Rätselhafte Fernwirkung - Schiffhauer, Nils
Rätselhafte Fernwirkung - Schiffhauer, Nils
Rätselhafte Fernwirkung - Schiffhauer, Nils
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Villa Massimo. Da wär‘ er auch gerne mal ein Jahr auf Staatskosten gewesen; oder Indien.<br />
Das Goethe-Institut mache doch so was. Aber keinen Schlag gehabt.<br />
Von Kallroy, der Maler aus „Heile Welt“. Montiert aus Otto Mueller, Heinrich Vogeler,<br />
Modersohn und Ossietzky. Ende im Emslandlager, von der Tochter denunziert. Nimmt man<br />
eine wirkliche Person, beschweren sich die Leute, dass da was fehle.<br />
Begegnungen mit Buchpersonal. Keine Angst, dass eine halbfertige Figur durch den Raum<br />
streicht: „Wie geht’s denn nun weiter mit mir im Manuskript?“ Seltsame Frage, wie alle.<br />
Sieht allerdings, wenn er abends ins leere Haus kommt, manchmal seinen Schweriner Untersuchungsrichter<br />
auf dem Schreibtischstuhl, unter dem ein polierter Stein aus dem Gefängnis<br />
Bautzen eingelassen ist.<br />
Flirtet mit der Fotografin, daß die Fenster beschlagen. Wie eigentlich, Herr Kempowski,<br />
macht das Mäuschen der Frauen beim Gehen? Das gehöre doch wohl nicht hierher, dieses<br />
Zitat aus seinem „Alkor“. Fühlt sich aber ertappt.<br />
Die Bücher, alles von langer Hand geplant. Hält die Papptafel hoch. Hier die Geschichte der<br />
Familie, Tadellöser & Wolff, etwa. Dort die der „Anderen“, die Echolot-Serie. Darin über 500<br />
Biografien verarbeitet. Man muss das machen. Was, das? Von einem Ufer zum andern rudern.<br />
Lethe? Nickt; aber fraglich, ob er nicht „Leben“ verstand.<br />
Natur? Direkt ekelhaft! So raunendes Moor wie bei Arno Schmidt, dessen schnappschussartig<br />
komponierten Romane dem Lese-Entwöhnten nach der Entlassung 1956 entgegenkamen und<br />
dessen Technik er adaptierte? Natur kommt ihm nicht in die Tüte!<br />
What is this thing called love? Sein Lieblings-Swing. Dann aber eher die drei Schmachtminuten<br />
von Artie Shaw vom 27. September 1938 als der nervöse 15-Minuten-Riemen von<br />
Parker, Charlie.<br />
Man frage nicht! Die Verfilmungen seiner Bücher, die diese populär bis zum sprachlichen<br />
Volksvermögen („Klare Sache, und damit hopp!“) machten. Doch wie die Worte des<br />
Eidetikers Kempowski zu Bildern Eberhard Fechners wurden – sonderbar. Selbst filmen?<br />
Kein Geld, keine Energie.<br />
Nie wieder Rostock! Sammelte alles, was mit seiner Heimatstadt zu tun hat, baute ihr Zentrum<br />
als Diorama. Aber als er wieder nach Rostock durfte, war es aus damit. Wenn man seine alte<br />
Schulliebe wiedersehe, sei es doch auch vorbei damit, he? Je, nun.<br />
Spukhafte <strong>Fernwirkung</strong>. Auf dem Heimweg lenkt ein virtueller Autopilot den Wagen in die<br />
Vergangenheit. Das Bahnwärterhäuschen Waffensen, 1977; ein schwarzer Weichendraht<br />
bebte und hauchte hawai[i]en; (neben mir erschien die Wölfin 2 , mit Silberkörnern überall<br />
…). 3 Was davon eigene Biographie, was faunisches Leseerlebnis; was die fortgesponnenen<br />
Gesprächsfäden? Alles frei erfunden!<br />
Danke, Kempo: danke.<br />
2 d.i. Hanne Wulff [angebetete Schulfreundin Arno Schmidts]<br />
3 Schmidt, Arno: Aus dem Lebens eines Fauns I. (In: Schmidt, Arno: Sämtliche Romane und Erzählungen 1946<br />
– 1964, Bargfeld/Zürich, 2000, S. 286)