Eine Trainingseinheit oder: „geplante Improvisation“! - Deutscher ...
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SERIE: FÜR DEN NACHWUCHSTRAINER<br />
SCHNELLIGKEITSTRAINING CHNELLIGKEITSTRAINING IN DER FECHTPRAXIS ECHTPRAXIS<br />
W<br />
<strong>Eine</strong> <strong>Trainingseinheit</strong> <strong>oder</strong>: <strong>„geplante</strong> <strong>Improvisation“</strong>!<br />
enn man irgendwo in der Welt eine<br />
Fechthalle <strong>oder</strong> einen sonstigen Raum<br />
betritt, in dem Fechttraining abgehalten<br />
wird und man wird gebeten, mit der gerade<br />
anwesende Gruppe eine <strong>Trainingseinheit</strong><br />
durchzuführen, dann braucht man Zugriff<br />
auf einen festen Trainingsplan als Basis für<br />
die sofortige Improvisation, die zu der<br />
Gestaltung der Übungsstunde führt.<br />
Die ERSTE Gegebenheit wird abgeleitet aus<br />
dem einleitenden Satz: es handelt sich um<br />
eine Gruppe von Sportler <strong>oder</strong> Sportlerinnen,<br />
möglicherweise auch gemischt, die gerne<br />
bewegt werden möchten. Die ERSTE<br />
Vorgabe, die im eigenen Trainingsplan festgelegte<br />
Vorgabe sollte sein, die komplette<br />
Gruppe während der gesamten Trainingszeit<br />
zu beschäftigen und die Aufmerksamkeit<br />
nicht nur einzelnen Athleten <strong>oder</strong><br />
Athletinnen zu widmen.<br />
<strong>Eine</strong> ZWEITE Orientierung gilt den Voraussetzungen,<br />
die der Raum bietet. Eventuell<br />
sind Sportgeräte und Hilfsmaterialien<br />
vorhanden, die als Unterstützung und als<br />
Abwechslungsmöglichkeiten eingesetzt werden<br />
können. Im sportlichen Training gilt<br />
VARIATION als Zauberformel.<br />
✓ Wenn keine Turngeräte, Matten,<br />
Hüttchen, Bälle <strong>oder</strong> sonstige Mittel vorhanden<br />
sind, kann immer noch auf<br />
Fechtmaterial – Masken, Waffen, Handschuhe<br />
– zurückgegriffen weden!<br />
✓ Vergiß nicht vor dem Trainingsanfang<br />
mögliche Gefahrenquellen aus der Halle<br />
zu entfernen!<br />
Der DRITTE Grundsatz erleichtert die<br />
Improvisation ungemein: ein festes Thema<br />
sollte in allen Teilen des Trainings zur<br />
Geltung kommen, wie ein roter Faden<br />
durchs Training führen.<br />
EINE TRAININGSEINHEIT<br />
MIT DEM THEMA: SCHNELLIGKEIT<br />
Die Trainigseinheit kennt drei Hauptteile:<br />
1. Warming-Up – evt. ein Spiel<br />
2. Allgemeine Übungen – Schnelligkeitsparcours<br />
3. Fechtspezifisches Teil – Beinarbeit und<br />
Waffentraining<br />
➢ Die drei Hauptteile können fließend<br />
ineinander übergehen. Außerdem müssten<br />
sie irgendwann „eingeführt“ werden,<br />
was bedeutet, dass sie selbst mal als reinen<br />
Unterrichtsgegenstand, als THEMA an<br />
sich, dienen.<br />
➢ Mit „allgemeinen“ Übungen werden hier<br />
„nicht-fechtspezifischen“ Bewegungsformen<br />
gemeint.<br />
➢ Die Übungen und Trainingsinhalte wurden<br />
so gewählt, dass Hilfsmittel <strong>oder</strong><br />
Geräte eingesetzt werden können, grundsätzlich<br />
aber nicht notwendig sind, damit<br />
das Training unter allen örtlichen Voraussetzungen<br />
