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Die strafrechtliche Verantwortlichkeit bei Mehrheitsentscheidungen ...

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<strong>Die</strong> <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong><br />

<strong>Mehrheitsentscheidungen</strong> von Gremien in Aktiengesellschaften<br />

Insbesondere des Verwaltungsrates und der Geschäftsleitung<br />

Dissertation<br />

der Rechtswissenschaftlichen Fakultät<br />

der Universität Zürich<br />

zur Erlangung der Würde einer Doktorin der Rechtswissenschaft<br />

vorgelegt von<br />

Petra Camathias Ziegler<br />

von Laax GR und Schönholzerswilen TG<br />

genehmigt auf Antrag von<br />

Prof. Dr. Andreas Donatsch


<strong>Die</strong> Rechtswissenschaftliche Fakultät gestattet hierdurch die Drucklegung der vorliegen-<br />

den Dissertation, ohne damit zu den darin ausgesprochenen Anschauungen Stellung zu<br />

nehmen.<br />

Zürich, den 27.10.2004<br />

Der Dekan: Prof. Dr. A. Donatsch


per mes geniturs<br />

per Marco


Dank<br />

Meinem Doktorvater Prof. Dr. iur. Andreas Donatsch möchte ich an dieser Stelle ganz<br />

herzlich für die gute Betreuung und die wertvollen Anregungen danken.<br />

Im Weiteren möchte ich RAin Dr. iur. Sabine Kilgus, RA lic. iur. Andreas Michel, RA<br />

Dr. iur. Franco Passini, lic. iur. Maryam Soliman und BA lic. iur. Damaris Vasella für<br />

die interessanten Gespräche sowie Anmerkungen zum Manuskript danken.<br />

Meinen Eltern Ida und Alexander Camathias-Cathomen bin ich zu tiefer Dankbarkeit<br />

verpflichtet. Sie haben mir neben Vielem auch das Studium ermöglicht. Meinem Mann<br />

Dr. Marco Ziegler schulde ich einen ganz besonders herzlichen Dank. Er hat mich<br />

während der Ausar<strong>bei</strong>tung der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t mit grossem Einsatz unterstützt.


Inhaltsübersicht<br />

Inhaltsübersicht<br />

1. KAPITEL MEHRHEITSENTSCHEIDUNG ALS STRAFRECHTLICHES<br />

PROBLEM .................................................................................................1<br />

I. Gegenstand der Untersuchung ...............................................................................1<br />

II. Problemstellung........................................................................................................1<br />

A. Verhalten des Gremiums und Mehrheitsprinzip....................................................1<br />

B. Ansätze in der schweizerischen Lehre...................................................................2<br />

III. Ziel der Untersuchung.............................................................................................3<br />

IV. Vorgehensweise ........................................................................................................3<br />

2. KAPITEL GRUNDLAGEN.........................................................................................5<br />

I. Gremium als Entscheidungsinstanz.......................................................................5<br />

A. Definition des Gremiums.......................................................................................5<br />

B. Verwaltungsrat als Gremium.................................................................................5<br />

C. Geschäftsleitung als Gremium.............................................................................14<br />

II. Mehrheit und Entscheidung .................................................................................19<br />

A. Mehrheitsentscheidung ........................................................................................19<br />

B. Mehrheit...............................................................................................................19<br />

C. „Entscheid“ ..........................................................................................................20<br />

III. Entscheidfindungsprozess im Gremium..............................................................21<br />

A. Vorausgesetzte Kenntnis der Gremiumsmitglieder .............................................21<br />

B. Traktandierung und Einberufung der Gremiumssitzung .....................................21<br />

C. Beschlussfähigkeit des Gremiums .......................................................................22<br />

D. Teilnahme- und Mitwirkungspflicht eines Gremiumsmitgliedes........................23<br />

E. Abstimmung.........................................................................................................24<br />

F. Einfluss der Kompetenzverteilung auf die zivilrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong><br />

des Gremiumsmitgliedes......................................................................................30<br />

IV. Relevanz des Zivilrechts für das Strafrecht ........................................................33<br />

3. KAPITEL ABSTIMMUNG ALS STRAFRECHTLICHER ANKNÜPFUNGS-<br />

PUNKT......................................................................................................35<br />

I. Abstimmungsmechanismus im Gremium ...........................................................35<br />

A. Antrag als strafrechtlich relevante Folgen implizierender Ausgangspunkt.........35<br />

I


Inhaltsübersicht<br />

II<br />

B. Durchführung der Abstimmung .......................................................................... 35<br />

C. Beschluss als Anknüpfungspunkt für die strafrechtlich relevanten Folgen........ 36<br />

II. Qualifizierung des Stimmverhaltens des Gremiumsmitgliedes als Begehung<br />

oder Unterlassung ................................................................................................. 39<br />

A. Vorbemerkungen................................................................................................. 39<br />

B. Der gesamte Sachverhalt als Ansatzpunkt .......................................................... 39<br />

C. Subsidiaritäts- versus Schwerpunkttheorie zur Klassifizierung des<br />

Sachverhaltes als Begehung oder Unterlassung.................................................. 40<br />

III. Einordnung des Stimmverhaltens der Gremiumsmitglieder in Bezug auf<br />

die <strong>strafrechtliche</strong>n Verwirklichungsstufen ....................................................... 43<br />

A. Stimmverhalten der Gremiumsmitglieder <strong>bei</strong> vorsätzlichem Handeln............... 43<br />

B. Stimmverhalten der Gremiumsmitglieder <strong>bei</strong> fahrlässigem Handeln................. 46<br />

IV. Zusammenfassung................................................................................................. 47<br />

4. KAPITEL PRÜFUNG DER ANWENDBARKEIT DER STRAFRECHT-<br />

LICHEN VERANTWORTLICHKEIT VON PERSONEN-<br />

MEHRHEITEN....................................................................................... 49<br />

I. Keine Kollegialhaftung im schweizerischen Strafrecht..................................... 49<br />

II. Keine Anwendbarkeit der „notwendigen Teilnahme“ ...................................... 53<br />

III. Prüfung der Anwendbarkeit der <strong>strafrechtliche</strong>n Organhaftung.................... 55<br />

IV. Prüfung der Anwendbarkeit des Straftatbestandes der „kriminellen<br />

Organisation“ ........................................................................................................ 57<br />

V. Prüfung der Anwendbarkeit der Strafbarkeit des Unternehmens .................. 59<br />

VI. Fazit ........................................................................................................................ 65<br />

5. KAPITEL STRAFRECHTLICHE VERANTWORTLICHKEIT DER<br />

EINZELPERSON BEI MEHRHEITSENTSCHEIDUNGEN............ 67<br />

I. Nachweis der Kausalität des Stimmverhaltens des Gremiumsmitgliedes<br />

<strong>bei</strong> einer Mehrheitsentscheidung hinsichtlich der strafrechtlich relevanten<br />

Folgen ..................................................................................................................... 67<br />

A. Vorbemerkungen................................................................................................. 67<br />

B. Methode zum Nachweis des Kausalzusammenhanges zwischen Stimm-<br />

verhalten des Gremiumsmitgliedes und den strafrechtlich relevanten Folgen<br />

mittels Kausalreihen............................................................................................ 69<br />

C. Nachweis eines Kausalzusammenhanges zwischen der Mehrheitsentscheidung<br />

und den strafrechtlich relevanten Folgen ............................................................ 70


Inhaltsübersicht<br />

D. Nachweis des Kausalzusammenhanges zwischen dem Stimmverhalten des<br />

Gremiumsmitgliedes und dem strafrechtlich relevante Folgen implizierenden<br />

Gremiumsbeschluss .............................................................................................76<br />

E. Schlussfolgerung: Erfolgter Nachweis der Kausalität des jeweiligen Stimmverhaltens<br />

hinsichtlich der strafrechtlich relevanten Folgen ...............................94<br />

F. Sonderfälle ...........................................................................................................95<br />

II. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des Gremiumsmitgliedes <strong>bei</strong> vorsätzlicher<br />

Deliktsbegehung unter Berücksichtigung des Verhaltens des beteiligten<br />

Mitar<strong>bei</strong>ters............................................................................................................97<br />

A. Vorbemerkungen..................................................................................................97<br />

B. Feststellung der Art der <strong>strafrechtliche</strong>n Beteiligung der Gremiumsmitglieder<br />

<strong>bei</strong> einem als Begehung qualifizierten Sachverhalt.............................................99<br />

C. Feststellung der Art der <strong>strafrechtliche</strong>n Beteiligung der Gremiumsmitglieder<br />

und des ausführenden Mitar<strong>bei</strong>ters <strong>bei</strong> einem als Unterlassung qualifizierten<br />

Sachverhalt.........................................................................................................124<br />

D. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des Gremiumsmitgliedes <strong>bei</strong> einem als<br />

Begehung qualifizierten Sachverhalt.................................................................139<br />

E. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des Gremiumsmitgliedes <strong>bei</strong> einem als<br />

Unterlassung qualifizierten Sachverhalt ............................................................141<br />

F. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des einzelnen Gremiumsmitgliedes auf<br />

Grund seines Stimmverhaltens ..........................................................................141<br />

III. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des Gremiumsmitgliedes <strong>bei</strong> fahrlässiger<br />

Deliktsbegehung unter Berücksichtigung des Verhaltens des beteiligten<br />

Mitar<strong>bei</strong>ters..........................................................................................................173<br />

A. Fahrlässigkeit der Gremiumsmitglieder als Ausgangspunkt .............................173<br />

B. Keine Anwendbarkeit von „Fahrlässiger Mittäterschaft“ oder<br />

„Unsorgfaltsgemeinschaft“................................................................................174<br />

C. Anwendung von Nebentäterschaft statt Mittäterschaft......................................176<br />

D. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des Gremiumsmitgliedes <strong>bei</strong> einem als<br />

Begehung qualifizierten Sachverhalt.................................................................178<br />

E. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des Gremiumsmitgliedes <strong>bei</strong> einem als<br />

Unterlassung qualifizierten Sachverhalt ............................................................180<br />

F. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des einzelnen Gremiumsmitgliedes auf<br />

Grund seines Stimmverhaltens ..........................................................................181<br />

IV. Zusammentreffen von Fahrlässigkeit und Vorsatz <strong>bei</strong> der Abstimmung<br />

sowie <strong>bei</strong> Ausführung bzw. Umsetzung des Beschlusses..................................199<br />

A. Fahrlässiges und vorsätzliches Verhalten der jeweiligen Gremiumsmitglieder<br />

im Gremium.......................................................................................................199<br />

B. Fahrlässige Beteiligung der Gremiumsmitglieder am Vorsatzdelikt des<br />

Ausführenden und vorsätzliche Beteiligung der Gremiumsmitglieder am<br />

Fahrlässigkeitsdelikt des Ausführenden ............................................................200<br />

III


Inhaltsübersicht<br />

V. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des Gremiumsmitgliedes <strong>bei</strong> Einfluss-<br />

nahme auf sein Stimmverhalten ........................................................................ 203<br />

IV<br />

A. Beeinflussung des Stimmverhaltens durch die Geschäftsleitung bzw. einen<br />

Ausschuss .......................................................................................................... 203<br />

B. Beeinflussung des Stimmverhaltens durch ein dominantes Gremiums-<br />

mitglied.............................................................................................................. 204<br />

C. Beeinflussung des Stimmverhaltens des Gremiumsmitgliedes durch andere<br />

Personen ............................................................................................................ 206<br />

VI. Relevanz des Austritts eines Gremiumsmitgliedes für dessen strafrecht-<br />

liche <strong>Verantwortlichkeit</strong> ..................................................................................... 209<br />

VII. Schlussfolgerungen hinsichtlich des Verhaltens des einzelnen Gremiums<br />

mitgliedes aus <strong>strafrechtliche</strong>r Sicht ................................................................. 213


Inhaltsverzeichnis<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

1. KAPITEL MEHRHEITSENTSCHEIDUNG ALS STRAFRECHTLICHES<br />

PROBLEM .................................................................................................1<br />

I. Gegenstand der Untersuchung ...............................................................................1<br />

II. Problemstellung........................................................................................................1<br />

A. Verhalten des Gremiums und Mehrheitsprinzip....................................................1<br />

B. Ansätze in der schweizerischen Lehre...................................................................2<br />

III. Ziel der Untersuchung.............................................................................................3<br />

IV. Vorgehensweise ........................................................................................................3<br />

2. KAPITEL GRUNDLAGEN.........................................................................................5<br />

I. Gremium als Entscheidungsinstanz.......................................................................5<br />

A. Definition des Gremiums.......................................................................................5<br />

B. Verwaltungsrat als Gremium.................................................................................5<br />

1. Zusammensetzung des Verwaltungsrates ..............................................................5<br />

2. Kategorien von Verwaltungsratsmitgliedern.........................................................5<br />

a) Ins Handelsregister eingetragenes Verwaltungsratsmitglied.............................5<br />

(1) Ordentliches Verwaltungsratsmitglied ..........................................................6<br />

(2) Fiduziarisches Verwaltungsratsmitglied........................................................6<br />

b) Nicht ins Handelsregister eingetragenes Verwaltungsratsmitglied ...................7<br />

(1) Stilles Verwaltungsratsmitglied.....................................................................7<br />

(2) Faktisches Verwaltungsratsmitglied..............................................................8<br />

(3) Verwaltungsratsmitglied infolge Kundgabe ..................................................8<br />

c) Suppleant............................................................................................................8<br />

3. Zuständigkeit des Verwaltungsrates ......................................................................9<br />

4. Aufbau und Organisation der Geschäftsführung .................................................10<br />

a) Pflicht zur Festlegung der Organisationsstruktur ............................................10<br />

b) Ar<strong>bei</strong>tsteilung im Verwaltungsrat....................................................................11<br />

(1) Verwaltungsratspräsident.............................................................................11<br />

(2) Einfaches Verwaltungsratsmitglied .............................................................12<br />

i) Internes Verwaltungsratsmitglied............................................................12<br />

ii) Externes Verwaltungsratsmitglied...........................................................12<br />

c) Ausschüsse.......................................................................................................12<br />

d) Sekretär des Verwaltungsrates.........................................................................13<br />

C. Geschäftsleitung als Gremium.............................................................................14<br />

1. Delegation und Organisation der Geschäftsführung............................................14<br />

2. Delegation von Aufgaben und Kompetenzen......................................................14<br />

3. Delegationsempfänger .........................................................................................15<br />

a) Delegierte als Delegationsempfänger ..............................................................16<br />

b) Dritte als Delegationsempfänger .....................................................................16<br />

V


Inhaltsverzeichnis<br />

VI<br />

c) Ausschuss mit Entscheidungskompetenz (Verwaltungsratsausschuss) als<br />

Delegationsempfänger..................................................................................... 17<br />

d) Beirat als Delegationsempfänger .................................................................... 18<br />

II. Mehrheit und Entscheidung................................................................................. 19<br />

A. Mehrheitsentscheidung........................................................................................ 19<br />

B. Mehrheit .............................................................................................................. 19<br />

1. Relatives Mehr .................................................................................................... 19<br />

2. Absolutes Mehr ................................................................................................... 19<br />

3. Qualifiziertes Mehr ............................................................................................. 20<br />

C. „Entscheid“.......................................................................................................... 20<br />

III. Entscheidfindungsprozess im Gremium ............................................................. 21<br />

A. Vorausgesetzte Kenntnis der Gremiumsmitglieder ............................................ 21<br />

B. Traktandierung und Einberufung der Gremiumssitzung..................................... 21<br />

C. Beschlussfähigkeit des Gremiums ...................................................................... 22<br />

1. Stimmberechtigung des einzelnen Gremiumsmitgliedes.................................... 22<br />

2. Präsenzquorum <strong>bei</strong> der Gremiumssitzung .......................................................... 22<br />

D. Teilnahme- und Mitwirkungspflicht eines Gremiumsmitgliedes ....................... 23<br />

E. Abstimmung ........................................................................................................ 24<br />

1. Stimmkraft des einzelnen Gremiumsmitgliedes ................................................. 24<br />

2. Festsetzung des notwendiges Mehr..................................................................... 24<br />

3. Stichentscheid...................................................................................................... 25<br />

4. Regelung <strong>bei</strong> Stimmenthaltung eines Gremiumsmitgliedes ............................... 25<br />

5. Regelung des Ausstands eines Gremiumsmitgliedes.......................................... 26<br />

6. Regelung <strong>bei</strong> Abwesenheit eines Gremiumsmitgliedes...................................... 26<br />

7. Möglichkeit von Telefon- und Videokonferenzen.............................................. 27<br />

8. Schriftliche Stimmabgabe mittels Zirkularbeschluss.......................................... 27<br />

9. Führung des Protokolls........................................................................................ 29<br />

10. Wiedererwägung eines Gremiumsbeschlusses ................................................... 30<br />

F. Einfluss der Kompetenzverteilung auf die zivilrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong><br />

des Gremiumsmitgliedes..................................................................................... 30<br />

IV. Relevanz des Zivilrechts für das Strafrecht........................................................ 33<br />

3. KAPITEL ABSTIMMUNG ALS STRAFRECHTLICHER<br />

ANKNÜPFUNGSPUNKT ...................................................................... 35<br />

I. Abstimmungsmechanismus im Gremium........................................................... 35<br />

A. Antrag als strafrechtlich relevante Folgen implizierender Ausgangspunkt........ 35<br />

B. Durchführung der Abstimmung .......................................................................... 35<br />

C. Beschluss als Anknüpfungspunkt für die strafrechtlich relevanten Folgen........ 36<br />

II. Qualifizierung des Stimmverhaltens des Gremiumsmitgliedes als Begehung<br />

oder Unterlassung ................................................................................................. 39


Inhaltsverzeichnis<br />

A. Vorbemerkungen..................................................................................................39<br />

B. Der gesamte Sachverhalt als Ansatzpunkt...........................................................39<br />

C. Subsidiaritäts- versus Schwerpunkttheorie zur Klassifizierung des<br />

Sachverhaltes als Begehung oder Unterlassung ..................................................40<br />

III. Einordnung des Stimmverhaltens der Gremiumsmitglieder in Bezug auf<br />

die <strong>strafrechtliche</strong>n Verwirklichungsstufen ........................................................43<br />

A. Stimmverhalten der Gremiumsmitglieder <strong>bei</strong> vorsätzlichem Handeln ...............43<br />

1. Stimmverhalten <strong>bei</strong>m als Begehung qualifizierten Sachverhalt..........................43<br />

2. Stimmverhalten <strong>bei</strong> einem als Unterlassung qualifizierten Sachverhalt .............45<br />

B. Stimmverhalten der Gremiumsmitglieder <strong>bei</strong> fahrlässigem Handeln .................46<br />

IV. Zusammenfassung .................................................................................................47<br />

4. KAPITEL PRÜFUNG DER ANWENDBARKEIT DER<br />

STRAFRECHTLICHEN VERANTWORTLICHKEIT VON<br />

PERSONENMEHRHEITEN..................................................................49<br />

I. Keine Kollegialhaftung im schweizerischen Strafrecht .....................................49<br />

II. Keine Anwendbarkeit der „notwendigen Teilnahme“.......................................53<br />

III. Prüfung der Anwendbarkeit der <strong>strafrechtliche</strong>n Organhaftung ....................55<br />

IV. Prüfung der Anwendbarkeit des Straftatbestandes der „kriminellen<br />

Organisation“ .........................................................................................................57<br />

V. Prüfung der Anwendbarkeit der Strafbarkeit des Unternehmens ...................59<br />

VI. Fazit.........................................................................................................................65<br />

5. KAPITEL STRAFRECHTLICHE VERANTWORTLICHKEIT DER<br />

EINZELPERSON BEI MEHRHEITSENTSCHEIDUNGEN ............67<br />

I. Nachweis der Kausalität des Stimmverhaltens des Gremiumsmitgliedes<br />

<strong>bei</strong> einer Mehrheitsentscheidung hinsichtlich der strafrechtlich relevanten<br />

Folgen......................................................................................................................67<br />

A. Vorbemerkungen..................................................................................................67<br />

B. Methode zum Nachweis des Kausalzusammenhanges zwischen<br />

Stimmverhalten des Gremiumsmitgliedes und den strafrechtlich relevanten<br />

Folgen mittels Kausalreihen ................................................................................69<br />

C. Nachweis eines Kausalzusammenhanges zwischen der Mehrheitsentscheidung<br />

und den strafrechtlich relevanten Folgen ...........................................70<br />

1. Nachweis der „Kausalität“ <strong>bei</strong>m Tätigkeitsdelikt................................................70<br />

2. Nachweis der Kausalität <strong>bei</strong>m Erfolgsdelikt .......................................................70<br />

a) Eigenschaften des Erfolgsdeliktes ...................................................................70<br />

VII


Inhaltsverzeichnis<br />

VIII<br />

b) Untersuchung der anwendbaren Theorien zur Begründung des<br />

Kausalzusammenhanges <strong>bei</strong>m Erfolgesdelikt................................................. 71<br />

(1) Nachweis der Kausalität mittels Äquivalenztheorie <strong>bei</strong> einem als<br />

Begehungsdelikt zu qualifizierenden Sachverhalt ...................................... 71<br />

(2) Nachweis der Kausalität mittels Wahrscheinlichkeitstheorie <strong>bei</strong> einem<br />

als Unterlassungsdelikt zu qualifizierenden Sachverhalt............................ 72<br />

(3) Nichtanwendbarkeit der Risikoerhöhungstheorie....................................... 73<br />

(4) Anwendung der „generellen Kausalität“ <strong>bei</strong> Zweifeln betreffend die<br />

Gesetzmässigkeit einer Bedingung ............................................................. 74<br />

3. Fazit..................................................................................................................... 75<br />

D. Nachweis des Kausalzusammenhanges zwischen dem Stimmverhalten des<br />

Gremiumsmitgliedes und dem strafrechtlich relevante Folgen implizierenden<br />

Gremiumsbeschluss............................................................................................. 76<br />

1. Gleichbehandlung der Stimmverhalten <strong>bei</strong> Tätigkeits- und Erfolgsdelikten...... 76<br />

2. Prüfung des Nachweises der Kausalität des Stimmverhaltens mittels der<br />

Conditio-sine-qua-non-Formel <strong>bei</strong> einem als Begehungsdelikt qualifizierten<br />

Sachverhalt .......................................................................................................... 76<br />

a) Stimmabgabe des dem Antrag zustimmenden Gremiumsmitgliedes ............. 77<br />

(1) Teilweiser Nachweis des Kausalzusammenhanges <strong>bei</strong> Anwendung<br />

„alternativer Kausalität“.............................................................................. 77<br />

(2) Teilweiser Nachweis des Kausalzusammenhanges <strong>bei</strong> Anwendung<br />

„kumulativer Kausalität“............................................................................. 77<br />

b) Stimmabgabe des gegen den Antrag stimmenden Gremiumsmitgliedes........ 78<br />

c) Stimmenthaltung des Gremiumsmitgliedes und nicht erfolgte Stimm-<br />

abgabe des unentschuldigt abwesenden Gremiumsmitgliedes ....................... 79<br />

d) Fazit................................................................................................................. 80<br />

3. Prüfung des Nachweises der Kausalität des Stimmverhaltens mittels<br />

Wahrscheinlichkeitstheorie <strong>bei</strong> einem als Unterlassungsdelikt qualifizierten<br />

Sachverhalt .......................................................................................................... 81<br />

a) Stimmabgabe des dem Antrag zustimmenden Gremiumsmitgliedes ............. 81<br />

b) Stimmabgabe des gegen den Antrag stimmenden Gremiumsmitgliedes........ 82<br />

c) Stimmenthaltung des Gremiumsmitgliedes und das — <strong>bei</strong> nicht erfolgter<br />

Stimmabgabe — unentschuldigt abwesende Gremiumsmitglied ................... 83<br />

d) Fazit................................................................................................................. 83<br />

4. Prüfung des Nachweises der Kausalität des Stimmverhaltens mittels<br />

modifizierter conditio-Formeln........................................................................... 84<br />

a) Gleichbehandlung der Stimmverhalten........................................................... 84<br />

b) Versuch des Nachweises der Kausalität des Stimmverhaltens mittels<br />

modifizierter conditio-sine-qua-non-Formel................................................... 85<br />

c) Versuch des Nachweises der Kausalität des Stimmverhaltens mittels<br />

modifizierter conditio-cum-qua-non-Formel .................................................. 86<br />

d) Fazit................................................................................................................. 87<br />

5. Übersicht über die erreichten Ergebnisse betreffend Nachweis der Kausalität<br />

des jeweiligen Stimmverhaltens.......................................................................... 88<br />

6. Nachweis der Kausalität des Stimmverhaltens mittels der Lehre der<br />

gesetzmässigen Bedingung als Lösung............................................................... 89<br />

a) Begriff der Lehre der gesetzmässigen Bedingung .......................................... 89


Inhaltsverzeichnis<br />

b) Anwendbarkeit der Lehre der gesetzmässigen Bedingung auf die<br />

Mehrheitsentscheidung ....................................................................................90<br />

c) Kausalität der Stimmabgabe des dem Antrag zustimmenden bzw. diesen<br />

ablehnenden Gremiumsmitgliedes...................................................................91<br />

d) Kausalität der Stimmenthaltung des Gremiumsmitgliedes und der nicht<br />

erfolgten Stimmabgabe des unentschuldigt abwesenden Gremiums-<br />

mitgliedes.........................................................................................................92<br />

e) Fazit..................................................................................................................93<br />

E. Schlussfolgerung: Erfolgter Nachweis der Kausalität des jeweiligen<br />

Stimmverhaltens hinsichtlich der strafrechtlich relevanten Folgen.....................94<br />

F. Sonderfälle ...........................................................................................................95<br />

1. Ausstand bzw. entschuldigte Abwesenheit des Gremiumsmitgliedes.................95<br />

2. Kausalität <strong>bei</strong> Ausübung des Stichentscheides....................................................95<br />

II. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des Gremiumsmitgliedes <strong>bei</strong> vorsätzlicher<br />

Deliktsbegehung unter Berücksichtigung des Verhaltens des beteiligten<br />

Mitar<strong>bei</strong>ters............................................................................................................97<br />

A. Vorbemerkungen..................................................................................................97<br />

B. Feststellung der Art der <strong>strafrechtliche</strong>n Beteiligung der Gremiumsmitglieder<br />

<strong>bei</strong> einem als Begehung qualifizierten Sachverhalt.............................................99<br />

1. Art der Beteiligung des Gremiums bzw. der Gremiumsmitglieder <strong>bei</strong><br />

Ausführung des Gremiumsbeschlusses durch ein Gremiumsmitglied ................99<br />

a) Klärung des Begriffes Mittäterschaft...............................................................99<br />

b) Vorliegen von Mittäterschaft zwischen den Gremiumsmitgliedern..............101<br />

2. Art der Beteiligung des Gremiums bzw. der Gremiumsmitglieder <strong>bei</strong><br />

Ausführung des Gremiumsbeschlusses durch einen Mitar<strong>bei</strong>ter.......................104<br />

a) Keine Nebentäterschaft von Gremiumsmitgliedern und ausführendem<br />

Mitar<strong>bei</strong>ter......................................................................................................104<br />

b) Anwendbarkeit der mittelbaren Täterschaft auf das Verhältnis<br />

Gremium – Mitar<strong>bei</strong>ter ..................................................................................105<br />

(1) Begriff der mittelbaren Täterschaft............................................................105<br />

(2) Anwendbarkeit der mittelbaren Täterschaft auf das Verhalten des<br />

Gesamtgremiums .......................................................................................106<br />

c) Anwendbarkeit der Gehilfenschaft auf das Verhältnis<br />

Gremium – Mitar<strong>bei</strong>ter ..................................................................................107<br />

(1) Begriff der Gehilfenschaft .........................................................................107<br />

(2) Gehilfenschaft des Mitar<strong>bei</strong>ters bzw. des Gremiums................................108<br />

d) Anwendbarkeit der Mittäterschaft auf das Verhältnis<br />

Gremium – Mitar<strong>bei</strong>ter ..................................................................................109<br />

e) Anwendbarkeit der Anstiftung auf das Verhältnis Gremium – Mitar<strong>bei</strong>ter..112<br />

(1) Mittäterschaftliche Anstiftung der Gremiumsmitglieder...........................112<br />

(2) Anwendungsbereich der Anstiftung im hierarchischen Gebilde...............113<br />

f) Anwendbarkeit der Organisationsherrschaft auf das Verhältnis<br />

Gremium – Mitar<strong>bei</strong>ter — de lege ferenda?..................................................115<br />

(1) Begriff der Organisationsherrschaft...........................................................115<br />

(2) Anwendungsbereich der Organisationsherrschaft .....................................116<br />

(3) Organisationsherrschaft in der schweizerischen Lehre .............................117<br />

IX


Inhaltsverzeichnis<br />

X<br />

3. Rechtfertigungsgründe des Mitar<strong>bei</strong>ters und des einzelnen Gremiums-<br />

mitgliedes .......................................................................................................... 119<br />

a) Keine Rechtsfertigungswirkung einer Weisung............................................ 119<br />

b) Rechtfertigungsgründe des den Beschluss ausführenden Mitar<strong>bei</strong>ters......... 120<br />

c) Rechtsfertigungsgründe des Gremiumsmitgliedes........................................ 121<br />

4. Schuldausschluss- und Schuldmilderungsgründe des einzelnen<br />

Gremiumsmitgliedes und des Mitar<strong>bei</strong>ters ....................................................... 122<br />

5. Strafzumessung für das Gremiumsmitglied und den Mitar<strong>bei</strong>ter ..................... 123<br />

6. Fazit................................................................................................................... 124<br />

C. Feststellung der Art der <strong>strafrechtliche</strong>n Beteiligung der Gremiums-<br />

mitglieder und des ausführenden Mitar<strong>bei</strong>ters <strong>bei</strong> einem als Unterlassung<br />

qualifizierten Sachverhalt.................................................................................. 124<br />

1. Echte und unechte Unterlassungsdelikte........................................................... 124<br />

2. Täterschaft und Teilnahme der Gremiumsmitglieder ....................................... 125<br />

a) Vorliegen von Täterschaft der Gremiumsmitglieder <strong>bei</strong>m Unter-<br />

lassungsdelikt ................................................................................................ 125<br />

b) Vorliegen von Teilnahme am Unterlassungsdelikt und durch Unterlassen<br />

begangene Teilnahme der Gremiumsmitglieder ........................................... 126<br />

c) Vorliegen von Geschäftsherrenhaftung der Gremiumsmitglieder ................ 127<br />

3. Garantenstellung der Gremiumsmitglieder ....................................................... 128<br />

a) Garantenstellung im Allgemeinen................................................................. 128<br />

b) Vorliegen einer Garantenstellung der Gremiumsmitglieder <strong>bei</strong> Delikten<br />

gegenüber dem eigenen Unternehmen .......................................................... 129<br />

c) Vorliegen einer Garantenstellung der Gremiumsmitglieder <strong>bei</strong> Delikten<br />

gegenüber Dritten unter besonderer Berücksichtigung der <strong>strafrechtliche</strong>n<br />

Produktehaftung ............................................................................................ 130<br />

4. Vorliegen einer konkreten Gefahrenlage .......................................................... 134<br />

5. Vorliegen von Tatmacht der Gremiumsmitglieder als Voraussetzung für die<br />

Handlungspflicht ............................................................................................... 135<br />

a) Möglichkeit und Zumutbarkeit der Gremiumsmitglieder bezüglich des<br />

gebotenen Handelns ...................................................................................... 135<br />

b) Pflichten des einzelnen Gremiumsmitgliedes vor und während der<br />

Beschlussfassung........................................................................................... 136<br />

(1) Pflicht zur Einberufung der Gremiumssitzung ......................................... 136<br />

(2) Erwartetes Stimmverhalten des einzelnen Gremiumsmitgliedes.............. 137<br />

6. Rechtfertigung-, Schuldausschluss- und Schuldmilderungsgründe des<br />

einzelnen Gremiumsmitgliedes und des Mitar<strong>bei</strong>ters....................................... 137<br />

7. Zusammenfassung............................................................................................. 138<br />

D. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des Gremiumsmitgliedes <strong>bei</strong> einem als<br />

Begehung qualifizierten Sachverhalt ................................................................ 139<br />

1. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des Gremiumsmitgliedes <strong>bei</strong> Ausführung<br />

des Gremiumsbeschlusses durch einen Mitar<strong>bei</strong>ter oder ein Gremiums-<br />

mitglied.............................................................................................................. 139<br />

2. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des den Gremiumsbeschluss<br />

ausführenden Mitar<strong>bei</strong>ters wegen Fahrlässigkeit.............................................. 139<br />

E. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des Gremiumsmitgliedes <strong>bei</strong> einem als<br />

Unterlassung qualifizierten Sachverhalt ........................................................... 141


Inhaltsverzeichnis<br />

F. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des einzelnen Gremiumsmitgliedes auf<br />

Grund seines Stimmverhaltens ..........................................................................141<br />

1. Mittäterschaftliches Verhalten der Gremiumsmitglieder bis zur<br />

Beschlussfassung ...............................................................................................141<br />

2. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des dem deliktisch ausgerichteten Antrag<br />

zustimmenden Gremiumsmitgliedes..................................................................143<br />

a) Verhalten vor und <strong>bei</strong> der Abstimmung ........................................................143<br />

b) Verhalten nach der Abstimmung ...................................................................144<br />

c) Zusammenfassung .........................................................................................145<br />

3. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des gegen den deliktisch ausgerichteten<br />

Antrag stimmenden Gremiumsmitgliedes .........................................................146<br />

a) Verhalten vor der Abstimmung .....................................................................146<br />

b) Verhalten <strong>bei</strong> der Abstimmung......................................................................148<br />

c) Verhalten nach der Abstimmung ...................................................................149<br />

(1) Feststellung der möglichen Verhaltensweisen nach der Abstimmung......149<br />

(2) (Mit-)Ausführung des deliktisch ausgerichteten Beschlusses durch das<br />

Gremiumsmitglied als Täter bzw. Teilnehmer ..........................................150<br />

(3) Unterlassung des Vorgehens gegen die Ausführung bzw. gegen die<br />

Umsetzung des deliktisch ausgerichteten Beschlusses..............................151<br />

i) Qualifizierung der Unterlassung als Gehilfenschaft..............................151<br />

ii) Keine Garantenstellung auf Grund des eigenen Vorverhaltens.............152<br />

iii) Teilweise Pflicht, gegen Straftaten der anderen Gremiumsmitglieder<br />

vorzugehen.............................................................................................152<br />

iv) Pflicht, gegen Straftaten untergebener Mitar<strong>bei</strong>ter vorzugehen —<br />

Geschäftsherrenhaftung .........................................................................156<br />

v) Mögliche und zumutbare Abwendung der Gefahr für das bedrohte<br />

Rechtsgut................................................................................................157<br />

d) Zusammenfassung .........................................................................................160<br />

4. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des Gremiumsmitgliedes <strong>bei</strong><br />

Stimmenthaltung................................................................................................161<br />

a) Vor und <strong>bei</strong> der Abstimmung ........................................................................161<br />

b) Nach der Abstimmung ...................................................................................163<br />

c) Zusammenfassung .........................................................................................164<br />

5. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des von der Abstimmung unentschuldigt<br />

abwesenden Gremiumsmitgliedes .....................................................................164<br />

a) Vor und <strong>bei</strong> der Abstimmung ........................................................................164<br />

b) Nach der Abstimmung ...................................................................................166<br />

c) Zusammenfassung .........................................................................................167<br />

6. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des von der Abstimmung entschuldigt<br />

abwesenden Gremiumsmitgliedes .....................................................................167<br />

7. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des in den Ausstand versetzten<br />

Gremiumsmitgliedes..........................................................................................168<br />

a) Vor und <strong>bei</strong> der Abstimmung ........................................................................168<br />

b) Nach der Abstimmung ...................................................................................169<br />

c) Zusammenfassung .........................................................................................170<br />

8. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des erst nach Beschlussfassung in das<br />

Gremium eingetretenen Gremiumsmitgliedes...................................................170<br />

XI


Inhaltsverzeichnis<br />

XII<br />

9. Exkurs über die <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Gremiumsmitglieder<br />

<strong>bei</strong> einem nicht deliktisch ausgerichteten Beschluss ........................................ 171<br />

a) Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des einzelnen Gremiumsmitgliedes <strong>bei</strong><br />

einem abgelehnten deliktisch ausgerichteten Antrag.................................... 171<br />

b) Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des einzelnen Gremiumsmitgliedes <strong>bei</strong><br />

fehlender Vornahme der beschlossenen und gebotenen Massnahme ........... 171<br />

III. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des Gremiumsmitgliedes <strong>bei</strong> fahrlässiger<br />

Deliktsbegehung unter Berücksichtigung des Verhaltens des beteiligten<br />

Mitar<strong>bei</strong>ters ......................................................................................................... 173<br />

A. Fahrlässigkeit der Gremiumsmitglieder als Ausgangspunkt ............................ 173<br />

B. Keine Anwendbarkeit von „fahrlässiger Mittäterschaft“ oder<br />

„Unsorgfaltsgemeinschaft“ ............................................................................... 174<br />

C. Anwendung von Nebentäterschaft statt Mittäterschaft..................................... 176<br />

D. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des Gremiumsmitgliedes <strong>bei</strong> einem als<br />

Begehung qualifizierten Sachverhalt ................................................................ 178<br />

1. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des Gremiumsmitgliedes <strong>bei</strong> Ausführung<br />

des Gremiumsbeschlusses durch einen Mitar<strong>bei</strong>ter oder ein Gremiums-<br />

mitglied.............................................................................................................. 178<br />

2. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des den Gremiumsbeschluss<br />

ausführenden Mitar<strong>bei</strong>ters wegen Fahrlässigkeit.............................................. 179<br />

E. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des Gremiumsmitgliedes <strong>bei</strong> einem als<br />

Unterlassung qualifizierten Sachverhalt ........................................................... 180<br />

F. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des einzelnen Gremiumsmitgliedes auf<br />

Grund seines Stimmverhaltens.......................................................................... 181<br />

1. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des Gremiumsmitgliedes vor und<br />

während der Abstimmung ................................................................................. 181<br />

a) Zuschreibung des Erfolgs an das jeweilige Gremiumsmitglied auf Grund<br />

seines kausalen Stimmverhaltens.................................................................. 181<br />

b) Adäquate Kausalität ...................................................................................... 181<br />

c) Missachtung der Sorgfaltspflicht durch das einzelne Gremiumsmitglied .... 183<br />

(1) Ansatzpunkt für die Sorgfaltspflicht des einzelnen Gremiums-<br />

mitgliedes .................................................................................................. 183<br />

(2) Erlaubtes Risiko hinsichtlich des Verhaltens des einzelnen<br />

Gremiumsmitgliedes ................................................................................. 183<br />

(3) Der vom Gremiumsmitglied zu beachtende Sorgfaltsmassstab................ 184<br />

i) Vom einzelnen Gremiumsmitglied geforderte Sorgfalt........................ 184<br />

ii) Voraussehbarkeit des Kausalverlaufes sowie der strafrechtlich<br />

relevanten Folgen durch das einzelne Gremiumsmitglied.................... 184<br />

iii) Möglichkeit der Anwendung des Vertrauensgrundsatzes durch das<br />

Gremiumsmitglied................................................................................. 186<br />

iv) Vermeidbarkeit des Geschehensablaufs durch das einzelne<br />

Gremiumsmitglied................................................................................. 187<br />

d) Relevanz des Stimmverhaltens des einzelnen Gremiumsmitgliedes ............ 188<br />

e) Zusammenfassung......................................................................................... 190<br />

2. Einfluss der Informationsbasis auf das Stimmverhalten des einzelnen<br />

Gremiumsmitgliedes und Anwendung des Vertrauensgrundsatzes auf die<br />

erhaltene Information ........................................................................................ 190


Inhaltsverzeichnis<br />

a) Verfügbare Information .................................................................................190<br />

b) Berechtigtes Vertrauen in die erhaltene Information und dessen Grenzen ...191<br />

c) Pflicht des einzelnen Gremiumsmitgliedes zur Weitergabe von<br />

Information?...................................................................................................193<br />

3. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des Gremiumsmitgliedes nach der<br />

Abstimmung.......................................................................................................194<br />

a) (Mit-)Ausführen des sich <strong>bei</strong> der Abstimmung nicht kausal verhaltenden<br />

Gremiumsmitgliedes......................................................................................194<br />

b) Unterlassung des Vorgehens gegen die Ausführung bzw. gegen die<br />

Umsetzung des vordergründig korrekten Beschlusses ..................................194<br />

4. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des Gremiumsmitgliedes <strong>bei</strong> einem<br />

fahrlässigen Tätigkeitsdelikt ..............................................................................195<br />

5. Rechtsfertigungs-, Schuldausschluss- und Schuldminderungsgründe ..............195<br />

6. Zusammenfassung..............................................................................................196<br />

7. Exkurs über die <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Gremiumsmitglieder<br />

<strong>bei</strong> unsorgfältiger Ausführung bzw. Umsetzung des nicht deliktisch<br />

ausgerichteten Gremiumsbeschlusses durch einen Mitar<strong>bei</strong>ter.........................196<br />

IV. Zusammentreffen von Fahrlässigkeit und Vorsatz <strong>bei</strong> der Abstimmung<br />

sowie <strong>bei</strong> Ausführung bzw. Umsetzung des Beschlusses..................................199<br />

A. Fahrlässiges und vorsätzliches Verhalten der jeweiligen Gremiums-<br />

mitglieder im Gremium .....................................................................................199<br />

B. Fahrlässige Beteiligung der Gremiumsmitglieder am Vorsatzdelikt des<br />

Ausführenden und vorsätzliche Beteiligung der Gremiumsmitglieder am<br />

Fahrlässigkeitsdelikt des Ausführenden ............................................................200<br />

V. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des Gremiumsmitgliedes <strong>bei</strong> Einflussnahme<br />

auf sein Stimmverhalten .........................................................................203<br />

A. Beeinflussung des Stimmverhaltens durch die Geschäftsleitung bzw. einen<br />

Ausschuss...........................................................................................................203<br />

B. Beeinflussung des Stimmverhaltens durch ein dominantes Gremiumsmitglied204<br />

C. Beeinflussung des Stimmverhaltens des Gremiumsmitgliedes durch andere<br />

Personen.............................................................................................................206<br />

VI. Relevanz des Austritts eines Gremiumsmitgliedes für dessen strafrecht-<br />

liche <strong>Verantwortlichkeit</strong>......................................................................................209<br />

VII. Schlussfolgerungen hinsichtlich des Verhaltens des einzelnen Gremiumsmitgliedes<br />

aus <strong>strafrechtliche</strong>r Sicht..................................................................213<br />

XIII


Abkürzungsverzeichnis<br />

XIV


Abkürzungsverzeichnis<br />

a. A. anderer Ansicht<br />

Abs. Absatz<br />

AJP Aktuelle Juristische Praxis<br />

a. M. anderer Meinung<br />

Art. Artikel<br />

AT Allgemeiner Teil<br />

Aufl. Auflage<br />

Abkürzungsverzeichnis<br />

BankG Bundesgesetz vom 8. November 1934 über die Banken und Sparkassen<br />

(SR 952.0)<br />

BankV Verordnung vom 17. Mai 1972 über die Banken und Sparkassen (SR<br />

952.02)<br />

BBl Bundesblatt<br />

Bd. Band<br />

BEGH Bundesgesetz vom 24. März 1995 über die Börsen und den Effektenhandel<br />

(SR 954.1)<br />

BGE Entscheide des Schweizerischen Bundesgerichtes<br />

BGH Deutscher Bundesgerichtshof<br />

BGHSt Deutscher Bundesgerichtshof in Strafsachen<br />

BJM Basler Juristische Mitteilungen (Basel)<br />

BStR Basler Studien zur Rechtswissenschaft (Basel; ab 1981 unterteilt in drei<br />

separat nummerierte Reihen: Reihe C = Strafrecht)<br />

BT Besonderer Teil<br />

bzw. beziehungsweise<br />

CEO Chief Executive Officer<br />

d. h. das heisst<br />

XV


Abkürzungsverzeichnis<br />

Diss. Dissertation<br />

DBG Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer<br />

(SR 642.11)<br />

etc. et cetera / und so weiter<br />

evtl. eventuell<br />

f. folgende (Seite, Note etc.)<br />

ff. und die folgenden (Seiten, Noten etc.)<br />

Fn. Fussnote<br />

GA Goldtammer’s Archiv (Heidelberg)<br />

GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung<br />

gl. M. gleicher Meinung<br />

GwG Bundesgesetz vom 10. Oktober 1997 zur Bekämpfung der Geldwäscherei<br />

im Finanzsektor (SR 955.0)<br />

Habil. Habilitation<br />

h. M. herrschende Meinung<br />

Hrsg. Herausgeber<br />

i. d. R. in der Regel<br />

i. S. im Sinne<br />

i. S. v. im Sinne von<br />

i. V. m. in Verbindung mit<br />

JA Juristische Ar<strong>bei</strong>tsblätter (Berlin)<br />

Jg. Jahrgang<br />

JR Juristische Rundschau (Berlin)<br />

JuS Juristische Schulung (München/Frankfurt a. M.)<br />

JZ Juristische Zeitung<br />

XVI


lit. litera<br />

m. E. meines Erachtens<br />

m. w. H. mit weiteren Hinweisen<br />

N Note<br />

Nr. Nummer<br />

Abkürzungsverzeichnis<br />

NJW Neue Juristische Wochenzeitschrift (München/Frankfurt a. M.)<br />

NStZ Neue Zeitschrift für Strafrecht (Deutschland)<br />

NZZ Neue Zürcher Zeitung (Zürich)<br />

Pra. <strong>Die</strong> Praxis des Bundesgerichtes (Basel)<br />

OR Bundesgesetz vom 30. März 1911 betreffend die Ergänzung des Schweizerischen<br />

Zivilgesetzbuches, Fünfter Teil: Obligationenrecht (SR 220)<br />

Rz. Randziffer<br />

S. Seite<br />

SAG Schweizerische Aktiengesellschaft (Zürich; seit 1990 = SZW)<br />

SJ La semaine judiciaire<br />

SJZ Schweizerische Juristenzeitung (Zürich)<br />

SR Systematische Sammlung des Bundesrechtes<br />

SSHW Schweizer Schriften zum Handels- und Wirtschaftsrecht (Zürich)<br />

STEG Bundesgesetzes vom 19. März 1976 über die Sicherheit von technischen<br />

Einrichtungen und Geräten<br />

StGB Schweizerisches Strafgesetzbuch in der Fassung vom 21. Dezember 1937<br />

(SR 311.0)<br />

SVG Bundesgesetz über den Strassenverkehr vom 21. Dezember 1937<br />

SZW Schweizerische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zürich; bis 1989 = SAG;<br />

1990 = Jg. 62)<br />

u. a. und andere / unter anderem<br />

XVII


Abkürzungsverzeichnis<br />

u. U. unter Umständen<br />

UWG Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb<br />

(SR 241)<br />

vgl. vergleiche<br />

Vorbem. Vorbemerkung<br />

VStrR Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht vom 22. März 1974 (SR<br />

313.0)<br />

wistra Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht (Köln)<br />

z. B. zum Beispiel<br />

ZBJV Zeitschrift des bernischen Juristenvereins (Bern)<br />

ZGB Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 (SR 210)<br />

Ziff. Ziffer<br />

zit. zitiert<br />

ZSR Zeitschrift für schweizerisches Recht (Basel)<br />

ZStrR Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht (Bern)<br />

ZStStr Studien zum Strafrecht<br />

ZStW Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft (Berlin; New York)<br />

z. T. zum Teil<br />

XVIII


Materialienverzeichnis<br />

Materialienverzeichnis<br />

Strafrecht<br />

Bundesgesetz über die Änderung des Strafgesetzbuches und des Bundesgesetzes betreffend<br />

die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (Finanzierung des Terrorismus)<br />

Änderung vom 21. März 2003, in: BBl 2003, 2847–2851, Ratifizierung in: AS 2003,<br />

3043-3047<br />

Botschaft betreffend die Internationalen Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung<br />

des Terrorismus und zur Bekämpfung terroristischer Bombenanschläge sowie die<br />

Änderung des Strafgesetzbuches und die Anpassung weiterer Bundesgesetze vom<br />

26. Juni 2002, in: BBl 2002, 5390-5454<br />

Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches (allgemeine Bestimmungen,<br />

Einführung und Anwendung des Gesetzes) und des Militärstrafgesetzes<br />

sowie zu einem Bundesgesetz über das Jugendstrafrecht vom 21. September 1998, in:<br />

BBl 1999, 1979-2417<br />

Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzbuches<br />

vom 30. Juni 1993, in: BBl 1993, 277-333<br />

Botschaft über die Aenderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes<br />

sowie betreffend die Aenderung des Bundesgesetzes über die wirtschaftliche<br />

Landesversorgung vom 24. April 1991, in: BBl 1991, 969-1140<br />

Aktienrecht<br />

Botschaft über die Revision des Aktienrechts vom 23. Februar 1983, in: BBl 1983, 745-<br />

997<br />

Botschaft zur Revision des Obligationenrechts (GmbH-Recht sowie Anpassungen im<br />

Aktien- Genossenschafts-, Handelsregister- und Firmenrecht) vom 19. Dezember 2001,<br />

in: BBl 2002, 3148 - 3264<br />

XIX


Literaturverzeichnis<br />

XX


Literaturverzeichnis<br />

Literaturverzeichnis<br />

AEPPLI OSWALD, Unwahre Angaben über Handelsgesellschaften und Genossenschaften,<br />

Diss. Zürich 1941<br />

ARZT GUNTHER, 50 km/h — zu schnell?, Dogmatische Bemerkungen zu BGE 121 IV<br />

286, in: SJZ 92 (1996) 305-308 [zit. : ARZT, 50 km/h]<br />

ARZT GUNTHER, <strong>Die</strong> <strong>strafrechtliche</strong> Verantwortung des Unternehmens, in: ZStrR 121<br />

(2003) 353-375 [zit. : ARZT, Strafrechtliche Verantwortung]<br />

ARZT, GUNTHER, Erfolgsdelikt und Tätigkeitsdelikt, in: ZStrR 107 (1990) 168-183 [zit. :<br />

ARZT, Erfolgsdelikt und Tätigkeitsdelikt]<br />

ARZT GUNTHER, Strafbarer Versuch und Vorbereitung, in: recht 3 (1985) 78-87 [zit. :<br />

ARZT, Versuch und Vorbereitung]<br />

ARZT GUNTHER, Strafbarkeit juristischer Personen: Andersen, vom Märchen zum<br />

Alptraum, in: SZW 76 (2002) 226-235 [zit. : ARZT, Juristische Person]<br />

ARZT GUNTHER, Vorsatz und Fahrlässigkeit, in: recht 6 (1988) 66-72 [zit. : ARZT,<br />

Vorsatz und Fahrlässigkeit]<br />

ARZT GUNTHER, Organisiertes Verbrechen StGB Art. 260 ter , in: Niklaus Schmid (Hrsg.),<br />

Kommentar Einziehung, Organisiertes Verbrechen und Geldwäscherei, Bd. I, Zürich<br />

1998, Art. 260 ter StGB [ARZT, Kommentar]<br />

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<strong>bei</strong> einer Mehrheit von verantwortlichen Personen, in: ZBJV 106 (1970) 457-487<br />

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BECKER H.-J., Mehrheitsprinzip, in: Adalbert Erler/Ekkehard Kaufmann (Hrsg.),<br />

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438 [zit. : BECKER, Mehrheitsprinzip]<br />

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106, in: Jus 32 (1992) 737-744 [zit. : BEULKE/BACHMANN]<br />

BOCK BARBARA, Produktkriminalität und Unterlassen, Berichte aus der Rechtswissenschaft<br />

D 188, (Diss. Berlin) Aachen 1997<br />

BÖCKLI PETER, <strong>Die</strong> unentziehbaren Kernkompetenzen des Verwaltungsrates, Schriften<br />

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BÖCKLI PETER, Insiderstrafrecht und Verantwortung des Verwaltungsrates, SSHW,<br />

Bd. 120, Zürich 1989 [zit. : BÖCKLI, Insiderstrafrecht]<br />

BÖCKLI PETER, Schweizer Aktienrecht, 3. Aufl. Zürich/Basel/Genf 2004 [BÖCKLI,<br />

Schweizer Aktienrecht 3.A.]<br />

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bürokratischen Organisationen des Staates, der Wirtschaft und Gesellschaft, Sinzheim<br />

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BUCHMANN PETER, Organisation der Verwaltungsräte in 20 der grössten Aktiengesellschaften<br />

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CRAMER PETER/HEINE GÜNTER, Vorbem. § 25 ff. dStGB und §§ 25-31 dStGB, in: Adolf<br />

Schönke/Horst Schröder, Strafgesetzbuch, Kommentar, 26. Aufl., München 2001<br />

DANNECKER GERHARD, Fahrlässigkeit in formalen Organisationen, in: Knut Amelung<br />

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Organisationen des Staates, der Wirtschaft und Gesellschaft, Sinzheim 2000,<br />

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DENCKER FRIEDRICH, Kausalität und Gesamttat, Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft,<br />

Bd. 99, Berlin 1996 [zit. : DENCKER, Kausalität und Gesamttat]<br />

DENCKER FRIEDRICH, Mittäterschaft in Gremien, in: Knut Amelung (Hrsg.), Individuelle<br />

Verantwortung und Beteiligungsverhältnisses <strong>bei</strong> Straftaten in bürokratischen Organisationen<br />

des Staates, der Wirtschaft und Gesellschaft, Sinzheim 2000, S. 63-70 [zit. :<br />

DENCKER, Mittäterschaft in Gremien]<br />

DEUTSCHER JÖRG/KÖRNER PETER, <strong>Die</strong> <strong>strafrechtliche</strong> Produktverantwortung von<br />

Mitgliedern kollegialer Geschäftsleitungsorgane, in: wistra 15 (1996) 292-302 (Teil 1)<br />

und 327-334 (Teil 2)<br />

DIETRICH ANNKA, Strafrechtliche Organ- und Vertreterhaftung, (Diss. Basel 1990) Basel<br />

1991<br />

DONATSCH ANDREAS, Art. 1-34, 100 quater-quinqies , 111 – 186 StGB, in: Andreas Donatsch<br />

(Hrsg.), StGB Schweizerisches Strafgesetzbuch, 16. Aufl., Zürich 2004 [zit. :<br />

DONATSCH]<br />

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ZStrR 106 (1989) 345-372 [DONATSCH, Garantenpflicht]<br />

DONATSCH ANDREAS, Garantenstellung und Sorgfaltsbemessung <strong>bei</strong>m fahrlässigen<br />

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XLII


1. Kapitel Mehrheitsentscheidung als <strong>strafrechtliche</strong>s Problem<br />

1. Kapitel Mehrheitsentscheidung als<br />

<strong>strafrechtliche</strong>s Problem<br />

I. Gegenstand der Untersuchung<br />

<strong>Die</strong> vorliegende Ar<strong>bei</strong>t behandelt <strong>Mehrheitsentscheidungen</strong> von Gremien in einer Aktiengesellschaft,<br />

insbesondere Entscheidungen des Verwaltungsrates und der Geschäftsleitung,<br />

unter <strong>strafrechtliche</strong>n Aspekten. Näher untersucht wird das Spannungsfeld<br />

zwischen der Regelung des schweizerischen Strafrechts und der Entscheidung eines Gremiums,<br />

bestehend aus mehreren gleichberechtigten Mitgliedern 1 , die durch eine Mehrheitsentscheidung<br />

über einen Antrag abstimmen. Es wird der Frage nachgegangen, unter<br />

welchen Voraussetzungen sich das jeweilige Gremiumsmitglied strafrechtlich (mit-)<br />

verantwortlich macht, falls der Gremiumsbeschluss strafrechtlich relevante Folgen<br />

zeitigt. Untersucht wird lediglich die Konstellation der tatsächlich gefällten Mehrheitsentscheidung.<br />

<strong>Die</strong> verantwortlichkeitsrelevant unterlassene Entscheidung des Gremiums<br />

ist nicht Gegenstand dieser Ar<strong>bei</strong>t.<br />

II. Problemstellung<br />

A. Verhalten des Gremiums und Mehrheitsprinzip<br />

<strong>Die</strong> Mehrheitsentscheidung setzt neben der Konstituierung eines Gremiums von<br />

mindestens zwei Personen die Gültigkeit des Mehrheitsprinzips (unter Einschluss einer<br />

Regelung für die Stimmengleichheit für das betreffende Gremium) voraus. <strong>Die</strong> Mehrheitsentscheidung<br />

2 stellt für das Gremium eine notwendige Voraussetzung dar, damit<br />

dieses handlungs- und funktionsfähig sein kann. <strong>Die</strong> daraus folgende Schwierigkeit der<br />

<strong>strafrechtliche</strong>n <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> einer Mehrheitsentscheidung besteht darin, das<br />

individuelle Verhalten des Gremiumsmitgliedes mit dem „kollegialen“ Verhalten der<br />

Gremiumsmitglieder in Einklang zu bringen. Das Gremium hat nach aussen nur eine<br />

Stimme, welche als gemeinschaftliches Sprachrohr der Gremiumsmitglieder angesehen<br />

1 SCHMIDT-SALZER, Produkthaftung, N 1.271 ff., weist darauf hin, dass es gleichrangige sowie<br />

hierarchisch gemischte Gemeinschaftsentscheidungen gibt. Gleichberechtigung setzt nicht voraus,<br />

dass die Gremiumsmitglieder aus derselben Hierarchiestufe des Unternehmens stammen.<br />

2 Gemäss BUCHMANN, Ziff. 5.6.7.6, S. 81, sind Auseinandersetzungen und Kampfabstimmungen in<br />

einem Gremium selten, weshalb sich wenige Mehrheitsbeschlüsse oder Stichentscheide ergeben<br />

würden. Kritische Äusserungen oder höchstens Stimmenthaltungen seien die grösste Opposition, die<br />

einem Antrag entgegenstehen würden. Vgl. auch KRNETA, N 780.<br />

1


1. Kapitel Mehrheitsentscheidung als <strong>strafrechtliche</strong>s Problem<br />

wird. Doch zugleich handeln die Gremiumsmitglieder auf Grund ihres Stimmverhaltens<br />

auch individuell.<br />

Falls eine solche Gremiumsentscheidung strafrechtlich relevante Folgen zeitigt, stellt<br />

sich die Frage, ob da<strong>bei</strong> alle Gremiumsmitglieder in gleichem Ausmasse verantwortlich<br />

zu machen sind, weil sich gesellschaftsrechtlich aus der Organisation des Unternehmens<br />

die Pflicht der überstimmten Gremiumsmitglieder ergibt, sich dem Gesamtinteresse der<br />

Mehrheit unterzuordnen und das Beschlossene dann umzusetzen, oder ob sich auf Grund<br />

des individuellen Abstimmungsverhaltens eine unterschiedliche Beurteilung aufdrängt 3 .<br />

Das Hauptproblem da<strong>bei</strong> ist, ob der Beschluss eine Hürde für eine direkte <strong>strafrechtliche</strong><br />

<strong>Verantwortlichkeit</strong> darstellt oder nicht 4 .<br />

B. Ansätze in der schweizerischen Lehre<br />

Grundsätzlich sollen gemäss SCHMID <strong>bei</strong> Kollegialentscheidungen mit deliktischer<br />

Ausrichtung, insbesondere <strong>bei</strong> Entscheidungen eines mehrköpfigen Gremiums, die zur<br />

Verwirklichung eines <strong>strafrechtliche</strong>n vorsätzlichen oder fahrlässigen Tatbestandes<br />

führen, die Gremiumsmitglieder hierfür einstehen. SCHMID ist der Meinung, dass zumindest<br />

die Gremiumsmitglieder, welche dem deliktisch ausgerichteten Beschluss zugestimmt<br />

haben, strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen seien 5 . Eine detaillierte<br />

Begründung dafür ist jedoch aus den Ausführungen SCHMIDS nicht ersichtlich.<br />

Des Weiteren hat sich auch POPP mit der Entscheidung und Mitwirkung in einem<br />

Gremium beschäftigt. Er geht da<strong>bei</strong> von einer Täterschaft desjenigen Gremiumsmitgliedes<br />

aus, welches dem deliktisch ausgerichteten Antrag zur Begehung einer Straftat<br />

zustimmt. Ein abwesendes sowie ein sich der Stimme enthaltendes Gremiumsmitglied<br />

dagegen nehmen gemäss seiner Ansicht nicht an der Abstimmung teil, so dass diese<br />

Gremiumsmitglieder sich nicht an der strafrechtlich relevanten Tat beteiligen würden.<br />

