ordne daher unmittelbar<br />

über der Abschalung ein reflektierendes Material an. Hierbei handelt es sich um<br />

Aluminiumfolien mit einem Emissionskoeffizienten von 0,04, die gegen<br />

Korrosion mit einer durchsichtigen Kunststoffhaut kaschiert sind. Die auf der<br />

Aluminiumschicht ankommende Wärmestrahlung wird nun zum überwiegenden<br />

Teil in den Dämmstoff zurückgeschickt, was zu dem interessanten Messergebnis<br />

führt, dass die wärmste Zone im Dämmstoff der Bereich unmittelbar über der<br />

Aluminiumhaut ist. Das Ergebnis jedenfalls ist verblüffend. Die Dachräume<br />

bleiben im Sommer kühl und manche meiner Bauherren berichten, dass sie<br />

sogar die kühlsten und angenehmsten Zonen im ganzen Haus seien. Im Grunde<br />

funktioniert das ähnlich wie bei einer Thermoskanne, die ja ebenfalls auf dem<br />

Zusammenwirken von schlechter Wärmeleitung und Reflexion von<br />

Wärmestrahlung beruht und bekanntlich auch zur Kühlhaltung von Getränken<br />

eingesetzt wird.<br />

Ein angenehmer Nebeneffekt dieser Konstruktion besteht während des<br />

Hausbaus darin, dass die Reflexionsschicht 146 auch wasserdicht ist und daher<br />

die frisch aufgeschraubte Schalung vor Durchnässung während der Bauzeit<br />

schützt. Weiterhin erfüllt diese Folie nebenher auch noch die Aufgabe der<br />

146 Das von mir bevorzugte Material kommt aus dem Hause Dörken und heißt „Delta – Reflex“.<br />

89


ohnehin notwendigen Dampfbremse unter den Dämmschichten. Die Kosten<br />

hierfür sind ausgesprochen geringfügig.<br />

Im Winter sieht es in der Dachkonstruktion ebenfalls nicht erfreulich aus. Die in<br />

der Norm zu findende Annahme, dass mit einer Mindesttemperatur von – 15 °C<br />

zu rechnen sei, hat mit der Wirklichkeit nichts gemein. Wir wissen bereits, dass<br />

alle Körper solange Energie abstrahlen, bis sie ihre Energie abgegeben haben,<br />

theoretisch können Dächer daher unbegrenzt auskühlen. Meine eigenen<br />

Messungen an Dächern haben gezeigt, dass in einer sternenklaren Frostnacht<br />

die Dachhaut bis auf etwa – 60 °C abkühlen kann, also weit unter die<br />

Temperatur der Aussenluft. Sichtbar wird das an der Reifbildung auf Dächern,<br />

die ja nur möglich wird, wenn die Dachflächentemperatur deutlich unter die<br />

Lufttemperatur gefallen ist. Geneigte oder flache Dächer werden vor allem von<br />

der Umgebungsstrahlung kaum erreicht.<br />

So nebenher vermerken wir, dass die Temperaturspreizung am Dach somit<br />

zwischen Sommer und Winter bis zu 120 K betragen kann.<br />

Wenn nun die Dachhaut soweit auskühlt, ist natürlich der darunter befindliche<br />

Luftraum annähernd gleich kalt. Das Temperaturgefälle zwischen ausgebautem<br />

Dachraum und Luftraum über der Dämmschicht beträgt somit im Extremfall<br />

etwa 70 K.<br />

Schon wieder macht sich die Reflexionsschicht nützlich. Wir wissen bereits, dass<br />

ein guter Reflektor ein ebenso schlechter Strahler ist. Obwohl die zwischen<br />

Dämmschicht und Oberfläche Schalung eingelagerte Reflexionsschicht ungefähr<br />

die Temperatur der Schalung annimmt, strahlt sie dennoch nur sehr wenig<br />

Strahlungsenergie ab. Ihre energierückhaltende Wirkung beträgt etwa die des<br />

rechnerischen – nicht jedoch tatsächlichen – Wertes nach DIN 4108 von 20 cm<br />

Styropor. Auch hier haben wir wieder den Thermoskanneneffekt. Das<br />

Zusammenwirken von schlechtem Strahler und ordentlicher Dämmung, die auch<br />

noch recht gut Wärme speichert reicht somit zur Bewältigung der großen<br />

winterlichen Temperaturspreizung aus.<br />

Und nun kommen wir zu dem heiß diskutierten Thema:<br />

Unterspannbahnen<br />

Unsere braven Dachdecker bestehen auf dem Einbau von Unterspannbahnen<br />

und bedrohen den Bauherrn, falls er die nicht haben will, mit dem Entzug der<br />

Gewährleistung. Dabei berufen sie sich auch auf die „Regeln des<br />

Dachdeckerhandwerks“, die natürlich – ähnlich wie die Normen des DIN –<br />

nichts anderes sind als unverbindliche Empfehlungen eines Vereins, die den<br />

Verwender nicht von der Pflicht entbinden, den Sinn derartiger Regeln zu<br />

prüfen. Geht daher etwas schief, nützt es dem <strong>Architekt</strong>en gar nichts, wenn er<br />

sich darauf beruft, dass er sich streng an diese Regeln gehalten hätte. Wir<br />

<strong>Architekt</strong>en schulden nämlich nicht die Anwendung von Normen und sonstigen<br />

Regelwerken sondern einen technischen Erfolg. Tritt der nicht ein – sichtbar am<br />

Bauschaden – haften wir nach dem Gesichtspunkt des „ersten Anscheins“.<br />

90


Allein die Entwicklung der „Regeln des Dachdeckerhandwerks“ in den<br />

vergangenen vierzig Jahren zeigt, dass sie richtig – aber auch falsch sein<br />

können. Würden wir heute noch Flachdächer nach den Empfehlungen aus den<br />

60er Jahren des vorigen Jahrhunderts bauen, könnten wir uns am besten gleich<br />

im nächstgelegenen Armenhaus einquartieren. Mit ganz wenigen Ausnahmen<br />

sind die damals gebauten Flachdachkonstruktionen inzwischen abgerissen und<br />

durch andere Konstruktionen ersetzt worden. Soviel also zum Wert der<br />

Dachdeckerregeln.<br />

Unterspannbahnen sind folienartige Häute oder Textilien, die oberhalb der<br />

Dämmschicht und unterhalb der eigentlichen Dacheindeckung eingebaut<br />

werden. Der behauptete Zweck besteht darin, dass für den Fall, dass in der<br />

Dacheindeckung ein Loch entstünde, z.B. weil ein herabgefallener Ast auf dem<br />

Dach aufgeschlagen sei, eine zweite wasserführende Ebene vorhanden sei, die<br />

verhindere, dass Regenwasser von da ab ungehindert in die Konstruktion<br />

eindränge, dort die Dämmschicht durchnässe und sonstigen Schaden anrichte.<br />

Als weiteren Vorteil soll sie das Eindringen von Flugschnee in die<br />

Dachkonstruktion verhindern, ebenso von Sprühwasser, das beim Aufschlagen<br />

von Regentropfen auf dem Dach entsteht und auch von Staub, der sich auf der<br />

Dämmschicht ablagern würde. In der Tat könnten das ganz nützliche<br />

Wirkungen sein. Betrachten wir zunächst einmal die Bedrohungen:<br />

Herabfallende Äste können ein Dach beschädigen. Da gibt es nur ein sinnvolles<br />

Gegenmittel. Der Hausbesitzer muss wenigstens einmal im Jahr die Bäume<br />

darauf hin überprüfen, ob abgestorbene Äste in der Krone vorhanden sind. Die<br />

müssen dann beseitigt werden. Hierfür sind unsere Gartenbaubetriebe<br />

zuständig, die das gerne und preiswert erledigen, weil sie im Winter wenig zu<br />

tun haben.<br />

Die Geschichte mit dem Flugschnee habe ich selbst an nicht ausgebauten<br />

Dächern überprüft und dabei folgendes festgestellt: Fällt Pappschnee,<br />

erkennbar an den großen Schneeflocken, bleibt der auf dem Dach liegen, falls<br />

dieses kalt genug ist oder er schmilzt. Nicht eine einzige Pappschneeflocke habe<br />

ich jemals durch ein Dach hindurchfliegen gesehen. Dieses Phänomen gibt es<br />

also nicht. Fällt Pulverschnee, also ganz kleine Schneeflocken, fliegen die wie<br />

Bettfedern umher. Ist zugleich heftiger Wind, kann es den Pulverschnee<br />

tatsächlich das Dach hinauftreiben. Durch größere Spalten, die allerdings nur<br />

bei Biberschwanzeindeckungen vorkommen, kann es dann – wie ich beobachtet<br />

habe – zum Durchwehen von Pulverschnee kommen. Allerdings dauert dies<br />

höchstens fünf Minuten. Danach hat der Schnee selbst die Spalten verstopft.<br />

Auf dem Dachboden lag sodann ein hauchdünner Schneebelag, dessen<br />

Wassergehalt – grob geschätzt – vielleicht 1 g/m² betragen hat. Bei einem<br />

ausgebauten Dach wäre diese Schneemenge auf der Unterspannbahn liegen<br />

geblieben oder, falls eine solche nicht vorhanden war, auf der Oberseite des<br />

Dämmstoffs. So oder so wäre diese geringe Menge an Schnee entweder ohne<br />

zu schmelzen bei sehr kalter Witterung abgetrocknet, also sublimiert, oder, falls<br />

es unmittelbar nach dem Schneefall zu einem starken Temperaturanstieg der<br />

Aussenluft gekommen wäre, in kurzer Zeit geschmolzen und sodann<br />

91


abgetrocknet. Die Gefährdung der Dachkonstruktion ist also nur sehr<br />

geringfügig.<br />

Den Durchgang von Sprühwasser konnte ich niemals beobachten. Zeichnet man<br />

sich das Deckschema einer Biberschwanzdeckung auf, erkennt man auch, dass<br />

Sprühwasser nicht durchdringen kann. Bei Falzpfannen ist das noch viel<br />

weniger möglich.<br />

Bleibt noch die Verstaubung: Die findet tatsächlich statt. Daher verstauben<br />

entweder die Oberflächen der Unterspannbahnen oder die der Dämmstoffe. Das<br />

mag den Reinlichkeitssinn der deutschen Hausfrau beleidigen. Irgendeinen<br />

Schaden richtet der abgelagerte Staub auf Dämmstoffoberflächen jedoch nicht<br />

an, sehr wohl aber auf Unterspannbahnen, deren Diffusionsfähigkeit nämlich<br />

abnehmen wird.<br />

Da ich selbst in nun vierzigjähriger Berufspraxis noch niemals einen Schaden zu<br />

verzeichnen hatte, der auf eine nicht vorhandene Unterspannbahn<br />

zurückgeführt hätte werden können, behaupte ich, dass Unterspannbahnen den<br />

von den Dachdeckern behaupteten Nutzen nicht haben und daher überflüssig<br />

sind.<br />

Warum dringen dennoch unsere Dachdecker auf den Einbau von<br />

Unterspannbahnen? Da gibt es einen ganz einfachen Grund: Ein ausgebautes<br />

Dach ist dadurch gekennzeichnet, dass im oberen Schichtbereich ein Dämmstoff<br />

eingebaut wird, der während des Bauens offen liegt und bei Regenwetter<br />

durchnässt würde. Baut der Dachdecker nun eine Unterspannbahn ein, ist<br />

natürlich der Dämmstoff auch dann schon vor Durchnässung geschützt, wenn<br />

die eigentliche Dacheindeckung noch gar nicht verlegt ist. Insgesamt hat der<br />

Dachdecker daher den Vorteil, dass er sein Dach wetterunabhängig bauen<br />

kann. Wird keine Unterspannbahn eingebaut, ist seine Arbeit bei schlechtem<br />

Wetter erschwert. Er muss dann bei Regenwetter provisorische Planen<br />

verlegen, was Zeit beansprucht und den Arbeitsfluss unterbricht. Ganz ärgerlich<br />

wird es, wenn bei Sturm die Planen abgerissen werden. Dann kann er nämlich<br />

mit dem Dachaufbau von vorne beginnen und den abgesoffenen Dämmstoff<br />

wegschmeißen. Sein erhoffter Gewinn ist dann auch dahin. Ein fairer <strong>Architekt</strong><br />

weist daher in der Leistungsbeschreibung darauf hin, dass der Dachdecker<br />

provisorische Schutzmaßnahmen einkalkulieren muss.<br />

Warum also keine Unterspannbahnen? Ums Geld geht es dabei beileibe nicht.<br />

Unterspannbahnen sind ein billiger Baustoff. Kalkuliert der Dachdecker in seinen<br />

Preis provisorische Planeneindeckungen ein, kostet das mehr oder weniger<br />

genau so viel wie eine Unterspannbahn.<br />

Wir haben bereits gesehen, dass durch Abstrahlung von Wärmeenergie eine<br />

Dachhaut und ebenso der unmittelbar darunter liegende und möglichst gut<br />

belüftete Hohlraum weit unter die Temperatur der Aussenluft auskühlen<br />

können. Ginge es nur darum, dass in diesen Bereich Wasserdampf aus dem<br />

darunter liegenden Wohnraum eindringen könnte, müssten wir uns keine<br />

92


großen Sorgen machen, da unter dem Dämmstoff ja fast immer<br />

dampfbremsende Schichten sind, die das wirksam verhindern.<br />

Und dennoch dringt in diesen Bereich Wasserdampf in großen Mengen ein und<br />

zwar – wie auch geplant – aus der Aussenluft, weil es ein zwingendes<br />

Erfordernis ist, dass Pfanneneindeckungen unterlüftet sein müssen. Diese<br />

wasserdampfhaltige Luft dringt also in die Zone ein, in der sich die<br />

Unterspannbahn befindet. Ist die Unterspannbahn richtig verlegt, muss auch sie<br />

unterlüftet sein. Daher enden ja auch Unterspannbahnen knapp unterhalb des<br />

Dachfirstes, damit dort die unterhalb der Bahn eingeströmte Luft wieder<br />

entweichen kann.<br />

Und nun geschieht das Unvermeidliche. Die im extrem kalten Bereich liegende<br />

Unterspannbahn ist Kondensationsebene gegen die Aussenluft. Je nach<br />

Temperaturzustand kommt es daher zur Tauwasserbildung auch auf der<br />

Unterseite der Unterspannbahn oder – was bei dieser Schadensentwicklung die<br />

Regel ist – zur Reifbildung. Übrigens völlig unabhängig vom<br />

Dampfdurchlässigkeitsgrad der Bahn, auf den es gar nicht ankommt. Die<br />

Reifschicht – ich habe schon 30 mm dicke Schichten beobachtet – wäre immer<br />

noch harmlos. Da sich dieser Schaden aber vorzugsweise im zeitigen Frühjahr<br />

einstellt, wo es nachts noch zu Strahlungsfrost kommt, am frühen Morgen sich<br />

die Luft rasch erwärmt und daher auch entsprechend viel Wasserdampf<br />

aufnehmen kann, kommt es dort zu besonders intensiver Reifbildung in der<br />

Konstruktion, die ja wegen ihrer größeren Masse die Temperaturänderungen<br />

nicht so schnell mitmachen kann.<br />

Mit fortschreitendem Frühjahr kommt dann der Tag, an dem es erstmalig zur<br />

Sonneneinstrahlung auf die Dachfläche kommt, besonders spannend sind da<br />

nach Osten geneigte Dächer. Das Dach erwärmt sich nahezu schlagartig,<br />

ebenso der darunter liegende Bereich. Und dann taut der Reif auf der<br />

Unterseite der Unterspannbahn in Minutenschnelle ab. Da säuft dann die ganze<br />

Dachfläche ab. In einem Haus erlebte ich das mit. Da regnete es förmlich im<br />

Wohnzimmer – bei strahlendem Frühlingssonnenschein. Den gleichen Schaden<br />

hatte mein älterer Bruder Bernhard, der sich sein zweites Wohnhaus ohne<br />

meine Mithilfe selbst geplant hatte und mich erst dann um Hilfe bat, als es in<br />

die Ehebetten regnete und der brüderliche Haussegen schon beachtlich schief<br />

hing. Der Schaden konnte nur dadurch verhindert werden, dass wir alle<br />

Öffnungen, die der Unterlüftung des Daches dienten, verstopften. Damit war<br />

die Angelegenheit geregelt – allerdings zu Lasten der eigentlich notwendigen<br />

Unterlüftung der Dacheindeckung.<br />

Übrigens – anständige und ehrliche Dachdecker geben ganz freimütig zu, dass<br />

es so – wie ich es hier geschildert habe – tatsächlich ist. Nun warte ich nur<br />

noch darauf, dass wieder einmal die Dachdeckerrichtlinien überarbeitet werden.<br />

Diese Reifbildung haben wir allerdings auch an der Untersicht der Dachhaut,<br />

wenn keine Unterspanbahnen vorhanden sind. Auch dort kommt es zu<br />

Abtauvorgängen. Wohl dem, der sich für eine Ziegeldeckung entschieden hatte.<br />

93


Tondachziegel saugen das Tauwasser einfach auf wie ein Löschblatt und geben<br />

es nach oben ab. Im Frühjahr sieht man daher bei Tonziegeldächern Dampf<br />

aufsteigen. Daher sind Tonziegeldächer der Betonsteineindeckung vorzuziehen,<br />

da die Saugfähigkeit von Betonbaustoffen entschieden geringer ist. Ich meine<br />

aber, dass auch die Betondachsteinindustrie dann, wenn sie dieses Problem<br />

erkennt, in der Lage sein wird, ein saugfähiges Material zu entwickeln.<br />

Dass das tatsächlich so ist, erkennt man auch daran, dass Dacheindeckungen,<br />

die aus nicht frostsicherem Material bestehen, immer an der Unterseite<br />

auffrieren, wo es zu Frostabsprengungen kommt. In diesem Zusammenhang<br />

warne ich auch vor der Verwendung von oberseitig glasierten Tondachziegeln.<br />

Die Glasur verhindert nämlich den Abtrockungsvorgang in der Dachhaut. Sie ist<br />

ebenso nachteilig wie außenliegende Dampfbremsen.<br />

Flachdächer als Warmdach<br />

Unter einem Flachdach in Warmdachbauweise verstehen wir eine<br />

Dachkonstruktion auf einer tragfähigen Unterlage aus Holz oder Stahlbeton mit<br />

geringem Gefälle, bei der verschiedene Schichten klatsch aufeinander liegen. Zu<br />

den Einzelheiten des Aufbaus möchte ich mich hier nicht weiter verbreiten; da<br />

gibt es eine Vielfalt an guter Fachliteratur. Ich möchte mich auf wenige und nur<br />

schwierig lösbare Probleme beschränken. Insgesamt hat das Flachdach keinen<br />

guten Ruf, da in dessen Frühzeit in den sechziger Jahren des vorigen<br />

Jahrhunderts immense Bauschäden vorhanden waren. Von diesen frühen<br />

Flachdachkonstruktionen ist fast nichts mehr vorhanden, da die meisten Dächer<br />

inzwischen neu aufgebaut worden sind.<br />

Ich selbst habe eine Reihe von Flachdächern bauen lassen. Versagt haben bei<br />

mir die Konstruktionen aus meiner beruflichen Anfängerzeit, bei denen ich –<br />

Opfer einer überzeugenden Tätigkeit von Vertretern und der Werbung – statt<br />

bituminöser Dichtungsstoffe Kunststoffbahnen aus PVC oder Gummi habe<br />

verlegen lassen. Vor allem die PVC-Dachhäute – von einem meiner bayerischen<br />

Bauherren verächtlich als „Wurschhaut“ bezeichnet - erwiesen sich als<br />

vollkommene Katastrophe, da sie an den dem Sonnenlicht ausgesetzten<br />

Rändern geschrumpft sind. Das Ergebnis war, dass die Dachhäute sich wie ein<br />

Trommelfell gespannt haben und sogar die Rollkiesschüttungen angehoben<br />

haben. Am Ende sind diese Dachhäute dann gerissen. Die<br />

Flachdachkonstruktion musste völlig erneuert werden. Die Gummihäute waren<br />

gegenüber dem Sonnenlicht widerstandsfähiger. Als Nachteil beider<br />

Konstruktionen hat sich aber herausgestellt, dass Undichtigkeiten in Form<br />

kleiner Löcher, die durch Unachtsamkeit der Handwerker entstanden waren und<br />

die natürlich zur Undichtigkeit geführt haben, nicht auffindbar und damit auch<br />

nicht reparabel waren.<br />

Reumütig bin ich zu den altbewährten bituminösen Dachbahnen zurückgekehrt.<br />

Zum einen waren diese mehrlagig. Damit war die Wahrscheinlichkeit der<br />

Undichtigkeit an ein und derselben Stelle praktisch Null. Zum anderen haben<br />

bituminöse Dachdichtungsstoffe die Eigenschaft, unter Sonneneinstrahlung<br />

aufzuschmelzen, sodass kleine Löcher sich selbst wieder dichten.<br />

94


Bereits in den siebziger Jahren hat Raimund Probst 147 darauf hingewiesen, dass<br />

auf Flachdächern Osmose stattfindet. In jedem ordentlichen Biologiebuch<br />

können Sie nachlesen, was das ist. Voraussetzung für osmotische Vorgänge<br />

sind zwei Sachen:<br />

Halbdurchlässige (semipermeable) Membranen<br />

Unterschiedliche Lösungen mit verschiedenen Lösungsdrücken.<br />

Bituminöse Dachdichtungsbahnen verhalten sich vor allem bei Erweichung, die<br />

im Sommer unvermeidbar und grundsätzlich auch vorteilhaft ist, wie<br />

semipermeable Membranen. Die unterschiedlichen Lösungen entstehen unter<br />

der Dachhaut durch zufällig eingeschlossenes Wasser und auf der Dachhaut<br />

durch Wasserlachen, in denen der angeflogene Dreck und auch Streusalz zu<br />

einer gesättigten Lösung mit hohem Lösungsdruck führen. Das Ergebnis<br />

besteht darin, dass Moleküle der gesättigten Lösung durch die Dachhaut in das<br />

dort eingeschlossene Wasser wandern und dort das Wasservolumen<br />

vergrößern. Im Sommer wird dieses Wasser dampfförmig und führt zur<br />

Blasenbildung auf der Dachhaut. Irgendwann platzt die Blase dann auf und das<br />

Dach ist undicht. Außerdem ist der Dämmstoff unter der Dachhaut nass<br />

geworden. Bei einer Dachbegehung werden solche Blasen aufgestochen. Das<br />

noch unter Druck stehende Wasser bildet dann einen hübschen, aber sehr<br />

unerwünschten Springbrunnen.<br />

Ein weiteres kommt hinzu: Flachdachkonstruktionen werden nach einem<br />

bauphysikalischen Modell gebaut, das davon ausgeht, dass der<br />

eindiffundierende Wasserdampf nur aus den unter dem Flachdach befindlichen<br />

Räumen stammt. Daher werden unter dem Dämmstoff, in welchen der<br />

Wasserdampf unter gar keinen Umständen eindringen darf, Dampfsperren<br />

eingebaut, die auch hervorragend funktionieren, wenn es sich dabei um<br />

Baustoffe mit eingearbeiteten Metallfolien aus Kupfer oder Aluminium handelt.<br />

Bei sorgfältig gearbeiteten Flachdächern ist daher ein Wasserdampfeintritt von<br />

unten in die Dämmschicht nahezu unmöglich. Und dennoch kennen wir<br />

Bauschäden, die auf Tauwasserbildung in der Dämmschicht beruhen. Was<br />

passiert da denn eigentlich?<br />

Ganz einfach. Wenn im Sommer das Flachdach oben heiß wird, 80 °C sind da<br />

keine Seltenheit, werden die oben liegenden Dachhäute weich und damit auch<br />

dampfdurchlässig. Nun kommt ein schweres Sommergewitter bei sehr hoher<br />

relativer Luftfeuchte. Die Luft ist sehr warm und die relative Luftfeuchte ist<br />

nahe am Sättigungspunkt. Damit haben wir ein Dampfdruckgefälle von oben<br />

nach unten. Der Wasserdampf wandert sodann von oben in die Dämmschicht<br />

ein, die bestimmungsgemäß im unteren Bereich natürlich kühl ist. Der<br />

Wasserdampf kondensiert somit im Dämmstoff – mitten im Sommer 148 . Das nun<br />

147 In der Fachwelt bedeutender und anerkannter – aber auch bekämpfter – Analytiker von Bauschäden,<br />

der unnachsichtig den Ursachen von Bauschäden nachgespürt hat.<br />

148 Ebenso besteht an schwül-heißen Sommertagen ein Dampfdruckgefälle von oben nach unten.<br />

95


tropfbar gewordene Wasser verbleibt nun für alle Zeiten im Dämmstoff. Dieses<br />

mehrfach sich wiederholende Ereignis führt im Verlaufe einiger Jahre zum<br />

völligen Absaufen des Dämmstoffs. Trotz sorgfältiger und völlig normgerechter<br />

Bauweise ist auch dieses Flachdach zum totalen Sanierungsfall geworden.<br />

Was also tun?<br />

Gegen Osmose auf Flachdächern hilft nur eines. Das Flachdach muss ein<br />

ausreichendes Gefälle haben, sodass Wasserlachenbildung nicht stattfindet und<br />

die Stoffe, die zusammen mit dem Wasser eine Lösung bilden können, ständig<br />

bei Regenwetter abgeschwemmt werden. Unter 5% Gefälle geht da nichts.<br />

Gegen Tauwasserbildung in der Dämmschicht gibt es ein einfaches aber leider<br />

sehr teures Verfahren 149 . Lassen Sie als Dämmstoff nur Schaumglas zu.<br />

Schaumglas ist nämlich völlig dampfdicht und kann keinen Wasserdampf<br />

aufnehmen. Die untere Dampfsperre kann dann weggelassen werden, wodurch<br />

ein Teil der Mehrkosten des Schaumglases aufgefangen wird.<br />

In die Diskussion um die EnEV haben sich nun die Hersteller von Schaumglas<br />

eingeschaltet.. Die Anforderungen an die Dicke von Dämmstoffen auf<br />

Flachdächern sind nämlich so überzogen, dass eine Dämmung mit Schaumglas<br />

für den Normalbauherrn unerschwinglich geworden ist. Bei einer von der<br />

Schaumglasindustrie gesponserten Veranstaltung mit anschließender<br />

Verköstigung habe ich in der Diskussion daher die Frage gestellt, wie die<br />

Schaumglasindustrie zu den verordneten Dämmstoffstärken stünde, da doch<br />

offensichtlich nun massive Absatzprobleme bestünden und welche<br />

Dämmstärken denn aus der Sicht der Schaumglasindustrie zu einem<br />

ausreichenden Wärmeschutz führen würden. Der Referent dieser<br />

Veranstaltung, Prof.Dr.-Ing. Gerd Hauser, der in der Fachwelt bekannteste<br />

Anhänger und Promotor der EnEV, der in seinem Vortrag verkündet hatte, dass<br />

eine richtige Dämmung bei 15 cm Dicke erst begönne, hatte zu diesem<br />

Zeitpunkt die Veranstaltung bereits verlassen. Dies ermutigte den Vertreter der<br />

Dämmstoffindustrie auf meine entsprechende Frage zu der Aussage, dass nach<br />

eigenen Forschungen ein ausreichender Wärmeschutz, der sog.<br />

„Mindestwärmeschutz“, bereits bei 40 mm Dämmstärke erreicht sei.<br />

Schätzungsweise waren bei dieser Veranstaltung rund fünfhundert <strong>Architekt</strong>en<br />

vertreten, die sich alle schon auf die ebenfalls gesponserte Verköstigung<br />

freuten. Die Aussage der Schaumglasindustrie war nun aber das glatte<br />

Gegenteil dessen, was der Hauptreferent des Abends aus professoraler Sicht<br />

verkündet hatte. Das Ergebnis war, dass die versammelte Zuhörerschaft sich in<br />

atemloses Schweigen flüchtete und Trost bei den kulinarischen Genüssen<br />

suchte.<br />

Ich meine, dass unter dem Gesichtspunkt der Tauwasserverhütung 40 mm<br />

Schaumglas völlig ausreichen. Auch unter dem Gesichtspunkt der sparsamen<br />

149<br />

Spätestens hier folgendes: „Es gibt nicht billiges oder teueres Bauen, sondern nur richtiges Bauen“.<br />

(Zitiert nach Raimund Probst)<br />

96


Energieverwendung ist das völlig ausreichend, wenn man sich von dem<br />

Warmluftbehältermodell der DIN 4108 befreit hat. Dennoch würde ich die<br />

Dämmstärke etwas vergrößern, da hierdurch etwas Gutes für den sommerlichen<br />

Wärmeschutz getan wird. Das von mir in den späten sechziger Jahren errichtete<br />

Flachdach, bei dem Schaumglas mit einer Dicke von 60 mm verarbeitet worden<br />

ist, funktioniert bis heute – also nach fast vierzig Jahren – tadellos; auch in<br />

bauphysikalischer Hinsicht. Die unmittelbare Sonneneinstrahlung wird hier<br />

durch eine etwa 60 mm dicke Rollkiesschicht von der Dachhaut offenbar<br />

wirksam abgeblockt. Dieses Flachdach ist übrigens gefällelos und lediglich über<br />

Wasserspeier entwässert. Ein Beweis dafür, dass wir <strong>Architekt</strong>en auch von der<br />

Gnade leben, dass nicht jede leichtsinnige Konstruktion zwangsläufig zum<br />

Bauschaden führt.<br />

Umkehrdächer<br />

Umkehrdächer sind Konstruktionen, bei denen die Dichtungsschicht unmittelbar<br />

auf der Dachdecke aufgebracht wird. Die Dämmstoffe werden hierauf lose<br />

aufgelegt, mit einer Schutzschicht abgedeckt und sodann mit Kies oder<br />

Gehwegplatten beschwert, damit die leichte Dämmschicht nicht vom Wind<br />

weggeblasen wird. Der Witz dieser Bauweise besteht darin, dass hierfür<br />

Dämmstoffe verwendet werden, die Wasser nicht oder nur vermindert<br />

aufnehmen können. Der Vorteil besteht einmal konstruktiv darin, dass die<br />

Dichtungsschicht durch die Dämmung völlig geschützt auf einer massiven<br />

Unterlage liegt, damit größeren Temperaturschwankungen nicht unterworfen ist<br />

und vor allem dem UV-Licht aus der Sonneneinstrahlung entzogen ist. Dies<br />

kommt der Haltbarkeit der Dichtungsschicht zu gute.<br />

Die Konstruktion muss auch nicht dampfdicht sein, da der durch die<br />

Dichtungsschicht wandernde Wasserdampf völlig harmlos ist. Vollkommen<br />

unschädlich ist auch, dass zeitweise zwischen Dämmschicht und Dichtung<br />

Wasser steht.<br />

Ich selbst bevorzuge diese Konstruktion gegenüber dem Warmdach<br />

entschieden, zumal sie auch preiswerter als eine Warmdachkonstruktion ist.<br />

Warum dennoch immer noch Warmdächer gebaut werden, ist mir nicht ganz<br />

erklärbar.<br />

Flachdächer mit Kaltdachraum<br />

Hier handelt es sich um „unechte“ Flachdächer, die nur so aussehen „als ob“.<br />

Bei ihnen sind die Funktionen strikt getrennt. Auf der Dachdecke liegt lediglich<br />

die Dämmschicht, deren Ergänzung ich mit einer reflektierenden Schicht unter<br />

der Dämmschicht empfehle. Dann kommt ein voluminöser, manchmal sogar<br />

bekriechbarer Dachraum. Dieser Dachraum muss wirksam be- und entlüftet<br />

sein, und über dem Ganzen befindet sich dann nur noch die Konstruktion mit<br />

der Dichtungsebene. Bauphysikalisch sind sie narrensicher, wenn die Lüftung<br />

des Dachraums richtig ausgeführt ist. Schlaue <strong>Architekt</strong>en nutzen den<br />

Kaltdachraum zur Verlegung von Installationen aller Art, die aber so rechtzeitig<br />

geplant und ausgeführt werden müssen, dass der sonstige Bauablauf nicht<br />

behindert wird.<br />

97


Attiken bei Flachdächern<br />

Das sind hochgehende Mauerstücke oder Betonüberzüge am Flachdachrand, die<br />

deswegen geplant werden, weil es gut aussieht, wenn die Vorderkanten des<br />

Flachdachs abgedeckt sind. Sie verhelfen auch zu konstruktiv leicht<br />

herstellbaren Rändern des Flachdachs. Allerdings sind sie auch Problembauteile,<br />

da sie energetisch wie Kühlrippen wirken. Da hilft auch nicht eine noch so dicke<br />

und allseitige Dämmung. Bei Neukonstruktionen sollte man daher die Attika<br />

energetisch von der darunter liegenden Decke mit einem Dämmstoff trennen.<br />

Hierfür stellt die Schaumglasindustrie druckbelastbare Materialien bereit, die<br />

nicht billig aber wirksam sind.<br />

Durchgänge bei Flachdächern<br />

Rat an meine Kollegen: Machen Sie einen eigenen Werk- und Detailplan nur für<br />

das Dach. Sie werden – wie ich – immer wieder überrascht sein, wie viele<br />

Durchgänge von allen möglichen Bauteilen, die durchwegs auch Wärmebrücken<br />

sind, sorgfältig konstruiert werden müssen. Die Konstruktion dieser Details<br />

verleidet einem regelrecht die Freude am Flachdach. Denken Sie im Interesse<br />

Ihres Bauherrn auch an folgendes:<br />

Flachdächer sind hervorragende und vollständig erschlossene Baugrundstücke.<br />

Planen Sie die Aufstockung über dem Flachdach gleich mit ein. Denken Sie<br />

daran, dass Dachterrassen, die dann meistens gewünscht werden, für eine<br />

Verkehrslast von 3,5 kN/m² ausgelegt werden müssen. Sagen Sie das dem<br />

Statiker. Das alles kostet nicht viel. Auch wenn Sie die Aufstockung des<br />

Flachdachs selbst nicht mehr erleben sollten, sollten Sie sich des späten Danks<br />

der Enkel Ihres Bauherrn versichern. Ein kleines Dankgebet ist auch etwas<br />

Schönes, weil es die Aufenthaltsdauer im Fegefeuer verkürzt.<br />

Hierzu auch ein wichtiger baurechtlicher Hinweis. Wenn Sie eine<br />

Flachdachsanierung vernünftiger Weise durch die Errichtung eines geneigten<br />

Daches durchführen wollen, kann es Ihnen passieren, dass der brave<br />

Baubeamte Ihnen einen Bebauungsplan vorlegt, wonach nur Flachdächer<br />

zulässig seien. Bleiben Sie dennoch freundlich und ganz ruhig. Das<br />

Bundesverwaltungsgericht hat nämlich unter dem Az: 4 C 14.98 am 11.05.2000<br />

ein für allemal entschieden, dass derartige Festsetzungen in Bebauungsplanen<br />

rechtswidrig und nichtig sind. Im § 9(1) BauGB fehlt nämlich im Katalog der<br />

festsetzbaren Gebäudeeigenschaften eine Aussage zu Dachneigungen. Auch bei<br />

Planungen, die nach § 34 BauGB zu beurteilen sind, also in Bereichen ohne<br />

Bebauungsplan, gilt das Gleiche. Das Bundesverwaltungsgericht hat nämlich<br />

den Grundsatz aufgestellt, dass eine Gemeinde durch das Unterlassen eines<br />

Bebauungsplanverfahrens nicht besser gestellt sein darf als sie es wäre, hätte<br />

sie einen Bebauungsplan aufgestellt. Sollte der Baubeamte noch Widerstand<br />

zeigen, kündigen Sie eine Normenkontrollklage an, bei der die Nichtigkeit des<br />

gesamten Bebauungsplans festgestellt werden soll. Das hilft immer.<br />

98


Strömungen in und an Gebäuden<br />

Zunächst sollten wir uns mit dem Gesetz des Bernoulli 150 vertraut machen. Es<br />

ist ganz einfach. Es besagt nämlich, dass die Summe aus statischem und<br />

dynamischem Druck in strömenden Medien stets gleich ist. Nun müssen wir nur<br />

noch wissen, was diese beiden Arten des Drucks bedeuten. Auch das ist nicht<br />

schwer. Nehmen wir ein praktisches Beispiel, den Gartenschlauch. Ist er<br />

zugedreht, fließt nichts. Allerdings steht er unter Druck. Das ist der statische<br />