durchgeführt werden<br />
kann.<br />
[Ein viertes Trainingsteil, eine „Ausklangphase“<br />
mit einem Cool-Down, wird nicht<br />
erwähnt, dürfte dennoch nicht vergessen<br />
werden.]<br />
1. AUFWÄRMPHASE – „WARMING-UP“<br />
I. Bewegungsformen aus dem LAUF-ABC<br />
durchgehen. Dazu die Begriffe Skipping<br />
und Trippling eindeutig erklären, da die<br />
im weiteren Verlauf des Trainings immer<br />
wieder vorkommen. Organisationsformen<br />
dieser Aufwärmphase können sein:<br />
✓ dass die Gruppe sich im Kreis –<br />
„Umlaufbahn“ – bewegt und auf akustische<br />
Signale des Trainers die Bewegungsform<br />
wechselt. Der Trainer steht in<br />
der Mitte des kreises.<br />
✓ dass die Gruppe sich in geraden Bahnen<br />
„auf und ab“ bewegt. Jede Bewegungsform<br />
kennt eine vorgegebene Zahl<br />
von Bahnwiederholungen. Der Rückweg<br />
kann gelaufen – gejoggt – werden. Damit<br />
wird es eine Art von Intervalltraining.<br />
Der Trainer steht frontal vor der Gruppe.<br />
II. Vor <strong>oder</strong> nach dem LAUF-ABC: ein<br />
Fangspiel, mit als Hilfsmittel ein<br />
Fechthandschuh:<br />
Der Hase hält den Handschuh deutlich<br />
sichtbar in der Hand, reicht ihn weiter an<br />
einen Mitspieler, sobald der Jäger in die<br />
Nähe kommt. Der Handschuh darf nicht<br />
geworfen werden. Der Hase ist immer der,<br />
der gerade den Handschuh hält.<br />
✓ Wie lange dauert es, bis der Jäger einen<br />
Hasen fängt?<br />
✓ Wieviele Hasen fängt der Jäger in (z. B.)<br />
eine Minute?<br />
✓ Wer gefangen wird, ist neuer Jäger!<br />
2. HAUPTPHASE<br />
In dieser „Hauptphase“ des Trainings wird<br />
die konditionelle Fähigkeit SCHNELLIGKEIT<br />
trainiert. Als Trainingsmittel wird ein „Mini-<br />
Zirkel“ von drei Stationen gewählt.<br />
STATION 1: <strong>Eine</strong> Slalombahn. Maximal 14<br />
m. Länge (Fechtbahn!). Markierungen, also<br />
„Slalomstangen“ mit immer genau 1 m.<br />
Zwischenraum hinlegen <strong>oder</strong> hinstellen.<br />
➢ TRIPPLINGS, in der deutschen Literatur<br />
zu finden als Fußgelenksarbeit, was zu<br />
umschreiben ist mit einem schnellen, in<br />
hoher Bewegungsfrequenz, Abrollen der<br />
Füsse, wobei die Fußspitze jeweils erst<br />
aufgesetzt wird und der Fuß ab dem<br />
Fuballen nach hinten – Richtung Ferse –<br />
abgerollt wird.<br />
➢ In der hier vorgestellten Übungsform<br />
bewegen die Athleten sich jeweils diagonal,<br />
halb seitwärts, die Körperhaltung<br />
frontal zu den Markierungen und zur<br />
Slalom-Fechtbahn, wobei die Knie so<br />
stark gebeugt sind – und während der<br />
Übung ebenso gebeugt gehalten werden<br />
– wie in einer ordentlichen Fechtstellung<br />
➔Spannung in den Oberschenkeln!. Es ist<br />
allerdings keine Fechtstellung. Die Ausgangshaltung<br />
könnte eine Grätsche sein<br />
mit nachfolgendem Kniebeugen. Der Oberkörper<br />
bleibt gerade, Becken und Schultergürtel<br />
parallel zum Fußboden, die Arme<br />
entspannt hängen lassen. Man könnte sich<br />
vorstellen, auf dem Rand eines halbhohen<br />
Stuhl zu sitzen, der also nicht da ist.