Das gegen den Antrag stimmende Gremiumsmitglied werde deshalb umso mehr nicht<br />

strafrechtlich verantwortlich. Dagegen will POPP für den Fall, dass das Gremium keine<br />

Vorkehrungen zur Abwendung von strafrechtlich relevanten Folgen trifft, die zustimmenden<br />

und die sich der Stimme enthaltenden Gremiumsmitglieder strafrechtlich zur<br />

Verantwortung ziehen 6 .<br />

3 RODRÍGUEZ MONTAÑÉS, S. 309.<br />

4 KNAUER, S. 12.<br />

5 SCHMID, Aspekte, S. 159.<br />

6 POPP, S. 32 f.<br />

2


1. Kapitel Mehrheitsentscheidung als <strong>strafrechtliche</strong>s Problem<br />

III. Ziel der Untersuchung<br />

Das Problem der <strong>strafrechtliche</strong>n <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Gremiumsmitglieder soll <strong>bei</strong> der<br />

Abstimmung als solche sowie im Vor- und Nachfeld dieser Abstimmung hinsichtlich<br />

eines deliktisch ausgerichteten Beschlusses dargelegt werden. <strong>Die</strong> Untersuchung soll eine<br />

Lösung für Kollegialentscheidungen in einem Gremium einer Aktiengesellschaft bringen<br />

— insbesondere für den Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung —, in welchen das<br />

Mehrheitsprinzip angewandt wird.<br />

IV. Vorgehensweise<br />

In Kapitel 2 wird zunächst auf die hier untersuchten Entscheidungsgremien eingegangen,<br />

insbesondere auf den Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung. Dargestellt werden<br />

sodann der Begriff der Mehrheitsentscheidung sowie der Entscheidfindungsprozess der<br />

genannten Gremien. Das Kapitel schliesst mit einem zivilrechtlichen Überblick und<br />

Überlegungen zur Relevanz der zivilrechtlichen Organisationsstruktur für die<br />

<strong>strafrechtliche</strong> Beurteilung.<br />

Kapitel 3 befasst sich mit der Abstimmung als Anknüpfungspunkt für die <strong>strafrechtliche</strong><br />

Beurteilung der <strong>strafrechtliche</strong>n Folgen der Gremiumsentscheidung. <strong>Die</strong><br />

Abstimmung wird zuerst hinsichtlich ihrer Bestandteile — namentlich Antrag,<br />

Abstimmungsmechanismus und Beschluss — untersucht. Anschliessend wird unter dem<br />

Aspekt der strafrechtlich relevanten Folgen des Gremiumsbeschlusses versucht, das<br />

Verhalten des Gremiumsmitgliedes als Begehung oder Unterlassung zu qualifizieren.<br />

Hernach wird die Abstimmung und somit das Verhalten der Gremiumsmitglieder im<br />

Zusammenhang mit der Vorbereitungshandlung, dem Versuch und der Deliktsvollendung<br />

beleuchtet.<br />

In Kapitel 4 wird die <strong>strafrechtliche</strong> Haftung von Personenmehrheiten erörtert und<br />

geprüft, ob die <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong> der einzelnen Gremiumsmitglieder über<br />

die <strong>strafrechtliche</strong> Haftung einer Personenmehrheit begründet werden kann. <strong>Die</strong> Frage<br />

wird verneint und in Kapitel 5 die individuelle <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong> des<br />

einzelnen Gremiumsmitgliedes geprüft. <strong>Die</strong>sbezüglich werden insbesondere die<br />

Kausalität und Beteiligungsformen untersucht. Sodann wird die jeweilige Beeinflussung<br />

des Stimmverhaltens des Gremiumsmitgliedes durch verschiedene gesellschaftsinterne<br />

und -externe Personen besprochen. Am Schluss des Kapitels 5 wird die Relevanz eines<br />

gesellschaftsrechtlichen Rücktrittes des einzelnen Gremiumsmitgliedes aus dem<br />

Gremium in Bezug auf die <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong> beleuchtet; ferner werden<br />

Konsequenzen für das Verhalten des Gremiumsmitgliedes dargelegt.<br />

3


2. Kapitel Grundlagen<br />

4


2. Kapitel Grundlagen<br />

2. Kapitel Grundlagen<br />

I. Gremium als Entscheidungsinstanz<br />

A. Definition des Gremiums<br />

Ein Gremium ist eine zur Erfüllung einer bestimmten Aufgabe gebildete Gruppe von<br />

Experten oder die beschlussfassende Gruppe einer Körperschaft 7 . Somit sind ein<br />

Vorstand, ein Gemeinderat, ein Redaktionsausschuss etc., wie auch ein Verwaltungsrat,<br />

eine Geschäftsleitung und ein Entscheidgremium mit Mitar<strong>bei</strong>tern aus unterschiedlichen<br />

Stufen einer Unternehmung in diesem Sinne Gremien. Im Folgenden werden<br />

insbesondere der Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung einer Aktiengesellschaft als<br />

Gremium vorgestellt.<br />

B. Verwaltungsrat als Gremium<br />

1. Zusammensetzung des Verwaltungsrates<br />

Gemäss Art. 707 Abs. 1 OR besteht der Verwaltungsrat aus einem oder mehreren<br />

Mitgliedern. <strong>Die</strong>se Bestimmung wird statutarisch meistens weiter ausgeführt. Auch eine<br />

Regelung im Organisationsreglement kann die minimale und maximale Anzahl von<br />

Verwaltungsratsmitgliedern bestimmen 8 . Ein Verwaltungsrat ist nur dann ein Gremium,<br />

wenn er mehr als ein Mitglied aufweist 9 .<br />

2. Kategorien von Verwaltungsratsmitgliedern<br />

a) Ins Handelsregister eingetragenes Verwaltungsratsmitglied<br />

Ein neu gewähltes Verwaltungsratsmitglied hat seine Wahl in den Verwaltungsrat<br />

anzunehmen. Es handelt sich da<strong>bei</strong> um eine formelle Voraussetzung 10 . Eine als<br />

Verwaltungsratsmitglied gewählte Person, welche die Wahl nicht annimmt, ist entweder<br />

als faktisches Verwaltungsratsmitglied oder als Verwaltungsratsmitglied mittels Kundgabe<br />

anzusehen 11 . Das Amt des Verwaltungsratsmitgliedes kann gemäss Art. 707 Abs. 2<br />

OR i. d. R. auch erst angetreten werden, nachdem das neu gewählte Verwaltungsrats-<br />

7<br />

DUDEN, Das grosse Wörterbuch der deutschen Sprache, 2. Aufl., Bd. 3, Mannheim/Leipzig/Wien/<br />

Zürich 1994.<br />

8<br />

FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 27 N 67.<br />

9<br />

Siehe 1. Kapitel II.A.<br />

10<br />

BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 47; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 27 N 23;<br />

MÜLLER/LIPP/PLÜSS, S. 49, S. 59.<br />

11<br />

Siehe 2. Kapitel I.B.2.b)(2) und 2. Kapitel I.B.2.b)(3).<br />

5


2. Kapitel Grundlagen<br />

mitglied Aktionär 12 der betreffenden Gesellschaft geworden ist. Nach h. L. ist diese<br />

Regelung nur eine Ordnungsvorschrift 13 . <strong>Die</strong> Handlungen eines gewählten Verwaltungsratsmitgliedes<br />

sind deshalb ab dem Zeitpunkt seiner Wahlannahme bis zu seiner<br />

Löschung aus dem Handelsregister gültig 14 . Intern wird der Gewählte als Verwaltungsratsmitglied<br />

behandelt, weshalb er intern Handlungen vornehmen kann, für die er die<br />

Verantwortung trägt 15 . Er kann zudem ein ordentliches oder ein fiduziarisches Verwaltungsratsmitglied<br />

sein. <strong>Die</strong> entsprechenden Funktionen werden nachfolgend dargestellt.<br />

6<br />

(1) Ordentliches Verwaltungsratsmitglied<br />

Formell gilt diejenige Person als ordentliches Verwaltungsratsmitglied, welche im<br />

Handelsregister in der entsprechenden Rubrik eingetragen ist. Das gewählte Organ muss<br />

gemäss Art. 640 Abs. 3 OR zwingend im Handelsregister am Sitz der Gesellschaft<br />

eingetragen werden 16 .<br />

Das Verwaltungsratsmandat ist an die Person gebunden, die von der Generalversammlung<br />

damit betraut worden ist, und daher persönlich zu erfüllen. Eine Übertragung<br />

dieses Amtes an Dritte ist nicht zulässig 17 . Verwaltungsratsmitglieder sind normalerweise<br />

gleichberechtigt, doch kann einem einzelnen Mitglied ein Sonderstatus 18 zukommen, wie<br />

z. B. dem Verwaltungsratspräsidenten oder dem Vizepräsidenten.<br />

(2) Fiduziarisches Verwaltungsratsmitglied<br />

Ein fiduziarisches, d. h. nach Instruktion und auf Rechnung eines Dritten tätiges<br />

Verwaltungsratsmitglied fällt unter den Begriff des formellen Organs 19 . Das Verwaltungsratsmitglied,<br />

welches fiduziarisch tätig ist, hat <strong>bei</strong> Abstimmungen seine Stimme<br />

gemäss Weisung des Treugebers abzugeben. Der Vertrag bindet den Fiduziar an die<br />

Weisung. Gesellschaftsrechtlich ist es ihm aber nicht verwehrt, anders abzustimmen. Bei<br />

Verletzung des Treuhandvertrages ist die abgegebene Stimme gesellschaftsrechtlich<br />

gültig. <strong>Die</strong> Pflicht aus dem Gesellschaftsvertrag, die Interessen der Aktiengesellschaft zu<br />

12 Vgl. Art. 707 Abs. 1 und 2 OR. Mit der Revision der GmbH-Rechts soll die „Qualifikationsaktie“<br />

abgeschafft werden. Mehr dazu in BBl 2002, 3228.<br />

13 BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 33; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 27 N 4;<br />

MÜLLER/LIPP/PLÜSS, S. 33 f.<br />

14 <strong>Die</strong> Handlungen des Verwaltungsratsmitgliedes sind und bleiben demzufolge auch dann noch gültig,<br />

wenn er noch keine Aktien hat oder diese während der Ausübung seines Amtes veräussert, vgl.<br />

FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 27 N 4; MÜLLER/LIPP/PLÜSS, S. 33 f.<br />

15 FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 27 N 28; MÜLLER/LIPP/PLÜSS, S. 59.<br />

16 MÜLLER/LIPP/PLÜSS, S. 29.<br />

17 BGE 71 II 279; BERTSCHINGER, N 164; BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 126; MEIER-<br />

HAYOZ/FORSTMOSER, § 16 N 377.<br />

18 FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 28 N 75 f.<br />

19 BÄRTSCHI, S. 106; DRUEY, <strong>Die</strong> materiellen Grundlagen, S. 59.


2. Kapitel Grundlagen<br />

wahren, geht einem Treuhandvertrag vor 20 . Das Verwaltungsratsmandat ist höchstpersönlich,<br />

weshalb eine totale Weisungsgebundenheit unzulässig ist. Unterwirft sich ein<br />

Verwaltungsratmitglied dem Willen eines Dritten, indem es als willenloses Wesen nach<br />

dessen Instruktionen handelt, hat es sein Amt faktisch delegiert, was nicht zulässig ist.<br />

Gemäss Art. 717 Abs. 1 OR gilt dies für alle Aufgaben des Verwaltungsrates. Insoweit<br />

die Interessen des Weisungsgebers mit den Gesellschaftsinteressen vereinbar sind, ist<br />

gegen das weisungskonforme Handeln eines Verwaltungsratsmitgliedes nichts einzuwenden<br />

21 .<br />

b) Nicht ins Handelsregister eingetragenes Verwaltungsratsmitglied<br />

Neben den ins Handelsregister eingetragenen Verwaltungsratsmitgliedern figurieren<br />

Verwaltungsratsmitglieder, die zwar nicht im Handelsregister eingetragen sind, aber<br />

trotzdem Einfluss auf den formellen Verwaltungsrat haben können. Dazu gehören die<br />

stillen und faktischen Verwaltungsratsmitglieder sowie die Verwaltungsratsmitglieder<br />

infolge Kundgabe.<br />

(1) Stilles Verwaltungsratsmitglied<br />

Eine Person, die als Verwaltungsratsmitglied gewählt, aber nicht ins Handelsregister<br />

eingetragen wird, nennt man stilles Verwaltungsratsmitglied 22,23 . Dadurch kann z. B. die<br />

ausländische Beherrschung ohne Ausnahmebewilligung sichergestellt werden, obwohl<br />

gemäss Art. 708 OR die Mehrheit der Verwaltungsratsmitglieder in der Schweiz ansässig<br />

sein und das schweizerische Bürgerrecht besitzen muss. Das stille Verwaltungsratsmitglied<br />

erhält mit seiner Wahl formelle Organqualität und untersteht somit den aktienrechtlichen<br />

Bestimmungen. Es ist zusätzlich verpflichtet, an der Willensbildung der<br />

Gesellschaft teilzunehmen, weil es durch die Wahl ein Stimmrecht erhalten hat 24 .<br />

20 DRUEY, <strong>Die</strong> materiellen Grundlangen, S. 59, weist darauf hin, dass das fiduziarische Verwaltungsratsmitglied<br />

seine Fähigkeiten gegen eine schädliche Einflussnahme einsetzen muss. FORSTMOSER/<br />

MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 31 N 36 ff.<br />

21 BERTSCHINGER, N 167; BGE vom 15. Juni 1999 in SJ 121 (1999) 483 f.: Falls das fiduziarisch tätige<br />

Mitglied indes auf Weisung des Alleinaktionärs handelt, kann die Gesellschaft keine <strong>Verantwortlichkeit</strong>sklage<br />

erheben.<br />

22 FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 28 N 182; Sauber, S. 151.<br />

23 Gemäss BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 91, wird das stille Verwaltungsratsmitglied in zivil-<br />

wie auch in <strong>strafrechtliche</strong>r Hinsicht wie ein gewähltes und ins Handelsregister eingetragenes<br />

Verwaltungsratsmitglied betrachtet. <strong>Die</strong>ses Verhalten ist ordnungswidrig und verletzt die Pflicht zur<br />

Anmeldung <strong>bei</strong>m Handelsregisteramt (Art. 641 Ziff. 9 OR). Es erfüllt somit den Straftatbestand der<br />

unwahren Angaben gegenüber den Handelsregisterbehörden. MÜLLER/LIPP/PLÜSS, S. 49 f.; SAUBER,<br />

S. 83 f., S. 151 f.<br />

24 SAUBER, S. 151 f.<br />

7


2. Kapitel Grundlagen<br />

8<br />

(2) Faktisches Verwaltungsratsmitglied<br />

Eine Person, die nicht formell in den Verwaltungsrat gewählt worden ist, wird faktisches<br />

oder verdecktes Verwaltungsratsmitglied genannt 25 . <strong>Die</strong>se Person masst sich Aufgaben<br />

an, die ansonsten nur formell gewählten Verwaltungsratsmitgliedern zustehen. Ist eine<br />

Person in solcher Weise tätig, untersteht sie den gleichen Pflichten wie ein formell<br />

gewähltes Verwaltungsratsmitglied 26 . Als Beispiel eines faktischen Organs können neben<br />

dem stillen Verwaltungsratsmitglied der Hauptaktionär, der sich in die Geschäftsführung<br />

einmischt, der Weisungen erteilende Hintermann oder verborgene geschäftsführende<br />

Dritte (Direktoren) 27 aufgeführt werden. <strong>Die</strong>se Vorgenannten übernehmen (indirekt) die<br />

Leitung der Gesellschaft.<br />

(3) Verwaltungsratsmitglied infolge Kundgabe<br />

Auch das Verwaltungsratsmitglied infolge Kundgabe 28 gilt als faktisches Organ.<br />

Behauptet jemand, der weder als Verwaltungsratsmitglied gewählt noch im Handelsregister<br />

eingetragen ist, Verwaltungsratsmitglied einer bestimmten Gesellschaft zu sein, und<br />

toleriert oder unterstützt die Gesellschaft diese Aussage, so wird diese Person zum<br />

Verwaltungsratsmitglied infolge Kundgabe 29 .<br />

c) Suppleant<br />

Bei Absenz von Verwaltungsratsmitgliedern kann die Generalversammlung nach h. L.<br />

Suppleanten, d. h. Ersatzmänner oder -frauen einsetzen 30 . Da eine persönliche Leistungspflicht<br />

des jeweiligen Verwaltungsratsmitgliedes besteht, kann ein Suppleant nur <strong>bei</strong><br />

Vorliegen von objektiven Verhinderungsgründen an die Stelle eines Verwaltungsratsmitgliedes<br />

treten. Dem Suppleanten stehen erst mit dem Nachrücken in die Stellung eines<br />

ordentlichen Verwaltungsratsmitgliedes die gleichen Rechte und Pflichten zu. Hat der<br />

Suppleant infolge der Rückkehr des Verwaltungsratsmitgliedes wiederum abzutreten,<br />

haftet er nur für die Beschlüsse, die während seiner Amtszeit gefällt wurden 31 .<br />

25<br />

BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 92; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 28 N 183;<br />

SAUBER, S. 35.<br />

26<br />

FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 28 N 183 f.; Sauber, S. 152 f.<br />

27<br />

BBl 1983, 935; BERTSCHINGER, N 108; BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 625.<br />

28<br />

Vgl. die schematische Übersicht <strong>bei</strong> SAUBER, S. 37.<br />

29<br />

BERTSCHINGER, N 108; MÜLLER/LIPP/PLÜSS, S. 50; SAUBER, S. 46 f.; WIDMER/BANZ, N 8 zu<br />

Art. 754 OR.<br />

30<br />

FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 28 N 185 f.<br />

31<br />

BERTSCHINGER, N 244 f., FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 28 N 190.


2. Kapitel Grundlagen<br />

3. Zuständigkeit des Verwaltungsrates<br />

Der Verwaltungsrat kann gemäss Art. 716 Abs. 1 OR in allen Angelegenheiten Beschluss<br />

fassen, die nicht nach Gesetz oder Statuten der Generalversammlung zugeteilt sind 32 .<br />

Dazu kann der Verwaltungsrat sich gemäss dem Grundsatz der Selbstorganisation nach<br />

Art. 716 Abs. 2 OR selbst konstituieren. <strong>Die</strong> oberste Leitung eines Unternehmens kann<br />

somit je nach Unternehmen unterschiedlich organisiert sein. Das Aktienrecht sieht in<br />

Art. 716b Abs. 3 OR dispositiv vor, dass die Geschäftsführung durch den Verwaltungsrat<br />

gesamthaft ausgeübt wird, soweit er diese nicht gemäss Art. 716 Abs. 2 OR an einzelne<br />

Mitglieder (Delegierte) oder Dritte übertragen hat. Der gemeinsam handelnde Verwaltungsrat<br />

ist die einfachste Organisationsform des Verwaltungsrates, was sich aus<br />

Art. 716b Abs. 1 OR ergibt.<br />

Bei kleinen Aktiengesellschaften liegt die Führung der Geschäfte meist direkt <strong>bei</strong>m<br />

Verwaltungsrat. Der Verwaltungsrat einer grösseren Aktiengesellschaft besteht aus<br />

mehreren Mitgliedern (5-9) 33 . <strong>Die</strong> Aktionsfreiheit des einzelnen Verwaltungsratsmitgliedes<br />

wird dadurch stark eingeschränkt. Aus diesem Grund drängt sich eine<br />

statutarische oder reglementarische Ordnung der Verwaltung direkt auf 34 .<br />

In die zwingende Zuständigkeit und Verantwortung des Verwaltungsrates fallen die<br />

in Art. 716a Abs. 1 Ziff. 1 - 7 OR aufgelisteten Aufgaben 35 . <strong>Die</strong>se Aufgaben sind<br />

unübertragbar und unentziehbar 36 . Unübertragbar heisst, dass es nicht zulässig ist, die<br />

Entscheidung darüber an eine unterstellte Geschäftsleitung zu delegieren 37 . Im Bereich<br />

dieser nicht delegierbaren Kompetenzen ist die Abstimmung darüber somit eine reine<br />

Angelegenheit des Gesamtverwaltungsrates 38 . Der Verwaltungsrat ist aber nicht dazu<br />

angehalten, alle ihm als unübertragbar und unentziehbar zugewiesenen Hauptaufgaben in<br />

32 KAMMERER, S. 128 ff. zeigt auf, dass Kompetenzen des Verwaltungsrates mittels Kompetenzdelegation<br />

nach vorne, Beschlussdelegation, Kompetenzattraktion sowie Kompetenzusurpation an<br />

die Generalversammlung übergehen. KAMMERER klärt im Weiteren ab, welche Kompetenzen<br />

unüber-tragbar und unentziehbar sind.<br />

33 ERNY, S. 155, verweist auf Spencer Stuart Management Consultants: Enquête sur les conseils<br />

d’administration, Eine Umfrage der Spencer Management Consultants Genf, Genf 1996, S. 8.<br />

Gemäss WUNDERER, S. 40, wie auch nach HILL, S. 33, sollen es fünf bis acht Personen sein. Früher<br />

bestand der Verwaltungsrat aus bis zu 13 Personen, vgl. BUCHMANN, S. 73 f. und GLAUS, S. 117.<br />

Das OR schreibt keine Mindest- oder Höchstanzahl von Verwaltungsratsmitgliedern vor. Art. 707<br />

Abs. 1 OR regelt lediglich, dass mindestens eines oder mehrere Verwaltungsratsmitglieder<br />

vorhanden sein müssen. Der Verwaltungsrat einer Bank muss mindestens drei Verwaltungsratsmitglieder<br />

haben, vgl. Art. 8 Abs. 1 BankV.<br />

34 GLAUS, S. 64; MÜLLER/LIPP/PLÜSS, S. 69.<br />

35 Oberleitung der Gesellschaft und die Erteilung der nötigen Weisungen; die Organisationsverantwortung;<br />

die Verantwortung für die Ausgestaltung des Rechnungswesens; der Finanzkontrolle und<br />

der Finanzplanung; die Wahl und Abwahl der Geschäftsführung; die Aufsicht über die Geschäftsführung;<br />

die Erstellung des Geschäftsberichtes; die Vorbereitung der Generalversammlung sowie die<br />

Ausführung ihrer Beschlüsse und die Benachrichtigung des Richters im Falle der Überschuldung.<br />

36 BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 303 ff.<br />

37 BÖCKLI, Kernkompetenzen, S. 12; WUNDERER, S. 36 Fn. 56.<br />

38 HORBER, S. 76.<br />

9


2. Kapitel Grundlagen<br />

corpore zu erfüllen 39 . <strong>Die</strong> Wendung „gesamthaft zusteht“ in Art. 716b Abs. 3 OR<br />

bedeutet auch nicht, dass die Beschlüsse einstimmig zu fassen sind 40 . <strong>Die</strong> Gremiumsmitglieder<br />

müssen die Geschäfte mangels Delegation auch nicht in gleicher Weise<br />

führen. Der Verwaltungsrat hat sich deshalb selbst zu organisieren. Allerdings hat der<br />

Verwaltungsrat seine Geschäftsführung durch Fällen von Beschlüssen auszuüben 41 .<br />

10<br />

4. Aufbau und Organisation der Geschäftsführung<br />

a) Pflicht zur Festlegung der Organisationsstruktur<br />

Der Verwaltungsrat hat sich eine Organisation zuzulegen, die für ihn und das Unternehmen<br />

zweckmässig ist. Da<strong>bei</strong> ist der Verwaltungsrat für die Organisation der dem<br />

Verwaltungsrat direkt unterstellten Stellen gemäss Art. 716a Abs. 1 Ziff. 4 OR selbst<br />

verantwortlich. Alle wesentlichen personellen Entscheide bezüglich der mit der<br />

Geschäftsführung betrauten Personen, d. h. deren Ernennung oder Abberufung, fallen in<br />

die Kompetenz des Gesamtverwaltungsrates. <strong>Die</strong> Organisation untergeordneter Stellen<br />

und die Organisation innerhalb der Geschäftsleitung können an diese oder an den<br />

Delegierten übertragen werden 42 , denn die feinere Unterteilung der Organisation ist eine<br />

delegierbare Aufgabe 43 . Der Verwaltungsrat hat demzufolge gemäss Art. 716a Abs. 1<br />

Ziff. 2 OR nur die grobe Organisation festzulegen und kann den Mitgliedern in seiner<br />

Mitte besondere Aufgaben eigenverantwortlich zuteilen. Hier<strong>bei</strong> handelt es sich vor<br />

allem um die Stelle des Präsidenten und des Sekretärs 44 .<br />

39<br />

BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 434 betreffend Delegation § 13 N 519 f.<br />

40<br />

BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 299, weist darauf hin, dass die Geschäftsführung dem<br />

Verwaltungsrat dann gesamthaft zusteht, wenn dieser keine Regelungen betreffend Übertragung<br />

getroffen hat.<br />

41<br />

HOMBURGER, N 761 f.; WATTER, Kommentar, N 18 zu Art. 716b OR.<br />

42<br />

WATTER, Kommentar, N 8 zu Art. 716a OR; vgl. den Entwurf eines Organisationsreglements <strong>bei</strong><br />

EHRAT, S. 795.<br />

43<br />

BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 319.<br />

44<br />

BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 104 ff.


2. Kapitel Grundlagen<br />

b) Ar<strong>bei</strong>tsteilung im Verwaltungsrat 45<br />

(1) Verwaltungsratspräsident<br />

<strong>Die</strong> Position des Verwaltungsratspräsidenten ist herausragend 46 , kommen ihm doch schon<br />

von Gesetzes wegen zusätzliche Funktionen zu 47 . Der Verwaltungsratspräsident verfügt<br />

in dringenden Fällen über Entscheidungsbefugnis, die normalerweise in die Kompetenz<br />

des Verwaltungsrates als Gesamtrat fällt. Damit ist er berechtigt, in diesen Fällen<br />

Weisungen an die Geschäftsleitung zu erteilen. Ausserdem kann er Geschäfte veranlassen,<br />

die in die Einzelkompetenz des Verwaltungsratspräsidenten fallen 48 . Der Verwaltungsratspräsident<br />

als Vorsitzender hat gemäss BÖCKLI „die Verantwortung für die<br />

rechtzeitige Ergreifung der Initiativen, die Antragsverantwortung für die Vorlage der<br />

Alternativen und die Begründung der bevorzugten Lösung, das Ausloten der Voraussetzungen<br />

und Auswirkungen der bevorstehenden Entscheide, das Aufspüren möglicher<br />

Problemherde, die Verantwortung vor allem aber im Nachfassen nach gefällter<br />

Entscheidung“ 49 . <strong>Die</strong>se <strong>bei</strong>spielhaften zusätzlichen Aufgaben kommen nur dem Verwaltungsratspräsidenten<br />

zu. Er entscheidet diesbezüglich alleine, also nicht in einer<br />

Mehrheit.<br />

Der Verwaltungsratspräsident kann in der Praxis eine unterschiedliche Stellung<br />

innehaben. In gewissen Fällen ist er nur für repräsentative oder administrative Aufgaben<br />

zuständig. In anderen Fällen verfügt er über eine äussert dominante Stellung. Das Etikett<br />

„primus inter pares“ stellt <strong>bei</strong> vollamtlicher Ausübung dieser Stellung eine Untertreibung<br />

dar. Der Verwaltungsratspräsident hat auf Grund seiner Stellung einen Informationsvorsprung<br />

50 . <strong>Die</strong>s ist insbesondere dann der Fall, wenn er zugleich Delegierter 51 und/oder<br />

45 Vgl. ERNY, Abbildung 5-13, S. 157: Delegation mit oder ohne Entscheidungskompetenz.<br />

46 BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 314. Neben dem Verwaltungsratspräsidenten wird häufig<br />

ein Vizepräsident des Verwaltungsrates gewählt, obwohl das Gesetz (Art. 712 Abs. 1 OR) solch eine<br />

Stellung nicht verlangt. Häufig ist jedoch auch ein Stellvertreter des Verwaltungsratspräsidenten<br />

erforderlich, vgl. KRNETA, N 669 m. w. H. ff., HUNGERBÜHLER, S. 231 ff., weist darauf hin, dass <strong>bei</strong><br />

Abwesenheit des Präsidenten der Vizepräsident in dessen Amt eintritt. Ausserdem ist der Vizepräsident<br />

das Sprachrohr des Verwaltungsrats gegenüber dem Verwaltungsratspräsidenten. Teilweise<br />

wird auch das Amt eines Ehrenpräsidenten eingeführt, welches meist ausserhalb von Statuten und<br />

Reglementen geschaffen wird. Der Ehrenpräsident gilt nicht als Mitglied des Verwaltungsrates.<br />

Probleme können sich da ergeben, wo der Ehrenpräsident sich nicht von der Teilnahme an der<br />

Entscheidfindung distanziert, vgl. KRNETA, N 664 ff.; HUNGERBÜHLER, S. 217 ff.<br />

47 Stichentscheid <strong>bei</strong> Pattsituationen, sofern die Statuten nichts anderes vorsehen (Art. 713 Abs. 1<br />

Satz 2 OR); Mitunterzeichnung des Verwaltungsratsprotokolls (Art. 713 Abs. 3 OR); Einberufung<br />

von Sitzungen des Verwaltungsrates auf Antrag eines Verwaltungsratsmitgliedes (Art. 715 OR);<br />

Bewilligung von Gesuchen betreffend Auskunft und Einsichtnahme in Bücher und Akten (Art. 715a<br />

Abs. 4 OR); Mitwirkung <strong>bei</strong> den Handelsregisteranmeldungen, sofern diese Aufgabe nicht an den<br />

Stellvertreter des Präsidenten delegiert worden ist (Art. 22 Abs. 2 HRV).<br />

48 FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 28 N 138; HUNGERBÜHLER, S. 87 ff., der ausführlich zu den<br />

Aufgaben des Verwaltungsratspräsidenten Stellung nimmt, sowie S. 128 zu Entscheidungen in<br />

Notsituationen; WUNDERER, S. 141 ff.<br />

49 BÖCKLI, Kernkompetenzen, S. 19 f.<br />

50 BERTSCHINGER, N 225.<br />

11


2. Kapitel Grundlagen<br />

Vorsteher der Geschäftsleitung 52 (Direktionspräsident) ist 53 . <strong>Die</strong>se Personalunion führt<br />

auch noch zu einer erheblichen Machtfülle und zu weiterem Wissensvorsprung gegenüber<br />

den übrigen Verwaltungsratsmitgliedern 54 .<br />

12<br />

(2) Einfaches Verwaltungsratsmitglied<br />

i) Internes Verwaltungsratsmitglied<br />

Internes Verwaltungsratsmitglied wird dasjenige Verwaltungsratsmitglied genannt,<br />

welchem die Geschäftsführung und Vertretung der Aktiengesellschaft überlassen worden<br />

ist. Meist steht dieses Verwaltungsratsmitglied in einem Ar<strong>bei</strong>tsverhältnis zur Aktiengesellschaft<br />

55 .<br />

ii) Externes Verwaltungsratsmitglied<br />

Das formelle Verwaltungsratsmitglied, das zwar nicht mit der Geschäftsführung, jedoch<br />

mit der Überwachung derselben beauftragt ist, wird externes oder aussenstehendes<br />

Verwaltungsratsmitglied genannt 56 . <strong>Die</strong> Wahrnehmung dieser Aufgabe kann im Rahmen<br />

eines „Executive Committee“ erfolgen, falls diese nicht dem Verwaltungsratsauschuss<br />

übertragen worden ist. Zusätzlich können die aussenstehenden Verwaltungsratsmitglieder<br />

Ar<strong>bei</strong>ten im Rahmen eines Finanz-, Personal- oder Prüfungsausschusses (Audit<br />

Committee) erbringen 57 . Das externe Verwaltungsratsmitglied steht nur in einem<br />

Mandatsverhältnis zur Aktiengesellschaft.<br />

c) Ausschüsse<br />

Der Verwaltungsrat hat die Möglichkeit, einem oder einzelnen Mitgliedern oder<br />

Mitar<strong>bei</strong>tern vorbereitende oder begleitende Sonderaufgaben zuzuweisen. In diesen<br />

Fällen handelt es sich entweder um eine Delegation oder nur um eine zweckmässige<br />

Ar<strong>bei</strong>tsteilung zur Erfüllung der unentziehbaren und unübertragbaren Aufgaben des<br />

Verwaltungsrates 58 .<br />

51<br />

Siehe 2. Kapitel I.C.3.a).<br />

52<br />

Siehe 2. Kapitel I.C insbesondere 2. Kapitel I.C.3.b).<br />

53<br />

FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 28 N 145.<br />

54<br />

HUNGERBÜHLER, S. 17 f.; KRNETA, N 658 ff.<br />

55<br />

MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, § 16 N 352; VON DER CRONE, Strategische Leitung und Qualitätssicherung,<br />

S. 4.<br />

56<br />

MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, § 16 N 352; VON DER CRONE, Strategische Leitung und Qualitätssicherung,<br />

S. 4, nennt die externen Verwaltungsratsmitglieder nicht exekutive Verwaltungsratsmitglieder.<br />

57<br />

BERTSCHINGER, N 230; BÖCKLI, Schweizerisches Aktienrecht, § 13 N 409 ff.<br />

58<br />

BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 405; KRNETA, N 1485, weist darauf hin, dass der Verwaltungsratspräsident,<br />

die Geschäftsleitung oder sogar aussenstehende Drittpersonen Geschäfte vorbereiten,<br />

Vorschläge unterbreiten und die Unterlagen bereitstellen können.


2. Kapitel Grundlagen<br />

Es können (auch ad hoc) Ausschüsse für bestimmte Aufgaben gebildet werden. Ist<br />

der Ausschuss nur mit der Vorbereitung und Ausführung von Verwaltungsratsbeschlüssen<br />

beauftragt, so braucht es keine besondere Grundlage oder Form 59 . <strong>Die</strong>sen<br />

Ausschüssen kommen verwaltungsinterne Aufgaben zu. <strong>Die</strong> Verantwortung für die<br />

jeweiligen Entscheide verbleibt ungeteilt <strong>bei</strong>m Gesamtverwaltungsrat 60 . Bei diesen<br />

Ausschüssen handelt es sich meist um Fachausschüsse, die je für ein bestimmtes<br />

Sachgebiet zuständig sind. Alle Verwaltungsratsmitglieder bleiben gleichgewichtig 61 .<br />

Der Verwaltungsrat kann jedoch auch einen geschäftsführenden Ausschuss einsetzen,<br />

dem nicht nur die laufende Überwachung der Geschäftstätigkeit zukommen soll, sondern<br />

auch die Vorbereitung und Ausführung von Beschlüssen, welche nicht in den<br />

Kompetenzbereich der geschäftsführenden Dritten fallen sollen und die nicht zu den<br />

unübertragbaren Aufgaben des Verwaltungsrates gehören 62,63 . Der allgemeine oder<br />

geschäftsführende Verwaltungsratsausschuss verfügt da<strong>bei</strong> über eine eigene Beschlusskompetenz<br />

64 . Im Audit oder Compensation Committee sollten die Mehrzahl der<br />

Mitglieder aussenstehende Verwaltungsratsmitglieder sein 65 .<br />

d) Sekretär des Verwaltungsrates<br />

Gemäss Art. 712 Abs. 1 OR muss ein Sekretär des Verwaltungsrates bezeichnet werden.<br />

<strong>Die</strong>ser braucht jedoch nicht Verwaltungsratsmitglied zu sein. Ist der Sekretär kein<br />

Verwaltungsratsmitglied, ist er kein Organ 66 . <strong>Die</strong> Aufgabe des Sekretärs besteht gemäss<br />

Art. 713 Abs. 3 OR darin, die Protokolle des Verwaltungsrates zu führen und als Zweiter<br />

zu unterschreiben. Hinzu kommen administrative Aufgaben, wie die Organisation der<br />

Sitzungen, die Verwaltung der Akten etc. Der Sekretär hat demzufolge keine Geschäftsführungsfunktion<br />

inne 67 und somit auch keine Befugnis zu entscheiden.<br />

59<br />

KRNETA, N 1645.<br />

60<br />

FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 29 N 23, N 30 f.; KRNETA, N 1484; WATTER, Kommentar,<br />

N 27 f. zu Art. 716a OR.<br />

61<br />

HUNGERBÜHLER, S. 27.<br />

62<br />

FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 29 N 37 ff.: Revisionsausschuss = Audit Committee (N 40<br />

f.) besteht bis anhin nur in Grossunternehmen. <strong>Die</strong>ser Revisionsausschuss nimmt die Überwachungsfunktion<br />

des Verwaltungsrates wahr. Der Revisionsausschuss entscheidet nicht in eigener<br />

Kompetenz, sondern erstattet dem Verwaltungsrat Bericht. Siehe bezüglich Corporate Governance<br />

der Börse www.swx.com. KRNETA, N 1646, macht jedoch in N 1647 darauf aufmerksam, dass sich<br />

die Aufgaben des Ausschusses auf die Vorbereitung von wichtigen Sachgeschäften des Verwaltungsrates<br />

beschränken sollten.<br />

63<br />

Vgl. BERTSCHINGER, N 230 und BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 411 betreffend die<br />

verschiedenen Ausschüsse und Committees.<br />

64<br />

FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 29 N 37; HUNGERBÜHLER, S. 27; KRNETA, N 1641 ff.,<br />

insbesondere N 1648.<br />

65<br />

WATTER, Corporate Governance, S. 53.<br />

66<br />

BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 108.<br />

67<br />

KRNETA, N 682 ff.; MÜLLER/LIPP/PLÜSS, S. 74.<br />

13


2. Kapitel Grundlagen<br />

C. Geschäftsleitung als Gremium<br />

14<br />

1. Delegation und Organisation der Geschäftsführung<br />

Als geschäftsführendes Organ ist der Verwaltungsrat nicht verpflichtet, alle ihm zugewiesenen<br />

Aufgaben selber zu erledigen. Insbesondere <strong>bei</strong> grösseren Gesellschaften ist die<br />

Geschäftsführung durch den Gesamtverwaltungsrat gemäss Art. 716b Abs. 3 OR keine<br />

praktikable Lösung. Der Verwaltungsrat muss aus diesem Grund eine den Verhältnissen<br />

angepasste Regelung zur Leitung der Gesellschaft treffen 68 .<br />

2. Delegation von Aufgaben und Kompetenzen<br />

Eine Ar<strong>bei</strong>tsteilung ist möglich, indem Aufgaben delegiert werden. Eine Delegation 69<br />

von Aufgaben und Kompetenzen ist jedoch nur dann statthaft, wenn die in Art. 716b<br />

Abs. 1 OR genannten Voraussetzungen 70 erfüllt sind. <strong>Die</strong> Ermächtigung zur Delegation<br />

muss demzufolge in den Statuten vorgesehen sein. <strong>Die</strong> Generalversammlung darf zudem<br />

vorschreiben, dass nur an Delegierte oder Dritte delegiert werden darf 71 . Das Organisationsreglement<br />

ist für die Delegation von Organkompetenzen, insbesondere für die<br />

Geschäftsführung zwingend. <strong>Die</strong>ses kommt zur Anwendung, wenn Funktionen der<br />

Willensbildung auf einzelne oder mehrere Verwaltungsratsmitglieder oder Dritte übertragen<br />

werden. Das Organisationsreglement wird dagegen <strong>bei</strong> der Delegation von<br />

Aufgaben und Befugnissen, die nicht als Organentscheide angesehen werden, nicht<br />

benötigt 72 . Nur der Verwaltungsrat ist befugt 73 — und, wenn er delegieren will 74 ,<br />

verpflichtet —, ein Organisationsreglement 75 zu erlassen, da dies eine seiner unübertragbaren<br />

76 und unentziehbaren Aufgaben darstellt 77 . <strong>Die</strong> Delegation von Pflichten an<br />

68<br />

BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 299 und N 461; KRNETA, N 1224 ff., 1766 f.; vgl.<br />

WUNDERER, Abbildung B-1-2, S. 37 betreffend Verteilung von Geschäftsführung und Überwachung<br />

in einem Verwaltungsratsmodell.<br />

69<br />

KAMMERER, S. 128 sagt treffend, dass mit Delegation „eine Zuweisung von Kompetenzen des<br />

Verwaltungsrates an eine diesem hierarchisch nachfolgende Instanz“ zu verstehen ist (Hervorhebungen<br />

durch den Autor selbst).<br />

70<br />

Art. 716b Abs. 1 OR: „<strong>Die</strong> Statuten können den Verwaltungsrat ermächtigen, die Geschäftsführung<br />

nach Massgabe eines Organisationsreglements ganz oder zum Teil an einzelne Mitglieder oder an<br />

Dritte zu übertragen.“<br />

71<br />

BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 524 f.; WATTER, Kommentar, N 5 zu Art. 716b OR.<br />

72<br />

BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 521; EHRAT, S. 793; KRNETA, N 1715; FORSTMOSER/<br />

MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 29 N 25 f.; MÜLLER/LIPP/PLÜSS, S. 77 WATTER, Kommentar, N 6, N 8 zu<br />

Art. 716b OR.<br />

73<br />

BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 332; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 11 N 26;<br />

KRNETA, N 1723.<br />

74<br />

KAMMERER, S. 128, macht darauf aufmerksam, dass die Zuweisung von Kompetenzen an eine hierarchisch<br />

nachfolgende Instanz nur mit Einwilligung des Verwaltungsrates vorgenommen werden<br />

kann.<br />

75<br />

FORSTMOSER, Organisationsreglement, S. 26, weist darauf hin, dass das Organisationsreglement<br />

durch einen Bewilligungsbeschluss des Verwaltungsrates rechtswirksam wird.<br />

76<br />

BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 524.


2. Kapitel Grundlagen<br />

Delegierte und Dritte ist jedoch nur in jenem Bereich zulässig, welcher die unübertragbaren<br />

Aufgaben des Verwaltungsrates i. S. v. Art. 716a Abs. 1 Ziff. 1-7 OR nicht<br />

tangiert. Da<strong>bei</strong> ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsrat die Pflicht hat, die Organisation<br />

jeweils den veränderten Verhältnissen anzupassen, was in der Praxis teilweise<br />

versäumt wird 78 .<br />

Der Verwaltungsrat regelt im Organisationsreglement die Organisation der<br />

Gesellschaft in ihren wesentlichen Grundzügen 79 . Er bestimmt die erforderlichen Stellen<br />

und Funktionen, beschreibt deren Aufgaben, die Zuständigkeit und Unterstellung, die<br />

Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche und die Verhältnisse untereinander 80 .<br />

In der Lehre wird teilweise zwischen Organisations- und Geschäftsregelement<br />

unterschieden. <strong>Die</strong>s macht gemäss FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL allerdings keinen<br />

Sinn, weil das (neue) Aktienrecht diese Aufteilung nicht mehr erfordert 81 . Das Geschäftsreglement<br />

delegiert keine Organfunktionen, sondern regelt die Organisation des erlassenden<br />

Organs oder einzelne Pflichten der Mitglieder. <strong>Die</strong> Erteilung von Weisungen ergibt<br />

sich aus Art. 716a Abs. 1 Ziff. 1 OR; dies gilt auch für die Geschäftsleitung etc. 82 Jedes<br />

Organ ist befugt, für sich selber und die ihm untergeordneten Stellen ein Reglement zu<br />

erlassen, wodurch die interne Organisation derselben geregelt wird 83 .<br />

3. Delegationsempfänger<br />

Delegationsempfänger 84 können gemäss Art. 716b Abs. 1 OR Delegierte sowie Dritte<br />

sein, die nicht Mitglieder des Verwaltungsrates sind. <strong>Die</strong>sen Delegationsempfängern<br />

kann die Geschäftsführung übertragen werden. <strong>Die</strong> Aufgaben der Delegierten und Dritten<br />

müssen — wie gesehen — im Organisationsreglement geregelt sein 85 . <strong>Die</strong> Position des<br />

Geschäftsführers ist i. d. R. höchstpersönlicher Natur. <strong>Die</strong> Aufgabenerfüllung darf<br />

77<br />

BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 319 und N 332; FORSTMOSER, Organisationsreglement,<br />

S. 23; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 11 N 26; KRNETA, N 1723.<br />

78<br />

BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 336.<br />

79<br />

BERTSCHINGER, N 113; BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 521; FORSTMOSER/MEIER-<br />

HAYOZ/NOBEL, § 11 N 17 und § 29 N 27; KRNETA, N 1721, ist der Meinung, dass die Delegation<br />

auch auf andere Weise als mittels Organisationsreglement erbracht werden kann, wenn das Reglement<br />

überholt ist, z. B. durch Sitzungsprotokolle, interne Bekanntmachung, Geschäftskorrespondenz<br />

und Zeugenaussagen. VON MOOS-BUSCH, S. 15.<br />

80<br />

BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 324 ff.; HOMBURGER, N 555; HORBER, S. 76 f.: „<strong>Die</strong><br />

Aufgabenverteilung und Kompetenzausscheidung haben neu in einem obligatorisch, vom Verwaltungsrat<br />

zu verfassenden Organisationsreglement zu erfolgen. Eine bloss statutarische Kompetenzausscheidung<br />

vermag mithin formellrechtlich nicht mehr zu genügen.“ KRNETA, N 1736 ff.,<br />

MÜLLER/LIPP/PLÜSS, S. 77; WIDMER/BANZ, N 37 zu Art. 754 OR.<br />

81<br />

Vgl. FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 11 Fn. 2.<br />

82<br />

BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 321; WATTER, Kommentar, N 12 f. zu Art. 716b OR.<br />

83<br />

VON MOOS-BUSCH, S. 66, S. 75.<br />

84<br />

Das Wort Delegationsempfänger ist im Aktienrecht bekannt; vgl. HOMBURGER, N 759; HUNGER-<br />

BÜHLER, S. 17.<br />

85<br />

FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 29 N 46.<br />

15


2. Kapitel Grundlagen<br />

deshalb insgesamt nicht wiederum an einen anderen Dritten delegiert werden 86 . <strong>Die</strong><br />

Dritten sowie Delegierten unterstehen der Sorgfalts- und Treuepflicht gemäss Art. 717<br />

OR 87 .<br />

16<br />

a) Delegierte als Delegationsempfänger<br />

Einem Delegierten kann die Aufgabe übertragen werden, die Geschäftsleitung zu<br />

überwachen 88 . <strong>Die</strong>se Aufgabe wird normalerweise auf Grund von Art. 716a Abs. 1 Ziff. 5<br />

OR grundsätzlich vom Verwaltungsrat wahrgenommen.<br />

Als Delegationsempfänger kann der Delegierte — wie vorne erwähnt — aber auch<br />

die laufende Geschäftsführung als Geschäftsleitung ausüben 89 . In dieser Funktion ist er<br />

Mitglied des Verwaltungsrates sowie der Geschäftsleitung, sei es als einfaches Mitglied<br />

oder als Präsident der Geschäftsleitung 90 . Bezüglich der Geschäftsführung steht der<br />

Delegierte in einer Subordinationsstellung gegenüber dem Gesamtverwaltungsrat 91 . Der<br />

Delegierte ist allen anderen Mitar<strong>bei</strong>tern im Unternehmen übergeordnet und hat die<br />

Möglichkeit, immer aktiv in den Geschäftsführungsprozess einzugreifen. Gegenüber den<br />

Geschäftsleitungsmitgliedern ist der Delegierte meist mit grösseren Machtkompetenzen<br />

ausgestattet, da er ein Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsleitung hat und an der<br />

Oberaufsicht teilnimmt. <strong>Die</strong> Stellung eines Delegierten kann zu einer Machtkonzentration<br />

im Unternehmen bzw. im Verwaltungsrat führen, weil der Delegierte in dieser<br />

Position gegenüber den anderen Verwaltungsratsmitgliedern, allenfalls auch gegenüber<br />

dem Präsidenten, über einen Informationsvorsprung verfügt 92 .<br />

b) Dritte als Delegationsempfänger<br />

Mit der Delegation der Geschäftsführung an Dritte als Geschäftsleitung wird ein viertes<br />

wichtiges Organ geschaffen 93 . <strong>Die</strong> Geschäftsleitung kann einerseits so strukturiert<br />

werden, dass alle Geschäftsleitungsmitglieder gleichberechtigt sind und eine von ihnen<br />

86 BERTSCHINGER, N 171.<br />

87 WALDBURGER, S. 116.<br />

88 FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 28 N 150 ff.; KRNETA, N 1761 ff.<br />

89 VON MOOS-BUSCH, S. 114: „Wird die Geschäftsführung nur zum Teil delegiert, so sind die von<br />

jedem Delegierten einzeln oder von mehreren Delegierten gemeinsam wahrzunehmenden Aufgaben<br />

und Kompetenzen im Organisationsregelement im Sinne einer Grobzuteilung aufzuführen.“<br />

90 Es ist darauf hinzuweisen, dass <strong>bei</strong>m Bankverwaltungsrat gemäss Art. 3 Abs. 2 lit. a des BankG und<br />

Art. 8 Abs. 2 BankV, ein Verwaltungsrat nicht Mitglied der Geschäftsleitung sein darf. <strong>Die</strong> Funktion<br />

eines Verwaltungsratsdelegierten ist somit unzulässig, vgl. BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13<br />

N 482 und 560 f.; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 28 N 156; KLEINER, Kommentar, N 11<br />

und 40 zu Art. 3 BankG.<br />

91 FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 28 N 150, N 153.<br />

92 GLAUS, S. 74 ff.; KRNETA, N 1678, N 1688; MÜLLER/LIPP/PLÜSS, S. 76.<br />

93 BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 558. HOMBURGER, N 758 f., weist darauf hin, dass die<br />

Geschäftsführung auch auf Dritte, seien dies aussenstehende Personen oder sei es eine Drittgesellschaft<br />

(„Outsourcing“), übertragen werden kann. KRNETA, N 1171, 1699 ff.


2. Kapitel Grundlagen<br />

als „primus inter pares“ den Vorsitz der Geschäftsleitung innehat. Andererseits wird die<br />

Geschäftsleitung — insbesondere in grossen Aktiengesellschaften — funktionell und<br />

u. U. auch hierarchisch gegliedert 94 . Somit können die Geschäftsleitungsmitglieder einem<br />

Vorsitzenden unterstellt sein, welcher die Verantwortung gegenüber dem Verwaltungsrat<br />

trägt.<br />

Auch die Dritten führen womöglich eine Machtkonzentration her<strong>bei</strong>, wenn der Verwaltungsrat<br />

an der Geschäftsführung überhaupt nicht teilnimmt, d. h. wenn die<br />

Geschäftsführung insgesamt delegiert worden ist. Dennoch ist der Verwaltungsrat für<br />

strategische Grundsatzentscheide zuständig, wo<strong>bei</strong> die Dritten die Informationen<br />

zusammenstellen. Durch diese Sammlung und Gewichtung von Information kann eine<br />

Verlagerung von Macht und Wissen zu Gunsten der Geschäftsleitung entstehen 95 .<br />

c) Ausschuss mit Entscheidungskompetenz (Verwaltungsratsausschuss)<br />

als Delegationsempfänger<br />

An einen solchen Ausschuss sollen gewisse Geschäftsführungsaufgaben zur selbständigen<br />

Erledigung übertragen werden. Das Gesetz sieht keine speziellen Anforderungen<br />

für die Bildung eines Verwaltungsratsausschusses vor und schweigt hinsichtlich der<br />

Delegation von Entscheidungskompetenzen an einen solchen 96 . Geschäftsführende Ausschüsse<br />

werden gemäss Art. 716b Abs. 1 OR gebildet. Der Präsident des Verwaltungsrates<br />

führt <strong>bei</strong>m geschäftsführenden Ausschuss den Vorsitz. Sind Delegierte vorhanden,<br />

gehören diese dem geschäftsführenden Ausschuss auch an 97 .<br />

Solche geschäftsführenden Ausschüsse mit Entscheidungskompetenzen dürfen nur<br />

errichtet werden, wenn eine Ermächtigung zur Delegation von Geschäftsführungsaufgaben<br />

in den Statuten enthalten ist und ein Organisationsreglement vorliegt. Der<br />

geschäftsführende Ausschuss kann die Geschäftstätigkeit überwachen und in Fragen<br />

entscheiden, die nicht mehr in die Kompetenz der Geschäftsleitung fallen (sollen), aber<br />

auch nicht die Beurteilung durch den Gesamtverwaltungsrat erfordern 98 . Wird ein<br />

Ausschuss im Rahmen der unübertragbaren Aufgaben des Verwaltungsrates gebildet, so<br />

94 FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 29 N 51 ff. Entweder können alle Geschäftsleitungsmitglieder<br />

im Gremium entscheiden, oder nur der Vorsitzende, welcher die absolute Entscheidungsfähigkeit<br />

hat. Bei letzterer Struktur ist den anderen Geschäftsleitungsmitgliedern u. U. in<br />

eingeschränkten Sachgebieten eine selbständige Entscheidungskompetenz einzuräumen, vgl.<br />

KRNETA, N 1702 f.<br />

95 GLAUS, S. 76 f.; KRNETA, N 1694, N 1697; MÜLLER/LIPP/PLÜSS, S. 76; WUNDERER, S. 77.<br />

96 In Art. 714 Abs. 2 aOR war die Möglichkeit zur Bildung von Ausschüssen aus der Mitte des<br />

Verwaltungsrates noch explizit vorgesehen.<br />

97 FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 29 N 37 f.<br />

98 FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 29 N 37 f., machen darauf aufmerksam, dass dem Verwaltungsausschuss<br />

Entscheidungskompetenzen im Rahmen festgesetzter Finanzlimiten zukommen<br />

können.<br />

17


2. Kapitel Grundlagen<br />

ist dieser Ausschuss nicht zur eigentlichen Beschlussfassung befugt, sondern hat die<br />

Geschäfte für den Verwaltungsrat vorzubereiten 99 .<br />

18<br />

d) Beirat als Delegationsempfänger<br />

Der Beirat kann als beratendes Gremium oder als mit Geschäftsführungskompetenzen<br />

ausgestattetes Gremium konzipiert werden. Geschäftsführungskompetenzen müssen<br />

mittels Delegation im Rahmen von Art. 716a OR an ihn übertragen werden. <strong>Die</strong><br />

Kompetenzen des Beirates können im Organisationsreglement oder in den Statuten<br />

geregelt werden. Mitglieder des Beirates sind Dritte sowie Aktionäre, welche jedoch<br />

nicht Verwaltungsratsmitglieder sein dürfen 100 .<br />

99 BERTSCHINGER, Ar<strong>bei</strong>tsteilung, S. 1292.<br />

100 BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 428 ff.; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 20 N 34 ff.;<br />

REIFF, S. 51 ff., S. 139 ff.; WATTER, Kommentar, N 23 f. zu Art. 716b OR.