Druck. Da wir uns hier hauptsächlich mit strömender Luft befassen, ist da der<br />

statische Druck gleichbedeutend mit dem Luftdruck wie ihn uns die<br />

Wetterämter mitteilen oder den uns das Barometer anzeigt. Steht die Luft, hat<br />

sie nur statischen Druck, den Luftdruck eben. Drehen wir nun den<br />

Gartenschlauch auf und halten die Hand gegen den Wasserstrahl. Spüren wir<br />

eine Druckkraft. Das ist der dynamische Druck.<br />

Leiten wir nun – z.B. mittels eines Ventilators – Luft durch ein Rohr, gerät sie in<br />

Bewegung und hat nun auch Bewegungsenergie (kinetische Energie). Halten<br />

wir am Rohrende unsere Hand vor die Öffnung, spüren wir den Druck, den die<br />

bewegte Luft ausübt. Das ist auch hier der dynamische Druck.<br />

Nach dem Gesetz des Bernoulli ist die Summe beider Druckarten stets gleich.<br />

Also muss – wenn die Luft bewegt wird und damit dynamischen Druck erhält,<br />

gleichzeitig der statische Druck abnehmen, der Luftdruck im Rohr wird also<br />

geringer – exakt um das Maß des dynamischen Drucks. Das ist es also im<br />

Grossen und Ganzen. Das widerstrebt allerdings unserem physikalischen Gefühl,<br />

da man eigentlich annehmen müsste, dass sich der Druck im Rohr erhöhen<br />

müsste. Was allerdings – betrachten wir als Ausgangsdruck den<br />

atmosphärischen Luftdruck – nur insoweit stimmt, als der Pumpendruck<br />

natürlich hinzu addiert werden muss. Haben wir es aber mit Vorgängen zu tun,<br />

bei denen keine Zusatzenergien von außen eingetragen werden, vermindert<br />

sich der statische Druck stets um das Maß des dynamischen Drucks, der bei<br />

strömenden Medien gegeben ist. Damit haben wir die Möglichkeit, durch<br />

entsprechende Techniken den statischen Druck zu senken, nicht aber zu<br />

erhöhen.<br />

Nun ein paar Beispiele, die Sie aus dem Alltag kennen und möglicherweise bis<br />

heute nicht weiter darüber nachgedacht haben:<br />

Aus dem Physikunterricht vergangener Tage erinnern Sie sich noch an die<br />

Wasserstrahlpumpe. Das war eigentlich nichts anderes als ein Glasrohr mit<br />

einem seitlichen Abzweig. Wurde auf den Abzweig ein Gummischlauch<br />

aufgesteckt und sodann der Wasserhahn aufgedreht, wurde über den<br />

Gummischlauch Luft angesaugt. Damit konnte man in Glasgefässen die Luft<br />

absaugen. Der hohe dynamische Druck hat hierbei den statischen Druck im<br />

Glasrohr verkleinert, es bestand somit Unterdruck, zu dem die Luft aus dem<br />

Glasgefäss geströmt ist, da Luft stets vom hohen zum niedrigen Druck strömt.<br />

150 Daniel Bernoulli, 1700 – 1782, schweizerischer Mathematiker und Physiker<br />

99


100<br />

Als Autofahrer ist Ihnen schon aufgefallen, dass dann, wenn Sie einen LKW<br />

überholen, Ihr Fahrzeug magisch zum LKW hingezogen wird, Sie also<br />

gegensteuern müssen. Haben Sie den LKW schließlich überholt, treibt es Ihr<br />

Fahrzeug wieder stoßartig nach links weg. Auch hier wirkt Bernoulli. Zwischen<br />

den beiden Fahrzeugen befindet sich nämlich eine strömende Luftmasse, die<br />

den statischen Druck senkt. Auf der linken Seite haben Sie allerdings den<br />

normalen Luftdruck. Damit haben wir eine von links wirkende Kraft, der rechts<br />

eine erheblich kleinere Kraft gegenübersteht.<br />

Bleiben wir beim Auto in Verbindung mit Zigarettenrauchen. Der<br />

Zigarettenrauch strömt dann, wenn Sie das Seitenfenster nur einen kleinen<br />

Spalt weit öffnen, zum Spalt hin. Bernoulli sagt, dass die vorbeiströmende<br />

Fahrtluft im Spalt zu einem Unterdruck führt.<br />

Segler nützen das Gesetz des Bernoulli dadurch, dass an gekrümmten Segeln<br />

der Wind an der bauchigen Seite einen längeren Weg zurücklegen muss und<br />

daher schneller wird. Somit entsteht auf der Bauchseite ein Unterdruck. Das<br />

Segel zieht etwa rechtwinklig zur gedachten Segelsehne. Da die dahinter<br />

stehende Kraft eine Vorwärtskomponente hat, nimmt das Boot Fahrt in<br />

Kielrichtung auf 151 . Wegen der Querkomponente legt sich das Boot zu Seite, es<br />

krängt. Nach dem gleichen Prinzip funktionieren auch die Tragflächen eines<br />

Flugzeugs oder der Vögel 152 .<br />

Für Gebäude ist die „Düsenwirkung“ von Bedeutung. Sie besteht darin, dass in<br />

engen Spalten, durch die Luft hindurchgeht, sich diese enorm beschleunigt und<br />

in der beschleunigten Zone der statische Druck fällt. Dorthin strömt Luft, die<br />

unter normalem Druck steht.<br />

Zum Schluss noch ein kleines Experiment: Nehmen Sie zwei aufeinander<br />

liegende Papierblätter und blasen Sie von der Seite. Erwarten würde man, dass<br />

die beiden Blätter auseinander getrieben werden. Das Gegenteil tritt aber ein.<br />

Die Blätter saugen sich regelrecht zusammen. Auch hier ist zwischen den<br />

Blättern der statische Druck abgefallen, sodass sie vom umgebenden Luftdruck<br />

zusammengedrückt werden. Nun aber zu strömungsbedingten Erscheinungen<br />

an Gebäuden.<br />

Geneigte Dächer<br />

Vor allem flachgeneigte Dächer ähneln in Firstnähe einer Tragfläche. Bei<br />

heftigem Wind entsteht auf der Dachoberfläche Unterdruck, der ausreicht, dass<br />

lose aufgelegte Pfannen regelrecht abgesaugt werden. Da der Unterdruck an<br />

der Leeseite 153 besonders groß ist, werden Dächer meistens dort abgedeckt.<br />

151 Damit wird auch erklärbar, weshalb ein Segelboot schneller als der Wind sein kann. Eissegler können<br />

schneller als 100 km/h werden und das bei mäßiger Brise.<br />

152 Das hat der Luftfahrtpionier Otto Lilienthal erforscht und persönlich ausprobiert, was er letztlich mit<br />

dem Leben bezahlen musste.<br />

153 Windabgewandte Seite


101<br />

Sparen Sie also nicht an Sturmklammern. Bei steilen Dächern kommt es hinterm<br />

First zu kräftigen Wirbeln, die ebenfalls zu Unterdruck führen und Dachpfannen<br />

abtragen können.<br />

An Blechdächern mit geringem Reibungswiderstand können sich so große<br />

Unterdrücke aufbauen, dass es die Blecheindeckung samt Unterkonstruktion<br />

abreißt, die sodann hunderte von Metern durch die Gegend segelt.<br />

Gefährdet sind auch geklebte Flachdächer, wenn die Dachhaut nicht ordentlich<br />

mit dem Untergrund verklebt ist oder nicht beschwert ist. Ihr Statiker weiß das<br />

und berücksichtigt bei seinen Lastannahmen auch Windsog. Die<br />

vorgeschriebenen Lastannahmen scheinen mir jedoch zu gering zu sein, da die<br />

Tabellen nur kräftige Winde berücksichtigen, nicht jedoch die Böenstösse, bei<br />

denen die Windstärke 12 weit übertroffen werden kann. Wer schon jemals<br />

selbst eine statische Berechnung für Dachkonstruktionen aufgestellt hat, weiß,<br />

dass die Windkräfte die mit Abstand größten auf die Konstruktion einwirkenden<br />

Kräfte sind. Die Amerikaner scheinen sich einen Dreck um diese Problematik zu<br />

scheren, obwohl sie regelmäßig unter Tornados zu leiden haben. Daher werden<br />

die amerikanischen Billigpfuschhäuser von Tornados einfach aufgesaugt und<br />

ganze Siedlungen bestehen dann nur noch aus Trümmerhaufen, denen man die<br />

mistige Bauweise ansieht.<br />

Gebäudeecken<br />

Pfeift der Wind um ein Gebäude, kommt es tatsächlich zu Pfeifgeräuschen. An<br />

Gebäudeecken, jedoch auch an Traufkanten gerät die Luft in Schwingungen,<br />

die hörbar sind. Die Vorderkanten von Fensterlaibungen sind ebenfalls derartige<br />

Ecken. Das Gebäude wird also zu einer Art Musikinstrument für eine bedrohlich<br />

wirkende Darbietung. Bauphysikalisch von Bedeutung ist, dass sich der Wind an<br />

Gebäudeecken enorm beschleunigt. Damit wird in diesen Zonen der konvektive<br />

Energieabtrag außerordentlich verstärkt. Gebäudeecken werden somit auch<br />

deshalb zur Kühlrippe. Sicherlich ist das einer der Gründe, weshalb sich in<br />

diesen Bereichen verstärkt auch auf den Innenflächen Kondensat bildet – mit<br />

Schimmel im Gefolge. Was ist hiergegen zu tun?<br />

Soweit der Kühlrippeneffekt strömungsbedingt ist, müsste man also die<br />

Gebäudeecken so ausbilden, dass die Strömungsgeschwindigkeit vermindert<br />

wird. Dies lässt sich durch eine Rundung der Ecke bewerkstelligen. Hierdurch<br />

wird auch das Flächenverhältnis von Gebäudeoberfläche zu Innenecke<br />

verbessert 154 .<br />

Denkbar wären aber auch Eckausbildungen, bei denen unmittelbar Einfluss auf<br />

den Strömungsverlauf durch bestimmte Formgebungen genommen wird. Der<br />

Erfinderfreude sind hier keine Grenzen gesetzt.<br />

154 Man spricht hier von der „geometrischen Wärmebrücke“


Strömungen in Fensterfälzen<br />

102<br />

Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass luftdichte Fensterkonstruktionen, wie<br />

sie derzeit gefordert werden, ein Verstoß gegen die Regeln der Baukunst sind.<br />

Sie verhindern nämlich den erforderlichen Luftaustausch in Wohnungen, der<br />

noch vor der zur Hysterie entarteten Energiekrise mit dem Wert von 0,6-fach je<br />

Stunde gefordert war. Ein zugiges Fenster ist jedoch auch keine Freude. Wir<br />

benötigen daher Fensterkonstruktionen, die zwar luftdurchlässig sind, bei Wind<br />

jedoch zugfrei sein müssen. Betrachten wir also unter diesem Gesichtspunkt die<br />

Zone zwischen Fensterrahmen und Fensterstock: 155<br />

Bei einem einfach konstruierten Fenster haben wir mindestens zwei Anschläge<br />

und einen quer zur Fensterfläche verlaufenden Spalt von etwa 2 – 3 mm Dicke.<br />

Strömungstechnisch ist dieser Spalt wie eine Düse zu sehen, die dann zu<br />

arbeiten beginnt, wenn sich vor und hinter dem Fenster verschiedene<br />

Luftdrücke aufbauen. Diese entstehen immer bei Wind. Auf der Luvseite des<br />

Gebäudes herrscht der normale Luftdruck, vermehrt durch den dynamischen<br />

Druck der bewegten Luft, der hier recht zutreffend als Staudruck bezeichnet<br />

werden kann. An der Leeseite herrscht entsprechender Unterdruck. Das nun<br />

vorhandene Druckgefälle bildet sich beim luftdurchlässigen Haus auch innen<br />

drin aus. Im Ergebnis entstehen so in den Fälzen Strömungsgeschwindigkeiten,<br />

die bis zu 150 km/h betragen können. Außerhalb der Fälze baut sich diese<br />

Geschwindigkeit sehr rasch ab, wirkt jedoch an der Luvseite des Hauses noch<br />

so weit nach, dass ein unangenehmer Luftzug verspürt wird. An der Leeseite ist<br />

nichts zu spüren, da hier ja die Luft ausströmt.<br />

Die alten Tischlermeister hatten da ein sehr wirksames Gegenmittel. Sie frästen<br />

nämlich im Stock und im Rahmen je Falz halbkreisförmige Hohlkehlen von etwa<br />

5 mm Ø ein, die sich gegenüberstanden. Die im Falz strömende Luft verwirbelt<br />

in diesen Hohlkehlen. Die Verwirbelung entzieht der strömenden Luft soviel<br />

Bewegungsenergie, dass die Zugerscheinungen recht gut vermieden bleiben.<br />

Bei Windstille ist die normale Durchlüftung gewährleistet. Diese alte<br />

Handwerkstechnik sollte wieder belebt werden. Das Rosenheimer<br />

Fensterinstitut sollte sich dieser Sache einmal annehmen. Das sollte spätestens<br />

dann geschehen, wenn der Unfug, dass Fenster luftdicht zu sein hätten,<br />

überwunden ist. Darauf deutet einiges hin. Als neuer triumphaler Erfolg wird ja<br />

schon die Erfindung der perforierten Lippendichtung gefeiert.<br />

Türanschläge<br />

Der gute alte Türanschlag am Fußboden ist aus der Mode gekommen. Noch<br />

weniger beliebt sind Türschwellen, die nun „Stolperschwellen“ heißen. Auch der<br />

Spalt zwischen der Unterkante Tür und Oberkante Bodenbelag ist eine<br />

strömungstechnische Düse mit enormer Vergrößerung der Luftgeschwindigkeit.<br />

Besteht der Bodenbelag aus textilen Stoffen, macht sich die Düsenwirkung in<br />

155 In norddeutschen Regionen wird der Fensterstock „Blendrahmen“ genannt.


103<br />

einem hässlichen Schmutzstreifen unter der Tür bemerkbar. Staub und Dreck<br />

werden dort in den Belag regelrecht hineingeschossen. Wenn schon eine<br />

Türschwelle oder ein Anschlag nicht sein sollen, sollte man dort wenigstens<br />

genau unter dem Türblatt ein schmutzunempfindliches Material einbauen, z.B.<br />

eine Holz- oder Metallleiste, die man oberflächenbündig einsetzen kann. Damit<br />

wäre auch nebenher das Problem des Belagstosses in Türlaibungen<br />

befriedigend gelöst.<br />

Offene Feuerstellen<br />

Sie sind ein beliebtes Spielzeug, bei dem der Mensch nach Herzenslust zündeln<br />

kann. Meine Bauherren, die so etwas haben und dafür auch viel Geld ausgeben,<br />

berichten, dass der Blick ins offene Feuer beruhigend ist und entspannt. Das ist<br />

ein beachtlicher Gesichtspunkt. Der praktische Nutzen eines offenen Kamins<br />

besteht auf jeden Fall darin, dass er eine sehr gute Raumentlüftung auch ohne<br />

Feuer bewirkt. Auch kann er in Krisenzeiten nützlich sein, da man einen<br />

Schornstein im Haus hat, an den ein Kanonenofen angeschlossen werden kann.<br />

Entscheidend für die Freude am offenen Kamin ist jedoch, dass er „zieht“, also<br />

Rauchaustritt in den Raum auch in kleinen Mengen nicht vorkommt. Der<br />

Bauherr sollte sich das garantieren lassen.<br />

Ich plane offene Feuerstellen selber. Nachdem der erste von mir geplante<br />

Kamin ein vollkommenes Fiasko war, hat mich ein Regensburger Ofenbauer<br />

vom altem Schlage in die Geheimnisse seiner Kunst eingeweiht. Bei dieser<br />

Gelegenheit stieß ich auch auf das Gesetz des Bernoulli, das beim Bau eines<br />

offenen Kamins die entscheidende strömungstechnische Grundlage ist. Zuvor ist<br />

jedoch zu berücksichtigen, dass ein offenes Feuer sehr große Mengen an<br />

Rauchgasen produziert, die keine große Temperatur haben. Daher kann ein<br />

offener Kamin nur an einen ausreichend dicken Schornstein mit einer<br />

Mindestöffnung von 25 x 25 cm angeschlossen werden. Runde Querschnitte<br />

sind zu bevorzugen, da sie strömungstechnisch weniger Auftriebsenergie<br />

benötigen. Wichtig ist auch, dass – wenn irgend möglich – die Verbrennungsluft<br />

weniger dem Raum sondern überwiegend der Aussenluft entnommen wird, was<br />

ein wohlgeplantes Luftleitungssystem erforderlich macht. Lässt man die<br />

Verbrennungsluftzufuhr von außen weg, entnimmt der offene Kamin die<br />

Verbrennungsluft dem Raum selbst, was nur bei ausreichender Raumgrösse<br />

möglich ist. Energiewirtschaftlich ist das sehr ungünstig, da die für viel Geld<br />

erwärmte Raumluft zum Schornstein hinausgejagt wird.<br />

Ein kleiner aber wichtiger Tipp an meine Kollegen: Wenn sich im Haus auch<br />

noch mechanische Abluftanlagen, z.B. in Küchen Wrasenabzüge befinden,<br />

dürfen diese nicht in Betrieb sein, wenn zugleich das offene Feuer brennt.<br />

Unsere braven Bezirksschornsteinfegermeister, die über eine unumschränkte<br />

Machtfülle verfügen, sagen nämlich, dass eine mechanische Abluftanlage dazu<br />

führen könnte, dass Abgase vom offenen Feuer in den Raum gesaugt werden<br />

könnten. Ein Verbotsschild am Wrasenabzug reicht leider nicht. Ich könnte mir<br />

eine Lösung vorstellen, dass man beim offenen Feuer einen Thermostaten<br />

einbaut, der bei erhöhter Temperatur den Stromkreis abschaltet, an dem der<br />

Wrasenabzug hängt. Sachen gibt’s!


104<br />

Von entscheidender Bedeutung ist aber die Formgebung des sog.<br />

„Kaminhalses“ oberhalb der Feuerstelle. Dieser muss nämlich einen lang<br />

gezogenen, aber sehr schmalen Spalt enthalten, höchstens 6 – 8 cm eng. In<br />

diesem Spalt kommt es zu einer Düsenwirkung. Die Rauchgase beschleunigen<br />

sich dort auf große Geschwindigkeit. Nach dem Gesetz des Bernoulli über die<br />

Konstanz der Summe von statischem und dynamischen Druck kommt es in der<br />

Düse zur kräftigen Erhöhnung des dynamischen Drucks und somit zum Abfall<br />

des statischen Drucks, der so ausgeprägt sein muss, dass auch noch an der<br />

Feueröffnung Unterdruck gegenüber dem Luftdruck im Raum besteht. Das<br />

erfreuliche Ergebnis ist, dass unter diesen Bedingungen die Raumluft stets zur<br />

Feuerstelle hinströmt und niemals Rauchgase aus der Feueröffnung in den<br />

Raum wandern. Bei einem gut gebauten Kamin hat man diese Wirkung sogar<br />

dann, wenn gar kein Feuer brennt.<br />

Strömungen im Städtebau<br />

Das Gesetz des Bernoulli funktioniert in jedem Maßstab, also auch in<br />

grossräumlichen Strukturen. Daher sollte es auch bei städtebaulichen<br />

Planungen berücksichtigt werden. Enge Straßenzüge wirken wie Luftkanäle. Auf<br />

Plätzen beruhigt sich die Luftströmung. Eine sinnvolle Kombination führt zur<br />

Stadtbelüftung, sie kann Frischluft aus Grünanlagen gezielt verteilen. Bereits<br />

Vitruv 156 hat hierauf bei seinen Anleitungen zum Bau von Städten hingewiesen.<br />

Viel ist daraus aber nicht geworden. Nun sollte es als Lehrfach im Städtebau<br />

erforscht und wenigstens als Nebenfach eingeführt werden.<br />

Der Coandaeffekt<br />

Wenn Warmluft an Wänden aufsteigt, bleibt diese gewissermaßen an der Wand<br />

kleben. Dieser Effekt bleibt an Wandflächen in Abhängigkeit von deren<br />

Rauhigkeit bis zu einer Höhe von etwa 2,00 m wirksam. In diesem Bereich<br />

kommt es daher zu einer gleichmäßigen Wandtemperierung ähnlich wie bei<br />

einem Wandheizungssystem. Der Effekt ist allerdings sehr zugempfindlich. In<br />

Verbindung mit sog. „Fussleistenheizungen“ kommt der Coanda- Effekt sehr gut<br />

zur Wirkung. Auch hier gilt Bernoulli. Die aufströmende Luft bildet Miniwirbel<br />

aus, die wandseitig nach unten gerichtet sind. Zwischen Wirbel und Wand bildet<br />

sich ein Unterdruck aus, der dazu führt, dass der Warmluftschleier an der Wand<br />

haften bleibt.<br />

Kellergeschosse, energetische Betrachtungen<br />

Kellergeschosse unterscheiden sich energetisch beträchtlich von<br />

Obergeschossen. Zum einen werden sie von exogener Energie aus der Sonne<br />

nicht erreicht. Zum anderen grenzen sie unmittelbar an Erdreich an, also an<br />

einen Festkörper. Energieverlagerungen erfolgen daher ausschließlich durch<br />

Wärmeleitung. Der obere Bereich des Erdreichs unterliegt jahreszeitlichen<br />

Temperaturschwankungen. Nach alter Handwerksregel kann das Erdreich bis zu<br />

einer Tiefe von etwa 0,80 m einfrieren. In den tiefer liegenden Schichten<br />

dagegen haben wir recht stabile Temperaturverhältnisse. In eng bebauten<br />

156 Vitruvius, geb.ca. 80 v.Chr., römischer Bauingenieur und <strong>Architekt</strong>, X libri de architectura.


105<br />

städtischen Bereichen wurden Durchschnittstemperaturen von 14 °C als üblich<br />

gemessen, in offen bebauten Gebieten liegen die Temperaturen bei etwa 11 °C.<br />

In Tiefen unter 8,00 m steigt die Bodentemperatur bereits merklich an, weil<br />

sich dort bereits die Erdwärme bemerkbar macht. Sehr übel ist, dass die<br />

oberflächennahen Bodenschichten durch Wärmeabstrahlung weit unter die<br />

Umgebungslufttemperatur auskühlen können. Ich selbst habe hier bereits<br />

Temperaturen im Bereich von - 40 °C gemessen. Wir haben also im<br />

oberflächennahen Bereich völlig andere bauphysikalische Randbedingungen als<br />

in den tieferen Lagen unter 1,00 m Tiefe.<br />

Dazu eine kurze Erklärung:<br />

Die Auskühlung der oberflächennahen Bodenschichten beruht überwiegend auf<br />

Abstrahlung von Wärmeenergie. Wir wissen bereits, dass hierbei der<br />

Emissionskoeffizient ε eine entscheidende Rolle spielt. Rasenflächen haben<br />

einen kleinen Emissionskoeffizienten von etwa 0,40, Pflasterflächen, Asphalt-<br />

und Betonbeläge von etwa 0,95. Da ist also die Abstrahlung mehr als doppelt<br />

so groß wie bei Rasenflächen. Wir können also dadurch, dass wir auf befestigte<br />

Flächen zugunsten von Rasenflächen am Haus verzichten, die energetischen<br />

Randbedingungen in den oberen Bereichen des Kellermauerwerks erheblich<br />

verbessern.<br />

Betrachten wir zunächst den unbeheizten Keller. Der bleibt eben kühl. Die<br />

Erfahrung zeigt, dass im Winter unbeheizte Keller Raumlufttemperaturen<br />

zwischen 5 – 11 °C haben. Die starke Schwankung hängt davon ab, wie viel<br />

Wärmenergie durch die Kellerdecke vom Erdgeschoss aus immittiert wird.<br />

Problematisch ist die im Sockelbereich gegebene Wärmebrücke, die vor allem<br />

dann sehr groß wird, wenn durch Abstrahlung das angrenzende Bodenmaterial<br />

stark auskühlt. Da sind dann Temperaturgefälle aus dem<br />

Erdgeschossdeckenbereich zum Sockel hin von 50 K völlig normal.<br />

Tauwasserschäden im Sockelbereich gehen hierauf fast immer zurück. Dagegen<br />

hilft nur eine strikte Unterbrechung der Wärmebrücke durch dämmendes<br />

Material, das druckfest und wasserbeständig sein muss. Die<br />

Schaumglasindustrie stellt uns solche Baustoffe zur Verfügung.<br />

Im Baubestand bleibt nichts anderes übrig, als den Sockelbereich nachträglich<br />

zu dämmen. Die Dämmschicht muss natürlich beständig sein. Auch hier ist das<br />

Beste gerade gut genug – Schaumglasplatten also. Wenn´s der Geldbeutel<br />

zulässt, dämmen Sie gleich bis auf eine Tiefe von etwa 1,00 m, weil Sie dann<br />

auch gleich die Wärmebrücke im oberen Bereich des Kellermauerwerks beseitigt<br />

haben. Sollten Sie den Keller nachträglich beheizen wollen, haben Sie dann<br />

schon dämmtechnisch das Nötige getan.<br />

Im beheizten Keller verlangt die EnEV eine üppige Dämmung des<br />

Kellerfussbodens und ebenso natürlich der Kellerumfassungen. Die sind<br />

allerdings zumindest im gleichmäßig beheizten Keller überflüssig. Nach Norm<br />

gilt die Aussenoberfläche eines Kellermauerwerks als Systemgrenze. Dies ist<br />

allerdings reine Willkür. Durch einfachen Willensakt ist es uns erlaubt, die


106<br />

Systemgrenze auch außerhalb der Wandoberfläche festzulegen. Das tun wir<br />

jetzt. Wir legen die Systemgrenze von nun an völlig willkürlich 1,00 m vor der<br />

Kelleraussenwand fest und ebenso unter der Unterkante des Kellerfussbodens.<br />

Nun können wir getrost eine Berechnung des Dämmwerts unserer<br />

Gesamtkonstruktion unter Einschluss eines Erdkörpers von großer Dicke<br />

veranstalten. Uns siehe da, wir haben einen wunderbar kleinen U-Wert<br />

ermittelt. Sie wenden sofort ein, dass das ja bedeutet, dass man nun auch den<br />

Erdkörper aufheizen muss. 157 „Richtig“ lautet da meine Antwort. „Aber das<br />

kostet doch Geld“, sagen Sie. Wiederum richtig. Das können wir aber<br />

ausrechnen. Vor einiger Zeit habe ich das einmal getan. Hierbei bin ich von<br />

einer Ausgangstemperatur des Erdkörpers von 10 °C und einem<br />

Temperaturgefälle von 30 K ausgegangen. Berücksichtigt habe ich weiterhin die<br />

Wärmekapazität von halbtrockenem Erdreich, die ich einer Tabelle entnommen<br />

habe. Das Ergebnis war auch für mich überraschend. Bei den derzeit recht<br />

hohen Preisen für Heizöl kam ich auf einen Betrag von nur € 1,--/qm<br />

Konstruktionshüllfläche. Dieser Betrag liegt weit unter den Kosten einer<br />

Dämmschicht vor Kellermauerwerk oder unter einem Kellerfussboden. Die<br />

Kosten der Aufheizung sind übrigens nur ein einziges Mal aufzubringen, da bei<br />

der Masse des Erdkörpers die sich in kleinem Rahmen abspielenden<br />

Abkühlungsprozesse 158 kaum nennenswert sind, zumal im Sommer eine<br />

ständige Nachheizung des Erdkörpers aus dem Kellergeschoss auch bei<br />

abgestellter Heizung erfolgt. Wenn Sie genügend gesetzesuntreu, zum<br />

Ausgleich hierfür aber vernünftiger als der Gesetzgeber sein wollen, lassen Sie<br />

zukünftig aufwändige Dämmungen im tiefer gelegenen Bereich des<br />

Kellergeschosses weg. Sie sind offenkundig nutzlos und führen zur<br />

Geldverschleuderung.<br />

Heiztechnik<br />

Wir kommen nun zu einem ganz wichtigen Abschnitt dieser bauphysikalischen<br />

Betrachtungen. Zum einen kostet die Gebäudeheizung sehr viel Geld und wird<br />

in Zukunft noch teurer werden. Die Energiepreise sind in einem stetigen<br />

Wachstum begriffen. Heizkosten sind daher ein erheblicher Teil der<br />

Lebenshaltungskosten. Zum anderen ist die Heiztechnik von großer<br />

gesundheitlicher Wirkung. Hierbei müssen wir uns verdeutlichen, dass unsere<br />

Gebäude an acht von zwölf Monaten beheizt werden. Das sind zwei Drittel des<br />

Jahresverlaufes, in denen wir uns ein künstliches Raumklima herstellen, das uns<br />

in dieser Zeit umgibt.<br />

Gemessen daran ist das, was sich die Baukunst hierzu bisher hat einfallen<br />

lassen, kümmerlich und kaum unterbietbar schlecht gelungen. Auch hier wird<br />

wieder einmal sichtbar, dass eine unvernünftige Normung richtigen<br />

Entwicklungen entgegenwirkt. Was fordert denn die Norm zum Nachweis einer<br />

157 Die Aufheizung des Erdkörpers findet auch bei außen gedämmten Konstruktionen statt. Nur dauert es<br />

etwas länger.<br />

158 Steht das Gebäude im Grundwasser, können Sie das eben Gelesene gleich wieder vergessen.<br />

Grundwasser führt die ins Erdreich eingeleitete Energie nahezu verzögerungsfrei ab. Dort müssen Sie<br />

also dämmen und dichten.


107<br />

richtig gebauten Heizanlage? Sie verlangt, dass eine Messung der<br />

Raumlufttemperatur in Raummitte und in etwa 150 cm Höhe einen Wert von 18<br />

– 21 °C zeigen muss. Ist das erreicht, hat der Heizungsbauer den<br />

unwiderlegbaren Beweis dafür geleistet, dass er eine ordentliche Heizanlage<br />

abgeliefert hat. Ebenso kann sich der Fachingenieur für Heizungsanlagenbau<br />

einer tadellosen Ingenieurleistung berühmen.<br />

Wie bereits eingangs dieser Schrift gefordert, muss sich der Bau einer<br />

Behausung an den Bedürfnissen des Menschen orientieren und nicht an einem<br />

Thermometer. Also gilt es jetzt, die Bedürfnisse des Menschen an ein richtiges<br />

Raumklima herauszufinden. Hierbei ist die Raumlufttemperatur ein wenig<br />

bedeutender Teil des Raumklimas. Das Raumklima hat folgende Bestandteile:<br />

Lufttemperatur,<br />

relative Luftfeuchte,<br />

Strahlungsklima.<br />

Bemerkenswert bei diesen Parametern eines ordentlichen Raumklimas ist, wie<br />

noch näher erläutert werden wird, dass Lufttemperatur und Luftfeuchte sich<br />

ohne weiteres Zutun auf die Bestwerte von selbst einstellen, wenn durch ein<br />

richtiges Heizsystem das bestmögliche Strahlungsklima erreicht worden ist.<br />

Empirisch bin ich zu der Auffassung gekommen, dass folgende Werte<br />

Kennzeichen eines guten Raumklimas sind:<br />

Lufttemperatur 20 °C<br />

Wandoberflächentemperatur 21 °C (Strahlungsklima)<br />

Relative Luftfeuchte 40 – 45 %<br />

Konvektive Heiztechniken erreichen zwar mühelos die richtige<br />

Raumlufttemperatur, allerdings verfehlen sie die richtige relative Luftfeuchte<br />

ebenso wie das Strahlungsklima. Hinzu kommt, dass untaugliche Heiztechniken,<br />

allen voran konvektive Heizsysteme – auch noch mit sehr hohen Betriebskosten<br />

verbunden sind. Machen wir also – auch mit den nachfolgenden Erläuterungen<br />

– den konvektiven Heiztechniken den Garaus 159 :<br />

Beschreibung und Wirkung konvektiver Heiztechniken<br />

Konvektionsheizungen erkennt man an den Heizkörpern, die sich vorwiegend<br />

unter Fenstern befinden. Die Heizkörperformen sind vielfältig. Da gibt es den<br />

Standardheizkörper, der aus einzelnen Rippen zusammengeschraubt wird 160 ,<br />

sodann kastenförmige Heizkörper mit glatter Blechoberfläche mit innen<br />

befindlichen Lamellen und auch einfache Heizplatten, die bei geringer<br />

159 Eine sehr detaillierte Darstellung über dieses Thema enthält die Schrift des Verfassers „Die Temperierung“,<br />

die über den Verfasser als Manuskript bezogen werden kann Sie befindet sich neuerdings<br />

auch auf der Homepage www.<strong>termosfassade</strong>.<strong>info</strong> .<br />

160 Strömungstechnisch sind sie so geformt, dass Luft sehr schnell zwischen den Heizkörperrippen nach<br />

oben geleitet wird.