➢ VORGABE: minmal fünf schnelle, feste<br />
Bodenberührungen zwischen jeweils<br />
zwei Markierungen [Hüttchen, Masken,<br />
Handschuhe <strong>oder</strong> sonstigen Gegenstände].<br />
Weniger schnell vorwärts als<br />
fast auf der Stelle bewegen!<br />
Station 2: <strong>Eine</strong> „halbe“ Fechtbahn von sechs<br />
bis acht Meter. Länge. Nach Wahl ohne<br />
Barrieren <strong>oder</strong> mit Hindernisse, die die<br />
Skippings provozieren bzw. abzwingen könnten.<br />
Die Hilfsmittel könnten Bänke, befestigte<br />
Sprungseile <strong>oder</strong> Plastikstäbe in Halterungen<br />
sein, die ebenfalls auf jeweils ein<br />
Meter. Abstand aufgestellt werden.<br />
➢ SKIPPINGS, auch Kniehebelauf genannt.<br />
Hier: sehr schnelle Bewegungen mit<br />
starkem Kniehub. Eventuell einen<br />
Spiegel am Ende der Skippingbahn hinstellen,<br />
damit die Athleten während der<br />
Übung ein sofortiges Feed-Back bezüglich<br />
ihren Bewegungsausführung bekommen.<br />
Natürlich wenn ein Spiegel überhaupt<br />
vorhanden ist. Er könnte auch mal<br />
am Ende der Tripplingbahn aufgestellt<br />
werden. Darauf achten, dass der Trainer<br />
die drei Übungsbahnen von einem Standpunkt<br />
aus beobachten kann.<br />
STATION 3: <strong>Eine</strong> Strecke von zehn Meter.<br />
Etwas mehr als von der Stellungslinie bis zur<br />
Hinterlinie des Gegners. Start und Ziel mit<br />
Hüttchen <strong>oder</strong> sonstigem deutlich markieren!<br />
➢ SPRINT aus einer Tiefstarthaltung heraus.<br />
Der Tiefstart soll bewirken, dass der<br />
Sportler nach Station zwei kurz anhält<br />
und sich auf die neue Aufgabe konzentriert.<br />
Einfach weitermachen nach der<br />
vorherigen Station löst einen „fliegenden<br />
Start“ aus, der in diesem Falle nicht<br />
erwünscht ist. Auch auf der Fechtbahn ist<br />
der Fechter/in die eigene Zündung. Man<br />
entscheidet selbst, wann der Angriff<br />
gestartet wird! Wen der Tiefstart von z. B.<br />
jungen Sportler nicht richtig beherrscht<br />
wird, kann der ohne weiteres weggelassen<br />
werden. Nur auf einem kurzen Stopp<br />
bestehen. der Sprint soll voll durchgezogen<br />
werden, mit einem fast agressiven<br />
Bewegungsrythmus.<br />
Dieser „Mini-Zirkel“ fünf Mal nacheinander,<br />
ohne Unterbrechung durchführen lassen. Bei<br />
einer Beteiligung von 15 Personen und diszi-<br />
SERIE: FÜR DEN NACHWUCHSTRAINER<br />
plinierter Ausführung, wobei darauf geachtet<br />
werden sollte, dass keiner der Teilnehmer<br />
zu eng zu seinem Vorgänger aufschließt –<br />
Starts mit z. B. sieben Meter Abstand – wird<br />
ungefähr sieben bis zehn Min. in Anspruch<br />
nehmen.<br />
3. SCHWERPUNKTPHASE –<br />
FECHTSPEZIFISCHER TEIL MIT BEINARBEIT<br />
Die Schüler werden so hingestellt, dass sie<br />
das Gefühl haben, auf einer Fechtbahn zu<br />
stehen. Entweder an der Stellungs-,<br />
Startlinie <strong>oder</strong> an der Endlinie der Bahn.<br />
Wenn es die Halle eines Fechtzentrums<br />
betrifft: eine eigene Fechtbahn für jede einzelne<br />
Person!<br />
➢ TRIPPLINGS in der Fechtstellung.<br />
Spannungsvolle, vom eigenen Willen<br />
gesteuert, hochfrequente Bewegungen<br />
auf der Stelle – mit , allerdings wie<br />
gesagt, in einer perfekten Fechtstellung.<br />
Angefangen wird auf die Kommandos<br />
des Trainers, die identisch sein können<br />
mit denen des Obmannes beim Turnier:<br />
In der Stellung bitte, (sind Sie) fertig?,<br />