2. Kapitel Grundlagen<br />

II. Mehrheit und Entscheidung<br />

A. Mehrheitsentscheidung<br />

<strong>Die</strong> Mehrheitsentscheidung ist eine Entscheidung, die durch eine Mehrheit von Personen<br />

getroffen wird 101 . Im Verwaltungsrat gilt das Prinzip der Entscheidung durch die<br />

Mehrheit 102 . Es gibt demzufolge Personen, die mit ihrer Ansicht zur Problemlösung in<br />

der Mehrheit sind, und solche, welche der Minderheit angehören. Umgesetzt werden<br />

diejenigen Entscheide, die auf Grund des Mehrheitsentscheides angenommen wurden.<br />

B. Mehrheit<br />

<strong>Die</strong> Mehrheit als Einheit besteht aus dem grösseren Teil einer bestimmten Anzahl von<br />

Personen 103 bzw. aus dem grösseren Teil aller abgegebenen Stimmen.<br />

1. Relatives Mehr<br />

Beim relativen oder einfachen Mehr 104 erhält ein Antrag mehr zustimmende als<br />

ablehnende Stimmen. Das Mehr wird anhand der abgegebenen Stimmen eruiert. Um eine<br />

Mehrheit festzustellen, werden nur die Ja- und die Neinstimmen gezählt. Stimmenthaltungen<br />

werden nicht gezählt.<br />

2. Absolutes Mehr<br />

Das absolute Mehr berechnet sich anhand der Anzahl der Anwesenden, d. h. die Anzahl<br />

der anwesenden Stimmberechtigten und nicht die der abgegebenen Stimmen ist<br />

massgebend. Daraus folgt, dass auch die sich der Stimme Enthaltenden <strong>bei</strong> der Ermittlung<br />

der Mehrheit mitzuzählen sind. Ein Antrag wird dann angenommen, wenn dieser<br />

mehr als die Hälfte aller Stimmen auf sich zu vereinigen vermag.<br />

101 DUDEN, Das grosse Wörterbuch der deutschen Sprache, 2. Aufl., Bd. 5, Mannheim/Leipzig/Wien/<br />

Zürich 1994; Zur Geschichte der Mehrheitsentscheidung: O. V. GIERKE, Über die Geschichte des<br />

Majoritätsprinzips, S. 3121-335; BECKER, Mehrheitsprinzip, S. 431-438.<br />

102 RHEIN, S. 183; TANNER, S. 357.<br />

103 Teilweise ist ein Präsenz- oder Zustimmungsquorum vorgesehen, vgl. dazu TANNER, § 8 N 27 ff,<br />

N 34 ff. betreffend Quoren <strong>bei</strong> Verwaltungsratsbeschlüssen. Siehe auch 2. Kapitel III.C.2 und 2.<br />

Kapitel III.E.8.<br />

104 TANNER, § 2 N 36.<br />

19


2. Kapitel Grundlagen<br />

20<br />

3. Qualifiziertes Mehr<br />

Das qualifizierte Mehr geht von einem eigens festgesetzten Anteil an Stimmen aus. Das<br />

Mehr kann auf Grund der <strong>bei</strong> der Abstimmung Anwesenden oder aber auch auf Grund<br />

der Gesamtzahl der Mitglieder festgelegt und eruiert werden. Ein Antrag gilt somit dann<br />

als angenommen, wenn er mehr als diesen besonders festgesetzten Anteil an Stimmen,<br />

z. B. eine Zweidrittelmehrheit aller Mitglieder, erhält.<br />

C. „Entscheid“<br />

Der „Entscheid“ eines Gremiums wird Beschluss genannt. Art. 713, Art. 714 und<br />

Art. 716 Abs. 1 OR kann entnommen werden, dass Entscheide eines Verwaltungsrates<br />

Beschlüsse darstellen 105 . Der Beschluss stellt ein mehrseitiges Rechtsgeschäft dar, wo<strong>bei</strong><br />

die verschiedenen Willenserklärungen zu einem einheitlichen Willensinhalt zusammengefasst<br />

werden 106 . Der Beschluss ist das Resultat eines kollektiven Prozesses der<br />

Willensbildung. Ziel dieses Prozesses ist es, aus den einzelnen Willenserklärungen der<br />

Gremiumsmitglieder einen einheitlichen Willen — einen Gesellschaftswillen — her<strong>bei</strong>zuführen<br />

107 . Damit der Beschluss seine Wirkung entfalten kann, bedarf es der Ausführung<br />

bzw. der Umsetzung 108 .<br />

105 RHEIN, S. 100, macht darauf aufmerksam, dass darum gestritten wird, ob ein Verwaltungsrat,<br />

bestehend aus einer Person, einen Entscheid oder einen Beschluss erwirkt. Vgl. auch TANNER, § 1<br />

N 50 ff.<br />

106 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/REY, N 132.<br />

107 RHEIN, S. 153.<br />

108 Siehe 3. Kapitel


2. Kapitel Grundlagen<br />

III. Entscheidfindungsprozess im Gremium<br />

A. Vorausgesetzte Kenntnis der Gremiumsmitglieder<br />

Auf Grund des zwingenden Aufgabenkataloges gemäss Art. 716a Abs. 1 OR für die<br />

Verwaltungsratmitglieder kann es sich niemand erlauben, in einen Verwaltungsrat<br />

einzutreten, ohne wirtschaftliche und kaufmännische Kenntnisse vorweisen zu können.<br />

Als selbstverständlich wird angesehen, dass betriebswirtschaftliche Kenntnisse vorliegen,<br />

um einen Geschäftsleitungsposten zu übernehmen. Branchenkenntnisse werden dagegen<br />

nicht notgedrungen vorausgesetzt 109 . Ein Generalist darf somit ein Verwaltungsratsmandat<br />

akzeptieren. Derjenige, der rotz Mangel an wirtschaftlichem und kaufmännischem<br />

Wissen ein solches Amt übernimmt, fällt <strong>bei</strong> einer Pflichtverletzung, die zu einem<br />

Schaden führt, zusätzlich ein Übernahmeverschulden zur Last 110 . Erst in einer konkreten<br />

Situation bezüglich einer bestimmten Aufgabe kann von einer Verletzung der Sorgfaltspflicht<br />

gesprochen werden; mangelnde Kenntnisse entlasten dann nicht 111 . Auch der<br />

Geschäftsführer hat <strong>bei</strong> Schaden aus Übernahmeverschulden dafür einzustehen. <strong>Die</strong><br />

Bezeichnung durch den Verwaltungsrat entlastet ihn nicht davon 112 .<br />

B. Traktandierung und Einberufung der Gremiumssitzung<br />

In der Lehre wird die Ansicht vertreten, dass die durch den Verwaltungsrat zu behandelnden<br />

Geschäfte gemäss den gesetzlichen Vorschriften für die Generalversammlung zu<br />

traktandieren sind 113 . <strong>Die</strong>se Traktandenliste soll den Gremiumsmitgliedern zusammen<br />

mit den Sitzungsunterlagen 114 frühzeitig zugestellt werden 115 , um eine gute Vorbereitung<br />

zu gewährleisten 116 . <strong>Die</strong> Verwaltungsratsmitglieder müssen vorbereitet zur Sitzung und<br />

Abstimmung erscheinen 117 . Es wird hier<strong>bei</strong> sogar von einer Pflicht zur Mitwirkung<br />

gesprochen 118 .<br />

109 BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 38 ff.; DRUEY, Organ und Organisation, S. 86;<br />

FORSTMOSER, <strong>Verantwortlichkeit</strong>, N 304.<br />

110 BERTSCHINGER, N 165; vgl. MÜLLER/LIPP/PLÜSS, S. 271, welche ausführen, dass auch „mangelndes<br />

Vorstellungsvermögen, blindes Vertrauen, Überforderung und Kritiklosigkeit“ zu Pflichtverletzungen<br />

führen können.<br />

111 HOMBURGER, N 818.<br />

112 BERTSCHINGER, N 170.<br />

113 <strong>Die</strong> Traktandierung wird als Ordnungsvorschrift angesehen, vgl. KRNETA, N 744, N 786, N 788.<br />

114 Gemäss KRNETA, N 1036, besteht kein Anspruch auf schriftliche Unterlagen. Einige Gesellschaften<br />

geben den Verwaltungsratsmitgliedern jedoch die Möglichkeit, einen halben Tag vor der Sitzung die<br />

Unterlagen zu studieren.<br />

115 KRNETA, N 788.<br />

116 MÜLLER/LIPP/PLÜSS, S. 155.<br />

117 FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 28 N 68; MÜLLER/LIPP/PLÜSS, S. 152 ff.<br />

118 Siehe 2. Kapitel III.D. HOMBURGER, N 813; SCHUCANY, Absenz und Stimmenthaltung, S. 229.<br />

21


2. Kapitel Grundlagen<br />

Bei ausserordentlichen Sitzungen, die ausserhalb des Sitzungsplanes stattfinden, kann<br />

die normale Frist zur Einberufung wegen Dringlichkeit meist nicht eingehalten<br />

werden 119 . Für die Gültigkeit der Beschlüsse ist es jedoch gemäss OR nicht notwendig,<br />

dass eine besondere Frist zur Einberufung der Sitzung eingehalten und die Traktanden<br />

der Sitzung bekannt gegeben werden 120 . <strong>Die</strong> Statuten oder das Organisationsreglement<br />

können das aber anders regeln. Der Verwaltungsrat hat sogar die Möglichkeit, eine<br />

Universalversammlung durchzuführen und da<strong>bei</strong> alle Einberufungsregeln zu ignorieren,<br />

wenn alle Verwaltungsratsmitglieder anwesend sein 121 .<br />

C. Beschlussfähigkeit des Gremiums<br />

22<br />

1. Stimmberechtigung des einzelnen Gremiumsmitgliedes<br />

Stimmberechtigt ist das gewählte Verwaltungsratsmitglied 122 . Daraus folgt, dass nur<br />

ordentliche, fiduziarische und stille Verwaltungsratsmitglieder wie auch Suppleanten als<br />

gewählte Organpersonen diese Befugnis haben, im Gegensatz zu den faktischen und<br />

durch Kundgabe zu dieser Position gekommenen Verwaltungsratsmitgliedern. Ist die<br />

Geschäftsführung auf Delegierte oder Dritte übertragen worden, sind diese im delegierten<br />

Bereich zuständig und berechtigt, im eingeräumten Kompetenzbereich zu entscheiden.<br />

2. Präsenzquorum <strong>bei</strong> der Gremiumssitzung<br />

Im OR ist kein Präsenzquorum vorgesehen. Art. 713 Abs. 1 Satz 1 OR 123 ist dispositiver<br />

Natur 124 . Ein mehrköpfiger Verwaltungsrat ist somit auch <strong>bei</strong> Anwesenheit nur eines<br />

einzigen Verwaltungsratsmitgliedes beschlussfähig. Um solche „Beschlüsse“ zu unterbinden,<br />

besteht die Möglichkeit, im Organisationsreglement festzusetzen, dass eine<br />

Beschlussfähigkeit des Verwaltungsrates nur dann vorliegt, wenn eine bestimmte<br />

Mindestanzahl von Verwaltungsratsmitgliedern anwesend ist 125 . Dasselbe kann auch <strong>bei</strong><br />

der Geschäftsleitung angeordnet werden 126 .<br />

119<br />

KRNETA, N 706 f.<br />

120<br />

TANNER, § 8 N 15.<br />

121<br />

TANNER, § 8 N 26. In § 8 N 33 sagt TANNER, dass hinsichtlich Universalversammlungen von einem<br />

besonderen Präsensquorum auszugehen ist.<br />

122<br />

BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 126 f.<br />

123<br />

Art. 713 Abs. 1 Satz 1 OR: „<strong>Die</strong> Beschlüsse des Verwaltungsrates werden mit der Mehrheit der<br />

abgegebenen Stimmen gefasst.“<br />

124<br />

HOMBURGER, N 289.<br />

125<br />

BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 122; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 31 N 19;<br />

HOMBURGER, N 290; KRNETA, N 764; MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, § 16 N 368; SCHUCANY,<br />

Beschlussfassung, S. 170; TRIGO TRINDADE, S. 131; WERNLI, N 7 zu Art. 713 OR.<br />

126<br />

TANNER, § 8 N 24. Auch <strong>bei</strong> Ausschüssen und Beiräten sollte dies Geltung haben.


2. Kapitel Grundlagen<br />

D. Teilnahme- und Mitwirkungspflicht eines<br />

Gremiumsmitgliedes<br />

<strong>Die</strong> Pflicht zur Teilnahme an den Sitzungen ist im Gesetz nicht festgehalten. Gemäss<br />

einem Teil der Lehre ergibt sich diese Teilnahmepflicht aus Art. 713 Abs. 1 OR 127 . Laut<br />

FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL entspringt die Teilnahmepflicht Art. 716b Abs. 3<br />

OR, wonach die Geschäftsführung allen Mitgliedern des Verwaltungsrates zusteht, falls<br />

sie nicht an einen Delegierten oder an Dritte übertragen worden ist 128 . Mit der Annahme<br />

seiner Wahl in den Verwaltungsrat übernimmt das einzelne Verwaltungsratsmitglied<br />

somit die Pflicht, an den Organfunktionen des Gesamtverwaltungsrates teilzunehmen und<br />

teilzuhaben 129 . <strong>Die</strong> Mitwirkungspflicht besteht darin, die Sitzungen des Verwaltungsrates<br />

zu besuchen sowie an der Willensbildung des Exekutivorgans mitzuwirken 130,131 . Damit<br />

ist auch eine Pflicht zur gewissenhaften Vorbereitung verbunden 132 . <strong>Die</strong>se Pflicht muss<br />

auch für die Geschäftsleitung gelten.<br />

„Jedes stimmberechtigte Gremiumsmitglied hat deshalb die Pflicht, einen durch<br />

unangemessene Beschlüsse drohenden Gesellschaftsschaden abzuwenden“ 133 . Weist das<br />

Gremiumsmitglied im Vorfeld der Abstimmung nicht im Rahmen einer „dissenting<br />

opinion“ auf seine Bedenken hin, so verzichtet das Gremiumsmitglied auf die Ausübung<br />

seiner Mitwirkungsrechte und -pflichten. <strong>Die</strong> zivilrechtliche Lehre lässt das überstimmte<br />

Gremiumsmitglied sodann im Rahmen von <strong>Verantwortlichkeit</strong>sklagen haften 134 . Aus<br />

zivilrechtlicher Sicht muss ein Gremiumsmitglied gegen einen sich abzeichnenden<br />

negativen Beschluss vorgehen, indem es Opposition gegen den Antrag leistet sowie im<br />

Nachhinein einen Wiedererwägungsantrag stellt 135 .<br />

127 MÜLLER/LIPP/PLÜSS, S. 152; PLÜSS, S. 33 f., m. w. H. in Fn. 147.<br />

128 FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 28 N 67.<br />

129 PLÜSS, S. 34; TANNER, § 8 N 9, N 11; TRIGO TRINDADE, S. 121 ff.<br />

130 BERTSCHINGER, N 166.<br />

131 <strong>Die</strong>se Aussage muss sich folgerichtig auch auf die Beschlussfassung mittels Zirkularverfahren<br />

beziehen.<br />

132 BÄRTSCHI, S. 244; BERTSCHINGER, N 166; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 28 N 68; GLAUS,<br />

S. 58; HOMBURGER, N 813; KRNETA, N 719, N 721, N 1825 ff.; MÜLLER/LIPP/PLÜSS, S. 153 f.,<br />

S. 109; SAUBER, S. 82; SCHUCANY, Absenz und Stimmenthaltung, S. 229; TRIGO TRINDADE, S. 123,<br />

S. 126.<br />

133 BÄRTSCHI, S. 245.<br />

134 BÄR, S. 480 f., macht darauf aufmerksam, dass der Sinn der Beschlussfassung seiner Meinung nach<br />

nicht allein in der Mehrheitsentscheidung liege, sondern wesentlich in der Sammlung und der<br />

Abwägung von Gesichtspunkten. BÜRGI, N 12 zu Art. 716 aOR: <strong>Die</strong> Forderungen gehen so weit,<br />

dass eine <strong>Verantwortlichkeit</strong> nur dann ausgeschlossen wird, wenn eine Erklärung zu Protokoll<br />

gegeben worden ist. WIDMER/BANZ, N 33 zu Art. 754 OR.<br />

135 BÄRTSCHI, S. 244 f. m. w. H.<br />

23


2. Kapitel Grundlagen<br />

E. Abstimmung<br />

24<br />

1. Stimmkraft des einzelnen Gremiumsmitgliedes<br />

Im Verwaltungsrat 136 besteht im Gegensatz zum Aktionariat das Prinzip „ein Kopf —<br />

eine Stimme“. <strong>Die</strong>ses Prinzip der Kopfstimme ist zwar nirgends gesetzlich geregelt, wird<br />

aber unbestrittenermassen von Lehre und Praxis anerkannt 137 . Es gibt demzufolge kein<br />

Mehrfachstimmrecht einzelner Verwaltungsratsmitglieder. Statutenbestimmungen, die<br />

ein solches vorsehen, sind nichtig. Das Amt des Verwaltungsratsmitgliedes ist höchstpersönlich,<br />

weshalb die in Vertretung abgegebene Stimme nichtig ist 138 . Dagegen<br />

erheben sich nun Stimmen, die für die Vertretung eines Verwaltungsmitgliedes durch ein<br />

anderes Verwaltungsratsmitglied eintreten 139 .<br />

2. Festsetzung des notwendiges Mehr<br />

Gemäss Art. 713 Abs. 1 OR werden die Beschlüsse des Verwaltungsrates meistens mit<br />

der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. Das relative Mehr gemäss Art. 713<br />

Abs. 1 OR ist nach h. L. dispositiver Natur 140 . Für besonders wichtige oder gewichtige<br />

Beschlüsse kann das absolute oder ein qualifiziertes Mehr eingeführt werden. Es besteht<br />

die Möglichkeit, im Organisationsreglement eine Stimmpflicht für den Verwaltungsrat<br />

festzuhalten 141 . Ferner finden sich in der Praxis auch Formen von erleichterter<br />

Abstimmung für besonders dringliche Fälle. In solchen Fällen — in denen normalerweise<br />

136 <strong>Die</strong> Ausführungen unter 2. Kapitel III.E. betreffen insbesondere den Verwaltungsrat. Doch auch für<br />

die mehrköpfige Geschäftsleitung, an welche die Geschäftsführung delegiert worden ist, haben die<br />

nachfolgenden, für den Verwaltungsrat aufgestellten Regeln hinsichtlich der Abstimmung Geltung.<br />

137 BGE 71 I 187 ff.; BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 13; BÜRGI, N 41 zu Art. 708 aOR;<br />

DRUEY, Obligationenrecht, § 71 N 46; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 28 N 76; WERNLI,<br />

N 8 zu Art. 713 OR.<br />

138 Gemäss BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 127 f., würde eine Zulassung der Stimmrechtsvertretung<br />

Art. 716a OR widersprechen, zumal ein persönlicher Einsatz <strong>bei</strong> den unentziehbaren und<br />

unübertragbaren Kernaufgaben vorgeschrieben ist. FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 31 N 33<br />

f., weisen darauf hin, dass die Unzulässigkeit der Vertretung durch Drittpersonen unbestritten ist.<br />

PLÜSS, S. 84. TROTTMANN, S. 51 ff, vertritt diese Meinung nur für den Fall, dass sich ein Verwaltungsratsmitglied<br />

durch eine Drittperson vertreten lässt, die kein Gremiums- und somit kein Verwaltungsratsmitglied<br />

ist.<br />

139 Vgl. <strong>bei</strong> BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 129 und § 13 Fn. 278. WEBER, S. 99 ff. insbesondere<br />

S. 171 ff., ist der Ansicht, dass ein Verwaltungsratsmitglied ein anderes Verwaltungsratsmitglied<br />

vertreten könne. Voraussetzung dazu sind jedoch eine ausdrückliche statutarische Grundlage<br />

sowie eine Spezialvollmacht für die einzelne Sitzung. Der Vertreter darf auch nicht mehr als ein<br />

Verwaltungsratsmitglied vertreten. Das vertretene Verwaltungsratsmitglied bleibt zudem weiterhin<br />

verantwortlich. Ein vom Stimmrecht ausgeschlossenes Verwaltungsratsmitglied kann diesen<br />

Umstand nicht durch eine Vertretung umgehen.<br />

140 BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 118; KRNETA, N 774; MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, § 16<br />

N 368; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 31 N 25; HOMBURGER, N 303; TANNER, § 10 N 4<br />

ff.; WERNLI, N 8 zu Art. 713 OR.<br />

141 FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 31 N 27 f; KRNETA, N 773; MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER,<br />

§ 16 N 368.


2. Kapitel Grundlagen<br />

der Gesamtverwaltungsrat zuständig ist — kann der Verwaltungsratspräsident allein oder<br />

der zuständige Ausschuss entscheiden. Der Gesamtverwaltungsrat genehmigt anschliessend<br />

diesen Beschluss bzw. Entscheid. <strong>Die</strong>ses Vorgehen ist jedoch auf ein<br />

Minimum zu beschränken und im Organisationsreglement festzuhalten 142 .<br />

3. Stichentscheid<br />

Bei Pattsituationen hat sich der Stichentscheid als ein durchaus taugliches Mittel<br />

erwiesen 143 . Der Sichtentscheid steht dem Vorsitzenden zu 144 . Dem Verwaltungsratspräsidenten<br />

kommt in der Abstimmung grosse Bedeutung zu, da er <strong>bei</strong> den Sitzungen<br />

meistens den Vorsitz ausübt. In dieser Position fällt ihm auf Grund von Art. 713 Abs. 1<br />

Satz 2 OR der Stichentscheid zu, sofern in den Statuten nichts anderes vorgesehen ist 145 .<br />

Insofern wird das Prinzip der Kopfstimme modifiziert. <strong>Die</strong> Generalversammlung kann<br />

jedoch gemäss Art. 713 Abs. 1 Satz 2 OR den Stichentscheid statutarisch wegbedingen.<br />

4. Regelung <strong>bei</strong> Stimmenthaltung eines Gremiumsmitgliedes<br />

Ein Verwaltungsratsmitglied enthält sich der Stimme, indem es dem Antrag, der zur<br />

Beschlussfassung vorgelegt wird, weder zustimmt noch diesen ablehnt. <strong>Die</strong> Wirkung von<br />

Stimmenthaltungen hängt indessen davon ab, welche Formeln der Mehrheit verlangt<br />

werden. Beim relativen Mehr werden die Stimmen jener Verwaltungsratsmitglieder,<br />

welche sich der Stimme ausdrücklich enthalten, nicht gezählt 146 . <strong>Die</strong> Stimmenthaltung<br />

<strong>bei</strong>m relativen Mehr gilt somit auch nicht als Neinstimme 147 . Dagegen wird <strong>bei</strong> einem<br />

absoluten Mehr wie auch <strong>bei</strong> einem qualifizierten Mehr die Stimmenthaltung als<br />

Gegenstimme, d. h. als Neinstimme gewertet 148 . <strong>Die</strong> Stimmenthaltung befreit i. d. R.<br />

nicht von der zivilrechtlichen Haftung 149 .<br />

142<br />

FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 31 N 53.<br />

143<br />

KRNETA, N 799 ff., vertritt die Auffassung, dass mit der richtigen Planung ein Patt-Entscheid<br />

vermeidbar sei. HOMBURGER, N 309, und WERNLI, N 18 zu Art. 713 OR, sehen als Lösungsweg<br />

eine Unterbreitung der strittigen Frage an die Generalversammlung vor, jedoch nur in jenen<br />

Belangen, die nicht in die unübertragbaren und unentziehbaren Kompetenzbereiche des Verwaltungsrates<br />

fallen. Siehe auch den Fabag-Entscheid in BGE 100 II 384 ff.<br />

144<br />

BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 286; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 28 N 143, § 31<br />

N 30 und § 28 Fn. 79; HOMBURGER, N 312; KRNETA, N 777.<br />

145<br />

FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 31 N 31, machen darauf aufmerksam, dass die Generalversammlung<br />

den Stichentscheid statutarisch wegbedingen kann. <strong>Die</strong>s ist die einzige Möglichkeit der<br />

Einflussnahme seitens der Generalversammlung. Siehe auch Ausführung in 5. Kapitel II.F.3.c)(3)v).<br />

146<br />

FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 31 N 23 f.<br />

147<br />

DRUEY, Obligationenrecht, § 71 N 46.<br />

148<br />

Siehe 2. Kapitel II.B.2 und 2. Kapitel II.B.3.<br />

149<br />

BERTSCHINGER, N 166; SCHUCANY, Absenz und Stimmenthaltung, S. 229 f.; siehe 2. Kapitel III.D.<br />

25


2. Kapitel Grundlagen<br />

26<br />

5. Regelung des Ausstands eines Gremiumsmitgliedes<br />

Für das Verwaltungsratsmitglied gelten grundsätzlich keine Ausstandsregeln. Indes<br />

können mittels Reglement solche Bestimmungen aufgestellt werden. Jedoch lässt sich<br />

eine Pflicht, <strong>bei</strong> Interessenskonflikten in Ausstand zu treten, aus Art. 717 OR, der Treuepflicht,<br />

ableiten. Hier<strong>bei</strong> muss es sich um einen Interessenskonflikt der qualifizierten Art<br />

handeln. Ein solcher besteht, wenn ein Gremiumsmitglied für sich oder für eine ihm nahe<br />

stehende Person mit der Gesellschaft als direktem Gegenüber ein Rechtsgeschäft<br />

abschliesst 150 . In diesem Fall hat das Verwaltungsratsmitglied keine Berechtigung, an der<br />

Abstimmung teilzunehmen, und fällt somit für die Ermittlung des Quorums und des<br />

Mehrs ausser Betracht.<br />

6. Regelung <strong>bei</strong> Abwesenheit eines Gremiumsmitgliedes<br />

Das Gremiumsmitglied hat das Recht aber auch die Pflicht, an der Abstimmung<br />

teilzunehmen 151 . Eine Abwesenheit wird nur <strong>bei</strong> höherer Gewalt oder einem anderen im<br />

Wirtschaftsleben gemeinhin akzeptierten Grund geduldet 152 . Zeitmangel als entschuldigendes<br />

Argument wird demzufolge nicht anerkannt 153 . <strong>Die</strong>jenigen Gremiumsmitglieder,<br />

die entschuldigt sind werden <strong>bei</strong> der zivilrechtlichen Beurteilung nicht beachtet; d. h.,<br />

diese können zivilrechtlich nicht haftbar gemacht werden 154 . Entschuldigt und unentschuldigt<br />

abwesende Stimmberechtigte sind demzufolge unterschiedlich zu behandeln.<br />

Ein Verwaltungsratsmitglied kann somit <strong>bei</strong> Abwesenheit in folgenden Fällen zur<br />

Verantwortung gezogen werden: wenn i) aus den Unterlagen bekannt ist, dass mit einer<br />

Vermögensgefährdung zu rechnen ist, ii) keine entschuldbaren Gründe angeführt werden<br />

können, iii) <strong>bei</strong> dessen Anwesenheit der Beschluss anders ausgefallen wäre und iv) keine<br />

Massnahmen zur Verschiebung vorgenommen worden sind 155 .<br />

150<br />

BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 633 f. und § 4 Fn. 380; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/<br />

NOBEL, § 28 N 32; HOMBURGER, N 894 ff.; KRNETA, N 1896 ff.; TRIGO TRINDADE, S. 150.<br />

151<br />

Siehe 2. Kapitel III.D.<br />

152<br />

Z. B. : Tod, Krankheit (attestiert), Unfall, Verkehrsstau.<br />

153<br />

BGE 97 II 411; BERTSCHINGER, N 166; FORSTMOSER, <strong>Verantwortlichkeit</strong>, N 308; HÜTTE, S. 44;<br />

KRNETA, N 721; WATTER, Kommentar, N 4 zu Art. 717 OR.<br />

154<br />

BERTSCHINGER, N 166; SCHUCANY, Absenz und Stimmenthaltung, S. 229; WERNLI, N 6 zu Art. 713<br />

OR.<br />

155<br />

MÜLLER/LIPP/PLÜSS, S. 154, S. 239, weisen darauf hin, dass ein immer wieder abwesendes Verwaltungsratsmitglied<br />

zur Verantwortung gezogen werden kann. SCHUCANY, Absenz und Stimmenthaltung,<br />

S. 229. SCHUCANY, Beschlussfassung, S. 174, propagiert, dass derjenige, der sich vor der<br />

Sitzung drückt, sich schuldig macht. Gemäss BÄR, S. 480 f., soll ein abwesendes Gremiumsmitglied<br />

zivilrechtlich für alles haften, was <strong>bei</strong> seiner Anwesenheit besser hätte ausgehen können.


2. Kapitel Grundlagen<br />

7. Möglichkeit von Telefon- und Videokonferenzen<br />

<strong>Die</strong> technische Möglichkeit, eine Verwaltungsratssitzung mittels Telefon- und Video-<br />

Konferenz abzuhalten, steht dem Prinzip der Unmittelbarkeit nicht entgegen, sofern die<br />

Willensbildung während der Konferenz gewährleistet wird 156 . Mittels der Argumentation<br />

„e maiore ad minus“ lässt sich die Zulässigkeit von solchen Konferenzen begründen, so<br />

dass selbst Zirkularbeschlüsse 157 anerkannt werden, obwohl diese Variante der Abstimmung<br />

im Gesetz nicht erwähnt wird. <strong>Die</strong> neuen technischen Errungenschaften<br />

ermöglichen nun eine Willensbildung wie an einer „normalen“ Sitzung. Aus diesem<br />

Grund sollen jene Regeln Anwendung finden, die auch für eine Sitzung im hergebrachten<br />

Sinn gelten. Der Verwaltungsrat hat jedoch seine Zustimmung zu diesem neuen<br />

Verfahren zu erteilen 158 .<br />

8. Schriftliche Stimmabgabe mittels Zirkularbeschluss<br />

<strong>Die</strong> schriftliche Stimmabgabe durch einen Brief an den Präsidenten ist gemäss Lehre und<br />

Rechtssprechung nicht statthaft. Wenn schriftlich abgestimmt werden soll, kommt nur<br />

der Zirkularweg in Betracht 159 . Ein Zirkularbeschluss kann gefasst werden, sofern keines<br />

der Verwaltungsmitglieder die mündliche Beratung verlangt 160 . Es ist darauf hinzuweisen,<br />

dass <strong>bei</strong> Vornahme der Abstimmung durch Zirkularbeschluss jegliche Beratung<br />

im Gremium entfällt. Es kann aber sein, dass schon in einer vorhergehenden Sitzung<br />

vorberaten wird. Mittels Zirkularweg kann jeder Verwaltungsratsbeschluss gefasst<br />

werden, wo<strong>bei</strong> dieser Weg insbesondere <strong>bei</strong> Routineakten, Beschlüssen von untergeordneter<br />

Bedeutung oder <strong>bei</strong> Dringlichkeit, wenn keine Sitzung einberufen werden<br />

kann, beschritten wird 161 .<br />

Gremiumsmitglieder, die <strong>bei</strong>m Zirkularbeschluss die zugesandte Antwortkarte nicht<br />

zurückschicken, haben auf Grund des Vertrauensprinzips nichts gegen den Zirkularweg<br />

einzuwenden. Das Stillschweigen von Gremiumsmitgliedern hat bezüglich der<br />

156<br />

BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 136; HOMBURGER, N 298 f.; KRNETA, N 825 ff.;<br />

MÜLLER/LIPP/PLÜSS, S. 162; WERNLI, N 4 zu Art. 713 OR.<br />

157<br />

Siehe nachfolgend 2. Kapitel III.E.8.<br />

158<br />

TANNER, § 8 N 21.<br />

159<br />

BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 132; HOMBURGER, N 296 m. w. H.; HUNGERBÜHLER,<br />

S. 111; MÜLLER/LIPP/PLÜSS, S. 111; SCHUCANY, Beschussfassung, S. 172; TROTTMANN, S. 54;<br />

WERNLI, N 19 f. zu Art. 713 OR. In N 10 zu Art. 713 OR anerkennt WERNLI die Zulässigkeit der<br />

schriftlichen Stimmabgabe aus Gründen der Praktikabilität nur für den Fall, dass die Stimmabgabe<br />

auf Grund einer entsprechenden Statutenbestimmung durch ein anderes Verwaltungsratsmitglied<br />

erfolgt, die Vollmacht sachlich und zeitlich genau eingegrenzt und das zu behandelnde Traktandum<br />

bekannt ist. Einige Autoren dagegen anerkennen die schriftliche Stellungnahme und Stimmabgabe<br />

generell als zulässige Möglichkeit: BÜRGI, N 41 zu Art. 708 aOR; PLÜSS, S. 85 m. w. H. auf<br />

Gleichgesinnte und Gegner in Fn. 456. Vgl. STEINER, S. 172, der auf die Vorgänge in den USA<br />

hinweist, weshalb sich auch für die Zukunft in der Schweiz die Möglichkeit ergeben werde, Zirkularbeschlüsse<br />

mittels elektronischer Datenübertragung zu fällen.<br />

160<br />

Vgl. Art. 713 Abs. 2 OR.<br />

161<br />

FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 31 N 46 f.; KRNETA, N 813.<br />

27


2. Kapitel Grundlagen<br />

Abstimmung diejenige Bedeutung, die diesem auf Grund des anwendbaren Stimm-<br />

Quorums zuteil wird 162 . Es ist somit <strong>bei</strong>m Zirkularbeschluss nicht notwendig, dass alle<br />

Verwaltungsratsmitglieder dem Beschluss zustimmen oder ihre Stimme abgeben 163 . Auf<br />

keinen Fall ist es statthaft, das Stillschweigen eines Gremiumsmitgliedes <strong>bei</strong> einem<br />

Zirkularbeschluss als Zustimmung zum Antrag zu qualifizieren 164 . <strong>Die</strong> Grundsätze für die<br />

Abstimmung unter Anwesenden sind somit auch auf die Abstimmung per Zirkularbeschluss<br />

anzuwenden 165 . Um den Zirkularmehrheitsentscheid nachweisen zu können, ist<br />

der Zugang der schriftlichen Beschlussanträge an die Verwaltungsratsmitglieder zu<br />

beweisen. <strong>Die</strong> ordnungsgemässe Zustellung kann durch einen eingeschriebenen Brief<br />

oder durch eine Empfangsbestätigung <strong>bei</strong> denjenigen Verwaltungsratsmitgliedern, die<br />

weder zu- noch dagegen gestimmt haben, bewiesen werden. Kann der schriftliche<br />

Beschlussantrag nicht allen Gremiumsmitgliedern zugestellt werden, muss diese<br />

Situation wie ein Antrag auf mündliche Beratung behandelt werden 166 . Insofern gibt es<br />

<strong>bei</strong> Zirkularbeschlüssen keine abwesenden Gremiumsmitglieder.<br />

FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL dagegen sind hinsichtlich des Zirkularbeschlusses<br />

der Ansicht, „dass nicht die Zustimmung zum Zirkularverfahren geäussert<br />

werden müsse, sondern dessen Ablehnung. Das Verfahren sei daher auch dann möglich,<br />

wenn nicht alle Mitglieder des Verwaltungsrates erreichbar seien“ 167 . Auch KRNETA<br />

relativiert das Bedürfnis des Nachweises der ordnungsgemässen Zustellung, da es in<br />

dringenden Fällen unmöglich sei, alle Verwaltungsratsmitglieder auf schriftlichem Wege<br />

zu erreichen 168 .<br />

<strong>Die</strong>sbezüglich ist jedoch anzubringen, dass die nicht schriftlich erreichbaren<br />

Gremiumsmitglieder sodann nicht für den Zirkularbeschluss haftbar gemacht werden<br />

können, weil diese mangels Kenntnis der Vornahme eines Zirkularbeschlusses ihre<br />

Meinung nicht kundtun können.<br />

M. E. muss die Beschlussfassung per Zirkularbeschluss die gleichen Folgen für die<br />

Gremiumsmitglieder haben wie ein Sitzungsbeschluss, da eine Ungleichbehandlung<br />

dieser <strong>bei</strong>den Beschlussarten nicht gerechtfertigt ist. Beim Sitzungsbeschluss werden<br />

betreffend die Abstimmung alle Gremiumsmitglieder ausser diejenigen berücksichtigt,<br />

die in Ausstand treten müssen oder entschuldigt abwesend sind. Werden <strong>bei</strong>m<br />

Zirkularbeschluss die gleichen Voraussetzungen wie <strong>bei</strong>m Sitzungsbeschluss geltend<br />

gemacht, ist <strong>bei</strong>m Vorgehen gemäss FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL ein nicht<br />

162 TANNER, § 8 N 41.<br />

163 MÜLLER/LIPP/PLÜSS, S. 161. Statutarisch kann etwas anderes vorgesehen werden.<br />

164 BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 138; BÜRGI, N 15 zu Art. 716 aOR; MÜLLER/LIPP/PLÜSS,<br />

S. 161 Fn. 115; TANNER, § 8 N 41 f.; WERNLI, N 19 zu Art. 713 OR: „Stillschweigen ist unter dem<br />

Vorbehalt besonderer Umstände nicht als Zustimmung zu qualifizieren.“ (Hervorhebung durch den<br />

Autor selbst).<br />

165 BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 140.<br />

166 BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 141 f.; DRUEY, Obligationenrecht, § 71 N 48.<br />

167 FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 31 N 50.<br />

168 KRNETA, N 820.<br />

28


2. Kapitel Grundlagen<br />

entgegengenommenes Schreiben je nach den Umständen entweder als entschuldigte oder<br />

als unentschuldigte Abwesenheit aufzufassen. Kann also der schriftliche Beschlussantrag<br />

<strong>bei</strong>m Zirkularbeschluss nicht allen Gremiumsmitgliedern zugestellt werden, ist dies nicht<br />

als Antrag auf mündliche Beratung anzusehen. Beim Zirkulationsbeschluss sind demzufolge<br />

jene Gremiumsmitglieder unentschuldigt abwesend, die in Kenntnis der<br />

Zustellung eines Beschlussantrages die Annahme vereiteln.<br />

9. Führung des Protokolls<br />

Über die Verhandlungen und Beschlüsse des Verwaltungsrates ist ein Protokoll zu<br />

führen, das vom Vorsitzenden und vom Sekretär unterzeichnet wird. <strong>Die</strong>s ergibt sich aus<br />

Art. 713 Abs. 3 OR. Sinn und Zweck eines Protokolls bestehen darin, die Beratung und<br />

das Zustandekommen der Beschlüsse nachvollziehbar zu machen. Beim Protokoll des<br />

Verwaltungsrates handelt es sich nicht nur um ein reines Beschlussprotokoll, sondern um<br />

eine Wiedergabe der ganzen Sitzung 169 . Das Protokoll ist eine schriftliche Niederschrift;<br />

Video- und Tonbandaufnahmen erfüllen daher die gesetzlichen Voraussetzungen nicht 170 .<br />

Zudem hat es die Namen der Anwesenden sowie derjenigen auszuweisen, die entschuldigt<br />

oder nicht entschuldigt abwesend sind. Ferner sind die gestellten Anträge sinngemäss<br />

zu protokollieren und die wiedergegebenen Voten sowie die gefassten Beschlüsse<br />

in einer Zusammenfassung darzulegen. Alle wesentlichen Punkte der Debatte sind also<br />

im Protokoll festzuhalten. Zusätzlich müssen die wörtlich zu Protokoll gegebenen<br />

Erklärungen einzelner Verwaltungsratsmitglieder darin auch wörtlich erscheinen. Der<br />

Verwaltungsrat ist also verpflichtet, alles wahrheitsgemäss und sorgfältig zu protokollieren<br />

171 . Auf Verlangen sind die <strong>bei</strong> einem Mehrheitsbeschluss gegen den Beschluss<br />

stimmenden Verwaltungsratsmitglieder namentlich aufzuführen 172 .<br />

Zirkularbeschlüsse sind ebenfalls ins Protokoll aufzunehmen. <strong>Die</strong>s ist eine Selbstverständlichkeit,<br />

weshalb sie im Gesetzestext nicht niedergeschrieben ist 173 . Ein Zirkularbeschluss<br />

hat den gewichtigen Vorteil, dass daraus ersichtlich ist, wer welches<br />

Stimmverhalten an den Tag gelegt hat, im Gegensatz zum üblichen Protokoll, das meist<br />

nur ein Verhältnis-Abstimmungsresultat wiedergibt. Das Protokoll ist an der nächsten<br />

Sitzung zur Genehmigung vorzulegen und den Gremiumsmitgliedern die Gelegenheit für<br />

Korrekturen und Ergänzungen zu geben. Wird davon kein Gebrauch gemacht, ist vom<br />

Einverständnis hinsichtlich des Inhaltes des Protokolls auszugehen. Sollte ein Gremiums-<br />

169 BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 148 ff. Er macht darauf aufmerksam, dass auch ein<br />

Einpersonen-Verwaltungsrat ein Protokoll zu führen hat (§ 13 N 152). FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/<br />

NOBEL, § 31 N 15; KRNETA, N 833. Auch die Ausschüsse sind angehalten, ihre Sitzungen zu protokollieren,<br />

vgl. BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 157.<br />

170 HOMBURGER, N 339; HUNGERBÜHLER, S. 106; KRNETA, N 833; WERNLI, N 35 zu Art. 713 OR.<br />

171 KRNETA, N 834 ff.; WERNLI, N 28 zu Art. 713 OR.<br />

172 HOMBURGER, N 339; HUNGERBÜHLER, S. 106; KRNETA, N 838.<br />

173 BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 143; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 31 Fn. 20,<br />

S. 362; WERNLI, N 33 zu Art. 713 OR.<br />

29


2. Kapitel Grundlagen<br />

mitglied mit dem Protokoll nicht einverstanden sein, wird der Antrag auf Änderung als<br />

Erklärung neu protokolliert. Das ursprüngliche Protokoll kann jedoch im Kontext nicht<br />

revidiert werden. <strong>Die</strong> Änderungen werden dem ursprünglichen Protokoll hinzugefügt 174 .<br />

Das Protokoll wird demzufolge zu Recht als „Gedächtnis der Gesellschaft“ bezeichnet 175 .<br />

30<br />

10. Wiedererwägung eines Gremiumsbeschlusses<br />

Ein Beschluss kann auf Antrag eines Verwaltungsratsmitgliedes in Wiedererwägung<br />

gezogen werden, sofern dieser Beschluss noch keine Aussenwirkung 176 entfaltet hat.<br />

Unter Aussenwirkungen sind irreversible Folgen zu verstehen. <strong>Die</strong> Wiedererwägung<br />

kann dazu führen, dass der Beschluss abgeändert oder widerrufen wird. Insoweit wird<br />

versucht, den Beschluss rückgängig zu machen 177 .<br />

F. Einfluss der Kompetenzverteilung auf die zivilrechtliche<br />

<strong>Verantwortlichkeit</strong> des Gremiumsmitgliedes<br />

Je nach Aufbau 178 kann die Geschäftsführung — wie dargelegt — <strong>bei</strong>m Verwaltungsrat<br />

liegen oder (auf Grund des Organisationsreglements) teilweise oder weitgehend auf<br />

einzelne oder alle Delegationsempfänger 179 übertragen sein. Sind die Kompetenzen im<br />

Gremium aufgeteilt, jedoch nicht an einzelne Gremiumsmitglieder delegiert, bleibt es <strong>bei</strong><br />

der Entscheidungskompetenz des Gremiums, was nicht zu einer zivilrechtlichen<br />

Entlastung der <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Gremiumsmitglieder führt 180 . Werden Organfunktionen<br />

unter Beachtung der unübertragbaren Aufgaben in formell korrekter Form<br />

delegiert, so hat dies eine weitgehende privatrechtliche Haftungsbefreiung zur Folge. <strong>Die</strong><br />

Delegierenden haften nur noch für die gebotene Sorgfalt <strong>bei</strong> der Auswahl, Instruktion<br />

und Überwachung des Delegationsempfängers 181 . <strong>Die</strong> Entscheidungskompetenz wird<br />

jedoch mit der Delegation abgegeben. Für die betreffende Abstimmung sind die<br />

jeweiligen neuen Kompetenzträger zuständig 182 . Da viele Unternehmen sich dauernd<br />

neuen Herausforderungen stellen und sich diesen auch anpassen müssen, schlägt<br />

BERTSCHINGER vor, eine zivilrechtliche Beschränkung der Haftung <strong>bei</strong> Delegation nur<br />

<strong>bei</strong> Transparenz der innergesellschaftlichen Organisation zuzulassen 183 . Auch eine<br />

174<br />

BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 153.<br />

175<br />

WERNLI, N 25 zu Art. 713 OR.<br />

176<br />

Vgl. BGE 88 II 104; BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 144; HOMBURGER, N 305; KRNETA,<br />

N 809. WERNLI, N 12 zu Art. 713 OR, ist der Meinung, dass ein Beschluss auch durch spätere<br />

Beschlüsse aufgehoben sowie abgeändert werden kann.<br />

177<br />

TANNER, § 8 N 10.<br />

178<br />

Vgl. dazu ERNY, Abbildung 8-8, S. 297.<br />

179<br />

Siehe 2. Kapitel I.C.3.<br />

180<br />

FORSTMOSER, <strong>Verantwortlichkeit</strong>, N 320.<br />

181<br />

BERTSCHINGER, N 114; BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 18 N 122 ff.; VON MOOS-BUSCH, S. 74.<br />

182 MÜLLER/LIPP/PLÜSS, S. 112 f.<br />

183 BERTSCHINGER, N 117.


2. Kapitel Grundlagen<br />

Delegation von Aufgaben, die nicht ins Organisationsreglement Eingang gefunden haben<br />

— es darf sich da<strong>bei</strong> nur um geringfügige Reorganisationen handeln —, darf nicht zu<br />

einem Wegfall der Beschränkung der Haftung führen 184 .<br />

184 BERTSCHINGER, N 120. <strong>Die</strong> h. L. befürwortet jedoch den Wegfall der Haftungsbeschränkung, vgl.<br />

BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 18 N 124; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 29 N 24 ff.;<br />

MÜLLER/LIPP/PLÜSS, S. 226; VON MOOS-BUSCH, S. 74; WIDMER/BANZ, N 42 zu Art. 754 OR.<br />

31


2. Kapitel Grundlagen<br />

32


2. Kapitel Grundlagen<br />

IV. Relevanz des Zivilrechts für das Strafrecht<br />

Der Beschluss eines Gremiums einer Aktiengesellschaft kann nun sowohl zivilrechtliche<br />

als auch strafrechtlich relevante Folgen haben. <strong>Die</strong> Schwierigkeit ist aufzuzeigen, wann<br />

das Zivilrecht, welches eine Handlung erlaubt, und wann das Strafrecht, welches ein<br />

Verhalten verbietet, zur Anwendung gelangen 185 . Hinsichtlich der zivilrechtlichen <strong>Verantwortlichkeit</strong><br />

geht es um Schadenersatzansprüche. Im Gegensatz dazu setzt das<br />

Strafrecht keinen Schaden voraus, da allein schon der Versuch eines Deliktes <strong>strafrechtliche</strong><br />

Sanktionen nach sich ziehen kann. Aus dem <strong>strafrechtliche</strong>n Verhalten muss<br />

also nicht immer eine zivilrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> entstehen. Umgekehrt kann eine<br />

Verletzung der Sorgfaltspflicht zu einer zivilrechtlichen Entschädigungsforderung<br />

führen, ohne einen Straftatbestand zu tangieren 186 . <strong>Die</strong>se Ausführungen zeigen deutlich<br />

auf, dass das Strafrecht und das Zivilrecht unterschiedliche Zielsetzungen haben, was<br />

Überschneidungen zur Folge hat 187 . „Grundsatz ist: Was zivilrechtlich hinreichend<br />

geschützt ist, muss auf <strong>strafrechtliche</strong>n Schutz verzichten. Es gebietet dies letztlich die<br />

Einheit der Rechtsordnung“ 188 . Das Zivilrecht eignet sich aber nur in beschränkter<br />

Weise, Lebensverhältnisse zu schützen, die sich nicht in Vermögenswerten ausdrücken<br />

lassen, wie z. B. Leben, Freiheit, etc. 189 . Das Strafrecht schützt denn auch besonders<br />

bedeutende Rechtsgüter 190 , weshalb es als Ergänzung des Zivilrechts zu verstehen ist 191 .<br />

Das Strafrecht ist somit eine „ultima ratio“ 192 . Institute anderer Rechtsgebiete sind auch<br />

im Strafrecht zu beachten. Das Gebot der Einheit der Rechtsordnung besagt, dass diese in<br />

sich nicht widersprüchlich sein darf 193 .<br />

185 TRECHSEL, Kurzkommentar, N 1 zu Art. 32 StGB, meint, dass dies im einzelnen Fall entschieden<br />

werden müsse.<br />

186 MÜLLER/LIPP/PLÜSS, S. 197.<br />

187 Vgl. NIGGLI, Verhältnis, N 358. NIGGLI, Ultima Ratio?, S. 260, ist der Meinung, dass sich nur dort<br />

eine Überschneidung von Zivil- und Strafrecht zu ergeben scheint, wo ein Rechtsgut in einem<br />

wirtschaftlich wertvollen Handlungsobjekt verkörpert ist oder wo ihm sozial ein grosser wirtschaftlicher<br />

Wert <strong>bei</strong> gemessen wird. Das Zivilrecht deckt den wirtschaftlichen Schadenausgleich ab<br />

und das Strafrecht betrifft den freiheitlichen Kern, so dass nur eine scheinbare Überschneidung<br />

dieser <strong>bei</strong>den Rechtsgebiete vorliegt.<br />

188 NIGGLI, Verhältnis, N 350.<br />

189 NIGGLI, Verhältnis, N 361. Nur das zivilrechtlich geschützte Vermögen fällt unter den strafrechtlich<br />

geschützten Vermögensbegriff.<br />

190 NIGGLI, Ultima Ratio?, S. 240, S. 260; KILLIAS, N 145; REHBERG/DONATSCH, § 1 Ziff. 3, S. 5.<br />

STRATENWERTH, AT I, § 3 N 6, sieht die Aufgabe des Strafrechts darin, den rechtlich geschützten<br />

Rechtsgütern einen bedeutenderen Schutz zu geben. Vgl. auch HAFTER, S. 8; HURTADO POZO,<br />

N. 68, N 93; SCHULTZ, AT, S. 47; SEELMANN, AT, S. 1 ff.; TRECHSEL/NOLL, § 6 B., S. 26.<br />

191 KILLIAS, N 145; NIGGLI, Verhältnis, N 359 f.<br />

192 NIGGLI, Ultima Ratio?, S. 236.<br />

193 REHBERG/DONATSCH, § 4 Ziff. 3.3 lit. a), S. 32 und § 18 Ziff. 3 lit. b), S. 177. Vgl. auch LIVER,<br />

S. 108, der darauf hinweist, dass sich die Einheit der Rechtsordnung in Art. 32 StGB widerspiegelt.<br />

SEELMANN, Kommentar, N 1 ff. zu Art. 32 StGB, macht darauf aufmerksam, dass nicht nur das<br />

Strafrecht, sondern die „gesamte Rechtsordnung“ Basis für Erlaubtes und Gebotenes darstellt.<br />

STRATENWERTH, AT I, § 8 N 20 und § 10 N 91. TRECHSEL, AT, § 27 D., S. 132, sieht Art. 32 StGB<br />

33


2. Kapitel Grundlagen<br />

Eine <strong>strafrechtliche</strong> Pflichtverletzung setzt folglich einen zivilrechtlichen (allenfalls<br />

verwaltungsrechtlichen) Pflichtverstoss voraus 194 . Mit einer Delegation wird grundsätzlich<br />

die Sorgfaltspflicht wie auch die <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong> mit übertragen<br />

195 .<br />

Als Konklusion ist festzuhalten, dass ein gemäss Privatrecht zulässiges Verhalten<br />

einer Person strafrechtlich nicht verfolgt werden kann. Zudem hat die zivilrechtliche<br />

Organisation und Aufteilung der Aufgaben bzw. Kompetenzen auf die <strong>strafrechtliche</strong><br />

<strong>Verantwortlichkeit</strong> Auswirkungen. <strong>Die</strong> <strong>strafrechtliche</strong> Anknüpfung geht von der<br />

zivilrechtlichen Organisation aus, folgt aber genuin <strong>strafrechtliche</strong>n Kriterien, die im<br />

Einzelnen in den folgenden Kapiteln erläutert werden.<br />

als Blankettnorm, welche auf Regelungen hinweist, die Verhaltensweisen erlauben. <strong>Die</strong>se Verhaltensweisen<br />

gehen dann dem Strafrecht vor. TRECHSEL, Kurzkommentar, N 1 zu Art. 32 StGB. Vgl.<br />

HAFTER, S. 159; STRATENWERTH, AT I, § 10 N 92.<br />

194 Vgl. DONATSCH, Geschäftsbesorgung, S. 7 f., welcher darauf hinweist, dass sich die massgebenden<br />

Pflichten und der Schutzzweck z. B. <strong>bei</strong> Art. 158 StGB aus gesetzlichen Bestimmungen, aber auch<br />

Verträgen etc. ergeben können. Der Pflichtinhalt und der -verstoss seien aber immer für den<br />

Einzelfall festzustellen, wo<strong>bei</strong> zu berücksichtigen sei, dass viele Geschäfte mit finanziellen Risiken<br />

verbunden seien, weshalb die Sachlage jeweils aus der ex-ante Sicht zu betrachten sei.<br />

195 DONATSCH, Geschäftsbesorgung, S. 11 ff.; SCHMID, Aspekte, S. 175.<br />

34


3. Kapitel Abstimmung als Anknüpfungspunkt<br />

3. Kapitel Abstimmung als <strong>strafrechtliche</strong>r<br />

Anknüpfungspunkt<br />

I. Abstimmungsmechanismus im Gremium<br />

A. Antrag als strafrechtlich relevante Folgen implizierender<br />

Ausgangspunkt<br />

Ein Antrag kann zivil- wie auch strafrechtskonform sein. In dieser Ar<strong>bei</strong>t interessiert vor<br />

allem der strafrechtlich relevante Folgen implizierende Antrag.<br />

Bevor man das Verhalten des jeweiligen Gremiumsmitgliedes einordnen kann, gilt es<br />

zu beachten, welchen Inhalt der Antrag hat und welche Folgen sich <strong>bei</strong> dessen<br />

Ausführung bzw. dessen Umsetzung 196 ergeben. Ein Antrag kann als solcher schon die<br />

strafrechtlich relevanten Folgen implizieren, die auf den ersten Blick ersichtlich sind.<br />

Doch auch derjenige Antrag, welcher im Hauptkausalverlauf an sich zu rechtskonformen<br />

Folgen führt, kann im Nebenkausalverlauf strafrechtlich relevante Folgen nach sich<br />

ziehen.<br />

Bei Vorsatz der Gremiumsmitglieder, die mit dem Antrag verbundene Straftat<br />

umzusetzen, ist der Antrag schon von Beginn an deliktisch ausgerichtet, und wird<br />

deshalb in der Folge als „deliktisch ausgerichteter Antrag“ bezeichnet. Bei als Fahrlässigkeit<br />

zu qualifizierenden Delikten ist <strong>bei</strong>m Antrag noch nicht — wie <strong>bei</strong>m<br />

Vorsatzdelikt — eine deliktische Ausrichtung des Antrags klar erkennbar. Aus diesem<br />

Grund ist in diesem Fall von „vordergründig korrektem Antrag“ die Rede.<br />

B. Durchführung der Abstimmung<br />

Ob die formelle Abstimmung mit Wahlzetteln oder durch Handheben, also geheim 197<br />

oder offen 198 durchgeführt wird, hängt von den zivilrechtlichen Vorgaben ab 199 . <strong>Die</strong><br />

196 Betreffend Gebrauch der Begriffe Ausführung und Umsetzung siehe 3. Kapitel II.A.<br />

197 KRNETA, N 790 ff., weist darauf hin, dass insbesondere <strong>bei</strong> Abstimmungen über personelle<br />

Entscheide, die das Gremium als solches betreffen, geheim abgestimmt werde. HUNGERBÜHLER,<br />

S. 111; WERNLI, N 9 zu Art. 713 OR; SCHUCANY, Beschlussfassung, S. 172, lehnen dagegen<br />

geheime Abstimmungen ab, weil damit die <strong>Verantwortlichkeit</strong> des Einzelnen nicht beurteilt werden<br />

könne. NOBEL, S. 36, ist der Ansicht, im schweizerischen Gesellschaftsrecht bestehe kein Anspruch<br />

auf eine geheime Abstimmung.<br />

198 Gemäss WERNLI, N 9 und N 11 zu Art. 713 OR, sollen die Verwaltungsratsmitglieder ihre Stimme<br />

offen abgeben, weil dies für die Nachvollziehbarkeit der Abstimmung wichtig sei. Auf Grund der<br />

Treuepflicht ist Stillschweigen über die Beratungen zu wahren, weshalb auch Geheimhaltungsinteressen<br />

eine geheime Abstimmung nicht rechtfertigen.<br />

199 BÜRGI, N 12 zu Art. 716 aOR, stellt fest, dass die meisten Abstimmungen offen durchgeführt<br />

werden. Auf Verlangen eines Mitgliedes kann die Abstimmung auch geheim erfolgen. SCHUCANY,<br />

35


3. Kapitel Abstimmung als Anknüpfungspunkt<br />

Abstimmung kann auch im Rahmen eines Zirkulationsbeschlusses erfolgen 200 . Das<br />

Gremium hat die Möglichkeit, die Lösung der Aufgabe im Rahmen einer oder mehrerer<br />

Sitzungen vorzunehmen 201 . Haben die Gremiumsmitglieder nach der Abgabe der Voten<br />

keine formelle Abstimmung 202 vorgenommen, ist davon auszugehen, dass diese Voten<br />

gleichzeitig das Stimmverhalten implizieren. Auch der in der Diskussion entwickelte<br />

Konsens, eine bestimmte Massnahme zu erlassen oder zu unterlassen, entspricht einer<br />

formellen Abstimmung. Kommt das Gremium in der verbalen Auseinandersetzung zur<br />

Übereinstimmung, eine Frage oder einen Antrag zu ignorieren, muss auch diesbezüglich<br />

von einer Einigung durch kollegiale Entscheidung ausgegangen werden.<br />

C. Beschluss als Anknüpfungspunkt für die strafrechtlich<br />

relevanten Folgen<br />

Der Beschluss gilt als Ausdruck des gemeinsamen Willens der Mitglieder des<br />

entscheidenden Gremiums. <strong>Die</strong> Gremiumsmitglieder können mittels Beschlussverfahren<br />

an der Willensbildung des Gremiums teilnehmen. <strong>Die</strong>ses Beschlussverfahren besteht aus<br />

Einberufung, Sitzung, Beratung und Abstimmung 203 . Ein Beschluss kann somit erst mit<br />

der abschliessenden Abstimmung als gefasst gelten, wo<strong>bei</strong> gleichgültig ist, ob das<br />

Stimmverhalten der Gremiumsmitglieder sukzessiv oder gleichzeitig stattfindet 204 . <strong>Die</strong><br />

„Externalisierung“ 205 — d. h. das Bekanntwerden — des Abstimmungsresultates ist der<br />

entscheidende Augenblick. In diesem Zeitpunkt koexistieren alle Stimmverhalten gleichzeitig<br />

und unabhängig von deren Abfolge. <strong>Die</strong>s ergibt sich auch daraus, dass die<br />

Gremiumsmitglieder ihre Berechtigung, im Gremium abzustimmen, nicht verlieren<br />

(können), wenn sich während der Abstimmung eine Mehrheit abzeichnet 206 , welche —<br />

unabhängig von weiteren noch stimmenden Mitgliedern — Bestand haben wird. Der<br />

Meinung 207 , dass die Mehrheit <strong>bei</strong> der Stimmabgabe noch nicht feststehen darf, ist somit<br />

der Boden entzogen. „Stimmen mehr Personen zu, als zur Antragsannahme erforderlich<br />

sind, so sehen die Geschäftsordnungen zumeist nicht vor, es solle nur bis zur Mehrheit<br />

gezählt und der Rest übergangen werden — dann würden die Personen, deren<br />

Stimmabgabe übergangen wird, erfolglos versucht haben, an der Mehrheitsbildung<br />

mitzuwirken —, sondern alle Stimmen sollten gezählt und die Mehrheit solle als eine<br />

Beschlussfassung, S. 172, fordert im Sinne einer <strong>Verantwortlichkeit</strong>sfeststellung eine offene<br />

Abstimmung.<br />

200<br />

MÜLLER/LIPP/PLÜSS, S. 161.<br />

201<br />

WERNLI, N 4 zu Art. 713 OR, macht darauf aufmerksam, dass Telefon- und Videokonferenzen an<br />

Stelle der Sitzungen treten können.<br />

202<br />

Vgl. KRNETA, N 784.<br />

203<br />

HUNGERBÜHLER, S. 110.<br />

204<br />

SUÁREZ GONZÁLES, S. 55.<br />

205<br />

Das Wort „Externalisierung“ wurde von JAKOBS eingeführt, vgl. JAKOBS, Abstimmung, S. 421 ff.<br />

206<br />

RANSIEK, Unternehmen und Konzern, S. 641.<br />

207<br />

EIDAM, S. 86, geht davon aus, dass es wichtig ist, zu wissen, wann die Mehrheit zustande gekommen<br />

ist, und nicht, wann die Abstimmung durchgeführt worden ist.<br />

36


3. Kapitel Abstimmung als Anknüpfungspunkt<br />

überbedingte Mehrheit festgestellt werden; diese Stimmen externalisieren sich dann alle<br />

gleichzeitig im beschlossenen Geschäftsverhalten“ 208 . Eine Übereinkunft entsteht<br />

demzufolge erst nach der Auszählung aller (abgegebenen) Stimmen bzw. nachdem die<br />

Mehrheit festgestellt worden ist 209 .<br />

Strafrechtlich relevante Folgen können sich an alle aufgezeigten Entscheidungsvarianten<br />

210 knüpfen. Das Gremiumsmitglied hat deshalb immer die Chance, sich Gehör<br />

zu verschaffen und für die rechtmässige Lösung zu werben 211 .<br />

208 JAKOBS, Abstimmung, S. 426 (Hervorhebungen durch den Autor selbst).<br />

209 RODRÍGUEZ MONTAÑÉS, S. 309. Es ist jedoch daran zu denken, dass u. U. ein Präsenzquorum<br />

anzuwenden ist, damit der Beschluss zivilrechtlich Bestand hat.<br />

210 Siehe 3. Kapitel I.B.<br />

211 Vgl. NEUDECKER, S. 193.<br />

37


3. Kapitel Abstimmung als Anknüpfungspunkt<br />

38


3. Kapitel Abstimmung als Anknüpfungspunkt<br />

II. Qualifizierung des Stimmverhaltens des<br />

Gremiumsmitgliedes als Begehung oder<br />

Unterlassung<br />

A. Vorbemerkungen<br />

Nicht alle mittels Abstimmung getroffenen Beschlüsse sind ausführungsbedürftig. <strong>Die</strong>se<br />

Beschlüsse betreffen in zivilrechtlicher Hinsicht Fragen des Verfahrens und der Ordnung<br />

des Verwaltungsrates oder erhalten einen „status quo“ aufrecht. Ein Beschluss ist im<br />

zivilrechtlichen Sinne nur dann auszuführen, wenn die dem Beschluss eigene Bindungswirkung<br />

nicht ausreicht, um die angestrebte Ordnung zu erreichen 212 .<br />

Vom <strong>strafrechtliche</strong>n Standpunkt aus muss ein Beschluss ausgeführt werden, wenn<br />

eine Ausführungshandlung hinzuzutreten hat, um „strafrechtlich relevante Folgen“ zu<br />

erzielen. Nur <strong>bei</strong> einer Entscheidung für ein Nichthandeln erübrigt sich eine Ausführung<br />

des Beschlusses. <strong>Die</strong>ser wirkt hier schon durch sich selbst 213 . In diesem Sinne wird<br />

hier<strong>bei</strong> im Folgenden von Umsetzung gesprochen.<br />

B. Der gesamte Sachverhalt als Ansatzpunkt<br />

<strong>Die</strong> Unterscheidung von ausführungsbedürftigen sowie nicht ausführungsbedürftigen<br />

Beschlüssen ist aus <strong>strafrechtliche</strong>r Sicht nicht sehr ergiebig, weil daraus nicht unbedingt<br />

auf eine Begehung oder Unterlassung und somit auf das <strong>strafrechtliche</strong> Verhalten des<br />

einzelnen Gremiumsmitgliedes geschlossen werden kann. Erst die Ausführung bzw. die<br />

Umsetzung des Beschlusses führt zu strafrechtlich relevanten Folgen, denn in diesem<br />

Zeitpunkt zeigt sich, ob von einer Begehung oder Unterlassung auszugehen ist.<br />

Aus diesem Grund ist es m. E. nicht sinnvoll — wie einige Autoren denken —, die<br />

Vornahme einer Abstimmung und somit die jeweiligen Stimmverhalten (insbesondere<br />

das zustimmende) als rein aktives Verhalten zu würdigen 214 . Das Stimmverhalten der<br />

dem Antrag zustimmenden Gremiumsmitglieder könnte je nach Laune als aktives<br />

Begehen — weil eine Abstimmung vorgenommen wird — oder als passives Unterlassen<br />

— weil unterlassen wurde, gegen den deliktisch ausgerichteten Antrag zu stimmen —<br />

qualifiziert werden 215 . Auch <strong>bei</strong> den sich der Stimme enthaltenden und den unentschuldigt<br />

abwesenden Gremiumsmitgliedern würden sich ähnliche Probleme stellen,<br />

denn diese Gremiumsmitglieder nehmen an der Abstimmung gar nicht teil. Sie verhalten<br />

212 HUNGERBÜHLER, S. 116 f.<br />

213 POSECK, S. 147.<br />

214 POSECK, S. 158 m. w. H. in Fn. 762.<br />

215 Vgl. auch SCHÜNEMANN, Unternehmenskriminalität, S. 634.<br />

39


3. Kapitel Abstimmung als Anknüpfungspunkt<br />

sich sozusagen passiv, was als Unterlassung einzustufen wäre. <strong>Die</strong> Stimmenthaltung wird<br />

denn teilweise auch als nicht aktives Tun angesehen, weil das Gremiumsmitglied die<br />