108<br />

Heizleistung verwendet werden. Daneben gibt es Sonderformen aus<br />

Rohrregistern, Konvektoren mit eng aneinander gelöteten Lamellen, die<br />

meistens als Unterflurheizkörper eingesetzt werden und vieles anderes mehr.<br />

Designer versuchen erfolglos, derartige Heizkörper zu Kunstwerken<br />

umzuformen. Dennoch ist ein Heizkörper, gleichgültig wo er auch hängt oder<br />

steht, architektonisch immer störend. Reinigungstechnisch sind alle Heizkörper<br />

ein Unding. Die Rückseiten bleiben der tüchtig waltenden Haufrau für immer<br />

verborgen. Dort sammelt sich Staub und Dreck an, der bei hohen<br />

Betriebstemperaturen vor sich hinkokelt und ansonsten im Raum<br />

herumgewirbelt wird. Letztlich vernichten Heizkörper Stellflächen für Möbel.<br />

Die Aufgabe der Heizkörper besteht darin, Luft, die durch sie hindurchströmt,<br />

zu erwärmen. Da die Strömungstechniker und nun auch Sie wissen, dass<br />

konvektiver Energieübergang im Wesentlichen von der<br />

Strömungsgeschwindigkeit abhängt, sind Heizkörper strömungstechnisch so<br />

geformt, dass die Luft innerhalb des Heizkörpers möglichst schnell strömt. Ein<br />

geringerer Teil der Wärmeabgabe erfolgt durch Abstrahlung, je nach<br />

Heizkörperform etwa 20% der Gesamtleistung.<br />

Die Energieabgabe von Heizkörpern wird recht zuverlässig durch<br />

Thermostatventile geregelt, die auf die Raumlufttemperatur reagieren. Die<br />

Basisregelung erfolgt ebenfalls in nicht mehr verbesserungsfähiger Weise durch<br />

die Regelung am Wärmebereiter, die sowohl Einflüsse aus einem im Freien<br />

angebrachten Thermostaten wie auch aus der Messung von Vor- und<br />

Rücklauftemperatur im Heizverteilungssystem verarbeitet. Die Regelung<br />

derartiger Anlagen kann nennenswert nicht mehr verbessert werden, seitdem<br />

moderne Computertechnik bei der Regelung von Heizanlagen Einzug gehalten<br />

hat.<br />

Allerdings endet die Regelung der Heizanlage just dann, wenn sie besonders<br />

notwendig wäre, nämlich dann, wenn die erhitzte Luft den Heizkörper verlassen<br />

hat. Sie bewegt sich unkontrolliert und nach dem Zufallsprinzip und der<br />

Überlegung, dass warme Luft aufsteigt, kalte Luft jedoch absinkt, im Raum<br />

umher. Im Normalfall entsteht hierbei eine Warmluftwalze. Von einer<br />

gleichmäßigen Raumerwärmung ist keine Rede. Besonders in hohen Räumen<br />

stellt sich ein großes Temperaturgefälle von oben nach unten ein.<br />

Deckenuntersichten können so warm werden, dass sie wie eine<br />

Deckenstrahlheizung wirken, von der man weiß, dass sie physiologisch höchst<br />

unbekömmlich ist. Dafür empfinden – vorwiegend die Damen –, dass es am<br />

Fußboden zu kühl sei.<br />

Die erwärmte Luft erwärmt den Menschen natürlich nicht. Das könnte sie erst<br />

dann, wenn sie wärmer als der menschliche Körper wäre. Die erwärmte Luft hat<br />

dennoch eine wichtige Funktion. Sie muss nämlich die Temperatur der<br />

Umgebungsflächen auf den erforderlichen Wert von 21 °C anheben, damit es<br />

zum erforderlichen Strahlungsklima kommt. Geschieht dies nicht, fühlt sich der<br />

Mensch unbehaglich. Da stehen wir nun vor einem Dilemma. Eine Außenwand<br />

kann nur dann die nötige Oberflächentemperatur entwickeln, wenn die


109<br />

vorbeistreichende Warmluft wenigstens 3 – 5 K wärmer ist. Damit befindet sich<br />

jedoch die Lufttemperatur bereits im Unbehaglichkeitsbereich. Belässt man es<br />

bei einer Raumlufttemperatur von 20 – 21 °C, erwärmen sich die Innenflächen<br />

der Außenwände auf höchstens 14 – 17 °C. Dies reicht aber für ein richtiges<br />

Strahlungsklima nicht aus. Bei Konvektionsheizungen ist somit die richtige<br />

Kombination von Wandoberflächentemperatur und Lufttemperatur nicht<br />

möglich. Sie sind daher unbefriedigend und angesichts besserer Techniken, die<br />

noch erklärt werden, Fehlkonstruktionen, die vom Markt verschwinden sollten.<br />

Verschlechtert wird das dadurch, dass durch Kondensationsprozesse an den<br />

kühleren Außenwänden der überhitzten Raumluft Wasser entzogen wird und<br />

daher die relative Luftfeuchtigkeit auf Werte von etwa 20% absinkt. Eine derart<br />

niedrige Luftfeuchte ist gesundheitsschädlich, führt sie doch zur Austrocknung<br />

der Schleimhäute im Nasen – Rachenraum, die damit ihre keimabfangende<br />

Wirkung verlieren. Der sattsam bekannte Anstieg von Erkältungskrankheiten mit<br />

Eintritt der Heizperiode und mit dem damit verbundenen radikalen Wandel des<br />

Umgebungsklimas ist eine Folge der Konvektionsheizungstechnik. Auch die<br />

Körperhaut trocknet aus. Damit wird die Alterung der Haut beschleunigt, ein bei<br />

der Damenwelt höchst unerwünschter Nebenerfolg. Der mit dieser Heiztechnik<br />

verbundene Staubumtrieb verschlechtert die Situation zusätzlich.<br />

Konvektionsheizungen sind zwar immer noch Standard. Fordert man jedoch von<br />

einer Heizung, dass sie auch physiologisch unbedenklich sein müsse und<br />

stattdessen zum Behaglichkeitsgefühl des Menschen beizutragen habe,<br />

entpuppt sich die traditionelle Konvektionstechnik als Fehlkonstruktion.<br />

Auch unter dem Blickpunkt der Beheizungskosten schneidet die<br />

Konvektionsheizung schlecht ab:<br />

Wir wissen, dass der Energieübergang von Luft in feste Körper davon abhängt,<br />

dass die Luft am Festkörper entlangströmt. Steht die Luft oder bewegt sie sich<br />

nur wenig, wird der Energieübergang vernachlässigbar gering, ein Grund dafür,<br />

dass stehende Luft nach Norm sogar als Dämmstoff angesehen wird. Die<br />

Heizkörper stehen fast immer vor Fensterflächen. Damit soll vermieden werden,<br />

dass die Raumluft an den Glasflächen abkühlt und sodann nach unten strömt<br />

und von dort aus sehr unangenehm am Boden entlang kriecht. Die erhitzte Luft<br />

strömt nun mit hoher Geschwindigkeit an den Glasflächen nach oben. Eine<br />

Strömungsgeschwindigkeit von 6 – 10 m/s ist hierbei normal, der<br />

Energieübergang folglich groß. Ein erheblicher Teil der in die Heizluft<br />

eingetragenen Energie geht daher am Fenster gleich wieder verloren. Die Luft<br />

strömt nun zur Raumdecke hoch und führt dort zur kräftigen Erwärmung. In<br />

meiner eigenen Altbauwohnung mit einer Raumhöhe von 3,35 m messe ich<br />

Lufttemperaturen von bis zu 35 °C unter der Decke, in Fußbodenhöhe jedoch<br />

nur 18 °C. Damit liefere ich meinem mir befreundeten Nachbarn Kaminski über<br />

mir eine für ihn kostenlose Fußbodenheizung, der Bewohner unter mir leistet<br />

mir den gleichen Dienst. Arm dran sind somit nur die Bewohner des<br />

Erdgeschosses und des Dachraums. Wegen des hohen Temperaturgefälles in<br />

den oberen Raumpartien zur Aussenluft sind dort die Energieverluste natürlich<br />

auch erheblich größer als in der Norm vorgesehen. Dort sind auch die


110<br />

Kondensationserscheinungen am ausgeprägtesten, sichtbar an der Vergrauung<br />

im Deckenbereich. Nur am Deckenixel 161 zeichnet sich ein blütenweisser<br />

Streifen ab. Das ist der Bereich, der strömungstechnisch von der aufsteigenden<br />

Warmluft nicht erreicht wird. Ebenso ist es in den Wandixeln.<br />

Wir haben bereits gesehen, dass sich ein angenehmes Raumklima erst dann<br />

einstellt, wenn die Oberflächentemperaturen der Umschliessungsflächen<br />

irgendwo zwischen 19 °C bis 21 °C liegen, da sich erst dann ein richtiges<br />

Strahlungsklima einstellt. Es geht also darum, dass Wärmeenergie in die<br />

Umschliessungsflächen eingetragen wird. Von allen Möglichkeiten,<br />

Wärmeenergie in eine Wand einzutragen, ist der durch Konvektionsheizungen<br />

vorgegebene Weg „Heizkörper – Luft – Wand“ die schlechteste – weil<br />

unwirtschaftlichste – Technik. Damit eine Ziegelwand mit Luft erwärmt werden<br />

kann, muss für jedes Grad Temperaturerhöhung etwa das zweitausendfache<br />

Luftvolumen an die Wand herangeführt werden. Da aber nur ein kleiner<br />

Bruchteil des Raumluftvolumens mit der Wand in Berührung kommen kann –<br />

der größte Teil der Luftmassen bewegt sich ja walzenförmig vor den Wänden –<br />

müssen ungeheuere Mengen Warmluft produziert werden, bis es irgendwann zu<br />

ausreichenden Wandtemperaturen kommt. Erkennbar wird dies dann, wenn ein<br />

ausgekühlter Raum – z.B. nach der Rückkehr aus dem Winterurlaub –<br />

aufgeheizt werden soll. Das dauert viele Tage, bis endlich halbwegs<br />

ausreichende Oberflächentemperaturen erreicht werden.<br />

Die alten Römer haben dieses Problem vor mehr als zweitausend Jahren schon<br />

weit intelligenter gelöst, weil sie nämlich die Heizluft unmittelbar in Hohlräume<br />

innerhalb der Umfassungswände eingeleitet haben. Das waren die sog.<br />

„Hypokausten“. Offenbar hatten die alten Römer auch schon eine Ahnung über<br />

die Rückgewinnung von Kondensationswärme, da man nämlich bei<br />

Ausgrabungen Reste von Hypokausten gefunden hat, in denen keinerlei<br />

Rußspuren vorhanden waren. Vermutet wird, dass dort nur mit Wasserdampf<br />

gearbeitet worden ist, der bei der Kondensation Wärmeenergie freigesetzt hat,<br />

ein Wirkungsprinzip, welches nun bei der sog. „Brennwerttechnik“ eingeführt<br />

worden ist 162 .<br />

Wir sehen also, dass trotz einer ausgeklügelten und sehr gut arbeitenden<br />

Regeltechnik Konvektionsheizungen als Gesamtsystem eine schlechte Lösung<br />

sind. Besser sind sie nur im Vergleich zu noch schlechteren Techniken, also der<br />

Ofenheizung.<br />

Luftdichte Bauweisen und kontrollierte Lüftung<br />

Die Notwendigkeit, aus Sparsamkeitsgründen die Warmluft im Raum zu halten,<br />

da sie ja zur Wanderwärmung benötigt wird, hat angesichts der Verteuerung<br />

der Energiepreise den Zwang zum Bau luftdichter Gebäude herbeigeführt. Diese<br />

161 Unter einem Ixel versteht man die einspringende Ecke am Übergang von Wand zur Decke und ähnliche<br />

Geometrien in Räumen. Dieses Wort habe ich erst in Berlin kennen gelernt.<br />

162 Diese Information habe ich von meinem Kollegen Paul Bossert aus der Schweiz.


111<br />

Forderung steht aber in einem unüberbrückbaren Gegensatz zur notwendigen<br />

Frischluftversorgung. Wie hat man sich nun beim Normenausschuss, beim<br />

Verordnungsgeber und in der Gebäudetechnik diesem Problem gestellt?<br />

Zunächst hat man verbreitet, dass die alte Regel, dass für ein gesundes<br />

Raumklima ein stündlich 0,6-facher Luftwechsel erforderlich sei, so nicht mehr<br />

stimme. Ein 0,3-facher Luftwechsel würde völlig genügen. Da aber<br />

geschäftstüchtige Menschen das Wahnbild des „Nullenergiehauses“<br />

propagieren, steht auch ein dreifacher Luftwechsel dem entgegen. Nun wäre es<br />

zwar möglich, durch genetische Manipulationen den Menschen in ein anaerobes<br />

Lebewesen 163 umzubauen. Bei den hierfür zuständigen Biologen scheinen da<br />

aber noch gewisse Bedenken zu bestehen. Daher ist man auf den Ausweg<br />

verfallen, auf die natürliche Lüftung über Fenster zu verzichten und stattdessen<br />

sollen nun Klimaanlagen eingebaut werden, die in Kondensationsstrecken die in<br />

der Raumluft enthaltene Wärmeenergie zurückgewinnen. Das Ganze nennt sich<br />

nun „kontrollierte Lüftung“. Vorsicht aber! Ein einfaches Messgerät kann künftig<br />

die der Umgebung entnommene Frischluft, die mit der rückgewonnenen<br />

Energie wieder aufgeladen wird, messen. So wird es nicht mehr lange dauern,<br />

dass alsbald auch eine Frischluftsteuer erhoben wird. Wollen wir wetten?<br />

Zur Energieeinsparung tragen derartige Anlagen nicht bei. Klimaanlagen sind an<br />

Elektromotoren gebunden, die rund um die Uhr laufen müssen, weil der Mensch<br />

ja dauernd Frischluft benötigt. Bei einer Frischluftbeimengung von nur 20%<br />

führt dies dazu, dass im Tagesverlauf das Raumluftvolumen des gesamten<br />

Hauses etwa achtzehnmal durch die Klimaanlage verfrachtet werden muss. Das<br />

ist energieaufwändig. Da aber diese Elektroenergie nicht dem<br />

Heizenergieverbrauch zugerechnet wird sondern dem sonstigen privaten<br />

Konsum, werden die tatsächlichen Energiekosten verschleiert. Würde man auch<br />

noch den schlechten Wirkungsgrad zwischen Stromerzeugung und<br />

Stromverbrauch am Haus berücksichtigen, käme man ganz schnell zu dem<br />

Ergebnis, dass das Verbot der natürlichen Fensterlüftung und der Zwang zur<br />

kontrollierten Lüftung zu einer erheblichen Primärenergieverschleuderung führt.<br />

Bei sog. „kontrollierenden Lüftungsanlagen“ verbreiten die Verkäufer auch<br />

systematisch falsche Behauptungen wie beispielsweise die, dass die<br />

Wärmerückgewinnung, die nach dem Gegenstromprinzip funktioniert, ein<br />

100%-iger Wirkungsgrad bestünde. Das Gegenstromprinzip funktioniert in der<br />

Weise, dass die aus dem Gebäude abzuführende verbrauchte – aber warme –<br />

Luft in einem wärmedurchlässigen Innenrohr geführt wird, das sich innerhalb<br />

eines Aussenrohrs befindet, über das die Frischluft eingeführt wird. Nach<br />

diesem Prinzip kann es aber im günstigsten Falle nur zu einer Energiemischung<br />

kommen, d.h., dass die Hälfte der Energie, die sich in der Abluft befindet,<br />

verschwindet im Freien, die andere Hälfte wurde zurückgewonnen. Das ist zwar<br />

besser als nichts, von einer vollständigen Wärmerückgewinnung nach diesem<br />

Prinzip können wir bis auf weiteres aber nur träumen. Schamhaft wird auch<br />

163 Anaerobe Lebewesen kommen ohne Sauerstoff aus. Das bekannteste Beispiel hierfür sind Gärungs-<br />

bakterien.


112<br />

verschwiegen, dass sich in den Lüftungsleitungen Bakterienstämme ansiedeln,<br />

die völlig neuartig sind, sodass der Mensch hiergegen noch keine<br />

Abwehrreaktionen ausbilden konnte. Derzeit wird daher an aufwändigen<br />

Entkeimungstechniken gearbeitet, die derartige Anlagen natürlich auch nicht<br />

verbilligen werden.<br />

Radon<br />

Bereits in meiner Schrift „Die Temperierung“ habe ich darauf hingewiesen, dass<br />

in schlecht gelüfteten Räumen der Radongehalt ansteigt. Radon ist ein<br />

Zerfallsprodukt des Elements Uran, das in der Erdrinde entsteht und sich<br />

normalerweise verflüchtigt. In schlecht gelüfteten Räumen sammelt es sich<br />

aber an und erreicht sehr hohe Werte. Durch meine Warnungen vor Radon<br />

habe ich mir den Ruf eines Hysterikers eingehandelt. Während ich dieses<br />

schreibe, häufen sich in den Zeitungen die Berichte über neueste Forschungen,<br />

die aussagen, dass etwa 10% der Lungenkarzinome auf die hohen<br />

Radonbelastungen in schlecht gelüfteten Räumen zurückgeführt werden. Die<br />

Idee des luftdichten Hauses muss also aufgegeben werden. Es bleibt bei der<br />

alten Regel, dass über natürliche Querlüftung ein 0,6-facher Luftwechsel<br />

sichergestellt werden muss.<br />

Die Temperierung<br />

Unter diesem Begriff 164 versteht man Wandheizungstechniken. Die Ursprünge<br />

dieser Heiztechnik gehen auf die alten Römer zurück. Sie hatten für ihre Bäder<br />

eine Heiztechnik entwickelt, bei der durch Hohlräume in Wänden und Fußböden<br />

Heizgase aus Holzfeuern durchgeleitet wurden. Das waren die sog.<br />

„Hypokausten“. Als die Römer den Bereich nördlich der Alpen besetzten,<br />

exportierte die III. Italienische Legion, die überwiegend aus hochzivilisierten<br />

Syrern bestand, diese Technik in den germanisch - alemannischen Raum.<br />

Ausgrabungen zeigen, dass diese Technik weit verbreitet war. Im ebenfalls von<br />

den Römern importierten Steinhausbau war diese Technik Standard. Die<br />

Hypokaustentechnik führte zu einer Erwärmung der Innenwandoberflächen und<br />

damit zu einem angenehmen Strahlungsklima in den Räumen.<br />

Diese Heiztechnik geriet in Vergessenheit. Unsere heutigen Zentralheizungen<br />

sind ein Kind der Industrialisierung und technologisch ein Abkömmling der von<br />

James Watt im 18.Jhdt. erfundenen Dampfmaschine. Die Bausteine der<br />

inzwischen auch veralteten Dampfheizung befanden sich durchwegs auch in<br />

Dampfmaschinen. Das war der Kessel – der heute noch so heißt, obwohl er mit<br />

einem alten Dampfkessel nichts mehr gemein hat – und Röhren, durch die der<br />

Dampf geleitet wurde. Die ersten Heizkörper waren nichts anderes als Röhren,<br />

an die man Rippen angeschweißt hatte.<br />

Das energetische Prinzip bestand mit der Entwicklung der zentralen<br />

Dampfheizung aus einem zentralen Wärmebereiter, einem<br />

Wärmeverteilungssystem aus Röhren und einem Wärmeabgabesystem aus<br />

164 Der Begriff wurde durch <strong>Dipl</strong>.-Ing.Grosseschmidt, Landesamt für Denkmalpflege in München ge-<br />

prägt.


113<br />

Heizkörpern. An den Heizkörpern wurde Luft erhitzt, die sich unkontrolliert<br />

herumbewegte. Prinzipiell hat sich seit der Mitte des 19. Jhdts. an unseren<br />

Zentralheizungsanlagen nichts mehr verändert. Erst seit etwa fünfzehn Jahren<br />

beginnt sich die Idee durchzusetzen, dass ein angenehmes und bekömmliches<br />

Raumklima temperierte Umschliessungsflächen benötigt und dass dieses sogar<br />

das Wichtigste bei der Raumbeheizung ist. Betrachtet man daher die<br />

Temperierung der Wandoberflächen als eigentliche Aufgabe einer Heiztechnik,<br />

liegt der Gedanke nahe, dass man die Wärmeenergie unmittelbar in die Wände<br />

einleitet. Technisch ist das problemlos möglich. Temperieranlagen bestehen aus<br />

Heizleitungen, die in Schleifen auf den Wänden montiert und eingeputzt<br />

werden. Damit das Ganze funktioniert, muss eine Temperieranlage sorgfältig<br />

geplant werden. Hierbei kommt es darauf an, dass in Abhängigkeit von der<br />

Wärmeleitfähigkeit des Mauerwerks der richtige Leitungsabstand gewählt wird.<br />

Weiterhin ist wichtig, die Länge der einzelnen Heizkreise zu vereinheitlichen,<br />

wobei die Anbindeleitungen der Heizkreise in die Leitungslänge einzurechnen<br />

sind. Mit Wandheizkreisen werden außerdem nur Außenwände belegt. Hierzu<br />

gehören auch Trennwände an nicht beheizten Treppenhäusern. Die Anlagen<br />

sind so zu planen und zu betreiben, dass eine möglichst gleichmäßige<br />

Oberflächentemperatur zwischen 19 – 21 °C erreicht wird. Die optimale<br />

Vorlauftemperatur liegt bei etwa 30 °C. Ist die Anlage richtig eingeregelt, liegt<br />

die Rücklauftemperatur etwa 4 K niedriger 165 .<br />

Nun aber zur Physik von Temperieranlagen. Im Bauwesen hat sich die Unsitte<br />

eingebürgert, dass immer dann, wenn etwas Neues und Ungewohntes<br />

eingeführt wird, sich ein Heer von Kritikern bemüßigt fühlt, daran<br />

herumzumäkeln und dummes Zeug zu verbreiten. Hierbei stelle ich immer<br />

wieder fest, dass diese Kritiker sich niemals ernsthaft mit der neuen Technik<br />

auseinandergesetzt haben sondern mehr ins Blaue hinein ihre oft abstrusen<br />

Kundgebungen in Umlauf setzen. Seit sich im Internet Diskussionsforen 166<br />

gebildet haben, haben diese Leute auch eine Spielwiese, auf der sie sich eifrig<br />

betätigen. Fast immer bleiben sie anonym. Manchmal denke ich, dass das Beste<br />

an diesen Foren darin besteht, dass angehende Psychiater hervorragendes<br />

Anschauungsmaterial darüber vorfinden, dass technische Sachverhalte, die man<br />

eigentlich sachlich erörtern könnte, zum Vorwand massiver persönlicher<br />

Verunglimpfung werden und dass Menschen eine Befriedigung darin suchen,<br />

mit Schaum vor dem Mund hasserfüllte Botschaften zu verbreiten. Da ich mich<br />

selbst gelegentlich in solchen Foren zu Wort melde, weiß ich, von was ich rede.<br />

Da gibt es aber noch ein anderes, bisher noch nicht sehr auffällig gewordenes<br />

Verhalten, das aber beunruhigend ist. Einige der anonymen Hasser haben mir<br />

in persönlichen Botschaften geoffenbart, dass ihre Tätigkeit in den Foren durch<br />

165 Da man mich für einen Experten für Temperieranlagen hält, wurde ich gebeten, eine fachliche Anleitung<br />

zur Planung und zum Bau auszuarbeiten. Dies soll nun auch alsbald in Zusammenarbeit mit der<br />

Kupferindustrie geschehen, die ein für Temperieranlagen sehr gut geeignetes Material herstellt. Es<br />

würde den Rahmen dieses Buches sprengen, wollte ich technische Einzelheiten zum Bau von Temperieranlagen<br />

bekannt geben. Hier sollen daher nur die physikalischen und physiologischen Wirkungen<br />

dieser Heiztechnik behandelt werden.<br />

166 z.B. www.bau.de


114<br />

diejenige Industrie honoriert würde, deren Produkte und Verfahren in Zweifel<br />

gezogen würden. Das ist natürlich ein Übelstand. Dem sollten die Betreiber<br />

derartiger Foren damit entgegenwirken, dass sie anonyme Teilnehmer nicht<br />

mehr zulassen.<br />

Nun aber zu den Einwänden gegen die Temperiermethode:<br />

Temperieranlagen seien teurer als „normale“ Heizanlagen.<br />

Temperieranlagen seien zu träge.<br />

Temperieranlagen führten zu erhöhtem Energieverbrauch wegen des<br />

höheren Temperaturgefälles in der Außenwand.<br />

Temperieranlagen seien schlecht regelbar.<br />

Temperieranlagen seien nicht genormt und nicht berechenbar.<br />

Möbel “verschatten“ die Wärmeabstrahlung<br />

Bei der Behandlung dieser Einwände werden wir nun auch die physikalischen<br />

Ereignisse bei der Temperiermethode kennen lernen.<br />

Die Kosten einer Temperieranlage<br />

Da ich seit vielen Jahren Temperieranlagen bauen lasse, die ganz normal<br />

geplant und ausgeschrieben werden, kann ich heute sagen, dass Mehrkosten<br />

gegenüber einer Konvektionsheizung nicht entstehen. Die Einrichtung des<br />

Heizraumes ist von üblichen Einrichtungen nicht nennenswert unterscheidbar.<br />

Jedoch kann der Wärmebereiter kleiner dimensioniert werden. Erheblich teurer<br />

ist die Verlegung der Wandheizungsleitungen, wo immer mehrere Hundertmeter<br />

zusammenkommen. Je Quadratmeter Außenwand ist da mit etwa 4,50 lfm zu<br />

rechnen. Die Anbindeleitungen sind hierbei enthalten. Geringfügige Mehrkosten<br />

entstehen auch bei den Verputzarbeiten über Wandheizleitungen wegen der<br />

etwa 5 mm Mehrstärke. Dagegen entfallen wiederum Kosten für eine<br />

aufwändige Regelung, da sich eine Temperieranlage nahezu von selbst regelt.<br />

Sodann entfallen alle Heizkörper, die Mehrkosten für Heizkörpernischen, die<br />

Versetzkosten für Heizkörperhalter, die Thermostatventile und die beachtlichen<br />

Kosten der Lackierung von Heizkörpern und der frei liegenden<br />

Anbindeleitungen. Weiterhin müssen im Rohbau keine Leitungsschlitze<br />

hergestellt und wieder verschlossen werden, ebenso entfallen dort die<br />

Rohrdämmungen. Berechnet man spaßeshalber einmal alle mit der Heizanlage<br />

verbundenen und auch gewerkübergreifenden Kosten, scheint sogar eher eine<br />

Kosteneinsparung einzutreten. Die Wirtschaftlichkeit wird dadurch verbessert,<br />

dass Instandsetzungsarbeiten an Heizkörpern völlig entfallen. Die Intervalle für<br />

die Instandsetzung von Wandoberflächen verdreifachen sich, da die sonst<br />

übliche Vergrauung der Wandoberflächen nicht mehr stattfindet. Letztlich liegen<br />

die Betriebskosten einer Temperieranlage etwa 30 – 40% unter denen einer<br />

Konvektionsheizung.<br />

Die Trägheit von Temperieranlagen<br />

Temperieranlagen – insbesondere an massiven Mauerwerksbauten – sind in der<br />

Tat träge, prüft man dies anhand der Raumlufttemperaturen nach. Da es aber<br />

auf die Raumlufttemperatur nicht ankommt sondern auf die


115<br />

Oberflächentemperaturen der Wände, stellt sich eine Temperieranlage sogar als<br />

„flink“ heraus, da nach etwa sechs Stunden Anheizzeit sich die richtige<br />

Temperatur bereits einstellt. Bei Konvektionsheizungen dauert das mehrere<br />

Tage. Richtig ist allerdings, dass eine Temperieranlage auf wechselnde<br />

Aussenlufttemperaturen nur sehr langsam reagiert. Dies ist allerdings kein<br />

Nachteil, zumal die Reaktionszeit, die mehrere Stunden beträgt recht gut zu<br />

dem Zeitraum passt, den eine Wetteränderung benötigt. Weil das so ist, wird<br />

eine Temperieranlage auch nicht über einen Aussenfühler geregelt sondern nur<br />

über Innenraumthermostate.<br />

Das erhöhte Temperaturgefälle in der Außenwand<br />

Das Temperaturgefälle in der Außenwand von innen nach außen ist etwa 3 – 4<br />

K höher als bei einer Konvektionsheizung. Damit erhöht sich – rechnet man<br />

nach DIN 4108 – der Transmissinoswärmestrom unter der Annahme einer<br />

minimalen Aussentempertaur von – 15 °C um etwa 2 %, vorausgesetzt man<br />

rechnet richtig auf der Kelvinskala. Nach den Vorgaben der EnEV würden damit<br />

die Heizkosten im gleichen Masse steigen. Das wäre wenig. Allerdings sieht es<br />

erheblich günstiger aus. Eine Temperieranlage reduziert nämlich die<br />

Stofffeuchte in der Außenwand auf nahezu den Betrag „0“. Das<br />

Fraunhoferinstitut für Bauphysik hat erst jüngst ermittelt, dass hierdurch die<br />

Wärmeleitzahl des Mauerwerks auf ein Viertel des Tabellenwerts verkleinert<br />

wird. Damit viertelt sich nach der bereits bekannten Gleichung von Fourier auch<br />

der Transmissionswärmestrom. Rechnerisch kommt es daher zu einer<br />

drastischen Energieeinsparung trotz des etwas höheren Temperaturgefälles in<br />

der Außenwand.<br />

Weitere – auch tatsächliche – Einsparungen entstehen dadurch, dass an<br />

Fensterflächen wegen der nahezu ruhenden Raumluft der konvektive<br />

Wärmeübergang von Luft in Glas sehr gering ist – so gering, dass bei<br />

temperierten Gebäuden sogar auf die Zweischeibenisolierverglasung verzichtet<br />

werden kann. Das freut die Denkmalpfleger ungemein, weil nun wieder Fenster<br />

mit sehr dünnen Sprossen gebaut werden können. Hinzu kommt, dass die<br />

Raumlufttemperatur etwa 3 – 4 K geringer gehalten werden kann. Auch damit<br />

mindern sich das Temperaturgefälle und die damit verbundenen Heizkosten.<br />

Der unmittelbare Energieeintrag über die Wandheizkreise in der Außenwand<br />

ohne den uneffektiven Weg über erwärmte Raumluft, die sich teilweise ins Freie<br />

verflüchtigt, ohne jemals die Wandflächen erreicht zu haben, ist ein weiterer<br />

Grund für die wirtschaftliche Betriebsweise von Temperieranlagen.<br />

Regelung von Temperieranlagen<br />

Da das Ziel einer Temperieranlage darin besteht, die Wandoberflächen auf eine<br />

bestimmte Temperatur zu bringen, wäre die beste Regelungsmethode über<br />

einen Temperaturmessfühler, der in die Wand eingebaut ist. Leider ist<br />

derartiges jedoch noch nicht auf dem Markt. Mit zunehmender Verbreitung<br />

dieser Heizmethode wird jedoch in hoffentlich nicht allzu ferner Zeit die<br />

Messgeräteindustrie sich dieser Aufgabe stellen. Einstweilen müssen wir uns mit<br />

Raumthermostaten behelfen, die auf Raumlufttemperaturen reagieren. Hierbei


116<br />

wird verwertet, dass die Lufttemperatur – auf die es zwar nicht vorrangig<br />

ankommt – ein recht brauchbarer Indikator für den Strahlungszustand ist.<br />

Hierbei wird die Erfahrung verwertet, dass die Raumlufttemperatur stets um<br />

etwa 2 K unter der Wandoberflächentemperatur liegt.<br />

Von Nachtabsenkungen rate ich ab. Das, was in der Nacht an Heizenergie<br />

eingespart wurde, muss am zeitigen Morgen zusätzlich wieder aufgewendet<br />

werden. Eingespart kann daher hierdurch nichts werden.<br />

Häufig besteht der Wunsch, dass das Schlafzimmer kalt sein soll. Durch<br />

Drosselung der entsprechenden Heizkreise kann das gemacht werden.<br />

Allerdings ist hierbei folgendes zu bedenken: Der Wunsch nach kalten<br />

Schlafzimmern ist eine Folge der Konvektionsheizungen und der bei dieser<br />

Heiztechnik einhergehenden geringen relativen Luftfeuchte, die zur<br />

Austrocknung der Schleimhäute im Nasen-Rachenraum führt. Für den<br />

schlafenden Menschen ist das unangenehm, da eine halbwegs ordentliche<br />

Atmung nur noch bei geöffnetem Mund möglich ist, der jedoch sodann<br />

ebenfalls austrocknet. Von einem ruhigen und erholsamen Schlaf ist dann keine<br />

Rede mehr. In dieser Not haben die geplagten Schläfer empirisch<br />

herausgefunden, dass bei geöffnetem Fenster und hierdurch höherer relativer<br />

Luftfeuchte der Schlaf besser ist. Das hat zu der Überzeugung geführt, dass<br />

man in kalten Räumen besser schlafen könne. Allerdings hat man hierbei<br />

Ursache und Wirkung verwechselt. In einem temperierten Schlafzimmer<br />

bestehen diese Probleme nicht, weil die relative Luftfeuchte sich im optimalen<br />

Bereich von 40 – 45% befindet.<br />

Fehlende Normung und Berechnungen<br />

Normen folgen stets der technischen Entwicklung hinterher. Daher gibt es für<br />

die noch recht junge Temperiermethode noch keine Normung und ebenso<br />

wenig genormte und allgemeinverbindliche Berechnungsverfahren. Dennoch<br />

kann heute – nach etwa 15 Jahren seit der Entwicklung der Temperiermethode<br />

– gesagt werden, dass sie zum „Stand der Technik“ gehört. Hierbei erinnere ich<br />

auch an den rechtlichen Wert von Normen, der keineswegs darin besteht, dass<br />

am Bau nur das erlaubt sei, was genormt sei. Vor allem befreien Normen nicht<br />

aus der Haftung des Planers und des Handwerkers. Daran zu denken ist auch,<br />

dass die Normung dem technischen Fortschritt zwangsläufig hinterherhinkt. Das<br />

dauert. Bei den Grundbauweisen hat das tausende von Jahren benötigt.<br />

Dass es bis heute keine „amtlichen“ Berechnungsverfahren gibt, ist für den<br />

Fachingenieur unbefriedigend. Ich selbst arbeite derzeit an einem<br />

Berechnungsverfahren, dessen Grundlage jedoch nicht in einer Variante der von<br />

Konvektionsheizungen her bekannten Verfahren besteht. Ausgangspunkt<br />

meines Berechnungsverfahrens ist das Strahlungsgesetz von Stefan-Boltzmann<br />

und die hiervon abgeleiteten Berechnungen für im Strahlungsaustausch<br />

stehenden Flächen 167 . Einstweilen genügt es jedoch vollauf, Temperieranlagen<br />

nach Erfahrungswerten zu planen. Auch ein einmal gefundenes<br />

167 Z.B. Cerbe- Hoffmann, Einführung in die Thermodynamik, 10.Aufl., Hanser Verlag, S.351 ff.


Berechnungsverfahren wird kaum einen nennenswerten Einfluss auf die<br />

Ausführung haben.<br />

Verschattung durch Möbel<br />

117<br />

Ein häufig gebrachter Einwand. Richtig ist, dass Möbel – aber auch Bilder – vor<br />

temperierten Flächen die abgestrahlte Energie absorbieren. Sie nehmen daher<br />

Energie auf. In einem solchen Fall strahlt also nicht die Wand sondern letztlich<br />

das Möbel Wärmeenergie ab. Daher findet – vom Ergebnis her betrachtet – eine<br />

Verschattung durch Möbel nicht statt. Vorteilhaft ist hierbei, dass es zu<br />

Tauwasser- und Schimmelbildung hinter Möbeln nicht mehr kommen kann, weil<br />

Möbel vor temperierten Wandflächen nicht mehr die Eigenschaften von<br />

Innendämmungen haben, die bei Konvektionsheizungen narrensicher zur<br />

Tauwasserbildung an der Wandoberfläche führen. Daher ist es auch kein<br />

Wunder, dass die ersten Temperieranlagen in Museen 168 gebaut worden sind,<br />

wo es ja bisher nicht möglich war, Exponate an Außenwänden aufzustellen<br />

ohne dass sich Schimmel gebildet hat.<br />

Temperieranlagen in Altbauten<br />

Will man in einem Altbau eine Temperieranlage einbauen, ist das problemlos<br />

möglich. Unangenehm ist nur, dass für die Heizleitungen Schlitze in den alten<br />

Putz gefräst werden müssen. Das ist eine staubige und lärmende<br />

Angelegenheit. Erleichternd ist aber, dass die Temperierleitugen nur an den<br />

Außenwänden verlegt werden. Ist die Altbauwohnung bewohnt, sollte man<br />

daher etwa 150 cm hinter der Wand eine Staubschutzwand aus Latten und<br />

Folien einbauen und aus diesem Bereich alle Möbel entfernen. Bei zügiger<br />

Arbeit und falls es gelingt, die Handwerker zu einigen Überstunden zu<br />

überreden, kann die Sauarbeit an einem Tag erledigt werden. Nach etwa 14<br />

Tagen muss dann die Wand gestrichen oder tapeziert werden.<br />

Besonders in der früheren DDR findet man häufig Altbauten vor, bei denen der<br />

Innenputz aus reinem Zementmörtel hergestellt worden ist. Der ist so hart,<br />

dass das Einfräsen von Leitungsschlitzen nicht mehr funktioniert. Dort ist es<br />

meistens das Beste, die Heizleitungen auf dem alten Putz zu verlegen und das<br />

Ganze neu einzuputzen. Je nach Putzbeschaffenheit müssen Haftbrücken<br />

aufgebracht werden, die erstaunlich gut funktionieren. (z.B. COMPAKTA)<br />

Ich empfehle auch, bei dieser Gelegenheit die alten Heizkörpernischen, die ja<br />

eine Schwachstelle im Mauerwerk sind, auszumauern. Hierfür empfehlen sich<br />

leicht bearbeitungsfähige Gasbetonsteine.<br />

Haben wir es mit Baudenkmälern zu tun, bei denen auf dem Verputz<br />

Wandmalereien gefunden werden, sollen diese natürlich nicht zerstört werden.<br />

Hier sollte man dann die Hypokaustentechnik einsetzen, die jetzt erklärt wird.<br />

168 Erfahrungsberichte des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege (Dr. Grosseschmidt) im Bereich<br />

der nichtstaatlichen Museen.