Los! Ein zweites LOS!, ein Händeklatschen<br />
<strong>oder</strong> ein Pfeifsignal löst die<br />
Beinarbeit aus, die in optimaler<br />
Geschwindigkeit [EXPLOSIV!] ausgeführt<br />
werden sollte:<br />
✓ AUSFALL<br />
✓ SCHRITT-AUSFALL<br />
✓ SPRUNG-AUSFALL<br />
✓ FLÈCHE<br />
In der Endhaltung eine kurze Zeit verharren<br />
für eventuellen Korrekturen. Nach dem<br />
Zurückkehren in die Fechtstellung – ebenfalls<br />
auf Kommando –, folgt eine Entspannungsphase<br />
mit kurzfristiger Lockerung<br />
der Muskulatur. Wie beim Turniergefecht<br />
nach einer Gefechtsunterbrechung fängt<br />
der Trainer mit seinem Kommando: „In der<br />
Stellung bitte“ einen neuen Versuch an.<br />
Ähnlich dem Krafttraining sollte die Wiederholungszahl<br />
vorher festgelegt werden.<br />
Für jede Beinarbeitsform acht bis zehn<br />
Wiederholungen. Die TRIPPLING- <strong>oder</strong> SKIP-<br />
PINGPHASE sollte etwa fünf Sekunden<br />
anhalten. Aber nicht genau fünf Sekunden<br />
bei jedem Versuch. Variieren!<br />
✓ Wenn ausreichend Stoßkissen in der<br />
Halle vorhanden sind, können diesen<br />
gleichen Übungen mit einer „Waffe“ in<br />
der Hand als Stoß- und Techniktraining<br />
verwendet werden.<br />
✓ Säbelfechter können ihren Masken an die<br />
möglicherweise vorhandene Sprossenwand<br />
hängen.<br />
✓ In allen drei Waffen sind auf diese Art<br />
und Weise „Partnerübungen“ möglich!<br />
✓ Auch in der Einzellektion können diese<br />
Schnellkraftübungen eingebaut werden.<br />
TRAININGSUMFANG<br />
Die bislang beschriebene <strong>Trainingseinheit</strong><br />
mit ihren drei Hauptteilen dauert nicht länger<br />
als ca. eine Stunde.<br />
Die Aufwärmphase sollte nicht mehr als 15<br />
bis 20 Minuten in Anspruch nehmen. Es sollte<br />
vermieden werden, dass sie selbst zu<br />
einem Konditionstraining wird. Die Beteiligten<br />
dürfen physisch nicht zu sehr<br />
„erschöpft“ werden, sonst kann man im weiteren<br />
Verlauf der <strong>Trainingseinheit</strong> kein<br />
Schnelligkeitstraining mehr durchführen.<br />
Der Trainer muss zwischen den Hauptteilen<br />
Pausen einfügen, die ausreichen, um die<br />
Leistungsfähigkeit der ihm anvertrauten<br />
Athleten wiederherzustellen. Fünf Minuten<br />
vollständiger Erholung dürften reichen. Alles<br />
nach dem Trainingsprinzip der optimalen<br />
Erholung und Belastung.<br />
Des Weiteren ist es ratsam, eine <strong>Trainingseinheit</strong><br />
mit einem bestimmten Ziel –<br />
hier: Formen von Schnelligkeitstraining,<br />
durch die vielen Wiederholungen auch<br />
Schnellkraftausdauer – in gleicher Organisationsform<br />
des Öfteren zum ähnlichen<br />
Wochenzeitpunkt anzubieten. <strong>Trainingseinheit</strong>en<br />
brauchen, ebenso wie einzelne Übungen,<br />
gewisse Wiederholungszahlen um<br />
Trainingsreize und Lerneffekte zu erzielen.<br />
Rorik Janssen<br />
Diplom-Trainer im OSP/BLZ/LLZ BONN<br />
Literatur:<br />
• Materialien für Ausbilder zur Ausbildung<br />
von Sportassistenten Fechten, DFB, BONN<br />
1998, mit einem Beitrag von Jojo Nolte<br />
und Rorik Janssen bezüglich Kleine Spiele<br />
– 27 Seiten.<br />
• JONATH, Ulrich u. a.: Leichtathletik 1,<br />
RoRoRo Sport 2990, Reinbek bei<br />
Hamburg 1995<br />
• GROSSER, Manfred: Schnelligkeitstraining,<br />
BLV Sportwissen 417, München<br />
1991<br />
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