Pflicht versäumt, die anderen Mitglieder durch Einwirken während der Diskussion von<br />

ihrem rechtswidrigen Tun abzubringen 216 . Daraus würde folgen, dass sich nur die dem<br />

deliktisch ausgerichteten Antrag zustimmenden und dagegen stimmenden Gremiumsmitglieder<br />

aktiv verhalten.<br />

<strong>Die</strong>se Klassifizierungsversuche sind zu eng gefasst, weil der Kontext der Abstimmung<br />

da<strong>bei</strong> nicht berücksichtigt wird. Daraus ergeben sich nicht zu rechtfertigende<br />

Unterschiede bezüglich der <strong>strafrechtliche</strong>n Verfolgung der Gremiumsmitglieder. Dass<br />

dies nicht Sinn und Zweck sein kann, ergibt sich aus der Mitwirkungs- sowie Teilnahmepflicht<br />

aller Gremiumsmitglieder 217 . <strong>Die</strong> Analyse des Kontexts muss die Untersuchung<br />

des gesamten Sachverhaltes <strong>bei</strong>nhalten; dieser ist sodann entweder als Begehung oder als<br />

Unterlassung zu würdigen 218 . Zur Abklärung, ob ein Sachverhalt nun als Begehung oder<br />

Unterlassung einzustufen ist, werden die Subsidiaritäts- und die Schwerpunktstheorie<br />

herangezogen.<br />

C. Subsidiaritäts- versus Schwerpunkttheorie zur<br />

Klassifizierung des Sachverhaltes als Begehung oder<br />

Unterlassung<br />

Bis anhin ist die Subsidiaritätstheorie die in der Schweiz vorherrschende Theorie, anhand<br />

derer zwischen Handlung und Unterlassung entschieden wird 219 . Sie besagt, dass eine<br />

Unterlassung nur dann in Betracht gezogen wird, wenn keine Handlung vorliegt, welche<br />

das Risiko für das beeinträchtigte Rechtsgut begründet hat 220 . Gemäss dieser Theorie ist<br />

daher stets zuerst zu prüfen, ob ein aktives Tun vorliegt, das tatbestandsmässig,<br />

rechtswidrig und schuldhaft ist 221 .<br />

Gemäss der Schwerpunkttheorie liegt dann eine Begehung bzw. eine Unterlassung<br />

vor, wenn auf Grund einer Wertung der Schluss zu ziehen ist, dass sich das Hauptverhalten<br />

mehr in einem aktiven Tun bzw. mehr in einem passiven Untätigsein äussert 222 .<br />

216<br />

FRANKE, S. 583; SCHOLL, S. 232 f.<br />

217<br />

Siehe 2. Kapitel III.D.<br />

218<br />

NEUDECKER, S. 260, und POSECK, S. 158, gehen nur bezüglich des dem deliktisch ausgerichteten<br />

Antrag zustimmenden Stimmverhaltens diesen Weg.<br />

219<br />

Vgl. BGE 122 IV 10; 121 IV 109; 120 IV 271; 115 IV 203. <strong>Die</strong> Subsidiaritätstheorie wird von<br />

GRAVEN/STRÄULI, N 51 C., S. 78; HURTADO POZO, N 942; KILLIAS, N 421; RIKLIN, § 19 N 8;<br />

SCHULTZ, AT I, S. 127; SEELMANN, AT, S. 79; SEELMANN, Kommentar, N 52 zu Art. 1 StGB;<br />

STRATENWERTH, N 2 vor § 14; TRECHSEL, Kurzkommentar, N 31 zu Art. 1 StGB und TRECHSEL/<br />

NOLL, § 34 C. Ziff. 2, S. 239 ff.; VEST, S. 291, angewandt.<br />

220<br />

DONATSCH, Garantenstellung und Sorgfaltsbemessung, S. 130.<br />

221<br />

BGE 115 IV 204.<br />

222<br />

BGE 103 IV 289; REHBERG/DONATSCH, § 28 Ziff. 2, S. 247.<br />

40


3. Kapitel Abstimmung als Anknüpfungspunkt<br />

<strong>Die</strong> Kombination von Schwerpunkt- und Subsidiaritätstheorie 223 ist die geeignetste<br />

Vorgehensweise zur Klassifizierung des Sachverhaltes als Begehung oder Unterlassung,<br />

weil der Sinn der Handlung unter Heranziehen des gesamten Sachverhaltes berücksichtigt<br />

wird 224 . Ist der Teil des Verhaltens bestimmt, der strafrechtlich überprüft werden<br />

soll, wird geprüft, ob das Risiko einer Rechtsgutverletzung durch eine Tätigkeit erhöht<br />

worden oder sogar eingetreten ist. Liegt dieser Fall vor, ist eine Begehung anzunehmen,<br />

selbst wenn Sicherheitsvorkehrungen unterlassen worden sind. Falls keine Begehung<br />

festgestellt wird, muss der Zeitpunkt der Risikosteigerung eruiert werden. Damit wird<br />

zugleich der Zeitpunkt des <strong>strafrechtliche</strong>n Unterlassens festgelegt. Kann jedoch im<br />

untersuchten Sachverhaltsabschnitt keine Risikoerhöhung festgestellt werden, ist zu<br />

überprüfen, ob der beurteilte Verhaltensabschnitt evtl. zu eng gefasst worden und deshalb<br />

zu erweitern ist. In Fällen, in denen man keine strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen<br />

finden kann, ist man geneigt, den zu beurteilenden Verhaltensabschnitt auszudehnen, bis<br />

sich etwas strafrechtlich Relevantes ergeben hat 225 . <strong>Die</strong> Festlegung des Beginns des zu<br />

beurteilenden Ursachenverlaufs erfolgt in den meisten Fällen auf Grund einer Vorwegnahme<br />

von Überlegungen betreffend den rechtserheblichen Kausalverlauf 226 .<br />

Bei Fällen von Fahrlässigkeit ist die Bedeutung der Unterscheidung von Begehung<br />

und Unterlassung trotz des Unterschieds zwischen fahrlässiger Begehung und fahrlässiger<br />

Unterlassung nicht sehr gross. <strong>Die</strong> Sorgfaltspflichten, die einzuhalten wären aber<br />

verletzt werden, sind meistens Folge von Garantenpflichten. Insofern sind Sorgfalts- und<br />

Garantenpflichten kongruent 227 . DONATSCH geht jedoch davon aus, dass mittels der Lehre<br />

223 HURTADO POZO, N 940; REHBERG/DONATSCH, § 28 Ziff. 2, S. 249.<br />

224 In BGE 117 IV 67 ff. beurteilte das Bundesgericht das Inverkehrbringen von gesundheitsschädlichen<br />

Lebensmitteln als Begehung. Auch in BGE 124 IV 297 ff. fällte das Bundesgericht ein Urteil wegen<br />

Begehung, denn wer Lebensmittel lagert, transportiert oder abgibt, die — wie er weiss oder <strong>bei</strong><br />

pflichtgemässer Sorgfalt wissen könnte — derart beschaffen sind, dass sie <strong>bei</strong> ihrem üblichen<br />

Gebrauch die Gesundheit gefährden bzw. nicht den Anforderungen dieses Gesetzes entsprechen,<br />

erfüllt den betreffenden Straftatbestand. Zudem hat das Bundesgericht in BGE 121 IV 15 Folgendes<br />

festgestellt: „Wer ein technisches Gerät wie die in Frage stehende Hebebühne anpreist und in<br />

Verkehr bringt, hat dafür zu sorgen, dass <strong>bei</strong> dessen Verwendung Leben und Gesundheit nicht<br />

gefährdet werden. <strong>Die</strong>se Verpflichtung ergibt sich aus dem allgemeinen Gefahrensatz“. Das Bundesgericht<br />

urteilte somit, dass eine Garantenstellung nicht überprüft zu werden brauchte, da dem<br />

Beschwerdeführer vorgeworfen werden könne, eine Hebebühne zu einem Zweck geliefert zu haben,<br />

für den sie ungeeignet, ja sogar gefährlich war. Damit wurde ihm ein aktives Tun in der Form eines<br />

fahrlässigen Begehungsdelikts angelastet. (Hier<strong>bei</strong> ist die Bemerkung anzubringen, dass die untersuchten<br />

Straftatbestände als Gefährdungs- und Tätigkeitsdelikte konzipiert sind.) Gegen die Sichtweise<br />

des Bundesgerichtes, Begehungsdelikte anzunehmen, wird vorgebracht, dass die Schädigung<br />

nicht durch das Inverkehrbringen des Produktes erfolge, sondern durch die Benutzung desselben. In<br />

diesem Sinne könne nicht mehr von einer aktiven Handlung gesprochen werden: vielmehr gehe es<br />

hier<strong>bei</strong> um eine eventuelle Unterlassung; vgl. SPITZ, S. 412. In diesem Zusammenhang muss auch<br />

die Ingerenz untersucht werden. Dazu HILGERS, S. 127: „Als Vorverhalten der Führungskraft kann<br />

etwa an die Entscheidung, zur Eröffnung eines gefährlichen Betriebes zur Inbetriebnahme einer<br />

umweltgefährdenden Produktionsanlage oder zum Inverkehrbringen eines gefährlichen Produkts<br />

angeknüpft werden“.<br />

225 REHBERG/DONATSCH, § 28 Ziff. 2, S. 249.<br />

226 DONATSCH, Garantenstellung und Sorgfaltsbemessung, S. 130 Fn. 4.<br />

227 RIKLIN, § 19 N 9.<br />

41


3. Kapitel Abstimmung als Anknüpfungspunkt<br />

der Garantenstellung zuerst festzustellen sei, wer Garant sei, und darauf der Inhalt des<br />

Handlungsgebotes mit der Lehre der Fahrlässigkeit auf Grund von Art. 18 Abs. 3 StGB<br />

zu erfassen sei 228 .<br />

Betreffend die Qualifizierung des Stimmverhaltens des jeweiligen Gremiumsmitgliedes<br />

als Begehung oder Unterlassung ist nach der Bestimmung des gesamten Sachverhaltes<br />

als Begehung oder Unterlassung auch noch die Beziehung zwischen den<br />

Entscheidungsträgern und den ausführenden bzw. den umsetzenden Personen zu<br />

berücksichtigen. <strong>Die</strong> <strong>strafrechtliche</strong> Qualifizierung dieser Beziehung als Täterschaft bzw.<br />

Teilnahme der Entscheidungsträger hat sodann Auswirkungen auf die Qualifizierung des<br />

Stimmverhaltens als Begehung oder Unterlassung 229 .<br />

228<br />

RIKLIN, § 19 Fn. 5 mit Hinweis auf DONATSCH, Garantenstellung und Sorgfaltsbemessung, S. 128<br />

ff., S. 133.<br />

229<br />

Werden die Entscheidungsträger z. B. als Anstifter qualifiziert, sind diese immer Begehende, weil es<br />

nur eine Anstiftung zur Begehung gibt; siehe dazu 5. Kapitel II.C.2.b). Sodann ist der Beschluss als<br />

Begehung zu qualifizieren, obwohl der Gesamtsachverhalt eine Unterlassung darstellt.<br />

42


3. Kapitel Abstimmung als Anknüpfungspunkt<br />

III. Einordnung des Stimmverhaltens der<br />

Gremiumsmitglieder in Bezug auf die <strong>strafrechtliche</strong>n<br />

Verwirklichungsstufen<br />

A. Stimmverhalten der Gremiumsmitglieder <strong>bei</strong> vorsätzlichem<br />

Handeln<br />

1. Stimmverhalten <strong>bei</strong>m als Begehung qualifizierten<br />

Sachverhalt<br />

Gemäss Zivilrecht wird der Beschluss als mehrseitiges Rechtsgeschäft angesehen 230 .<br />

<strong>Die</strong>se zivilrechtliche Charakterisierung des Beschlusses könnte strafrechtlich auf eine<br />

Vollendung eines Deliktes hinweisen. <strong>Die</strong> Tat ist dann vollendet, wenn alle objektiven<br />

Tatbestandsmerkmale erfüllt worden sind 231 .<br />

Mit seinem Stimmverhalten erfüllt das Gremiumsmitglied weder <strong>bei</strong> einem Erfolgsdelikt<br />

noch <strong>bei</strong> einem Tätigkeitsdelikt die objektiven Tatbestandmerkmale eines Straftatbestandes.<br />

Das Stimmverhalten stellt somit keine Deliktsvollendung dar, da kein<br />

Tatbestand erfüllt worden ist. Infolgedessen kann auch nicht von einer Deliktsbeendigung<br />

ausgegangen werden. Es bleibt deshalb abzuklären, ob der Beschluss und das jeweilige<br />

Stimmverhalten der Gremiumsmitglieder einen Versuch oder eine Vorbereitungshandlung<br />

darstellen.<br />

Gemäss der formell-objektiven Theorie ist ein strafbarer Versuch gegeben, wenn der<br />

Täter mit entsprechendem Entschluss zur Tat ein Stück des gesetzlich umschriebenen<br />

Tatbestandes, wenigstens ein Tatbestandsmerkmal, verwirklicht oder zu verwirklichen<br />

begonnen hat. Nach der materiell-objektiven Theorie ist ein Beginn der Ausführung —<br />

ein strafbarer Versuch — in allen Handlungen zu finden, die wegen ihrer notwendigen<br />

Zusammengehörigkeit mit der Tathandlung für die natürliche Auffassung als deren<br />

Bestandteile erscheinen 232 . Das Bundesgericht wendet zur Feststellung des Beginns der<br />

strafbaren Tathandlung(en) die Schwellentheorie an. Ein strafbarer Versuch liegt<br />

demnach dann vor, wenn der Täter mit der Ausführung der Tat begonnen hat 233 : „Dazu<br />

zählt jede Tätigkeit, die nach dem Plan, den sich der Täter gemacht hat, auf dem Weg<br />

zum Erfolg den letzten entscheidenden Schritt darstellt, von dem es kein Zurück gibt;<br />

ausser wegen äusserer Umstände, die eine Weiterverfolgung der Absicht erschweren oder<br />

230 Siehe 2. Kapitel II.C.<br />

231 REHBERG/DONATSCH, § 9 Ziff. 3 lit. b), S. 92; RIKLIN, § 17 N 6; TRECHSEL/NOLL, § 30 A. Ziff. 1,<br />

S. 169, weisen darauf hin, dass teilweise sogar noch eine Beendigung eines Deliktes vorliegen kann.<br />

232 HURTADO POZO, N 629 f.; JENNY, N 12 f. zu vor Art. 21 StGB; RIKLIN, § 17 N 28 f.;<br />

TRECHSEL/NOLL, § 30 B. Ziff. 2, S. 175.<br />

233 BGE 120 IV 206; 80 IV 178; vgl. auch Beispiele in BGE 123 IV 11; 119 IV 160; 117 IV 396; 114<br />

IV 112; 111 IV 148; 75 IV 178; ARZT, Versuch und Vorbereitung, S. 80.<br />

43


3. Kapitel Abstimmung als Anknüpfungspunkt<br />

verunmöglichen“ 234 . <strong>Die</strong> Sichtweise des Bundesgerichts führt nach Auslegung von<br />

REHBERG/DONATSCH dazu, dass die Bedeutung des täterschaftlichen Verhaltens ohne die<br />

Kenntnis des Tatplanes nicht bestimmt werden kann. Ein Versuch könne schon vorliegen,<br />

bevor der Täter mit dem eigentlichen tatbestandsmässigen Verhalten angefangen oder<br />

auch nur eine mit diesem unmittelbar zusammenhängende Handlung ausgeführt habe 235 .<br />

Ob die Schwelle von der Vorbereitungshandlung zum Versuch schon überschritten<br />

worden ist, muss demzufolge nicht nur auf der Grundlage des konkreten Planes der<br />

Tathandlung, sondern auch auf Grund von objektiven Gesichtspunkten beurteilt<br />

werden 236 .<br />

Der Beschluss hat seine eigene Ausführung bzw. Umsetzung zur Folge, gleich ob es<br />

sich <strong>bei</strong> der entsprechenden Handlung oder <strong>bei</strong>m entsprechenden Unterlassen um ein<br />

Tätigkeits- oder ein Erfolgsdelikt handelt. Erst nach der Abstimmung wird zur<br />

Ausführung bzw. zur Umsetzung der beschlossenen Tat angesetzt. Der Anknüpfungspunkt<br />

für die Strafbarkeit der Mitglieder des Gremiums ist somit nicht die Abstimmung<br />

allein, sondern die durch diesen Personenkreis her<strong>bei</strong>geführte zurechenbare Verletzung<br />

eines strafrechtlich geschützten Rechtsgutes. <strong>Die</strong> Beteiligung an einer Abstimmung ist<br />

demzufolge nicht Tatausführung, sondern Tatvorbereitung 237 .<br />

Eine Vorbereitungshandlung ist nur strafbar, wenn sich die geplanten Delikte auf<br />

Straftaten beziehen, die in den Anwendungsbereich von Art. 260 bis StGB fallen 238 . Bei<br />

allen anderen Deliktsvorbereitungen bleibt der Täter straflos, wenn die Deliktsverwirklichung<br />

im Vorbereitungsstadium stehen bleibt 239 . Dass Vorbereitungshandlungen<br />

— ausser unter Berufung auf Art. 260 bis — nicht strafrechtlich verfolgbar sind, ergibt<br />

sich auch aus dem aus Art. 1 StGB hervorgehenden Grundsatz „nullum crimen, nulla<br />

poena sine lege“. Es ist zudem darauf hinzuweisen, dass der blosse Entschluss, eine<br />

Straftat zu begehen, strafrechtlich bedeutungslos ist 240 . Der Prozess der Willensbildung<br />

ist <strong>bei</strong> einer Einzelperson die Entschlussfassung, <strong>bei</strong> einem Kollegialgremium die<br />

Abstimmung 241 . <strong>Die</strong> Vornahme der Abstimmung und somit das Stimmverhalten des<br />

einzelnen Gremiumsmitgliedes im Rahmen der Abstimmung <strong>bei</strong>m als Begehung zu<br />

234<br />

BGE 114 IV 114; vgl. auch BGE 119 IV 253 f.; 119 IV 227; 117 IV 385 f; 117 IV 310; 71 IV 211<br />

als Beispiele.<br />

235<br />

REHBERG/DONATSCH, § 11 Ziff. 2, S. 106; ebenso STRATENWERTH, AT I, § 12 N 28.<br />

236<br />

HURTADO POZO, N 636; JENNY, N 15 der Vorbem. zu Art. 21 StGB; REHBERG/DONATSCH, § 11<br />

Ziff. 2, S. 106; SEELMANN, AT, S. 95; TRECHSEL/NOLL, § 30 B. Ziff. 2, S. 176 f., die darauf<br />

hinweisen, dass sich das Bundesgericht langsam dieser Meinung anschliesse (seit BGE 117 IV 397).<br />

237<br />

JAKOBS, Abstimmung, S. 419, S. 424, macht darauf aufmerksam, dass eine Abstimmung keine Tatausführung<br />

sei, sondern eine Beteiligung daran. Zustimmend KNAUER, S. 49.<br />

238 bis<br />

WEDER, Ausführungen zu Art. 260 Abs. 1 StGB, weist darauf hin, dass technische Vorkehrungen<br />

und organisatorische Massnahmen zur Tatausführung als strafbare Vorbereitungshandlungen<br />

angesehen werden.<br />

239<br />

REHBERG/DONATSCH, § 11 Ziff. 1, S. 102; STRATENWERTH, AT I, § 12 N 4 f. m. w. H betreffend<br />

vorbereitende Delikte.<br />

240<br />

BGE 117 IV 310; 80 IV 70; REHBERG/DONATSCH, § 9 Ziff. 2.2 lit. c), S. 83. SCHULTZ, AT I, S. 119<br />

mit Verweis auf die Digeste: „Cogitationis poenam nemo patitur“.<br />

241<br />

SUÁREZ GONZÁLES, S. 54.<br />

44


3. Kapitel Abstimmung als Anknüpfungspunkt<br />

qualifizierenden Sachverhalt ist deshalb als straflose Vorbereitungshandlung zu<br />

betrachten, zumal das Stimmverhalten der einzelnen Gremiumsmitglieder erst noch<br />

Aussenwirkungen zeitigen muss, um strafrechtlich relevante Folgen nach sich ziehen zu<br />

können.<br />

2. Stimmverhalten <strong>bei</strong> einem als Unterlassung qualifizierten<br />

Sachverhalt<br />

Das echte wie auch das unechte Unterlassungsdelikt 242 können die Stadien der<br />

Vorbereitung, des Versuchs und der Vollendung durchlaufen 243 . In der Konstellation der<br />

Unterlassung hat der Beschluss insofern direkte Auswirkungen, als er nicht zuerst<br />

ausgeführt werden muss. Der Beschluss wird umgesetzt, indem im Folgenden nichts<br />

getan wird. Das Delikt könnte somit schon mit der Abstimmung im Gremium „vollendet“<br />

sein. <strong>Die</strong> <strong>bei</strong>m Begehungsdelikt entwickelten Regeln sind auch auf das Unterlassungsdelikt<br />

anwendbar 244 . Mit dem Vorliegen des Abstimmungsresultates allein liegt<br />

aber noch kein Delikt vor. Sind die strafrechtlich relevanten Folgen nicht schon mit dem<br />

Beschluss eingetreten, kann nicht von einer Vollendung des Delikts ausgegangen werden,<br />

da es noch einer Materialisierung des Inhaltes bedarf.<br />

SCHULTZ betont, dass es sich <strong>bei</strong>m Versuch um eine äusserlich kundgegebene<br />

Verwirklichung des auf Deliktsbegehung gerichteten Willens handeln muss 245 . <strong>Die</strong><br />

tatbestandsmässige Unterlassung wird zu einem Zeitpunkt begonnen, in dem keine<br />

Massnahme zur Verhinderung der Beeinträchtigung des gefährdeten Rechtsgutes<br />

vorgenommen wird. <strong>Die</strong>s ist folglich ein von der Abstimmung verschiedener Ansatzpunkt,<br />

denn die Schwelle wird <strong>bei</strong>m Unterlassungsdelikt erst überschritten, wenn der<br />

Täter auf dem Weg zum Erfolg den letzten entscheidenden Schritt getan hat. <strong>Die</strong>s ist<br />

m. E. dann der Fall, wenn nach der Beschlussfassung kein Versuch zur Verhinderung der<br />

Beeinträchtigung des gefährdeten Rechtsgutes unternommen wird. In diesem Zeitpunkt<br />

zeitigt das Stimmverhalten des jeweiligen Gremiumsmitgliedes Aussenwirkungen.<br />

Der Versuch der Unterlassung beginnt erst mit derjenigen Gefahr 246 für das<br />

Rechtsgut, die durch Verzögerung der Vornahme der Schutzmassnahme her<strong>bei</strong>geführt<br />

wird. Eine Vorbereitungshandlung besteht insofern, als sich die Situation für das<br />

bedrohte Rechtsgut nicht verschlechtert 247 . Werden eine Beratung und eine Abstimmung<br />

242<br />

Siehe 5. Kapitel II.C.1. betreffend nähere Ausführungen zum echten und unechten Unterlassungsdelikt.<br />

243<br />

STRATENWERTH, AT I, §15 N 3; RUDOLPHI, Kommentar, N 50 der Vorbem. zu § 13 dStGB m. w. H.<br />

auf die deutsche Lehre.<br />

244<br />

RIKLIN, § 19 N 35.<br />

245<br />

SCHULTZ, AT I, S. 265.<br />

246<br />

Zu unterscheiden ist die „Gefahr“ von der konkreten Gefahrenlage im Hinblick auf das Rechtsgut,<br />

die <strong>bei</strong>m als Unterlassung qualifizierten Sachverhalt schon vor der Abstimmungsphase besteht. Siehe<br />

dazu 5. Kapitel II.C.4.<br />

247<br />

RIKLIN, § 19 N 35; STRATENWERTH, AT I, § 15 N 3.<br />

45


3. Kapitel Abstimmung als Anknüpfungspunkt<br />

vorgenommen, kann eine Verschlechterung des Rechtsgutes nicht angenommen werden,<br />

weil eine mögliche Verhinderung der Beeinträchtigung des gefährdeten Rechtsgutes erst<br />

besprochen wird. Aus dem Blickwinkel, dass es sich <strong>bei</strong>m Gremium um ein gesellschaftsrechtliches<br />

Organ handelt, ist dem einzelnen Gremiumsmitglied die Chance zu<br />

geben, mit den gesellschaftsrechtlichen Mitteln, d. h. seinem Stimmverhalten, zu einer<br />

Lösung <strong>bei</strong>zutragen. Werden schon die Beratungsphase und das Stimmverhalten als<br />

strafrechtlich relevant betrachtet, besteht ein Ungleichgewicht zuungunsten des<br />

Unterlassungsdeliktes, was insbesondere <strong>bei</strong>m unechten Unterlassungsdelikt nicht haltbar<br />

ist, weil Gleichwertigkeit der Unterlassung mit einem Tun vorausgesetzt wird 248 .<br />

<strong>Die</strong> Abstimmung als Entscheidfindungsprozess des Kollegialorgans stellt auch hier<br />

eine Vorbereitung dar, so dass die Beratungs- und Abstimmungsphase hinsichtlich eines<br />

Unterlassungsdeliktes wiederum straflos ist 249 .<br />

B. Stimmverhalten der Gremiumsmitglieder <strong>bei</strong> fahrlässigem<br />

Handeln<br />

<strong>Die</strong> vorstehenden Ausführungen zum Vorsatzdelikt können dahingehend übernommen<br />

werden, dass alleine das Stimmverhalten der Gremiumsmitglieder auch <strong>bei</strong>m Fahrlässigkeitsdelikt<br />

nicht als Delikt qualifiziert werden kann. Gemäss Art. 21 und Art. 22 StGB<br />

sowie nach Lehre und Rechtsprechung ist ein Versuch nur <strong>bei</strong> Vorsatzdelikten möglich.<br />

Beim Fahrlässigkeitsdelikt existieren somit weder eine Versuchs- noch eine Vorbereitungsphase<br />

250 . Der „fahrlässige Versuch“ kann indes als fahrlässige abstrakte oder<br />

konkrete Gefährdung eines Rechtsgutes qualifiziert werden. <strong>Die</strong>ser „Versuch“ wird u. U.<br />

mit Strafe bedroht 251 . Wird die Entscheidungsphase hinsichtlich der Abstimmung <strong>bei</strong>m<br />

Vorsatzdelikt nicht als strafrechtlich relevant eingestuft, so hat dies „e maiore ad minus“<br />

auch <strong>bei</strong>m fahrlässig begangenen Delikt zu gelten.<br />

248 Vgl. zur Gleichwertigkeit von Begehung und Unterlassung: MOREILLON, Omission, N 65, N 87;<br />

REHBERG/DONATSCH, § 30 Ziff. 2.111 lit. a), S. 258; RIKLIN, § 19 N 27. STRATENWERTH, AT I,<br />

§ 14 N 6, macht darauf aufmerksam, dass <strong>bei</strong> den echten Unterlassungsdelikten das Unterlassen dem<br />

aktiven Handeln nur dann gleichgestellt wird, wenn dem Täter eine besondere Obhuts-, Sorge- oder<br />

Aufsichtspflicht obliegt, so <strong>bei</strong> Art. 158, Art. 230, Art. 229 etc. StGB. Das Nichterfüllen der gebotenen<br />

Handlungspflicht wird somit in diesem Bereich im Unrechtsgehalt dem verletzenden oder<br />

gefährdenden Angriff auf das geschützte Rechtsgut gleichgestellt. TRECHSEL/NOLL, § 34 A. Ziff. 7,<br />

S. 253.<br />

249 Vgl. RIKLIN, § 17 N 55.<br />

250 GRAVEN/STRÄULI, N 199, S. 256; HURTADO POZO, N 624; JENNY, N 5 zu Art. 21 StGB; KILLIAS,<br />

N 507; REHBERG/DONATSCH, § 34 Ziff. 1, S. 313; RIKLIN, § 17 N 4; SCHULTZ, AT I, S. 269;<br />

STRATENWERTH, AT I, § 16 N 41; TRECHSEL/NOLL, § 30 A. Ziff. 1, S. 169; WALDER, Vorbereitung<br />

und Versuch, S. 231.<br />

251 JENNY, N 5 zu Art. 21 StGB; REHBERG/DONATSCH, § 8 Ziff. 2.32 und 2.33, S. 76 f.; RIKLIN, § 17<br />

46<br />

N 4; STRATENWERTH, AT I, § 16 N 42.


3. Kapitel Abstimmung als Anknüpfungspunkt<br />

IV. Zusammenfassung<br />

Der Zusammenschluss der Gremiumsmitglieder entsteht erst mit der Abstimmung selbst,<br />

<strong>bei</strong> der die Gremiumsmitglieder durch Nicken, Handheben oder in schriftlicher Form<br />

<strong>bei</strong>m Zirkularbeschluss ihr Stimmverhalten bekannt geben. Wurde der Beschluss<br />

getroffen, etwas umzusetzen, das zu strafrechtlich relevanten Folgen führt, liegt der<br />

Schwerpunkt auf der aktiven Handlung. Strafrechtlich relevante Folgen können auch<br />

eintreten, wenn einer entsprechenden Pflicht zur Verhinderung dieser Folgen nicht<br />

nachgekommen wird, indem eine schadens- bzw. erfolgsverhindernde Massnahme nicht<br />

beschlossen wurde. Beim Beschluss, nicht das zu unternehmen, was eigentlich geboten<br />

wäre, liegt der Schwerpunkt nicht im aktiven Vornehmen der Abstimmung, sondern im<br />

eingetretenen Ergebnis der Abstimmung, nichts zu tun. <strong>Die</strong>ses Nichtstun ist einer<br />

Unterlassung gleichzustellen. <strong>Die</strong> Unterlassung der Ausführung der nötigen Handlung<br />

führt zur Rechtsgutverletzung bzw. Rechtsgutsbeeinträchtigung.<br />

<strong>Die</strong> Qualifizierung des Sachverhaltes als Begehung und Unterlassung zeitigt auch<br />

Bedeutung hinsichtlich der einzelnen Stimmverhalten. Im ersten Fall werden die<br />

jeweiligen Stimmverhalten der Gremiumsmitglieder als Begehung beurteilt und im<br />

zweiten Fall als Unterlassung gewertet 252 .<br />

Ungeachtet dessen, ob der Sachverhalt eine Begehung oder Unterlassung darstellt,<br />

erfüllt das Stimmverhalten der Gremiumsmitglieder alleine gesehen noch keinen Straftatbestand.<br />

Erst mit der Externalisierung des Abstimmungsresultates wird rechtlich relevant,<br />

welches Stimmverhalten das jeweilige Gremiumsmitglied an den Tag gelegt hat. Solange<br />

der Beschluss jedoch keine Aussenwirkung zeigt, ist er irrelevant 253 . Der Beschluss muss<br />

zu strafrechtlich relevanten Folgen führen, damit die Gremiumsmitglieder überhaupt<br />

strafrechtlich verantwortlich werden können. Natürlich muss nachgewiesen werden, dass<br />

diese strafrechtlich relevanten Folgen auf Grund des Beschlusses eingetreten sind. Sind<br />

strafrechtlich relevante Folgen nicht oder nur teilweise eingetreten, liegt ein Versuch der<br />

Haupttat vor. <strong>Die</strong>s ist jedoch erst dann anzunehmen, wenn mit der Ausführung bzw. der<br />

Umsetzung des Beschlusses begonnen worden ist. Wird von einer anderen Schwelle<br />

ausgegangen, besteht die Gefahr, dass der böse Wille bestraft wird und somit die<br />

eigentlich straflose Vorbereitungshandlung. <strong>Die</strong>s ist nicht zulässig, da gegen Art. 1 StGB<br />

verstossen würde. <strong>Die</strong> Bedeutung des Strafrechts liegt in der Reaktion auf einen<br />

geschehenen Rechtsbruch und nicht in der Pönalisierung des internen Willens 254 .<br />

252 Betreffend die Ausnahmen hinsichtlich Anstiftung zur Unterlassung siehe 3. Kapitel II.C und<br />

Fn. 229.<br />

253 SUÁREZ GONZÁLES, S. 54.<br />

254 STRATENWERTH, AT I, § 12 N 3.<br />

47


4. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Personenmehrheit<br />

48


4. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Personenmehrheit<br />

4. Kapitel Prüfung der Anwendbarkeit<br />

der <strong>strafrechtliche</strong>n <strong>Verantwortlichkeit</strong><br />

von Personenmehrheiten<br />

I. Keine Kollegialhaftung im schweizerischen<br />

Strafrecht<br />

Da nur das Gesamtorgan zur Abstimmung über Angelegenheiten ermächtigt ist, welche<br />

in seinen Kompetenzbereich fallen, bleibt abzuklären, ob alle Mitglieder des Gremiums<br />

für die strafrechtlich relevanten Folgen einzustehen haben, da das Gremium ein Kollektiv<br />

255 darstellt. Das von einem Kollektiv begangene Delikt wird im Folgenden „Kollegialdelikt“<br />

genannt, weil „Kollektivdelikt“ im schweizerischen Strafrecht bereits eine andere<br />

Bedeutung hat 256 . Ein Kollegialdelikt muss zu einer kollektiven <strong>Verantwortlichkeit</strong><br />

führen, d. h. alle Gremiumsmitglieder haben unabhängig von ihrem eigenen Verhalten —<br />

insbesondere von ihrem eigenen Stimmverhalten — für die strafrechtlich relevanten<br />

Folgen des Gremiumsbeschlusses einzustehen. Eine kollegiale Verantwortung führt somit<br />

zu einer umfangreichen <strong>Verantwortlichkeit</strong> für das pflichtwidrige Handeln und Unterlassen<br />

anderer 257 .<br />

Eine <strong>strafrechtliche</strong> Kollegialhaftung der Gremiumsmitglieder würde zwar sämtliche<br />

Kausalitäts- und Zurechnungsprobleme lösen, weil nur die Kausalität zwischen dem<br />

Beschluss und den strafrechtlich relevanten Folgen sowie der Vorsatz bzw. die Fahrlässigkeit<br />

des Gesamtgremiums nachzuweisen wären. <strong>Die</strong> Konsequenz einer Einführung<br />

der <strong>strafrechtliche</strong>n Kollegialhaftung wäre die Vereinfachung der Beweisführung. <strong>Die</strong><br />

<strong>strafrechtliche</strong> Kollegialhaftung als Kollektivstrafe entspricht insoweit einem Evidenz-<br />

und Effizienzdenken. Auch dem Gerechtigkeitsempfinden wäre teilweise genüge getan.<br />

255 WEBER, S. 115, weist darauf hin, dass die Begriffe Kollegium, Kollektiv, Kollektivorgan, Kollegialsystem<br />

und Kollegialitätsprinzip generell <strong>bei</strong> der Beschreibung des Willensbildungsprozesses im<br />

Verwaltungsrat gebraucht werden.<br />

256 Vgl. BGE 118 IV 93 (m. w. H. auf weitere Literatur): „Mehrere an sich selbständige strafbare<br />

Handlungen im Sinne einer natürlichen Handlungsmehrheit (von denen eigentlich jede einen<br />

bestimmten Tatbestand erfüllen würde) werden mitunter durch ihre gesetzliche Umschreibung im<br />

Tatbestand (gewerbsmässiges Delikt, bandenmässiges Delikt, Dauerdelikt) oder durch Lehre/<br />

Rechtsprechung (fortgesetztes Delikt) zu einer rechtlichen (BGE 108 IV 143 E. 1) oder juristischen<br />

Handlungseinheit verschmolzen; diese juristische Handlungseinheit wird auch als Kollektivdelikt<br />

bezeichnet.“ BGE 105 IV 159; 77 IV 9; HAFTER, S. 345, S. 348; SCHULTZ, AT I, S. 130 f.;<br />

STRATENWERTH, AT I, § 19 N 20; SCHWANDER, Nr. 327; SCHMID, Fortgesetztes Delikt, S. 134 ff.<br />

257 POSECK, S. 143; SCHMIDT-SALZER, Lederspray-Urteil, S. 2969.<br />

49


4. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Personenmehrheit<br />

Das Oberlandesgericht in Düsseldorf entschied in dieser Hinsicht, dass jedes<br />

Gremiumsmitglied für den getroffenen Entscheid einzustehen habe, weil ein Kollektiv<br />

die Entscheidfindung ausübe 258 . Des Weiteren urteilte das Oberlandesgericht Stuttgart,<br />

dass jedes Gremiumsmitglied bereits durch seine Mitgliedschaft die Mitverantwortung<br />

für sämtliche Gremiumsentscheidungen übernehme, zumal sich das einzelne Gremiumsmitglied<br />

bereit erklärt habe, sich einer Mehrheitsentscheidung zu unterwerfen. Blosses<br />

Dagegenstimmen genüge daher nicht, denn eine Kollegialentscheidung verbiete, weiter<br />

nach dem Kausalzusammenhang zwischen dem einzelnen Gremiumsmitglied und dem<br />

Abstimmungsresultat zu fragen 259 .<br />

Das schweizerische Recht ist jedoch auf dem Prinzip des individuellen Vorwurfs —<br />

ausser <strong>bei</strong> der Strafbarkeit des Unternehmens 260 — aufgebaut. <strong>Die</strong> <strong>strafrechtliche</strong><br />

<strong>Verantwortlichkeit</strong> der einzelnen Person knüpft an die persönlich vorwerfbare, rechtswidrige<br />

und schuldhafte Pflichtverletzung an 261 . Das Strafrecht hat insofern persönlichen<br />

Charakter, als eine <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong> nicht auf einen anderen überwälzt<br />

werden kann. <strong>Die</strong> Lehre von Täterschaft und Teilnahme würden sonst übergangen. Das<br />

schweizerische Strafrecht kennt deshalb keine gesetzliche Norm betreffend eine <strong>strafrechtliche</strong><br />

Kollegialhaftung. Auch die Lehre und Rechtsprechung erkennen keine<br />

Kollektivstrafe bzw. <strong>strafrechtliche</strong> Kollegialhaftung an 262 . Es ist gemäss HEINE klar,<br />

dass ein kollektiv erzeugter Verantwortungsüberschuss keinesfalls Gegenstand individueller<br />

<strong>strafrechtliche</strong>r Verantwortung sein kann. <strong>Die</strong>s ergibt sich auch aus dem Grundsatz:<br />

„Nemo ultra posse obligatur“ 263 . „Besteht eine Geschäftsführung aus mehreren<br />

Mitgliedern (mehrere Vorstandsmitglieder, mehrere Geschäftsführer), sind nicht etwa<br />

alle „kollektiv“ gleichermassen dafür verantwortlich, dass innerhalb des Unternehmens in<br />

einzelnen Bereichen <strong>strafrechtliche</strong> Pflichten verletzt wurden. Das kommt nur ausnahmsweise<br />

in Betracht, wenn alle Geschäftsführer gemeinsam gehandelt haben. Auch dann<br />

besteht aber keine Kollektivschuld, sondern eine Individualschuld jedes einzelnen<br />

aufgrund seiner individuellen Mitverantwortlichkeit“ 264,265 . Es wäre aber folglich<br />

258 OLG Düsseldorf, in: NJW 33 (1980) 71.<br />

259 OLG Stuttgart, in: NStZ 1 (1981) 28 und JZ 35 (1980) 775 f; WEISSER, Kausalitäts- und<br />

Täterschaftsprobleme, S. 173. FRANZHEIM, S. 1837, ist kritisch.<br />

260 Siehe 4. Kapitel V betreffend die subsidiäre und kumulative <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong> des<br />

Unternehmens.<br />

261 REHBERG/DONATSCH, § 7 Ziff. 2.2 f., S. 64 f.; vgl. auch SCHMIDT-SALZER, Lederspray-Urteil,<br />

S. 2969.<br />

262 BGE 105 IV 175; CASSANI, S. 44: „Universitas delinquere non potest“; TRECHSEL/NOLL, § 28 B.<br />

Ziff. 1, S. 147. BGE 85 IV 100: „Das ergibt sich schon daraus, dass nach den allgemeinen<br />

Bestimmungen des Strafgesetzbuches wegen Verbrechen, Vergehen oder Übertretungen (Art. 102<br />

StGB) nur strafbar ist, wer schuldhaft handelt.“<br />

263 HEINE, Europ. Entwicklungen, S. 26 f.<br />

264 SCHMIDT-SALZER, Strafrechtliche Produktverantwortung, S. 1940.<br />

265 Vgl. BGE 101 IV 168: Mittels Abstimmung wurde entschieden, den Referenten niederzuschreien. In<br />

der Folge wurden nur einige der Schreier bestraft. Hier<strong>bei</strong> ist festzuhalten, dass die Verfolgung und<br />

Bestrafung nur einiger von mehreren Beteiligten als Täter rechtens ist.<br />

50


4. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Personenmehrheit<br />

unbillig, ein Gremiumsmitglied strafrechtlich haften zu lassen, nur weil es an der<br />

Abstimmung teilgenommen und an dieser unterlegen war 266 .<br />

Es wurde festgestellt, dass eine Kollegialhaftung im schweizerischen Strafrecht<br />

inexistent ist, so dass für die einheitliche Bestrafung der (stimmberechtigten) Gremiumsmitglieder<br />

keine rechtliche Grundlage vorhanden ist. <strong>Die</strong> Schuld eines Täters ist immer<br />

seine eigene individuelle Schuld, und nicht — wie <strong>bei</strong> der Kollegialschuld — ein<br />

Teilhaben an dieser Schuld 267 .<br />

Beim mehrköpfigen Gremium muss somit die individuelle Strafbarkeit jedes<br />

einzelnen Gremiumsmitgliedes auf Grund der dem Einzelnen zur Last gelegten Pflichtverletzungen<br />

festgestellt werden. Damit eine <strong>strafrechtliche</strong> Kollegialhaftung nicht durch<br />

die Hintertür eingeführt werden kann, muss <strong>bei</strong>m Gremiumsbeschluss das Stimmverhalten<br />

jedes einzelnen Gremiumsmitgliedes, welches sich im Beschluss externalisiert,<br />

den Anknüpfungspunkt darstellen, denn erst das Stimmverhalten des jeweiligen<br />

Gremiumsmitgliedes löst u. U. eine <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong> aus. <strong>Die</strong> blosse<br />

Teilnahme an der Abstimmung als solche zeitigt keine Wirkung 268 . Zudem muss aber<br />

auch das Verhalten des Einzelnen nach der Abstimmung untersucht werden, da das<br />

Stimmverhalten sowie das Verhalten nach der Abstimmung u. U. nicht übereinstimmen.<br />

Aus diesem Grund ist die <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong> des einzelnen Gremiumsmitgliedes<br />

zu ermitteln.<br />

266 RANSIEK, Unternehmen und Konzern, S. 646.<br />

267 WEISSER, Kausalitäts- und Täterschaftsprobleme, S. 174.<br />

268 NEUDECKER, S. 204; POSECK, S. 145.<br />

51


4. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Personenmehrheit<br />

52


4. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Personenmehrheit<br />

II. Keine Anwendbarkeit der „notwendigen<br />

Teilnahme“<br />

Bei der <strong>strafrechtliche</strong>n Verfolgung der Gremiumsmitglieder lohnt es sich, den Begriff<br />

der „notwendige Teilnahme“ 269 genauer zu untersuchen, da die Verwirklichung eines<br />

Tatbestandes und somit des Deliktes mehrere Beteiligte erfordert. Teilweise wird da<strong>bei</strong><br />

auch von Konvergenzdelikten 270 gesprochen. Bei Delikten der notwendigen Teilnahme<br />

sind alle Beteiligten in gleicher Weise als „Täter“ strafbar, wenn nicht einer dieser<br />

„notwendigen Teilnehmer“ wegen individueller Schutzbestimmungen straflos ausgeht 271 .<br />

Infolge der Beteiligung an einer Abstimmung und der daraus entstehenden strafrechtlich<br />

relevanten Folgen könnte von einer notwendigen Teilnahme ausgegangen werden, denn<br />

die Gremiumsmitglieder nehmen am Beschluss teil, der strafrechtlich relevante Folgen<br />

zeitigt. Probleme ergeben sich hinsichtlich der (unentschuldigt) abwesenden Gremiumsmitglieder,<br />

weil deren Mitwirkung in Frage gestellt ist; diese Gremiumsmitglieder stehen<br />

als Nicht-Anwesende abseits, wie Zuschauer <strong>bei</strong> einem Raufhandel.<br />

<strong>Die</strong> Mitgliedschaft in einem Gremium ist i. d. R. kein strafrechtlich relevantes<br />

Verhalten 272 . Auch eine zivilrechtliche Verantwortung des Verwaltungsrates und der<br />

Geschäftsleitung bedeutet noch keine <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong>. Gemäss Art. 1<br />

StGB wird nur diejenige Person bestraft, die eine Tat begeht, die das Gesetz ausdrücklich<br />

mit Strafe sanktioniert. <strong>Die</strong>ses Legalitätsprinzip führt dazu, dass eine Abstimmung<br />

mangels eines Straftatbestandes im StGB wie auch in den Nebenstrafgesetzen strafrechtlich<br />

ein Nichts darstellt.<br />

Hinsichtlich des Vorsatzes ist <strong>bei</strong>m Konvergenzdelikt anzufügen, dass dieser nur auf<br />

eine Beteiligung am Konvergenzdelikt abzielt, indes nicht auf anderweitige strafrechtlich<br />

relevante Folgen. Kann zusätzlich zum Konvergenzdelikt die vorsätzliche oder fahrlässige<br />

Rechtsgutsverletzung eines Teilnehmers oder eines unbeteiligten Dritten durch<br />

einen bestimmten Teilnehmer nachgewiesen werden, ist der Letztere zusätzlich zum<br />

Konvergenzdelikt zu bestrafen 273 . Auch aus diesem Blickwinkel müsste — wenn die<br />

Abstimmung ein Konvergenzdelikt darstellte — zusätzlich der Nachweis der Kausalität<br />

des Verhaltens des jeweiligen Gremiumsmitgliedes erbracht werden, falls die<br />

269 HURTADO POZO, N 735 ff.; KILLIAS, N 628; SCHULTZ, Täterschaft und Teilnahme, S. 289; RIKLIN,<br />

§ 18 N 82; REHBERG/DONATSCH, § 8 Ziff. 2.6, S. 80 sowie § 16 Ziff. 3, S. 162.<br />

270 FORSTER, N 56 der Vorbem. zu Art. 24 StGB.<br />

271 TRECHSEL/NOLL, § 31 H., S. 226; vgl. Art. 133, Art. 157, Art. 213 Abs. 2, Art. 215, Art. 260,<br />

Art. 285 Ziff. 2, Art. 310 Ziff. 2 und Art. 311 StGB.<br />

272 Siehe 4. Kapitel IV.<br />

273 BGE 118 IV 229, wo<strong>bei</strong> zu beachten ist, dass ausnahmsweise das Konvergenzdelikt durch den<br />

Verletzungstatbestand konsumiert wird, wenn der Verletzte die einzige angegriffene Person ist. BGE<br />

83 IV 192; STRATENWERTH/JENNI, § 4 N 24 ff.<br />

53


4. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Personenmehrheit<br />

Ausführung bzw. die Umsetzung eines Gremiumsbeschlusses zu strafrechtlich relevanten<br />

Folgen führte.<br />

Aus dem Rechtsbegriff der „notwendigen Teilnahme“ kann für die <strong>strafrechtliche</strong><br />

<strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> <strong>Mehrheitsentscheidungen</strong> eines Gremiums nichts gewonnen<br />

werden. <strong>Die</strong> <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong> des einzelnen Gremiumsmitgliedes ist<br />

deshalb immer noch rein persönlich zu verstehen und daher jedem einzeln nachzuweisen.<br />

54


4. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Personenmehrheit<br />

III. Prüfung der Anwendbarkeit der <strong>strafrechtliche</strong>n<br />

Organhaftung<br />

Das Gremium kann ein Organ darstellen, womit ein <strong>strafrechtliche</strong>r Anknüpfungspunkt<br />

zur Organhaftung gefunden ist. <strong>Die</strong> einzelnen Gremiumsmitglieder sind somit Mitglieder<br />

eines Organs, was dazu führen könnte, dass alle Gremiumsmitglieder strafrechtlich<br />

verantwortlich wären, falls sich auf Grund des Gremiumsbeschlusses strafrechtlich<br />

relevante Folgen ergeben würden.<br />

Zur Begriffserläuterung ist auszuführen, dass Art. 172 StGB 274 Organe und <strong>bei</strong><br />

Kollektivorganen die einzelnen Mitglieder des betreffenden Organs umfasst 275 . Der<br />

Organbegriff schliesst alle Personen ein, die im Rahmen der Gesellschaftstätigkeit<br />

selbständige Entscheidungsbefugnis haben, auch wenn sie diese mit andern teilen<br />

müssen 276 . Das Bundesgericht hat hier<strong>bei</strong> festgestellt, dass Personen, welche als Mitglieder<br />

der statutarischen Verwaltung, als Dritte, als Bevollmächtigte oder als deren<br />

Strohmänner handeln und dadurch die juristische Person tatsächlich leiten, ebenfalls<br />

unter den Organbegriff fallen 277 . Der <strong>strafrechtliche</strong> Organbegriff gemäss Art. 172 StGB<br />

umfasst somit alle Personen, welche die Gesellschaft tatsächlich leiten, weshalb auch<br />

faktische Organe darunter fallen. Der <strong>strafrechtliche</strong> Organbegriff ist da<strong>bei</strong> weiter gefasst<br />

als der zivil- und handelsrechtliche Organbegriff 278 .<br />

Art. 172 StGB stipuliert, dass die <strong>bei</strong> der juristischen Person vorliegenden Sondermerkmale,<br />

welche die Strafbarkeit begründen und erhöhen, auch <strong>bei</strong> der entsprechenden<br />

handelnden natürlichen Person vorhanden seien 279 , weil die für die juristische Person<br />

handelnden natürlichen Personen mangels Erfüllung der persönlichen Merkmale straffrei<br />

ausgehen würden. An Stelle der juristischen Person haften die Organe, die stellvertretend<br />

für diese gehandelt haben 280 . Im Übrigen ändert Art. 172 StGB nichts an den Tatbestandserfordernissen<br />

in Bezug auf die einzelne natürliche Person. <strong>Die</strong> als Organ<br />

haftbare Person muss die entsprechende Straftat objektiv und subjektiv verwirklicht<br />

haben, damit sie strafrechtlich belangt werden kann 281 .<br />

274<br />

Im Entwurf zur Änderung des allgemeinen Teils des schweizerischen Strafgesetzbuches wird die<br />

Organhaftung neu in Art. 29 nStGB geregelt.<br />

275<br />

WEISSENBERGER, N 7 zu Art. 172 StGB.<br />

276<br />

BGE 106 IV 22; 116 IV 28.<br />

277<br />

BGE 107 IV 177.<br />

278<br />

MÜLLER/LIPP/PLÜSS, S. 256; STRATENWERTH/JENNI, § 25 N 5.<br />

279<br />

BGE 97 IV 203; SCHULTZ, AT I, S. 118; WEISSENBERGER, N 2 zu Art. 172 StGB. TRECHSEL,<br />

Kurzkommentar, N 3 zu Art. 172 StGB, weist darauf hin, dass die Organhaftung gemäss Art. 172<br />

StGB für alle Vermögensdelikte innerhalb juristischer Personen, Kollektiv- und Kommanditgesellschaften<br />

sowie in einfachen Gesellschaften gilt.<br />

280<br />

BGE 104 IV 141; 100 IV 39; 97 IV 203 f.; 85 IV 97; 82 IV 46; WEISSENBERGER, N 1 zu Art. 172<br />

StGB.<br />

281<br />

BGE 105 IV 175 f.; GEHRIGER, S. 139; STRATENWERTH/JENNI, § 25 N 9.<br />

55


4. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Personenmehrheit<br />

In Art. 172 und Art. 326 StGB 282 kommt deutlich zum Ausdruck, dass ein Organ —<br />

etwa der Verwaltungsrat — nicht allein kraft seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung<br />

bestraft werden kann, sondern dass nur jene Organe bzw. Organpersonen für Delikte im<br />

Geschäftsbetrieb einer juristischen Person strafbar sind, welche diese Straftat auch<br />

begangen haben. Um die Folgen von <strong>Mehrheitsentscheidungen</strong> von Organen — z. B. des<br />

Verwaltungsrates oder der Geschäftsleitung, welche als mehrköpfiges Gremium auf<br />

Grund einer Abstimmung die Mehrheitsentscheidung umsetzten — strafrechtlich zu<br />

verfolgen, taugt die Organhaftung somit nur begrenzt. Bei <strong>Mehrheitsentscheidungen</strong><br />

eines Gremiums muss weiterhin nachgewiesen werden, dass das jeweilige Gremiumsmitglied<br />

für die strafrechtlich relevanten Folgen verantwortlich ist. Mit den vorgenannten<br />

Strafartikeln kann einzig festgestellt werden, dass das Gremiumsmitglied ein Organ ist<br />

und strafrechtlich belangt werden kann, wenn nur die juristische Person Sondermerkmale<br />

aufweist.<br />

282 Gemäss WEISSENBERGER, N 1 ff. zu Art. 362 StGB, <strong>bei</strong>nhaltet auch Art. 326 StGB eine Organ- und<br />

Vertreterhaftung. Abgesehen davon, dass sich der Anwendungsbereich von Art. 326 StGB über die<br />

Art. 323-325 StGB erstreckt, kann hinsichtlich des Inhalts auf die Ausführungen zu Art. 172 StGB<br />

verwiesen werden.<br />

56


4. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Personenmehrheit<br />

IV. Prüfung der Anwendbarkeit des Straftatbestandes<br />

der „kriminellen Organisation“<br />

Das entscheidende Gremium könnte als kriminelle Organisation tätig sein. <strong>Die</strong><br />

„kriminelle Organisation“ wird gemäss Art. 260 ter StGB eng definiert 283 . Als Beteiligte<br />

gemäss Art. 260 ter StGB werden führende sowie einfache Mitglieder erfasst. Das<br />

massgebende Element ist die Unterordnung unter den Willen der Organisation 284 .<br />

„Kriminelle Organisationen“ können ihre Strukturen flexibel anpassen, womit auch<br />

horizontale Strukturen unter den Tatbestand von Art. 260 ter StGB fallen 285 . <strong>Die</strong><br />

Schwierigkeit besteht nun in der Unterscheidung eines illegalen von einem legalen<br />

Gebilde, weil eine „kriminelle Organisation“ auch erlaubte Unternehmen führen kann.<br />

<strong>Die</strong> Organisation braucht kein rechtliches, sondern nur ein faktisches Gebilde zu sein,<br />

dessen Struktur derart sein muss, dass die besondere Gefährlichkeit dieses Gebildes<br />

objektiv feststellbar ist und dass dieses systematische und planmässige Vorkehrungen<br />

aufweist. Der Aufbau und die personelle Zusammensetzung müssen zudem geheim sein,<br />

was nur durch systematische Abschottung zu bewerkstelligen ist 286 . Wird ein<br />

Unternehmen indes rechtskonform geführt und dient es nicht als „legale Fassade“ einer<br />

Verbrechensorganisation — wo<strong>bei</strong> die personelle Zusammensetzung weder intern noch<br />

extern geheim ist — liegt keine „kriminelle Organisation“ gemäss Art. 260 ter StGB<br />

vor 287 . Bekannte Organisationen, die legale Ziele mit illegalen Mitteln verfolgen, sowie<br />

illegale Nebengeschäfte legaler Organisationen fallen also nicht unter Art. 260 ter StGB 288 .<br />

<strong>Die</strong> Mitgliedschaft in einer „kriminellen Organisation“ reicht umgekehrt aus, um eine<br />

Strafbarkeit des Mitgliedes der „kriminellen Organisation“ zu erreichen, ohne dass da<strong>bei</strong><br />

die Mitwirkung an einer konkreten Straftat, die durch die Organisation begangen worden<br />

ist, nachgewiesen werden muss. <strong>Die</strong> Strafbarkeit wird somit auf die Zugehörigkeit und<br />

die Unterstützung vorverlegt 289 .<br />

Soll das Gremiumsmitglied für das einzelne Delikt, welches die Folge des vorgenommenen<br />

Gremiumsbeschlusses ist, strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden,<br />

muss ein Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Gremiumsmitgliedes, dem<br />

Beschluss sowie der Straftat nachgewiesen werden. Dazu bietet der Straftatbestand von<br />

283 ARZT, Kommentar, N 15 f. zu Art. 260 ter StGB.<br />

284 ARZT, Kommentar, N 132 zu Art. 260 ter StGB.<br />

285 BBl 1993, 297, nimmt Bezug auf den Richter Giovanni Falcone, welcher horizontale Organisationsstrukturen<br />

<strong>bei</strong> Camorra und Ndrangheta festgestellt hat. BAUMGARTNER, N 6 zu Art 260 ter StGB,<br />

definiert die kriminelle Organisation als hierarchisch aufgebauten Personenzusammenschluss.<br />

286 WEDER, Ausführungen zu Art. 260 ter Ziff. 1 StGB.<br />

287 ARZT, Kommentar, N 136 ff. zu Art. 260 ter StGB.<br />

288 ARZT, Kommentar, N 143 f. zu Art. 260 ter StGB.<br />

289 ARZT, Kommentar, N 54 zu Art. 260 ter StGB; BAUMGARTNER, N 4 zu Art 260 ter StGB. BBl 1993,<br />

296.<br />

57


4. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Personenmehrheit<br />

Art. 260 ter StGB keine Möglichkeit 290 . <strong>Die</strong> <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong> des einzelnen<br />

Gremiumsmitgliedes <strong>bei</strong> <strong>Mehrheitsentscheidungen</strong> muss folglich immer je einzeln<br />

festgestellt werden.<br />

290 Das Beweisproblem der konkreten Verantwortung für eine Straftat in einer kriminellen Organisation<br />

hat zur Schaffung dieses Straftatbestandes geführt, vgl. ARZT, Kommentar, N 148 zu Art. 260 ter<br />

StGB.<br />

58


4. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Personenmehrheit<br />

V. Prüfung der Anwendbarkeit der Strafbarkeit<br />

des Unternehmens<br />

Im Strafrecht galt der Grundsatz, dass nur eine natürliche Person 291 strafrechtlich zur<br />

Verantwortung gezogen werden kann. Doch ein Unternehmen wurde auch vor der<br />

Revision 292 nicht gänzlich von Strafe verschont. Gewisse Ausnahmen fanden sich in<br />

Bundesgesetzen 293 , insbesondere in Verwaltungs- und Fiskalgesetzen des Bundes, z. B.<br />

Art. 7 VStrR, Art. 26 UWG, Art. 181 DBG, Art. 41 BEHG. Auch kantonale Gesetze<br />

können solche Regelungen enthalten 294 .<br />

Gemäss Art. 100 quater Abs. 1 StGB 295 ist ein Unternehmen 296 seit der erwähnten<br />

Revision strafrechtlich belangbar, wenn durch dessen Betrieb eine Straftat — ein<br />

291 Zwar bestätigte das Bundesgericht für das Strafrecht mehrfach, dass nur eine natürliche Person<br />

gemäss Art. 18 StGB mit Wissen und Willen oder mit Voraussicht handeln könne. Eine juristische<br />

Person verfüge nicht über diese Fähigkeiten, so dass sie auch nicht delinquieren könne, vgl. BGE 85<br />

IV 95 ff.; <strong>Die</strong> juristische Person sei zudem nicht schuldfähig, was eine Voraussetzung für die<br />

<strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong> darstellt. <strong>Die</strong> beabsichtigte Wirkung der Strafe könne<br />

infolgedessen nur <strong>bei</strong> natürlichen Personen erreicht werden. Vgl. BGE 105 IV 175 E. 3; 85 IV 100;<br />

GRAVEN/STRÄULI, N 49 B., S. 74 f.; KRAUSS, S. 41; RIKLIN, § 12 N 14; STRATENWERTH, AT I, § 9<br />

N 3; SCHULTZ, AT I, S. 115 f.<br />

292 Änderung vom 21. März 2003, in: BBl 2003, 2847–2851. <strong>Die</strong> Referendumsfrist betreffend die<br />

<strong>Verantwortlichkeit</strong> des Unternehmens lief am 10. Juli 2003 unbenutzt ab. <strong>Die</strong>se neue Regelung<br />

wurde am 1. Oktober 2003 in Kraft gesetzt, vgl. AS 2003, S. 3047, so dass ein Unternehmen nun<br />

strafrechtlich belangbar ist. Betreffend Entwicklung des Unternehmensstrafrechtes vgl. BBl 2002,<br />

5437 ff.; HEINE, Unternehmensstrafrecht, S. 25 ff.; HURTADO POZO, Quelques réflexion sur la<br />

responsabilité pénale de l’entreprise.<br />

293 Vgl. 100 IV 40 ff.; 104 IV 141; 105 IV 175; KILLIAS, N 611; REHBERG/DONATSCH, § 7 Ziff. 2.11,<br />

S. 62 f.; RIKLIN, § 12 N 16; SCHULTZ, AT I, S. 116 m. w. H. auf verschiedene Entscheide des<br />

Bundesgerichtes; WEISSENBERGER, N 1 zu Art. 172 StGB; ZAPPELLI, S. 193 f.; Zur Geschichte der<br />

Strafbarkeit der juristischen Person, vgl. SCHULTZ, AT I, S. 116.<br />

294 BGE 101 Ia 109 ff.; SCHULTZ, AT I, S. 117; Art. 335 StGB.<br />

295 Bei Inkrafttreten der Änderung vom 13. Dezember 2002 des Strafgesetzbuches wird der obgenannte<br />

Artikel als Art. 102 Abs. 1 nStGB aufgeführt. BBl 1999, 2143. Gemäss ARZT, Juristische Person,<br />

Rz. 6, wird der Organisationsmangel erst dann zum Vorwurf gemacht, wenn die für die Straftat<br />

verantwortliche natürliche Person nicht ausfindig gemacht werden kann. PIETH, Verantwortung des<br />

Unternehmens, S. 362; SCHMID, Strafbarkeit des Unternehmens, S. 778.<br />

295 Bei Inkrafttreten der Änderung des Strafgesetzbuches vom 13. Dezember 2002 wird der obgenannte<br />

Artikel als Art. 102 Abs. 2 nStGB aufgeführt.<br />

296 Der Begriff des Unternehmens umfasst die juristische Person, die Personengesellschaft sowie die<br />

Einzelfirma, vgl. PIETH, Verantwortung des Unternehmens, S. 359. BERTOSSA, S. 88 ff. Gemäss<br />

SCHMID, Strafbarkeit des Unternehmens, S. 768 ff. sind im Bereich von Kultur, Freizeit etc. tätige<br />

Vereine und gemeinnützige Stiftungen nicht als Unternehmen zu werten. Dagegen seien Vereine, die<br />

kaufmännisch tätig sind oder sich ins Handelsregister eintragen lassen müssen, sowie Unternehmensstiftungen<br />

als Unternehmen i. S. v. Art. 100 quater StGB zu qualifizieren. Eine juristische Person,<br />

welche keine geschäftlichen Aktivitäten entfalte, falle nicht unter den Begriff des Unternehmens.<br />

Liege eine Einmann-Aktiengesellschaft vor, deren Aktien der geschäftsführenden Person gehören,<br />

soll gemäss SCHMID, Strafbarkeit des Unternehmens, S. 771, wie <strong>bei</strong> einer Einzelfirma keine<br />

kumulative Bestrafung des Unternehmens sowie des Inhaber bzw. des geschäftsführenden Aktionärs<br />

als eruierter Täter vorgenommen werden, da dies zu einer Doppelbestrafung führe.<br />

59


4. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Personenmehrheit<br />

Verbrechen oder ein Vergehen 297 — verübt wird und der eigentliche Täter nicht ermittelt<br />

werden kann, weil die Organisation des Unternehmens mangelhaft ist 298 .<br />

Der Täterkreis des Anlassdeliktes umfasst nicht nur die Vertreter des Unternehmens,<br />

sondern auch Angestellte sowie Beauftragte, die im Rahmen eines „Outsourcing“ dem<br />

Unternehmenszweck dienen 299 . Damit aber überhaupt eine <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong><br />

des Unternehmens untersucht werden kann, muss ein Verbrechen oder Vergehen<br />

in Ausübung geschäftlicher Verrichtung und im Rahmen des Unternehmenszweckes<br />

begangen worden sein 300 . Exzesstaten werden von der Umschreibung in Ausübung<br />

geschäftlicher Verrichtung und im Unternehmenszweck nicht umfasst 301 . In diesem<br />

Zusammenhang ist auf SCHMID hinzuweisen, welcher die Strafbarkeit des Unternehmens<br />

<strong>bei</strong> Straftaten, die sich gegen das Unternehmen selbst richten, verneint. Seiner Meinung<br />

nach würde eine Bestrafung des Unternehmens in einer solchen Situation der Bedeutung<br />

der <strong>strafrechtliche</strong>n Unternehmenshaftung entgegenstehen, denn das Strafverfolgungsinteresse<br />

Dritter und der Öffentlichkeit soll gewahrt werden. Dem Unternehmen soll <strong>bei</strong><br />

Delikten zu seinem Nachteil nicht noch durch die <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong> als<br />

Unternehmen ein weiterer Schaden zugefügt werden 302 .<br />

Auf die Strafbarkeit des Unternehmens auf Grund von Art. 100 quater Abs. 1 StGB darf<br />

nicht vorschnell zurückgegriffen werden. <strong>Die</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong> der juristischen Person<br />

stellt gemäss MOREILLON nur eine „ultima ratio“ dar, weil das Unternehmen hier<br />

subsidiär strafrechtlich verantwortlich gemacht werden kann und wird 303 . Nach<br />

Art. 100 quater Abs. 1 StGB kann die subsidiäre <strong>Verantwortlichkeit</strong> des Unternehmens erst<br />

dann zum Zuge kommen, wenn sich die Tat keiner bestimmten Person zuordnen lässt 304 .<br />

297<br />

Übertretungen gemäss Art. 101 StGB (Art. 103 nStGB) sind somit ausgeschlossen. SCHMID,<br />

Strafbarkeit des Unternehmens, Fn. 46 auf S. 772, ist der Meinung, dass aber trotzdem Art. 100<br />

Ziff. 2 SVG und Art. 7 sowie Art. 6 Abs. 2 VStrR anwendbar seien, wo<strong>bei</strong> das Verhältnis von<br />

Art. 100 quater StGB zum VStrR noch zu klären sei. PONCET/MACALUSO, S, 530, sind der Ansicht, das<br />

Unternehmen habe für jegliche Begehung einer Rechtsgutverletzung einzustehen, wenn alle anderen<br />

Voraussetzungen erfüllt sind.<br />

298<br />

Gemäss ARZT, Juristische Person, Rz. 6, wird der Organisationsmangel in der Folge als Vorwurf<br />

erachtet, wenn die für die Straftat verantwortliche natürliche Person nicht ausfindig gemacht werden<br />

kann. REHBERG/DONATSCH, § 7 Ziff. 2.11 und 2.12, S. 63.<br />

299<br />

SCHMID, Strafbarkeit des Unternehmens, S. 771, weist darauf hin, dass die <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong><br />

des Unternehmens nicht an den Art. 172 StGB (Art. 29 nStGB) anknüpft, sondern an<br />

den Teil „in einem Unternehmen“ gemäss Art. 100 quater Abs. 1 StGB.<br />

300 quater<br />

Vgl. Art. 100 Abs. 1 StGB. Vgl. auch ROTH, Une responsabilité sans culpabilité?, S. 191 f., der<br />

aber darauf hinweist, dass der Unternehmenszweck unter die Lupe zu nehmen sei, weil dieser<br />

rechtswidrig sein könne. Vgl. auch SCHMID, Strafbarkeit des Unternehmens, S. 774 mit Beispielen.<br />

SCHMID macht darauf aufmerksam, dass Straftaten, die keinen Bezug zur geschäftlichen Tätigkeit<br />

des Unternehmens haben und sich nicht als betriebstypische Gefahren äussern, nicht von<br />

Art. 100 quater Abs. 1 StGB erfasst werden; ebenso ARZT, Juristische Person, S. 234.<br />

301<br />

PIETH, Verantwortung des Unternehmens, S. 361; ROTH, Une responsabilité sans culpabilité?,<br />

S. 190.<br />

302<br />

SCHMID, Strafbarkeit des Unternehmens, S. 776.<br />

303<br />

MOREILLON, La responsabilité pénale de l’entreprise, S. 326.<br />

304<br />

BBl 1999, 2143; PIETH, Verantwortung des Unternehmens, S. 362; SCHMID, Strafbarkeit des<br />

60<br />

Unternehmens, S. 778.


4. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Personenmehrheit<br />

Wird der Täter jedoch individualisiert, so ist die Unternehmenshaftung gemäss<br />

Art. 100 quater Abs. 1 StGB gegenstandslos 305 . ARZT sieht das neue Unternehmensstrafrecht<br />

denn auch als harmlos an, weil die Strafbarkeit des Unternehmens hinter der<br />

Geschäftsherrenhaftung und der Strafbarkeit des kleinen Mitar<strong>bei</strong>ters zurückstehe 306 .<br />

WOHLERS sieht in der Regelung von Art. 100 quater Abs. 1 StGB eine stillschweigende<br />

Aufforderung gegenüber den Unternehmen, ihre Organisation derart aufzubauen, dass<br />

stets ein Bauernopfer erbracht werden kann 307 .<br />

<strong>Die</strong> <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong> des Unternehmens ist jedenfalls dort gegeben,<br />

wo „weder Ungenügen der Polizei noch besonderes Geschick der Täter zum negativen<br />

Ergebnis führen, sondern vermeidbare Organisationsdefizite des Unternehmens“ 308 . „Ein<br />

zusätzliches weites Feld von Fragen eröffnet sich mit dem Erfordernis, dass die<br />

Zurechenbarkeit an der mangelhaften Organisation des Unternehmens scheiterte. Eine<br />

mangelhafte Organisation, welche die Deliktsbegehung selbst ermöglichte oder<br />

erleichterte, genügt <strong>bei</strong> Abs. 1 somit nicht; erfassbar sind lediglich Organisationsmängel<br />

bezüglich der Verhinderung der Zurechenbarkeit“ 309 . Das Unternehmen hat damit die<br />

Pflicht, sich so zu organisieren, dass der jeweilige Täter eruiert werden kann. Wie diese<br />

Organisation jedoch auszusehen hat, wird indes von Art. 100 quater Abs. 1 StGB nicht<br />

geregelt. Dem Unternehmen wird somit sozusagen eine Pflicht zur Beweissicherung<br />

auferlegt 310 .<br />

Der Nachweis des <strong>strafrechtliche</strong>n Verhaltens des jeweiligen Gremiumsmitgliedes<br />

kann durch das Protokoll 311 oder durch Zeugen erbracht werden 312 . Bei der Entscheid-<br />

305 SCHMID, Strafbarkeit des Unternehmens, S. 773.<br />

306 ARZT, Strafrechtliche Verantwortung, S. 357; ebenso PIETH, Verantwortung des Unternehmens,<br />

S. 357 und SCHMID, Strafbarkeit des Unternehmens, S. 779.<br />

307 WOHLERS, Strafbarkeit des Unternehmens, S. 384.<br />

308 BBl 1999, 2140.<br />

309 SCHMID, Strafbarkeit des Unternehmens, S. 779 (Hervorhebungen durch den Autor selbst). Vgl. auch<br />

BERTOSSA, S. 270 ff., der darauf hinweist, dass das Organisationsversagen eine Strafbarkeitsvoraussetzung<br />

darstellt<br />

310 SCHMID, Strafbarkeit des Unternehmens, S. 780.<br />

311 Siehe 2. Kapitel III.E.9.<br />

312 Der Inhalt der Beschlüsse stellt gemäss KRNETA, N 847, ein Interna der Gesellschaft dar, so dass nur<br />

die jeweiligen Gremiumsmitglieder, Verwaltungsratsmitglieder oder Geschäftsleitungsmitglieder<br />

Einsicht in das Protokoll erhalten können. Alle anderen sind nicht berechtigt, vom Inhalt des<br />

Beschlusses zu erfahren. BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 154, ist der Meinung, dass<br />

Protokolle nicht unter die in Art. 963 OR genannten Bücher, Korrespondenzen etc. fallen, für welche<br />

die Gesellschaft editionspflichtig ist. HUNGERBÜHLER, S. 105; KRNETA, N 851; WERNLI, N 36 zu<br />

Art. 713 OR, vertreten die Ansicht, dass die Protokolle im Prozess der Editionspflicht gemäss<br />

Art. 963 OR unterliegen würden. In jedem Fall können nur die Untersuchungsbehörden mittels<br />

Beschlagnahmung an diese Dokumente ausserhalb eines Prozesses gelangen, vgl. KRNETA, N 852.<br />

Aus diesem Grund ergeben sich keine Gegenargumente zur Forderung, zu den persönlichen Voten in<br />

der Beratungsphase auch das genaue Stimmverhalten der jeweiligen Gremiumsmitglieder niederzuschreiben.<br />

So wäre beweisrechtlich schnell geklärt, welches Stimmverhalten von welchem<br />

Gremiumsmitglied an den Tag gelegt worden ist. Ebenso lassen sich aus der Führung des Protokolls<br />

einige Schlussfolgerungen auf die <strong>bei</strong> der Sitzung angewandte Sorgfalt ziehen. Des Weiteren kann<br />

eruiert werden, ob der Verwaltungsrat eigenständig entschieden oder auf Weisung eines faktischen<br />

Organs gehandelt hat, MÜLLER/LIPP/PLÜSS, S. 271.<br />

61


4. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Personenmehrheit<br />

findung des Gremiums mittels Mehrheitsentscheidung ist es jedoch schwierig zu<br />

eruieren, welches Gremiumsmitglied welches Stimmverhalten ausgeübt hat und somit<br />

kausal handelt 313,314 . In diesem Zusammenhang muss abgeklärt werden, ob die Nichtprotokollierung<br />

des Stimmverhaltens der Gremiumsmitglieder als Organisationsmangel<br />

verstanden werden kann 315 . Gemäss SCHMID muss der Organisationsmangel nicht individualisiert<br />

werden 316 . PIETH weist darauf hin, dass Fälle von personaler Desorganisation<br />

des Unternehmens einerseits und andererseits die Tatsache, dass sich der eigentliche<br />

Täter in einer beschränkten Personengruppe nicht bestimmen lässt, Beweggrund war für<br />

die Einführung der <strong>strafrechtliche</strong>n <strong>Verantwortlichkeit</strong> des Unternehmens. Fehlt eine<br />

Protokollierung der Stimmverhalten, ist somit m. E. von einem grundlegenden Organisationsmangel<br />

i. S. v. Art. 100 quater Abs. 1 StGB auszugehen 317 .<br />

Dem Verwaltungsrat obliegt eine allgemeine Protokollierungspflicht 318 . Es wird auch<br />

anerkannt, dass das Protokoll die ganze Sitzung wiederzugeben hat 319 , so dass m. E.<br />

damit auch die Protokollierung der Stimmverhalten gemeint ist. <strong>Die</strong>se Auslegung von<br />

Art. 713 Abs. 3 OR widerspricht nicht der Auffassung von SCHMID, nach welcher das<br />

313 Siehe 5. Kapitel I.<br />

314 PIETH, Verantwortung des Unternehmens, S. 361, S. 366.<br />

315 Vgl. Art. 713 Abs. 3 OR. Aus dem Protokoll ist ersichtlich, wie die Sitzung abgelaufen ist, welche<br />

Entscheide getroffen worden sind und welches Gremiumsmitglied welches Stimmverhalten an den<br />

Tag gelegt hat. Das Protokoll hat dadurch Beweischarakter, vgl. KRNETA, N 845 und 848. Ist das<br />

Protokoll nicht unterschrieben, ist es dennoch gültig, jedoch in seiner Beweisfunktion beeinträchtigt,<br />

vgl. KRNETA, N 850; WERNLI, N 35 zu Art. 713 OR. Grundsätzlich wird von der Richtigkeit des<br />

Protokolls als Beweisurkunde ausgegangen, vgl. KRNETA, N 853; WERNLI, N 26 zu Art. 713 OR.<br />

Um die <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Gremiumsmitglieder korrekt eruieren zu können, ist<br />

die Führung des Protokolls während der Sitzung eines Gremiums — Verwaltungsrats, Geschäftsleitung,<br />

Ausschuss und Beirat — von äusserster Wichtigkeit. Das Protokoll ist im Beweisverfahren<br />

von grossem Nutzen, denn eine <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong> kann schliesslich erst dann<br />

vorliegen, wenn einem „Täter oder Teilnehmer“ nachgewiesen werden kann, dass sich der zu<br />

beurteilende Sachverhalt so zugetragen hat. Liegen keine Beweise vor, ist auf Grund des Grundsatzes<br />

„in dubio pro reo“ zu Gunsten des Angeklagten auf Unschuldigkeit zu erkennen. Liegt kein<br />

Protokoll vor, heisst dies nicht, dass die jeweiligen Gremiumsmitglieder nicht zur Verantwortung<br />

gezogen werden können. Auch Zeugenaussagen stellen ein Beweismittel dar, wo<strong>bei</strong> <strong>bei</strong> der<br />

Auswertung derselben Vorsicht walten zu lassen ist, da inzwischen Jahre vergangen sein können,<br />

vgl. HÜTTE, S. 41, der darauf hinweist, dass ein Protokoll einer Verwaltungsratssitzung einen Beweis<br />

bildet, solange seine Unrichtigkeit nicht dargetan sei. Eine Unmöglichkeit des Nachweises einer<br />

aktiven Beteiligung der Gremiumsmitglieder an der Straftat (aktive Beteiligung ist hier i. S. v.<br />

Teilnahme an der Abstimmung gemeint) könnte zur Folge haben, dass Gremiumsmitglieder, die<br />

nicht gegen die Durchführung der Straftat vorgegangen sind, und es somit unterlassen haben, die<br />

<strong>strafrechtliche</strong>n Folgen zu unterbinden, allenfalls doch i. S. der Geschäftsherrenhaftung (vgl. BGE<br />

105 IV 175 f. und 96 IV 174 f.) oder als durch Gesetz, Vertrag oder durch ihre Pflichten kraft<br />

Kompetenzbereich bzw. Organisationszuständigkeit zum Eingriff verpflichtete Garanten strafrechtlich<br />

belangt werden. Das Bundesgericht rechnet jedem Gremiumsmitglied, welches die Verletzung<br />

des Rechtsgutes nicht verhindert, die Verletzung des Rechtsgutes zu. Es stellt da<strong>bei</strong> auf die<br />

Zuständigkeit des Gremiums ab. <strong>Die</strong> Abstimmung wird sodann nicht beachtet, vgl. BGE 122 IV 129.<br />

316 SCHMID, Strafbarkeit des Unternehmens, S. 773.<br />

317 Vgl. dazu PIETH, Verantwortung des Unternehmens, S. 364, welcher darauf hinweist, dass es nicht<br />

um die maximale Sorgfalt sondern die erwartbare Anstrengung gehe.<br />

318 BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 152, der auch darauf hinweist, dass im Art. 715 Abs. 2 aOR<br />

von 1936 dies ausdrücklich geregelt gewesen sei.<br />

319 Siehe 2. Kapitel III.E.9.<br />

62


4. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Personenmehrheit<br />

Strafrecht auf ausser<strong>strafrechtliche</strong> Pflichten zu verweisen habe — wo<strong>bei</strong> sich diese aus<br />

allgemein anerkannten und zu beachtenden Regeln bestimmter Berufsgruppen ergeben<br />

müssten 320,321 . Zudem muss auf den Einpersonen-Verwaltungsrat hingewiesen werden. In<br />

diesem Fall ist immer genau eruierbar, wer Täter ist. In dieser Hinsicht ist der<br />

Mehrpersonen-Verwaltungsrat besser gestellt, wenn das Stimmverhalten der Mitglieder<br />

eines Gremiums <strong>bei</strong> Fehlen einer Protokollierung der Stimmverhalten u. U. schwer<br />

eruierbar ist und mangels Zurechenbarkeit der Straftat zur Straflosigkeit der Mitglieder<br />

führt. Stellen die zu verfolgenden strafrechtlich relevanten Folgen sodann auch noch<br />

Straftaten dar, die weder in Ausübung geschäftlicher Verrichtung noch im Rahmen des<br />

Unternehmenszweckes erfolgten und/oder die weder als Verbrechen noch als Vergehen<br />

zu qualifizieren sind, kann nicht einmal das Unternehmen strafrechtlich verantwortlich<br />

gemacht werden.<br />

Im Gegensatz zu Abs. 1 des Art. 100 quater StGB greift Art. 100 quater Abs. 2 StGB 322<br />

besser, weil eine kumulative <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong> des Unternehmens<br />

möglich ist. In den Fällen, in denen es sich um eine Straftat gemäss Art. 260 ter ,<br />

Art. 260 quinquies , Art. 305 bis , Art. 322 ter , Art. 322 quinquies sowie Art. 322 septies StGB handelt,<br />

wird das Unternehmen unabhängig von der Strafbarkeit der natürlichen Person strafrechtlich<br />

belangt. <strong>Die</strong>s erfolgt aber nur unter der Voraussetzung, dass dem Unternehmen<br />

vorzuwerfen ist, nicht alles unternommen zu haben, um die in Art. 100 quater Abs. 2 StGB<br />

genannten Straftaten im Betrieb zu unterbinden 323 . Abs. 1 und Abs. 1 bis von Art. 100 quater<br />

StGB knüpfen somit an einen anderen Organisationsmangel an. Das Unternehmen wird<br />

strafrechtlich verantwortlich, weil ein Mangel in der Organisation zu einer solchen Tat<br />

geführt hat 324 . „Nicht jede betriebsökonomisch zweifelhafte Organisation eines<br />

Unternehmens“ 325 ist gleich wichtig. Der Straftatbestand wird nach Abs. 2 im Gegensatz<br />

zu Art. 100 quater Abs. 1 StGB auch angewandt, wenn der Täter ermittelt werden kann.<br />

Doch auch hier muss die <strong>strafrechtliche</strong> Verfehlung des Einzelnen nachgewiesen werden,<br />

falls die natürlichen Personen bestraft werden sollen. <strong>Die</strong> Organisationspflichten des<br />

Unternehmens sind jedoch nicht aus Art. 100 quater Abs. 2 StGB herauszulesen. SCHMID<br />

stellt des Weiteren fest, dass Art. 100 quater Abs. 2 StGB eine allgemeine Deliktsverhinderungspflicht<br />

in Unternehmen etabliert, die dem schweizerischen Recht bisher in dieser<br />

Form nicht bekannt war 326 .<br />

320<br />

SCHMID, Strafbarkeit des Unternehmens, S. 780. Er verweist auf Art. 962 OR und Art. 7 GwG als<br />

Buchhaltungs- und Dokumentationspflichten. Andere Regeln in dieser Art sind SCHMID nicht<br />

bekannt.<br />

321<br />

Gemäss WERNLI, N 32 zu Art. 713 OR kann eine Falschprotokollierung zudem sogar den Tatbestand<br />

der Urkundenfälschung (Art. 215 Ziff. 1 Abs. 2 StGB) erfüllen.<br />

322<br />

Bei Inkrafttreten der Änderung des Strafgesetzbuches vom 13. Dezember 2002 wird der obgenannte<br />

Artikel als Art. 102 Abs. 2 nStGB aufgeführt. Art. 102 nStGB in BBl 1999, 2333 <strong>bei</strong>nhaltete diesen<br />

Artikel noch nicht.<br />

323<br />

RIKLIN, § 12 N 21.<br />

324<br />

PIETH, Anstösse, S. 15.<br />

325<br />

BBl 1999, 2142.<br />

326<br />

SCHMID, Strafbarkeit des Unternehmens, S. 781.<br />

63


4. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Personenmehrheit<br />

Das Unternehmen muss einstehen für diejenigen Straftaten, die durch Organisationsfehler<br />

entstanden sind. Somit ist wiederum festzustellen, dass ein Zusammenhang<br />

zwischen dem Verhalten des Gremiumsmitgliedes, dem Beschluss sowie der Straftat<br />

nachgewiesen werden muss, wenn das Gremiumsmitglied für das einzelne Delikt,<br />

welches die Folge des vorgenommenen Gremiumsbeschlusses ist, strafrechtlich zur<br />

Verantwortung gezogen werden soll. <strong>Die</strong> <strong>strafrechtliche</strong> Verantwortung des Unternehmens<br />

entlastet die Gremiumsmitglieder nicht.<br />

64


4. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Personenmehrheit<br />

VI. Fazit<br />

Nach schweizerischem Strafrecht besteht keine <strong>strafrechtliche</strong> Kollegialhaftung der<br />

Gremiumsmitglieder. Auch die Möglichkeit einer Annahme der Abstimmung als<br />

Konvergenzdelikt führt zu keiner strafrechtlich verantwortlichen Personenmehrheit, da<br />

das Legalitätsprinzip einen Straftatbestand voraussetzt. <strong>Die</strong> <strong>strafrechtliche</strong> Organhaftung<br />

verfolgt einen anderen Zweck, so dass die Mitglieder des Gremiums nicht gesamthaft<br />

strafrechtlich verantwortlich gemacht werden können. Im Falle des Vorliegens einer<br />

kriminellen Organisation werden die jeweiligen Gremiumsmitglieder nur für die<br />

Mitgliedschaft <strong>bei</strong> der betreffenden Organisation, nicht aber für die strafrechtlich<br />

relevanten Folgen des Gremiumsbeschlusses bestraft. <strong>Die</strong> Strafbarkeit des Unternehmens<br />

kommt nur subsidiär oder allenfalls kumulativ zur Anwendung. <strong>Die</strong> <strong>strafrechtliche</strong><br />

<strong>Verantwortlichkeit</strong> bezüglich der strafrechtlich relevanten Folgen ist demzufolge zuerst<br />

immer noch jeder Person einzeln nachzuweisen.<br />

Aus diesem Grund muss <strong>bei</strong> Urheberschaft eines Gremiums einer Aktiengesellschaft<br />

für die in dessen Kompetenz fallenden strafrechtlich relevanten Folgen eines her<strong>bei</strong>geführten<br />

Beschlusses den jeweiligen Gremiumsmitgliedern Vorsatz bzw. Fahrlässigkeit,<br />

ein kausales, rechtswidriges sowie schuldhaftes Verhalten und die jeweiligen Tatbestandsmerkmale<br />

des in Frage stehenden Deliktes nachgewiesen werden. Anschliessend<br />

wird in Kapitel 5 dargelegt, nach welchen Kriterien dem einzelnen Gremiumsmitglied für<br />

die in die Gesamtverantwortung des Gesamtgremiums fallenden Beschlüsse und für die<br />

sich daraus ergebenden strafrechtlich relevanten Folgen ein strafbares Verhalten<br />

aufgezeigt werden kann. Lässt sich dem einzelnen Gremiumsmitglied kein strafbares<br />

Verhalten nachweisen, ist es für die auf Grund des Gremiumsbeschlusses eingetretenen<br />

strafrechtlich relevanten Folgen nicht verantwortlich.<br />

65


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

66


5. Kapitel I. Nachweis der Kausalität des Stimmverhaltens<br />

5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong><br />

der Einzelperson <strong>bei</strong><br />

<strong>Mehrheitsentscheidungen</strong><br />

I. Nachweis der Kausalität des Stimmverhaltens<br />

des Gremiumsmitgliedes <strong>bei</strong> einer<br />

Mehrheitsentscheidung hinsichtlich der<br />

strafrechtlich relevanten Folgen<br />

A. Vorbemerkungen<br />

Das schweizerische Strafrecht ist ein Täterstrafrecht, weshalb jedem einzelnen<br />

Gremiumsmitglied ein schadenverursachendes Verhalten nachgewiesen werden muss.<br />

Den Gremiumsmitgliedern, die dem Antrag zustimmen, der strafrechtlich relevante<br />

Folgen <strong>bei</strong>nhaltet oder einleitet, muss nachgewiesen werden, dass sie einen Verschuldensanteil<br />

an den sich aus dem Beschluss ergebenden strafrechtlich relevanten<br />

Folgen tragen, denn einzig die Anwesenheit an einer beschlussfassenden Sitzung des<br />

Gremiums reicht nicht dazu aus 327 .<br />

Dahingehend ist aufzuzeigen, welche Gremiumsmitglieder für die <strong>strafrechtliche</strong>n<br />

Folgen der Mehrheitsentscheidung die Verantwortung zu übernehmen haben. <strong>Die</strong>sbezüglich<br />

ist festzustellen, dass das Stimmverhalten des jeweiligen Gremiumsmitgliedes<br />

für die strafrechtlich relevanten Folgen kausal ist. <strong>Die</strong> Kausalität stellt einen ersten<br />

Filter 328 dar, welcher relevante von irrelevanten Folgen bzw. Folgeverläufen trennt. Unter<br />

Kausalität ist ganz allgemein der Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung zu<br />

verstehen 329 . Der Kausalzusammenhang ist somit die notwendige Verbindung zwischen<br />

Ursache und Wirkung 330 .<br />

Der Nachweis, dass ein bestimmtes Verhalten für die strafrechtlich relevanten Folgen<br />

von Bedeutung ist und somit als „kausal“ angesehen wird, stellt <strong>bei</strong> Straftaten, die nur<br />

durch eine Person ausgeübt werden, normalerweise kein Problem dar. Schwierigkeiten<br />

können sich jedoch dann ergeben, wenn Verhalten und Folgen zeitlich, örtlich und<br />

sachlich weiter auseinander liegen bzw. auf komplizierte Weise miteinander zusammenhängen<br />

331 , was <strong>bei</strong> einer Mehrheitsentscheidung in einem Gremium der Fall ist. Auf<br />

327 SCHMID, Wirtschaftsdelikte, S. 107; ZAPPELLI, S. 198; vgl. auch RODRÍGUEZ MONTAÑÉS, S. 309.<br />

328 Weitere Filter sind der objektive und der subjektive Tatbestand, die Rechtswidrigkeit und die Schuld.<br />

329 UNGER, S. 39; WALDER, Kausalität, S. 122.<br />

330 STRATENWERTH, AT I, § 9 N 19.<br />

331 STRATENWERTH, AT I, § 9 N 18.<br />

67


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

Grund von Problemen im Hinblick auf den Nachweis der Kausalität könnte der Fall<br />

eintreten, dass einzelne Gremiumsmitglieder nicht für ihr Verhalten einzustehen haben 332 .<br />

<strong>Die</strong> Schwierigkeit des Nachweises der Kausalität des Stimmverhaltens eines Gremiumsmitgliedes<br />

liegt nun gerade darin, dass die Gremiumsmitglieder durch ihr Stimmverhalten<br />

individuell handeln, dass jedoch nur das nachfolgende Verhalten des Gesamtgremiums<br />

strafrechtlich relevante Folgen nach sich ziehen kann. Erst die Auswertung des Stimmverhaltens<br />

der jeweiligen Gremiumsmitglieder und die Anwendung des Abstimmungsmodus<br />

auf das Abstimmungsresultat führen zum Gremiumsbeschluss und schliesslich —<br />

<strong>bei</strong> dessen Ausführung bzw. Umsetzung — zu strafrechtlich relevanten Folgen 333,334 .<br />

<strong>Die</strong> <strong>Mehrheitsentscheidungen</strong> können in Begehungen oder Unterlassungen resultieren,<br />

welche vorsätzlich oder fahrlässig her<strong>bei</strong>geführt werden. Hinsichtlich der Kausalität<br />

spielt es keine Rolle, ob es sich da<strong>bei</strong> um ein Vorsatz- oder um ein Fahrlässigkeitsdelikt<br />

handelt. „Der einzige Unterschied zwischen Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikt liegt<br />

darin, dass im Fahrlässigkeitsbereich der Erfolgseintritt auf eine Sorgfaltswidrigkeit<br />

zurückzuführen ist, während es sich im Vorsatzbereich um eine gewollte Erfolgsverursachung<br />

handelt“ 335 . Es gelten <strong>bei</strong>m Fahrlässigkeitsdelikt somit die gleichen Regeln<br />

für das Erfordernis der Verursachung des Ereignisses wie <strong>bei</strong>m Vorsatzdelikt 336 . Wie<br />

bereits dargelegt 337 , ist von einem gleichzeitigen Verhalten der Gremiumsmitglieder<br />

auszugehen, weshalb die Mehrheit nicht schon vor der Stimmabgabe feststeht.<br />

Nachstehend wird immer davon ausgegangen, dass <strong>bei</strong> der Abstimmung das relative<br />

Mehr angewandt wird. Der Stichentscheid wird in der ersten Untersuchung 338 als durch<br />

die Statuten wegbedungen erachtet 339 . Erst in 5. Kapitel I.F.2 wird der Stichentscheid in<br />

die Kausalitätserwägungen mit einbezogen.<br />

332<br />

Vgl. DENCKER, Mittäterschaft in Gremien, S. 69; EIDAM, S. 85.<br />

333<br />

NEUDECKER, S. 218.<br />

334<br />

In dieser Ar<strong>bei</strong>t wird vorausgesetzt, dass nur der nach Durchführung der Abstimmung getroffene<br />

deliktisch ausgerichtete Beschluss zur Ausführung bzw. Umsetzung gelangt. Es kann natürlich auch<br />

die Situation vorliegen, dass einzelne Gremiumsmitglieder — obwohl keine Mehrheitsentscheidung<br />

und somit auch kein deliktisch ausgerichteter Beschluss zu Stande gekommen ist — trotzdem den<br />

deliktisch ausgerichteten Antrag in die Tat umsetzten, was zu strafrechtlich relevanten Folgen führt.<br />

335<br />

WEISSER, Kausalitäts- und Täterschaftsprobleme, S. 120.<br />

336<br />

REHBERG/DONATSCH, § 32 Ziff. 2.1, S. 280; STRATENWERTH, AT I, § 16 N 8.<br />

337 Siehe 3. Kapitel I.C.<br />

338 Siehe 5. Kapitel I.D.<br />

339 Vgl. Art. 713 Abs. 1 OR.<br />

68


5. Kapitel I. Nachweis der Kausalität des Stimmverhaltens<br />

B. Methode zum Nachweis des Kausalzusammenhanges<br />

zwischen Stimmverhalten des Gremiumsmitgliedes<br />

und den strafrechtlich relevanten Folgen<br />

mittels Kausalreihen<br />

Damit das Gremiumsmitglied für die auf Grund einer Mehrheitsentscheidung bzw. eines<br />

Beschlusses erfolgten strafrechtlich relevanten Folgen strafrechtlich zur Verantwortung<br />

gezogen werden kann, muss ihm ein kausales Verhalten nachgewiesen werden 340 . Im<br />

Folgenden wird versucht anhand von Kausalreihen einen Kausalzusammenhang<br />

zwischen dem Stimmverhalten des einzelnen Gremiumsmitgliedes und den strafrechtlich<br />

relevanten Folgen darzulegen:<br />

1. „Kein Ereignis ist seine eigene Ursache.<br />

2. Wenn ein Ereignis Ursache eines anderen ist, dann ist dieses nicht Ursache des<br />

ersten.<br />

3. Wenn ein Ereignis Ursache eines andern ist und dieses Ursache eines dritten,<br />

dann ist auch das erste Ursache des dritten.<br />

4. Teilt sich eine Kausalreihe in mehrere auf, so ist das Ereignis vor der<br />

Verzweigung Ursache jedes nächsten in den ‘Zweigen’.<br />

5. Treffen Kausalreihen in einem Ereignis zusammen, so ist jedes vorausgehende<br />

Ereignis jeder Reihe Ursache dieses Ereignisses, in welchem sie zusammentreffen“<br />

341 .<br />

Kann Kausalität zwischen der Ausführung bzw. der Umsetzung der Mehrheitsentscheidung<br />

des Gremiums und den eingetretenen strafrechtlich relevanten Folgen sowie<br />

bezüglich des Stimmverhaltens des einzelnen Gremiumsmitgliedes und der Mehrheitsentscheidung<br />

des Gremiums nachgewiesen werden, schliesst sich die Kausalkette —<br />

insbesondere unter Berücksichtigung der dritten Kausalreihe — und die Kausalität des<br />

Stimmverhaltens des jeweiligen Gremiumsmitgliedes für die strafrechtlich relevanten<br />

Folgen ist gegeben.<br />

340 Siehe 5. Kapitel II.F.4 betreffend Ausnahme des Nachweises eines Kausalzusammenhanges<br />

zwischen dem Stimmverhalten des jeweiligen Gremiumsmitgliedes und den eingetretenen strafrechtlich<br />

relevanten Folgen für die <strong>strafrechtliche</strong> Haftung dieses einzelnen Gremiumsmitgliedes.<br />

341 WALDER, Kausalität, S. 127 f.<br />

69


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

C. Nachweis eines Kausalzusammenhanges zwischen<br />

der Mehrheitsentscheidung und den strafrechtlich<br />

relevanten Folgen<br />

70<br />

1. Nachweis der „Kausalität“ <strong>bei</strong>m Tätigkeitsdelikt<br />

Im Gegensatz zum Erfolgsdelikt umschreibt das Tätigkeitsdelikt eine aktive Handlung<br />

und wird daher vor allem durch eine beabsichtigte Wirkung beschrieben. Das<br />

Tätigkeitsdelikt gilt bereits mit dem Vollzug der tatbestandsmässigen Handlung als<br />

vollendet. Von einem Erfolg i. S. eines Erfolgsdeliktes kann <strong>bei</strong>m Tätigkeitsdelikt somit<br />

nicht gesprochen werden 342 . Deshalb wird <strong>bei</strong>m Tätigkeitsdelikt Kausalität i. S. eines<br />

Erfolgsdeliktes nicht untersucht 343 . Hierzu ist anzuführen, dass da<strong>bei</strong> vor allem an<br />

Einzeltäter gedacht wird. Da nun <strong>bei</strong> einem auf Grund einer Mehrheitsentscheidung<br />

beschlossenen und ausgeführten Tätigkeitsdelikt ein komplexerer Sachverhalt vorliegt,<br />

weil mehrere Personen und Kausalreihen involviert sind, ist es auch hier notwendig,<br />

nachzuweisen, dass die deliktische Tätigkeit mit der Mehrheitsentscheidung des<br />

Gremiums in Beziehung steht. <strong>Die</strong>jenige Person, die für die Ausführung der Mehrheitsentscheidung<br />

des Gremiums zuständig ist, handelt auf Weisung des Gremiums. <strong>Die</strong><br />

Handlung des Ausführenden, die <strong>bei</strong>m Tätigkeitsdelikt die Tat darstellt, <strong>bei</strong>nhaltet schon<br />

immanent eine Kausalität, weshalb <strong>bei</strong>m Tätigkeitsdelikt von immanenter oder<br />

endogener Kausalität gesprochen werden soll. Das auf die Mehrheitsentscheidung<br />

folgende Verhalten ist insofern als „kausal“ einzustufen, als die strafrechtlich relevanten<br />

Folgen aus der Handlung bzw. den Handlungen der angewiesenen, ausführenden Person<br />

bestehen.<br />

2. Nachweis der Kausalität <strong>bei</strong>m Erfolgsdelikt<br />

a) Eigenschaften des Erfolgsdeliktes<br />

Beim Erfolgsdelikt ist stets nachzuweisen, dass gerade die vom Täter vorgenommene<br />

Handlung den eingetretenen Erfolg verursacht hat 344 . Ein tatbestandsmässiger Erfolg ist<br />

nur dann strafrechtlich von Bedeutung, wenn menschliches Verhalten die Ursache<br />

darstellt. <strong>Die</strong>ses Verhalten besteht entweder in einem aktiven Handeln oder einem<br />

passiven Unterlassen der gebotenen Handlung. <strong>Die</strong> weiteren Anforderungen an die<br />

Kausalität hängen von der Definition der Kausalität ab 345 . Bei einem Erfolgsdelikt infolge<br />

Unterlassung wird von hypothetischer Kausalität gesprochen, da ja natürliche Kausalität<br />

342 HURTADO POZO, N 115; REHBERG/DONATSCH, § 8 Ziff. 2.21, S. 73.<br />

343 TRECHSEL/NOLL, § 22 A., S. 86; WALDER, Kausalität. S. 120.<br />

344 REHBERG/DONATSCH, § 8 Ziff. 2.21, S. 74.<br />

345 STRATENWERTH, AT I, § 9 N 17, N 19.


5. Kapitel I. Nachweis der Kausalität des Stimmverhaltens<br />

zwischen Unterlassung und Erfolg nicht vorliegen kann 346 . Der <strong>strafrechtliche</strong> Erfolg<br />

wird <strong>bei</strong> der Unterlassung durch den dahinführenden Kausalverlauf verursacht, indem der<br />

Garant es unterlässt, einzugreifen 347 .<br />

Als minimale Voraussetzung für die Zurechnung eines Erfolges wird verlangt, dass<br />

die zu beurteilende Handlung eine natürliche Ursache für den eingetretenen Erfolg sein<br />

muss 348 . Wenn ein solcher Zusammenhang naturwissenschaftlich nachweisbar ist, spricht<br />

die Praxis von „natürlicher Ursache“ des Erfolges 349 .<br />

b) Untersuchung der anwendbaren Theorien zur Begründung<br />

des Kausalzusammenhanges <strong>bei</strong>m Erfolgesdelikt<br />

(1) Nachweis der Kausalität mittels Äquivalenztheorie <strong>bei</strong> einem<br />

als Begehungsdelikt zu qualifizierenden Sachverhalt<br />

Nach der Äquivalenztheorie — auch als Bedingungstheorie bekannt — gilt jede<br />

Bedingung, die nicht weggedacht werden kann, ohne dass auch der eingetretene Erfolg<br />

entfiele, als Ursache 350 . Jede Bedingung, die nicht weggedacht werden kann, ohne dass<br />

auch der eingetretene Erfolg entfällt, ist eine conditio-sine-qua-non 351 .<br />

<strong>Die</strong> conditio-sine-qua-non-Formel ist kein Kausalgesetz. Sie bietet nur die Möglichkeit,<br />

die Kausalität eines Ereignisses mit Hilfe von Naturgesetzen und Erfahrungswissen<br />

zu erklären 352 . <strong>Die</strong> conditio-sine-qua-non-Formel stellt also ein Kriterium zur Feststellung<br />

von Kausalität dar, definiert sie aber nicht. <strong>Die</strong> Formel wird jedoch als<br />

methodisches Hilfsmittel der Kausalität eingesetzt 353 .<br />

Lässt sich im Falle eines als Begehungsdelikt zu qualifizierenden Gesamtsachverhaltes<br />

nachvollziehen, dass die Ausführung der Mehrheitsentscheidung zum Eintritt<br />

des Erfolges führte, liegt eine conditio-sine-qua-non vor. Wäre nämlich der Beschluss<br />

nicht gefasst und anschliessend ausgeführt worden, so wäre auch der Erfolg nicht<br />

eingetreten. <strong>Die</strong>ser Kausalitätsbezug entspricht dem Normalfall, in dem keine rechtliche<br />

346 Siehe dazu 5. Kapitel I.C.2.b)(2).<br />

347 REHBERG/DONATSCH, § 30 Ziff. 2.15, S. 268.<br />

348 DONATSCH, Sorgfaltsbemessung, S. 255.<br />

349 HURTADO POZO, N 120 ff; DONATSCH, Sorgfaltsbemessung, S. 255 m. w. REHBERG/DONATSCH, § 8<br />

Ziff. 2.22, S. 75; STRATENWERTH, AT I, § 9 N 20.<br />

350 REHBERG/DONATSCH, § 8 Ziff. 2.22, S. 74; STRATENWERTH, AT I, § 9 N 20.<br />

351 HURTADO POZO, N 120; REHBERG/DONATSCH, § 8 Ziff. 2.22, S. 74; RIKLIN, § 13 N 23 f.;<br />

STRATENWERTH, AT I, § 9 N 2¸ TRECHSEL/NOLL, § 22 B. Ziff. 1, S. 88.<br />

352 STRATENWERTH, AT I, § 9 N 21. WALDER, Kausalität, S. 124, erwähnt, dass man erst durch<br />

Erfahrung weiss, dass etwas eine conditio darstellt. JESCHECK/WEIGEND, § 28 II. Ziff. 4, S. 281,<br />

weisen darauf hin, dass die conditio-sine-qua-non-Formel zur Ermittlung eines Kausalzusammenhanges,<br />

der nicht bereits bekannt ist, nicht herangezogen werden kann. Damit davon ausgegangen<br />

werden kann, dass der Erfolg entfällt, wenn eine bestimmte Bedingung weggedacht wird, muss man<br />

sich sicher sein, dass sie den Erfolg auch mitverursacht hat. Vgl. auch BGE 125 IV 197.<br />

353 KNAUER, S. 88 Fn. 395; CRAMER/STERNBERG-LIEBEN, N 75 der Vorbem. zu § 13 dStGB.<br />

71


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

Besonderheit zu berücksichtigen ist 354 . <strong>Die</strong> Äquivalenztheorie kann nicht zur Kausalitätsprüfung<br />

von Unterlassungen her<strong>bei</strong>gezogen werden; diese werden vielmehr mittels der<br />

Wahrscheinlichkeitstheorie auf ihre Kausalität überprüft.<br />

72<br />

(2) Nachweis der Kausalität mittels Wahrscheinlichkeitstheorie <strong>bei</strong><br />

einem als Unterlassungsdelikt zu qualifizierenden Sachverhalt<br />

<strong>Die</strong> Wahrscheinlichkeitstheorie ist gemäss Lehre und Rechtsprechung die vorherrschende<br />

Theorie zur Erfassung des Ursachenzusammenhangs von Unterlassung und Erfolg 355 . <strong>Die</strong><br />

neuere Rechtsprechung und die Lehre sind sich darin einig, dass zwischen der Unterlassung<br />

und dem Erfolgseintritt keine natürliche Kausalität bestehen kann 356 . Mangels<br />

eines besseren Ausdrucks wird <strong>bei</strong> der Prüfung des Verhältnisses von Sorgfaltspflichtverletzung<br />

und Erfolg allerdings immer noch von Kausalität gesprochen, obwohl an sich<br />

eine hypothetische Kausalität gemeint ist 357 . Es besteht demzufolge nicht die „gleiche“<br />

Kausalität <strong>bei</strong>m Unterlassungsdelikt wie <strong>bei</strong> einem Begehungsdelikt 358 . Beim Unterlassungsdelikt<br />

kann nur ein hypothetisches Urteil ergehen, nämlich ob die Vornahme der<br />

gebotenen Handlung den Eintritt der Schädigung hätte abwenden können 359 . „Der<br />

erforderliche Zusammenhang ist dann gegeben, wenn die gebotene Handlung nicht<br />

hinzugedacht werden könnte, ohne dass der Erfolg höchstwahrscheinlich entfiele“ 360 . Der<br />

hypothetische Kausalzusammenhang setzt eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit<br />

voraus. <strong>Die</strong> blosse Möglichkeit des Nichteintrittes des Erfolges <strong>bei</strong> sorgfaltsgemässem<br />

Verhalten reicht also zur Bejahung des Kausalzusammenhanges nicht aus 361 .<br />

Eine Unterlassung muss zu einer Verletzung des Rechtsgutes und nicht nur zu einer<br />

Gefährdung desselben führen, wenn es sich nicht um ein blosses Gefährdungsdelikt,<br />

sondern um ein Verletzungsdelikt handelt 362 . „Es soll niemand wegen eines tatbestandsmässigen<br />

Erfolges «gehängt» werden, wenn sich später herausstellt, dass er zwar die ex<br />

354 NEUDECKER, S. 218.<br />

355 BGE 126 IV 13;117 IV 133; 116 IV 310; 115 IV 206; 108 IV 7 f.; 105 IV 20; 101 IV 152 f.;<br />

GRAVEN/STRÄULI, N 55 A., S. 91; KILLIAS N 418 ff; RIKLIN, § 19 N 30; SEELMANN, AT, S. 83;<br />

SEELMANN, Kommentar, N 64 zu Art. 1 StGB; TRECHSEL/NOLL, § 34 C. Ziff. 5, S. 249 f.; a. M.<br />

STRATENWERTH, AT I, § 14 N 36.<br />

356 Ex nihil nihil fit. BGE 117 IV 133; 116 IV 309; 115 IV 206; 105 IV 19; HURTADO POZO, N 963;<br />

SCHULTZ, AT I, S. 128; STRATENWERTH, § 14 N 34; TRECHSEL/NOLL, § 34 C. Ziff. 5, S. 289;<br />

WALDER, Kausalität, S. 121.<br />

357 DONATSCH, Garantenstellung und Sorgfaltsbemessung, S. 130.<br />

358 ARZT, Vorsatz und Fahrlässigkeit, S. 71, geht davon aus, dass Begehung und Unterlassung<br />

hinsichtlich der Kausalität gleich behandelt werden.<br />

359 HURTADO POZO, N 965; REHBERG/DONATSCH, § 30 Ziff. 2.15, S. 268 f.; STRATENWERTH, AT I,<br />

§ 14 N 34. TRECHSEL/NOLL § 34 C. Ziff. 5, S. 249, schlagen deshalb auch vor, von einer conditiocum-qua-non<br />

zu sprechen.<br />

360 REHBERG/DONATSCH, § 30 Ziff. 2.15, S. 269 (Hervorhebungen durch die Autoren). RIKLIN, § 19<br />

N 30; 118 IV 310; 118 IV 141; 117 IV 133.<br />

361 BGE 118 IV 141; 116 IV 310; vgl. auch BGE 116 IV 185.<br />

362 REHBERG/DONATSCH, § 30 Ziff. 2.15, S. 269.


5. Kapitel I. Nachweis der Kausalität des Stimmverhaltens<br />

ante richtig scheinende Vorsichtsmassnahme nicht traf oder die erwartete Intervention<br />

unterliess, dies aber ex post betrachtet nutzlos gewesen wäre“ 363 . Keiner soll somit für<br />

einen tatbestandsmässigen Erfolg, der auch <strong>bei</strong> fehlerfreiem Verhalten des Täters<br />

eingetreten wäre, strafrechtlich verantwortlich gemacht werden können 364 .<br />

Ist der Gesamtsachverhalt als Unterlassung zu qualifizieren, kann mit der Wahrscheinlichkeitstheorie<br />

im Falle einer Umsetzung des auf Grund einer Mehrheitsentscheidung<br />

gefassten Beschlusses nachgewiesen werden, dass die gebotene Nichtvornahme<br />

der Umsetzung des Beschlusses — d. h. dass nach dem Beschluss das<br />

Notwendige nicht unterlassen, sondern dieses im Gegenteil zur Rettung der gefährdeten<br />

Rechtsgüter vorgenommen worden wäre — den Erfolg hätte abwenden können.<br />

(3) Nichtanwendbarkeit der Risikoerhöhungstheorie<br />

Einige Autoren verfolgen die Risikoerhöhungstheorie zur Feststellung von Kausalität 365 .<br />

„Das Prinzip der Risikoerhöhung greift jedoch [...] nicht dann schon ein, wenn der Täter<br />

irgendein Risiko für das bedrohte Rechtsgut geschaffen oder erhöht oder zu vermindern<br />

unterlassen hat, sondern nur, wenn ihm diejenige Gefahr zur Last fällt, die in den<br />

Verletzungserfolg umgeschlagen ist“ 366 . Der Anwendungsbereich der Risikoerhöhungstheorie<br />

beschränkt sich gemäss Definition auf Fälle, in denen ein hypothetischer<br />

Geschehensablauf in Frage steht, oder in denen beweismässig keine Aussagen gemacht<br />

werden können 367 . <strong>Die</strong> Anwendung der Risikoerhöhungstheorie entbindet allerdings nicht<br />

von der umfassenden Klärung des Sachverhaltes. Es ist unter Auswertung aller im<br />

Zeitpunkt des Urteils bekannten Umstände zu ermitteln, ob der Täter die Gefahr, die sich<br />

im Erfolg verwirklicht hat, mindestens über das erlaubte Risiko hinaus gesteigert hat 368 .<br />

<strong>Die</strong>se Risikoerhöhung kann — soll sie für die Zurechnung eines Erfolges massgebend<br />

sein — erst im Nachhinein, ex post, beurteilt werden. Über die Gefahr, die der<br />

Täter geschaffen hat, muss aber ex ante geurteilt werden. <strong>Die</strong> Frage, aus welcher Gefahr<br />

der Erfolg denn aber hervorgegangen ist, lässt sich nur unter Auswertung aller ex post<br />

bekannten Umstände beantworten 369 . „<strong>Die</strong> Feststellung eines für den Erfolg relevanten<br />

Risikos bedeutet mehr als das Eingeständnis unbehebbarer Zweifel; sie bedeutet die<br />

Feststellung eines wirklichen Zusammenhanges“ 370 .<br />

363<br />

WALDER, Kausalität, S. 114.<br />

364<br />

DONATSCH, Sorgfaltsbemessung, S. 271.<br />

365<br />

FLACHSMANN, S. 151; JENNY, N 19 zu Art. 18 StGB; STRATENWERTH, AT I, § 14 N 36; WALDER,<br />

Kausalität, S. 163; vgl. auch HURTADO POZO, N 966 ff.<br />

366<br />

STRATENWERTH, Risikoerhöhung, S. 228 (Hervorhebungen durch den Autor selbst; Auslassungen<br />

durch die Verfasserin).<br />

367<br />

WALDER, Kausalität, S. 159.<br />

368<br />

BGE 116 IV 311.<br />

369<br />

STRATENWERTH, AT I, § 9 N 42 (Hervorhebungen durch den Autor selbst).<br />

370<br />

STRATENWERTH, Risikoerhöhung, S. 229.<br />

73


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

<strong>Die</strong> Risikoerhöhungstheorie steht der Wahrscheinlichkeitstheorie entgegen. Nach<br />

ersterer reicht es, wenn die Gefahr des Eintritts des Erfolges durch das Eingreifen des<br />

Garanten herabgesetzt würde 371 . Zur Anwendung der Risikoerhöhungstheorie genügt es,<br />

wenn die Massnahme eine echte Rettungschance enthält 372 . Es braucht demzufolge für<br />

den Täter nur eine Möglichkeit, den Erfolg durch pflichtgemässes Handeln abzuwenden<br />

373 .<br />

<strong>Die</strong> Anwendung der Risikoerhöhungstheorie würde jedoch dazu führen, dass<br />

Verletzungsdelikte als Gefährdungsdelikte 374 zu begreifen wären. Aus diesem Grund<br />

wenden das Bundesgericht und die Mehrheit der Lehre nicht die Risikoerhöhungs-,<br />

sondern die Wahrscheinlichkeitstheorie an 375 .<br />

74<br />

(4) Anwendung der „generellen Kausalität“ <strong>bei</strong> Zweifeln<br />

betreffend die Gesetzmässigkeit einer Bedingung<br />

Um den Erfolg ausschliessen zu können, muss man wissen, ob eine Bedingung diesen<br />

(mit-) verursacht hat. Allerdings können Zweifel an den tatsächlichen Gründen bzw. an<br />

der Gesetzmässigkeit vorliegen, auf die der Eintritt eines bestimmten Erfolges zurückzuführen<br />

ist. <strong>Die</strong>se Problemfelder werden unter dem Stichwort „generelle Kausalität“<br />

diskutiert. Sind die Kausalgesetze nicht bekannt, lässt sich eine Beeinträchtigung des<br />

Rechtsguts theoretisch nicht klären, so dass niemand für den Erfolg verantwortlich<br />

gemacht werden kann. <strong>Die</strong> Zurechnung würde sich in einem solchen Fall nur auf<br />

Vermutungen und Annahmen stützen 376 . Nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ wird<br />

die Erfolgszurechnung konsequenterweise <strong>bei</strong> jedem der Beteiligten ausgeschlossen, falls<br />

sich überhaupt keine Gewissheit ergibt 377 . Indes kann die generelle Kausalität umgekehrt<br />

dann bejaht werden, wenn eine ernst zu nehmende wissenschaftlich fundierte Minderheitsmeinung<br />

nicht unbedingt Gewissheit, aber doch „hinreichende Wahrscheinlichkeit“<br />

vermittelt 378 . „Da<strong>bei</strong> muss keine objektive Gewissheit der Richter über den Kausal-<br />

371<br />

STRATENWERTH, AT I, § 14 N 36; WALDER, Kausalität, S. 111, S. 159 f.<br />

372<br />

WALDER, Kausalität, S. 161.<br />

373<br />

TRECHSEL/NOLL, § 34 C. Ziff. 5, S. 252.<br />

374<br />

Ehrlicher wäre in diesem Falle — wie DUBS, Fahrlässige Delikte, S. 47 ff., und FLACHSMANN,<br />

S. 152, propagieren — die Forderung nach Schaffung zusätzlicher vorsätzlicher abstrakter Gefährdungsdelikte.<br />

375<br />

BGE 116 IV 311: „Der Anwendungsbereich der Risikoerhöhungstheorie beschränkt sich auf Fälle, in<br />

denen, wie etwa <strong>bei</strong> der Beurteilung des Genesungsprozesses eines Kranken <strong>bei</strong> korrekter ärztlicher<br />

Diagnose und Behandlung, ein hypothetischer Geschehensablauf in Frage steht, über den beweismässig<br />

keine Aussagen gemacht werden können.“ BGE 113 IV 59; vgl. auch die alleinige Anwendung<br />

der Wahrscheinlichkeitstheorie <strong>bei</strong> BGE 109 IV 139 f.; 108 IV 7; 105 IV 20; 102 IV 102;<br />

DONATSCH, Sorgfaltsbemessung, S. 266 ff.; GRAVEN/STRÄULI, N 55 A, S. 91; KILLIAS, N 419;<br />

REHBERG/DONATSCH, § 30 Ziff. 2.15, S. 269; RIKLIN, § 19 N 30; SCHULTZ, AT I, S. 128 m. w. H.;<br />

TRECHSEL/NOLL, § 34 C. Ziff. 5, S. 252 f.<br />

376<br />

DONATSCH, Sorgfaltsbemessung, S. 253; HURTADO POZO, N 125; STRATENWERTH, AT I, § 9 N 21.<br />

377<br />

STRATENWERTH, AT I, § 9 N 21.<br />

378<br />

HEINE, Kollektive <strong>Verantwortlichkeit</strong>, S. 96 m. w. H. in Fn. 2.