Die Hypokaustentechnik<br />

118<br />

Bereits die alten Römer hatten eine vorzügliche Heiztechnik, die darin<br />

bestanden hat, dass das Umfassungsmauerwerk unmittelbar beheizt worden ist.<br />

Dies wurde durch Hohlräume oder in die Mauer eingesetzte Tonröhren erreicht,<br />

durch die Heizgase geleitet worden sind, die von offenen Feuerstellen unter<br />

dem Erdgeschossfussboden ausgingen. In den Erdgeschossen wurden zugleich<br />

die Fußböden mit erwärmt. Das war allerhöchster Luxus. Ein Nachteil der<br />

altrömischen Hypokaustentechnik bestand darin, dass mehrere Sklaven –<br />

vergleichbar den heutigen Eineurojobbern – mit der Aufrechterhaltung der<br />

Feuerung beschäftigt waren. Da das Christentum mit der Sklaverei Schluss<br />

machte, verschwand damit auch diese vorzügliche Heiztechnik. Wichtig war bei<br />

der Hypokaustentechnik, dass die Heizgaskreise geschlossen und mit den<br />

Räumen nicht in Verbindung gestanden haben.<br />

Mit modernen Techniken ist es jedoch möglich, das Prinzip der<br />

Hypokaustentechnik wieder zu beleben. Vor allem bei denkmalgeschützten<br />

Fachwerkhäusern bietet sich das an. Die Aussenwandkonstruktionen<br />

historischer Fachwerkhäuser sind energetisch schlecht. Sie bestehen<br />

bekanntlich aus dünnen, 15 bis 18 cm dicken Ausfachungen aus Mauerwerk<br />

oder Lehm, die mit Holzwerk durchsetzt sind. Eine Aussendämmung, die die<br />

Tauwasserbildung an den Innenwandflächen verhindern könnte, kann nicht<br />

angebracht werden, weil hierbei das schöne Fachwerk verschwinden würde.<br />

Folglich bleibt nur eine Innendämmung als Lösung übrig, die aber<br />

bauphysikalisch höchst problematisch ist, da sich regelmäßig an der<br />

Anschlussfuge zwischen Dämmung und Ausfachung Tauwasser bildet. Eine<br />

unter Putz verlegte Wandheizung scheidet ebenfalls aus, weil hier ein<br />

entschieden zu großes Temperaturgefälle in der Aussenwandkonstruktion<br />

entstünde. Um alle diese Probleme zu lösen, habe ich folgende Konstruktion<br />

entwickelt:<br />

Nach Sanierung des Fachwerks und der fast immer erforderlichen<br />

Neuausfachung erfolgt auf der Innenseite folgender Aufbau:<br />

Dämmschicht, z.B. Weichfaserplatten, Holzwolleleichtbauplatten.<br />

Vollflächige Verkleidung mit hochglänzenden Aluminiumfolien mit dichten<br />

Stößen.<br />

Vorsatzschale aus mineralischen oder anderen geeigneten Platten mit ca.<br />

70 mm Abstand zur Aluminiumfolie mit Unterkonstruktion aus Holzlatten<br />

oder aus von Gipskartonständerwänden her bekannten Metallprofilen.<br />

Die Unterkonstruktion ist so zu formen, dass Luftschächte gebildet werden, in<br />

denen Warmluft auf – und absteigen kann. An den Schächten mit aufsteigender<br />

Luft werden Kleinkonvektoren unmittelbar über dem Fußboden eingesetzt, die<br />

Teil eines Einrohrsystems sind. Fertig ist die Hypokaustenheizung.<br />

Die Kleinkonvektoren fördern erwärmte Luft nach oben, die in der<br />

Nachbarkammer wieder absinkt. Es entsteht somit ein geschlossener<br />

Warmluftkreislauf. Die Folge ist eine Erwärmung der Plattenverkleidung auf die


119<br />

gewünschten 21 °C, die zu einem richtigen Strahlungsklima im Raum führt. Da<br />

die Platte aber nach beiden Seiten Wärme abstrahlt, wird nun auch der Sinn der<br />

reflektierenden Schicht erkennbar, weil diese nämlich etwa 80% der Strahlung<br />

reflektiert. Zugleich ist die reflektierende Schicht auch die notwendige<br />

Dampfbremse, die vermeidet, dass aus der Raumseite Wasserdampf in die<br />

Umfassungswand eindringt. Vorteilhaft bei dieser Technik sind die Flinkheit des<br />

Systems und die erheblich geringeren Baukosten wegen des sehr geringen<br />

Materialaufwandes. Auch regelungstechnisch ist diese Heiztechnik sehr einfach<br />

zu handhaben. Wichtig ist auch hier – wie beim altrömischen Vorbild – dass die<br />

Warmluftkreise keine Verbindung zur Raumluft haben.<br />

Glas ist ein besondrer Saft<br />

Glas ist eine Flüssigkeit mit extrem großer Viskosität, sodass es sogar als<br />

Wandbaustoff verwendet werden kann. Bei einem üblichen Gebäude in<br />

Massivbauweise nehmen Glasflächen einen beachtlich großen Flächenanteil für<br />

sich in Anspruch, nämlich 15 – 35% der Fassadenfläche. Daher lohnt es, die<br />

energetischen Eigenschaften von Glas näher zu betrachten.<br />

Die Wärmeleitfähigkeit von Glas ist nur etwa halb so groß wie bei Mauerwerk.<br />

Da es aber nur sehr dünn verarbeitet wird, ist der Dämmwert von Glas herzlich<br />

schlecht. Kommt es zu Konvektion an der Glasscheibe, stellen sich beachtliche<br />

Energieverlagerungen ein, insbesondere dann, wenn – wie üblich – unter den<br />

Fenstern Heizkörper angebracht sind, die dazu führen, dass erhitzte Luft sehr<br />

schnell am Glas vorbeistreicht. Hierbei sollten wir uns daran erinnern, dass die<br />

Strömungsgeschwindigkeit von Fluiden der für konvektiven Wärmeübergang<br />

entscheidende Einfluss ist. Der unter dem Fenster befindliche Heizkörper führt<br />

dazu, dass der konvektive Wärmeübergang an der Glasscheibe etwa 50-mal<br />

größer wird. Das spricht gegen die Konvektionsheizung. Haben wir ein<br />

Wandheizungssystem, gibt es im Raum fast keinen thermischen Umtrieb der<br />

Luft. Damit haben wir auch am Fenster nur noch einen sehr kleinen<br />

Wärmeübergang, der es ermöglicht, auf Einfachverglasungen zurückzugreifen.<br />

Bei Baudenkmälern ist dies sehr erwünscht.<br />

Nun gibt es aber auch die Isolierverglasungen, die aus zwei Glasscheiben<br />

bestehen, deren Hohlraum mit getrockneter Luft gefüllt ist. Hierbei wird<br />

genutzt, dass stehende Luft ein guter Dämmstoff ist. Die Isolierglasscheibe ist<br />

daher ein Kind der Konvektionsheizung und bei derartigen Heiztechniken<br />

unverzichtbar.<br />

Auch gegenüber der Wärmestrahlung hat Glas sehr interessante Eigenschaften.<br />

Es ist nämlich nur für bestimmte Spektren durchlässig. Undurchlässig ist es für<br />

den sehr kurzwelligen UV-Bereich und aber auch für den langwelligen IR-<br />

Bereich. Pflanzen, die UV-Licht benötigen, verkümmern hinter Glasscheiben.<br />

Ebenso funktioniert die Hautbräunung hinter Glasscheiben nicht. Der<br />

Emissionskoeffizient von Glas ist sehr hoch und liegt bei etwa 5,45 W/m²K 4 ,<br />

also recht nahe bei dem des „schwarzen Strahlers“ mit 5,67 W/m²K 4 . Was sind<br />

die Folgen dieser Eigenschaften?


120<br />

Das auf die Scheibe von der Sonne kommende UV-Licht wird absorbiert und<br />

führt zur raschen Temperaturerhöhung des Glases. Dies führt zu einer<br />

Abstrahlung des halben Energiebetrages in den Raum hinein. Die andere Hälfte<br />

wird in die Umgebung zurückgestrahlt. Das ankommende Sonnenlicht ist<br />

verhältnismäßig arm an IR-Strahlung, was folgenlos bleibt. Das übrige<br />

Lichtspektrum erreicht den Raum und führt dort zur Erwärmung der<br />

beschienenen Flächen durch Absorption. Die erwärmten Flächen emittieren<br />

wiederum Wärmestrahlung, nun aber in einem Spektralbereich, der vom Glas<br />

nicht durchgelassen, aber absorbiert wird. Auch davon wird die Hälfte in die<br />

Umgebung abgestrahlt, der Rest geht strahlend in den Raum zurück. Überprüft<br />

man diese Vorgänge genauer und quantifiziert sie einigermaßen sorgfältig,<br />

kommt man zu dem Ergebnis, dass Fenster nach den Sonnenseiten hin<br />

energetisch eine positive Bilanz haben, der Energieeintrag also überwiegt.<br />

Berühren Sie eine Fensterfläche mit der Hand, haben Sie den Eindruck der<br />

Kälte. Misst man jedoch die Glastemperatur, stellt man fest, dass die<br />

Glasscheibe die gleiche Oberflächentemperatur wie die anschließende Wand<br />

hat. Bei Einscheibenverglasungen liegt die Temperatur etwa 4 K niedriger,<br />

wenn es Winter ist. Was Sie gespürt haben, war der Vorgang der Wärmeleitung<br />

von der Hand zum Glas hin. Hierbei haben wir gelernt, dass Stofftemperaturen<br />

mit der Hand nicht sicher beurteilt werden können. Lassen wir das also sein.<br />

Eine weitere Eigenschaft von Glas ist von Bedeutung: Trifft Licht oder<br />

Wärmestrahlung unter flachem Winkel auf – diese Situation trifft vor allem für<br />

die Inneraumsituation überwiegend zu, kommt es zur Totalreflexion. Hierbei ist<br />

zu bedenken, dass auch ein Einscheibenglas zwei reflektierende Grenzschichten<br />

hat, nämlich auf der Innen-und der Außenfläche. Daher wird nur ein geringer<br />

Teil der von den Raumoberflächen ankommenden Strahlung absorbiert sondern<br />

bleibt dem Raum erhalten. Im Ergebnis stimmt daher die manchmal verbreitete<br />

Aussage, dass Glas für Wärmestrahlung undurchlässig sei. Streng physikalisch<br />

betrachtet stimmt das aber nicht. Nebenbei wissen wir nun auch, warum<br />

Fensterflächen in einer Fassade nahezu schwarz erscheinen, andererseits aber<br />

durch Reflektion dazu führen, dass Nordzimmer unerwartet in den Genuss von<br />

Sonneneinstrahlung kommen.<br />

Die Glasindustrie beeinflusst durch aufgedampfte 169 Beschichtungen das<br />

Verhalten von Glas gegenüber Strahlung. Leider sind derartige Gläser, die<br />

erheblich teurer als Normalglas sind, selten wirtschaftlich rentabel. Je nach<br />

Verwendungszweck behindern solche Beschichtungen, die meistens<br />

aufgedampft werden, entweder die Abstrahlung nach außen oder nach innen.<br />

Energetisch ist das aber ein Nullsummenspiel wenn wir die Heizkosten im Blick<br />

haben. Etwas sinnvoller wird das Ganze, wenn wir unsere Entscheidung<br />

darüber, ob wir bedampfte Gläser einsetzen wollen, getrennt nach den<br />

Himmelsrichtungen entscheiden. So kann auf Nordseiten eine reflektierende<br />

Bedampfung nützlich sein, da wir dort nicht überlegen müssen, ob wir da die<br />

Einstrahlung behindern.<br />

169 Bedampfungen entstehen durch Kondensation von Metalldämpfen auf kälteren Flächen.


121<br />

Nach Norm und EnEV ist Glas eine energetische Schwachstelle in der<br />

Gebäudehülle. Tatsächlich ist Glas aber viel besser als sein Ruf. Das wäre auch<br />

rechnerisch belegbar, würde man in den vorgeschriebenen Berechnungen auch<br />

die Eigenschaften von Glas berücksichtigen, die mit dessen Verhalten bei<br />

Strahlungsprozessen zu tun haben. Die Glasindustrie sollte sich im eigenen<br />

Interesse dieses Themas annehmen. Da verhält sie sich ähnlich ungeschickt wie<br />

die Holzindustrie, die es bis heute versäumt hat, auf die hervorragenden<br />

Wärmespeichereigenschaften von Holz hinzuweisen.<br />

Wandheizungen und Einscheibenverglasungen<br />

Die Sanierung von Baudenkmälern aus vergangenen Zeiten hat sich in der<br />

vergangenen Zeit zu einem neuen und umfangreichen Aufgabengebiet für<br />

<strong>Architekt</strong>en entwickelt. Bei Bauwerken, die vor 1920 entstanden sind, war das<br />

übliche Fenster ein Einfachfenster aus Holz mit Einscheibenverglasung aus dem<br />

damals noch gezogenen Bauglas, das man an seiner welligen Form und an den<br />

eingeschlossenen Bläschen erkennt und das man auch nicht wegwerfen sollte,<br />

weil es in der Denkmalpflege ein begehrter Baustoff ist. Da produktionsbedingt<br />

die damaligen Scheibengrössen beschränkt waren, Glas auch teuer war, fanden<br />

die früheren <strong>Architekt</strong>en heraus, dass der Glasverbrauch geringer war, wenn<br />

man die Scheiben klein hielt. Aus geometrischen Gründen war hierbei nämlich<br />

der „Verschnitt“ kleiner. Außerdem hing dem Baustoff Glas schon immer der Ruf<br />

der Zerbrechlichkeit an, sodass man schon beim Bau des Fensters an die<br />

Kosten einer Glasreparatur gedacht hat. Früher war es den Knaben erlaubt, auf<br />

den Strassen Fußball zu spielen und sonstigen Unfug zu treiben, während heute<br />

bei einem derartigen Treiben die Polizei auf den Plan tritt. Jedenfalls war die<br />

zerbrochene Fensterscheibe ein Alltagsereignis mit nachteiligen Folgen für den<br />

Taschengeldetat von uns Lausbuben. Das einfachverglaste Fenster mit<br />

Sprossen war die Normalkonstruktion. Bei Häusern für finanziell besser Gestellte<br />

hat man Kastenfenster eingebaut, die konstruktiv nichts anderes sind als<br />

hintereinander eingebaute Einfachfenster. Der Hauptvorzug der Kastenfenster<br />

besteht in der guten Schalldämmung. Die Vorstellung, wonach in alten Zeiten<br />

es in Städten weniger Lärm gegeben hätte, ist nicht haltbar. Der Transport von<br />

Menschen und Waren erfolgte mit Pferdefuhrwerken, die eisenbeschlagene<br />

Holzspeichenräder hatten. Die Fahrbahnen waren durchwegs mit<br />

Kopfsteinpflaster belegt. Dazu kam das Getrappel der eisenbeschlagenen<br />

Pferdehufe. Diese Mixtur führte zu einem infernalischen Lärm. Wohl dem, der<br />

da zur Straßenseite hin Kastenfenster hatte. Wenn sie daraufhin einmal die<br />

vorgründerzeitlichen Blockrandbebauungen untersuchen, werden Sie sehen,<br />

dass an den Innenhöfen Kastenfenster ganz selten sind. Dort herrschte nämlich<br />

himmlische Ruhe.<br />

Bei beiden Konstruktionen war die winterliche Eisblumenbildung ein<br />

Normalzustand. Der Grund hierfür lag in den anderen Nutzergewohnheiten. Die<br />

Belegungsdichte der Wohnungen war dreimal so hoch wie heute und damit<br />

verbunden auch der freigesetzte Wasserdampf in den Wohnungen. Vor allem<br />

die damalige Küchentechnik führte zu sehr hohen relativen Luftfeuchtigkeiten.<br />

Da wurden in den damals kinderreichen Familien nahezu ganztägig Windeln


122<br />

gekocht. Der holzbefeuerte Kochherd war tagsüber ständig in Betrieb und<br />

bereitete in dem rechts hinten befindlichen Wasserschiff permanent<br />

Heisswasser, wobei natürlich große Mengen Wasserdampf freigesetzt worden<br />

sind. Die „kleine Wäsche“ wurde natürlich in der Wohnung gewaschen und zum<br />

Trocknen aufgehängt.<br />

Das alles hat sich inzwischen grundlegend verändert. Der vor dem Fenster<br />

angeordnete Heizkörper ist Standard. Die dort erzeugte Warmluft streicht mit<br />

großen Geschwindigkeiten am Fenster entlang. Sie hat in dieser Phase eine<br />

hohe Temperatur, sodass das Temperaturgefälle zwischen Heizkörperluft und<br />

Glasscheibe bis zu 25 K beträgt. Damit nimmt die Wärmeübergangszahl (α), die<br />

ja im Wesentlichen durch die Strömungsgeschwindigkeit und den<br />

Temperaturunterschied zwischen Fluid und Festkörper bestimmt wird, sehr<br />

hohe Werte an, sodass in diesem Falle eine Isolierverglasung mit einem<br />

höheren Dämmwert, der durch die eingeschlossene stehende Luftschicht<br />

bewirkt wird, nützlich und richtig ist. Die Isolierglasscheibe ist ein Kind der<br />

moderneren Heiztechnik und hat sich ja auch erst dann im Bauwesen<br />

eingebürgert, als diese Heiztechnik allgemein üblich wurde. Das anfangs am<br />

Markt eingeführte Produkt hieß „Thermopane“, sodass man damals vor etwa<br />

vierzig Jahren ganz allgemein den Begriff „Thermopanescheibe“ als Synonym<br />

für Isolierverglasung verwendet hat. Verschwunden ist zugleich das<br />

Verbundfenster, das wegen eines von einem Tischlermeister Wagner<br />

erfundenen Beschlags „Wagnerfenster“ hieß. Hierbei hat es sich um zwei<br />

Einfachfenster gehandelt, die miteinander verriegelt waren.<br />

Kennzeichnend für alle modernen Fensterkonstruktionen mit Isolierverglasung<br />

sind die großen Holzquerschnitte. Sprossen in Verbindung mit Isolierverglasung<br />

sind wegen der notwendigen Einstandstiefen und der großen Glasgewichte<br />

mindestens 48 mm breit. Die traditionellen Sprossenbreiten aus historischer Zeit<br />

betrugen nur 24 mm. Soll nun ein Sprossenfenster im Sinne der Denkmalpflege<br />

gebaut werden, ist das mit Isolierverglasung nicht möglich. Der Anblick, den<br />

solche Fenster bieten, ist abscheulich, plump und denkmalwidrig. Noch<br />

schlimmer ist die Verzweiflungslösung mit dünnen Kunststoffsprossen im<br />

Glaszwischenraum und keinen Deut besser ist die aufgeklebte oder abklappbare<br />

Fenstersprosse. Bisher blieb es aber ein Wunschtraum der Denkmalpfleger,<br />

dass Sprossenfenster in der historischen Form gebaut würden. Sie stellen ja<br />

auch einen krassen Verstoß gegen die der Energieeinsparung dienenden<br />

Vorschriften dar, obwohl die EnEV Baudenkmäler von der Einhaltung der<br />

Vorschriften befreit hat.<br />

Und trotzdem ist es aber möglich, einfachverglaste Sprossenfenster zu bauen,<br />

wenn diese mit der Temperiermethode (Wandheizungstechnik) vereinigt<br />

werden. Wie kann das begründet werden?<br />

Betrachten wir also die energetischen Ereignisse an Fenstern daher einmal<br />

gründlicher. Der überwiegende Teil des Wärmeübergangs geschieht konvektiv,<br />

weil am Fenster ja nur die erwärmte Raumluft ansteht. Wir wissen auch, dass<br />

der Wärmeübergang, versinnbildlicht durch die Wärmeübergangszahl (α), im


123<br />

Wesentlichen von zwei Dingen abhängt, nämlich von der Temperaturdifferenz<br />

zwischen Glasscheibe und Raumluft und noch entscheidender von der<br />

Strömungsgeschwindigkeit der Raumluft. Diese beiden Größen haben mit der<br />

Fensterkonstruktion nichts und fast alles mit der Heiztechnik zu tun.<br />

Richtig konstruierte Wandheizungen führen dazu, dass alle Umschliessungs -<br />

flächen eines Raumes, also Fußböden, Wände und Decken gleiche<br />

Oberflächentemperaturen von 20 – 23 °C haben. Somit ist auch die<br />

Lufttemperatur in allen Höhenlagen des Raumes gleich. Sie ist außerdem immer<br />

etwa 2 K kühler als die Umschliessungsflächen. Ein thermischer Luftumtrieb,<br />

wie wir ihn von Konvektionsheizungen oder Ofenheizungen her kennen, findet<br />

also nicht statt. Wir haben es also mit stehender Raumluft zu tun. Damit nimmt<br />

die Strömungsgeschwindigkeit am Fenster den kleinstmöglichen Wert „0 m/s“<br />

an. Damit ist es uns erlaubt, mit der kleinsten Wämeübergangszahl (α) für Luft<br />

zu rechnen, nämlich mit 2 W/m². Dennoch kühlt die Luft an der Fensterscheibe<br />

geringfügig ab. Daher hat sie dort die Tendenz abzusinken. Dem wirkt jedoch<br />

der sofort einsetzende Auftrieb aus der umgebenden Luft entgegen, sodass wir<br />

es an der Fensterscheibe tatsächlich mit stehender Luft zu tun haben. Hierbei<br />

fällt uns ein, dass stehende Luft als Dämmstoff angesehen wird, sogar als der<br />

beste von allen.<br />

Könnten wir die Luft am Fenster sehen, würden wir bemerken, dass sich<br />

gelegentlich die Wasserdampfteilchen in der Luft zusammenschließen, also in<br />

sehr kleinen Mengen verklumpen. Das ist nichts anderes als Kondensation in<br />

der frei schwebenden Luft, die vor allem in einer wenige Zentimeter vor der<br />

Scheibe stehenden Grenzschicht stattfindet. Energetisch handelt es sich um ein<br />

Nullsummenspiel, da die geringfügige Abkühlung der Grenzschicht durch<br />

freigesetzte Kondensationswärme kompensiert wird. Überprüft man mit einem<br />

Messgerät die Lufttemperatur im Grenzschichtbereich, stellt man fest, dass dort<br />

die Luft im Winter etwa 2 K kühler ist als die Raumluft.<br />

Bei in dieser Art gebauten Konstruktionen – also der Kombination von<br />

Wandheizungen mit einfach verglasten Fenstern – findet auch keine<br />

Tauwasserbildung auf den Glasscheiben statt. Hierfür gibt es zwei Ursachen,<br />

nämlich eine ausreichend hohe Scheibentemperatur und eine verhältnismäßig<br />

geringe relative Luftfeuchtigkeit der Raumluft. Hierbei stößt man auf ein<br />

Phänomen, für das auch ich noch keine schlüssige Erklärung habe sondern nur<br />

Vermutungen.<br />

Bei der relativen Luftfeuchtigkeit in Räumen mit Wandheizung stellt man immer<br />

fest, dass sich diese ziemlich genau und mit sehr geringer Schwankungsbreite<br />

bei etwa 40% einstellt. Dieses Maß ist ein großer Vorzug von Wandheizungen,<br />

der unter gesundheitlichen Gesichtspunkten ein Optimum darstellt.<br />

Überprüft man nun auch noch die Innenoberflächentemperatur der Scheiben,<br />

stellt man fest, dass diese auf der Innenseite der Scheibe deutlich höher ist als<br />

auf der Außenseite. Auf Wärmeleitungsprozesse kann diese Beobachtung nicht<br />

zurückgeführt werden, da Glas ein recht ordentlicher Wärmeleiter ist und eine


124<br />

Scheibe ja auch außerordentlich dünn ist, sodass eine Glasscheibe einen<br />

ausgesprochen schlechten λ- Wert hat. Würde man daher eine Glasscheibe den<br />

in der DIN 4108 vorgeschriebenen Berechnungsverfahren unterziehen, müsste<br />

danach die Temperatur der Glasscheibe innen und außen gleich sein. Das ist sie<br />

aber nicht. Was steckt da eigentlich dahinter?<br />

Des Rätsels Lösung liegt im Verhalten von Glas gegenüber Strahlungsprozessen.<br />

Betrachten wird das also einmal ganz empirisch.<br />

Wenn wir Baustoffe auf ihr Verhalten gegenüber Strahlungsprozessen<br />

betrachten, ist zunächst der Emissionskoeffizient (ε) von großer Bedeutung. Bei<br />

Glas hat er einen überraschend hohen Wert, den man diesem Baustoff<br />

gefühlsmäßig gar nicht zutraut, nämlich 0,87. Dieser Wert sagt aus, dass die<br />

Absorptionsfähigkeit und die Fähigkeit zur Abstrahlung von Wärmestrahlung bei<br />

87% der des sog. „Schwarzen Strahlers“ liegt. Das ist baupraktisch etwa der<br />

gleiche Wert, wie er z.B. bei Mauerwerk angetroffen wird. Ankommende<br />

Wärmestrahlung mit einem gemischten Wellenlängenspektrum wird von Glas<br />

somit zu 87% absorbiert und in Stoffwärme umgesetzt. Somit wird die<br />

Glasscheibe warm.<br />

Jetzt hat aber eine Glasscheibe noch eine weitere interessante Eigenschaft, Sie<br />

verfügt nämlich über zwei reflektierende Grenzflächen. Das ist einmal die<br />

Innenoberfläche, aber auch – und das ist sehr wichtig bei unserer Betrachtung<br />

– für von innen kommende Strahlung auch die äußere Oberfläche der Scheibe.<br />

Sehen wir uns die Reflexionen an, stellen wir fest, dass wir es sowohl mit<br />

Teilreflektion zu tun haben, wenn die Strahlung annähernd senkrecht auf die<br />

Scheibe trifft und mit Totalreflektion, wenn die Strahlung mit einem Winkel zur<br />

Scheibe steht. Betrachten wir darauf hin die Einstrahlungsrichtungen an<br />

Glasscheiben vor Räumen, wobei wir uns hier mit einer kleinen Systemskizze<br />

helfen können, müssen wir hierbei bedenken, dass von jedem Wandpunkt aus<br />

Strahlung völlig gleichmäßig nach allen Richtungen im sog. „Halbraum“ emittiert<br />

wird, also über einen Winkelbereich von genau 180 °. Die gefühlsmässige<br />

Vorstellung, dass Wärmestrahlung nur senkrecht von der Wand ausgeht, ist<br />

also falsch. Legen wir unsere Systemskizze nach dieser Erkenntnis an und<br />

zeichnen also von beliebig vielen Punkten aus Strahlungen nach allen<br />

Richtungen, stellen wir ganz empirisch fest, dass der überwiegende Teil der auf<br />

die Glasscheibe treffenden Strahlung schräg einfällt, somit sehr stark nach<br />

innen reflektiert wird und damit von der Glasscheibe nicht absorbiert werden<br />

kann. Der dennoch die äußere reflektierende Grenzschicht durchquerende<br />

Strahl wird zunächst in Abhängigkeit vom Brechungswinkel gebrochen, ändert<br />

also seine Richtung so, dass er auf die äußere reflektierende Grenzschicht<br />

etwas steiler auftrifft. Auch dort wird ein Teil der Strahlung reflektiert und nur<br />

ein geringer Rest an Wärmestrahlung – zu der übrigens auch der<br />

Spektralbereich des sichtbaren Lichts gehört – entweicht letztlich<br />

unwiederbringbar in die Umgebung.<br />

Nebenher: Ich vermute, dass diese Vorgänge auch der Grund dafür sind, dass<br />

Fensterflächen tagsüber in einer Fassade schwarz wirken. Schwarz ist ja immer


ein Zeichen für nicht vorhandene Strahlung im sichtbaren Bereich.<br />

125<br />

Die Erwärmung der Glasscheibe durch die Raumluft ist geringfügig, wie wir<br />

bereits gesehen haben. Die beobachtete hohe Scheibentemperatur geht somit<br />

auf die Teilabsorption von Wärmestrahlung zurück. Hierbei wird nun von<br />

Bedeutung, dass diese Wärmestrahlung nicht nur dem Innenraum entstammt<br />

sondern auch der Umgebung. Da wir es nun genauer wissen wollen, eine kleine<br />

Vergleichsrechnung der beiden Strahlungsquellen Innenwände und Umgebung.<br />

Wir betrachten hierbei eine weiß gestrichene Innenwand mit einer<br />

Oberflächentemperatur von 21 °C und eine Umgebung, die hier aus<br />

gegenüberstehenden, grau gestrichenen Hauswänden mit einer<br />

Oberflächentemperatur von 5 °C bestehen soll. Der Emissionskoeffizient (ε) der<br />

Innenwand beträgt 0,87, der der grauen Gebäudewand 0,92. Nach Stefan-<br />

Boltzmann können wir nun die Strahlungsleistung errechnen:<br />

Innenwand: 5,67 x 0,87 x ((273 + 21)/100) 4 = 368,55 W/m²<br />

Gebäude: 5,67 x 0,92 x ((2,73 + 5)/100) 4 = 311,55 W/m²<br />

Wir sehen zu unserer Überraschung und nicht geringen Freude, dass wir also<br />

eine exogene Einstrahlungsleistung haben, die sich gar nicht sehr von der<br />

Strahlungsleistung der Innenwände unterscheidet. Unsere Messungen zeigen<br />

nun Temperaturunterschiede zwischen den äußeren und inneren<br />

Glasoberflächen von 3 – 4 K. Da konvektive Prozesse ausscheiden, können<br />

diese Temperaturunterschiede nur auf die unterschiedlichen<br />

Einstrahlungsleistungen zurückgeführt werden. Vorsichtshalber betrachten wir<br />

in einer weiteren Berechnung nun auch die Abstrahlungsleistungen der Scheibe<br />

nach außen und nach innen. Ein typischer Messwert ist für innen eine<br />

Temperatur von 14 °C, für außen 11 °C. Der Emissionskoeffizient (ε) beträgt<br />

für beide Fälle einheitlich 0,87.<br />

Innenseite: 5,67 x 0,87 x (287/100) 4 = 334,68 W/m²<br />

Außenseite: 5,67 x 0,87 x (284/100) 4 = 320,90 W/m²<br />

Wiederum sehen wir recht Erfreuliches: Die Abstrahlungsleistung ein und<br />

derselben Scheibe ist nach außen geringer als nach innen. Vergleichen wir<br />

hierbei die exogene Einstrahlungsleistung in unserem Beispiel mit der<br />

Abstrahlung nach außen, errechnet sich der Abstrahlungsverlust aus der<br />

Differenz von<br />

320,90 – 311,55 = 9,35 W/m².<br />

Das ist gerade mal ein Drittel des in der DIN 4108 festgesetzten<br />

Wärmeübergangswertes (αa) mit 25 W/m², also äußerst geringfügig.<br />

Betrachten wir nun im Hinblick auf die ganze Heizperiode unsere Energiebilanz<br />

am Fenster und bedenken hierbei, dass eine Einfachverglasung mehr als das


126<br />

Doppelte an unmittelbarer solarer Einstrahlung zulässt, kommen wir an<br />

besonnten Fensterflächen zu einem klaren Energieüberschuss. Keine Angst also<br />

vor Einfachverglasungen, wenn wir zugleich ein Wandheizungssystem gebaut<br />

haben.<br />

Wer hätte gedacht, dass in einer modernen Betrachtung zwei Baugewerke, die<br />

sonst nichts miteinander zu tun haben, im Zusammenspiel Lösungen<br />

ermöglichen, die die Denkmalpfleger begeistern und die noch nebenher zu einer<br />

Baukosteneinsparung führen, die sich aus dem Preisunterschied von einfach<br />

verglasten Fenstern mit Isolierglasfenstern errechnet? Nicht ganz unwichtig ist,<br />

dass hierdurch für die Holzfensterbauer ein neuer Markt erschlossen wird, dem<br />

keine Konkurrenz durch die Kunststofffensterindustrie droht. 170<br />

Anstriche<br />

Im Rahmen dieser bauphysikalischen Betrachtungen ist von Bedeutung, dass<br />

Anstriche fast immer Häute bilden. Befinden sich diese Häute an Stellen, wo<br />

Wasser abdampfen soll – an Gebäudeoberflächen ist das immer so – führen sie<br />

zum Bauschaden, sichtbar durch Blasenbildung und Abplatzungen. Sind<br />

Fassadenanstriche nicht dampfdurchlässig, führen sie sogar zur Zerstörung der<br />

Putzschicht. Manche Farbenhersteller geben Werte für die<br />

Dampfdiffusionsfähigkeit an. Vorsicht aber! Das sind nämlich Laborwerte, die<br />

bei Zimmertemperaturen gewonnen worden sind. Die Diffusionsfähigkeit sinkt<br />

jedoch mit fallender Temperatur stark ab, sodass Anstriche an<br />

Gebäudeoberflächen trotz guter Laborwerte die Eigenschaften von<br />

Dampfbremsen annehmen. Betrachten wir also einmal eine gestrichene<br />

Putzfassade auf Mauerwerk:<br />

Es ist Winter, die Wohnung wird beheizt und auch nicht sonderlich gut gelüftet.<br />

In einem Vierpersonenhaushalt werden da mühelos täglich bis zu 100 l Wasser<br />

verdampft. Der größte Teil dieses Wasserdampfes diffundiert in die<br />

Umfassungswände ein, wo er im vorderen Teil des Mauerquerschnitts<br />

kondensiert, sich also flüssiges Wasser bildet. Nunmehr verlagert sich dieses<br />

Wasser nach außen über die unzähligen Kapillaren. Hätten wir es mit<br />

Sichtziegelmauerwerk zu tun, würde das Wasser an der Maueroberfläche<br />

abtrocknen und nachrückendem Wasser Platz machen. Alles wäre bestens. So<br />

aber verbleibt das Wasser in der Wand. Zunächst passiert da nichts Schlimmes,<br />

sieht man davon ab, dass in der feuchten Zone die Wärmeleitfähigkeit höher<br />

geworden ist.<br />

Gegen Ende der Heizperiode wird die Wand wieder kräftiger von der Sonne<br />

beschienen und wird warm. Das eingesperrte Wasser wird wieder dampfförmig<br />

und drückt mit großer Kraft von innen gegen die Farbschicht. Handelt es sich<br />

um elastische Anstriche, bilden sich Blasen. Unelastische Anstriche werden<br />

abgedrückt. Wenn die Durchfeuchtung größer war, kam es im Verlaufe des<br />

170 Das alles ist nicht nur eine Hypothese sondern inzwischen von mir auch praktisch erprobt. Ich<br />

verweise auf die Sanierung in Leipzig, Lütznerstrasse 77 eines denkmalgeschützten Fabrikgebäudes,<br />

wo dies alles – wie beschrieben – funktioniert. Diese Sanierung wurde außerdem 1.Preisträger im<br />

Hieronymus – Lotter – Wettbewerb.