5. Kapitel I. Nachweis der Kausalität des Stimmverhaltens<br />

zusammenhang bestehen, die einem Nachweis im naturwissenschaftlichen Sinne entspricht.<br />

Vielmehr ist allein die subjektive Gewissheit des oder der Richter massgeblich,<br />

die diese(n) zur Überzeugung gelangen lassen, wenn nicht der leiseste Zweifel an der<br />

Kausalität besteht, wo<strong>bei</strong> ein realer und nicht nur abstrakter theoretischer Zweifel<br />

gemeint ist“ 379 . Eine generelle Kausalität liegt demzufolge dann vor, wenn die Richter<br />

subjektive Gewissheit über die Gesetzmässigkeit oder über die tatsächlichen Gründe<br />

haben.<br />

3. Fazit<br />

<strong>Die</strong> Mehrheitsentscheidung eines Gremiums, die ein Tätigkeitsdelikt oder ein Erfolgsdelikt<br />

impliziert, führt <strong>bei</strong> dessen Ausführung bzw. Umsetzung zu einem deliktischen<br />

Verhalten mit strafrechtlich relevanten Folgen. Hier<strong>bei</strong> bestätigt sich die erste Kausalreihe,<br />

dass ein Ereignis nicht seine eigene Ursache darstellen kann.<br />

Beim Tätigkeitsdelikt besteht der Zusammenhang zwischen Beschluss und strafrechtlich<br />

relevanten Folgen in der Ausführung der Handlung selber, die gleichzeitig als<br />

immanente bzw. endogene Kausalität anzusehen ist. Der Zusammenhang zwischen der<br />

Ausführung bzw. der Umsetzung der Mehrheitsentscheidung und den eingetretenen strafrechtlich<br />

relevanten Folgen <strong>bei</strong> einem Erfolgsdelikt kann für Begehungen mit der<br />

Äquivalenztheorie und für Unterlassungen mit der Wahrscheinlichkeitstheorie erklärt<br />

werden. <strong>Die</strong> Mehrheitsentscheidung ist demzufolge die Ursache für die strafrechtlich<br />

relevanten Folgen, jedoch wiederum nicht ihre eigene Ursache, weshalb die eigentliche<br />

Ursache der Mehrheitsentscheidung zu suchen ist. Mittels Anwendung der zweiten<br />

Kausalreihe kann festgestellt werden, dass die Mehrheitsentscheidung und deren<br />

Ausführung bzw. deren Umsetzung die Ursache für die strafrechtlich relevanten Folgen<br />

darstellt, aber nicht umgekehrt. Aus diesem Grund ist bzw. sind die Ursache(n) für die<br />

Mehrheitsentscheidung <strong>bei</strong> den Stimmverhalten der Gremiumsmitglieder zu suchen.<br />

379 DEUTSCHER/KÖRNER, S. 295.<br />

75


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

D. Nachweis des Kausalzusammenhanges zwischen<br />

dem Stimmverhalten des Gremiumsmitgliedes und<br />

dem strafrechtlich relevante Folgen implizierenden<br />

Gremiumsbeschluss<br />

76<br />

1. Gleichbehandlung der Stimmverhalten <strong>bei</strong> Tätigkeits-<br />

und Erfolgsdelikten<br />

Bezüglich der Kausalität sind die jeweiligen Stimmverhalten der Gremiumsmitglieder in<br />

Verbindung zu setzen zur vom Gesamtgremium getroffenen Mehrheitsentscheidung,<br />

welche <strong>bei</strong> Ausführung bzw. <strong>bei</strong> Umsetzung zu strafrechtlich relevanten Folgen führen<br />

kann. Da<strong>bei</strong> ist zu beachten, dass das Verhalten des einzelnen Gremiumsmitgliedes im<br />

Hinblick auf die Abstimmung — unabhängig davon, ob es sich um ein Tätigkeits- oder<br />

Erfolgsdelikt handelt 380 — stets aus seinem Stimmverhalten besteht. <strong>Die</strong> eigentlichen<br />

Straftatbestandsmerkmale werden in der Abstimmungsphase weder in Bezug auf das<br />

Tätigkeits- noch für das Erfolgsdelikt erfüllt, da es sich noch um eine Beschlussphase<br />

und somit um eine straflose Vorbereitungsphase handelt 381 . Das Verhalten der<br />

Gremiumsmitglieder in der Abstimmungsphase korreliert demzufolge hinsichtlich<br />

eventueller Tätigkeits- und Erfolgsdelikte, weshalb eine Gleichbehandlung angezeigt ist.<br />

2. Prüfung des Nachweises der Kausalität des Stimmverhaltens<br />

mittels der Conditio-sine-qua-non-<br />

Formel <strong>bei</strong> einem als Begehungsdelikt qualifizierten<br />

Sachverhalt<br />

<strong>Die</strong> conditio-sine-qua-non-Formel führt <strong>bei</strong> Einzelfallkausalität zu einem richtigen<br />

Ergebnis. Will man die conditio-sine-qua-non-Formel jedoch <strong>bei</strong> mehreren Ursachen<br />

anwenden, muss mit der „alternativen“ und „kumulativen Kausalität“ gear<strong>bei</strong>tet<br />

werden 382 . Bei mehreren Tätern, die konkurrierende Ursachen festsetzten, könnte sich ein<br />

jeder damit entschuldigen, dass die strafrechtlich relevanten Folgen auch ohne seine<br />

Ursache eingetreten wären 383 .<br />

380<br />

Beispiel eines Erfolgsdeliktes: Der Verwaltungsrat beschliesst, der Mitar<strong>bei</strong>ter solle eine Erpressung<br />

vornehmen. Beispiel eines Tätigkeitsdeliktes: Der Verwaltungsrat beschliesst, der Mitar<strong>bei</strong>ter solle<br />

einen <strong>Die</strong>bstahl begehen.<br />

381<br />

Siehe 3. Kapitel I und 3. Kapitel III.<br />

382<br />

STRATENWERTH, AT I, § 9 N 39 f.<br />

383<br />

HURTADO POZO, N 126; TRECHSEL/NOLL, § 22 B. Ziff. 1, S. 89.


5. Kapitel I. Nachweis der Kausalität des Stimmverhaltens<br />

a) Stimmabgabe des dem Antrag zustimmenden Gremiumsmitgliedes<br />

(1) Teilweiser Nachweis des Kausalzusammenhanges <strong>bei</strong><br />

Anwendung „alternativer Kausalität“<br />

Alternative Kausalität 384 liegt vor, wenn zwei oder mehrere Täter unabhängig voneinander<br />

jeweils eine Bedingung setzen, von denen jede einzelne Bedingung ausgereicht<br />

hätte, um den Erfolg her<strong>bei</strong>zuführen 385 . Jede Bedingung ist für den Erfolg ursächlich 386 .<br />

Eine Bedingung wird in diesem Sinne als Gesamtursache verstanden.<br />

Auf die Kollegialentscheidung übertragen heisst dies, dass alleine das Stimmverhalten<br />

des einzelnen, dem Antrag zustimmenden Gremiumsmitgliedes die zielgerichtete<br />

Mehrheitsentscheidung, welche die strafrechtlich relevanten Folgen impliziert,<br />

her<strong>bei</strong>geführt haben müsste. Ein einzelnes Gremiumsmitglied alleine ist dazu jedoch 387<br />

nicht im Stande, weil es <strong>bei</strong> einer Abstimmung im Gremium immer auf den von einer<br />

Mehrheit getroffenen Beschluss ankommt. Das Stimmverhalten eines einzelnen Gremiumsmitgliedes<br />

stellt demzufolge keine Gesamtursache dar, sondern bestenfalls eine<br />

Teilursache, weshalb die Kausalität anhand der kumulativen Kausalität zu prüfen ist.<br />

(2) Teilweiser Nachweis des Kausalzusammenhanges <strong>bei</strong><br />

Anwendung „kumulativer Kausalität“<br />

Kumulative Kausalität liegt vor, wenn die von mehreren Beteiligten unabhängig voneinander<br />

gesetzten Bedingungen erst durch ihr Zusammenwirken den Erfolg her<strong>bei</strong>führen 388 .<br />

Folglich ist hier nicht von einer Bedingung als Gesamtursache, sondern als Teilursache<br />

auszugehen. Denkt man sich nun eine Teilursache weg, führt das Nichtvorhandensein<br />

dieser Teilursache dazu, dass der Erfolg nicht her<strong>bei</strong>geführt werden kann.<br />

Auf Grund dieser Definition lässt sich der Nachweis der Kausalität des Stimmverhaltens<br />

eines dem Antrag zustimmenden Gremiumsmitgliedes <strong>bei</strong> einem knappen<br />

Abstimmungsresultat von z. B. 5 : 4 oder 3 : 2 zu Gunsten des Antrags erbringen. Wird in<br />

diesem Fall das Stimmverhalten eines dem Antrag zustimmenden Gremiumsmitgliedes<br />

weggedacht, so liegt keine Mehrheit von Gremiumsmitgliedern vor, die dem Antrag<br />

384<br />

Auch Mehrfachkausalität genannt.<br />

385<br />

Beispiel der alternativen Kausalität: A und B verabreichen C je eine Giftmenge. Doch die von A wie<br />

auch die von B verabreichte Menge Gift alleine hätte schon zum Tod von C geführt.<br />

386<br />

LENCKNER, N 74 der Vorbem. zu § 13 ff. dStGB.<br />

387<br />

KNAUER, S. 94 f.; SCHOLL, S. 215.<br />

388<br />

LENCKNER, N 83 der Vorbem. zu § 13 ff. dStGB, führt das folgende Beispiel auf: A und B<br />

verabreichen C jeweils eine Menge Gift, die je alleine nicht wirksam gewesen wäre. <strong>Die</strong> <strong>bei</strong>den<br />

Giftmengen zusammen führen aber zum Tod.<br />

77


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

zustimmen. Vielmehr entsteht eine Situation, die dazu führt, dass der Beschluss nicht<br />

ausgeführt wird, so dass die strafrechtlich relevanten Folgen nicht eintreten 389 .<br />

Schwierigkeiten ergeben sich <strong>bei</strong> der Untersuchung der Kausalität aber u. U. selbst<br />

<strong>bei</strong> soliden Mehrheiten, d. h., wenn die Entscheidung durch weit mehr als die minimal<br />

notwendige Anzahl der dem Antrag zustimmenden Gremiumsmitglieder zustande gekommen<br />

ist. Als Beispiel kann <strong>bei</strong> einem Gremium, welches mittels relativem Mehr<br />

beschliesst, eine Entscheidung von 7 : 3 zu Gunsten des Antrags aufgeführt werden.<br />

Selbst wenn die Stimmabgabe eines dem Antrag zustimmenden Gremiumsmitgliedes von<br />

der Mehrheit weggedacht wird, bleibt die dem Antrag zustimmende Mehrheit von<br />

Gremiumsmitgliedern immer noch bestehen. <strong>Die</strong> <strong>strafrechtliche</strong>n Folgen liessen sich<br />

folglich auch so her<strong>bei</strong>führen 390 . Das betreffende dem Antrag zustimmende Gremiumsmitglied,<br />

das <strong>bei</strong> Feststellung der minimal notwendigen Stimmenanzahl für eine Mehrheit<br />

von zustimmenden Gremiumsmitgliedern als rechnerisch überzählig angesehen wird,<br />

kann sich mit der conditio-sine-qua-non-Formel verteidigen, indem es vorbringt, dass die<br />

strafrechtlich relevanten Folgen auch ohne seine Stimmabgabe eingetreten wären. Aus<br />

diesem Grund ist sein Stimmverhalten <strong>bei</strong> Anwendung der conditio-sine-qua-non-Formel<br />

auf eine solide Mehrheit von dem Antrag zustimmenden Gremiumsmitgliedern als nicht<br />

kausal einzustufen. Bei einer soliden Mehrheit funktioniert die kumulative Kausalitätstheorie<br />

demzufolge nicht mehr 391 .<br />

78<br />

b) Stimmabgabe des gegen den Antrag stimmenden<br />

Gremiumsmitgliedes<br />

Der Versuch, die Kausalität der Stimmabgabe des gegen den Antrag stimmenden<br />

Gremiumsmitgliedes mittels alternativer Kausalität nachzuweisen, erbringt keinen Erfolg.<br />

Ansonsten müsste diese Stimmabgabe alleine die zielgerichtete Mehrheitsentscheidung,<br />

welche die strafrechtlich relevanten Folgen impliziert, her<strong>bei</strong>führen, was nicht möglich<br />

ist.<br />

Wird die Stimmabgabe jenes Gremiumsmitgliedes, das <strong>bei</strong> einem Abstimmungsverhältnis<br />

von z. B. 5 : 4 oder auch von 7 : 4 gegen den von der Mehrheit der Gremiumsmitglieder<br />

angenommenen Antrag stimmt, i. S. der kumulativen Kausalität weggedacht,<br />

so liegt noch immer eine Mehrheit jener Gremiumsmitglieder vor, die dem Antrag<br />

zustimmt. Der Beschluss würde also dennoch umgesetzt, und die strafrechtlich relevanten<br />

Folgen würden somit nicht entfallen, so dass sich die Stimmabgabe des gegen den Antrag<br />

389 KNAUER, S. 83 ff. Betreffend Pattsituation <strong>bei</strong> der Abstimmung, <strong>bei</strong> welcher der Vorsitzende mittels<br />

Stichentscheid entscheidet, siehe 5. Kapitel I.F.2.<br />

390 POSECK, S. 150.<br />

391 SCHOLL, S. 211, folgert daraus, dass gemäss dem Grundsatz „in dubio pro reo“ für alle Gremiumsmitglieder<br />

davon auszugehen sei, dass gerade ihre Stimme diejenige war, die über der Mindestmehrheit<br />

lag. <strong>Die</strong>ser Grundsatz bezieht sich indes nur auf die Sachverhaltsfeststellung und nicht auf<br />

die Feststellung der Kausalität.


5. Kapitel I. Nachweis der Kausalität des Stimmverhaltens<br />

stimmenden Gremiumsmitgliedes als nicht kausal erweist. <strong>Die</strong> Stimmabgabe des einzelnen,<br />

gegen den Antrag stimmenden Gremiumsmitgliedes kann in diesem Falle<br />

problemlos weggedacht werden, ohne dass deswegen der Beschluss, der die strafrechtlich<br />

relevanten Folgen impliziert, und damit auch die strafrechtlich relevanten Folgen<br />

entfallen würden 392 .<br />

c) Stimmenthaltung des Gremiumsmitgliedes und nicht<br />

erfolgte Stimmabgabe des unentschuldigt abwesenden<br />

Gremiumsmitgliedes<br />

<strong>Die</strong> Kausalität der Stimmenthaltung eines Gremiumsmitgliedes und der nicht erfolgten<br />

Stimmabgabe eines unentschuldigt abwesenden Gremiumsmitgliedes kann erst dann<br />

festgestellt werden, wenn das Abstimmungsresultat nach Anwendung des Abstimmungsmodus<br />

und der im Organisationsreglement aufgestellten Regeln vorliegt 393 . <strong>Die</strong> Ansicht,<br />

eine Lösung habe schon ex ante zu bestehen 394 , kann deshalb nur die Pflichtwidrigkeit<br />

betreffen.<br />

Weder die Stimmenthaltung eines Gremiumsmitgliedes noch die nicht erfolgte<br />

Stimmabgabe eines unentschuldigt abwesenden Gremiumsmitgliedes können alleine die<br />

zielgerichtete Mehrheitsentscheidung, welche die strafrechtlich relevanten Folgen<br />

impliziert, her<strong>bei</strong>führen. Ein einzelnes Gremiumsmitglied alleine ist also dazu nicht<br />

fähig 395 .<br />

Weder die Stimmenthaltung noch die nicht vorgenommene Stimmabgabe werden<br />

jeweils zum Bestandteil des rechnerischen Stimmenverhältnisses des Abstimmungsresultates,<br />

denn dieses nimmt nur Bezug auf die Mehrheit von Gremiumsmitgliedern, die<br />

dem Antrag zustimmen, sowie auf die Minderheit der Gremiumsmitglieder, die gegen<br />

den Antrag stimmen. <strong>Die</strong> conditio-sine-qua-non-Formel hat <strong>bei</strong> der Stimmenthaltung und<br />

der nicht erfolgten Stimmabgabe insoweit eine Auswirkung auf das Abstimmungsresultat,<br />

als die Anzahl der Stimmenthaltungen oder die Anzahl der nicht erfolgten<br />

Stimmabgaben der unentschuldigt abwesenden Gremiumsmitglieder reduziert wird. <strong>Die</strong><br />

Stimmabgaben der zustimmenden Gremiumsmitglieder der Mehrheit bleiben jedoch nach<br />

wie vor bestehen, so dass die strafrechtlich relevanten Folgen nicht entfallen. Das<br />

Wegdenken eines dieser Stimmverhalten hat somit keinen Einfluss auf die Ausführung<br />

des Beschlusses, so dass die strafrechtlich relevanten Folgen nicht entfallen. Kausal ist<br />

<strong>bei</strong> Anwendung der conditio-sine-qua-non-Formel demzufolge weder die Stimment-<br />

392 WEISSER, Kausalitäts- und Täterschaftsprobleme, S. 172.<br />

393 <strong>Die</strong>s ist nichts Ungewöhnliches, da die Kausalität auch <strong>bei</strong> den rechtswidrigen und rechtmässigen<br />

Stimmen erst mit der Abstimmung festgestellt werden kann. Betreffend die zivilrechtliche Ansicht,<br />

die auch auf das Stimmenverhältnis abstellt, vgl. HOMBURGER, N 813; SCHUCANY, Beschlussfassung,<br />

S. 174.<br />

394 NEUDECKER, S. 208.<br />

395 KNAUER, S. 94 f.; SCHOLL, S. 215.<br />

79


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

haltung noch die nicht erfolgte Stimmabgabe des unentschuldigt abwesenden Gremiumsmitgliedes.<br />

<strong>Die</strong> Frage, ob das Unterlassen der „richtigen“ Stimmabgabe als kausal zu<br />

erachten ist, kann mit der conditio-sine-qua-non-Formel nicht beantwortet werden.<br />

80<br />

d) Fazit<br />

Das jeweilige Stimmverhalten des einzelnen Gremiumsmitgliedes stellt alleine keine<br />

Gesamtursache dar, so dass in solchen Fällen nie eine alternative Kausalität vorliegt. Im<br />

Gegensatz dazu kann die Kausalität der Stimmabgabe desjenigen Gremiumsmitgliedes,<br />

das dem Antrag zugestimmt hat, anhand der kumulativen Kausalität teilweise nachgewiesen<br />

werden. <strong>Die</strong>s ist dann der Fall, wenn das Abstimmungsresultat nur auf einer<br />

knappen Mehrheit beruht, nicht aber, wenn es eine solide Mehrheit widerspiegelt, die<br />

dem Antrag zugestimmt hat 396 . Nur im ersten Fall ist die Stimmabgabe eines<br />

zustimmenden Gremiumsmitgliedes der Mehrheit eine zwingende Voraussetzung für das<br />

Abstimmungsresultat und somit eine conditio-sine-qua-non 397 . Bei soliden Mehrheiten<br />

jedoch versagt die Äquivalenztheorie. Bei der Stimmabgabe des gegen den Antrag<br />

stimmenden Gremiumsmitgliedes kann jedoch weder mit der alternativen noch mit der<br />

kumulativen Kausalitätstheorie eine Kausalität nachgewiesen werden. Ebenso wenig lässt<br />

sich eine Kausalität des Unterlassens der „richtigen“ Stimmabgabe <strong>bei</strong> Stimmenthaltung<br />

des Gremiumsmitgliedes und <strong>bei</strong> nicht erfolgter Stimmabgabe des unentschuldigt<br />

abwesenden Gremiumsmitgliedes mit der conditio-sine-qua-non-Formel nachweisen. Es<br />

ändert sich dadurch nichts am Abstimmungsverhältnis 398 .<br />

Hinsichtlich der Feststellung der Kausalität ist die conditio-sine-qua-non-Formel —<br />

wenn mehrere Bedingungen vorliegen — somit folgenden Einwänden ausgesetzt: Wenn<br />

das Abstimmungsresultat feststeht, kann jedes Gremiumsmitglied behaupten, sein<br />

eigenes Stimmverhalten sei für das Abstimmungsresultat nicht ursächlich gewesen. Jedes<br />

Gremiumsmitglied kann sich darauf berufen, dass die strafrechtlich relevanten Folgen<br />

auch ohne sein eigenes Stimmverhalten eingetreten wären.<br />

<strong>Die</strong> dem Antrag zustimmenden Gremiumsmitglieder der Mehrheit, welche die<br />

Ausführung des Beschlusses erreichen wollen, bilden erst bzw. bereits dann eine Mehrheit,<br />

wenn die Hürde zur Erreichung der erforderlichen Mehrheit — die minimal<br />

notwendige Anzahl zustimmender Gremiumsmitglieder — erreicht wird. Es muss<br />

deshalb völlig gleichgültig sein, ob die strafrechtlich relevanten Folgen auf Grund eines<br />

einstimmigen Beschlusses oder nur infolge einer Mehrheit von zustimmenden<br />

Gremiumsmitgliedern eingetreten sind. Das Ergebnis des Kausalitätsnachweises mittels<br />

conditio-sine-qua-non-Formel entspricht bezüglich der Stimmabgaben der zustimmenden<br />

Gremiumsmitglieder nicht dem gesunden Menschenverstand und widerspricht dem<br />

396 NEUDECKER, S. 223.<br />

397 WEISSER, Kausalitäts- und Täterschaftsprobleme, S. 171.<br />

398 NEUDECKER, S. 216.


5. Kapitel I. Nachweis der Kausalität des Stimmverhaltens<br />

Rechtsgefühl, denn unabhängig davon, ob eine knappe oder eine solide Mehrheit von<br />

zustimmenden Gremiumsmitgliedern vorliegt, führen <strong>bei</strong>de Konstellationen <strong>bei</strong><br />

Ausführung der Mehrheitsentscheidung durch das Gremium zu strafrechtlich relevanten<br />

Folgen.<br />

Da<strong>bei</strong> spielt es keine Rolle, ob eine solide oder nur eine knappe Mehrheit von<br />

zustimmenden Gremiumsmitgliedern zum Beschluss geführt hat. <strong>Die</strong>s zeigt auf, dass die<br />

conditio-sine-qua-non-Formel nur über eine geringe Aussagekraft verfügt 399 .<br />

3. Prüfung des Nachweises der Kausalität des Stimmverhaltens<br />

mittels Wahrscheinlichkeitstheorie <strong>bei</strong><br />

einem als Unterlassungsdelikt qualifizierten Sachverhalt<br />

Jedes Gremiumsmitglied ist infolge seiner Mitwirkungspflicht 400 zur Teilnahme an der<br />

Abstimmung angewiesen. Das jeweilige Stimmverhalten des einzelnen Gremiumsmitgliedes<br />

ist nach der Wahrscheinlichkeitstheorie dann kausal, wenn die gebotene<br />

Handlung nicht hinzugedacht werden könnte, ohne dass der Erfolg höchstwahrscheinlich<br />

entfiele, wo<strong>bei</strong> diese Handlung möglich und zumutbar sein muss 401 . Demzufolge ist die<br />

gebotene, mögliche und zumutbare Tathandlung, die eigene Stimme so einzusetzen, dass<br />

der Antrag, der <strong>bei</strong> Umsetzung zu strafrechtlich relevanten Folgen führen würde,<br />

abgelehnt wird.<br />

a) Stimmabgabe des dem Antrag zustimmenden Gremiumsmitgliedes<br />

Hinsichtlich eines Gremiumsmitgliedes, das einem Antrag auf Unterlassung der<br />

gebotenen Handlung zustimmt, ergeben sich <strong>bei</strong> Anwendung der Wahrscheinlichkeitstheorie<br />

ähnliche Probleme wie <strong>bei</strong> der Äquivalenztheorie. Verschiedene Autoren<br />

sprechen sich deshalb — <strong>bei</strong> Unterlassungsdelikten wie auch <strong>bei</strong> Begehungsdelikten —<br />

für eine ähnliche Begründung der Kausalität des Stimmverhaltens jener Gremiumsmitglieder<br />

aus, die dem Antrag zustimmen 402 . In diesem Zusammenhang kann auch auf<br />

BGE 116 IV 310 hingewiesen werden 403 . Im Folgenden wird die conditio-cum-qua-non-<br />

399 RANSIEK, Unternehmensstrafrecht, S. 68.<br />

400 Siehe 2. Kapitel III.D.<br />

401 SCHAAL, S. 105.<br />

402 BEULKE/BACHMANN, S. 744, Fn. 100 m. w. H.; SCHAAL, S. 106.<br />

403 BGE 116 IV 310 beschreibt Folgendes: „Nach der Rechtsprechung ist ein (pflichtwidriges)<br />

Verhalten im natürlichen Sinne kausal, wenn es nicht weggedacht werden kann, ohne dass auch der<br />

eingetretene Erfolg entfiele; dieses Verhalten braucht nicht alleinige oder unmittelbare Ursache des<br />

Erfolgs zu sein (BGE 115 IV 206 E. 5b mit Hinweis). Mit dieser «conditio-sine-qua-non-Formel»<br />

wird ein hypothetischer Kausalverlauf untersucht und da<strong>bei</strong> geprüft, was <strong>bei</strong>m Weglassen<br />

bestimmter Tatsachen geschehen wäre; ein solchermassen vermuteter natürlicher Kausalverlauf lässt<br />

sich nicht mit Gewissheit beweisen, weshalb es genügt, wenn das Verhalten des Täters mindestens<br />

81


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

Formel angewandt, da <strong>bei</strong> der Wahrscheinlichkeitstheorie das Stimmverhalten einer<br />

Person „hinzugedacht“ wird im Gegensatz zur conditio-sine-qua-non-Formel <strong>bei</strong> der<br />

Äquivalenztheorie, <strong>bei</strong> der das Stimmverhalten einer Person weggedacht wird. Im<br />

Ergebnis wird der rechtliche Zusammenhang von Ursache und Wirkung <strong>bei</strong> der<br />

Unterlassung wie <strong>bei</strong> der Begehung behandelt.<br />

Bei einer knappen Mehrheit von Gremiumsmitgliedern, die dem Antrag zustimmen,<br />

führt dies dazu, dass die Stimmabgabe eines dem Antrag zustimmenden Gremiumsmitgliedes<br />

von der vorgenannten Mehrheit weggedacht wird und diese Stimme <strong>bei</strong> der<br />

Minderheit jener Gremiumsmitglieder, die gegen den Antrag stimmen, hinzugedacht<br />

wird. <strong>Die</strong>se Minderheit wird durch diesen Schritt zu einer Mehrheit von Gremiumsmitgliedern,<br />

die gegen den Antrag stimmen. <strong>Die</strong> Mehrheitsentscheidung zu Gunsten der<br />

Umsetzung des Antrags wäre somit verunmöglicht. Besteht zwischen der Mehrheit von<br />

Gremiumsmitgliedern, die dem Antrag zustimmen, und der Minderheit jener Gremiumsmitglieder,<br />

die gegen den Antrag stimmen, ein Unterschied von zwei Stimmen, so ergibt<br />

die Anwendung der Wahrscheinlichkeitstheorie ein Unentschieden zwischen der<br />

Mehrheit jener Gremiumsmitglieder, die dem Antrag zustimmen, und der Minderheit<br />

derjenigen Gremiumsmitglieder, die gegen den Antrag stimmen. In <strong>bei</strong>den Fällen wird<br />

der Antrag nicht umgesetzt. Das Problem, welche abgegebene Stimme der gegen den<br />

Antrag stimmenden Gremiumsmitglieder ausschlaggebend und somit kausal ist, kann mit<br />

der cum-qua-non-Formel nicht gelöst werden.<br />

82<br />

b) Stimmabgabe des gegen den Antrag stimmenden<br />

Gremiumsmitgliedes<br />

Das gegen den Antrag auf Unterlassung der gebotenen Handlung stimmende Gremiumsmitglied<br />

verhält sich so, wie es geboten ist. Seine Stimmabgabe <strong>bei</strong>nhaltet bereits das<br />

mögliche und zumutbare Verhalten. Im Hinblick auf die den Antrag unterstützende<br />

Mehrheitsentscheidung, die strafrechtlich relevante Folgen impliziert, muss das Gremiumsmitglied<br />

gegen den Antrag auf Unterlassung der gebotenen Handlung stimmen.<br />

Eine Kausalität kann somit <strong>bei</strong> der Stimmabgabe des gegen den Antrag stimmenden<br />

Gremiumsmitgliedes nicht nachgewiesen werden.<br />

mit einem hohen Grad der Wahrscheinlichkeit oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit<br />

die Ursache des Erfolgs bildete (BGE 115 IV 206 E. 5b; 101 IV 152 f. E. 2c). Um hypothetische<br />

Kausalität geht es auch <strong>bei</strong> der Unterlassung. Zwischen dieser und dem Erfolg besteht dann ein<br />

Kausalzusammenhang, wenn <strong>bei</strong> Vornahme der gebotenen Handlung der Erfolg mit einem hohen<br />

Grad der Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten wäre; die blosse Möglichkeit des Nichteintritts des<br />

Erfolgs <strong>bei</strong> Vornahme der gebotenen Handlung reicht zur Bejahung des Kausalzusammenhangs nicht<br />

aus (BGE 115 IV 191 E. 2 mit Hinweisen).“


5. Kapitel I. Nachweis der Kausalität des Stimmverhaltens<br />

c) Stimmenthaltung des Gremiumsmitgliedes und das — <strong>bei</strong><br />

nicht erfolgter Stimmabgabe — unentschuldigt abwesende<br />

Gremiumsmitglied<br />

Würde sich <strong>bei</strong> einer knappen Mehrheit ein Gremiumsmitglied, das sich der Stimme<br />

enthält, gebotsmässig verhalten — d. h. gegen den Antrag stimmen —, so ergäbe sich ein<br />

Unentschieden <strong>bei</strong>m Abstimmungsresultat, so dass sich der Beschluss nicht umsetzen<br />

liesse. Sind indes mehrere Stimmenthaltungen bzw. mehrere nicht erfolgte Stimmabgaben<br />

unentschuldigt abwesender Gremiumsmitgliedern <strong>bei</strong> einer knappen Mehrheit<br />

festzustellen, so stellt sich das Problem, welchem dieser Gremiumsmitglieder das kausale<br />

Verhalten nun zuzurechnen ist. Bei Vorliegen einer soliden Mehrheit von Gremiumsmitgliedern,<br />

die dem Antrag zustimmen, kann keine Kausalität <strong>bei</strong> Stimmenthaltungen<br />

und nicht erfolgten Stimmabgaben von unentschuldigt abwesenden Gremiumsmitgliedern<br />

nachgewiesen werden, da eine zusätzliche Stimme zu Gunsten der den Antrag<br />

ablehnenden Minderheit zwar eine Auswirkung auf das Abstimmungsresultat hat, aber<br />

der Beschluss auf Grund der immer noch vorliegenden Mehrheit von zustimmenden<br />

Gremiumsmitgliedern trotzdem umgesetzt wird.<br />

d) Fazit<br />

Bei der Anwendung der Wahrscheinlichkeitstheorie zum Nachweis der hypothetischen<br />

Kausalität des Stimmverhaltens der Gremiumsmitglieder wird die conditio-cum-qua-non-<br />

Formel ähnlich wie die conditio-sine-qua-non-Formel angewandt. Bezüglich der<br />

Stimmabgabe des Gremiumsmitgliedes, das dem Antrag zustimmt, ergibt sich die gleiche<br />

Schlussfolgerung wie <strong>bei</strong> der Anwendung der Äquivalenztheorie: Wenn zu viele<br />

Beteiligte sich falsch verhalten, können sie sich gestützt auf diese Theorie gegenseitig<br />

entlasten 404 . Eine Kausalität der Stimmabgabe des gegen den Antrag stimmenden<br />

Gremiumsmitgliedes lässt sich anhand der Wahrscheinlichkeitstheorie nicht nachweisen,<br />

weil dieses Gremiumsmitglied die gebotene Handlung ohnehin vornimmt. <strong>Die</strong> Kausalität<br />

betreffend die Stimmenthaltung und die nicht erfolgte Stimmabgabe des unentschuldigt<br />

abwesenden Gremiumsmitgliedes unterscheidet sich im Vergleich zur Äquivalenztheorie<br />

insofern, als — <strong>bei</strong> einer knappen Mehrheit von Gremiumsmitgliedern, die dem Antrag<br />

zustimmen — eine einzelne Stimme zu Gunsten der den Antrag ablehnenden Minderheit,<br />

die Umsetzung des Beschluss zu verhindern vermag. Jedoch ist dazu als zumutbares und<br />

mögliches Verhalten eine Stimmabgabe gegen den Antrag vorausgesetzt. Das Problem,<br />

welches Gremiumsmitglied, das sich der Stimme enthält oder seine Stimmabgabe nicht<br />

wahrnimmt, nun ausschlaggebend und somit kausal ist, kann damit allerdings auch nicht<br />

gelöst werden.<br />

404 SCHAAL, S. 106.<br />

83


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

84<br />

4. Prüfung des Nachweises der Kausalität des Stimmverhaltens<br />

mittels modifizierter conditio-Formeln<br />

a) Gleichbehandlung der Stimmverhalten<br />

Das Bundesgericht räumt ein, dass eine Wirkung mehrere Ursachen haben kann 405 . Es<br />

geht jedoch von einer notwendigen Ursache aus: Rechtserheblich ist der Kausalzusammenhang,<br />

wenn das Täterverhalten eine notwendige, wenn auch nicht alleinige<br />

oder unmittelbare Ursache des Erfolgseintrittes darstellt. Es muss nach dem gewöhnlichen<br />

Gang der Dinge geeignet sein, den Erfolg her<strong>bei</strong>zuführen 406 . Somit ist es<br />

unabdingbar, dass das einzelne Stimmverhalten eine notwendige Ursache darstellt. <strong>Die</strong><br />

Kausalität der Stimmabgabe eines einzelnen, dem Antrag zustimmenden Gremiumsmitgliedes<br />

ist bis anhin nur <strong>bei</strong> Vorliegen einer knappen Mehrheit jener Gremiumsmitglieder,<br />

die dem Antrag zustimmen, nachgewiesen worden. Bei fast allen soliden<br />

Mehrheitskonstellationen von zustimmenden Gremiumsmitgliedern kann dieser Nachweis<br />

jedoch nicht erbracht werden, obwohl die Ausführung bzw. die Umsetzung der<br />

Mehrheitsentscheidung auf Grund einer auf diese oder jene Weise zustande gekommenen<br />

Mehrheit von Gremiumsmitgliedern, die dem Antrag zustimmten, zu strafrechtlich<br />

relevanten Folgen führen muss.<br />

Infolge der Gleichzeitigkeit der Mitverursachung der Mehrheitsentscheidung des<br />

Gremiums, die strafrechtlich relevante Folgen impliziert, muss das Stimmverhalten der<br />

einzelnen Gremiumsmitglieder nur eine hinreichend notwendige und nicht eine<br />

notwendige Bedingung für den Beschluss darstellen. Eine solche Kausalität nicht als<br />

genügend anzuerkennen, wäre nicht nachvollziehbar, würde daneben <strong>bei</strong> zeitlich<br />

gestaffelter Mitverursachung jede Bedingung berücksichtigt 407,408 .<br />

Bei der Beschlussfassung wird immer eine Abstimmung vorgenommen, gleichgültig<br />

ob nun über einen Antrag abgestimmt wird, der eine Begehung oder eine Unterlassung<br />

zur Folge hat. Je nachdem, ob gemäss Kontext eine Begehung oder eine Unterlassung<br />

vorliegt und die Abstimmung infolgedessen als Begehung oder Unterlassung zu<br />

qualifizierten ist 409 , würde das Stimmverhalten der einzelnen Gremiumsmitglieder<br />

strafrechtlich unterschiedlich kausal gewürdigt. Es ist jedoch zu fordern, dass Begehung<br />

und Unterlassung — ebenso wie knappe und solide <strong>Mehrheitsentscheidungen</strong> — gleich<br />

405 BGE 125 IV 197; 103 IV 156; 98 IV 15; 91 IV 187; 91 IV 119; 86 IV 158; 68 IV 19.<br />

406 BGE 68 IV 16; vgl. auch BGE 86 IV 156.<br />

407 Vgl. BGE 125 IV 197: „Es handelt sich da<strong>bei</strong> um keinen Fall konkurrierender Kausalität, <strong>bei</strong><br />

welchem verschiedene Schädiger denselben Schaden verursachen, sondern um einen solchen<br />

gemeinsamer Kausalität, <strong>bei</strong> welchem mehrere Personen an der Schadensverursachung mitgewirkt<br />

haben.“ SPITZ, S. 83.<br />

408 JESCHECK N 58 der Vorbem. zu § 13 dStGB. STRATENWERTH, AT I, § 9 N 39 sowie § 16 N 48:<br />

„Eine Handlung verliert nicht dadurch ihre Ursächlichkeit, dass der Erfolg erst durch die daran<br />

anknüpfende Handlung eines Dritten her<strong>bei</strong>geführt wird. Auch das Dazwischentreten eines fahrlässig<br />

handelnden Dritten bewirkt keine „Unterbrechung des Kausalzusammenhangs“.<br />

409 Siehe 3. Kapitel II.


5. Kapitel I. Nachweis der Kausalität des Stimmverhaltens<br />

behandelt werden, da der Sachverhalt stets auf die Abstimmung als strafrechtlich<br />

relevante Ursache abstellt. Eine andere Sichtweise würde zu Rechtsunsicherheit und<br />

Rechtsungleichheit führen.<br />

b) Versuch des Nachweises der Kausalität des Stimmverhaltens<br />

mittels modifizierter conditio-sine-qua-non-Formel<br />

<strong>Die</strong> Stimmverhalten der Gremiumsmitglieder, die den zu strafrechtlich relevanten Folgen<br />

hinführenden Beschluss mittragen, sollen auch dann ursächlich für den Beschluss<br />

bleiben, wenn ein einzelnes von mehreren Stimmverhalten weggedacht werden kann,<br />

ohne dass dies Auswirkungen auf das Abstimmungsresultat hat 410 . Eine sachgerechte<br />

Lösung hinsichtlich der Mehrheitsentscheidung ist gemäss einigen Autoren nur über die<br />

Modifikation der conditio-sine-qua-non-Formel durch die Grundsätze der kumulativen<br />

Kausal<strong>bei</strong>träge zu finden. Danach soll es zur Bejahung des Kausalzusammenhanges<br />

genügen, wenn von mehreren Bedingungen jede Bedingung zwar alternativ, aber nicht<br />

kumulativ weggedacht werden kann, ohne dass die strafrechtlich relevanten Folgen<br />

dadurch entfielen 411 . Führt diese Modifikation der conditio-sine-qua-non-Formel zur<br />

alleinigen Anwendung der alternativen Kausalität, ist der Nachweis von Kausalität nur<br />

dann möglich, wenn die alternative Bedingung — d. h. ein Stimmverhalten — eine<br />

einfache Bedingung darstellt, die alleine keine strafrechtlich relevanten Folgen zeitigt.<br />

SCHAAL schlägt Ähnliches vor: „Jede mögliche Kombination von Stimmen, die gerade<br />

für die Mehrheit ausreicht, ist als ursächlich anzusehen, wo<strong>bei</strong> die jeweils nicht in dieser<br />

Kombination berücksichtigten Stimmen wie Reserveursachen behandelt werden, obwohl<br />

sie wegen ihres realen Vorliegens keine sind“ 412 .<br />

Das Stimmverhalten der einzelnen Gremiumsmitglieder in globo stellt einen Fall<br />

alternativen Vorliegens kumulierender Kausal<strong>bei</strong>träge dar, wenn ein Beschluss mit einem<br />

Überschuss an Gremiumsmitgliedern vorliegt, die dem Antrag zustimmen 413 . Das<br />

alternative Wegdenken der Stimmabgabe von einzelnen dem Antrag zustimmenden<br />

Gremiumsmitgliedern lässt <strong>bei</strong> einer soliden Mehrheit von dem Antrag zustimmenden<br />

Gremiumsmitgliedern die Mehrheitsentscheidung, die strafrechtlich relevante Folgen<br />

impliziert, nicht entfallen. <strong>Die</strong>se Modifikation der conditio-sine-qua-non-Formel führt<br />

dazu, dass die Stimmenthaltung und die nicht erfolgte Stimmabgabe von unentschuldigt<br />

abwesenden Gremiumsmitgliedern sowie die Stimmabgabe der gegen den Antrag<br />

stimmenden Gremiumsmitglieder ebenfalls kausal wären, denn das alternative Weg-<br />

410 KÜHL, N 11 der Vorbem. zu § 13 dStGB m. w. H.<br />

411 BEULKE/BACHMANN, S. 737, S. 743; LENCKNER, N 83 und N 83a zu Vorbem § 13 ff. dStGB;<br />

CRAMER/STERNBERG-LIEBEN, N 223 zu § 15 dStGB; WALDER, Kausalität, S. 140.<br />

412 SCHAAL, S. 97.<br />

413 SCHAAL, S. 60, S. 164; SPITZ, S. 84, wendet die modifizierte conditio-Formel auf die zustimmenden<br />

Gremiumsmitglieder an, bietet jedoch keine Lösung für Situation, die <strong>bei</strong> Stimmenthaltung und nicht<br />

erfolgter Stimmabgabe eines abwesenden Gremiumsmitgliedes eintritt.<br />

85


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

denken des jeweiligen Stimmverhaltens lässt die Mehrheitsentscheidung, die strafrechtlich<br />

relevante Folgen impliziert, nicht entfallen. Verglichen mit der Anwendung der<br />

einfachen conditio-sine-qua-non-Formel <strong>bei</strong> einer knappen Mehrheit von dem Antrag<br />

zustimmenden Gremiumsmitgliedern, <strong>bei</strong> der sich die Kausalität nur <strong>bei</strong> der Stimmabgabe<br />

jener Gremiumsmitglieder, die dem Antrag zustimmen, nachweisen lässt, führt<br />

die Anwendung der modifizierten conditio-sine-qua-non-Formel <strong>bei</strong> einer soliden Mehrheit<br />

von dem Antrag zustimmenden Gremiumsmitgliedern <strong>bei</strong> jedem Stimmverhalten<br />

zum Nachweis der Kausalität.<br />

Zudem würde die Anwendung der modifizierten conditio-sine-qua-non-Formel <strong>bei</strong><br />

einer knappen Mehrheit von Gremiumsmitgliedern, die dem Antrag zustimmen, dazu<br />

führen, dass nur die Stimmverhalten der dem Antrag zustimmenden Gremiumsmitglieder<br />

nicht kausal wären. Dagegen wären die Stimmverhalten der gegen den Antrag<br />

stimmenden, der sich der Stimme enthaltenden und der unentschuldigt abwesenden<br />

Gremiumsmitglieder kausal, weil das alternative Wegdenken eines dieser Stimmverhalten<br />

die Mehrheitsentscheidung, die strafrechtlich relevante Folgen impliziert, nicht<br />

entfallen liesse.<br />

86<br />

c) Versuch des Nachweises der Kausalität des Stimmverhaltens<br />

mittels modifizierter conditio-cum-qua-non-Formel<br />

<strong>Die</strong> Modifikation der conditio-cum-qua-non-Formel führt dazu, dass eine Stimmabgabe<br />

eines dem Antrag zustimmenden Gremiumsmitgliedes <strong>bei</strong> einer soliden Mehrheit von<br />

Gremiumsmitgliedern, die dem Antrag zustimmen, von mindestens zwei Stimmen<br />

Unterschied 414 alternativ zur Minderheit der gegen den Antrag stimmenden Gremiumsmitglieder<br />

hinzugedacht werden könnte, ohne dass die Mehrheitsentscheidung, die<br />

strafrechtlich relevante Folgen impliziert, dadurch entfallen würde 415 . Den gleichen<br />

Effekt hat die Modifikation der conditio-cum-qua-non-Formel <strong>bei</strong> einer soliden Mehrheit<br />

von dem Antrag zustimmenden Gremiumsmitgliedern (mit mindestens zwei Stimmen<br />

Unterschied) bezüglich der Stimmenthaltungen und nicht erfolgten Stimmabgaben der<br />

unentschuldigt abwesenden Gremiumsmitglieder. Das alternative Hinzudenken eines<br />

dieser Stimmverhalten zur Minderheit der gegen den Antrag stimmenden Gremiumsmitglieder<br />

lässt auch hier die <strong>Verantwortlichkeit</strong> für eine Mehrheitsentscheidung, die<br />

strafrechtlich relevante Folgen impliziert, nicht entfallen. <strong>Die</strong> Stimmabgabe des gegen<br />

414 Der Stimmenunterschied bezieht sich auf den Betrag zwischen einer Mehrheit von dem Antrag<br />

zustimmenden Gremiumsmitgliedern und einer Minderheit von gegen den Antrag stimmenden<br />

Gremiumsmitgliedern.<br />

415 Siehe 5. Kapitel I.D.3.a). Bei einem Unterschied von zwei Stimmen zwischen Mehrheit und<br />

Minderheit führt die Anwendung der Wahrscheinlichkeitstheorie dazu, dass ein Unentschieden<br />

resultiert, weswegen der Antrag nicht zur Umsetzung gelangt und keine strafrechtlich relevanten<br />

Folgen eintreten.


5. Kapitel I. Nachweis der Kausalität des Stimmverhaltens<br />

den Antrag stimmenden Gremiumsmitgliedes kann hier 416 ebenso wenig alternativ<br />

hinzugedacht werden, da dieses Stimmverhalten die gebotene Handlung schon <strong>bei</strong>nhaltet.<br />

<strong>Die</strong> Anwendung der modifizierten conditio-cum-qua-non-Formel auf eine knappe<br />

Mehrheit führt zur Kausalität des dem Antrag zustimmenden Gremiumsmitgliedes, aber<br />

auch zur Kausalität der Stimmenthaltung und der nicht erfolgten Stimmabgabe des<br />

unentschuldigt abwesenden Gremiumsmitgliedes. Bei Anwendung der modifizierten<br />

conditio-cum-qua-non-Formel verhält es sich hinsichtlich der Kausalität der gegen den<br />

Antrag stimmenden Gremiumsmitglieder <strong>bei</strong> der knappen Mehrheit gleich wie <strong>bei</strong> der<br />

soliden Mehrheit.<br />

d) Fazit<br />

Es ist problematisch, dass <strong>bei</strong> der Anwendung der modifizierten conditio-Formeln <strong>bei</strong><br />

einer Mehrheitsentscheidung mit einer soliden Mehrheit von Gremiumsmitgliedern, die<br />

dem Antrag zustimmen, die Stimmverhalten einer grösseren Anzahl von Gremiumsmitgliedern<br />

als kausal gewürdigt werden können, als <strong>bei</strong> Anwendung der einfachen<br />

conditio-Formeln <strong>bei</strong> einer Mehrheitsentscheidung mit einer knappen Mehrheit von<br />

Gremiumsmitgliedern, die dem Antrag zustimmen. Zudem führt der Unterschied<br />

zwischen den als Begehung oder Unterlassung qualifizierten Abstimmungen <strong>bei</strong>m<br />

Nachweis bezüglich der Kausalität der einzelnen Stimmverhalten zu unterschiedlichen<br />

Ergebnissen. Im Hinblick auf die Ausschaltung von Rechtsunsicherheiten ist dieses<br />

Resultat unerwünscht<br />

416 Siehe 5. Kapitel I.D.3.b).<br />

87


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

5. Übersicht über die erreichten Ergebnisse betreffend Nachweis der Kausalität des<br />

jeweiligen Stimmverhaltens<br />

Theorie Äquivalenztheorie<br />

Conditio-sine-qua-non-<br />

Formel<br />

Kurze Umschreibung Ein Stimmverhalten<br />

wegdenken, so dass die<br />

strafrechtlich relevanten<br />

Folgen dadurch<br />

entfallen.<br />

Bestehende<br />

Mehrheit<br />

Stimmverhalten<br />

Dem Antrag<br />

zustimmendes<br />

Gremiumsmitglied<br />

Gegen den Antrag<br />

stimmendes Gremiumsmitglied<br />

Stimmenthaltung des<br />

Gremiumsmitgliedes<br />

Nicht erfolgte Stimmabgabe<br />

des unentschuldigt<br />

abwesenden<br />

Gremiumsmitgliedes<br />

Wahrscheinlichkeitstheorie<br />

Conditio-cum-qua-non-<br />

Formel<br />

Ein Stimmverhalten <strong>bei</strong><br />

der Minderheit<br />

hinzudenken, so dass die<br />

strafrechtlich relevanten<br />

Folgen dadurch entfallen.<br />

Modifizierte conditiosine-qua-non-Formel<br />

Ein Stimmverhalten<br />

wegdenken, so dass die<br />

strafrechtlich relevanten<br />

Folgen dadurch nicht<br />

entfallen.<br />

Modifizierte conditiocum-qua-non-Formel<br />

Ein Stimmverhalten <strong>bei</strong><br />

der Minderheit<br />

hinzudenken, so dass<br />

die strafrechtlich<br />

relevanten Folgen<br />

dadurch nicht entfallen.<br />

knappe solide knappe solide knappe solide knappe solide<br />

X -<br />

(X) - - X X X<br />

- - - - X X - -<br />

- - (X) - X X X X<br />

- - (X) - X X X X<br />

Erklärungen: X bedeutet, dass das jeweilige Stimmverhalten kausal ist.<br />

(X) bedeutet, dass das Stimmverhalten zwar kausal wäre, aber das Problem besteht, dass <strong>bei</strong> gleichem Stimmverhalten mehrerer<br />

Gremiumsmitglieder nicht nachgewiesen werden kann, welches dieser Stimmverhalten sich als kausal erweist.


5. Kapitel I. Nachweis der Kausalität des Stimmverhaltens<br />

6. Nachweis der Kausalität des Stimmverhaltens<br />

mittels der Lehre der gesetzmässigen Bedingung als<br />

Lösung<br />

a) Begriff der Lehre der gesetzmässigen Bedingung<br />

<strong>Die</strong> Probleme, welche sich aus der Anwendung der conditio-sine-qua-non-Formel und<br />

der auf ihr aufbauenden Theorien ergeben, sollen durch die Formel der gesetzmässigen<br />

Bedingung vermieden werden können. „Für die Kausalität im Sinne der Bedingungstheorie<br />

kommt es somit alleine darauf an, ob sich an eine Handlung zeitlich nachfolgende<br />

Veränderungen in der Aussenwelt angeschlossen haben, die mit der Handlung nach den<br />

uns bekannten Naturgesetzen notwendig verbunden waren und sich als tatbestandsmässiger<br />

Erfolg darstellen“ 417 . <strong>Die</strong> Ursächlichkeit eines Verhaltens soll demnach dadurch<br />

festgestellt werden, dass untersucht wird, ob die strafrechtlich relevanten Folgen „nach<br />

unseren Erfahrungen“ tatsächlich auf Grund eines Kausalgesetzes her<strong>bei</strong>geführt worden<br />

sind. <strong>Die</strong>s setzt voraus, dass sich ein Naturgesetz überhaupt feststellen lässt 418 . Wo der<br />

Ansatz der conditio-sine-qua-non-Formel also nicht mehr weiterhilft, wird sie durch die<br />

Formel der gesetzmässigen Bedingung ergänzt. <strong>Die</strong>se Lehre stellt keinen Widerspruch<br />

zur üblichen Kausalbestimmung nach der conditio-Formel dar. Wie die conditio-Formel<br />

betont auch diese Lehre die Gleichwertigkeit aller Bedingungen und steht somit auch auf<br />

dem Boden der Äquivalenztheorie. <strong>Die</strong> Lehre der gesetzmässigen Bedingung wird<br />

deshalb als eine Erscheinungsform der Äquivalenztheorie gesehen 419 , die vom Einzelverhalten<br />

ausgeht 420 . Das Verhalten muss also eine Veränderung in der Umwelt bewirken,<br />

wo<strong>bei</strong> die betreffende Veränderung mit dem Verhalten gesetzmässig verbunden sein<br />

muss, damit sie als tatbestandsmässige Folge qualifiziert werden kann.<br />

<strong>Die</strong> conditio 421 ist eine gedachte Kausalität. <strong>Die</strong> Lehre der gesetzmässigen Bedingung<br />

umschreibt den Zusammenhang von Wirkung und Verhalten treffender 422 , da hier nur der<br />

gegebene, also der real vorhandene Wirkungsmechanismus untersucht wird 423 . Der entscheidende<br />

Vorteil der Lehre der gesetzmässigen Bedingung liegt jedoch darin, dass sie<br />

sich nicht nur <strong>bei</strong> Begehungs- sondern auch <strong>bei</strong> Unterlassungsdelikten anwenden lässt 424 .<br />

<strong>Die</strong>s führt <strong>bei</strong> <strong>Mehrheitsentscheidungen</strong> dazu, dass die Abstimmung hinsichtlich<br />

Begehungen und Unterlassungen gleich behandelt wird, was zu begrüssen ist.<br />

417<br />

JESCHECK/WEIGEND, § 28 II. Ziff. 4, S. 283 m. w. H (Hervorhebungen durch den Autor selbst).<br />

<strong>Die</strong>se Lehre wurde von ENGISCH begründet, vgl. ENGISCH, S. 21 ff.<br />

418<br />

KNAUER, S. 98 f.<br />

419<br />

DONATSCH, Sorgfaltsbemessung, S. 255 f.; HURTADO POZO, N 128.<br />

420<br />

SCHOLL, S. 218.<br />

421<br />

Conditio steht hier für die conditio-sine-qua-non und die conditio-cum-qua-non.<br />

422<br />

DONATSCH, Sorgfaltsbemessung, S. 255; HASSEMER, S. 38.<br />

423<br />

ENGISCH, S. 26; WALDER, Kausalität, S. 137, S. 139; WEISSER, Kausalitäts- und Täterschaftsprobleme,<br />

S. 114.<br />

424<br />

HILGENDORF, Kausalität, S. 561, S. 564, S. 566.<br />

89


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

90<br />

b) Anwendbarkeit der Lehre der gesetzmässigen Bedingung<br />

auf die Mehrheitsentscheidung<br />

KNAUER bringt vor, dass eine Begründung der Kausalität mit der Lehre der gesetzmässigen<br />

Bedingung <strong>bei</strong> einer Mehrheitsentscheidung nicht möglich sei. Eine<br />

tatsächliche Veränderung in der Aussenwelt sei mit einer Mehrheitsentscheidung nicht<br />

nachzuweisen. Es liege kein Erfahrungswissen vor, welches aufzeige, wie auf eine<br />

Mehrheitsentscheidung reagiert wird 425 . In erster Linie wird hier ein Kausalzusammenhang<br />

zwischen den einzelnen Stimmverhalten und dem Beschluss gesucht. Wird eine<br />

Kausalität des Stimmenverhaltens hinsichtlich des Beschlusses nachgewiesen, ist das<br />

Stimmverhalten auf Grund der Ausführung bzw. der [natürlich notwendigen] Umsetzung<br />

des Beschlusses ebenfalls kausal für die strafrechtlich relevanten Folgen. Eine Veränderung<br />

ist somit in der Aussenwelt wahrnehmbar 426 .<br />

Anhand der Lehre der gesetzmässigen Bedingung wird ein sachgerechtes Ergebnis<br />

erzielt 427 , weil nach der konkreten Kausalität gefragt wird. Da<strong>bei</strong> wird davon ausgegangen,<br />

dass „die konkrete Handlung im konkreten Erfolg tatsächlich wirksam<br />

geworden ist“ 428 . <strong>Die</strong>sbezüglich ist es nötig, auf die Mehrheitskausalität Bezug zu<br />

nehmen, wo<strong>bei</strong> die nachfolgenden Ausführungen von PUPPE heranzuziehen sind. Sie hat<br />

die Lehre der gesetzmässigen Bedingung hinsichtlich alternativer Kausalität und<br />

Mehrfachkausalität weiterentwickelt: Mehrere ganz oder teilweise verschiedene hinreichende<br />

Bedingungen der strafrechtlich relevanten Folgen sind gleichzeitig erfüllt. Um<br />

eine gegenseitige Entlastung zu verhindern, ist auf die Anerkennung von Einzelursachen,<br />

die für die Her<strong>bei</strong>führung der strafrechtlich relevanten Folgen notwendig sind, zu<br />

verzichten. Als Einzelursache ist demzufolge schon ein Verhalten zu betrachten, das ein<br />

notwendiger Bestandteil einer von möglicherweise mehreren Bedingungen für die<br />

strafrechtlich relevanten Folgen sein kann. <strong>Die</strong>ses Kausalitätsverständnis ist intuitiver<br />

Art 429 . PUPPE greift hier auf die Wissenschaftstheorie zurück 430 : „<strong>Die</strong> Stimmabgabe des<br />

einzelnen Mitgliedes ist eine Einzelursache des Zustandekommens des rechtswidrigen<br />

Beschlusses, weil sie in Verbindung mit jeweils so vielen anderen für den Beschluss<br />

abgegebenen Stimmen, wie für die Mindestmehrheit notwendig sind, einen notwendigen<br />

Bestandteil einer von mehreren erfüllten hinreichenden Bedingungen für das<br />

425<br />

KNAUER, S. 119.<br />

426<br />

Vgl. SCHOLL, S. 224.<br />

427<br />

BOCK, S. 81; EICHINGER, S. 204; NEUDECKER, S. 224; LENCKNER, N 83a der Vorbem. zu § 13 ff.<br />

dStGB m. w. H.; HILGENDORF, Kausalität, S. 565.<br />

428<br />

LENCKNER, N 75 der Vorbem. zu § 13 ff. dStGB.<br />

429<br />

PUPPE, Anmerkung, S. 32.<br />

430<br />

Vgl. PUPPE, Anmerkung, S. 31 mit Hinweis auf MACKIE, The Cement of the Universe, 1974, von<br />

welchem die Inus-Theorie stammt: „Ursache ist ein nicht hinreichender, aber notwendiger Teil einer<br />

komplexen Bedingung, die selbst als ganze nicht notwendig aber hinreichend für das fragliche<br />

Resultat ist.“ Vgl. auch die Ausführungen in PUPPE, Erfolg; KNAUER, S. 120.


5. Kapitel I. Nachweis der Kausalität des Stimmverhaltens<br />

Zustandekommen des rechtswidrigen Beschlusses bildet“ 431 . Kausalität wird demzufolge<br />

dann bejaht, wenn ein Kriterium ein notwendiger Bestandteil einer hinreichenden<br />

Mindestbedingung der strafrechtlich relevanten Folgen darstellt 432 . Es ist nicht möglich,<br />

einen Kausalzusammenhang zwischen dem Stimmverhalten und der Mehrheitsentscheidung<br />

bzw. dem Beschluss herzustellen, solange jede Einzelursache eine notwendige<br />

Bedingung des Eintrittes der strafrechtlich relevanten Folgen darstellt. Als<br />

Ausnahme kann lediglich die knappe Mehrheit angesehen werden 433 . Es ist die Frage<br />

danach zu stellen, „ob die konkrete Handlung im konkreten Erfolg wirksam geworden ist<br />

und nicht danach, ob die Einzelursache für die Her<strong>bei</strong>führung der strafrechtlich<br />

relevanten Folgen schlechthin notwendig war“ 434 .<br />

c) Kausalität der Stimmabgabe des dem Antrag zustimmenden<br />

bzw. diesen ablehnenden Gremiumsmitgliedes<br />

Bei der Mehrheitsentscheidung des Gremiums handelt es sich um eine Mehrfachkausalität.<br />

Mehrere ganz oder teilweise verschiedene hinreichende Bedingungen sind<br />

gleichzeitig erfüllt. Mehrere Gremiumsmitglieder haben jeweils einen notwendigen<br />

Beitrag zu einer dieser mehreren hinreichenden Bedingungen geleistet. Insoweit wird das<br />

Problem gleich gelöst wie <strong>bei</strong> der modifizierten conditio-sine-qua-non-Formel 435 .<br />

<strong>Die</strong> aus Stimmabgaben von Gremiumsmitgliedern, die dem Antrag zustimmen,<br />

bestehende Mehrheit führt dazu, dass eine Mehrheitsentscheidung ergeht, die strafrechtlich<br />

relevante Folgen nach sich zieht. <strong>Die</strong>se Mehrheit, die auf Grund jener<br />

Gremiumsmitglieder zu Stande kommt, die dem Antrag zustimmen, hat somit eine<br />

Aussenwirkung. Dagegen führen die gegen den Antrag stimmenden Gremiumsmitglieder<br />

nur zu einer Minderheit, die sich gegen die Ausführung bzw. die Umsetzung des Antrags<br />

ausspricht, so dass das Verhalten dieser Gremiumsmitglieder im Gegensatz zur vorgenannten<br />

Mehrheit keine Aussenwirkung zeitigt.<br />

<strong>Die</strong> Stimmabgabe des dem Antrag zustimmenden Gremiumsmitgliedes wird hiermit<br />

als kausal angesehen, die Stimmabgabe des gegen den Antrag stimmenden Gremiumsmitgliedes<br />

hingegen nicht 436 .<br />

431<br />

PUPPE, Anmerkung, S. 33 f.<br />

432<br />

WEISSER, Kausalitäts- und Täterschaftsprobleme, S. 118 f.<br />

433<br />

PUPPE, Anmerkung, S. 32.<br />

434<br />

POSECK, S. 157.<br />

435<br />

Siehe 5. Kapitel I.D.4.b) und vgl. RÖH, <strong>Die</strong> kausale Erklärung überbedingter Erfolge im Straf-recht.<br />

RÖH kommt mit abweichender Methode zum gleichen Ergebnis.<br />

436<br />

Hier<strong>bei</strong> ist darauf hinzuweisen, dass die „rechtmässigen“ Stimmen von der zivilrechtlichen Haftung<br />

befreit werden. BERTSCHINGER, N 166 Fn. 494, weist auf ein Urteil des Bezirksgerichts Höfe vom<br />

25.09.1995 hin, <strong>bei</strong> welchem die Gegenstimmen als nicht adäquat kausal eingestuft wurden.<br />

91


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

92<br />

d) Kausalität der Stimmenthaltung des Gremiumsmitgliedes<br />

und der nicht erfolgten Stimmabgabe des unentschuldigt<br />

abwesenden Gremiumsmitgliedes<br />

Auch die unentschuldigt abwesenden Gremiumsmitglieder und jene, die sich der Stimme<br />

enthalten, gehören dem stimmberechtigten Gremium an und haben in dieser Eigenschaft<br />

einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf das Abstimmungsresultat. Ihr Stimmverhalten<br />

von vornherein als nicht kausal zu bezeichnen 437 , ist daher kurzsichtig.<br />

WEISSER lehnt eine Kausalität der Stimmenthaltung auf der Basis der Lehre der gesetzmässigen<br />

Bedingung ab, denn je nachdem, ob die Mehrheitsentscheidung strafrechtlich<br />

relevante Folgen nach sich ziehe, müsse die Stimmenthaltung gemäss dem Stimmverhalten<br />

der dem Antrag zustimmenden Gremiumsmitglieder ausgelegt werden, was<br />

ihrer Meinung nach nicht statthaft sei 438 . <strong>Die</strong>se Aussage betrifft m. E. den subjektiven<br />

Tatbestand und nicht die Kausalität. <strong>Die</strong> Stimmenthaltung ist jedoch näher zu betrachten.<br />

Neben der Mehrheit der dem Antrag zustimmenden Gremiumsmitglieder und der<br />

Minderheit der dagegen stimmenden Gremiumsmitglieder, stellen auch die Stimmenthaltungen<br />

sowie die nicht erfolgten Stimmabgaben der unentschuldigt abwesenden<br />

Gremiumsmitglieder zusammen einen „Bedingungskomplex“ dar. <strong>Die</strong> dem Antrag<br />

zustimmenden Gremiumsmitglieder als Mehrheit bilden u. U. nur deshalb eine Mehrheit,<br />

weil einige Gremiumsmitglieder sich der Stimme enthalten oder ihre Stimme gar nicht<br />

abgeben, da sie unentschuldigt abwesend sind. <strong>Die</strong> Stimmenthaltung sowie die nicht<br />

erfolgte Stimmabgabe des unentschuldigt abwesenden Gremiumsmitgliedes sind deshalb<br />

auch auf dem Boden der hinreichenden Bedingung von PUPPE in Beziehung zum<br />

rechnerischen Abstimmungsresultat zu setzen, da sich das individuelle Stimmverhalten<br />

eines jeden Gremiumsmitgliedes auf die Gesamtverantwortung des Gremiums auswirkt.<br />

Da<strong>bei</strong> ist zu beachten, dass die dem Antrag zustimmenden Gremiumsmitglieder der<br />

Mehrheit immer den gegen den Antrag stimmenden Gremiumsmitgliedern der Minderheit<br />

gegenübergesetzt werden. Aus diesem Grund sollen die übrigen, sich nicht im<br />

Abstimmungsresultat widerspiegelnden Stimmverhalten mit der Differenz zwischen den<br />

Gremiumsmitgliedern der Mehrheit, die dem Antrag zustimmen, und den gegen den<br />

Antrag stimmenden Gremiumsmitglieder der Minderheit in Verbindung gebracht werden.<br />

Durch Anwendung der verschiedenen Arten von Bedingungen — „immer wenn“<br />

bezeichnet eine hinreichende Bedingung; „nur wenn“ eine notwendige Bedingung;<br />

„immer und nur wenn“ eine sowohl hinreichende als auch notwendige Bedingung 439 —<br />

ist auf der Basis von PUPPE folgende Formel möglich: Immer und nur wenn <strong>bei</strong> einem<br />

gesamthaft zuständigen Gremium die Differenz zwischen den dem Antrag zustimmenden<br />

437 Vgl. FRANZHEIM, S. 1837.<br />

438 WEISSER, Kausalitäts- und Täterschaftsprobleme, S. 212 f.<br />

439 SEIFFERT, S. 37 f.; vgl. auch HILGENDORF, Kausalität, S. 564. Auch WALDER, Kausalität, S. 125, hat<br />

schon dargelegt, dass Kausalgesetze in ihrer einfachsten Struktur nachfolgende Formel ausweisen:<br />

Immer wenn x, dann y. Doch diese Aussage muss wie erwähnt noch genauer gefasst werden.


5. Kapitel I. Nachweis der Kausalität des Stimmverhaltens<br />

Gremiumsmitgliedern der Mehrheit und den gegen den Antrag stimmenden Gremiumsmitgliedern<br />

der Minderheit gleich oder kleiner ist als die Anzahl der restlichen<br />

Gremiumsmitglieder — und zwar ohne die entschuldigten und die obligatorisch in den<br />

Ausstand versetzten Gremiumsmitglieder — haben die sich der Stimme enthaltenden<br />

sowie die unentschuldigt abwesenden Gremiumsmitglieder einen Einfluss auf das<br />

Abstimmungsresultat. Nur in dieser Konstellation ist das Stimmverhalten des jeweiligen<br />

Gremiumsmitgliedes als kausal zu würdigen. Das Stimmverhalten des sich der Stimme<br />

enthaltenden bzw. das des unentschuldigt abwesenden Gremiumsmitgliedes können<br />

demzufolge u. U. kausal sein 440 .<br />

e) Fazit<br />

Auf Grund der Lehre der gesetzmässigen Bedingung lässt sich feststellen, dass die<br />

Stimmabgabe des dem Antrag zustimmenden Gremiumsmitgliedes kausal ist, dies<br />

unabhängig davon, ob nun eine solide 441 oder eine knappe Mehrheit von Gremiumsmitgliedern<br />

vorliegt, die dem Antrag zustimmen. <strong>Die</strong> Stimmabgabe eines gegen den<br />

Antrag stimmenden Gremiumsmitgliedes, welches der Minderheit jener Gremiumsmitglieder,<br />

die gegen den Antrag stimmen, angehört, hat dagegen keine Veränderung der<br />

Aussenwelt zur Folge, und ist somit nicht kausal. Im Gegensatz dazu ist die Stimmenthaltung<br />

und die unentschuldigte Abwesenheit eines Gremiumsmitgliedes dann kausal,<br />

wenn die Differenz zwischen der Anzahl der dem Antrag zustimmenden Gremiumsmitglieder<br />

der Mehrheit und der Anzahl der gegen den Antrag stimmenden Gremiumsmitglieder<br />

der Minderheit gleich oder kleiner ist als die Anzahl der sich der Stimme<br />

enthaltenden und der unentschuldigt abwesenden Gremiumsmitglieder insgesamt.<br />

Unter Beizug der fünften Kausalreihe 442 kann festgestellt werden, dass das Stimmverhalten<br />

einiger Gremiumsmitglieder eine Teilursache für die Mehrheitsentscheidung<br />

darstellt, weil die Kausalreihen — das „kausale“ Stimmverhalten der jeweiligen<br />

Gremiumsmitglieder — in einem Ereignis zusammentreffen: dem Beschluss.<br />

440 Für das Gesellschaftsrecht FORSTMOSER, Aktienrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong>, N 312 und Fn. 583,<br />

welcher der Meinung ist, dass der Abwesende nicht aktienrechtlich hafte, wenn seine aktive Präsenz<br />

keine Änderung her<strong>bei</strong>geführt hätte. SCHUCANY, Willensbildung, S. 2, vertritt die Ansicht, dass ein<br />

abwesendes Gremiumsmitglied an der Abstimmung gar nicht teilnehme und somit keinen Einfluss<br />

habe. Er meint zudem (S. 5), dass eine Stimmenthaltung nicht für die Berechnung herangezogen<br />

werden müsse.<br />

441 Der einstimmig getroffene Entscheid kann auch als solide Mehrheit angesehen werden.<br />

442 Siehe 5. Kapitel I.B.<br />

93


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

E. Schlussfolgerung: Erfolgter Nachweis der Kausalität<br />

des jeweiligen Stimmverhaltens hinsichtlich der<br />

strafrechtlich relevanten Folgen<br />

Aus der Anwendung der Kausalreihen 443 kann gefolgert werden, dass das Verhalten des<br />

jeweiligen Gremiumsmitgliedes in Verbindung mit den eingetretenen strafrechtlich<br />

relevanten Folgen steht. <strong>Die</strong> erste Kausalreihe besagt, dass weder die strafrechtlich<br />

relevanten Folgen ihre eigenen Ursachen sind noch der Beschluss seine eigene Ursache<br />

ist. Aus der Anwendung der zweiten Kausalreihe wird deutlich, dass der Beschluss zwar<br />

die Ursache für die strafrechtlich relevanten Folgen darstellt, dass jedoch die Folgen nicht<br />

ursächlich für den Beschluss sind. <strong>Die</strong> Ursache(n) des Beschlusses muss (müssen) also<br />

dem Beschluss vorausgehen. <strong>Die</strong> Kausalität zwischen dem Beschluss und den daraufhin<br />

eingetretenen strafrechtlich relevanten Folgen kann nun mittels Äquivalenz- oder<br />

Wahrscheinlichkeitstheorie nachgewiesen werden.<br />

Anhand der Anwendung der Lehre der gesetzmässigen Bedingung wird die<br />

Kausalität des Stimmverhaltens des jeweiligen Gremiumsmitgliedes hinsichtlich der<br />

Mehrheitsentscheidung nachgewiesen. Was das einzelne Stimmverhalten betrifft, findet<br />

die fünfte Kausalreihe Anwendung, denn dieses stellt jeweils eine eigene Kausalreihe<br />

dar, die als vorausgehendes Verhalten erst anlässlich der Mehrheitsentscheidung mit den<br />

anderen Stimmverhalten zusammentrifft und diese Mehrheitsentscheidung als Ereignis<br />

darstellt.<br />

Unter Berücksichtigung der dritten Kausalreihe — „Wenn ein Ereignis Ursache eines<br />

andern ist und diese Ursache eines dritten, dann ist auch das erste Ursache des dritten“ —<br />

wird das Stimmverhalten des einzelnen Gremiumsmitgliedes in Verbindungen mit den<br />

strafrechtlich relevanten Folgen gesetzt. Es konnte nachgewiesen werden, dass die<br />

Mehrheitsentscheidung Ursache der strafrechtlich relevanten Folgen ist und dass das<br />

jeweilige Stimmverhalten die Ursache für die Mehrheitsentscheidung darstellt, woraus<br />

die Schlussfolgerung gezogen werden kann, dass das Stimmverhalten einiger Gremiumsmitglieder<br />

letztlich die Ursache für die strafrechtlich relevanten Folgen bildet und somit<br />

kausal ist.<br />

Auch die vierte Kausalreihe findet ihre Anwendung, nämlich dann, wenn die<br />

Ausführung bzw. die Umsetzung der Mehrheitsentscheidung mehrere Ereignisse im<br />

Sinne von strafrechtlich relevanten Folgen hervorruft. <strong>Die</strong>s ist insbesondere dann<br />

wichtig, wenn mehrere Rechtsgüter infolge der Ausführung bzw. der Umsetzung des<br />

Beschlusses verletzt oder u. U. gefährdet werden. Einen weiteren Anwendungspunkt<br />

stellen die Fahrlässigkeitsdelikte dar, <strong>bei</strong> denen es neben einem Hauptkausalverlauf auch<br />

einen Nebenkausalverlauf gibt.<br />

443 Siehe 5. Kapitel I.B.<br />

94


5. Kapitel I. Nachweis der Kausalität des Stimmverhaltens<br />

F. Sonderfälle<br />

1. Ausstand bzw. entschuldigte Abwesenheit des<br />

Gremiumsmitgliedes<br />

Das Gremiumsmitglied muss in Ausstand treten, wenn eine Interessenkollision zwischen<br />

ihm und der Gesellschaft vorliegt, und ist folglich von der Abstimmung ausgeschlossen.<br />

Insoweit hat der in Ausstand Getretene keine direkte „kausale“ Auswirkung auf das<br />

Abstimmungsverhältnis und somit auf den Beschluss. Ein allenfalls <strong>strafrechtliche</strong>s<br />

Verhalten des in Ausstand getretenen Gremiumsmitgliedes vor und nach der<br />

Abstimmung ist trotzdem zu untersuchen 444 .<br />

Auch das entschuldigt abwesende Gremiumsmitglied leistet keinen kausalen Beitrag<br />

zum Beschluss, weil es ja gerade aus gesellschaftsrechtlich anerkannten Gründen 445<br />

entschuldigt abwesend ist. Eine Beeinflussung der Abstimmung durch dieses Gremiumsmitglied<br />

vor und nach der Abstimmung durch dessen Mithilfe ist jedoch in <strong>strafrechtliche</strong>r<br />

Hinsicht auch hier abzuklären 446 .<br />

2. Kausalität <strong>bei</strong> Ausübung des Stichentscheides<br />

Ist die Möglichkeit des Stichentscheides in den Statuten nicht wegbedungen, übt der<br />

Vorsitzende den Stichentscheid aus unter der Voraussetzung, dass eine Pattsituation<br />

vorliegt. Sein erstes Stimmverhalten ist somit dasjenige, das insoweit mit zur Pattsituation<br />

führt. Das zweite Stimmverhalten ist der Stichentscheid, wo<strong>bei</strong> dieser entweder<br />

aus einem dem Antrag zustimmenden oder einem den Antrag ablehnenden Stimmverhalten<br />

besteht.<br />

Auch hinsichtlich des Nachweises der Kausalität <strong>bei</strong> Bestehen der Möglichkeit des<br />

Stichentscheides ist auf der Basis der Lehre der gesetzmässigen Bedingung vorzugehen.<br />

Es sind die Bedingungskomplexe (1. Mehrheit, 2. Minderheit und 3. Stimmenthaltung<br />

mit Abwesenden) einander gegenüberzustellen. Liegt von Beginn an eine knappe oder<br />

solide Mehrheit mit oder ohne Stimmenthaltung(en) und Abwesende vor, so kommt der<br />

Stichentscheid gar nicht zum Zug. Es kann sodann im Grundsatz auf die Ausführungen in<br />

5. Kapitel I.D.6.e) verwiesen werden, weil diese Konstellation von Anfang an eine<br />

Aussenwirkung hatte. Der Nachweis der Kausalität <strong>bei</strong> statutarisch nicht wegbedingtem<br />

Stichentscheid bedarf aber einer Anpassung bezüglich der aufgestellten Formel hinsichtlich<br />

des Bedingungskomplexes Stimmenthaltung und Abwesende, wenn keine Pattsituation<br />

eintrat: Immer und nur wenn <strong>bei</strong> einem gesamthaft zuständigen Gremium die<br />

Differenz zwischen den dem Antrag zustimmenden Gremiumsmitgliedern der Mehrheit<br />

und den gegen den Antrag stimmenden Gremiumsmitgliedern der Minderheit kleiner ist<br />

444 Siehe 5. Kapitel II.F.7.<br />

445 Siehe 2. Kapitel III.E.6.<br />

446 Siehe 5. Kapitel II.F.6.<br />

95


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

als die Anzahl der restlichen Gremiumsmitglieder — und zwar ohne die entschuldigten<br />

und die obligatorisch in den Ausstand versetzten Gremiumsmitglieder — haben die sich<br />

der Stimme enthaltenden sowie die unentschuldigt abwesenden Gremiumsmitglieder<br />

einen Einfluss auf das Abstimmungsresultat 447 .<br />

Weil das System erst dann einen Stichentscheid bedingt, wenn die Voraussetzungen<br />

diesbezüglich gegeben sind, ist die Kausalität des Stimmverhaltens der Gremiumsmitglieder<br />

nicht unabhängig vom Stichentscheid zu sehen. Da der Beschluss erst dann als<br />

gefasst gilt, wenn die Abstimmung durchgeführt worden ist 448 , muss im Hinblick auf den<br />

Stichentscheid gelten, dass erst mit Ausübung desselben die Abstimmung erfolgt ist.<br />

Daraus folgt, dass die Gremiumsmitglieder, die für die Ausführung bzw. Umsetzung des<br />

deliktisch ausgerichteten Antrags stimmen, somit erst dann endgültig kausal werden,<br />

wenn der Stichentscheid ausgeübt worden ist. <strong>Die</strong> Gremiumsmitglieder dagegen, die sich<br />

der Stimme enthalten oder abwesend sind, sind immer als kausal anzusehen und haben<br />

einen Einfluss auf die Abstimmung, denn die Differenz zwischen den dem Antrag<br />

zustimmenden Gremiumsmitgliedern und den gegen den Antrag stimmenden Gremiumsmitgliedern<br />

<strong>bei</strong> der Pattsituation ist kleiner als die Anzahl der restlichen Gremiumsmitglieder.<br />

Der Stichentscheid 449 stellt infolgedessen in Anwendung der 5. Kausalreihe eine<br />

hinreichend notwendige Teilursache dar und nicht die alleinige Ursache für die strafrechtlich<br />

relevanten Folgen, denn der Stichentscheid ändert die Pattsituation zu einem<br />

Abstimmungsverhältnis mit einer Mehrheit für oder gegen die Ausführung bzw.<br />

Umsetzung des deliktisch ausgerichteten Antrages.<br />

447<br />

<strong>Die</strong>se Anpassung ist zu treffen, weil ansonsten wieder die Frage eines Stichentscheides im Raum<br />

steht.<br />

448<br />

Siehe 3. Kapitel I.B.<br />

449<br />

Der Stichentscheid ist da<strong>bei</strong> grundsätzlich (siehe 5. Kapitel II.F.9. betr. umgekehrten Vorzeichen)<br />

von grosser Bedeutung und der Vorsitzende wird strafrechtlich an diesem Stimmverhalten gemessen.<br />

96


5. Kapitel II. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> vorsätzlicher Deliktsbegehung<br />

II. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des<br />

Gremiumsmitgliedes <strong>bei</strong> vorsätzlicher<br />

Deliktsbegehung unter Berücksichtigung des<br />

Verhaltens des beteiligten Mitar<strong>bei</strong>ters<br />

A. Vorbemerkungen<br />

Das StGB enthält keine Definition des Täters. <strong>Die</strong> <strong>strafrechtliche</strong> Täterlehre geht<br />

vielmehr davon aus, der sei Täter derjenige, der die tatbestandsmässige Handlung vorgenommen<br />

hat 450 . Sind jedoch mehrere Personen am deliktischen Geschehen beteiligt,<br />

lässt sich der Täter bzw. lassen sich die Täter nicht so einfach feststellen. „Täter ist<br />

danach derjenige, der als Herr über den zur Tatbestandsverwirklichung führenden<br />

Geschehensverlauf erscheint“ 451 . Dem bzw. den Tätern muss Tatherrschaft zukommen<br />

452 . <strong>Die</strong> rechtliche Qualifikation des Verhaltens der Gremiumsmitglieder als<br />

Täter oder Teilnehmer hängt davon ab, welche Rolle sie im Gesamtgeschehen<br />

einnehmen 453 .<br />

Bei Sachverhalten, die als Begehung zu qualifizieren sind, wird in mittleren und<br />

grösseren Unternehmen der Gremiumsbeschluss meist nicht von Gremiumsmitgliedern<br />

ausgeführt, weshalb der Tatbestand nicht oder nicht nur durch das Verhalten der<br />

Gremiumsmitglieder erfüllt wird 454 . Aus diesem Grund muss <strong>bei</strong> Ausführung des<br />

Gremiumsbeschlusses und Vornahme der <strong>strafrechtliche</strong>n Handlung eine Verbindung<br />

zwischen der ausführenden Person — einem Gremiumsmitglied oder einem Mitar<strong>bei</strong>ter<br />

— und dem beschliessenden Gremium bestehen, damit die jeweiligen Gremiumsmitglieder<br />

strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können. Liegt die<br />

vorgenannte Verbindung vor, muss Klarheit darüber bestehen, ob der Beschluss<br />

überhaupt ausgeführt worden ist. Des Weiteren ist von grosser Bedeutung, welcher<br />

Deliktstatbestand erfüllt wird — insbesondere wenn die Deliktsverwirklichung im<br />

Versuchsstadium stecken bleibt —, denn i. d. R ist nur der Versuch eines Verbrechens<br />

bzw. Vergehens mit Strafe bedroht 455 . Ein Übertretungsversuch ist hingegen nur dann<br />

strafbar, wenn dieser ausnahmsweise ausdrücklich unter Strafe gestellt worden ist 456 . Was<br />

den ausführenden Mitar<strong>bei</strong>ter betrifft, wird angenommen, dass dieser kein Mitglied des<br />

450 STRATENWERTH, AT I, § 13 N 1 f.; REHBERG/DONATSCH, 3. Kapitel, S. 119.<br />

451 STRATENWERTH, AT I, § 13 N 11.<br />

452 REHBERG/DONATSCH, § 15 Ziff. 1.2, S. 139.<br />

453 Gremiumsmitglieder z. B. als Anstifter, Mittäter, mittelbare Täter oder Gehilfen.<br />

454 KUHLEN, Täterschaft und Teilnahme, S. 79, macht darauf aufmerksam, dass die strafrechtlich<br />

relevante rechtsgutverletzende Handlung in diesem Fall von einem „weisungsgebundenen Ausführungsorgan“<br />

vollzogen werden muss.<br />

455 Vgl. Art. 21 Abs. 1 und Art. 22 Abs. 1 StGB.<br />

456 Eine Ausnahme i. S. v. Art. 104 Abs. 1 StGB ist Art. 329 Ziff. 2 StGB.<br />

97


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

entscheidenden Gremiums ist. Indes kann die Situation eintreffen, dass eine Person<br />

gleichzeitig Gremiumsmitglied sowie hierarchisch untergebener Mitar<strong>bei</strong>ter ist, der den<br />

Gremiumsbeschluss auszuführen oder zusammen mit einem untergebenen Mitar<strong>bei</strong>ter<br />

mit auszuführen hat 457 . Aus diesem Grund ist das <strong>strafrechtliche</strong> Verhältnis der<br />

Gremiumsmitglieder zum Tatnächsten näher zu untersuchen — insbesondere wenn dieser<br />

ein ausführender Mitar<strong>bei</strong>ter ist. Zur Diskussion stehen alle Täter- und Teilnahmeformen.<br />

Um allen möglichen Konstellationen gerecht zu werden, ist da<strong>bei</strong> auf das Kriterium der<br />

Tatherrschaft abzustellen 458 . Bei einem als Unterlassung qualifizierten Sachverhalt wird<br />

die Tatherrschaft meist den Gremiumsmitgliedern zukommen. In Einzelfällen kann diese<br />

jedoch auch <strong>bei</strong> einem angewiesenen Mitar<strong>bei</strong>ter liegen 459 .<br />

Im Folgenden wird zuerst untersucht, wie sich die Gremiumsmitglieder und allenfalls<br />

auch der ausführende Mitar<strong>bei</strong>ter <strong>bei</strong> einem als Begehung qualifizierten Sachverhalt<br />

strafrechtlich beteiligen. Hier<strong>bei</strong> ist die Anwendbarkeit von Sonderdelikten 460 , eigenhändigen<br />

Delikten 461 sowie von Art. 172 bzw. Art. 326 StGB 462 zu beachten. Sodann<br />

457 Z. B. ein Delegierter oder eine Person, die Verwaltungsratsmitglied und die rechte Hand des<br />

Direktors ist. Wäre Mittäterschaft der Gremiumsmitglieder und der mitausführenden Person anzunehmen,<br />

würde die vorgenannte Rechtsfigur einen im Ausführungsstadium als Gehilfenschaft zu<br />

qualifizierenden Tat<strong>bei</strong>trag der ausführenden Person konsumieren. Bei Annahme von Anstiftung im<br />

Verhältnis von Gremiumsmitgliedern und Mitar<strong>bei</strong>ter wäre die mitausführende Person als Anstifterin<br />

sowie als Gehilfin zu bestrafen. Der Anstifter würde wie ein Täter bestraft, so dass die Gehilfenschaft<br />

in der Anstiftung aufginge; vgl. GRAVEN/STRÄULI, N 251 C., S. 326; REHBERG/DONATSCH,<br />

§ 16 Ziff. 2, S. 161; RIKLIN, § 18 N 59; STRATENWERTH, AT I, § 13 N 161; TRECHSEL NOLL, § 31<br />

G, S. 226.<br />

458 FORSTER, N 8, N 36, N 38 der Vorbem. zu Art. 24 StGB; GRAVEN/STRÄULI, N 218, S. 285 f.<br />

(maîtrise des opérations); HUBER, S. 139; HURTADO POZO, N 741, N 826; KILLIAS, 602;<br />

REHBERG/DONATSCH, § 15 Ziff. 1.2, S. 139 und Ziff. 3.1, S. 151; RIKLIN, § 18 N 9, N 35, N 50;<br />

SEELMANN, AT, S. 110; STRATENWERTH, AT I, § 13 N 11; TRECHSEL/NOLL, § 31 B. Ziff. 1 ff.,<br />

S. 194 ff. Auch das Bundesgericht hat dieses Kriterium übernommen, vgl. BGE 120 IV 271 f; 120<br />

IV 141; 120 IV 23; Ansatz in BGE 111 IV 53.<br />

459 Siehe 5. Kapitel II.C.2.<br />

460 Das Gremiumsmitglied bzw. der ausführende Mitar<strong>bei</strong>ter muss <strong>bei</strong> einem echten Sonderdelikt die<br />

bezüglich dieses Sonderdelikts verlangten persönlichen Eigenschaften aufweisen, um als Täter,<br />

Mittäter oder mittelbarer Täter qualifiziert werden zu können; vgl. BGE 111 IV 82; REHBERG/<br />

DONATSCH, § 8 Ziff. 2.12, S. 72, § 15 Ziff. 1.5 lit. b), S. 149; SEELMANN, AT, S. 110;<br />

STRATENWERTH, AT I, § 13 N 16. Sind diese notwendigen persönlichen Eigenschaften nicht vorhanden,<br />

kann das Gremiumsmitglied bzw. der ausführende Mitar<strong>bei</strong>ter nur als Extraneus und somit<br />

nur als Teilnehmer strafrechtlich verantwortlich gemacht werden, vgl. KILLIAS, N 608; DONATSCH,<br />

Ausführungen zu Art. 24-26 StGB; REHBERG/DONATSCH, § 15 Ziff. 1.5 lit. b), S. 149 f.; § 16<br />

Ziff. 1.22 lit. b), S. 159. In Art. 26 nStGB wird diese Rechtsfolge explizit umschrieben. Unechte<br />

Sonderdelikte können dagegen von jedermann begangen werden. <strong>Die</strong>jenigen, die jedoch eine besondere<br />

Tätereigenschaft aufweisen, werden schwerer bestraft, vgl. TRECHSEL/NOLL, § 20 E., S. 78.<br />

461 <strong>Die</strong>se Straftatbestände können nur von derjenigen Person erfüllt werden, welche die tatbestandsmässige<br />

Handlung selbst ausführt. Mittäterschaft sowie mittelbare Täterschaft fallen daher ausser<br />

Betracht. Als Mitwirkung an einem solchen eigenhändigen Delikt sind nur Gehilfenschaft oder<br />

Anstiftung möglich, vgl. GRAVEN/STRÄULI, N 57 B., S. 96; HURTADO POZO, N 107, N 524;<br />

REHBERG/DONATSCH, § 15 Ziff. 1.5 lit. c), S. 150; KILLIAS, N 608; SCHULTZ, AT I, S. 284;<br />

SCHULTZ, Täterschaft und Teilnahme, S. 262; STRATENWERTH, AT I, § 13 N 17 f. Dagegen ist<br />

SCHUBARTH, Eigenhändiges Delikt und mittelbare Täterschaft, S. 334 f., der Meinung, dass es im<br />

schweizerischen Recht keinen Straftatbestand gebe, der in überzeugender Weise als eigenhändiges<br />

98


5. Kapitel II. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> vorsätzlicher Deliktsbegehung<br />

wird versucht, die Beteiligungsform der Gremiumsmitglieder und allenfalls vom<br />

Mitar<strong>bei</strong>ter <strong>bei</strong> einem als Unterlassung qualifizierten Sachverhalt strafrechtlich zu<br />

qualifizieren. Anschliessend wird das Verhalten des einzelnen Gremiumsmitgliedes<br />

während, <strong>bei</strong> und nach der Abstimmung unter die Lupe genommen und eruiert, welche<br />

Gremiumsmitglieder für ihr Verhalten allenfalls strafrechtlich zur Verantwortung zu<br />

ziehen sind 463 .<br />

B. Feststellung der Art der <strong>strafrechtliche</strong>n Beteiligung<br />

der Gremiumsmitglieder <strong>bei</strong> einem als Begehung<br />

qualifizierten Sachverhalt<br />

1. Art der Beteiligung des Gremiums bzw. der<br />

Gremiumsmitglieder <strong>bei</strong> Ausführung des Gremiumsbeschlusses<br />

durch ein Gremiumsmitglied<br />

a) Klärung des Begriffes Mittäterschaft<br />

Das Bundesgericht sah in seiner älteren Rechtsprechung Mittäterschaft dann als gegeben<br />

an, wenn ein Kausalzusammenhang zwischen dem Beitrag des Mittäters und der<br />

Vollendung des Tatbestandes vorlag. <strong>Die</strong> Beteiligung des Mittäters musste demgemäss<br />

auf Grund der Ereignisse tatsächlich zum Erfolg <strong>bei</strong>getragen haben 464 . Fehlte die<br />

Kausalität des Verhaltens eines „Mittäters“, so wurde diese Kausalität durch die<br />

Begründung der Bereitschaft dieses „Mittäters“, notfalls selber tätig zu werden, ersetzt 465 .<br />

Später ging das Bundesgericht von Mittäterschaft aus, wenn der Beteiligte <strong>bei</strong> der<br />

„Entschliessung, Planung oder Ausführung eines Deliktes vorsätzlich und in massgeblicher<br />

Weise mit anderen Tätern zusammenwirkt, so dass er als Hauptbeteiligter<br />

dasteht“ 466 . Jene Bundesgerichtsentscheide 467 , welche Mittäterschaft nur dann annehmen,<br />

Delikt angesehen werden könne. Daraus folgert er e contrario, dass alle Straftatbestände in mittelbarer<br />

Täterschaft begangen werden könnten.<br />

462<br />

Art. 172 und Art. 326 StGB werden neu in Art. 29 nStGB geregelt. Gemäss Art. 172 bzw. Art. 326<br />

StGB ist nur derjenige strafrechtlich verantwortlich, welcher erstens als Organ, zweitens als<br />

Organmitglied, drittens als Mitar<strong>bei</strong>ter — der eine vergleichbar selbständige Entscheidungsbefugnis<br />

innehat — oder viertens ohne Organ, Mitglied oder Mitar<strong>bei</strong>terin zu sein — als tatsächlicher Leiter<br />

einer juristischen Person — handelt. Abzuklären ist daher im Einzelfall, ob jener Mitar<strong>bei</strong>ter,<br />

welcher den Gremiumsbeschluss ausführt, als Mitar<strong>bei</strong>ter im vorgenannten Sinne anzusehen ist, so<br />

dass er strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann. Vgl. BGE 107 IV 177 und siehe 4.<br />

Kapitel III.<br />

463<br />

Siehe 5. Kapitel II.F.<br />

464<br />

BGE 88 IV 54, im angeführten Fall konnte die Kausalität jedoch nicht nachgewiesen werden.<br />

465<br />

BGE 91 IV 221, 69 IV 97; SJZ 60 (1964) 305 Nr. 213. <strong>Die</strong>se Auffassung gilt heute in der Lehre als<br />

veraltet, vgl. SCHULTZ, AT I, S. 287; TRECHSEL, Kurzkommentar, N 15 der Vorbem. zu Art. 24<br />

StGB.<br />

466<br />

BGE 120 IV 271 f. Vgl. auch BGE 126 IV 88; 125 IV 136; 120 IV 271; 120 IV 136, 141; 120 IV 23;<br />

118 IV 399; 118 IV 230.<br />

467<br />

BGE 108 IV 91 ff.; 118 IV 230, 118 IV 399; 120 IV 272.<br />

99


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

wenn das Gelingen der Tat insoweit vom Mittäter abhängt, als der Ausfall dessen<br />

Tat<strong>bei</strong>trages die Tat zum Scheitern bringt, gehen gemäss REHBERG/DONATSCH 468 und<br />

TRECHSEL/NOLL 469 jedoch zu weit. STRATENWERTH spricht dann von Mittäterschaft,<br />

wenn „dieser Tat<strong>bei</strong>trag, nach den Umständen des konkreten Falles, für die Ausführung<br />

des Deliktes so wesentlich ist, dass sie mit ihm steht oder fällt“ 470 .<br />

<strong>Die</strong> h. L. geht davon aus, dass diejenige Person als Mittäterin anzusehen ist, die aus<br />

der Sicht des gemeinsamen Tatplanes eine wesentliche Funktion innehat und deren<br />

Beitrag eine Relevanz für den Tatplan besitzt 471 . Das Verhalten des einzelnen Mittäters<br />

muss demzufolge nicht ex post objektiv kausal gewesen sein. Ausserdem gilt das<br />

zusätzliche Kriterium der Gleichwertigkeit aller Tat<strong>bei</strong>träge 472 . Selbst das Bundesgericht<br />

geht inzwischen vermehrt davon aus, dass der „Mittäter“ eine gewisse Herrschaft über<br />

den Ablauf der Tathandlungen haben und dass seine Rolle mehr oder weniger<br />

unverzichtbar sein müsse, damit er der Mittäterschaft bezichtigt werden könne 473 . <strong>Die</strong><br />

Quintessenz lautet, dass der Einzel<strong>bei</strong>trag des „Mittäters“ hinsichtlich seiner Mittäterschaft<br />

nicht als conditio-sine-qua-non anzusehen ist 474 . <strong>Die</strong> Zurechnungsfigur der<br />

468 REHBERG/DONATSCH, § 15 Ziff. 1.24 lit. c), S. 145 f.<br />

469 TRECHSEL/NOLL, § 31 B. Ziff. 1 lit. f), S. 196.<br />

470 STRATENWERTH, AT I, § 13 N 55. Er geht von der funktionellen Tatherrschaft aus.<br />

471 FORSTER, N 9 der Vorbem. zu Art. 24 StGB; GRAVEN/STRÄULI, N 222 B., S. 290 f.; KILLIAS,<br />

N 602; HURDATO POZO, N 770; RIKLIN, § 18 N 13. REHBERG/DONATSCH, § 15 Ziff. 1.24 lit. c),<br />

S. 145 f., machen darauf aufmerksam, dass Mittäterschaft <strong>bei</strong> Voraussetzen des Mittäterschafts<strong>bei</strong>trags<br />

als conditio-sine-qua-non nie vorliegen könne, wenn die Ausführung einer Straftat aus<br />

Opportunität oder aus Erfordernis nur an Einzelne übertragen worden ist. SEELMANN, AT, S. 120;<br />

TRECHSEL/NOLL, § 31 B. Ziff. 1 lit. d), S. 195. Doch auch STRATENWERTH, § 13 N 57, ist sich<br />

bewusst, dass Tat<strong>bei</strong>träge schon im Vorbereitungsstadium geleistet werden können und somit „unter<br />

dem Gesichtspunkt der funktionellen Tatherrschaft Mittäterschaft begründen, wenn sie für die<br />

Ausführung des Deliktes als unerlässlich erscheinen.“<br />

472 KNAUER, S. 158. TRECHSEL, Kurzkommentar, N 9 der Vorbem. zu Art. 24 StGB, führt dazu aus, die<br />

Gleichgewichtung der Beteiligung sei schlussendlich eine Wertungsfrage.<br />

473 BGE 120 IV 141; 120 IV 23: „la jurisprudence la plus récente, se référant à la doctrine, exige même<br />

que le coauteur ait une certaine maîtrise des opérations et que son rôle soit plus ou moins<br />

indispensable.“<br />

474 Vgl. REHBERG/DONATSCH, § 15 Ziff. 1.24 lit. c), S. 145 f.; vgl. auch die folgenden Arten von<br />

Mittäterschaft: „Korrelative Mittäterschaft“: Ohne den anderen kann der einzelne Beteiligte nichts<br />

ausrichten. Nur wenn alle Beteiligten mitmachen, kann der Plan funktionieren. Alle haben die Tat in<br />

der Hand, weil der Tatplan nur gemeinsam umgesetzt werden kann. Zieht einer seine Beteiligung<br />

zurück, scheitert der Plan, vgl. dazu KNAUER, S. 143. „Additive Mittäterschaft“: Bei dieser Variante<br />

erbringen die Mittäter gleichartige Tat<strong>bei</strong>träge, die jeweils allein für sich schon geeignet sind, den<br />

Erfolg zu bewirken. <strong>Die</strong> gleichartigen Tat<strong>bei</strong>träge werden jedoch zusammengefasst, damit eine<br />

höhere Chance der Erfolgsverwirklichung erreicht wird, vgl. hiezu DENCKER, Kausalität und<br />

Gesamttat, S. 127; SCHAAL, S. 175. „Alternative Mittäterschaft“: <strong>Die</strong> Mittäter wirken dadurch<br />

zusammen, dass sie sich ergänzen, indem sie sich an verschiedenen Tatorten gleichzeitig zur<br />

Verwirklichung des Tatbestandes bereit halten, vgl. DENCKER, Kausalität und Gesamttat, S. 129;<br />

SCHAAL, S. 177. „Parallele Mittäterschaft“: Der Tatentschluss wird nicht durch gegenseitige<br />

Kommunikation der sich im Ausführungsstadium befindenden Mittäter gefasst, sondern durch einen<br />

Dritten vermittelt, vgl. DENCKER, Kausalität und Gesamttat, S. 130; SCHAAL, S. 182. PUPPE,<br />

Anmerkung, S. 32, dagegen geht davon aus, dass ein Verhalten zuerst als Mittäterschaft postuliert<br />

und danach auf die erforderliche Kausalitätsprüfung verzichtet werde, was ihrer Meinung nach die<br />

Lösung als zirkelschlüssig erscheinen lasse. Das Dilemma, dass die Kausalität als absolute Grundvoraussetzung<br />

jeder Zurechnung angesehen wird, kann <strong>bei</strong> der Mittäterschaft dadurch gelöst werden,<br />

100


5. Kapitel II. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> vorsätzlicher Deliktsbegehung<br />

Mittäterschaft hat somit eine kausalitätsersetzende Wirkung. Als kausal für den Erfolg<br />

gilt also die gesamte „Mittäter-Tat“, denn der Mittäter agiert anteilsmässig im Rahmen<br />

der Gesamtaktion. Innerhalb der Grenzen des gefassten Vorsatzes muss der Mittäter auch<br />

für die Beiträge der anderen Mittäter einstehen 475 . <strong>Die</strong> erweiterte Tatherrschaftslehre<br />

ermöglicht somit eine bessere Basis zur <strong>strafrechtliche</strong>n Erfassung der Situation der<br />

Gremiumsmitglieder. Auf Grund des gemeinsamen Tatplanes ist jeder „Mittäter“ für die<br />

erfüllten Tatbestände als Täter zu verurteilen und zu bestrafen, ungeachtet dessen, ob die<br />

Straftaten nun von ihm selbst oder einem anderen Mittäter begangen worden sind.<br />

Hinsichtlich des Ausmasses der <strong>strafrechtliche</strong>n <strong>Verantwortlichkeit</strong> für die Straftat ist der<br />

Vorsatz des jeweiligen Mittäters massgeblich 476 .<br />

b) Vorliegen von Mittäterschaft zwischen den Gremiumsmitgliedern<br />

Das Verhalten der Gremiumsmitglieder im Entscheidfindungsprozess ist als Tatvorbereitung<br />

qualifiziert worden 477 . Gemäss ROXIN, dem Begründer der funktionellen Tatherrschaftslehre,<br />

genügt eine Beteiligung in der Vorbereitungsphase nicht für die Annahme<br />

von Mittäterschaft. Eine funktionelle Tatherrschaft sei auf Grund der fehlenden Beherrschung<br />

des Geschehensablaufs durch die auf diese Weise Beteiligten nicht möglich. Der<br />

Vorbereitende bleibe <strong>bei</strong> freier und selbständiger Ausführung durch den unmittelbar<br />

Handelnden immer von dessen Initiative, Entschluss und Tatgestaltung abhängig, was zur<br />

Unterhöhlung des Tatherrschaftsprinzips führe. <strong>Die</strong> Mittäterschaft sei deshalb auf Beteiligungshandlungen<br />

zu beschränken, die während der Tatausführung — vom Versuch bis<br />

zur Beendigung — erbracht werden 478 . Das Bundesgericht äussert sich diesbezüglich<br />

folgendermassen: „Mittäter ist danach, wer die Durchführung der gemeinschaftlichen Tat<br />

auf der Grundlage eines gemeinsames Tatplanes durch seinen Beitrag zusammen mit den<br />

übrigen Beteiligten beherrscht; Mittäterschaft ist da<strong>bei</strong> jede ar<strong>bei</strong>tsteilige, für den Erfolg<br />

dass der Tatbetrag des Mittäters nur wesentlich zu sein hat. Auch <strong>bei</strong>m Vergleich mit der Gehilfenschaft<br />

— <strong>bei</strong> welcher der Beitrag des Gehilfen nur eine Förderungskausalität und somit sein Beitrag<br />

nicht eine conditio-sine-qua-non darzustellen hat — kann mit dem Argument „e minore ad maius“<br />

gefolgert werden, dass ein Mittäter nicht einen solchen kausalen Tat<strong>bei</strong>trag zu erbringen habe, wenn<br />

nicht einmal der Gehilfe einen kausalen Tat<strong>bei</strong>trag vorzunehmen habe. Es kann somit nicht auf eine<br />

Kausalität des Mittäterschaftsbetrages geschlossen werden.<br />

475 REHBERG/DONATSCH, § 15 Ziff. 1.4, S. 148; STRATENWERTH, §13 N 61; TRECHSEL/NOLL, § 31 B.<br />

Ziff. 1, S. 198.<br />

476 REHBERG/DONATSCH, § 15 Ziff. 1.4, S. 148; TRECHSEL, Kurzkommentar, N 16 der Vorbem. zu<br />

Art. 24 StGB.<br />

477 Siehe 3. Kapitel III.<br />

478 ROXIN, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 294 f., S. 298; ROXIN, Kommentar, N 181 zu § 25 dStGB;<br />

gl. M. ZIESCHANG, S. 378 f. Dagegen erachten TRÖNDLE/FISCHER, N 7 zu § 25 dStGB, eine<br />

vorbereitende Handlung oder eine Teilnahme an einer solchen als genügenden Beitrag für eine<br />

Mittäterschaft, wo<strong>bei</strong> sie jedoch gemäss N 8 zu § 25 dStGB <strong>bei</strong> der Gremiumsentscheidung nur<br />

dasjenige Gremiumsmitglied als Mittäter qualifizieren wollen, das für die Ausführung gestimmt hat,<br />

insoweit die Beschlussfassung mehr darstelle als eine reine Vorbereitungshandlung.<br />

101


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

wesentliche Mitwirkung im Ausführungsstadium 479 “. SEELMANN ist der Meinung, dass<br />

einer Ausweitung der Rechtsfigur der Mittäterschaft auf Vorbereitungshandlungen<br />

rechtspolitische Bedenken entgegenstünden 480 . Als Befürworter der funktionellen Tatherrschaft<br />

stimmt STRATENWERTH dieser Ansicht insofern zu, als dem Täter zur Tatausführung<br />

nur ein Plan oder finanzielle Mittel oder Werkzeuge zur Verfügung gestellt<br />

würden. Ansonsten hält er einen vorbereitenden Teil als wesentlichen Beitrag zur<br />

Mittäterschaft für genügend, wenn dieser für die Ausführung der Tat als unerlässlich<br />

erscheint. Ein massgeblicher Einfluss auf das Tatgeschehen sei nicht etwa bloss durch<br />

einen physischen, materiellen Tat<strong>bei</strong>trag möglich; der Ausführende könne hinsichtlich<br />

der Tatausführung auch gelenkt werden, indem Planung und Organisation oder anderweitige<br />

Mitwirkung durch Personen in leitender Funktion erfolgten. Das Verhalten der<br />

bzw. des Ausführenden wird dadurch vom Hintermann festgelegt und dieser ist insoweit<br />

an der Tatherrschaft beteiligt. Als Beispiel führt STRATENWERTH die Weisung im<br />

Rahmen einer betrieblichen Organisation an. Ohne die Weisung werde die Straftat nicht<br />

in die Tat umgesetzt 481 .<br />

Nach der erweiterten Tatherrschaftslehre ist Mittäterschaft — falls die Mitwirkung<br />

nur auf die Phase der Planung und Entschlussfassung begrenzt ist — auch dann<br />

anzunehmen, wenn der Betreffende später nicht mehr in das Geschehen eingreift, doch<br />

kraft seiner Beziehung zum Ausführenden weiterhin einen tragenden Einfluss ausübt,<br />

z. B. wenn der Letztere, der die Straftat ausführt, dem Ersteren Rechenschaft schuldet 482 .<br />

Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass nicht alle am Entschluss Beteiligten in der<br />

Ausführungsphase eine wesentliche Aufgabe übernehmen, weil das vorgesehene Delikt<br />

dies u. U. als überflüssig oder unzweckmässig erscheinen lässt. Allenfalls genügt es,<br />

wenn einer der Beteiligten den Beschluss ausführt. <strong>Die</strong> blosse Bereitschaft zur<br />

Übernahme der Ausführungsfunktion reicht sodann für die Annahme von Mittäterschaft<br />

479 BGE 118 IV 400.<br />

480 SEELMANN, AT, S. 120.<br />

481 STRATENWERTH, AT I, § 13 N 57. Vgl. auch AEPPLI, S. 90, der im Falle von Veröffentlichung<br />

unwahrer Angaben davon ausgeht, dass alle Mitglieder eines Kollegialorgans Mittäter seien, wenn<br />

diese von den Unwahrheiten Kenntnis hatten. Es komme nicht darauf an, wer diese Angaben<br />

veröffentlicht habe, denn eine massgebende und leitende Mitwirkung am Entschluss oder an der<br />

Ausführung liege immer vor. BOSCH, S. 271, meint, dass der Zeitpunkt der Leistung des Tat<strong>bei</strong>trages<br />

keine unterschiedliche Beurteilung rechtfertige. HURTADO POZO, N 770; REHBERG/DONATSCH, § 15<br />

Ziff. 1.24 lit. a), S. 143; BJM 82 (1975) 250. Vgl. auch MUÑOZ CONDE, S. 623 f., der entgegen<br />

ROXIN der Ansicht ist, dass Mittäterschaft auch in Vorbereitungshandlungen bestehen könne, wenn<br />

die Ausführung von den Hintermännern mitgestaltet werde. <strong>Die</strong>s sei die einzige Möglichkeit, „den<br />

Sinn und die <strong>strafrechtliche</strong> Bedeutung einer Abstimmung innerhalb der Führungsspitze eines<br />

Unternehmens“ zu erklären.<br />

482 BGE 120 IV 24; 96 IV 169; TRECHSEL/NOLL, § 31 B. Ziff. 1 lit. f), S. 196. Vgl. auch HURTADO<br />

POZO, N 770. REHBERG/DONATSCH, § 15 Ziff. 1.24 lit. c), S. 145, weisen darauf hin, dass auch nur<br />

die „Möglichkeit der Einflussnahme während der Verwirklichung des Deliktsgeschehens“ zur<br />

Begründung von Tatherrschaft genügt. SCHULTZ, AT, S. 281, meint sogar: „Täter ist, wem die<br />

Tatherrschaft als Entscheidung über die Begehung der Tat zusteht und dem die weiteren geforderten<br />

Tatbestandsmerkmale persönlicher Art [ …] zukommen“ (Hervorhebungen durch den Autor selbst;<br />

Auslassungen durch die Verfasserin). STRATENWERTH, AT I, § 13 N 57.<br />

102


5. Kapitel II. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> vorsätzlicher Deliktsbegehung<br />

aus. Nichtsdestoweniger muss ein gemeinsam gefasster Beschluss vorliegen, <strong>bei</strong><br />

welchem die Gremiumsmitglieder in massgeblicher Weise an der Entschlussfassung<br />

teilgenommen haben müssen 483 .<br />

Aus der Übertragung dieser Gedanken auf die Abstimmung in einem Gremium ist die<br />

Schlussfolgerung zu ziehen, dass einzelne Gremiumsmitglieder einen zwar vorbereitenden,<br />

aber wesentlichen Beitrag zur mittäterschaftlichen Tat leisten können. Der untere<br />

Schwellenwert zur Annahme von Tatherrschaft liegt <strong>bei</strong> jenen Gremiumsmitgliedern vor,<br />

die lediglich in der Abstimmungsphase beteiligt sind und <strong>bei</strong> der Beschlussfassung<br />

mitwirken 484 .<br />

Was die Ausführung des Beschlusses durch ein Gremiumsmitglied anbelangt, ist zu<br />

beachten, welches Delikt dieses Gremiumsmitglied begeht. Der im Einzelfall zu untersuchende<br />

Straftatbestand kann eine Beteiligung der entscheidungsberechtigten Gremiumsmitglieder<br />

an der Handlung jenes Gremiumsmitgliedes, das den Gremiumsbeschluss<br />

ausführt, i. S. einer Mittäterschaft verunmöglichen, so dass einzig eine Teilnahme der<br />

Ersteren an der Handlung des Letzteren denkbar ist 485 .<br />

Führt nur ein Mittäter den vom Gremium getroffenen Beschluss aus, kann das<br />

einzelne Gremiumsmitglied strafrechtlich nur mit der von der h. M. anerkannten Gesamtlösung<br />

486 zur Verantwortung gezogen werden 487 . Es wäre deshalb logisch nicht nachvollziehbar,<br />

wenn die zeitlich vorausgehenden sowie die zeitlich nachfolgenden Tat<strong>bei</strong>träge<br />

der Beteiligten nicht bestraft würden. Eine Zufälligkeit auf Grund der Ar<strong>bei</strong>tsteilung darf<br />

nicht dazu führen, dass einige Beteiligte bevorzugt behandelt werden 488 . Damit der<br />

Gremiumsbeschluss strafbare Konsequenzen nach sich zieht, muss folglich mindestens<br />

ein Gremiumsmitglied mit der Ausführung des Beschlusses begonnen haben. Das<br />

483 REHBERG/DONATSCH, § 15 Ziff. 1.23, S. 142. Gemäss TRÖNDLE/FISCHER, N 7b zu § 25 dStGB,<br />

reicht die blosse Kenntnis der geplanten Tat nicht für die Annahme von Täterschaft aus. <strong>Die</strong>sem<br />

Gedanken kann auch mit Blick auf das schweizerische Strafrecht zugestimmt werden, vgl. BGE 120<br />

IV 23: „La seule volonté ne suffit cependant pas pour admettre la coactivité.“<br />

484 Vgl. BGE 105 IV 110 : „Lorsque, comme en l'espèce, l'organe est composé de plusieurs personnes,<br />

celles-ci jouissent collectivement du pouvoir de gestion autonome propre à l'organe dont elles font<br />

partie. Si l'un des membres de cet organe, seul ou avec d'autres, accomplit dans l'exercice de ce<br />

pouvoir l'un des actes constitutifs de l'infraction de l'art. 159 CP, il tombe sous le coup de cette<br />

disposition. Il n'y a aucune raison en effet de considérer que seul celui qui jouit individuellement<br />

d'un pouvoir de disposition autonome peut tomber sous le coup de l'art. 159 CP, à l'exclusion de ceux<br />

qui disposent du même pouvoir collectivement.“<br />

485 Dazu kann auf BGE 111 IV 165 verwiesen werden: Zwei Personen hatten gemeinsam beschlossen,<br />

wer von ihnen sich <strong>bei</strong> der Polizei als Fahrzeuglenker melden solle. <strong>Die</strong> Problematik, wer welche<br />

Straftatbestände erfüllt hat, wird in diesem BGE sehr gut erläutert.<br />

486 <strong>Die</strong> Gesamtlösung wird folgendermassen erklärt: „Danach wird der Versuchsbeginn für alle Mittäter<br />

einheitlich auf den Zeitpunkt festgelegt, in dem einer von ihnen das Versuchsstadium erreicht;<br />

Mittäter des Versuchs ist also auch der, welcher selbst in diesem Augenblick noch <strong>bei</strong> den<br />

Vorbereitungen verharrt oder überhaupt noch nichts getan hat“, vgl. ROXIN, Kommentar, N 198 zu<br />

§ 25 dStGB, der aber eher für die Einzellösung eintritt (vgl. N 199).<br />

487 ARZT, Versuch und Vorbereitung, S. 86; GRAVEN/STRÄULI, N 224, S. 293; HURTADO POZO, N 775;<br />

JENNY, N 25 zu Art. 21 StGB; RIKLIN, § 18 N 20; STRATENWERTH, AT I, § 13 N 67;<br />

TRECHSEL/NOLL, § 31 E. Ziff. 1, S. 214.; WALDER, Vorbereitung und Versuch, S. 229, S. 272.<br />

488 GORKA, S. 42.<br />

103


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

Gremiumsmitglied, welches nur an der Entschlussfassung mitgewirkt hat, aber da<strong>bei</strong> in<br />

massgeblicher Weise, macht sich nur dann strafrechtlich verantwortlich, wenn die Mittätertat<br />

mindestens das Versuchsstadium erreicht 489 . Zudem muss natürlich nachgewiesen<br />

werden, dass das jeweilige Gremiumsmitglied sich im Wissen um die strafrechtlich<br />

relevanten Folgen willentlich wesentlich an der Abstimmung und bzw. oder nach der<br />

Abstimmung beteiligt hat.<br />

104<br />

2. Art der Beteiligung des Gremiums bzw. der<br />

Gremiumsmitglieder <strong>bei</strong> Ausführung des Gremiumsbeschlusses<br />

durch einen Mitar<strong>bei</strong>ter<br />

a) Keine Nebentäterschaft von Gremiumsmitgliedern und<br />

ausführendem Mitar<strong>bei</strong>ter<br />

„Von Nebentäterschaft wird dann gesprochen, wenn mehrere Tatbeteiligte unabhängig<br />

voneinander auf denselben Taterfolg hinwirken“ 490 . Gemäss SCHMID ist die Nebentäterschaft<br />

in hierarchischen Strukturen fraglich, weil unabhängiges Verhalten der<br />

jeweiligen Täter als Voraussetzung für die Nebentäterschaft in dieser Konstellation nicht<br />

gewährleistet ist 491 . Anlässlich der Mitar<strong>bei</strong>t in einer hierarchischen Unternehmensstruktur<br />

fehlt das unabhängige Verhalten, insbesondere dann, wenn dem Mitar<strong>bei</strong>ter eine<br />

rechtswidrige Weisung erteilt wird, denn erst diese Weisung gibt dem Mitar<strong>bei</strong>ter Anlass<br />

zur Ausführung des Beschlusses. Somit besteht eine viel engere Beziehung zwischen<br />

dem Gremium bzw. den Gremiumsmitgliedern und dem Mitar<strong>bei</strong>ter, was eine Nebentäterschaft<br />

ausschliesst.<br />

489 REHBERG/DONATSCH, § 15 Ziff. 1.24 lit. a), S. 142 f.<br />

490 STRATENWERTH, AT I, § 13 N 62. Vgl. auch GRAVEN/STRÄULI, N 22 B. lit. a), S. 288; HURTADO<br />

POZO, N 765; REHBERG/DONATSCH, § 15 Ziff. 2, S. 150; RIKLIN, § 18 N 17; TRECHSEL/NOLL, § 31<br />

Ziff. 2, S. 198 f.<br />

491 SCHMID, Aspekte, S. 170.


5. Kapitel II. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> vorsätzlicher Deliktsbegehung<br />

b) Anwendbarkeit der mittelbaren Täterschaft auf das<br />

Verhältnis Gremium – Mitar<strong>bei</strong>ter<br />

(1) Begriff der mittelbaren Täterschaft<br />

Im StGB ist die mittelbare Täterschaft nicht geregelt 492 . <strong>Die</strong> Rechtsfigur der mittelbaren<br />

Täterschaft ist indes in der Lehre und Rechtsprechung allgemein anerkannt 493 . Das<br />

Bundesgericht bezeichnet denjenigen als mittelbaren Täter, der einen anderen als willenloses<br />

oder zumindest nicht vorsätzlich handelndes Werkzeug benützt, um durch ihn die<br />

beabsichtigte Handlung ausführen zu lassen 494 .<br />

<strong>Die</strong> Tatherrschaft des mittelbaren Täters ergibt sich daraus, dass dieser auf den Tatmittler<br />

einwirkt und über die Tatausführung entscheidet. Insofern ist die <strong>strafrechtliche</strong><br />

<strong>Verantwortlichkeit</strong> für das vorsätzlich begangene Delikt dem Tatmittler abzusprechen 495 .<br />

Mittelbare Täterschaft ist sowohl <strong>bei</strong> Tätigkeits- als auch <strong>bei</strong> Erfolgsdelikten denkbar 496 .<br />

Bezüglich des Beginns der Ausführung sollte <strong>bei</strong>m mittelbaren Täter von der Einheit<br />

des Verhaltens des mittelbaren Täters und Tatmittlers ausgegangen werden 497 . Der mittelbare<br />

Täter führt die Handlung durch den Tatmittler aus, so dass der Erstere nicht vor dem<br />

Letzteren mit der Ausführung der Tat beginnt 498 .<br />

492<br />

Vgl. WEDER, Ausführungen zu Art. 251 Abs. 2 StGB, der darauf aufmerksam macht, dass das<br />

falsche Beurkundenlassen gemäss Art. 251 Ziff. 1 Abs. 2 StGB wie auch Art. 253 Abs. 1 StGB eine<br />

mittelbare Täterschaft ist.<br />

493<br />

BGE 120 IV 206; 120 IV 122; 115 IV 230; 101 IV 310; GRAVEN/STRÄULI, N 225 ff., S. 294 ff.;<br />

HURTADO POZO, N 743 ff.; KILLIAS, N 605; REHBERG/DONATSCH, § 15 Ziff. 3, S. 151 ff.; RIKLIN,<br />

§ 18 N 24 ff.; SCHULTZ, AT I, S. 282 ff.; SCHULTZ, Täterschaft und Teilnahme, S. 257 ff.;<br />

SEELMANN, AT, S. 111 ff.; STRATENWERTH, AT I, § 13 N 19; TRECHSEL/NOLL, § 31 B. Ziff. 3,<br />

S. 199 ff.<br />

494<br />

BGE 120 IV 22; „L'auteur médiat est celui qui se sert d'une autre personne comme d'un instrument<br />

dénué de volonté ou du moins agissant sans intention coupable, afin de lui faire exécuter l'infraction<br />

projetée (ATF 77 IV 88 consid. 1, 71 IV 132 consid. 3). L’auteur médiat est punissable comme s'il<br />

avait accompli lui-même les actes qu'il a fait exécuter par le tiers agissant comme instrument (ATF<br />

87 I 451 consid. 5 p. 457, 85 IV 203).“ BGE 101 IV 310.<br />

495<br />

HUBER, S. 72 ff.<br />

496<br />

SCHULTZ, Täterschaft und Teilnahme, S. 259.<br />

497<br />

Das vorgenannte Vorgehen wird Gesamtlösung genannt. Vgl. die Anwendung der Gesamtlösung <strong>bei</strong><br />

Mittäterschaft 5. Kapitel II.B.1.b).<br />

498<br />

HURTADO POZO, N 757. JENNY, N 26 zu Art. 21 StGB, geht von der Gesamtlösung aus, ausser wenn<br />

eine Situation geschaffen wird, in welcher der Dritte oder ein Opfer ahnungslos zum Werkzeug wird.<br />

TRECHSEL/NOLL, § 31 E. Ziff. 2 lit. d), S. 219; SCHWANDER, Nr. 258. <strong>Die</strong> Gesamtlösung ist jedoch<br />

umstritten. Für die Einzellösung eher GRAVEN/STRÄULI, N 227, S. 296; WALDER, Vorbereitung und<br />

Versuch, S. 272. STRATENWERTH, AT, § 13 N 66 f., ist der Meinung, dass erst mit dem Wissen,<br />

welche Straftat begangen wird, eine Entscheidung hinsichtlich der Einzel- oder Gesamtlösung<br />

getroffen werden könne.<br />

105


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

106<br />

(2) Anwendbarkeit der mittelbaren Täterschaft auf das Verhalten<br />

des Gesamtgremiums<br />

Mittelbare Täterschaft wird <strong>bei</strong> der vertikalen Zurechnung angewandt 499 . <strong>Die</strong> hierarchische<br />

Organisation des Unternehmens bringt somit auf Grund des Subordinationsverhältnisses<br />

die mittelbare Täterschaft als mögliche Anwendungsform. Mittelbare Täterschaft<br />

der Gremiumsmitglieder 500 kann vorliegen, wenn der Mitar<strong>bei</strong>ter in verantwortungsausschliessender<br />

Weise durch ein nötigendes bzw. nötigungsähnliches Verhalten unter<br />

Druck gesetzt wird, eine Weisung auszuführen 501 . Unterliegt der Mitar<strong>bei</strong>ter einem<br />

Irrtum — sei es nun ein Sachverhalts- oder ein Rechtsirrtum — so wird er auch zum<br />

Tatmittler. Ein Sachverhaltsirrtum kann <strong>bei</strong>m Mitar<strong>bei</strong>ter z. B. vorliegen, wenn die Vorgesetzten<br />

dem Mitar<strong>bei</strong>ter falsche oder ungenügende Informationen zukommen lassen.<br />

<strong>Die</strong>sbezüglich ist zu beachten, dass irreführende Informationen auch <strong>bei</strong> der Anstiftung<br />

verwendet werden können, so dass genau abzuklären ist, ob <strong>bei</strong>m ausführenden Mitar<strong>bei</strong>ter<br />

Vorsatz vorliegt 502 . Hätte der Mitar<strong>bei</strong>ter unter Anwendung der nötigen Sorgfalt<br />

auf Unstimmigkeiten aufmerksam werden sollen, ist Fahrlässigkeit gegeben. Aber auch<br />

in diesem Fall kann noch immer eine mittelbare Täterschaft vorliegen. Stellt der Mitar<strong>bei</strong>ter<br />

jedoch fest, dass die Information nicht stimmt, handelt er allenfalls nicht mehr<br />

fahrlässig, sondern bereits (eventual-)vorsätzlich. Ferner ist zu überprüfen, ob der<br />