127<br />

Winters auch zu Frostaufbrüchen im Putz, der das kristalline Gefüge zerstört<br />

hat. Der zerstörte Verputz fällt dann auch gleich ab. Die Putzfassade ist also<br />

großflächig zerstört. Um das zu vermeiden, dürfen Putzfassaden nur mit<br />

solchen Farben gestrichen werden, die auch bei tiefen Temperaturen<br />

dampfdurchlässig bleiben. Gute Mineralfarben ohne Zusatz von Dispersionen<br />

leisten das. Die Verarbeiter müssen nur darauf achten, dass der Untergrund,<br />

der ein reiner Kalkputz sein sollte, ausreichend karbonisiert ist, also durch<br />

Aufnahme von CO2 sich in Kalkstein verwandelt hat. Daher ist es ganz wichtig,<br />

den Kalkputz mindestens sechs Wochen ungestrichen zu lassen. Je länger der<br />

Kalkputz Zeit hat, zu karbonisieren, umso besser ist das. Weiterhin sollte der<br />

Verdünnungsgrad der Wandfarbe möglichst hoch sein. Dagegen sind die<br />

Empfehlungen der Farbenhersteller bezüglich der Verdünnung immer unter dem<br />

Gesichtspunkt zu bewerten, dass diese möglichst viel Material verkaufen wollen.<br />

Bei Fensteranstrichen kennen wir den gleichen Bauschaden. Das Beste wäre<br />

daher, die Außenflächen von Fenstern ungestrichen zu lassen. Bei guten<br />

Holzqualitäten ist das auch möglich. Die Vergrauung des Holzes, die technisch<br />

nicht nachteilig ist, ist aber nicht jedermanns Geschmack. Die Alten<br />

verwendeten für Aussenanstriche auf Fenstern dampfdurchlässiges Bleiweiß.<br />

Das ist aber giftig und daher verboten. Zur optischen Verbesserung bieten sich<br />

Lasuren an, die es in allen möglichen Farben gibt. Wer will, kann seine Fenster<br />

auch mit gekochtem Leinöl behandeln. Das muss er allerdings wenigstens alle<br />

vier Jahre erneuern. Sehr empfehlenswert ist außerdem, die Innenflächen von<br />

Fenstern möglichst dampfdicht mit Lacken zu beschichten, weil hierdurch der<br />

Wasserdampfeintritt in das Holz behindert wird. Wer das nicht beachtet,<br />

verkürzt die Lebenszeit seiner Fenster beträchtlich. Die Blasen, die da im<br />

Außenanstrich entstehen, sind nämlich meistens mit Wasser gefüllt. Dort<br />

beginnt das Fensterholz dann zu verfaulen.<br />

Letztlich ist daran zu denken, dass Anstriche semipermeable (halbdurchlässige)<br />

Membranen sind. Wenn auf derartigen Oberflächen Wasser stehen bleibt, das<br />

im Freien immer als Lösung irgendwelcher Salze angesehen werden muss, kann<br />

es zu osmotischen Vorgängen kommen. Die Folge ist auch hier Blasenbildung<br />

unter der Anstrichschicht mit nachfolgender Verrottung des Holzes. Vor allem<br />

beim Streichen liegender Oberflächen, die bei sorgfältiger Detaillierung<br />

eigentlich gar nicht vorkommen sollten, ist daher dafür zu sorgen, dass die<br />

Anstriche so aufgebaut sind, dass sie osmotische Vorgänge nicht begünstigen.<br />

Der Vorgang der Osmose ist im Glossar genauer erläutert.<br />

Der Energiebilanzwert (Φb)<br />

Dieser Abschnitt hat einen großen Neuigkeitswert. Er behandelt nämlich ein<br />

bauphysikalisches Modell der Vorgänge an der Gebäudeoberfläche, die<br />

einerseits zur Gebäudeheizung führen, andererseits Maßnahmen für den<br />

sommerlichen Wärmeschutz erforderlich machen. Bisher war die Fachwelt der<br />

Meinung, dass diese Vorgänge in der DIN 4108 und in der EnEV ausreichend<br />

behandelt seien und man mit den dort vorhandenen Berechnungsverfahren<br />

richtige Ergebnisse erzielen könne. Das von mir entwickelte bauphysikalische<br />

Modell bricht mit diesem Glauben und ermöglicht zugleich eine genaue und


128<br />

zutreffende Bewertung von Baukonstruktionen im Hinblick auf sparsame<br />

Energieverwendung. Vieles von dem hier dargestellten ist in früheren Kapiteln<br />

schon enthalten. Nun soll das aber im Zusammenhang dargestellt werden.<br />

Das neue bauphysikalische Modell geht auf wenige empirische Erfahrungen<br />

zurück, deren wichtigste sind:<br />

Die Notwendigkeit zur Gebäudeheizung wird durch den Wetterverlauf<br />

verursacht. Im Winter muss man heizen, im Sommer nicht.<br />

Die Wetterereignisse wirken – betrachtet man nur die Außenwände und<br />

nicht die Fenster – nur auf der Oberfläche des Gebäudes.<br />

An der Gebäudeoberfläche gibt es exogenen Energieeintrag.<br />

An der Gebäudeoberfläche wird Energie vom Gebäude abgetragen.<br />

(Energieabtrag)<br />

Überwiegt der Energieabtrag, muss von innen Energie nachgeführt<br />

werden.<br />

Überwiegt der Energieeintrag, muss keine Energie nachgeführt werden.<br />

Energieeintrag und Energieabtrag finden immer gleichzeitig statt. Beide<br />

Vorgänge beruhen nur auf zwei Arten der Energieverlagerung, nämlich<br />

Konvektion und Strahlung. Wärmeleitung in den Wänden selbst ist ein<br />

Sekundärereignis und hat mit der Energiebilanz nichts zu tun.<br />

Das Wetter ein chaotischer Vorgang<br />

Wetterereignisse sind nicht berechenbar, woraus großer Frust bei den<br />

Meteorologen entstanden ist. Sie haben nämlich das Pech, dass ihre<br />

Vorhersagen ständig überprüft werden können und sich hierbei gezeigt hat,<br />

dass zuverlässige Wettervorhersagen nur bei sehr stabilen Wetterlagen möglich<br />

sind. Einige Meteorologen entziehen sich diesem Frust damit, dass sie das<br />

Wetter der künftigen hundert Jahre vorhersagen – die damit verbundenen<br />

Temperaturen sogar auf eine Stelle hinter dem Komma genau. Falls das in<br />

hundert Jahren geprüft werden sollte, sind die Urheber der kühnen Prognosen<br />

schon längst gestorben und man hat sie vergessen.<br />

Wir wollen aber nicht verzagen. Wenigstens kann nämlich das Wetter<br />

beobachtet und gemessen werden. Macht man das viele Jahre lang, ist es<br />

möglich, ein Durchschnittswetter zu ermitteln. Genau das hat man auch getan,<br />

sodass wir heute über ein Durchschnittswetter verfügen. Ich arbeite mit einem<br />

Durchschnittswetter, das die Fraunhofergesellschaft im Institut für Bauphysik<br />

ermittelt hat und in der Fachwelt als „Holzkirchner Wetter“ bekannt ist. 171 Das<br />

Holzkirchner Wetter zeigt langjährig ermittelte Durchschnittsdaten der<br />

wichtigsten Wetterereignisse, also Lufttemperatur, Bodentemperatur, Luftdruck,<br />

Windgeschwindigkeiten, Globalstrahlung, Diffusstrahlung, Regenspenden –<br />

unterschieden nach Schlagregen und leichtem Regen. Weniger wichtiges fehlt,<br />

z.B. Nebel, Schneefall, Windrichtung, Föhneinfluss und Bedeckungsgrad des<br />

171 Holzkirchen liegt südlich von München und beherbergt das Institut der Fraunhofergesellschaft für<br />

Bauphysik.


129<br />

Himmels. Ganz wichtig ist, dass diese Wetterdaten für jede Stunde vorliegen.<br />

Wir verfügen somit für jede dieser Wetterkomponenten über etwa 8.760<br />

Messwerte. Das ist eine schöne Menge. Insgesamt stehen uns etwa 70.000<br />

Messwerte zur Verfügung. Diese große Datenmenge kann nur noch am<br />

Computer – dort aber recht einfach – verarbeitet werden. Wollte man das „zu<br />

Fuß“ machen, würden zehn Jahre Rechenzeit benötigt.<br />

Einige fehlende Wetterdaten kann man überschlägig hinzurechnen. So kann der<br />

Bedeckungsgrad mit dem Luftdruck in Zusammenhang gebracht werden. Bei<br />

Hochdruck haben wir wenige oder gar keine Wolken. Somit ist dann die<br />

Solarstrahlung größer. Bei Tiefdrucklagen ist es umgekehrt. In meinen<br />

Berechnungen ist das berücksichtigt.<br />

Aus der Bodentemperatur kann die dort emittierte Strahlung nach dem<br />

Strahlungsgesetz von Stefan-Boltzmann errechnet werden. Bei den<br />

Berechnungen kommt zutage, dass die so ermittelte Umgebungsstrahlung stets<br />

größer als die Diffusstrahlung ist. Die auf ein Gebäude einwirkende Strahlung<br />

besteht somit aus einer sehr gleichmäßigen und ganztägigen<br />

Umgebungsstrahlung, die zeitweise von sehr hoher aber nur kurzeitig<br />

einwirkender Solarstrahlung überlagert wird. Mengenmäßig überwiegt hierbei<br />

die Umgebungsstrahlung ganz eindeutig. Die Bedeutung der Diffusstrahlung<br />

besteht darin, dass sie die Bodentemperaturen beeinflusst, in den<br />

Berechnungen jedoch vernachlässigt werden kann.<br />

Die Windgeschwindigkeit ist von erheblichem Einfluss auf konvektive Ereignisse.<br />

Nach recht brauchbaren Faustformeln erhöht sich nämlich die<br />

Wärmeübergangszahl (α), die bei Windstille mit 2 W/m²K angenommen werden<br />

kann, um den 12-fachen Betrag der Quadratwurzel aus der<br />

Windgeschwindigkeit in (m/s) 172 .<br />

Die auf einer Wand ankommende Solarstrahlung nimmt immer einen<br />

bestimmten Einstrahlungswinkel zur Wandebene ein. Auch dies ist zu<br />

berücksichtigen. Die in Abhängigkeit vom Luftdruck ohnehin schon reduzierte<br />

Solarstrahlung muss außerdem noch mit dem Sinus des Einstrahlungswinkels<br />

(γ) multipliziert werden. Dieser Winkel entsteht aus der Multiplikation der<br />

Sinusse des Horizontalwinkels (α) und des Vertikalwinkels (β) 173 . Die<br />

Vertikalwinkel können aus astronomischen Tabellen entnommen werden. Die<br />

Horizontalwinkel entstehen daraus, dass die Sonne Punkt 6:00 Uhr im Osten<br />

steht und um 18:00 Uhr im Westen. Stündlich rückt die Sonne um 15° von links<br />

nach rechts weiter. Südlich des Äquators verläuft die Bahn von rechts nach<br />

links. Die Sonne steht dann auch im Norden. Die Berechnungen zeigen auch,<br />

dass im Sommer die Einstrahlungsleistung auf Ost- und Westwänden größer ist<br />

als auf Südwänden. 174<br />

172 Horst Herr, Wärmelehre, Europa – Lehrmittelverlag, 2.Aufl. 1994<br />

173 Die Winkelbezeichnungen sind Festlegungen des Autors.<br />

174 Diese Berechnung zur Solarstrahlung erinnert an Berechnungen zur Positionsbestimmung in der


130<br />

Durch eine Umformung der Gleichung zur Ermittlung der Strahlungsleistung<br />

nach dem Gesetz von Stefan-Boltzmann ist es sodann möglich, die<br />

strahlungsabhängige Temperatur einer bestrahlten Fläche zu berechnen.<br />

Ungewohnt ist nach diesen Berechnungen die Erkenntnis, dass auch im Winter<br />

zeitweise erheblicher konvektiver Energieeintrag auf Außenwänden stattfindet.<br />

Entscheidend hierfür ist die Temperaturdifferenz zwischen Aussenluft und<br />

Wandoberfläche.<br />

Es ist also möglich, die energetischen Ereignisse an Außenwänden recht<br />

zuverlässig mit stündlichen Werten zu ermitteln. 175 Trennt man nun die<br />

Rechenergebnisse sauber nach Energieeintrag und Energieabtrag, erhält man<br />

eine Energiebilanz mit stündlichen Werten in der Größe (W/m²h). Diesen Wert<br />

nenne ich (Φb). Das Zeichen (Φ) 176 ist das allgemein übliche Zeichen für<br />

Wärmestrom. Das tiefgestellte (b) zeigt an, dass es sich um einen bilanzierten<br />

Wert handelt, der aus der Verrechnung von Energieein- und - abtrag<br />

zustandegekommen ist. Festgelegt ist weiterhin, dass der so eingeführte<br />

Energiebilanzwert 177 dann, wenn das Vorzeichen negativ ist, überwiegenden<br />

Energieabtrag zeigt, bei positivem Vorzeichen überwiegt der Energieeintrag.<br />

Die Berechnung des Energiebilanzwertes erfolgt in sog. „Simulationen“ zunächst<br />

stündlich 178 . Die gewonnenen Werte können nun vielfältig verwertet werden:<br />

Geht es um die Bestimmung der Spitzenleistung einer Heizanlage, sind die<br />

negativen Extremwerte über einen längeren Zeitraum im Kernwinter zu<br />

ermitteln. Diese zeigen sodann den Energiespitzenbedarf an, soweit er durch<br />

Energieabtrag an der Außenwand verursacht ist. Zeigt sich bei der Betrachtung<br />

der Energiebilanzwerte, dass der Spitzenbedarf nur selten erreicht wird, hat<br />

diese Auswirkung auf die Bauart der Heizanlage. Es kann sich nämlich<br />

herausstellen, dass in der Regel eine kleine Heizanlage ausreicht und der<br />

Spitzenbedarf durch ein Zusatzgerät gedeckt wird, das nur selten arbeitet.<br />

Damit wird der Betrieb der Heizanlage wirtschaftlicher. Die üblichen<br />

Wärmebereiter arbeiten nämlich bei Volllast am wirtschaftlichsten.<br />

Der Energiebilanzwert kann mühelos auch für einzelne Gebäudewände ermittelt<br />

Seefahrt.<br />

175 Im Anhang werden die in der Simulation verwendeten Rechenverfahren im Einzelnen dargestellt.<br />

176 Ausgesprochen „fi“.<br />

177 Diese vielfältigen und für den Heizenergieverbrauch entscheidenden Ereignisse werden in der DIN<br />

4108 nicht behandelt. Bei der Berechnung des U-Werts ist dem errechneten Wärmestrom zwar ein (αa)<br />

hinzufügen. Hierbei handelt es sich allerdings um einen Pauschalwert, der mit den tatsächlichen<br />

Vorgängen des Energieübergangs an Außenwänden nichts zu tun hat.<br />

178 Simulationen sind am Computer nachgestellte Experimente, bei denen es darauf ankommt, die<br />

natürlichen Randbedingungen so genau wie irgend möglich einzugeben.


131<br />

werden. Dies ermöglicht eine Entscheidung darüber, ob einzelne Wände in<br />

unterschiedlicher Bauart errichtet werden sollten. Was auf einer Südwand<br />

richtig ist, kann nämlich an einer Nordwand falsch sein.<br />

Entscheidend ist aber, dass der Energiebilanzwert eine Aussage über die<br />

energetische Güte einer Aussenwandkonstruktion zulässt. Damit ist er dem<br />

U-Wert überlegen. Der U-Wert stellt schließlich nur eine Materialeigenschaft<br />

dar, nämlich die Wärmeleitfähigkeit einer Wand, ohne dass hierbei energetische<br />

Vorgänge behandelt werden. Dagegen beschreibt (Φb) die Folgen eines<br />

wetterbestimmten dynamischen Prozesses mit seinen Auswirkungen auf den<br />

Verbrauch an Heizenergie.<br />

Probleme bei der Ermittlung von (Φb)<br />

Die Simulationen haben gezeigt, dass teilweise Unsicherheiten bei der<br />

Bestimmung der Parameter bestehen. Dies gilt vor allem für die Bestimmung<br />

des Wärmeübergangswertes (α) bei Konvektion. In der gesamten Fachliteratur<br />

findet sich die Aussage, dass dieser Wert nur experimentell bestimmt werden<br />

kann. Auf diese Problematik hat bereits Isaak Newton, der die Gesetzmäßigkeit<br />

des konvektiven Wärmeübergangs entdeckt hat, hingewiesen. Nun ist es aber<br />

hoch an der Zeit, dass die Forschungsinstitute uns Baumenschen endlich<br />

Wärmeübergangszahlen in Tabellen vorlegen, mit denen dann ordentliche<br />

Berechnungen angestellt werden können.<br />

Ebenso wird es Zeit, dass wir zuverlässige Werte für die Emissionskoeffzienten<br />

(ε) bekommen, die für die Berechnung von Strahlung und Absorption<br />

notwendig sind. Die in einem Anhang zur DIN 4108 angegebenen Werte für (ε)<br />

sind nämlich überwiegend falsch. Da der Energiebilanzwert (Φb) künftig den<br />

U-Wert ablösen wird, kann auf derartige Forschungsergebnisse nicht verzichtet<br />

werden.<br />

Künftige Bedeutung des U-Wertes<br />

Der U-Wert beschreibt nur eine Materialeigenschaft von Wandkonstruktionen,<br />

nämlich die Wärmeleitfähigkeit. Dieser Wert wird bei der Bestimmung der<br />

Tauzone und bei Berechnungen zur Vermeidung von Tauwasserschäden seine<br />

Bedeutung beibehalten. Auch bei der mathematischen Behandlung des<br />

zeitlichen Ablaufs von Energieverlagerungen in festen Stoffen ist er weiterhin<br />

von Bedeutung. Über die energetische Güte einer Wandkonstruktion im Hinblick<br />

auf den Verbrauch an Heizenergie vermag der U-Wert aber nichts auszusagen.<br />

Da hat er ausgedient.<br />

Technische Folgerungen aus dem Energiebilanzwert (Φb)<br />

Wir haben gesehen, dass der Heizenergieverbrauch von der Größe des<br />

Energiebilanzwertes abhängt. Wollen wir also den Heizenergieverbrauch<br />

möglichst klein halten, benötigen wir einen günstigen Energiebilanzwert. Je<br />

näher der Energiebilanzwert bei Null liegt, umso besser ist das. Ermitteln wir für<br />

den Sommer einen sehr großen positiven Energiebilanzwert, müssen wir etwas<br />

für den sommerlichen Wärmeschutz tun. Es sind also solche<br />

Fassadenkonstruktionen zu entwickeln, die das gewährleisten. Hierbei sind für


die Heizperiode zwei Forderungen zu erfüllen:<br />

1. Der exogene Energieeintrag darf nicht behindert werden.<br />

2. Der Energieabtrag muss minimiert werden.<br />

132<br />

Nur wenn beide Forderungen erfüllt werden, haben wir es mit einer energetisch<br />

richtigen Fassadenkonstruktion zu tun. Betrachten wir nach diesen Kriterien<br />

WDVS, müssen wir feststellen, dass sie das Gebäude vom exogenen<br />

Energieeintrag abkoppeln. 179 Daher versagen WDVS bei der Reduzierung des<br />

Heizenergieverbrauchs fast immer.<br />

Einen sehr günstigen Energiebilanzwert haben transluzente Fassaden (TWD).<br />

Allerdings ist der sommerliche Wärmeschutz noch ungelöst. Leider sind<br />

derartige Fassaden auch sehr teuer. Im Übrigen empfehlen die Erfinder der<br />

TWD diese Technik nur für Südseiten, womit sie ihre eigentlich sehr gute Idee<br />

ohne Not selbst schlechtreden. Ich empfehle ihnen, sich auch einmal mit den<br />

anderen Einstrahlungsquellen zu beschäftigen.<br />

Die Termosfassade<br />

Bei meinen Untersuchungen zu den energetischen Vorgängen an<br />

Gebäudeoberflächen hatte ich auch eine Idee, wie man den Energiebilanzwert<br />

günstig gestalten könnte. Dabei hat mir geholfen, dass ich auch ein recht<br />

tüchtiger Verwalter meines Junggesellenhaushalts bin. Manchmal packt mich<br />

der Putzteufel. Hierbei kam ich auf den Gedanken, dass man eigentlich auch die<br />

Innereien einer Thermoskanne einer gelegentlichen Reinigung unterziehen<br />

müsse. Bei deren näherer Betrachtung stellte ich fest, dass die<br />

energierückhaltende Wirkung von Thermoskannen auf einer sinnreichen<br />

Kombination von luftleeren Hohlräumen und reflektierenden Oberflächen<br />

beruht. Die luftleeren Räume verhindern Wärmeleitungsvorgänge, die<br />

reflektierenden Flächen behindern die Energieverlagerung von Wärmestrahlung.<br />

Ein Anruf bei einem führenden Hersteller von Thermoskannen hatte zum<br />

Ergebnis, dass man hierüber keine physikalischen Berechnungen anstellen<br />

würde. Man sei damit zufrieden, dass Thermoskannen sehr gut funktionieren.<br />

Meine Frage, was geschähe, wenn versehentlich der eingesetzte doppelwandige<br />

Glasballon über keine reflektierende Beschichtung verfügen würde, wurde damit<br />

beantwortet, dass ich die Kanne einschicken solle, damit ein richtiger Ballon<br />

eingesetzt würde – kostenlos natürlich. Würde es sich allerdings um ein<br />

Fremdfabrikat handeln, solle ich es wegschmeißen, denn es sei funktions- und<br />

wertlos. Die reflektierende Schicht sei nämlich das Wichtigste. „Aha“ dachte ich,<br />

„so ist das also“. Sodann begann ich mich, mit dem Prinzip „Thermosgefäss“ zu<br />

beschäftigen. Das physikalische Prinzip der Reflexion von Wärmestrahlung war<br />

mir bereits geläufig. Hierbei bin ich auch auf die Geschichte des<br />

Thermosgefäßes gestoßen.<br />

Da gab es also in Schottland einen Chemiker Sir James Dewar, (1842 – 1923)<br />

179 Siehe auch Prof.Karl Gertis, ehem. Leiter des Fraunhoferinstituts für Bauphysik. „WDVS koppeln die<br />

Fassade von der exogenen Energiezufuhr ab“.


133<br />

der Ende des 19. Jhdts. mit unterkühlten Flüssigkeiten experimentierte. Zur<br />

gleichen Zeit wurde die Gesetzmäßigkeit der Strahlungsleistung in Abhängigkeit<br />

von absoluter Temperatur und Emissionskoeffizient durch die österreichischen<br />

Physiker Stefan und Boltzmann herausgefunden und in dem nach ihnen<br />

benannten Gesetz berechenbar gemacht. Die Entdeckung des<br />

Strahlungsgesetzes wurde in einer wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht<br />

und hierdurch auch Sir James Dewar bekannt. Der hatte das Problem, dass<br />

seine unterkühlten Flüssigkeiten ständig wärmer und damit für ihn unbrauchbar<br />

wurden. Die Strahlungsgesetze brachten Sir James auf die Idee einer<br />

praktischen Nutzanwendung. Von einem Glasbläser ließ er sich daher Gefäße<br />

herstellen, die aus zwei ineinander steckenden Flaschen bestanden. Die äußere<br />

Flasche ließ er mit Silber beschichten, wie dies damals auch bei normalen<br />

Spiegeln üblich war. Den Hohlraum zwischen den beiden Flaschen pumpte er,<br />

so gut es ging, luftleer. Er hatte jedoch ein Dichtungsproblem dergestalt, dass<br />

sich der Hohlraum immer wieder mit Luft füllte und er daher das Problem der<br />

Eisbildung hatte. Um dem vorzubeugen, legte er Tierkohlebrocken in den<br />

Hohlraum, die die überschüssige Luftfeuchtigkeit aufnehmen sollten. Am Ende<br />

hatte Sir James seinen Zweck erreicht. Seine Experimente waren nun<br />

entscheidend erleichtert. Hätte er seine Erfindung zum Patent angemeldet,<br />

wäre er wohl ein schwerreicher Mann geworden. Daran dachte er jedoch<br />

offensichtlich nicht. Erst erheblich später gründete sich in Deutschland ein<br />

Unternehmen, welches Thermoskannen als Gebrauchsgegenstand herstellte.<br />

Heutzutage ist die Thermoskanne ein Allttagsgegenstand, der tadellos seinen<br />

Zweck erfüllt, also sowohl die Warmhaltung als auch die Kühlhaltung von<br />

Speisen und vorzugsweise von Getränken. In Wissenschaftskreisen spricht man<br />

Sir James zu Ehren immer noch vom „Dewar-Gefäss“.<br />

Unserem Altbundeskanzler Helmut Kohl wird zugeschrieben, dass er die<br />

Thermoskanne für die bedeutendste Erfindung des 20.Jhdts. hielte, weil sie<br />

wüsste, dass sie im Winter den Tee warm halten müsse und im Sommer kalt.<br />

Wie funktioniert aber nun die Thermoskanne? Betrachten wir zunächst die<br />

Warmhaltung. Wir füllen also unsere Thermoskanne mit heißem Kaffee auf,<br />

80 °C. Die innere Glasflasche erwärmt sich ruck-zuck auf die gleiche<br />

Temperatur. Glas hat einen Emissionskoeffizienten von 0,87. Die reflektierende<br />

Beschichtung an der äußeren Glasflasche hat einen Emissionskoefffizienten von<br />

0,02. Nach Stefan-Boltzmann emittiert nun die innere Glasflasche eine<br />

Strahlung von<br />

Qs = 5,67 x 0,87 [(273 + 80)/100] 4 = 765,83 W/m²<br />

Davon werden etwa 90% reflektiert. 10% werden von der reflektierenden<br />

Schicht absorbiert und führen daher zu einer Temperaturerhöhung in der<br />

äußeren Glasflasche. Die reflektierende Schicht ist aber auch nach außen ein<br />

schlechter Strahler, sodass auch dort nur ein geringer Teil auf das Gehäuse der<br />

Kanne gelangt, dort aber wiederum – da auch diese Seite meistens aus einer<br />

polierten Metallschicht besteht, zum überwiegenden Teil reflektiert wird.<br />

Unterm Strich gelingt es etwa 2% der abgestrahlten Energie letztlich in die


134<br />

Umgebung zu entfleuchen. Von den ursprünglichen 765,83 W/m² sind das<br />

runde 15 W/m². Wärmeleitung findet ohnehin wegen des annähernd luftleeren<br />

Hohlraums zwischen den Flaschen kaum statt. Es ist also eine gewaltige<br />

Verminderung des Energiedurchgangs vom Kaffee ins Freie gelungen – ohne<br />

dass auch nur ein Fuzzelchen Dämmstoff benötigt worden ist. Eine wichtige<br />

erste Erkenntnis ist also, dass es nicht unbedingt Dämmstoff sein muss, wenn<br />

es um die Verkleinerung von Energieverlagerungen geht.<br />

Auch die Kühlhaltung funktioniert bei Thermosgefässen. Dabei besteht die<br />

Aufgabe in der Fernhaltung von äußerer Energie vom Inhalt des Gefäßes.<br />

Verfolgen wir den Energiestrom sehen wir folgendes:<br />

Das Thermosgefäss steht – weil wir uns gerade im Freibad befinden – in der<br />

prallen Sonne. Ist die Oberfläche der Kanne – wie meistens – hochglänzend,<br />

wird da bereits eine Menge Strahlungsenergie reflektiert. Ein Zehntel der<br />

Strahlungsenergie wird aber dennoch absorbiert, sodass die Karosserie dennoch<br />

deutlich erwärmt wird. Das können Sie leicht selbst überprüfen, wenn Sie einen<br />

Badezimmerspiegel auf Ihrem Südbalkon aufstellen. Obwohl ein großer Anteil<br />

der Strahlungsenergie reflektiert wird, wird der Spiegel sich in verhältnismäßig<br />

kurzer Zeit deutlich erwärmen. Von der Innenseite wird daher eine beträchtliche<br />

Strahlungsenergie auf den äußeren Glaskörper gelangen. Der aber ist<br />

reflektierend beschichtet, wobei allerdings die glänzende Schicht zum<br />

Gefässinhalt hin zeigt. Die von außen kommende Wärmestrahlung wird also<br />

dort nicht reflektiert. Und dennoch gelangt diese Wärmestrahlung nicht ins<br />

Innere des Gefäßes. Wie das? Nun – Reflexion kennen wir aus dem Alltag, weil<br />

wir ja täglich in den Spiegel schauen. Reflektierende Schichten haben aber eine<br />

weitere bedeutende Eigenschaft. Im gleichen Masse, wie sie reflektieren sind<br />

sie nämlich auch ganz schlechte Strahler. Das ist, wie ich bei Vorträgen immer<br />

wieder bemerke, weniger bekannt.<br />

Auch das können Sie ganz einfach selbst überprüfen. Selbst durchgeführte<br />

Experimente sind deshalb so gut, weil man alles viel leichter begreift. Nehmen<br />

Sie also zwei gleichgrosse Platten – z.B. aus Sperrholz. Damit der Effekt besser<br />

sichtbar wird, streichen Sie beide Platten auf einer Seite mattschwarz an. Auf<br />

eine der beiden Platten kleben Sie nun ganz gewöhnliche Aluminiumhaushaltsfolie<br />

auf, auf der anderen Platte machen Sie auf der Rückseite nichts.<br />

Nun brauchen Sie noch einen Messpunkt und einen gewöhnlichen<br />

Fieberthermometer. Bringen Sie zum Schluss noch einen kleinen Batzen Plastilin<br />

auf der Vorderseite an, umhüllen diesen ebenfalls mit einem Stückchen Alufolie<br />

und dann stellen Sie beide Platten so in die Sonne, dass die mattschwarzen<br />

Seiten beschienen werden. Nach ungefähr 15 Minuten haben sich beide Platten<br />

deutlich erwärmt. Wenn Sie den Eindruck haben, dass sich die Platten nicht<br />

mehr weiter erwärmen, nehmen Sie den Fieberthermometer, stecken ihn in die<br />

Plastilinbätzchen und lesen bei beiden Platten die Temperatur ab. Da sehen Sie<br />

dann, dass die Platte mit der reflektierenden Schicht auf der Rückseite deutlich<br />

wärmer geworden ist – meisten so um die 8 K.<br />

Nun müssen wir dieses Messergebnis nur noch deuten. Jedenfalls erkennen wir,


135<br />

dass wir mit der reflektierenden Schicht das Gleiche erreicht haben, was man<br />

mit einer hinten aufgeklebten Dämmschicht hätte erreichen können. Dort wäre<br />

allerdings der temperaturerhöhende Effekt nach einer gewissen Zeit wieder<br />

verschwunden, weil sich der Dämmstoff selbst erwärmt hätte und von da ab die<br />

gleiche Strahlungsmenge emittiert hätte wie die nicht reflektierende Seite der<br />

anderen Platte.<br />

Da sich die reflektierend beschichtete Platte deutlich erwärmt hat, bleibt nur ein<br />

Schluss möglich. Reflektierende Schichten können Wärmestrahlung nur sehr<br />

schlecht abgeben. Die Wärmeenergie bleibt also in der Platte. Eine<br />

nennenswerte Dämmwirkung kann die Alufolie natürlich nicht entfalten. Im<br />

Gegenteil, die Alufolie ist bei dem Plattenaufbau die Schicht mit der höchsten<br />

Wärmeleitung. Was lernen wir daraus? Bis zu einem gewissen Grad können<br />

Dämmstoffe durch reflektierende Schichten ersetzt werden. Nun verstehen Sie<br />

auch besser, weshalb ich bei meinen Konstruktionen bei ausgebauten Dächern<br />

mit normwidrig dünnen Dämmschichten arbeite, unter denen sich allerdings<br />

reflektierende Folien befinden. Nach der gleichen Überlegung ist es auch richtig,<br />

unterhalb von Fußbodenheizungen im Bereich der Dämmstoffe an richtiger<br />

Stelle reflektierende Folien einzubauen.<br />

Nachdem ich eine zeitlang in dieser Art herumexperimentiert hatte, war ich<br />

davon überzeugt, dass man mit Hilfe reflektierender Baustoffe auch<br />

Konstruktionen entwickeln konnte, die die Energieverlagerung an Außenwänden<br />

behindern konnten.<br />

Inzwischen waren auch meine Überlegungen zur Energiebilanz soweit gediehen,<br />

dass mir bewusst war, dass in einem Punkte meine Konstruktion von der<br />

Thermoskanne abweichen musste. Sie musste auch den exogenen<br />

Energieeintrag – vorzugsweise im Winter – ermöglichen. Gelänge dies nicht,<br />

wäre meine Erfindung eigentlich nur eine Variante der Dämmtechnik gewesen,<br />

von der ich schon wusste, dass sie zur Einsparung von Heizenergie nicht viel<br />

taugte.<br />

Kurzerhand startete ich einen Freilandversuch, der so aussah, dass ich auf einer<br />

Fläche von etwa 30 m² Faserzementplatten auf der Rückseite mit<br />

hochglänzender Alufolie beklebte und diese auf einer Lattenkonstruktion an<br />

einer Hauswand anschrauben ließ. Die Fugen zwischen Latten und Hauswand<br />

und auch zwischen den Platten verschloss ich winddicht mit selbstquellenden<br />

Dichtungsbändern. Da ich davon überzeugt war, dass sich beim Versuch jede<br />

Menge Feuchtigkeit im Hohlraum, den ich später „Spalt“ nannte, ansammeln<br />

würde, formte ich die Lattenkonstruktion unten trichterförmig, sodass es<br />

möglich gewesen wäre, heraustropfendes Tauwasser aufzufangen und zu<br />

messen.<br />

Von meiner Idee unterrichtete ich auch das Institut für das Fachgebiet<br />

Allgemeiner Ingenieurbau an der Technischen Universität Berlin (Prof. Dr.-Ing.<br />

Cziesielski), das sodann meine Anregung aufgriff und im Rahmen einer


136<br />

<strong>Dipl</strong>omarbeit ein Kandidat der Ingenieurwissenschaften 180 ebenfalls einen<br />

Freilandversuch mit anschließenden Berechnungen durchführte. Bei diesem<br />

Experiment wollte man aber den Sonneneinfluss eliminieren, sodass die Platten<br />

an einer Nordwand montiert wurden. Im Verlaufe des Experiments teilte mir der<br />

Kandidat Tilman Berg mit, dass offensichtlich ein erheblicher<br />

Energieeinspareffekt vorläge, er aber nun Bedenken hätte, dies so in seiner<br />

<strong>Dipl</strong>omarbeit als Ergebnis darzustellen, da er unerfreuliche Auseinandersetzungen<br />

mit seinem Professor vermeiden wolle. Ich gab ihm den von ihm<br />

dann auch befolgten Rat, dieses Ergebnis möglichst unauffällig irgendwo in der<br />

Mitte der <strong>Dipl</strong>omarbeit zu „verstecken“, da ja kaum anzunehmen sei, dass sein<br />

Professor jede Zeile seiner Arbeit durchlesen würde. Später hat sich das<br />

allerdings als unbegründete Sorge erwiesen, da sich bei einem Gespräch, das<br />

ich selbst mit Prof. Cziesielski geführt habe, er sich der neuen Technik<br />

gegenüber als sehr aufgeschlossen gezeigt hat und auch seine Unterstützung<br />

angeboten hat, zu der es aber dann wegen seiner Emeritierung nicht mehr<br />

gekommen ist. Jedenfalls kam Berg zu dem Ergebnis, dass mittels dieser<br />

Konstruktion auf Grund der Messergebnisse und von genormten<br />

Rechenverfahren eine Energieeinsparung von 56% möglich sei.<br />

Da der Freilandversuch der TU-Berlin nur wenige Wochen durchgeführt wurde<br />

und außerdem der Sonneneinfluss völlig ausgeklammert war, habe ich dann in<br />

der gesamten Heizperiode 2002 bis 2003 an einer Ostwand und später an einer<br />

Südwand einen eigenen Freilandversuch durchgeführt, der noch ein besseres<br />

Ergebnis hatte. Zugleich meldete ich meine Erfindung zum Patent an – in der<br />

sicheren Gewissheit, dass eine derart primitive Konstruktion sicherlich bereits<br />

längst erfunden sei.<br />

Das Ergebnis meines Experiments lässt sich so zusammenfassen:<br />

Die Tauwasserproblematik besteht nicht. Bei Außentemperaturen von<br />

weniger als – 10 °C kam es auf der reflektierenden Schicht zu einer<br />

vorübergehenden Filmkondensation, die bei weiter fallenden<br />

Temperaturen in eine hauchdünne Eisschicht überging und sich bei<br />

Temperaturanstieg spurlos auflöste.<br />

Die relative Luftfeuchtigkeit (r.L.) im Spalt stellte sich auf einen sehr<br />

gleichmäßigen Wert von 62% ein, der nur geringfügigen Schwankungen<br />

unterworfen war, was auf einen sich selbst regelnden Prozess im Spalt<br />

hindeutete.<br />

Die Temperatur im Spalt lag immer deutlich über der<br />

Aussenlufttemperatur. Bei der Auswertung der Messungen zeigte sich,<br />

dass mit fallender Außentemperatur die Differenz zur Spalttemperatur<br />

zunahm. Bei Aussenlufttemperaturen ab etwa 28 °C glichen sich<br />

Spalttemperatur und Aussenlufttemperatur an.<br />

180 <strong>Dipl</strong>.-Ing. Tilman Berg, Bestimmung der Wärmeverluste durch einschichtige Wandkonstruktionen<br />

bei nachträglicher Anordnung reflektierender Schichten im Bereich nichthinterlüfteter Bekleidungen,<br />

Fachgebiet Allgemeiner Ingenieurbau bei Prof. Dr. E. Cziesielski, 2002.


137<br />

Damit war erwiesen, dass das unmittelbar an der Außenwand anliegende<br />

Kleinklima deutlich wärmer wurde und sich damit auch das Temperaturgefälle<br />

von innen nach außen verkleinert hatte. Das Gebäude befand sich somit „in<br />

einer wärmeren Zone“.<br />

Nachdem ich die Temperaturen im Spalt in einem kartesischen Diagramm<br />

aufgetragen hatte, war erkennbar, dass zwischen der Entwicklung der<br />

Außentemperatur (Ta) und der Spalttemperatur (Ts) eine linear – proportionale<br />

Beziehung bestand, die sodann zu einer Geradengleichung nach der Punkt-<br />

Steigungsform folgender Form geführt hat:<br />

Ts = (Ta x 0,7) + 8 in (°C)<br />

Hierbei ist 0,7 der Tangens der Geradensteigung zur x-Achse und die Konstante<br />

8 die Spalttemperatur bei einer Außentemperatur von 0 °C. Dieses Ergebnis<br />

führte zu zwei wichtigen Erkenntnissen:<br />

Die Konstruktion ist umso wirksamer, je kälter es ist. Der Temperaturanstieg im<br />

Spalt ist bei etwa 28 °C begrenzt, sodass auch ein guter sommerlicher<br />

Wärmeschutz gegeben ist – ja, man kann diese Konstruktion auch höchst<br />

erfolgreich in heißen Ländern zur Entlastung von Klimaanlagen einsetzen.<br />

Was sind nun die wesentlichen energetischen Ereignisse bei dieser<br />

Konstruktion, die ich später „Termosfassade“ - wegen der Ähnlichkeit der<br />

Wirkungen bei einer Thermoskanne - getauft habe?<br />

Wer bis dahin das Bisherige einigermaßen verstanden hat, wird auch noch den<br />

Rest verstehen:<br />

Die reflektierende Schicht auf der Platte remittiert Wärmestrahlung, die<br />

vom Gebäude ausgeht, zu etwa 90%.<br />

Der Rest dieser Wärmestrahlung wird von der Platte absorbiert, was zu<br />

einer geringfügigen Temperaturerhöhung führt.<br />

Bei geringen Temperaturgegensätzen zwischen (Ta) und (Ts) ist die Luft<br />

im Spalt stehend und damit ein guter Dämmstoffersatz.<br />

Die Wandoberfläche wird von bewegter Luft abgekoppelt, sodass ein<br />

erhöhter konvektiver Energieabtrag nicht stattfindet.<br />

Bei Erwärmung der Platte durch Sonneneinstrahlung kommt es zu einem<br />

großen Temperaturunterschied zwischen Platte und Wand, sodass die<br />

Spaltluft verwirbelt und hierbei konvektiv Wärmeenergie von der Platte<br />

zur Wand verfrachtet wird.<br />

Bei gelegentlichen Kondensationsvorgängen auf der reflektierenden<br />

Schicht wird – allerdings nur in geringem Masse – Kondensationswärme<br />

freigesetzt. Bei der Umwandlung des Kondensats in Eis wird<br />

Eiskristallisationswärme frei.<br />

Die reflektierende Schicht emittiert nur eine geringe Wärmestrahlung zur<br />

Wand hin, sodass der Temperaturanstieg im Spalt nach oben begrenzt<br />

ist. (Sommerlicher Wärmeschutz)


138<br />

Zu meiner eigenen Überraschung und Freude wurde letztlich meine Erfindung<br />

auch noch patentiert, sodass ich nun in der Art eines absolutistischen<br />

Herrschers über eine Bauweise verfüge, die zu einer erheblichen<br />

Energieeinsparung führt. Die später auf Anregung der Bundesregierung<br />

durchgeführten Simulationen verglichen eine unverkleidete Wand mit einer<br />

Wand, an der eine Thermosfassade angebracht war. Die hierbei errechneten<br />

Energiebilanzwerte als Durchschnittswert über eine gesamte Heizperiode<br />

lauten:<br />

Unverkleidete Wand Φb = - 21,8 W/m²h<br />

Thermosfassade Φb = - 1,8 W/m²h<br />

Die Thermosfassade führt also zur Verbesserung des Energiebilanzwertes um<br />

den zwölffachen Betrag. Aus Mitleid mit der betroffenen Industrie habe ich<br />

bisher auf eine Berechnung des Energiebilanzwertes bei WDVS verzichtet, weil<br />

bei dieser Technologie ja leider der exogene Energieeintrag nahezu auf den<br />

Wert Null absinkt. Damit ist aber auch das Ergebnis der GEWOS-Studie erklärt,<br />

die einen Anstieg des Heizenergieverbrauchs nach Montage von WDVS um 17%<br />

gezeigt hat. Vorausgesetzt, dass eine Außenwand wegen ihrer Bauweise einen<br />

ausreichend kleinen U-Wert hat, der Tauwasserbildung auf der<br />

Wandinnenfläche und in dort benachbarten Zonen verhindert, ist der<br />

Energiebilanzwert einer „nackten“ Mauer besser als der einer mit einem<br />

Dämmsystem ausgerüsteten Hüllfläche.<br />

Weitere Entwicklung energieeinsparender Bauweisen<br />

Das bauphysikalische Modell, das zur Ermittlung des Energiebilanzwertes führt,<br />

der ausschlaggebend für die energetische Güte einer Fassadenkonstruktion ist,<br />

wird zu neuen Technologien im Fassadenbau führen. Günstig in dieser Hinsicht<br />

sind bereits jetzt transluzente Fassadenverkleidungen und die von mir<br />

erfundene Termosfassade. Ziel aller diesbezüglichen Neuentwicklungen muss es<br />

sein, den exogenen Energieeintrag zu ermöglichen und den Energieabtrag an<br />

der Gebäudeoberfläche möglichst klein zu halten. Die bisherige Auffassung,<br />

dass es nur darauf ankäme, den Energiedurchgang der von der Heizanlage<br />

herstammenden Wärmeenergie auf Ihrem Weg durch die Gebäudehüllflächen<br />

zu vermindern, um diesen Preis aber den Energieeintrag zu vernachlässigen, ist<br />

nicht haltbar. Will die Dämmstoffindustrie überleben, muss sie eine Technologie<br />

entwickeln, die auch den exogenen Energiezufluss ins Gebäude ermöglicht. 181<br />

Wie sie das erreicht, bleibt dem Erfindergeist überlassen. Zugleich muss der<br />

sommerliche Wärmeschutz erreicht werden.<br />

Die Passivhausleute habe diese Problematik schon vor langem erkannt. Ihre<br />

Lösung sieht so aus, dass der von innen nach außen geführte Wärmestrom mit<br />

extrem dicken Dämmschichten behindert wird, die exogene Energie über<br />

Solarkollektoren mittels einer aufwändigen Technik ins Haus geleitet wird.<br />

181 Einer der führenden Hersteller von WDVS, die Sto AG hat das schon gemerkt, weshalb er bereits an<br />

TWD mitwirkt.


139<br />

Allerdings setzen sie nur auf unmittelbare Sonneneinstrahlung. Sie haben<br />

übersehen, dass die überwiegende Menge an exogener Energie jedoch der<br />

Einstrahlung aus der Umgebung entstammt. Diese Bauweise ist außerordentlich<br />

teuer, mit verschleißender Technik überfrachtet und daher in aller Regel extrem<br />

unwirtschaftlich.<br />

Bei transluzenten Fassadenkonstruktionen kommt es darauf an, den<br />

sommerlichen Energieüberschuss abzuführen und – wenn es sinnvoll lösbar ist<br />

– sogar nutzbar zu machen. Hierbei geht es darum, große Luftmengen mit einer<br />

Mindestströmungsgeschwindigkeit von geschätzt wenigstens 2m/s<br />

durchzuleiten. Mit entsprechender Maschinentechnik ist das lösbar. Allerdings<br />

muss hierbei auch das Problem der Verstaubung im Hohlraum gelöst werden.<br />

Ich bin darauf gespannt, was da den Ingenieuren noch alles einfallen wird.<br />

Bei der Thermosfassade, deren Spalt von der Aussenluft abgekoppelt ist,<br />

besteht dieses Problem nicht. Die Freilandversuche haben auch gezeigt, dass<br />

die gelegentliche Kondensatbildung auf der reflektierenden Fläche keine Spuren<br />

hinterlässt. Tauwasser ist ja Wasser in seiner reinsten Form, nämlich ein<br />

Destillat.<br />

Wenn sich nun in Bälde die Erkenntnis durchsetzen wird, dass eine<br />

energiesparende Fassadentechnik für exogene Energie aufnahmefähig sein<br />

muss, kommt von da ab der Wärmespeicherungsfähigkeit von Außenwänden<br />

wieder Bedeutung zu. Der exogene Energieeintrag benötigt nämlich<br />

wärmespeichernde Substanz, in der die Energie deponiert werden kann.<br />

Andererseits gibt es im Bauwesen die Tendenz zu sehr leichten und<br />

massearmen Hüllkonstruktionen. Ich überlege manchmal, ob man nicht den<br />

besten Wärmespeicher Wasser als Baustoff entdecken sollte. Eine 10 cm dicke<br />

Wasserschicht hat bereits die Wärmekapazität einer 40 cm dicken Ziegelwand.<br />

Wer hindert uns eigentlich daran, in der Fassade Wasserleitungen zu verlegen,<br />

die exogene Energie aufnehmen. Wie diese Energie sodann verwertet wird, ist<br />

dann ein geringeres Problem. Ansätze in dieser Richtung gibt es schon und es<br />

ist zu erwarten, dass hier weiterer technischer Fortschritt geschehen wird.<br />

Optimal wären Baustoffe mit richtungsabhängiger unterschiedlicher<br />

Wärmeleitfähigkeit, die bewirken, dass der von außen kommende Energiestrom<br />

nach innen zügig geleitet wird, während Wärmeenergie auf dem Weg von innen<br />

nach außen behindert wird. Noch besser wäre ein derartiger Baustoff, wenn<br />

diese Eigenschaften geschaltet werden könnten. Es gibt also noch jede Menge<br />

Forschungs- und Entwicklungsarbeit zu leisten.<br />

Abschließend noch ein paar Worte zur Dämmfähigkeit von Hüllkonstruktionen:<br />

Auch weiterhin müssen Hüllkonstruktionen einen ausreichenden Dämmwert<br />

haben. Mit Energieeinsparung hat das aber sehr wenig zu tun. Dämmstoffe<br />

verzögern den Energiedurchgang, soweit er durch Wärmeleitung in festen<br />

Stoffen bewirkt wird. Der zeitliche Ablauf des Energiedurchgangs wird also<br />

beeinflusst. Die wichtigste Wirkung der Dämmung besteht aber darin, dass das


140<br />

Temperaturniveau des außen gedämmten Bauteils angehoben wird. Eine Wand<br />

mit Aussendämmung ist somit wärmer. Betrachtet man die einschlägigen<br />

Diagramme, sieht man, dass innerhalb des gedämmten Wandaufbaus die<br />

Temperatur weniger steil abfällt als beim ungedämmten Bauteil. Dafür<br />

vergrößert sich jedoch das Temperaturgefälle in der Dämmschicht, sodass sich<br />

letztlich an der Menge der durchgeleiteten Wärmeenergie nichts ändert. Der<br />

eigentliche Nutzen der Aussendämmung besteht darin, dass wegen des<br />

höheren Temperaturniveaus der gedämmten Wand zumindest auf der<br />

Innenfläche keine Tauwasserbildung stattfindet. 182 Meistens befindet sich der<br />

Taupunkt außerhalb der Wand, aber innerhalb des Dämmstoffes. Wir werden<br />

also auch künftig ausreichend gedämmte Wandkonstruktionen herstellen<br />

müssen. Bei der Termosfassade leistet das die vor der Wand befindliche<br />

stehende Luftschicht von ca. 25 – 40 mm Dicke. Diese Luftschicht hat den<br />

Vorteil, dass sie nichts kostet. Sie entspricht etwa einer Dämmstoffdicke aus<br />

Schaumkunststoffen von 35 – 60 mm. Zur Tauwasserverhütung ist das völlig<br />

ausreichend. Für alterprobte Baumenschen ist das alles ungewohnt. Wir müssen<br />

uns aber immer klar darüber werden, dass Wärmeleitung in der Wand kein<br />

Energieverlust ist sondern nur eine Art der Energieverlagerung immer noch<br />

innerhalb der Bausubstanz. Befindet die Energie sich noch in der Bausubstanz,<br />

kann daher nicht von Energieverlust gesprochen werden. Heizkosten entstehen<br />

erst dann, wenn die Energie das Gebäude an der Oberfläche auf<br />

Nimmerwiedersehen verlässt. Dieser Vorgang hat aber mit der Wärmeleitung im<br />

Baustoff nichts zu tun solange alle Messungen zeigen, dass die<br />

Wandoberflächen bei Gebäuden völlig unabhängig von der Bauart, ob gedämmt<br />

oder ungedämmt, mit oder ohne Thermosfassade bei gleichen Wetterzuständen<br />

gleich sind. Meine Simulationen zeigen dagegen, dass die<br />

Oberflächentemperaturen von Außenwänden nahezu ausschließlich von der<br />

exogenen Strahlungsleistung aus der Umgebung und aus gelegentlicher<br />

Solarstrahlung entstehen und keineswegs dadurch, dass die Raumerwärmung<br />

sich bis zur Oberfläche des Gebäudes durcharbeitet. Der Beheizungszustand<br />

ordentlich gebauter Häuser hat also mit der Oberflächentemperatur nichts zu<br />

tun. Das ist neu und ungewohnt – ich gebe es zu. Und dennoch müssen wir<br />

begreifen, dass der Energieabtrag an Außenwänden nur vom Energiegefälle<br />

zwischen Umgebung und Aussenwandoberfläche abhängt – und von sonst<br />

nichts. Wenn das aber so ist, muss eine energieeinsparende Fassadentechnik<br />

dieses Energiegefälle beeinflussen. Transluzente Fassadenkonstruktionen und<br />

auch die Termosfassade leisten das, da beide Konstruktionen zur Verkleinerung<br />

des Energiegefälles führen. Vielleicht hat irgendwer eines Tages eine noch<br />

bessere Idee.<br />

Energieeinsparende Fassadenanstriche<br />

Neuerdings werden Fassadenanstriche angeboten, die der Energieeinsparung<br />

dienen. Die Wirkung dieser Anstriche beruht darauf, dass sie einen<br />

verhältnismäßig geringen Emissionskoeffizienten haben, was dazu führt, dass<br />

182 Die dabei erzielte Energieeinsparung beruht im Wesentlichen auf dem geringeren Temperaturgefälle<br />

zwischen Raumluft und Wandinnenoberfläche und dem damit verminderten konvektiven Energieübergang.


141<br />

die Abstrahlungsleistung verkleinert wird. Das Fraunhoferinstitut für Bauphysik<br />

hat das untersucht und bestätigt. Ob dennoch damit Heizenergie eingespart<br />

werden kann, halte ich für fraglich, zumal die Hersteller dieser Anstriche zu<br />

Behauptungen neigen, die bei näherer Überprüfung sich als – milde<br />

ausgedrückt - irreführend erweisen. Zwischen dem Bundesverband WDVS und<br />

den Farbenherstellern wird daher auch munter prozessiert.<br />

Es ist eine Gesetzmäßigkeit im Bereich der Strahlenphysik, dass schlechte<br />

Strahler – wie diese Farben – gute Reflektoren sind. Wäre es nicht so, stünden<br />

wir vor der wundersamen Energievermehrung und das perpetuum mobile<br />

stünde alsbald vor seiner Produktionsreife. Solange da keine genauen<br />

Messwerte vorliegen, gehe ich vorsichtshalber davon aus, dass hier ein<br />

typisches Nullsummenspiel stattfindet. Sind diese Anstriche – wie zu vermuten<br />

ist – auch gute Reflektoren, findet eine entsprechend schlechte Absorption von<br />

exogener Einstrahlung statt, was besagt, dass eingestrahlte Energie von<br />

derartigen Anstrichen abgewiesen wird.<br />

Will daher der Hersteller dieser Anstriche aus dem Verdacht der unlauteren<br />

Werbung herauskommen, muss er die Karten auf den Tisch legen. Das ist nach<br />

meiner Überzeugung nur dadurch möglich, dass physikalische Daten bekannt<br />

gemacht werden, insbesondere durch wellenlängenabhängige Emissionskoeffizienten.<br />

Dabei könnte sich durchaus zeigen, dass die verhältnismäßig<br />

kurzwellige exogene Einstrahlung, zu der ja auch die UV-Strahlung gehört, sehr<br />

gut absorbiert wird, während die langwellige Abstrahlung vom Gebäude nur<br />

gering emittiert wird. Würde das funktionieren, wäre das in der Tat eine sehr<br />

gute Sache. Es verbleibt aber dann immer noch die Frage, wie sich die<br />

Oberflächen bei zunehmender Verschmutzung verhalten, mit der ja zu rechnen<br />

ist. Ich bin also neugierig. Die Idee, die hinter dieser Technologie steht, ist<br />

jedenfalls beachtenswert.<br />

Schall<br />

Welche Energien Schall freisetzen kann, ist schon in der Bibel nachlesbar. Die<br />

Israeliten brachten mit dem Lärm von Posaunen die Stadtmauern von Jericho<br />

zum Einsturz. Vermutet wird, dass das die Wirkung niederfrequenter<br />

Schallwellen war. Demzufolge müssen die damaligen Posaunen größer als<br />

Alphörner gewesen sein, denn nur solche instrumentalen Ungetüme können<br />

niederfrequente Schallwellen auslösen. 183 Wie hat das aber funktioniert?<br />

Da spielt das Phänomen der Resonanz eine Hauptrolle. Aus der Schulzeit ist uns<br />

noch der Versuch unseres Physiklehrers in Erinnerung, der zwei Stimmgabeln<br />

mit dem Kammerton a` in etwa 3 m Entfernung aufgebaut hat, meistens auf<br />

einem Resonanzkasten aus Holz. Dann hat er eine der Stimmgabeln<br />

angeschlagen und fast ohne Verzögerung hat sodann die zweite Stimmgabel<br />

ebenfalls und in gleicher Lautstärke zu tönen begonnen. Hat er den Versuch<br />

183 Es kann aber auch daran gedacht werden, dass niederfrequente Schallwellen aus Schwebungen gewonnen<br />

werden können, die dann entstehen, wenn zwei Schallerzeuger Töne mit geringen Frequenzunterschieden<br />

produzieren. Das kann man auch mit höher tönenden Instrumenten bewerkstelligen.


142<br />

abgeändert und eine anders klingende Stimmgabel verwendet, geschah nichts.<br />

Resonanz fand aber auch statt, wenn eine der Stimmgabeln eine Oktav höher<br />

oder niedriger gestimmt war. Ebenso auch, wenn der Tonhöhenunterschied<br />

eine reine Quinte war, dann allerdings schwächer.<br />

Schon die alten Griechen wussten über Schall eine ganze Menge. Ihre riesigen<br />

Freilufttheater sind für ihre hervorragende Akustik berühmt. Das Problem<br />

bestand darin, dass auch auf den weit von der Bühne entfernten Plätzen die<br />

Rede und der Gesang der Schauspieler gut hörbar sein mussten. Mikrofone und<br />

Lautsprecher gab es noch nicht. Stattdessen trugen die Schauspieler Masken,<br />

die als Hohlkörper den Schall enorm verstärkt haben. Die Wirkung können Sie<br />

selbst ausprobieren. Nehmen Sie einen gewöhnlichen Blecheimer uns sprechen<br />

da hinein. Ihre Kinder werden diese Technik begeistert aufgreifen und fortan<br />

aus purer Gaudi einen Heidenlärm veranstalten. Eine weitere Technik zur<br />

Verbesserung der Akustik bestand darin, dass zwischen den Sitzreihen<br />

Tongefässe unterschiedlicher Größe und nach einem von uns nicht mehr<br />

beherrschten System mit der Öffnung nach vorne aufgestellt worden sind, die<br />

als Resonanzkörper den Schall verbreitet haben.<br />

Derartige Ereignisse zeigen uns, dass Schallenergie durch Luft übertragen wird.<br />

Was geschieht da also genau? Wenn wir uns das klar machen, verstehen wir<br />

alles, was mit Luftschall zu tun hat, besser. Betrachten wir also die Luft.<br />

Luft ist ein Gemisch aus Stickstoff, Sauerstoff, etwas CO2, einigen Edelgasen,<br />

leider auch von Beimengungen zivilisatorischer und natürlicher Herkunft, die<br />

meistens unserer Gesundheit schaden, und außerdem von erheblichen Mengen<br />

an Wasserdampf. All das schwingt, allerdings in so hohen Frequenzbereichen,<br />

dass sie für uns unhörbar sind. Außerdem steht die Luft unter Druck, der seine<br />

Ursache in der Erdanziehungskraft hat, und der umso höher ist, je mehr Luft<br />

aufeinander liegt. Daher ist der Luftdruck in großen Höhen geringer als auf<br />

Meereshöhe. Der Luftdruck presst die Luftteilchen zusammen, die ihrerseits in<br />

heftigen Schwingungszuständen sind und daher auch sehr häufig miteinander<br />

zusammenstoßen. Betrachten wir uns das aus größerer Entfernung, sehen wir –<br />

wir sehen natürlich nichts – dass das Luftgemisch unter Spannung steht. Wie<br />

eine Saite. In großen Höhen mit geringerer Luftdichte ist die Schallübertragung<br />

übrigens erheblich schlechter. Auf dem Mond können Sie schreien so laut wie<br />

sie wollen. Niemand hört Sie dort.<br />

Befindet sich nun in diesem Spannungsfeld z.B. eine Stimmgabel, schwingt<br />

diese hin und her, beim Kammerton a mit etwa 405 Schwingungen in der<br />

Sekunde. Die Physiker sagen hierzu, dass die Frequenz des Kammertons a 405<br />

Hertz (Hz) beträgt. Da knallt also jetzt die Flanke der Stimmgabel in das unter<br />

Druckspannung stehende Luftgemisch und gegen die Luftteilchen. Die<br />

Luftteilchen haben das Bedürfnis, untereinander immer möglichst gleichmäßige<br />

Abstände zu haben, die sie auch brauchen, weil sie sonst nicht ungehindert<br />

schwingen können. Schiebt nun eine Stimmgabel ein Luftteilchen nach vorne<br />

oder zu Seite, wird dieses das benachbarte Teilchen ebenso weiterschieben.<br />

Durch die Weitergabe dieses Energieimpulses von Teilchen zu Teilchen kommt


143<br />

es letztlich dazu, dass die Störungen irgendwo auftreffen, z.B. auf dem<br />

Trommelfell des Ohres oder auf einem anderen schwingfähigen Material, das<br />

nun im gleichen Masse zu schwingen beginnt, wie die Stimmgabel. Damit wird<br />

das angeregte Material nun selbst schwingen – genau in der Frequenz der<br />

Stimmgabel – und wird nun selbst die angrenzenden Luftteilchen anregen. Das<br />

Ganze geschieht mit hoher Präzision, sodass Musikliebhaber mit geschulter<br />

Hörerfahrung feinste Klangunterschiede bemerken und sagen können, ob ein<br />

Geigenkonzert auf einer Stradivari oder auf der meines Geigenbauers Sebastian<br />

Muthesius – den ich hiermit empfehlen möchte – gespielt wird. Der ungeschulte<br />

Hörer wird keine Unterschiede feststellen. Diese Präzision der Schallübertragung<br />

ist der Feinheit der Luft zu verdanken, die man so interpretieren kann wie das<br />

extrem hohe Auflösungsvermögen einer Digitalkamera. Zu vermerken ist noch,<br />

dass die Energiebeträge, um die es hier geht, beachtlich hoch sind, wie man am<br />

Fall der Mauern von Jericho sehen kann. Dort ist den Israeliten nämlich das<br />

Kunststück gelungen, die Eigenfrequenz der Stadtmauern herauszufinden und<br />

sodann Töne mit dieser Frequenz zu erzeugen. Hierdurch begannen die Mauern<br />

zu schwingen. Der innere Zusammenhalt der Mauern ging dadurch verloren und<br />

wahrscheinlich sind sie regelrecht zerbröselt. Wir können vermuten, dass<br />

Jerichos Mauern auch ein ziemliches Pfuschwerk waren. Da kam also eines zum<br />

anderen.<br />

Versuchen Sie einmal, Wasser mit Öl zu vermischen. Da können Sie den<br />

Schneebesen noch so heftig traktieren. Letztlich wird das Öl wieder oben<br />

schwimmen und das Wasser bleibt unten. Mit Schallenergie schaffen Sie das<br />

aber ganz leicht, vor allem wenn sie mit Ultraschall arbeiten, also mit Tönen<br />

sehr hoher Frequenz. Was mit sonstigen mechanischen Verfahren völlig<br />

aussichtslos war, ist nun gelungen. Das Ergebnis nennt sich übrigens Emulsion.<br />

Der sehr energiereiche Ultraschall war in der Lage, das Öl in einzelne Teilchen<br />

zu zerlegen, also die Bindungskräfte aufzubrechen, die so hoch sind, dass trotz<br />

der enormen Beanspruchung Öl in einem Motor einen geschlossenen<br />

Schmierfilm bildet.<br />

Dass die Druckwellen in der Luft ungeheuere Energien verkörpern können,<br />

kennen wir auch aus anderen Vorgängen. Durchbricht ein Flugzeug die<br />

Schallgeschwindigkeit, entsteht eine Druckwelle, die Fenster zerbricht. Durch<br />

Verkehrslärm werden Gebäude zum Schwingen angeregt. Letztlich kann mit<br />

Schall sogar Leben vernichtet werden. Das Phänomen Schall ist also – obwohl<br />

wir nichts davon sehen können – energetisch beachtlich groß und somit auch<br />

bedeutend im Bauwesen.<br />

Nicht nur Luft dient als Schallträger sondern jeder Stoff der wegen seiner<br />

Struktur schwingungsfähig ist, also auch Festkörper und Flüssigkeiten. Nicht<br />

schwingungsfähige Stoffe sind zur Schallübertragung nicht fähig, also alles, was<br />

einen schlappen Eindruck macht, Bettfedern zum Beispiel. Dort dringt zwar die<br />

Schallenergie auch ein, wird aber nicht weitergeleitet. Trotzdem geschieht mit<br />

der eingedrungenen Schallenergie etwas – wir haben ja schließlich den<br />

Energieerhaltungssatz. In den Nichtschallleitern wird die Schallenergie<br />

absorbiert und führt – wie bei der Absorption von Lichtwellen – zur Erwärmung


144<br />

des Stoffes. Glauben Sie aber nicht, dass man auf dieser Grundlage ein<br />

Heizsystem entwickeln könnte. Dazu reicht die Energie nun doch nicht aus.<br />

Oder doch ?<br />

Soweit wir den baulichen Schallschutz im Auge haben, kennen wir nun die<br />

wesentlichen physikalischen Hintergründe. Da gibt es aber auch noch das<br />

Problem der Akustik. Wenn wir dieses behandeln, stoßen wir noch zusätzlich<br />

auf die Reflexion von Schall. Den Leser bitte ich noch um etwas Geduld.<br />

Vorerst beschäftigen wir aber uns mit der technischen Lösung des baulichen<br />

Schallschutzes in Gebäuden, wo es darum geht, dass Lärm sich nicht<br />

ungehindert ausbreitet und Ärger und Unfrieden auslöst. Hierbei trennen wir<br />

das Problemfeld in zwei Teile auf und zwar in:<br />

Luftschallschutz, der für sich noch einmal in Schallschutz gegen<br />

Aussenlärm und Lärm innerhalb des Bauwerks aufgeteilt wird, und<br />

Körperschallschutz – auch Trittschallschutz genannt.<br />

Was verstehen wir darunter? Zunächst aber einmal keine Bange. Ich werde Sie<br />

nicht mit schalltechnischen Berechnungen plagen. Die überlassen wir besser<br />

dem Profi. Hier genügt es, dass wir uns das Grundwissen aneignen, das für<br />

richtige Konstruktionen normalerweise ausreicht. Außerdem: Alle<br />

schalltechnischen Berechnungen sind Vereinfachungen von sehr komplizierten<br />

Sachverhalten und daher nur sehr eingeschränkt zuverlässig.<br />

Luft- und Trittschallschutz im Gebäude<br />

Dabei geht es darum, den Lärm daran zu hindern, von einem Raum in den<br />

anderen zu gelangen. Lärm kann durch Wände dringen, aber auch durch die<br />

Decken nach unten und oben. Grundsätzlich gibt es da zwei Methoden. Wir<br />

können schwere Massen verwenden. Stahlbetondecken sind ausreichend<br />

schwer. Mauerwerk von wenigstens 24 cm Stärke, beidseitig verputzt reicht im<br />

Normalfall ebenfalls aus. Die Wand sollte ein Flächengewicht von wenigstens<br />

400 kg/m² haben. Bei den Decken haben wir üblicherweise einen Aufbau mit<br />

schwimmenden Estrichen, einen mehrschaligen Aufbau also mit Wirkungen<br />

ähnlich einer schalldämmenden Vorsatzschale, zu der wir gleich kommen,<br />

sodass wir hierdurch fast immer einen ausreichenden Luftschallschutz<br />

bekommen. Die Wirkung dieser schweren Konstruktionen besteht darin, dass<br />

die Schallenergie nicht ausreicht, die Massen in Schwingung zu versetzen. Die<br />

Energie müsste nämlich die Massenträgheit der Bauteile überwinden.<br />

Allerdings haben Decken und Wände sehr oft Schwachstellen. Das sind<br />

Leitungsschlitze, Durchbrüche und Aussparungen für Nischen und so fort. Diese<br />

sind im Entwurf zu vermeiden. Denn die verminderte Schalldämmung bei<br />

derartigen Schwachstellen reicht aus, um Ärger mit dem Nachbarn auszulösen.<br />

Ganz schlimm sind vor der Wand geführte Heizungssteigleitungen. Sie sind<br />

perfekte Schallüberträger, wobei die angeschlossenen Heizkörper sich wie<br />

Schallempfänger und Lautsprecher verhalten. Derart gebaute Heizanlagen sind<br />

kompletter Murks, hier in Berlin aber der Normalfall bei modernisierten


145<br />

Altbauwohnungen. Als hervorragende Schallüberträger dienen auch<br />

Schornsteine, vor der Wand verlaufende Wasser – und Abwasserleitungen. Es<br />

gibt also genügend Möglichkeiten zum Sündigen.<br />

Nun gibt es aber nicht nur die masserreiche Massivbauweise. Die Leichtbauweisen<br />

haben keine Stahlbetondecken oder dicke Ziegelmauern. Da müssen wir<br />

also tricksen und unsere physikalischen Grundkenntnisse über Resonanz<br />

praktisch anwenden.<br />

Zuvor zum besseren Begreifen noch ein kleines Experiment, das Sie<br />

durchführen sollten: Gehen Sie in Ihr Badezimmer und klopfen Sie gegen den<br />

Badezimmerspiegel, der an vier Stellen mit Spiegelklammern befestigt ist. Sie<br />

werden ein Mischgeräusch hören, das aus allen möglichen Frequenzen<br />

zusammengesetzt ist. Nun hängen Sie den Spiegel aus und halten ihn nur noch<br />

mit zwei Fingern fest und lassen Sie ihn so herunterhängen. Lassen Sie ihn aber<br />

nicht fallen, weil es sonst Ärger mit der Hausfrau gibt. Klopfen Sie wieder gegen<br />

den Spiegel, Sie werden nun einen schönen, glockenartigen Ton hören, der nur<br />

noch aus einer Frequenz besteht. Nun hängen Sie den Spiegel wieder ein.<br />

Wir hören also, dass eine eingespannte Platte in vielen Frequenzen schwingt,<br />

eine freischwingende Platte nur in ihrer Eigenfrequenz.<br />

Nun müssen wir uns nur noch vorstellen, dass eine fest eingespannte Platte<br />

gegenüber der Querwand wie ein Hebel wirkt, über den die Schwingungsenergie<br />

in die Querwand eingeleitet wird.<br />

Mit diesen Grundkenntnissen ausgerüstet, können wir bereits eine gut<br />

funktionierende schalldämmende Vorsatzschale bauen. Wir kleben als erstes<br />

eine verhältnismäßig stabile Mineralwolleplatte an die Wand. Darauf wird nun<br />

beispielsweise eine Gipskartonplatte geklebt. Hierbei müssen wir darauf achten,<br />

dass die Gipskartonplatte an allen vier Seiten mindestens einen Abstand von 5<br />

mm einhält. Die Fuge können wir mit einem weichen Material ausfüllen. Zum<br />

Schluss streichen oder tapezieren Sie Ihr Kunstwerk. Aber auch Tapeten dürfen<br />

den 5 mm – Spalt nicht überbrücken. Sollen in die Vorsatzschalen<br />

Schalterdosen eingesetzt werden, dürfen diese unter gar keinen Umständen die<br />

dahinter liegende Wand berühren. Sie wären dann nämlich üble Schallbrücken,<br />

die wie ein Stimmstock in einer Geige wirken würden. Außerdem müssen Sie<br />

die Information verbreiten, dass in die Vorsatzschale keinerlei Nägel oder<br />

Schrauben eingesetzt werden dürfen, die die verkleidete Wand berühren.<br />

Wen Sie das alles beachtet haben, werden Sie bei einem Test feststellen, dass<br />

der Schalldurchgang durch die Wand sich so stark verringert hat, dass man von<br />

Schalldichtigkeit sprechen kann. Wie funktioniert das Ganze?<br />

Die frei schwingende Platte kann nur noch in Ihrer Eigenfrequenz schwingen.<br />

Fast immer sind das Niederfrequenzen im nicht mehr hörbaren Bereich. Dass<br />

die alte Wand ausgerechnet die gleiche Eigenfrequenz hat, ist so<br />

unwahrscheinlich wie ein Sechser im Lotto. Eine Resonanz zwischen


146<br />

Vorsatzschale und Wand ist also unmöglich. Die Mineralwolle im Hohlraum ist<br />

ein ausgezeichneter Schallschlucker. Der Hohlraum ist somit schalltot. Da die<br />

Vorsatzschale zu den angrenzenden Konstruktionen keine Verbindung hat, kann<br />

auch dort kein Schall übertragen werden. Die sog. „Flankenleitung“ ist also<br />

unterbunden.<br />

Müssen wir Decken schalldämmend herstellen, wird prinzipiell das Gleiche<br />

gemacht. Dort werden die Gipskartonplatten jedoch an Drähten befestigt, die<br />

unterbrochen sind und dort eine Gummiverbindung haben. Der Hohlraum<br />

zwischen neuer Unterdecke und alter Decke wird ebenfalls mit Mineralwolle<br />

ausgefüllt, sodass auch dort ein schalltoter Raum entsteht.<br />

Wichtig bei diesen Konstruktionen ist eine große handwerkliche Sorgfalt und es<br />

schadet bestimmt nicht, dass man den Handwerkern die Funktionsweise<br />

schalldämmender Vorsatzschalen erklärt und sie nicht blind vor sich hinwursteln<br />

lässt.<br />

Zur Vermeidung von Luftschall durch Decken dienen die schwimmenden<br />

Estriche, die prinzipiell genau so aufgebaut sind wie schalldämmende<br />

Vorsatzschalen. Auch hier gilt die Regel, dass Schallbrücken unbedingt<br />

vermieden werden müssen. Die Estriche müssen daher strikt von allen<br />

angrenzenden Konstruktionen getrennt werden. Auch beim späteren Anbringen<br />

von Fußleisten ist darauf zu achten. Am Besten montiert man die Fußleisten nur<br />

an der Wand mit einem Abstand von 5 bis 10 mm vom Bodenbelag. Auch hier<br />

ist die Fuge mit einem plastischen Material auszufüllen. Eine einzige<br />

Schallbrücke – und wenn es nur ein einsamer Nagel ist – kann den Erfolg<br />

zunichte machen. Als <strong>Architekt</strong> muss man da ständig kontrollieren.<br />

Der schwimmende Estrich sorgt auch für einen ausreichenden Trittschallschutz.<br />

Das weiche Dämmmaterial verhindert die Leitung von Körperschall in die unter<br />

dem Estrich befindlichen Konstruktionen. Die diesbezüglichen Normen sind gut<br />

und Sie können sie anwenden. Achten Sie vor allem auf das richtige Verhältnis<br />

von Dämm- und Estrichstärke, das auch in den Normen drinsteht.<br />

Bei Holzbalkendecken gibt es einige gute Konstruktionen, die zum Erfolg führen.<br />

Dort haben wir ein Sonderproblem vor allem dann, wenn wir die Balkendecke<br />

architektonisch als fertige Untersicht hernehmen wollen und hierbei auf der<br />

Oberseite der Balken eine Sichtschalung aufgebracht wird. Zunächst ist diese<br />

Konstruktion nämlich zu leicht. Die Balken würden in Schwingung geraten. Bei<br />

meinen Fachwerkhäusern habe ich folgende Konstruktion 184 entwickelt, die sehr<br />

gut funktioniert:<br />

Auf die Schalung über den Holzbalken, die mindestens 28 mm stark sein sollte<br />

und in jedem Fall statisch nachgewiesen werden muss, wird ein weiches<br />

Material mit ca. 5 mm Stärke verlegt. Gut geeignet sind textile Abdeckmatten,<br />

184 Angeregt wurde ich hierzu durch eine Veröffentlichung der Holzindustrie in den späten 70er Jahren<br />

des vorigen Jahrhunderts.


147<br />

wie sie zum Schutz von Böden bei Malerarbeiten verwendet werden. Das Zeug<br />

ist dermaßen billig, dass es zweilagig verlegt werden sollte. Darauf werden nun<br />

mit knirschen Stößen hundsordinäre Gehwegplatten II.Wahl verlegt, die eine<br />

Stärke von 50 mm haben sollen. Dieser Aufbau bringt eine Flächenlast von<br />

1,0 KN/m² und führt dazu, dass nun die Deckenbalken ständig unter Last<br />

stehen – in gewisser Weise also vorgespannt sind. Auf dieser Konstruktion<br />

können Sie nun den weiteren Bodenaufbau herstellen. Das sind entweder die<br />

üblichen schwimmenden Estriche oder auch Dielenböden über Lagerhölzern.<br />

Den Trittschalldurchgang behindern Sie dadurch, dass die Lagerhölzer auf<br />

einem elastischen Material verlegt werden. Neben den üblichen<br />

Mineralwollestreifen sind auch Materialien gut geeignet, die aus<br />

zerschredderten Altautoreifen hergestellt sind. Damit der Dielenboden nicht<br />

dröhnt, muss der Hohlraum zwischen den Lagerhölzern mit loser Mineralwolle<br />

oder einem anderen schallschluckenden Material ausgefüllt werden. Bei meinen<br />

Fachwerkhäusern funktioniert dieser Aufbau hervorragend. Abraten würde ich<br />

davon, die Gehwegplatten durch einen Estrich ersetzen zu wollen. Der würde<br />

mit großer Wahrscheinlichkeit reißen. In den Rissen würden dann<br />

unangenehme Knirschgeräusche entstehen. Die weiche Unterlage polstert die<br />

Gehwegplatten gegen die Holzschalung ab, sodass auch da keine<br />

Knirschgeräusche entstehen. Wichtig ist, dass Sie dem Statiker diesen Aufbau<br />

bekannt geben, da er die Lasten berücksichtigen muss.<br />

Schallschutz bei Fenstern<br />

Sogar eine gewöhnliche Einscheibenverglasung hat dann eine gute<br />

schalldämmende Wirkung, wenn sie frei schwingen kann. Ich hatte einmal ein<br />

Büro in Berlin – Kreuzberg an der Urbanstrasse, die eine Hauptverkehrsstrasse<br />

ist. Dieses Büro war früher ein Laden mit großem Schaufenster, das aus einer<br />

Scheibe bestand die mit gewöhnlichem Glaserkitt in einem Blendrahmen<br />

eingesetzt war. Der Verkehrslärm drang durch dieses Schaufenster kaum durch.<br />

Nur dann, wenn ein Fahrzeug vorbei fuhr, das Schallenergie in der<br />

Eigenfrequenz der Schaufensterscheibe absonderte, wurde es in meinem Büro<br />

laut. Aufgrund dieser Erfahrung meine ich, dass die Schalldichtigkeit eines<br />

Fensters vor allem davon abhängt, dass die Scheiben frei schwingen können.<br />

Bei Isolierverglasungen kann man außerdem den Schallschutz dadurch<br />

verbessern, dass die Scheiben unterschiedliche Glasdicken haben, also<br />

unterschiedliche Eigenfrequenzen.<br />

Erfahrungsgemäß haben Kastenfenster gute schalldämmende Wirkung. Die<br />

Bauart von Kastenfenster wurde daher auch bei hochschalldämmenden<br />

Fenstern übernommen. Die Kastenfutter werden in diesem Falle<br />

schallschluckend ausgebildet.<br />

Raumakustik<br />

Räume sollen eine angenehme Akustik habe. Eigentlich könnte man sagen, dass<br />

die Akustik eines Raumes Teil des Raumklimas ist. Die Anforderungen an die<br />

Raumakustik hängen von der Raumnutzung ab. Ein Aufnahmestudio ist immer<br />

ein schalltoter Raum ohne Resonanz. Dort machen sich später die Tonmeister<br />

ans Werk, die eine Tonaufnahme akustisch aufarbeiten. In Konzertsälen kommt


148<br />

es darauf an, dass in allen Raumzonen die Darbietung mit allen Feinheiten<br />

gehört werden kann. Die berühmtesten Konzertsäle haben fast immer eine lang<br />

gestreckte Form. Runde und sehr hohe Räume haben dagegen fast immer eine<br />

so schlechte Akustik, dass Musikdarbietungen kaum möglich sind. Problematisch<br />

scheint in Berlin der große Saal der Philharmonie von Scharoun zu sein. Anders<br />

kann ich mir die Unzahl von Mikrofonen, die über den Musikern hängen, nicht<br />

erklären. Möglicherweise sitzen da in Technikräumen Tontechniker, die die<br />

Darbietung aufbereiten müssen, damit es zu einem Hörgenuss kommen kann.<br />

In Wohnräumen hat man dann eine gute Akustik, wenn man den<br />

Gesprächspartner auch auf größere Distanz gut verstehen kann und dass man<br />

selbst beim Sprechen das Gefühl hat, dass man sich nicht anstrengen muss.<br />

Dies erreicht man dann, wenn man bei der Konstruktion des Hauses, bei der<br />

Auswahl der Baustoffe und bei der Innendekoration darauf achtet, dass<br />

möglichst viele schwingungsfähige Materialien verbaut werden.<br />

Schallschluckende Materialien z. B. Teppichböden oder dicke Vorhänge<br />

verschlechtern fast immer die Akustik.<br />

Muss die Akustik eines Raumes möglichst gut vorherbestimmt werden, müssen<br />

Spezialisten eingeschaltet werden. Die arbeiten nach Erfahrungswissen. Häufig<br />

werden Raummodelle im Maßstab 1:20 gebaut und damit experimentiert.<br />

Hierbei werden Messungen mit hohen, dem Modell angepassten<br />

Schallfrequenzen durchgeführt.<br />

Elektrosmog<br />

Als sich der Mensch vor über einer Million Jahre entwickelt hat, war auch er der<br />

elektromagnetischen Strahlung ausgesetzt. Bei Sonneneruptionen kam es<br />

kurzfristig zu kräftigen Erhöhungen der elektromagnetischen Strahlung.<br />

Normalerweise war die kosmische Strahlung aber so gering, dass sie keine<br />

biologischen Wirkungen hatte. In kalten Regionen, wo die Menschen sich in<br />

Höhlen aufhielten, waren sie gelegentlich dem Radon ausgesetzt, was wegen<br />

der damit bewirkten genetischen Veränderungen zum Tempo der Evolution<br />

beigetragen hat. Seit Anfang des vorigen Jahrhunderts hat die Entwicklung der<br />

Elektrotechnik dazu geführt, dass wir uns permanent in künstlich erzeugten<br />

elektromagnetischen Feldern aufhalten, die ein Vielfaches der natürlichen<br />

Strahlungsbelastung bewirken. Niemand wird behaupten, dass die hier in<br />

jüngerer Zeit entstandenen Sorgen um die Gesundheit grundlos seien.<br />

Genaueres wissen wir aber nicht. Da wird noch geforscht. Je nach<br />

Interessenlage wird abgewiegelt oder Panik erzeugt. Aus reiner Vorsicht sollte<br />

man das aber bedenken und sich ernsthaft damit beschäftigen. Solange wir<br />

nichts Genaues wissen, meine ich, dass man rein vorsichtshalber sich nicht<br />

bedenkenlos dem sog. „Elektrosmog“ aussetzen sollte.<br />

An anderer Stelle habe ich bereits mehrfach den Einsatz reflektierender<br />

Materialien zur energetischen Verbesserung der Hüllkonstruktionen angeraten.<br />

Dabei handelt es sich in aller Regel um Aluminiumfolien oder Folien, die mit<br />

Aluminium bedampft werden. Diese Materialien haben den Nebeneffekt, dass


sie auch elektromagnetische Wellen abschirmen. Damit ist es also möglich, den<br />

Elektrosmog drastisch in Gebäuden zu verkleinern.<br />

149<br />

Sichtmauerwerk aus Backsteinen<br />

Diese Schrift ist unter anderem auch die Frucht einer seit 1963 andauernden<br />

Beschäftigung mit <strong>Architekt</strong>ur, Baukonstruktion und Bauphysik. Ich war<br />

Werkstudent, der seinen Lebensunterhalt und sein Studium weitgehend selbst<br />

verdienen musste. Das war zwar mühsam aber lehrreich. Mein Arbeitgeber war<br />

der Münchener <strong>Architekt</strong> Herbert Korn, der in gewisser Weise mein Lehrmeister<br />

war und an den ich auch heute noch dankbar zurückdenke. Herbert Korn war<br />

kein Freund von „großen und glatten“ Entwürfen. Er liebte Kleinteiligkeit und<br />

menschliche Proportionen. Für Materialien hatte er ein untrügliches Gespür.<br />

Wenn er Entwürfe bearbeitete, zog er sich in sein Zimmer zurück und ward<br />

nicht mehr gesehen. Stundenlang kämpfte er mit der Entwurfsaufgabe,<br />

verbrauchte Unmengen von Skizzierpapier, das er mit einem 6B- Bleistift<br />

bedeckte, sodass außer ihm niemand mehr wusste, was da eigentlich geplant<br />

war. Am Ende des mit vielen Flüchen angereicherten Entwurfsprozesses war<br />

sein Zimmer mit zusammengeknülltem Skizzenpapier aufgefüllt. Wir – seine<br />

Mitarbeiter – machten das Beste daraus und am Ende war dann doch ein Haus<br />

mit guter architektonischer Qualität entstanden. Mit den Ideen des Bauhauses<br />

hatte Herbert Korn nichts am Hut – das war ihm zu gestaltlos und zu langweilig.<br />

Eines seiner bewunderten Vorbilder war stattdessen Heinrich Tessenow und die<br />

damals sehr schöne <strong>Architekt</strong>ur der Schweden. Andererseits riss er gerne Witze<br />

über den damals in Bayern aufkommenden „Jodlerbarock“, der dazu geführt<br />

hat, dass schlichte Wohnhäuser in den Bauformen von Bauernhäusern und mit<br />

völlig verunglückten Proportionen errichtet wurden und bis heute immer noch<br />

errichtet werden. In dieser Zeit soll ein Kreisbaumeister in Miesbach sogar<br />

verlangt haben, dass unter allen Umständen Brettfensterläden mit<br />

eingeschnittenem Herzen an die Hauswände gehängt werden mussten, auch<br />

wen diese völlig funktionslos waren, weil damals bereits der Kunststoffrolladen<br />

allgemein Standard war.<br />

Jedenfalls habe ich in dieser Zeit viel gelernt. Zusammen mit Gabor Benedek,<br />

der in München als <strong>Architekt</strong> Karriere gemacht hat und auch als Karikaturist bei<br />

der Süddeutschen Zeitung agierte, habe ich teilweise völlig selbständig<br />

Bauwerke geplant und geleitet.<br />

In der Ausarbeitung von Details wurde wüst gewühlt. Die Planungstechnik bei<br />

Herbert Korn war so, dass in bereits fertige „Fuffzigstel“ – so nannte man<br />

damals die Werkpläne im Maßstab 1: 50 – nachträglich Detaillösungen gequält<br />

wurden. Das hat mir nie gut gefallen, weil da fast immer nur<br />

Kompromisslösungen entstanden sind. Als ich mich dann am Ende meines<br />

Studiums als selbständiger <strong>Architekt</strong> betätigt habe, habe ich diese<br />

Planungsweise radikal geändert. Ich führte ein, dass zunächst alle wichtigen<br />

Details im Maßstab 1: 5 gezeichnet worden sind und der Rohbau hieran<br />

angepasst worden ist. Meinen Bauzeichnerlehrlingen habe ich immer den<br />

Wahlspruch „Vom Fertigen ins Rohe“ eingebläut. Das hat sich bis heute gut<br />

bewährt. So hat sich dann im Laufe der Zeit meine Begeisterung für saubere


150<br />

Detaillösungen entwickelt, vor allem als ich sah, dass diese ganz wichtig für die<br />

architektonische Haltung eines Bauwerks sind. In dieser Zeit ist bei mir auch die<br />

Gewohnheit entstanden, dass ich scheinbar fertige und abgeschlossene<br />

Bauregeln mit zunehmenden Misstrauen betrachtet habe. Damals begann auch<br />

mein Interesse an Bauphysik, die im damaligen Planungsalltag überhaupt keine<br />

Rolle gespielt hat. Im Studium hat man da überhaupt nichts Sinnvolles gelernt.<br />

Der Umgang mit bauphysikalischen Problemen – damals hauptsächlich bei<br />

Flachdächern – hatte etwas Schamanenhaftes an sich.<br />

In dieser Zeit entdeckte man auch das Ziegelsichtmauerwerk wieder einmal neu<br />

und begeisterte auch mich. Inspiriert hat mich da hauptsächlich mein damaliger<br />

Professor für Baukonstruktion Eichberg, der im Umfeld der alten Technischen<br />

Hochschule einige Ziegelbauten errichtet hat.<br />

Mein erster größerer Planungsauftrag war ein 16- Familienhaus in Regensburg<br />

in der Nähe des Dörnbergparks. Das wollte ich natürlich als<br />

Sichtmauerwerksbau errichten, eine Bauweise, die in Regensburg ziemlich<br />

fremd war und bei einigen Schulhäusern auch schief gegangen war, da dort<br />

schwere Schlagregenschäden und Ausblühungen zu verzeichnen waren. Hinzu<br />

kam noch ein Genehmigungsproblem, da ich mir sicher war, dass der für mein<br />

Vorhaben zuständige Baubeamte, ein Herr Wiesinger einen<br />

Sichtmauerwerksbau kategorisch ablehnen würde. Dieses Problem habe ich<br />

ganz einfach dadurch gelöst, dass ich in der Baubeschreibung zum Bauantrag in<br />

der Spalte für Aussenputz einfach keine Angabe gemacht habe. So wurde das<br />

Bauwerk dann auch genehmigt und später habe ich mich darauf berufen, dass<br />

durch die Vermeidung von Ausssenverputz automatisch ein<br />

Sichtmauerwerksbau entstünde. Die Reaktion der Baubeamten auf meine<br />

Hinterlist war etwas säuerlich. Letztlich bekannte sich aber auch das Bauamt<br />

der Stadt Regensburg zur Sichtmauerwerksbauweise, viele Jahre später<br />

dadurch erkennbar, dass ich – schon in Berlin – einen Anruf des Regensburger<br />

Planungsamts erhielt, in dem ich gefragt wurde, ob ich mich in meinen<br />

Urheberrechten verletzt fühlen würde, wenn auf die Sichtmauerwerksfassade<br />

am Dörnbergpark nun ein Wärmedämmsystem aufgebracht würde.<br />

Städtischerseits sei man dagegen. Hätte ich nicht erklärt, dass ich einer<br />

derartigen Verschandelung nicht zustimmen würde, hätte die Stadt Regensburg<br />

dieses Gebäude kurzerhand unter Denkmalschutz gestellt.<br />

Nun hatte ich also das Problem zu lösen, wie man Schlagregendurchbrüche und<br />

Ausblühungen an Ziegelsichtmauerwerk verhindern könne. Ich hatte nämlich<br />

keine Lust, mich bereits bei meinem ersten grösseren Bauwerk zu blamieren. In<br />

den Unterlagen des Bayerischen Ziegelverbands fand ich hierzu nichts. Da gab<br />

es Bauregeln, die besagten, dass Mauerwerk vollfugig zu errichten sei.<br />

Sichtmauerwerk sei hohlfugig zu errichten, was besagte, dass im<br />

Fassadenbereich die Mauerfugen 4 cm tief auszukratzen seien und nachträglich<br />

mit „erdfeuchtem“ Mörtel erst in den Stoßfugen und sodann in den Lagerfugen<br />

mit einer Fugenkelle zu verfugen sei. Leider stehen diese weltfremden Regeln<br />

noch heute in den Fachbüchern drin.


151<br />

Aus meiner eigenen Praktikantenzeit am Bau wusste ich, dass es ein vollfugiges<br />

Ziegelmauerwerk schlicht nicht gab. Der Mauermörtel wurde nur als Würstchen<br />

im vorderen Bereich der Fassade aufgetragen. Im Mauerkern war zunächst alles<br />

hohl und offen. Die Verfüllung der inneren Stoßfugen erfolgte durch das<br />

Einfüllen von angetrockneten Mörtelresten, aber auch mit Zigarettenkippen und<br />

was sonst noch zufällig herumlag. Bauhelfer mussten außerdem<br />

heruntergefallenen Mörtel am Mauerfuß, der schon weitgehend abgebunden<br />

hatte, auf die Mauerkrone schippen. Dieser Dreck war das übliche<br />

Verfüllmaterial. Von vollfugig errichtetem Mauerwerk also keine Rede. Das lief<br />

nach dem Motto „aussen hui – innen pfui“. Ich musste mir da also etwas<br />

einfallen lassen, bei dem die Bauhandwerker auch dann mitspielten, wenn ich<br />

nicht gerade auf dem Gerüst stand.<br />

Ich entwickelte also folgende Arbeitsweise:<br />

Der Maurer musste sich beim Mörtelantrag in gewohnter Weise nur auf die<br />

Stoßfuge konzentrieren. Die innen liegenden Steinflächen blieben zunächst<br />

einmal unvermörtelt. Die Stoßfuge musste dabei etwas herausquellen. Der<br />

übergequollene Teil wurde nach etwa einer halben Stunde ganz einfach mit der<br />

Kelle mauerbündig abgeschnitten. Damit war die Fassadenfuge bereits fertig.<br />

Die nachträgliche Verfugung nach vorangegangenem Auskratzen – die auch<br />

Geld gekostet hätte – war also überflüssig geworden. Es gab also keine<br />

glattgebügelten Fugen mehr sondern eine sehr lebendige gekörnte<br />

Oberflächenstruktur.<br />

Die Verfüllung der bis dahin immer noch völlig offenen inneren Stoßfugen<br />

wurde durch Bauhelfer erledigt. Diese rührten in schwarzen Plastikeimern den<br />

normalen Mörtel mit viel Wasser zu einer Mörtelsuppe etwa in der Konsistenz<br />

einer Erbswurstsuppe an und schütteten diese Brühe in die Fugen hinein. Das<br />

überschüssige Wasser wurde sofort von den bisher trockenen Backsteinen<br />

aufgesaugt. Damit erhielt das Mauerwerk endlich auch das für den<br />

Abbindeprozess notwendige Wasser. Die gute alte Sitte, dass Ziegelsteine vor<br />

dem Vermauern zu nässen seien, war längst in Vergessenheit geraten und wäre<br />

auch nicht durchsetzbar gewesen. Jedenfalls war nun das Mauerwerk<br />

ausreichend feucht und vor allem vollfugig. Die damaligen Erstbedenken meines<br />

prachtvollen Poliers Josef Lang gegen diese neuartige Arbeitsweise, die ja ein<br />

blutiger Berufsanfänger sich ausgedacht hatte, zerstoben sehr rasch, als er sah,<br />

dass diese Arbeitsweise auch sehr rationell war. Die Zeit, die bisher die Maurer<br />

mit dem lustlosen Stochern in den Stoßfugen vergeudet hatten, musste von<br />

nun an nur noch für das Mauern aufgewendet werden. Der Fugenverguss<br />

wurde von den billigeren Bauhelfern erledigt.<br />

Allerdings tauchte auf meiner Baustelle eines Tages eine Abordnung des<br />

Bayerischen Ziegelverbandes auf, der von dieser Neuerung erfahren hatte. Er<br />

hatte die Sorge, dass diese Arbeitsweise den Baustoff Mauerziegel in Verruf<br />

bringen könnte. Das war eben etwas Neues und schon deshalb abzulehnen.<br />

Einige Jahre später hatte ich aber die Genugtuung, dass in Arbeitsblättern des<br />

Verbandes diese Arbeitsweise sogar ausdrücklich empfohlen wurde und hierbei<br />

die Texte meines Leistungsverzeichnisses, in dem die neue Arbeitsweise


eschrieben war, wörtlich abgedruckt waren. Das Problem „Vollfugigkeit“ war<br />

also gelöst.<br />

152<br />

Noch aber gab es das Problem „Ausblühungen“. Da musste man zuerst einmal<br />

herausfinden, was Ausblühungen eigentlich sind. In aller Regel sind<br />

Ausblühungen die Ablagerungen von zur Außenwand durchgewanderten<br />

Calziumionen und von löslichen Salzen die mit eingedrungenem oder<br />

kondensiertem Wasser transportiert werden. Letzteres kann man sogar mit<br />

einer Geschmacksprobe feststellen. Bei Mauerziegeln, die südlich der Mainlinie<br />

hergestellt werden, befindet sich im Stein kaum Salz. Mauerziegel aus dem<br />

norddeutschen Bereich kann man hingegen auch zum Würzen verwenden – so<br />

versalzt sind diese häufig. Man musste also die Salze und die Calziumionnen am<br />

Wandern behindern. Da kam mir der pure Zufall zu Hilfe. Noch als Student habe<br />

ich nämlich in einer Wühlkiste der Buchhandlung Hugendubel am Münchner<br />

Amiraplatz eine Baufachzeitschrift aus den 70er – Jahren des 19.Jhdts.<br />

entdeckt, auf deren Titelseite ein wunderschöner Stahlstich vom eben<br />

fertiggestellten Kölner Dom abgedruckt war, weshalb ich die Zeitschrift auch für<br />

50 Pfennig gekauft habe. Innen drin fand ich einen Aufsatz eines Kölner<br />

Mauermeisters, in dem der berichtete, dass eine Zugabe von Trass 185 im<br />

Mauermörtel offenbar die Wirkung hätte, dass keine Ausblühungen mehr<br />

stattfänden. An diesen Aufsatz erinnerte ich mich dann einige Jahre später. Ich<br />

glaubte dem Kölner Maurermeister und ordnete daher an, dass dem Bindemittel<br />

im Mörtel etwa 10% Trass beizumengen sei.<br />

Erst viel später hat ein mir befreundeter Chemiker mir erklärt, dass Trass die<br />

Fähigkeit hätte, freie Calziumionen und Salze an sich zu binden und hieraus<br />

eine chemisch – kristalline und wasserunlösliche Verbindung entstünde.<br />

Jedenfalls hatte ich bei dieser Bauweise niemals auch nur den Hauch einer<br />

Ausblühung zu vermerken.<br />

Wichtig war letzten Endes auch eine genaue Mischrezeptur für den Mauersand.<br />

Die entwickelte ich stets in meiner Küche. Ich füllte in einen Maßkrug genau<br />

einen Liter Sand ein, trocknete diesen in einem Topf auf dem Herd und wog ihn<br />

sodann. Nun füllte ich den getrockneten Sand mit Wasser bis zum oberen Rand<br />

auf und wog das wieder. Der Gewichtsunterschied zeigte unmittelbar den<br />

Hohlraumanteil im Sand an. Meistens waren das etwa 30%. Durch Zugaben<br />

anderer Korngrössen wurde der Hohlraumanteil auf etwa 15 % abgesenkt.<br />

Dieser Hohlraum wurde dann in der Mörtelmischung durch das Bindemittel aus<br />

Kalk, Zement und Trass gefüllt. Damit war ein sehr guter Mörtel gegeben, der<br />

die richtige Struktur und gute Verarbeitbarkeit hatte.<br />

Diese Bauweise habe ich später in den mittleren 80er – Jahren auch bei einem<br />

Büro – und Geschäftshaus in Berlin –Reinickendorf vorgeschrieben. Bei einem<br />

Baustellenbesuch traf mich dann allerdings fast der Schlag als ich sah, dass an<br />

einer Mauerpartie ungefähr fünf Schichten ausgeblüht waren. Ich protestierte<br />

185 Trass ist eine Art Naturzement, die in vulkanischen Landschaften z.B. in der Eifel oder in der Nähe<br />

von Neapel bei Puzzuoli gewonnen wird. Mit diesem Material haben schon die alten Römer<br />

Betonbauwerke errichtet.


153<br />

dagegen lauthals bis mir der Polier der Baustelle eingestand, dass eine<br />

Trasslieferung verspätet eingetroffen sei und man daher den Mörtel ohne Trass<br />

angerührt hätte. Daraufhin verpflichtete ich die Baufirma dazu, dass sie in den<br />

kommenden zehn Jahren regelmäßig anrücken müsse um die Ausblühungen<br />

trocken abzubürsten, also für die voraussichtliche Zeit, bis der Vorrat an freien<br />

Ionen aufgebraucht war. Jedenfalls war dies der letzte Beweis für die Wirkung<br />

des Trass´ im Mörtel.<br />

So – nun habe ich ein bisher streng gehütetes Berufsgeheimnis preisgegeben.<br />

Das ist aber ja durchaus im Sinne dieser Schrift, der ja darin besteht, dass<br />

meine Erfahrungen aus fast einem halben Jahrhundert <strong>Architekt</strong>enleben nicht<br />

mit mir untergehen sondern dem Einen oder Anderen auch nützen.<br />

Schlussbemerkung<br />

Ich habe Sie nun in die Welt der Bauphysik geführt und hierbei versucht den<br />

trockenen Fachbuchstil zu vermeiden. Meine Absicht ist dann erreicht, wenn Sie<br />

künftig selbst bei der Betrachtung Probleme weiterdenken. Machen Sie<br />

Gedankenexperimente.<br />

Denken Sie sich – nahezu meditativ – in die Welt der kleinsten Teilchen hinein.<br />

Unsichtbares wird hierbei sichtbar und anschaulich. Sie werden auf Fragen<br />

stoßen, an die Sie bis heute nicht einmal gedacht haben. Sie müssen also<br />

weiterforschen, weiterlernen, Fachleute und die Fachliteratur befragen. Geben<br />

Sie sich niemals mit unklaren Auskünften zufrieden. Gehen Sie den Dingen auf<br />

den Grund. Der Zweifel ist bei uns <strong>Architekt</strong>en eine Tugend. Wenn der Staat<br />

und die Industrie uns zu irgendwelchen Dingen zwingen wollen, ist höchste<br />

Vorsicht angebracht. Als <strong>Architekt</strong> haben Sie eine moralische Verpflichtung zur<br />

Weiterbildung. Außerdem macht das auch noch Spaß und hält geistig fit.<br />

Christoph Schwan<br />

am 6.August 2010


Glossarium und Personen<br />

154<br />

<strong>Architekt</strong>. Beratender Beruf mit zahlreichen Aufgaben, die eine große<br />

Vielseitigkeit erfordern. Neben den klassischen Berufsaufgaben wie Entwerfen<br />

von Gebäuden, Werk- und Detailplanungen, Bauleitungsaufgaben muss der<br />

<strong>Architekt</strong> weitere Fachgebiete wenigstens grundsätzlich beherrschen. Dazu<br />

gehören die Naturwissenschaften, Kunstgeschichte, Farbenlehre, Geometrie,<br />

Mathematik, Historische Handwerkstechniken, Materialkunde, Chemie, Physik,<br />

Gesundheitslehre, Garten- und Landschaftsbau, Musik, Freihandzeichnen,<br />

umfassende Kenntnisse des öffentlichen Baurechts, des Werkvertragsrechts,<br />

gute Ausdrucksfähigkeit in Wort und Schrift, Fremdsprachenkenntnisse,<br />

Organisationsfähigkeit, Menschenkenntnis und künstlerische Begabung. Der<br />

Beruf des A. gehört damit zu den vielseitigsten Berufen. Leider hat sich in den<br />

vergangenen Jahren das Berufsbild vom „Allrounder“ hin zum<br />

Entwurfsspezialisten entwickelt, der zahlreiche Berufsaufgaben an die sog.<br />

„Sonderfachleute“ überträgt. Damit entfernt er sich zunehmend von<br />

Fachgebieten, die er aber beherrschen sollte. Der Verfasser meint, dass diese<br />

Entwicklung, die zum Ansehensverlust der A. geführt hat, gedreht werden<br />

muss. Derzeit ist die Ausbildung von A. von schlechter Qualität. Entschieden zu<br />

kurz kommen die technischen Fächer. Bauphysik wird praktisch überhaupt nicht<br />

gelehrt. Zu vermuten ist, dass die <strong>Architekt</strong>urlehrer selbst keine ausreichenden<br />

Kenntnisse über Bauphysik haben.<br />

Berg, <strong>Dipl</strong>.-Ing.Tilman. Ehem. Student des Bauingenieurwesens an der TU –<br />

Berlin, Fachbereich allgemeiner Ingenieurbau. In seiner <strong>Dipl</strong>omarbeit hat er den<br />

Energieeinspareffekt der Thermosfassade mit 56% gegenüber einer<br />

unverkleideten Nordwand ermittelt.<br />

Bernoulli, Daniel. 1700 – 1782, schweizerischer Mathematiker und Physiker,<br />

Entdecker des nach ihm benannten Gesetzes von B., das besagt, dass die<br />

Summe von statischem und dynamischem Druck von strömenden Medien in<br />

einem geschlossenen System stets gleich groß ist. Wichtigste Grundlage der<br />

Aerodynamik. Strömungsprozesse sind auch an Bauwerken von Bedeutung.<br />

Bohr, Hendrik Niels David. 1885 -1962, dän. Physiker, Entdecker des nach ihm<br />

benannten B.´schen Atommodells, dass noch immer trotz der<br />

weitergegangenen Forschung als gute Analogie der Bewegungen der Elektronen<br />

um den Atomkern gilt.<br />

Corioliskraft. Die Luftmassen strömen geradlinig von Zonen hohen in Zonen<br />

niedrigen Luftdrucks. Da sich aber hierbei die Erde unter den Zugbahnen<br />

hinwegdreht, sind die Zugbahnen relativ zur Erdoberfläche gekrümmt. Auf der<br />

nördlichen Halbkugel gilt, dass Tiefdruckgebiete linksdrehend, Hochdruckgebiete<br />

rechtsdrehend umströmt werden. Südlich des Äquators ist es genau<br />

umgekehrt. Die verschiedenen Windrichtungen können hierbei ebenfalls erklärt<br />

werden. Befinden wir uns südlich eines Tiefdrucksgebietes, haben wir westliche<br />

Winde, bewegen wir uns in nördlicher Richtung, dreht der Wind zunehmend<br />

nach links. Befinden wir uns nördlich des Tiefdruckgebietes, haben wir es mit


östlichen Winden zu tun.<br />

155<br />

Dämmstoff. Materialien mit geringer Wärmeleitfähigkeit, die fast immer<br />

strukturbedingt ist. Die Wärmeleitzahl, die in bauphysikalischen Berechnungen<br />

mit dem Zeichen (λ) bezeichnet wird, drückt aus, welche Energiemengen durch<br />

einen Würfel mit der Kantenlänge 1,00 m in einer Stunde und bei 1 K<br />

Temperaturdifferenz durchgeleitet werden. Er wird daher in der Größe (W/mK)<br />

angegeben.<br />

Dämmung. Im Bauwesen Methode zur Behinderung der Wärmeleitung. Die<br />

Wirkung wird dadurch sichtbar, dass die Menge der durchgeleiteten<br />

Wärmeenergie in der Zeit geringer wird. Dämmung beeinflusst somit den<br />

zeitlichen Ablauf der Energieverlagerung, nicht jedoch die Energieverlagerung<br />

als solche. Ein Beispiel: Wenn Sie ein gedämmtes mit einem ungedämmten<br />

Haus vergleichen, beide Häuser den gleichen energetischen Zustand haben und<br />

die Heizanlage gleichzeitig abschalten, werden nach einer gewissen Zeit beide<br />

Häuser den gleichen Energiezustand haben. Im Winter hängt dies davon ab, ob<br />

die Abkühlungsphase von intensiver Sonneneinstrahlung begleitet ist oder nicht.<br />

Bei sehr geringem exogenem Energieeintrag wird wahrscheinlich das nicht<br />

gedämmte Haus früher ausgekühlt sein, das gedämmte Haus später. In beiden<br />

Fällen ist jedoch die gespeicherte Wärmeenergie verloren gegangen. Hieraus<br />

folgt, dass Dämmung nur den zeitlichen Ablauf des Wärmeverlustes beeinflusst,<br />

nicht jedoch dessen Größenordnung. Die Heizkostenrechnung bleibt also in<br />

beiden Fällen gleich groß.<br />

Dewar, Sir James. Schottischer Erfinder des nach ihm benannten D.-Gefässes,<br />

der heute als Gebrauchsgegenstand weit verbreiteten Thermoskanne, einer<br />

praktischen Anwendung des Strahlungsgesetzes von Stefan – Boltzmann.<br />

Immer noch eine der besten Methoden zur Behinderung von Energieverlagerungen,<br />

weit besser als die Dämmtechnik.<br />

Diffusionswiderstand. Widerstand eines Materials gegen den<br />

Wasserdampfdurchtritt in (m²h Pa/kg)<br />

Dipol. Material mit einem magnetischen Plus – und einem Minuspol, allgemein<br />

bekannt in der Form eines Stabmagneten. Wassermoleküle sind ebenfalls<br />

Dipole, die sich auf die physikalischen Eigenschaften von Wasser auswirken.<br />

Wird Wasser erhitzt, überwiegen ab gewissen Temperatur – und<br />

Druckverhältnissen die Molekularbewegungen energetisch die auf der<br />

Dipoleigenschaft beruhenden Adhäsionskräfte der Teilchen untereinander.<br />

Wasser wird sodann dampfförmig. Kondensation entsteht beim umgekehrten<br />

Vorgang.<br />

Drittmittel. Spenden aus der Wirtschaft an die Forschungsinstitute, ohne die die<br />

heute praktizierte Forschungsarbeit nicht mehr möglich wäre. Für die<br />

Hochschullehrer gilt als Qualitätsmerkmal die Höhe der eingeworbenen<br />

Drittmittel. Davon hängen auch die Chancen, in eine höhere Gehaltsklasse<br />

eingestuft zu werden, ab. Gefahr: Eine zweckfreie Forschung findet daher kaum


mehr statt. Die heutige Forschung hat sich von den Interessen der Industrie<br />

abhängig gemacht.<br />

Eichler, Friedrich. Bekannter und führender Bauphysiker in der alten DDR, vor<br />

allem bekannt durch seine „Bauphysikalische Entwurfslehre“.<br />

Emulsion. Mischung feinster Tröpfchen in anderen Flüssigkeiten, sodass sie<br />

Lösungen ähneln. In der Technik werden E. häufig mit Ultraschall hergestellt.<br />

Energetische Gebäudeoberfläche. Der Verfasser versteht unter der e.G. die<br />

Wandoberfläche hinter Verkleidungen, die der Energieeinsparung dienen sollen.<br />

156<br />

Energie. Fähigkeit Arbeit zu leisten. Daher wird sie häufig über die<br />

Arbeitsleistung definiert. Die Einheit der Energie ist die (Ws). Abgeleitet ist<br />

diese Größe aus dem Nm (Newtonmeter). Ein Nm ist die Energie, die benötigt<br />

wird, um die Masse 1 kg von der Ruhe auf eine Geschwindigkeit von 1m/s zu<br />

beschleunigen. Diese Definition gilt im gesamten Universum. Frühere<br />

Maßeinheiten waren mit der Erdanziehungskraft verknüpft, z.B. das Kilopond<br />

(kp).<br />

Energiebilanz. Eine E. entsteht bei der Betrachtung von Gebäudeoberflächen<br />

durch die Verrechnung von Energieeintrag und Energieabtrag. Sie haben<br />

unterschiedliche Richtungen die durch Vorzeichenwechsel hinreichend genau<br />

beschrieben werden können. Der Verfasser hat für Energieeintrag das<br />

Vorzeichen (+), für Energieabtrag das Vorzeichen (-) gewählt. Für die<br />

Energiebilanz, die einen verrechneten Energiestrom darstellt, hat er das<br />

physikalische Zeichen (Φb) gewählt. Angegeben wird (Φb) bei stündlicher<br />

Betrachtungsweise in (W/m²h).<br />

Energiebilanzwert. Durchschnittswert von (Φb) über einen definierten Zeitraum.<br />

Energieerhaltungssatz. Energie kann in einem geschlossenen System weder<br />

erzeugt noch vernichtet werden. Der Energiegehalt des Universums ist immer<br />

gleich groß. Wird in bauphysikalischen Berechnungen „Energieverlust“<br />

berechnet, ist das eigentlich falsch. Gemeint ist hier Energie, die sich der<br />

Nutzung durch den Menschen entzieht. „Energieverlust“ ist daher ein<br />

anthropozentrischer Begriff. Die Umwandlung von einer Energieform in die<br />

andere geschieht verlustlos.<br />

EnEV. Energieeinsparverordnung seit 2002 gültig. Im Bauwesen derzeit<br />

Rechtsgrundlage zum Nachweis einer ausreichenden Energieeinsparung, die<br />

dann nachgewiesen ist, wenn ein bestimmter U-Wert nicht überschritten wird.<br />

Die sonstigen Anforderungen der EnEV sind weitgehend sinnvoll. Der Verfasser<br />

vertritt jedoch die Auffassung, dass das der EnEV zugrunde liegende<br />

bauphysikalische Modell falsch ist. Der systematische Fehler der EnEV besteht<br />

darin, dass der Staat den inzwischen gescheiterten Versuch gemacht hat, den<br />

Verbrauch an Energie durch technische Verfahren zu regeln. Es würde<br />

vollkommen genügen, wenn der Staat gewisse maximale


157<br />

Energieverbrauchswerte verordnet und die technische Lösung aber den<br />

Fachleuten überlässt und somit auch nicht den technischen Fortschritt<br />

behindert. Damit wäre auch der Lobbyarbeit der verkaufswütigen Industrie und<br />

der damit verbundenen Korruption der Boden entzogen.<br />

Entropisches Prinzip. Das e.P. besteht darin, dass in einem geschlossenen<br />

System sich stets der niedrigste Energiezustand einstellt.<br />

Fluid. In der Strömungslehre Bezeichnung für Gase und Flüssigkeiten.<br />

Fourier, Jean Baptiste Josèphe de. 1768 – 1830, franz. Physiker, hier von<br />

Bedeutung durch das sog. fourier´sche Gesetz über Wärmeleitung, die eine<br />

lineare Funktion mit den Parametern Wärmeleitfähigkeit, Materialdicke und<br />

Temperaturunterschied darstellt. Es handelt sich hier um einen sog. „einfachen<br />

Sachverhalt“. Das F.Gesetz gilt in der verstümmelten Form nur für den<br />

stationären Zustand der Randbedingungen und ist daher im Bauwesen<br />

unzureichend, da dort nur instationäre Randbedingungen, die überwiegend<br />

wetterbestimmt sind, herrschen. Unbeachtet bleiben beim F.Gesetz auch<br />

sonstige physikalische Erscheinungen, von denen F. noch nichts gewusst hat.<br />

Fraunhoferinstitut für Bauphysik. Durch Steuermittel, Drittmittel und<br />

Gutacherhonorare finanzierte Institution für die Erforschung von Technologien<br />

im Bauwesen. Wegen der Finanzkonstruktion des F. kann es nicht mehr als<br />

Institution für zweckfreie Forschung angesehen werden. Das F. ist inzwischen<br />

weitgehend kommerziell ausgerichtet. Man muss dennoch dem F. eine<br />

weitgehend gute Arbeit bescheinigen.<br />

Gertis, Prof.Dr.-Ing.utr. Karl, früherer Leiter des Fraunhoferinstituts für<br />

Bauphysik in Stuttgart und Holzkirchen. Anhänger der genormten Bauphysik,<br />

teilweise jedoch auch beachtenswerte neue Denkansätze. Frühzeitige<br />

Beschäftigung mit der Physik der Wärmestrahlung, leider nicht konsequent zu<br />

Ende geführt. Vor einigen Jahren emeritiert.<br />

Globalstrahlung. Die G. ist die ungeminderte Einstrahlungsleistung der Sonne<br />

senkrecht zu einer Ebene, Sie wird in (W/m²) angegeben. Da das Sonnenlicht<br />

durch vielfältige Randbedingungen geschwächt wird, z.B. Bewölkung, Dunst<br />

und durch den Umstand, dass die tiefstehende Sonne dickere Luftmassen<br />

durchdringen muss, kommt die G. in voller Stärke kaum zur Wirkung. In<br />

Berechnungen muss sie daher abgemindert werden. Der Bedeckungsgrad des<br />

Himmels ist i.W. vom Luftdruck abhängig. Der Verfasser arbeitet daher mit<br />

druckabhängigen Abminderungswerten. Nicht zu verwechseln mit der<br />

Solarkonstanten, die die Einstrahlungsleistung oberhalb der Atmosphäre<br />

darstellt.<br />

Hauser, Prof. Dr.-Ing. Gerd. Seit 2005 Nachfolger von Karl Gertis im<br />

Fraunhoferinstitut für Bauphysik und Hochschullehrer an der TU – München für<br />

das Fachgebiet Bauphysik, u.A. Berater der Deutschen Bundesregierung auf<br />

dem Gebiet der Energieeinsparung, maßgebend bei der Entwicklung der EnEV,


prominentester und einflussreicher Befürworter der „alten“ Bauphysik.<br />

158<br />

Hyperbeltragik. Die Wirtschaftlichkeit von Dämmstoffen nimmt mit<br />

zunehmender Dicke wie ein gegen Null strebender Hyperbelast ab. Die<br />

Wirtschaftlichkeitsgrenze wird bei etwa 80 mm Dämmstärke erreicht. Eine<br />

rechnerische und praktische darüber hinausgehende Verbesserung des<br />

Wirkungsgrades von Dämmungen ist nicht möglich. In der DIN 4108 wird dies<br />

jedoch nicht berücksichtigt.<br />

Instationär nennt man einen Zustand der Randbedingungen, der einem<br />

gesetzmäßigen oder chaotischen Wechsel unterliegt. Wetterbestimmte<br />

Randbedingungen sind instationär und chaotisch, weshalb sie nicht berechenbar<br />

sondern nur messbar sind. Die DIN 4108 und die EnEV gehen dagegen von<br />

stationären Randbedingungen aus. Daher führen die genormten und<br />

verordneten Berechnungsverfahren zu mehr oder weniger falschen<br />

Ergebnissen.<br />

Kinetische Energie. Wärmeenergie in Stoffen wird nach der kinetischen<br />

Wärmetheorie als die Bewegungsenergie definiert, in der sich Stoffteilchen<br />

befinden, die um einen Ruhepunkt schwingen. Es gelten somit die<br />

Bewegungsgesetze für gleichmäßig beschleunigte und verzögerte Bewegungen.<br />

Entdeckt wurde dies durch die Brownsche Molekularbewegung, die sichtbar<br />

gemacht werden konnte. Bis zur Entdeckung dieses Prinzips Mitte des 19.Jhdts.<br />

herrschte die Phlogistontheorie vor, die Wärme als „diskrete Flüssigkeit“<br />

beschrieben hat. Aus dieser Phase der wissenschaftlichen Erkenntnis rührt noch<br />

der Begriff „Wärmestrom“ her wie auch das Gesetz über Wärmeleitung von<br />

Fourier im späten 18.Jhdt.<br />

Klima. Statistische Zusammenfassung von Wetterereignissen, die meistens bis<br />

30 Jahre zurückverfolgt werden. Ein tatsächliches Klima gibt es nicht. Daher<br />

gibt es auch keine „Klimakatastrophen“ sondern nur Wetterkatastrophen. Ob<br />

das Klima katastrophal ist oder nicht, kann objektiv nicht beurteilt werden.<br />

Immerhin leben wir nicht schlecht von früheren „Klimakatastrophen“. Wir<br />

hätten nämlich weder Steinkohle noch Erdöl. Die Entwicklung der modernen<br />

Zivilisation war nur möglich auf der Grundlage eines Klimas, dass unsere<br />

heutigen Propheten als Klimakatastrophe bezeichnen würden.<br />

Kondensationswärme. Wärmeenergie, die zur Umwandlung vom flüssigen in<br />

den dampfförmigen Aggregatzustand bei unveränderter Temperatur<br />

aufgewendet wird. Beim umgekehrten Vorgang wird Kondensationswärme<br />

wieder frei. In der Heiztechnik in der sog. „Brennwerttechnik“ zur Verbesserung<br />

des Wirkungsgrades sehr erfolgreich genutzt.<br />

Konvektion. Unter K. versteht man in der Physik den Energieübergang von<br />

Fluiden in Festkörper und den umgekehrten Vorgang. Erste Überlegungen<br />

hierzu stammen von Isaac Newton. Er postulierte bereits eine spezifische, auf<br />

den Vorgang abgestimmte Wärmeübergangszahl, ohne sich damit aber näher<br />

zu beschäftigen. Die Größe des konvektiven Energieübergangs bei K. hängt von


159<br />

zahlreichen Einflüssen ab. Im Detail entsteht K. dann, wenn Teilchen des Fluids<br />

mit Teilchen des Festkörpers zusammenstoßen und hierbei wie bei<br />

Wärmeleitung in Festkörpern Schwingungsenergie übertragen wird. Das<br />

Ausmaß der K. wird bei gasförmigen Fluiden von der Häufigkeit der Kollisionen<br />

maßgeblich mitbestimmt. Daher ist die Strömungsgeschwindigkeit von Gasen<br />

an Festkörpern eine ausschlaggebende Größe. Bis heute gibt es für K. keine<br />

sicheren Berechnungsverfahren. Die Werte für die Wärmeübergangszahl<br />

müssen daher experimentell bestimmt werden. Am Geringsten ist K. bei<br />

ruhender Luft. Hier kann mit einem Wert (α) von 2 W/m²K gerechnet werden.<br />

Konvektive Prozesse im Bauwesen bedürfen dringend einer wissenschaftlichen<br />

Untersuchung.<br />

Konvektives Heizungssystem. Heiztechnik, die darauf beruht dass an erwärmten<br />

Flächen – Heizkörpern – Luft erwärmt wird und sodann ungeregelt, meistens<br />

walzenartig sich im Raum bewegt. Den Übergang von Wärmeenergie vom<br />

Heizkörper in die Luft nennt man „Konvektion“.<br />

Meteorologie. Unexakte Lehre über das Wettergeschehen. Angesichts des<br />

chaotischen Ablaufs der Randbedingungen, die zum Wetter führen, ist es den<br />

Meteorologen auch künftig verwehrt, präzise Wettervorhersagen für Zeiträume<br />

über die Dauer von mehr als drei Tagen herauszugeben. Daher werden sie im<br />

Volksmund etwas bemitleidend als „Wetterfrösche“ bezeichnet. Ihre geringe<br />

wissenschaftliche Reputation versuchen die Meteorologen damit aufzubessern,<br />

dass sie seit einigen Jahren Prognosen über die Entwicklung des Klimas in<br />

ferner Zukunft veröffentlichen. Damit diese die erwünschte Aufmerksamkeit<br />

erregen, werden sie in die Form von Horrorvisionen gekleidet. Daneben<br />

verbreiten sie offenkundigen wissenschaftlichen Unsinn. Ein Beispiel hierfür ist<br />

die These, dass die Erde sich zwischen ihrer Oberfläche und der<br />

Wetterobergrenze in etwa 10 000 m Höhe wie ein Treibhaus verhielte.<br />

Beschäftigt man sich mit der Wirkungsweise eines echten Treibhauses, kommt<br />

sehr rasch zu Tage, dass die Treibhausthese nicht einmal als Analogie taugt.<br />

Das Spurengas CO2 heißt nun „Klimakiller“ und ist an der Energierückhaltung<br />

dennoch nur minimal beteiligt. Die große Stabilität der im globalen Ausmaß<br />

gemessenen Temperatur der Atmosphäre geht im Wesentlichen auf den dort<br />

vorhandenen Wasserdampf zurück. Die von der M. genannten<br />

Temperaturschwankungen beweisen nicht eine dräuende Klimakatastrophe<br />

sondern zeigen, dass ein sich selbst regelnder Prozess stattfindet. Man sollte<br />

sich darüber klar werden, dass Horrorvisionen ein gut verkäufliches Produkt<br />

sind und somit kommerzielle Interessen im Vordergrund stehen. Die gleiche<br />

Wissenschaft hat vor kurzem vor einer neuen Eiszeit gewarnt. Die Aussicht auf<br />

eine Belebung des Wintersports hat jedoch diesem Szenario die erwünschte<br />

Wirkung entzogen. Also probiert man es nun einmal anders herum.<br />

Muthesius Sebastian. Bekannter Geigenbauer in Berlin, Abkömmling eines<br />

berühmten Geschlechtes von Geigenbauern und <strong>Architekt</strong>en.<br />

Normen. Unverbindliche Handlungsempfehlungen des Deutschen Instituts für<br />

Normung (DIN), die den Anwender auch bei deren Einhaltung nicht von der


160<br />

eigenen Verantwortung freistellen. Diese Warnung trifft der Deutsche<br />

Normenausschuss selbst. Die Norm, dass Schrauben ein Rechtsgewinde haben<br />

müssen und dass Schrauben und Muttern verschiedener Hersteller<br />

zusammenpassen, ist vernünftig. Im Bauwesen haben sich allerdings Normen<br />

breit gemacht, bei denen es nicht mehr um die Vereinheitlichung technischer<br />

Lösungen geht, sondern nur noch um die Schaffung von Monopolen, die von<br />

den Vertretern der Baustoffherstellern, die die Normenausschüsse dominieren,<br />

durchgesetzt werden. So sind in den Normenausschüssen für das Bauwesen<br />

<strong>Architekt</strong>en kaum vertreten. In dieser Beziehung versagen auch die<br />

<strong>Architekt</strong>enkammern. Ein unerschöpfliches Thema, für das sich auch einmal die<br />

Staatsanwälte interessieren sollten. Eine vernichtende Beurteilung der<br />

Normenausschüsse findet sich im sog. „Meersburger Urteil“, in dem festgestellt<br />

wird, dass wirtschaftlich orientierte Interessenverbände ein unangemessenes<br />

Übergewicht in den Normenausschüssen haben. Der DIN selbst erklärt, dass<br />

der Anwender von Normen „auf eigene Gefahr“ handelt. Ähnliche Warnungen<br />

findet man am Fuß der Eigernordwand.<br />

Nutzerverhalten. Die Verfechter der EnEV und der damit verbundenen<br />

Berechnungsverfahren entschuldigen deren Fehlerhaftigkeit mit dem unsicheren<br />

Nutzerverhalten. Der Verfasser meint, dass daher das Nutzerverhalten erforscht<br />

werden müsste, sodass wenigstens ein durchschnittliches N. bekannt wird.<br />

Orografisches Wetter. Besonderheiten von örtlich begrenzten typischen<br />

Wetterlagen.<br />

Osmose. Diffusion von Flüssigkeiten durch halbdurchlässige (semipermeable)<br />

Membranen bei unterschiedlichen Lösungsdrücken solange, bis diese sich<br />

ausgeglichen haben. Ursache zahlreicher Naturerscheinungen, aber auch im<br />

Bauwesen, die sich dort meistens als Blasenbildung an Anstrichen und auf<br />

Flachdächern bemerkbar machen.<br />

Partialdampfdruck. Der Teildruck des in der Luft vorhandenen Wasserdampfes.<br />

Passivhaus. Bauweise mit besonders geringem Heizenergiebedarf.<br />

Hochdämmende Hüllflächen und Techniken für den exogenen Energieeintrag<br />

werden kombiniert. Der hohe technische Aufwand verursacht unwirtschaftliche<br />

Baukosten, sodass eine Wirtschaftlichkeit fast nie erreicht wird. Die<br />

Bezeichnung „Passivhaus“ ist unglücklich gewählt, da sie – wörtlich übersetzt –<br />

„Haus der Leiden“ bedeutet.<br />

Probst, <strong>Dipl</strong>.-Ing. Raimund. <strong>Architekt</strong>, ehemals Hochschullehrer an der TU –<br />

Karlsruhe, Senator e.h. der Stadt Frankfurt/Main, mehrfache Auszeichnungen.<br />

Bedeutend als Begründer der „Analyse von Bauschäden“ mit umfangreicher<br />

Lehrtätigkeit für Baufachleute. Die Teilnehmer an seinen Seminaren nennen<br />

sich selbst mit einem gewissen Stolz „Probstschüler“. Hierzu gehört auch der<br />

Verfasser. P. ist völlig unzugänglich für die Lobbyarbeit der Industrie. Daher<br />

auch vielfach angefeindet. P. folgt jedoch der Devise „Viel Feind-viel Ehr“.


161<br />

Prozesswärme. Wärmeenergie, die von Aggregaten als Abwärme freigesetzt<br />

wird. Sie kann, wenn sie nennenswert ist, in die Wärmebedarfsberechnungen<br />

eingesetzt werden.<br />

Raumklima. Das Raumklima wird im Wesentlichen bestimmt durch das<br />

Strahlungsklima, die relative Luftfeuchtigkeit und die Lufttemperatur. Man sollte<br />

auch akustische Eigenschaften eines Raumes hinzunehmen, da diese die<br />

Behaglichkeit mitbestimmen. Ein günstiges Strahlungsklima stellt sich bei<br />

Wandoberflächentemperaturen von 19 – 21 °C ein. Die anderen Eigenschaften<br />

stellen sich hierbei von selbst bei den günstigsten Werten ein. Daher ist das<br />

Strahlungsklima das Wichtigste.<br />

Reflexion. Zurückwerfen von elektromagnetischen Wellen (z.B. Licht und<br />

Wärmestrahlung) an der Grenzfläche von zwei Medien. An glatten<br />

Reflexionsschichten gelten die Reflexionsgesetze, z.B. für die Gleichheit von<br />

Einfalls- und Ausfallswinkel.<br />

Relative Luftfeuchte. Die r.L. zeigt in (%) an, in welchem Maße Luft mit<br />

Wasserdampf angereichert ist. Hierbei spielt die Temperatur eine entscheidende<br />

Rolle, sodass die Aufnahmefähigkeit der Luft für Wasserdampf von der<br />

Lufttemperatur abhängt. Erreicht die r.L. den Wert 100% und es kühlt sich<br />

sodann die Luft ab, kommt es zum Ausfall von Tauwasser. Daneben ist auch<br />

der Luftdruck für die r.L. maßgebend, was z.B. an der scharfen<br />

Wolkenuntergrenze erkennbar ist. Die r.L. ist bestimmend für ein behagliches<br />

Raumklima. Der Bestwert liegt bei 40 – 45%. Ein wirksames Gegenmittel gegen<br />

zu große r.L. in Räumen ist im Winter der Austausch von kalter Frischluft mit<br />

der warmen Raumluft, da kalte Luft einen geringeren Wasserdampfgehalt hat<br />

und somit der absolute Wasserdampfgehalt der Raumluft und damit auch die<br />

r.L. gesenkt wird. Die Größenordnungen können Tabellen entnommen werden.<br />

Sehr anschaulich und praktisch handhabbar ist auch das Mollierdiagramm.<br />

Tauwasserbildung auf Innenwänden ist stets mit zu hohen r.L. verbunden.<br />

Poröse Baustoffe sind mit wasserdampfhaltiger Luft durchsetzt. Diese führt<br />

unter bestimmten Bedingungen zur Tauwasserbildung im Baustoff. Das sog.<br />

„Glaserverfahren“ diente bis vor kurzem zur Berechnung von<br />

Tauwasserbildungen. Inzwischen hat es sich als unbrauchbar erwiesen, da man<br />

erkannt hat, dass der Faktor Zeit in die Berechnungen mit aufgenommen<br />

werden muss. Auch hier hat sich gezeigt, dass die Annahme des stationären<br />

Zustands zu fehlerhaften Ergebnissen führt. Dass nun konsequent diese<br />

Erkenntnis auch auf die sonstigen energetischen Berechnungen übertragen<br />

werden müsste, hat sich in der „amtlichen“ Bauphysik noch nicht<br />

herumgesprochen.<br />

Schwan, Christoph <strong>Dipl</strong>.-Ing.(FH) <strong>Architekt</strong>. 1938 in Karlsruhe geboren,<br />

Jugendzeit im Taubertal, <strong>Architekt</strong>urstudium von 1958 bis 1966 in München als<br />

Werkstudent, von 1967 bis 1981 in Regensburg, seitdem in Berlin freischaffend<br />

tätig. Erfinder der Termosfassade. Studien zur Erhaltung von Altstädten (Der<br />

Schwanplan 1972), ständige Beschäftigung mit bauphysikalischen Problemen,<br />

Vorträge vor Baufachleuten über bauphysikalische Themen und die


Temperiermethode.<br />

162<br />

Schwarzer Strahler. Der S. ist ein theoretisches und in der Natur nicht<br />

vorkommendes Gebilde mit einer maximalen Strahlung und Absorptionsleistung.<br />

Der Reflexionsgrad hingegen ist beim S. null. Er ist wesentlicher Teil des<br />

Strahlungsgesetzes von Stefan-Boltzmann. Er wird da mit der Stefan-<br />

Boltzmann-Konstanten von 5,671 W/m²K 4 beschrieben, die das Zeichen (σ) hat.<br />

Die Stefan-Boltzmann-Konstante drückt zugleich aus, dass die<br />

Strahlungsleistung einer Oberfläche in der 4.Potenz proportional zur absoluten<br />

Temperatur steht. Auf die einschlägige Fachliteratur wird verwiesen.<br />

Schwimmender Estrich. Dünne Plattenkonstruktionen aus Gips, Zementmörtel,<br />

Asphalt und aus Bauplatten auf weichen Dämmschichten zur Reduzierung des<br />

sog. „Trittschalls“.<br />

Semipermeable Membranen. Siehe Osmose.<br />

Sensor. In der Technik eine Vorrichtung zum Erkennen von äußeren Einflüssen,<br />

die Regelimpulse auslöst. In der Natur prinzipiell ebenso, z.B. die Verengung<br />

der Pupille bei hellem Licht.<br />

Simulationen. Bauphysikalische Berechnungen werden nach Norm und EnEV<br />

unter der Annahme durchgeführt, dass die physikalischen Ereignisse stets<br />

gleichen Randbedingungen unterworfen wären. Diese Annahme hat mit den<br />

tatsächlichen Verhältnissen nichts zu tun. Die so gewonnenen<br />

Rechenergebnisse sind daher durchwegs falsch. Die moderne Computertechnik<br />

ermöglicht ein beliebig genaues Rechenverfahren mit Simulationen. Hierbei<br />

kommt es darauf an, dass die eingegebenen Randbedingungen so genau wie<br />

möglich ermittelt werden. Der Verfasser rechnet bei den von ihm entwickelten<br />

Simulationen (quasiinstationär) mit stündlich ermittelten Randbedingungen. Zur<br />

Entschuldigung der derzeit noch vorgeschriebenen, aber extrem ungenauen<br />

Verfahren auf der Grundlage des stationären Zustands der Randbedingungen<br />

kann gesagt werden, dass zum Zeitpunkt der Entstehung z.B. der DIN 4108 in<br />

den 40er – Jahren des vorigen Jhdts. Hilfsmittel wie elektronische<br />

Taschenrechner, geschweige denn Computer noch nicht zur Verfügung<br />

standen. Simulationen hätten daher „zu Fuß“ gerechnet werden müssen.<br />

Hierfür hätte man mehr als zwölf Jahre Rechenzeit benötigt. Heute leistet die<br />

gleiche Arbeit ein PC in wenigen Minuten. Seit mindestens 25 Jahren hätte man<br />

aber in der amtlichen Bauphysik sich moderner Verfahren bedienen können.<br />

Sommerlicher Wärmeschutz. Baukonstruktive Maßnahmen zur Vermeidung der<br />

sommerlichen Aufheizung von Gebäuden. Massivgebäude verfügen fast immer<br />

über einen ausreichenden s.W. Bei leichten Konstruktionen kann der s.W. durch<br />

sinnreichen Einbau von reflektierenden Baustoffen erreicht werden. Einen guten<br />

s.W. bewirkt auch die Termosfassade.<br />

Strahlungsaustauschkoeffizient. Kennzahl ohne Benennung, die die<br />

Beeinflussung des strahlungsbedingten Wärmestroms zwischen Flächen mit


unterschiedlichem Strahlungskoeffizienten ausdrückt.<br />

163<br />

Strahlungsgesetz von Stefan-Boltzmann. Zunächst von Stefan empirisch<br />

gefundene Gesetzmäßigkeit, wonach die Strahlungsleistung in (W/m²) in der<br />

vierten Potenz proportional zu absoluten Temperatur eines Strahlers steht.<br />

Durch Ludwig Boltzmann mathematisch bestätigt. Das S. bezieht sich auf das<br />

gesamte Spektrum der Wärmestrahlung und ist somit als Integral zu verstehen.<br />

Mit einer Umformung der Grundgleichung des S. kann von einer gegebenen<br />

Strahlungsleistung auf die Temperatur eines Absorbers geschlossen werden. Zu<br />

berücksichtigen ist bei allen derartigen Berechnungen der Emissionskoeffizient<br />

(ε) der strahlenden oder absorbierenden Flächen, der als unbenannte Zahl<br />

angibt, in welchem Verhältnis die Flächen zum Schwarzen Strahler mit dem (ε)<br />

= 1 stehen. Bezugsgrösse ist die Stefan-Boltzmann – Konstante (σ) mit dem<br />

Zahlenwert 5,671, die nur für den Schwarzen Strahler gilt. Aus unerfindlichen<br />

Gründen findet das S. keine Berücksichtigung in der amtlichen Bauphysik,<br />

obwohl es von ausschlaggebender Bedeutung ist.<br />

Strahlungskoeffizient. Der S. ist eine unbenannte Zahl und drückt aus, wie sich<br />

Absorption und Reflektion von Wärmestrahlung zum Schwarzen Strahler<br />

verhalten. Er hat in physikalischen Berechnungen die Bezeichnung (ε).<br />

Technischer Erfolg. Neben der Errichtung eines mangelfreien Bauwerks<br />

innerhalb der vertraglichen Frist schuldet der <strong>Architekt</strong> auch einen t.E. Tritt<br />

dieser nicht ein, ist der <strong>Architekt</strong> zum Schadensersatz verpflichtet. Der Eintritt<br />

des t.E. ist eine höchstpersönliche und daher nur vom <strong>Architekt</strong>en geschuldete<br />

Leistung. Die Berufung auf Normen und ähnliche Regelwerke und schon gar<br />

nicht auf Prospektangaben befreit den <strong>Architekt</strong>en nicht vom zugesagten t.E.<br />

U-Wert. Früher als k-Zahl bekannt, angegeben in (W/m²K) Der U. ist der sog.<br />

„Wärmedurchgangskoeffizient“. Er entsteht aus der Addition der Kehrwerte der<br />

einzelnen Wärmedurchlasswiderstände 1/Λ unter Hinzufügung der Kehrwerte<br />

der Wärmeübergangswiderstände an der Gebäudeinnen- und aussenfläche.<br />

Nach EnEV ist der U. die wichtigste Kennzahl für den Nachweis<br />

energieeinsparender Bauweisen. Der U. ist aus mehreren Gründen fehlerhaft:<br />

Er entsteht aus einem bauphysikalischen Modell, bei dem stets gleiche<br />

Randbedingungen herrschen. Die Wärmeübergangswiderstände sind willkürliche<br />

Festwerte. Strahlungsprozesse werden beim U. vollkommen vernachlässigt,<br />

obwohl ihnen überragende Bedeutung zukommt. Weiterhin wird die<br />

Wärmekapazität der Baustoffe nicht berücksichtigt. Würde man den U.<br />

wenigstens von den Wärmeübergangswiderständen entkleiden, wäre der noch<br />

verbleibende Wärmedurchlasskoeffizient noch brauchbar zum Nachweis der<br />

Tauwasserfreiheit von Aussenwandkonstruktionen. Er würde die Dämmfähigkeit<br />

annähernd richtig beschreiben. Derzeit muss man den U. im Bereich des<br />

Bauwesens als wissenschaftlichen Unfug bezeichnen.<br />

Wandheizungen. Heiztechnik, die die unmittelbare Einleitung von Wärmeenergie<br />

in die Wand vorsieht. Das Ziel besteht hierbei in der Schaffung eines<br />

bekömmlichen Strahlungsklimas im Raum.


164<br />

Wärmekapazität. Spezifische Eigenschaft von Stoffen zur Fähigkeit,<br />

Wärmeenergie abzuspeichern. Angegeben in (Wh/kgK). Die Wärmekapazität<br />

von Stoffen kann Tabellenwerten entnommen werden. Wasser hat von allen in<br />

der Natur vorkommenden Stoffen die höchste Wärmekapazität mit etwa 1<br />

Wh/kgK. Der genaue Wert hängt von der Wassertemperatur ab.<br />

Wärmekraftkopplung. Heiztechnik, bei der der Wärmebereiter ein Dieselmotor<br />

ist, der nach der thermischen Abwärme ausgelegt wird. Die mechanische<br />

Leistung des Motors wird mittels Generatoren in elektrischen Strom<br />

umgewandelt, der entweder selbst genutzt wird oder in das öffentliche Netz<br />

eingespeist wird. Als Betriebsmittel kann Gas, Heizöl oder Pflanzenöl eingesetzt<br />

werden. Verbesserungsfähig durch Brennwerttechnik, da die Abgastemperatur<br />

der Motoren zwischen 100 – 120 °C liegt. Noch ungelöst ist die Russfilterung<br />

bei Ölverbrennung. Sehr gute Energieausbeute und hohe steuerliche<br />

Begünstigung.<br />

Wärmeübergangszahl. (andere Bez. „Wärmeübergangskoeffizient“), In<br />

physikalischen Berechnungen wird die W. mit dem Buchstaben (α) bezeichnet<br />

und in der Größe (W/m²K) angegeben. Die W. wird durch zahlreiche<br />

Einflussgrössen bestimmt, z.B. Temperaturdifferenz zwischen Fluid und<br />

Festkörper, Feuchtezustand des Gases, geometrische Eigenschaften der<br />

Festkörperobefläche, Art der Anströmung (z.B. laminar oder turbulent, frei oder<br />

erzwungen), Anströmrichtung, Ausrichtung der angeströmten Fläche. Richtige<br />

W. können nur im Experiment ermittelt werden. In der Bauphysik und der DIN<br />

4108 ist der Wert (αa), der den Wärmeübergang an der Gebäudeoberfläche mit<br />

einem Pauschalwert beschreiben soll, nahezu immer falsch. Daher kann der<br />

Energieabtrag nach Norm nicht ermittelt werden, auch wenn dies so<br />

vorgeschrieben ist. Von den Forschungsinstituten ist zu fordern, dass sie<br />

unverzüglich W. ermitteln, die eine Beurteilung des konvektiven<br />

Energieübergangs in richtiger Größe zulassen. Hierbei ist strikt nach<br />

konvektiven und strahlenden Vorgängen zu trennen, vor allem dann, wenn man<br />

sich für die Berechnung instationärer Zustände entscheiden sollte. Dies<br />

erzwingen die Regeln der Algebra. Die Berechnung von Konvektion erfolgt mit<br />

einfachen linearen Gleichungen, Strahlungsvorgänge werden mit Gleichungen<br />

4.Grads behandelt. Derartige Gleichungen dürfen nicht in einem einzigen<br />

Rechengang behandelt werden.<br />

Wetter. Der tatsächliche Ablauf des Wettergeschehens bis in eine Höhe von<br />

etwa 10.000 m über Meereshöhe. Es wird bestimmt durch Sonneneinstrahlung,<br />

Umgebungsstrahlung, Bewölkung, Wind, Windrichtung, relative Luftfeuchte,<br />

Lufttemperatur, Luftdruck, Niederschläge, Dunst, Nebel, Oberflächentemperaturen<br />

des Bodens u.a.m. Fast alle diese Bestimmungsgrössen sind<br />

untereinander verknüpft. Es ist die einzige Ursache der Notwendigkeit des<br />

sommerlichen und winterlichen Wärmeschutzes. Unsere Gebäude stehen im<br />

Freien und unterliegen daher den Wettereinflüssen – genauer besehen ist das<br />

Wetter der Grund dafür, dass seit Jahrtausenden Gebäude errichtet werden.


Verwendete Literatur (Auswahl)<br />

165<br />

Berg Tilman, <strong>Dipl</strong>omarbeit an der TU-Berlin, Bestimmung der Wärmeverluste<br />

durch einschichtige Wandkonstruktionen bei nachträglicher Anordnung<br />

reflektierender Schichten im Bereich nichthinterlüfteter Bekleidungen, 2002<br />

Buderus, Handbuch für Heizungstechnik, 33.Aufl. 1994, Beuth<br />

Bundesregierung, Energieeinsparverordnung, 2007 (Internet)<br />

Cerbe/Hoffmann, Einführung in die Thermodynamik, 10.Aufl., Hanser<br />

Creifelds, Rechtswörterbuch, 13.Aufl. Beck<br />

Cziesielski, Göbelsmann, Röder, Einführung in die Energieeinsparverordnung<br />

2002, 2.Auflage, Ernst & Sohn, 2002.<br />

Eichler Friedrich, Bauphysikalische Entwurfslehre, 2.Aufl. VEB Verlag für<br />

Bauwesen<br />

Fraunhoferinstitut für Bauphysik, Wetterdaten (Internet)<br />

Herr Horst, Wärmelehre, 2.Aufl. Europa Lehrmittel<br />

Morgenstern Christian, Galgenlieder<br />

Raimund Probst, versch. Veröffentlichungen in Fachzeitschriften<br />

Scholz, Benjamin Dr., Anfangsgründe der Physik, 3.Aufl. 1827 Wien, Verlag von<br />

J.G.Heubner<br />

Schwan Christoph, Abschlussbericht über einen Freilandversuch mit<br />

reflektierenden Platten in der Heizperiode 2002 – 2003, Texte und Diagramme,<br />

Eigenmanuskript<br />

Schwan Christoph, Berechnungen zur Thermosfassade, Eigenmanuskript 2006<br />

Schwan Christoph, Die Temperierung, Eigenmanuskript 2001<br />

Schwan Christoph, Die Thermosfassade, Erklärung für Nichtphysiker,<br />

Eigenmanuskript 2006<br />

Vitruvius, Marcus Pollio, X libri de architectura, ca. 40 v.Chr. Übers. von Rhode,<br />

Artemis, Verlag für <strong>Architekt</strong>ur, 2 Bde. 1987.<br />

Walletschek/Graw, Ökolexikon, 5.Aufl. 1994, Beck Verlag.


Waloschek Pedro, Wörterbuch Physik, 1998, dtv.<br />

Wendehorst, Bautechnische Zahlentafeln, 26.Aufl. Teubner, Stuttgart<br />

Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, Energiegerechtes Bauen und<br />

Modernisieren, versch. Autoren, Birkhäuser 1994.<br />

Deutsches Institut für Normung e.V., DIN EN ISO 6946<br />

Deutsches Institut für Normung e.V., VOB 2006<br />

Deutsches <strong>Architekt</strong>enblatt, versch. Veröffentlichungen<br />

Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK) versch. Veröffentlichungen<br />

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