Mitar<strong>bei</strong>ter ein Tatmittler ist, wenn er auf Grund seiner Zweifel nachfragte und der<br />

Vorgesetzte ihm daraufhin versicherte, dass alles in Ordnung sei. Beschwichtigt der Vorgesetzte<br />

den Mitar<strong>bei</strong>ter mit zweifelsausräumenden Gründen, ist Vorsatz des Mitar<strong>bei</strong>ters<br />

m. E. auszuschliessen.<br />

Wird der die Weisung ausführende Mitar<strong>bei</strong>ter als Tatmittler qualifiziert, können die<br />

jeweiligen Gremiumsmitglieder als mittelbare Täter strafrechtlich haftbar gemacht<br />

werden. Sodann ist von Mittätern handelnd in mittelbarer Täterschaft auszugehen 503 .<br />

Führt jedoch der Mitar<strong>bei</strong>ter die „Tathandlung“ im Wissen um die Strafbarkeit der<br />

Handlung aus, so positioniert er sich als Haupttäter. Aus diesem Grund ist jeweils zu<br />

untersuchen, welchen Tat<strong>bei</strong>trag der Mitar<strong>bei</strong>ter und die Gremiumsmitglieder leisten und<br />

<strong>bei</strong> wem die Tatherrschaft liegt.<br />

499 HEINE, Europ. Entwicklungen, S. 29; MEIER, S. 3199.<br />

500 Stellt sich heraus, dass das Gremium bzw. seine Mitglieder den Mitar<strong>bei</strong>ter als Werkzeug missbraucht<br />

haben, kann die nachfolgend <strong>bei</strong> der mittäterschaftlichen Anstiftung verwendete Argumentation<br />

herangezogen werden, — siehe 5. Kapitel II.B.2.e)(1) — um eine mittäterschaftlich mittelbare<br />

Täterschaft der Gremiumsmitglieder zu begründen. Vgl. DENCKER, Mittäterschaft in Gremien, S. 65<br />

m. w. H. in Fn. 6.; KNAUER, S. 163; KUHLEN, Täterschaft und Teilnahme, S. 83.<br />

501 KNAUER, S. 38; NEUDECKER, S. 239; REHBERG/DONATSCH, § 15 Ziff. 3.2 lit. e), S. 153 f.<br />

502 REHBERG/DONATSCH, § 13 Ziff. 2.1 lit. c), S. 124.<br />

503 KUHLEN, Täterschaft und Teilnahme, S. 83; MUÑOZ CONDE, S. 624.


5. Kapitel II. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> vorsätzlicher Deliktsbegehung<br />

c) Anwendbarkeit der Gehilfenschaft auf das Verhältnis<br />

Gremium – Mitar<strong>bei</strong>ter<br />

(1) Begriff der Gehilfenschaft<br />

Der Beitrag des Gehilfen besteht gemäss Art. 25 StGB 504 in der Förderung 505 der Tat<br />

eines anderen. Als Hilfeleistung bezeichnet das Bundesgericht jeden kausalen Beitrag,<br />

der die Tat fördert, so dass sie sich ohne Mitwirkung des Gehilfen anders abgespielt<br />

hätte 506 .<br />

Es ist jedoch nicht notwendig, dass es ohne die Hilfeleistung des Gehilfen nicht zur<br />

Tat gekommen wäre. <strong>Die</strong> Gehilfenschaft setzt somit keine Kausalität i. S. der<br />

Äquivalenztheorie voraus. Der Gehilfe kann aber durch seinen Beitrag zumindest die<br />

Chancen des Eintritts der tatbestandsmässigen Straftat erhöhen 507 . <strong>Die</strong>se Ausführungen<br />

zeigen auf, dass der Gehilfe die Herrschaft über den Tatablauf nicht innehat 508 . Vom<br />

504 Im revidierten StGB Art. 25 nStGB.<br />

505 <strong>Die</strong> Strafbarerklärung jeder Handlung, welche die Straftat eines anderen ermöglicht oder erleichtert,<br />

geht da<strong>bei</strong> aber zu weit. In der Lehre besteht deshalb Einigkeit darüber, dass nicht alle Hilfeleistungen<br />

strafbar seien. REHBERG/DONATSCH, § 14 Ziff. 2.1, S. 131 ff., befürworten eine <strong>strafrechtliche</strong><br />

Hilfeleistung nur dann, wenn diese Handlung unter den gegebenen Umständen einzig den<br />

Sinn haben kann, die Begehung eines Delikts zu fördern. Der Sinn der Gehilfenhandlung sei deshalb<br />

auf Grund des erlaubten Risikos, der sozialen Adäquanz und der allgemeinen Verhaltenserwartung<br />

herauszufiltern. Doch in erster Linie sei die Gehilfenschaft mit Hilfe des subjektiven Tatbestandes<br />

einzuschränken; ebenso HURTADO POZO, N 728; STRATENWERTH, AT I, § 13 N 115. Vgl.<br />

NEUENSCHWANDER-HESSE, S. 35 ff., insbesondere S. 40, die davon ausgeht, dass „sozial übliches,<br />

normales Handeln“ nicht zu einer Strafbarkeit führen könne. RANSIEK, Beihilfe, S. 99. <strong>Die</strong><br />

Gehilfenschaft soll gemäss SCHILD TRAPPE, Gehilfenschaft, S. 187, <strong>bei</strong> „üblicher Geschäftstätigkeit“<br />

nur dann vorliegen, wenn der Gehilfe sich mit dem Täter solidarisiert. SCHILD TRAPPE, Mittäterschaft<br />

und Gehilfenschaft S. 242. Gemäss WOHLERS, Gehilfenschaft, S. 431, muss das fördernde<br />

Verhalten ein immanentes Risikopotential aufweisen. Auch das Bundesgericht hat noch nicht<br />

grundlegend geklärt, ob und wie „neutrale Handlungen“ oder „Alltagshandlungen“ strafbar seien;<br />

vgl. BGE 121 IV 123; 120 IV 272. Das Bundesgericht war in BGE 109 IV 150 noch der Meinung:<br />

„Nach Doktrin und Rechtsprechung genügt jede Förderung des vom Täter entworfenen Tatplanes,<br />

selbst wenn sie das tatbestandsmässige Handeln nicht berührt und — für sich allein genommen — zu<br />

den straflosen Vorbereitungshandlungen zu zählen ist.“<br />

506 BGE 117 IV 188: „Andererseits muss die Hilfeleistung tatsächlich zur Tat <strong>bei</strong>getragen, also einen<br />

kausalen Beitrag dargestellt haben (vgl. BGE 113 IV 87).“ Vgl. auch BGE 113 IV 109; 98 IV 85;<br />

HURTADO POZO, N 811; SCHULTZ, Täterschaft und Teilnahme, S. 281 ff.; STRATENWERTH, AT I,<br />

§ 13 N 113.<br />

507 BGE 121 IV 119; 118 IV 312; BGE 120 IV 272; 119 IV 292; 92 IV 114: „[...], que le participant<br />

secondaire ait favorisé intentionnellement la commission du crime ou du délit par l'auteur principal,<br />

même si le résultat eût été atteint sans son intervention“ (Auslassungen durch die Verfasserin). BGE<br />

88 IV 27; 78 IV 7. Vgl. ROXIN, Kommentar, N 3 ff. und N 23 zu Art. 27 dStGB; GRAVEN/STRÄULI,<br />

N 239 A. und B., S. 310 f. HURTADO POZO, N 812, spricht von Risikosteigerung. NEUEN-<br />

SCHWANDER-HESSE, S. 29 f.; REHBERG/DONATSCH, § 14 Ziff. 2.1, S. 130. Der Beitrag des Gehilfen<br />

muss gemäss STRATENWERTH, § 13 N 112 f., keine conditio-sine-qua-non sein. TRECHSEL,<br />

Kurzkommentar, N 6 zu Art. 25 StGB. <strong>Die</strong> bundesgerichtliche Beschreibung des Gehilfen<strong>bei</strong>trages<br />

als „kausaler“ Beitrag ist gemäss TRECHSEL/NOLL, § 31 D. Ziff. 3, S. 213, verwirrend. <strong>Die</strong>s trifft<br />

m. E. zu. TRECHSEL/NOLL schlagen deshalb vor, von einer Förderungskausalität zu sprechen, was<br />

ihrer Meinung nach angemessener wäre.<br />

508 Vgl. BGE 111 IV 53; TRECHSEL/NOLL, § 31 D. Ziff. 1 S. 211.<br />

107


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

Vorbereitungsstadium bis zur Vollendung — <strong>bei</strong> Dauer- und Absichtsdelikten bis zur<br />

deren Beendigung — besteht die Möglichkeit, dass der Gehilfe die Tat entsprechend<br />

fördert 509 .<br />

Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist unter dem Aspekt des Vorsatzes<br />

abzuklären, ob der Gehilfe von der deliktischen Absicht des Täters gewusst und diese<br />

zumindest in Kauf genommen hat. <strong>Die</strong>s ist insbesondere dann erforderlich, wenn die<br />

kausale Förderung der Tat im Verkauf von Gegenständen besteht, die zu deliktischen<br />

Zwecken gebraucht werden 510 . Es steht jedoch gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung<br />

der Annahme eines Gehilfenvorsatzes jedoch nicht entgegen, dass der<br />

„Gehilfe“ den Taterfolg selbst nicht will und ihn auch nicht billigt 511 . <strong>Die</strong> blosse innere<br />

Billigung der Straftat ist noch keine Gehilfenschaft 512 . Der Vorsatz des Gehilfen muss auf<br />

der Kenntnis des Vorsatzes des Haupttäters basieren; der Haupttäter muss also den<br />

betreffenden Entschluss zur Tat bereits gefasst haben. Wird die Tatbegehung vom<br />

Gehilfen einzig als Möglichkeit in Betracht gezogen, d. h. verfügt er diesbezüglich nicht<br />

über sicheres Wissen, ist hinsichtlich der Beurteilung seines Verhaltens als Gehilfenschaft<br />

ein strengerer Massstab anzusetzen. In jedem Fall muss der Gehilfe den<br />

Geschehensablauf in seinen wesentlichen Zügen voraussehen 513 . Der Täter dagegen muss<br />

nicht unbedingt um die Hilfe des Gehilfen wissen 514 .<br />

108<br />

(2) Gehilfenschaft des Mitar<strong>bei</strong>ters bzw. des Gremiums<br />

Ein Mitar<strong>bei</strong>ter, der <strong>bei</strong> der Ausführung der Straftat einen untergeordneten Tat<strong>bei</strong>trag<br />

leistet, kann Gehilfe sein, wenn die Initiative 515 zur Ausübung von Straftaten von der<br />

Unternehmensleitung ausgeht, welche die Tatherrschaft innehat 516 . SCHMID hält<br />

bezüglich einer Gehilfenschaft der Gremiumsmitglieder fest, es könne zwar eine<br />

509<br />

Nach GRAVEN/STRÄULI, N 238 A. und D., S. 308 f., stellt die Gehilfenschaft dann einen Hilfe<strong>bei</strong>trag<br />

nach Vollendung (ex post) dar, wenn dieser als psychischer Beitrag ex ante versprochen worden ist.<br />

HURTADO POZO, N 817; KILLIAS, N 620; REHBERG/DONATSCH, § 14 Ziff. 2.11, S. 133;<br />

STRATENWERTH, AT I, § 13 N 114; TRECHSEL/NOLL, § 31 Ziff. 1, S. 212.<br />

510<br />

BGE 121 IV 122 f.; 117 IV 192; 114 IV 114 f.; 111 IV 34; 109 IV 150.<br />

511<br />

BGE 120 IV 273. m. w. H.<br />

512<br />

BGE 118 IV 230 bezieht sich zwar auf die Mittäterschaft, doch es wird festgestellt, dass „das blosse<br />

Wollen der Tat, der subjektive Wille allein, zur Begründung von Mittäterschaft nicht genüge. Aus<br />

dem Argument „e maius a minore“ muss dies auch für die Gehilfenschaft Geltung finden. FORSTER,<br />

N 25 zu Art. 25 StGB, weist darauf hin, dass die Billigung keine psychische Gehilfenschaft darstellt,<br />

wenn sie die Straftat nicht kausal fördert.<br />

513<br />

STRATENWERTH, AT I, § 13 N 116.<br />

514<br />

GRAVEN/STRÄULI, N 238 C., S. 309; HURTADO POZO, N 816; STRATENWERTH, AT I, § 13 N 113.<br />

515<br />

Bei Steuerdelikten, <strong>bei</strong> denen der Mitar<strong>bei</strong>ter im Wissen um die geplante Tat die Formulare und<br />

Unterlagen vorbereitet, damit der Vorgesetzte sie unterschreiben kann, liegt höchstens Gehilfenschaft<br />

des Mitar<strong>bei</strong>ters vor. Der Vorgesetzte hat die Steuerformulare zu unterschreiben, weshalb die<br />

Herrschaft über das strafbare Delikt <strong>bei</strong>m Vorgesetzten liegt. Auch der Geschäftsherr gemäss<br />

Art. 158 StGB hat die Herrschaft über die Tat, so dass die Mitar<strong>bei</strong>ter höchstens als Gehilfen<br />

herangezogen werden können. MEIER, S. 3199.<br />

516<br />

KUHLEN, Täterschaft und Teilnahme, S. 84.


5. Kapitel II. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> vorsätzlicher Deliktsbegehung<br />

psychische Gehilfenschaft vorliegen, doch <strong>bei</strong>m Bestärken des Mitar<strong>bei</strong>ters im Tatentschluss<br />

sei dies fraglich. Der den Beschluss bereits ausführende Mitar<strong>bei</strong>ter müsse<br />

nicht mehr in seinem Tatentschluss bestärkt werden 517 .<br />

Gemäss NEUDECKER soll dann Gehilfenschaft angenommen werden, wenn dem<br />

ausführenden Mitar<strong>bei</strong>ter vom Gremium „grünes Licht“ erteilt wird 518 . Gehört der<br />

Mitar<strong>bei</strong>ter als Täter einer tieferen Hierarchiestufe an, ist Geschäftsherrenhaftung zu<br />

untersuchen, falls die Vorgesetzten von Straftaten, die sich im Gange befinden, Kenntnis<br />

erlangen oder wenn sie damit rechnen und dennoch nicht dagegen einschreiten 519 .<br />

Ist der delinquierende Mitar<strong>bei</strong>ter gleichzeitig Gremiumsmitglied, ist zu unterscheiden,<br />

aus welcher Position heraus er agiert hat. Ein Mitar<strong>bei</strong>ter, der die Zustimmung<br />

des Gremiums benötigt und sich diese erschleicht, handelt sogar als mittelbarer Täter,<br />

wenn die Gremiumsmitglieder als Tatmittler zu qualifizieren sind 520 . Eine Gehilfenschaft<br />

des Gremiums bzw. dessen Mitglieder kann jedoch höchstens dann angenommen werden,<br />

wenn das Gremium bzw. dessen Mitglieder nicht zu entscheiden haben, sondern lediglich<br />

beratend tätig sind 521 . <strong>Die</strong>s wäre vor allem <strong>bei</strong> den Ausschüssen und Beiräten, die den<br />

Verwaltungsrat beraten, der Fall. Gehilfenschaft im Rahmen der hierarchischen Unternehmensstruktur<br />

liegt infolgedessen meist nur <strong>bei</strong>m Mitar<strong>bei</strong>ter vor. Verwirklicht der<br />

unmittelbare Täter indes alle objektiven Tatbestandsmerkmale, ist er nicht mehr Gehilfe,<br />

selbst wenn er im Interesse eines anderen handelt 522 . Ist der Tat<strong>bei</strong>trag des Mitar<strong>bei</strong>ters<br />

nicht untergeordneter Natur, muss untersucht werden, ob Mittäterschaft des Mitar<strong>bei</strong>ters<br />

und des Gremiums bzw. der Gremiumsmitglieder vorliegt oder ob der Mitar<strong>bei</strong>ter vom<br />

Gremium bzw. den Gremiumsmitgliedern angestiftet worden ist.<br />

d) Anwendbarkeit der Mittäterschaft auf das Verhältnis<br />

Gremium – Mitar<strong>bei</strong>ter<br />

Der Mitar<strong>bei</strong>ter ist <strong>bei</strong> der Beschlussfassung nicht anwesend. Er kann aber den<br />

Beschluss sowie den Tatplan im Nachhinein übernehmen, denn für die Begründung von<br />

sukzessiver Mittäterschaft genügt es im Allgemeinen, wenn der Konsens erst während<br />

der Ausführungsphase zustande kommt 523 . Bei sukzessiver Mittäterschaft hingegen wird<br />

517<br />

Vgl. SCHMID, Aspekte, S. 171 f. Er nennt als Beispiel die betrügerische, aus eigenem Antrieb<br />

erfolgte und vom Verwaltungsrat genehmigte Kreditaufnahme eines Direktors.<br />

518<br />

NEUDECKER, S. 243.<br />

519<br />

Siehe 5. Kapitel II.C.2.c). REHBERG/DONATSCH, § 31 Ziff. 1, S. 274, weisen auch darauf hin, dass<br />

die Vorgesetzten aktiv mitwirken können, wodurch diese zu Teilnehmern oder Mittätern werden.<br />

Vgl. auch OERTLE, S. 157.<br />

520<br />

Siehe 5. Kapitel V.A betreffend die Frage, wann der Mitar<strong>bei</strong>ter mittelbarer Täter und das entscheidende<br />

Gremium Tatmittler sein kann.<br />

521<br />

Vgl. KNAUER, S. 50.<br />

522<br />

RIKLIN, § 18 N 38, mit Hinweis auf BGE 106 IV 72 ff. und 113 IV 91.<br />

523<br />

BGE 120 IV 272; 120 IV 23; 118 IV 399; 118 IV 230; Vgl. REHBERG/DONATSCH, § 15 Ziff. 1.4,<br />

S. 148.; SEELMANN, AT, S. 119; STRATENWERTH, AT I, § 13 N 50; TRECHSEL/NOLL, § 31 B. Ziff. 1<br />

lit. c), S. 195; GRAVEN/STRÄULI, N 220 B. lit. c), S. 289; HURTADO POZO, N 772.<br />

109


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

eine Mitwirkung von solcher Intensität und Art gefordert 524 , dass sich das Verhalten des<br />

Mitar<strong>bei</strong>ters als Mittäterschafts<strong>bei</strong>trag qualifizieren lässt. Der Konsens und die Intensität<br />

des Tat<strong>bei</strong>trages würden mit der Ausführung des Beschlusses durch den Mitar<strong>bei</strong>ter<br />

vorliegen.<br />

<strong>Die</strong> Lehre ist jedoch hinsichtlich der Annahme von Mittäterschaft im vorliegenden<br />

Fall verschiedener Ansicht. NEUDECKER ist der Meinung, Mittäterschaft liege dann vor,<br />

wenn „das Geschäftsleitungsgremium kraft seiner herausgehobenen Position in der<br />

Unternehmenshierarchie die Entscheidungskraft über den Geschehensablauf gleichermassen<br />

mit dem Vordermann teilt, wenn der Vordermann dem Gremium entstammt oder<br />

wenn der Vordermann ein Angestellter des Unternehmens ist“ 525 . SCHALL ist davon<br />

überzeugt, dass Mittäterschaft zwischen einem Mitar<strong>bei</strong>ter und den Gremiumsmitgliedern<br />

nur dann angenommen werden könne, wenn ein „Minus“ der Gremiumsmitglieder <strong>bei</strong><br />

der Tatausführung durch ein „Mehr“ derselben im Planungsstadium ausgeglichen<br />

werde 526 . BOSCH verfeinert diese Sichtweise dahingehend, dass der Vorgesetzte sowie<br />

der Mitar<strong>bei</strong>ter als Mittäter anzusehen seien, wenn der ausführende Mitar<strong>bei</strong>ter nur noch<br />

über das „Ob“ aber nicht über das „Wie“ der Tatausführung bestimmen könne. Bei<br />

simplen Anweisungen vermöge diese Sicht aber keine gleichwertigen Beiträge her<strong>bei</strong>zuführen.<br />

BOSCH führt dazu an, <strong>bei</strong> zunehmender Grösse des Unternehmens sei nicht<br />

mehr von Mittäterschaft auszugehen, da es den Vorgesetzten gleichgültig sei, welcher<br />

Mitar<strong>bei</strong>ter die strafbare Handlung ausführe 527 .<br />

Andere Autoren wiederum gehen davon aus, dass Mittäterschaft zwischen Vorgesetztem<br />

und Mitar<strong>bei</strong>ter überhaupt nicht vorliegen könne. Sie begründen dies damit,<br />

dass die Annahme von Mittäterschaft eine horizontale Beteiligungsstruktur voraussetze<br />

528 . Auch KUHLEN argumentiert in diese Richtung und ist der Meinung, dass vor<br />

allem <strong>bei</strong> grossen Gesellschaften keine Mittäterschaft von Vorgesetzten und Mitar<strong>bei</strong>tern<br />

bestehen könne, weil die dazu notwendige Kommunikation fehle, weshalb kein<br />

524<br />

SCHULTZ, AT I, S. 286.<br />

525<br />

NEUDECKER, S. 243. Vgl. auch BGE 108 IV 92: „<strong>Die</strong> Begründung für diese Praxis liegt unter<br />

anderem darin, dass gerade raffinierte Delinquenten sich <strong>bei</strong> der Tatausführung häufig im Hintergrund<br />

halten und die «Handar<strong>bei</strong>t» andern überlassen. Solche Delinquenten sind Mittäter, obschon<br />

sie sich zur Zeit der Tatausführung allenfalls an einem ganz andern Ort aufhalten und auf den<br />

Geschehensablauf und die Details der Tatausführung keinen Einfluss und damit keine «Tatherrschaft»<br />

in dem vom Beschwerdeführer verstandenen Sinn mehr haben. Mittäter sind sie<br />

gegebenenfalls selbst dann, wenn sie zur eigentlichen Tatausführung bzw. zur Beteiligung daran<br />

selber aus irgendwelchen Gründen gar nicht imstande wären. <strong>Die</strong> Mitwirkung an der eigentlichen<br />

Tatausführung bzw. die Möglichkeit, auch während der Ausführung der Tat noch auf diese Einfluss<br />

zu nehmen, ist keine notwendige Voraussetzung für die Bejahung von Mittäterschaft (s. BGE 101 IV<br />

311 ).“<br />

526<br />

SCHALL, S. 103.<br />

527<br />

BOSCH, S. 271, S. 273, fügt an (S. 271 Fn. 869), dass eine Abgrenzung zur Anstiftung Probleme<br />

aufwerfe.<br />

528<br />

BOSCH, S. 272, S. 281; KNAUER S. 74 N 343 und N 344. RANSIEK, Unternehmensstrafrecht, S. 50,<br />

vertritt die Meinung, dass nur <strong>bei</strong> einem kleinen überschaubaren Kreis von Beteiligten ein gemeinschaftlicher<br />

Tatentschluss konstruiert werden könne. ROXIN, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 680;<br />

vgl. auch HEINE, Europ. Entwicklungen, S. 28, der auf BGE 122 IV 129 hinweist.<br />

110


5. Kapitel II. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> vorsätzlicher Deliktsbegehung<br />

Tatentschluss vorliegen könne. Gemäss KUHLEN ist mögliche Mittäterschaft jedoch dann<br />

anzunehmen, wenn die Entscheidungsträger und die Ausführenden gleichermassen<br />

informiert sind. <strong>Die</strong>s gelte aber nur unter der Voraussetzung, dass die tatbestandserfüllende<br />

Handlungsweise zum Inhalt der konkreten Kommunikation und Entscheidung<br />

gemacht worden sei 529 . RANSIEK unterstützt diese Sichtweise insofern, als das Subordinationsverhältnis<br />

dann keine Rolle mehr spiele, wenn die Weisung des Gremiums<br />

bzw. der Gremiumsmitglieder für den Mitar<strong>bei</strong>ter erkennbar strafrechtlich ausgerichtet<br />

sei 530 . Es ist m. E. nicht gerechtfertigt, Mittäterschaft des Mitar<strong>bei</strong>ters in jedem Fall<br />

anzunehmen, denn i. d. R. erfährt der ausführende Mitar<strong>bei</strong>ter nichts von der Sitzung des<br />

beschlussfassenden Gremiums, sondern erhält lediglich eine Weisung, verbunden mit der<br />

nötigen Information. <strong>Die</strong> Weisung an den ausführenden Mitar<strong>bei</strong>ter ist typischerweise<br />

einseitig, weshalb von einer Gleichberechtigung zwischen Mittätern nicht die Rede sein<br />

kann. Verschiedene Autoren meinen denn auch, dass lediglich ein gemeinsames<br />

Bewusstsein von Gremiumsmitgliedern und Mitar<strong>bei</strong>ter über den geforderten gemeinsamen<br />

Tatplan nicht hinwegzuhelfen vermöge 531 . Daher verlangt BOSCH, dass nur dort<br />

von Mittäterschaft auszugehen sei, wo der Mitar<strong>bei</strong>ter explizit in die Tatplanung und<br />

Abstimmung einbezogen worden sei 532 . <strong>Die</strong>s ist der Fall <strong>bei</strong> einem CEO, der nicht<br />

zugleich Verwaltungsratsmitglied ist.<br />

<strong>Die</strong> „Tatherrschaft“ bietet jedoch eine gute Lösungsmöglichkeit. Gemäss SCHMID<br />

liegt dann Mittäterschaft von Vorgesetzten und ausführendem Mitar<strong>bei</strong>ter vor, wenn die<br />

Entscheidungsträger dem Ausführenden konkrete Hinweise zur Ausführung der Tat<br />

geben. Bleibe dem ausführenden Mitar<strong>bei</strong>ter auf Grund der Organisationsstruktur jedoch<br />

keine Wahl, als das vom Vorgesetzten Angeordnete auszuführen, so liege nicht nur eine<br />

Tat mit Tatherrschaft des ausführenden Mitar<strong>bei</strong>ters vor, sondern auch eine Tat des<br />

Vorgesetzten, da diese gemäss dem Willen der leitenden Organe in deren Unternehmensstruktur<br />

vorgenommen werde. Aus diesem Grund sei die Tat auch den leitenden Organen<br />

zuzuschreiben 533 .<br />

Im Einzelfall ist also zu eruieren, wie die Vorgesetzten gegenüber ihren jeweiligen<br />

Mitar<strong>bei</strong>tern auftreten. Erst danach kann festgestellt werden, wem Tatherrschaft<br />

529 KUHLEN, Täterschaft und Teilnahme, S. 81.<br />

530 RANSIEK, Unternehmen und Konzern, S. 636, engt diese Aussage jedoch dadurch ein, dass der<br />

Vorgesetzte da<strong>bei</strong> einen wesentlichen Tat<strong>bei</strong>trag, der über die blosse Anordnung hinausgehe, zu<br />

leisten habe.<br />

531 KNAUER, S. 73; ROXIN, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 679. ROXIN, Anmerkung, S. 49, führt<br />

bezüglich des Mauerfalls aus (BGHSt, 40, 218 Urt. V. 26.7.1994), dass die Annahme von Mittäterschaft<br />

einen falschen Eindruck vermittle, da die Vordermänner — die Grenzsoldaten — nicht die<br />

gleiche Verantwortung für das Ereignis tragen würden wie die Hintermänner. Für die Annahme eines<br />

Tatplanes spricht jedoch die Aussage, dass der Täter sich aller objektiven Tatbestandsmerkmale<br />

bewusst sein muss. Ist sich der Mitar<strong>bei</strong>ter des bewussten und gewollten Zusammenwirkens hinsichtlich<br />

einer Straftat als Voraussetzung für die Mittäterschaft bewusst, so ist ein diesbezüglicher<br />

Vorsatz als gegeben zu betrachten, weshalb er zum Mittäter wird, vgl. dazu REHBERG/DONATSCH,<br />

§ 9 Ziff. 2.2 lit. a), S. 83 und § 15 Ziff. 1.1, S. 138.<br />

532 BOSCH, S. 266 und Fn. 841.<br />

533 SCHMID, Aspekte, S. 171.<br />

111


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

zukommt und wer einen wesentlichen Tat<strong>bei</strong>trag geleistet hat. Wird erkannt, dass der<br />

Mitar<strong>bei</strong>ter alle objektiven Tatbestandmerkmale erfüllt, so ist zu untersuchen, ob er die<br />

Tatherrschaft alleine innehatte und ob somit anzunehmen ist, dass eine Anstiftung der<br />

Gremiumsmitglieder erfolgte.<br />

112<br />

e) Anwendbarkeit der Anstiftung auf das Verhältnis<br />

Gremium – Mitar<strong>bei</strong>ter<br />

(1) Mittäterschaftliche Anstiftung der Gremiumsmitglieder<br />

<strong>Die</strong> Anstiftung 534 gemäss Art. 24 Abs. 1 StGB zeichnet sich dadurch aus, dass eine<br />

Person eine andere vorsätzlich 535 dazu bestimmt, ein Verbrechen oder Vergehen zu<br />

verüben. Auch die Anstiftung zu einer Übertretung ist strafbar 536 . Wenn mehrere Personen<br />

gemeinsam oder unabhängig voneinander auf den Täter einwirken, liegt konkurrierende<br />

Anstiftung vor 537 .<br />

Eine kumulative Einflussnahme mehrerer Anstifter auf den Angestifteten sieht<br />

FORSTER auf Grund des sich stellenden Kausalproblems als Gehilfenschaft 538 . <strong>Die</strong> von<br />

FORSTER vorgeschlagene Lösung würde <strong>bei</strong> Anwendung auf ein Gremium und dessen<br />

Mitglieder dazu führen, dass nur eines der Gremiumsmitglieder als Anstifter gälte,<br />

während die anderen Gremiumsmitglieder bloss als Gehilfen zu qualifizieren wären. <strong>Die</strong>s<br />

ist nicht konsistent, wenn man bedenkt, dass das Stimmverhalten der Gremiumsmitglieder<br />

gleichzeitig zum Ausdruck kommt, zumal erst aus dem Abstimmungsresultat<br />

ersichtlich wird, was weiterhin geschehen soll. Ein einzelnes Gremiumsmitglied als<br />

Anstifter auszuzeichnen, ist demzufolge nicht gerechtfertigt.<br />

Im Weiteren wird der Aussage von RUDOLPHI gefolgt: „Als Mittäter stiftet an, wer<br />

aufgrund eines gemeinsamen Tatentschlusses ar<strong>bei</strong>tsteilig mit einem anderen den<br />

534<br />

Im revidierten StGB Art. 24 nStGB.<br />

535<br />

FORSTER, N 51 zu Art. 24 StGB; DONATSCH, Ausführungen zu Art. 24 Abs. 1 StGB. Gemäss<br />

REHBERG/DONATSCH, § 13 Ziff. 3 lit. a), S. 125, genügt schon Eventualvorsatz.<br />

536<br />

Art. 24 StGB i. V. m. Art. 102 StGB.<br />

537<br />

FORSTER, N 51 zu Art. 24 StGB.<br />

538<br />

FORSTER, N 52 zu Art. 24 StGB. BGE 81 IV 148: „Richtig ist zwar, dass nach bundesgerichtlicher<br />

Rechtsprechung nicht angestiftet werden kann, wer schon zur Tat entschlossen ist (BGE 69 IV 205;<br />

72 IV 100), sondern dass diesfalls die Beeinflussung lediglich die Natur einer psychischen Gehilfenschaft<br />

haben kann (BGE 70 IV 19). Allein diese Rechtsprechung betrifft den Fall, in dem der<br />

Beeinflusste den Entschluss zur Tat aus freien Stücken schon von sich aus gefasst hatte, nicht aber<br />

den Fall der Hervorrufung des Entschlusses durch mehrere. Das versteht sich ohne weiteres, wenn<br />

mehrere in gemeinsamem Einvernehmen jemanden beeinflussen oder auch nur einer es tut und ein<br />

anderer am Zustandekommen des Anstiftungsplanes so massgebend beteiligt ist, dass er für dessen<br />

Ausführung als Mittäter einzustehen hat, wie wenn er an der Ausführung selber mitbeteiligt wäre;<br />

denn nach der vom Bundesgericht anerkannten subjektiven Theorie der Mittäterschaft hat hier jeder<br />

auch für das einzustehen, was der andere getan hat (BGE 69 IV 97, 70 IV 34, 101, 71 IV 60, 76 IV<br />

106, 80 IV 266, 81 IV 62 ).“


5. Kapitel II. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> vorsätzlicher Deliktsbegehung<br />

Haupttäter zu dessen Tat bestimmt“ 539 . Auch BGE 81 IV 149 weist darauf hin, dass sich<br />

das ohne weiteres versteht, „wenn mehrere in gemeinsamem Einvernehmen jemanden<br />

beeinflussen oder auch nur einer es tut und ein anderer am Zustandekommen des<br />

Anstiftungsplanes so massgebend beteiligt ist, dass er für dessen Ausführung als Mittäter<br />

einzustehen hat.“ Gemäss gesellschaftsrechtlicher Sichtweise ist das Gremium als<br />

Gesamtorgan in dem ihm zugeordneten internen Zuständigkeitsbereich gesamthaft<br />

befugt, einem Mitar<strong>bei</strong>ter eine Weisung zu erteilen. Somit ist von einer mittäterschaftlich<br />

begangenen Anstiftung auszugehen 540 .<br />

(2) Anwendungsbereich der Anstiftung im hierarchischen Gebilde<br />

Der Mitar<strong>bei</strong>ter handelt i. d. R. erst auf Anweisung des Vorgesetzten und ist daher nicht<br />

als „omnimodo facturus“ zu qualifizieren. Ist der Täter schon zur Tat entschlossen, kann<br />

er nicht mehr dazu angestiftet werden 541 . <strong>Die</strong>s hat auch dann zu gelten, wenn mehrere<br />

Anstifter unabhängig voneinander dieselbe Person zur gleichen Straftat anstiften<br />

wollen 542 . Von einem „omnimodo facturus“ — wie im letzteren Fall — ist vorliegend<br />

nicht auszugehen, da die Gremiumsmitglieder — wie oben dargestellt 543 — gleichzeitig<br />

handeln und somit auch gleichzeitig anstiften. Aus diesem Grund stellen sich hinsichtlich<br />

der Abfolge der Anstiftungen keine Probleme.<br />

Gemäss HEINE ist die Anstiftung in einem streng hierarchisch und linear<br />

strukturierten Unternehmen denkbar 544 . Der Vorstellung, dass Aufbau und Struktur eines<br />

grossen Unternehmens zur Nichtanwendbarkeit der Anstiftung führen könnten, da sich<br />

nicht alle Mitar<strong>bei</strong>ter kennen können, ist entgegenzusetzen, dass nicht unbedingt ein<br />

persönlicher Kontakt zwischen Anstifter und Angestiftetem bestehen muss. Es genügt,<br />

wenn eine Verbindung per Brief, Telefon etc. vorhanden ist 545 . Zudem können zwischen<br />

539<br />

RUDOLPHI, Kommentar, N 31 zu § 26 dStGB. SCHWANDER, Nr. 262a, weist auch auf die Möglichkeit<br />

von Mitanstiftern hin.<br />

540<br />

GRAVEN/STRÄULI, N 231 D. lit. b), S. 301: „Il y a coactivité d’instigation (Mitanstiftung) si deux<br />

individus tiennent de conserve la conduite réprimée par l’art. 24 (coactivité directe) ou lorsqu’un<br />

individu joue un rôle de premier plan (coactivité intellectuelle) dans l’instigation matériellement<br />

exécutée par autrui.“ Aus diesem Grund gibt es gemäss GRAVEN/STRÄULI, N 231 D. lit. a), S. 301,<br />

auch eine Nebenanstiftung, in Fällen, in denen die jeweiligen Anstifter völlig unabhängig<br />

voneinander handeln. STRATENWERTH AT I, § 13 N 158. Vgl. HEINE, Unternehmen, S. 106;<br />

DENCKER, Mittäterschaft in Gremien, S. 65; KÜHL, N 8 zu § 26 dStGB.<br />

541<br />

BGE 124 IV 37 f.; 72 IV 100; GRAVEN/STRÄULI, N 232 A. lit. a), S. 301 f.; HURTADO POZO, N 799;<br />

DONATSCH, Ausführungen zu Art. 24 Abs. 1 StGB; REHBERG/DONATSCH, § 13 Ziff. 2.1 lit. b),<br />

S. 123; STRATENWERTH, AT I, § 13 N97; TRECHSEL/NOLL, § 31 C. Ziff. 3. lit. a), S. 204.<br />

542<br />

SCHULTZ, Täterschaft und Teilnahme, S. 273. Siehe 5. Kapitel II.B.2.e)(1).<br />

543<br />

Siehe 3. Kapitel I.C und 5. Kapitel II.B.2.e)(1).<br />

544<br />

HEINE, Unternehmen, S. 106 f.; ROXIN, Machtapparate, S. 204; ROXIN, Täterschaft und Tatherr-<br />

schaft, S. 249.<br />

545 GRAVEN/STRÄULI, N 230 C., S. 299.<br />

113


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

dem Erstanstifter und dem Haupttäter mehrere Zwischenstufen bestehen, denn eine<br />

Kettenanstiftung ist aus rechtlicher Sicht möglich 546 .<br />

Welches Mittel der Anstifter einsetzt, um die Entschlussfassung des Angestifteten<br />

her<strong>bei</strong>zuführen, ist grundsätzlich belanglos 547 . <strong>Die</strong> Einwirkung auf den Angestifteten<br />

muss jedoch derart beschaffen sein, dass dieser sich zur Tat entschliesst und diese auch<br />

begeht. Eine ausdrückliche Einflussnahme ist jedoch nicht nötig 548 . Mittel wie Zwang<br />

und Sachverhaltsirrtum führen indes dazu, dass dem „Anstifter“ Tatmacht zuzuordnen<br />

ist, so dass dieser zum mittelbaren Täter wird 549 . In den BGE 105 IV 333 und 74 IV 41<br />

wird festgehalten, dass unbedachte Äusserungen, die einen anderen zum Begehen eines<br />

Deliktes veranlassen, keine Bestrafung des „Anstifters“ wegen fahrlässiger Verübung<br />

her<strong>bei</strong>führen. Auch wer bloss eine Situation schafft, in der sich eine andere Person zur<br />

Durchführung der Straftat entschliesst, gilt nicht als Anstifter, denn ein solcher muss sich<br />

die objektiven und subjektiven Merkmale der angeregten Tat selber vorstellen und<br />

wollen, dass der Angestiftete die objektiven Merkmale tatsächlich ausführt 550 .<br />

Eine Anstiftung setzt nicht voraus, dass der Vorgesetzte die Straftat bis ins kleinste<br />

Detail beschreibt 551 . Von Anstiftung kann bereits ausgegangen werden, wenn dieser<br />

entweder das Opfer, das Objekt, den Tatort oder die Vorgehensweise der Straftat<br />

kumulativ oder alternativ erörtert 552 . Auf jeden Fall muss und darf nur der angewiesene<br />

Mitar<strong>bei</strong>ter als Angestifteter die Tatherrschaft innehaben 553 . Gemäss SCHMID liegt<br />

Anstiftung eines Mitar<strong>bei</strong>ters jeweils nur dann vor, wenn dem handelnden Mitar<strong>bei</strong>ter<br />

faktisch hinsichtlich der „Art und Weise“ oder des „Ob“ der Ausführung ein eigener<br />

Entscheidungsspielraum verbleibt 554 .<br />

<strong>Die</strong> Lösung mittels Anstiftung bringt zwar Einwände von dogmatischer Seite zum<br />

Verstummen, die eine Täterschaft des Gremiumsmitgliedes anzweifeln, doch der sozialen<br />

Realität — d. h. der Machtstellung der einzelnen Gremiumsmitglieder als Vorgesetzte —<br />

546 FORSTER, N 49 zu Art. 24 StGB; KRAUSS, S. 41; KUHLEN, Täterschaft und Teilnahme, S. 77;<br />

REHBERG/DONATSCH, § 13 Ziff. 5, S. 128; SCHMID, Aspekte, S. 171.<br />

547 SCHOBLOCH, S. 80 m. w. H. in Fn. 9 auf die h. L., macht darauf aufmerksam, dass zwar ein<br />

„geistiger Kontakt“ zwischen Anstifter und Angestiftetem zu bestehen hat, jedoch ein blosses<br />

Anreizen nicht genügt. STRATENWERTH, AT I, § 13 N 96; TRECHSEL/NOLL, § 31 C. Ziff. 3 lit. b),<br />

S. 204.<br />

548 Gemäss REHBERG/DONATSCH, § 13 Ziff. 2.1 lit. c), S. 124, reichen Wünsche und Bitten aus.<br />

549 GRAVEN/STRÄULI, N 230 C., S. 299; REHBERG/DONATSCH, § 13 Ziff. 2.1 lit. c), S. 123 f.; RIKLIN,<br />

§ 18 N 45; SCHOBLOCH, S. 81; SCHULTZ, AT I, S. 292. STRATENWERTH, AT I, § 13 N 96, ist der<br />

Meinung, dass Drohung und Täuschung u. U. noch als Mittel zur Anstiftung angesehen werden<br />

könnten. TRECHSEL/NOLL, § 31 C. Ziff. 3. lit. b), S. 204 f.<br />

550 GRAVEN/STRÄULI, N 233 A., S. 305; HURTADO POZO, N 800; STRATENWERTH, § 13 N 96. Siehe<br />

auch Ausführungen in 5. Kapitel II.F.7.<br />

551 DONATSCH, Ausführungen zu Art. 24 Abs. 1 StGB; REHBERG/DONATSCH, § 13 Ziff. 2.1 lit. d),<br />

S. 124.<br />

552 BGE 116 IV 2; 73 IV 217; FORSTER, N 21 zu Art. 24 StGB; REHBERG/DONATSCH, § 13 Ziff. 2.1<br />

lit. d), S. 124 f.; SCHULTZ, AT I, S. 292.<br />

553 HURTADO POZO, N 794; KILLIAS, N 614; RIKLIN, § 18 N 51; STRATENWERTH, AT I, § 13 N 92.<br />

554 SCHMID, Aspekte, S. 171. MURMANN, S. 279 f., findet die Anwendung der Anstiftung auf Unternehmenssachverhalte<br />

problematisch; doch sei der unmittelbar handelnde Mitar<strong>bei</strong>ter der „Täter“.<br />

114


5. Kapitel II. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> vorsätzlicher Deliktsbegehung<br />

vermag die Anstiftung nicht immer gerecht zu werden 555 . Ausserdem dürfte es Unbehagen<br />

auslösen, wenn Vorgesetzte als Inhaber einer Machtposition und als Anweisende<br />

von Straftaten <strong>bei</strong> Annahme von Anstiftung bloss als Teilnehmer qualifiziert werden.<br />

<strong>Die</strong>s kann zur Aussage verführen, dass schlussendlich der Mitar<strong>bei</strong>ter das ganze Unrecht<br />

zu vertreten habe 556 . Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen soll im Folgenden die<br />

Anwendung der in Deutschland benutzten Organisationsherrschaft näher untersucht<br />

werden.<br />

f) Anwendbarkeit der Organisationsherrschaft auf das Verhältnis<br />

Gremium – Mitar<strong>bei</strong>ter — de lege ferenda?<br />

(1) Begriff der Organisationsherrschaft<br />

<strong>Die</strong> Rechtsfigur der „Organisationsherrschaft“ wird auch „Willensherrschaft kraft organisatorischer<br />

Machtapparate“ oder „Täter hinter dem Täter“ genannt 557 . <strong>Die</strong>se Rechtsfigur<br />

führt zu einer Erweiterung der mittelbaren Täterschaft, ohne dass da<strong>bei</strong> Nötigung<br />

und Irrtum notwendig wären. Der Hintermann ist auch dann strafrechtlich vollumfänglich<br />

verantwortlich, wenn der Vordermann vorsätzlich handelt.<br />

Merkmale der Lehre der Willensherrschaft kraft organisatorischer Machtapparate<br />

sind die Beherrschung der Organisation, die beliebige Auswechselbarkeit des Ausführenden<br />

und die Beschränkung der Organisationsherrschaft auf rechtsgelöste Apparate 558 .<br />

<strong>Die</strong>s hat zur Folge, dass es nicht auf eine bestimmte Person als unmittelbare Täterin<br />

ankommt. Weigert sich ein unmittelbarer Täter, die Tat auszuführen, tritt an seine Stelle<br />

sofort der nächste 559 . <strong>Die</strong> beliebige Auswechselbarkeit des ausführenden Vordermannes<br />

bewirkt somit, dass der Inhaber der Befehlsgewalt, also der Hintermann, als Herr des Geschehens,<br />

die Tatherrschaft innehat 560 , so dass er sich auf Grund der Hierarchie-Struktur<br />

darauf verlassen kann, dass seine Weisungen ausgeführt werden.<br />

555<br />

KUHLEN, Täterschaft und Teilnahme, S. 80.<br />

556<br />

Vgl. hiezu REHBERG/DONATSCH, § 13 Ziff. 1, S. 121, die darauf aufmerksam machen, dass der Anstifter<br />

gemäss der Unrechtsteilnahmetheorie als Teilnehmer bestraft werde, weil er an der vom<br />

Haupttäter begangenen Tat mitwirkt.<br />

557<br />

ROXIN, Machtapparate, S. 193 ff.; ROXIN, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 242 ff.<br />

558<br />

Siehe 5. Kapitel II.B.2.f)(2). ROXIN, Anmerkung, S. 50; ROXIN, Täterschaft und Tatherrschaft,<br />

S. 242 ff.<br />

559<br />

ROXIN, Machtapparate, S. 200; ROXIN, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 245; STRATENWERTH, AT<br />

I, § 13 N 34. JESCHECK/WEIGEND, § 62 II. Ziff. 8, S. 670, tendieren hier zu Mittäterschaft; ebenso<br />

HUBER, S. 277.<br />

560<br />

HUBER, S. 275; CRAMER/HEINE, N 25 zu § 25 dStGB.<br />

115


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

116<br />

(2) Anwendungsbereich der Organisationsherrschaft<br />

ROXIN beschränkt die Anwendung des von ihm eingeführten Begriffs „Organisationsherrschaft“<br />

auf rechtsgelöste Apparate wie Unrechtsstaaten und Verbrecherbanden. Doch<br />

auch Untergrundbewegungen, Geheimorganisationen und ähnliche Zusammenschlüsse<br />

fallen gemäss ROXIN unter den Begriff des rechtsgelösten Apparates 561 . Das ganze Gebilde<br />

müsse ausserhalb der Rechtsordnung tätig sein. Einer Anwendung der Rechtsfigur<br />

der organisatorischen Machtapparate auf Wirtschaftsunternehmen trat ROXIN daher<br />

prinzipiell entgegen 562 . Neuerdings bezweifelt ROXIN allerdings nicht, „dass solche Einrichtungen<br />

gerade auch im Wirtschaftsverkehr tätig werden können“ 563 .<br />

<strong>Die</strong> Ausführungshandlung hat <strong>bei</strong> der Unternehmenskriminalität eine andere<br />

Bedeutung: „Sie ist nur der Ausdruck oder die In-die-Tat-Umsetzung einer Entscheidung<br />

eines Hintermannes, der die Tat wirklich in der Hand hat und sie beherrscht“ 564 . Tatherrschaft<br />

bedeutet deshalb eigentlich Täterherrschaft 565 . Für die Organisationsmacht ist<br />

folglich entscheidend, dass die Erfolgsunsicherheit <strong>bei</strong>m veranlassenden Hintermann<br />

geringer ist als <strong>bei</strong>m Anstifter 566 . <strong>Die</strong> deutsche Rechtsprechung hat die Rechtsfigur der<br />

Täterschaft kraft Organisationsherrschaft bereits auf Unternehmen angewandt 567 . Infolge<br />

der organisatorischen Struktur in einem Unternehmen geht SCHÜNEMANN davon aus,<br />

dass der Mitar<strong>bei</strong>ter den Gremiumsbeschluss auszuführen habe, da er eine hierarchisch<br />

niedrigere Position bekleidet. Zudem müsse der Ar<strong>bei</strong>tnehmer meist befürchten, seine<br />

Ar<strong>bei</strong>tsstelle zu verlieren oder sonstige Nachteile zu erleiden, weswegen dieser sich<br />

veranlasst sehe, die Weisung auszuführen 568 .<br />

<strong>Die</strong> Opposition gegen die Anwendung der Organisationsherrschaft <strong>bei</strong> Unternehmen<br />

ist beträchtlich. HEINE will diese Rechtsfigur nicht auf Unternehmen anwenden, weil in<br />

Zeiten des Ar<strong>bei</strong>ts- und Kündigungsschutzrechts die verlangte jederzeitige Auswechselbarkeit<br />

des Tatnächsten fraglich sei. Es verbiete sich deshalb, Parallelen zwischen einem<br />

561 ter<br />

<strong>Die</strong> Mitwirkung <strong>bei</strong> den obgenannten rechtsgelösten Gebilden kann gemäss Art. 260 StGB strafrechtlich<br />

verfolgt werden. Jedoch ist die individuelle Straftat dem Einzelnen weiterhin nachzuweisen.<br />

562<br />

ROXIN, Machtapparate, S. 205; ROXIN, Täterschaft und Teilnahme, S. 249. ROXIN, Anmerkung,<br />

S. 51, bestärkte hier seine Auffassung, dass diese Rechtsfigur nicht auf wirtschaftliche Unternehmen<br />

anwendbar sei. Gl. M. BRAMMSEN, Unterlassungshaftung, S. 144. Vgl. in diesem Zusammenhang<br />

LANGNEFF KATJA, <strong>Die</strong> Beteiligungsstrafbarkeit von Hintermännern innerhalb von Organisationsstrukturen<br />

<strong>bei</strong> voll verantwortlich handelndem Werkzeug.<br />

563<br />

ROXIN, Vortrag, S. 56. KUHLEN, Täterschaft und Teilnahme, S. 83, befürwortet die Annahme von<br />

mittelbarer Täterschaft <strong>bei</strong> Vorliegen von Bösgläubigkeit <strong>bei</strong>m ausführenden Mitar<strong>bei</strong>ter.<br />

564<br />

MUÑOZ CONDE, S. 623.<br />

565<br />

VOGT, S. 159.<br />

566<br />

CRAMER/HEINE, N 25a zu § 25 dStGB.<br />

567<br />

GROSSE VORHOLT, N 35 ff.; HEINE, Europ Entwicklungen, S. 29 Fn. 30; KUHLEN, Strafrechtliche<br />

Produkthaftung, S. 671. RUDOLPHI, Kommentar, N 89 zu § 25 dStGB, weisen auf die Rechtsprechung<br />

in Deutschland hin: NJW 51 (1998) 769; NJW 47 (1994) 2703; BGHSt 40, 218.<br />

568<br />

SCHÜNEMANN, Unternehmenskriminalität und Strafrecht, S. 103.


5. Kapitel II. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> vorsätzlicher Deliktsbegehung<br />

Wirtschaftsunternehmen und einem rechtsgelösten Gebilde zu ziehen 569 . RANSIEK weist<br />

darauf hin, dass Unternehmen normalerweise im Rahmen der Rechtsordnung tätig und<br />

somit nicht rechtsgelöst seien, so dass diese Rechtsfigur nicht zur Anwendung im<br />

wirtschaftlichen Bereich geeignet sei. <strong>Die</strong> Weisungsverhältnisse <strong>bei</strong> Verantwortungspositionen<br />

in privatrechtlichen Betrieben und Unternehmen seien zudem nicht mit staatlichen<br />

oder kriminellen Machtapparaten vergleichbar. <strong>Die</strong> Weisungsmacht des Ar<strong>bei</strong>tgebers sei<br />

nicht willkürlich und werde durch rechtliche Reaktionsmöglichkeiten der Mitar<strong>bei</strong>ter<br />

begrenzt 570 . Auch BOSCH ist gegen eine Einführung der Rechtsfigur der Organisationsherrschaft<br />

und damit gegen eine Ausweitung der „mittelbaren Täterschaft“ in einem<br />

Unternehmen. Seiner Meinung nach führt dies nicht zu einer nachvollziehbaren Gleichbehandlung<br />

von Personen in Vorgesetzten- und Täterstellung, obschon die Beeinflussung<br />

des Mitar<strong>bei</strong>ters von unterschiedlicher Beschaffenheit sein könne 571 . HERZBERG führt<br />

nebst Gründen, die von Überdehnung des Täterschaftsbegriffs sprechen 572 , an, dass <strong>bei</strong><br />

Anwendung auf ein wirtschaftliches Unternehmen nicht immer „ein auswechselbares<br />

Rädchen im Getriebe eines Machtapparates“ 573 vorhanden sei. Er bezeichnet es als unzutreffend,<br />

dass der Befehlsgeber davon ausgehen könne, sein Befehl werde auf jeden Fall<br />

ausgeführt und das Delikt realisiert 574 .<br />

(3) Organisationsherrschaft in der schweizerischen Lehre<br />

STRATENWERTH hat zwar die Definition von ROXIN betreffend die Organisation von<br />

Machtapparaten übernommen 575 , doch er geht davon aus, dass die Rechtsfigur der Organisationsherrschaft<br />

nur in einem organisierten Machtapparat, der allerdings nicht staatlichen<br />

Charakter haben müsse, anwendbar sei, und weitet deren Anwendung auf<br />

Gangstersyndikate mit vergleichbarer Organisation aus 576 . Hingegen wird die Rechtsfigur<br />

des „Täters hinter dem Täter“ von SCHULTZ bereits <strong>bei</strong> einem organisierten Machtapparat<br />

abgelehnt. Seiner Meinung nach kann eine Person, die eine Straftat vorsätzlich und<br />

schuldhaft begeht, nicht Tatmittler im Sinne der mittelbaren Täterschaft sein 577 .<br />

569<br />

HEINE, Europ. Entwicklung, S. 29 f.<br />

570<br />

RANSIEK, Unternehmensstrafrecht, S. 46 ff.; vgl. auch RUDOLPHI, Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong><br />

der Bediensteten, S. 871.<br />

571<br />

BOSCH, S. 264.<br />

572<br />

HERZBERG, Formale Organisation, S. 47., betreffend die allgemeine Anwendung auf Machtapparate.<br />

573<br />

Vgl. HERZBERG, Formale Organisation, S. 36.<br />

574<br />

HERZBERG, Formale Organisation, S. 39.<br />

575<br />

STRATENWERTH, AT I, § 13 N 34, führt aus, dass der Schreibtischtäter sich darauf verlassen könne,<br />

dass die Aufträge ausgeführt würden. <strong>Die</strong> beliebige Auswechselbarkeit der Ausführenden sei charakteristisch,<br />

weil weder eine Nötigung noch ein Irrtum notwendig sei, damit der Hintermann die<br />

Tatherrschaft innehabe.<br />

576<br />

STRATENWERTH, AT I, § 13 N 34, ist der Meinung, dass diese verbrecherischen Organisationen<br />

derart konzipiert seien, dass sie als kriminelle Organisationen i. S. v. Art. 260 ter StGB angesehen<br />

würden. Beteiligte wie auch Unterstützende könnten sodann strafrechtlich zur Verantwortung gezogen<br />

werden.<br />

577<br />

SCHULTZ, AT I, S. 282 f.<br />

117


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

Nach dem jetzigen Stand der Lehre und der Rechtsprechung kann weder hinsichtlich<br />

organisierter Machtapparate noch betreffend Unternehmen von einer Anerkennung der<br />

Rechtsfigur „Organisationsherrschaft“ ausgegangen werden 578 . Eine mittelbare Täterschaft<br />

scheidet nach wie vor schon dann aus, wenn der Vordermann eine Straftat<br />

vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft begeht.<br />

<strong>Die</strong> Rechtsfigur des „Täters hinter dem Täter“ ist dem schweizerischen Strafrecht<br />

nicht völlig fremd. Ein Anwendungsfall findet sich in Art. 100 Ziff. 2 Abs. 1 SVG 579 .<br />

Gemäss dieser Bestimmung soll — neben dem nach aussen hin als Täter erscheinenden<br />

Mitar<strong>bei</strong>ter — der wirklich Verantwortliche 580 bestraft werden. Der Vorgesetzte wird hier<br />

als Täter und nicht als Teilnehmer qualifiziert 581 . Art. 100 Ziff. 2 Abs. 1 SVG ersetzt<br />

hiermit die Bestimmungen des StGB über die Teilnahme im gesetzten Umfang 582 .<br />

Des Weiteren können die Vorgesetzten auch auf Grund der Geschäftsherrenhaftung<br />

strafrechtlich belangbar werden, wenn sie Widerhandlungen von untergebenen Mitar<strong>bei</strong>tern<br />

vorsätzlich dulden. Da Vorgesetzte in einem Unternehmen deshalb als Täter aus<br />

eigenem Verschulden 583 einzustehen hätten, müssten sie für Weisungen auch hinsichtlich<br />

der Ausführung einer strafrechtlich relevanten Handlung aus eigenem Verschulden einstehen.<br />

Es ist darauf hinzuweisen, dass die Anstiftung das eigene Verschulden bestraft.<br />

Allerdings stellt sich hier die Frage, ob die Anstiftung alleine genügt und ob sie alle in<br />

Betracht kommenden Fälle umfasst. Ausserdem erweist sie sich als die geeignetere Form,<br />

um den Mitar<strong>bei</strong>ter auf Grund seiner Position mit einzubeziehen. Das Subordinationsverhältnis<br />

lässt sich hier besser berücksichtigen 584 . SCHULTZ verweist auf die Möglichkeit<br />

des österreichischen Strafgesetzbuches, nach dem der Anstifter für sein hinterhältiges<br />

Verhalten schärfer bestraft werden kann 585 . Gemäss RUDOLPHI soll dieses Ungleich-<br />

578 HUBER, S. 277.<br />

579 Art. 100 Ziff. 2 Abs. 1 SVG: „Der Ar<strong>bei</strong>tgeber oder Vorgesetzte, der eine nach diesem Gesetz eine<br />

strafbare Handlung des Motorfahrzeugführers veranlasst oder nicht nach seinen Möglichkeiten<br />

verhindert hat, untersteht der gleichen Strafandrohung wie der Führer.“<br />

580 Es ist diesbezüglich davon auszugehen, dass der Mitar<strong>bei</strong>ter meist nicht aus eigenem Antrieb solche<br />

Widerhandlungen ausführt, sondern auf Weisung und im Interesse des Vorgesetzten.<br />

581 GIGER, S. 286 f., ist der Ansicht, dass daher der wirklich Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen<br />

werden solle und nicht nur diejenige Person, welche vorgeschoben worden sei. Vgl. BGE 89 IV 30.<br />

582 GIGER, S. 286 f., weist darauf hin, dass der Mitar<strong>bei</strong>ter nur <strong>bei</strong> Übertretungen gemäss Art. 100 Ziff. 2<br />

Abs. 2 SVG milder bestraft werden könne, wo<strong>bei</strong> Strafbefreiung nicht durch Freispruch, sondern nur<br />

durch Schuldspruch unter Umgehen der Bestrafung erfolge. Sind jedoch Vergehen oder Verbrechen<br />

zu beurteilen, ist eine Milderung nur gemäss Art. 64 Abs. 1 StGB möglich. SCHULTZ, SVG, S. 57,<br />

sieht in dieser Bestimmung „eine in die Nähe der Mittäterschaft gehörende neue Form strafbarer<br />

Mitwirkung an strafbarem Verhalten anderer“.<br />

583 BÖCKLI, Insiderstrafrecht, S. 93, weist darauf hin, das Strafrecht sehe immer noch die Eigenverantwortung<br />

als Voraussetzung für eine Straftat an, woraus zu folgern sei, dass die Geschäftsherrenhaftung<br />

nie als Solidarhaftung des Vorgesetzten zu verstehen sei. SEELMANN, AT, S. 137.<br />

584 HOFMANN, S. 49.<br />

585 SCHULTZ, AT I, S. 294. Auch HERZBERG, Antwort, S. 58, ist der Ansicht, dass ein Anstifter u. U.<br />

sogar strenger bestraft werden könne als der Ausführende.<br />

118


5. Kapitel II. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> vorsätzlicher Deliktsbegehung<br />

gewicht über die Strafzumessung korrigiert werden 586 . Da<strong>bei</strong> können Minderungs- oder<br />

Milderungsgründe zu einem Ausgleich der Zurechnung des Handlungsunrechts führen.<br />

<strong>Die</strong> freie Rechtsfindung praeter legem, die sich auf ein Analogie- oder Gewohnheitsrecht<br />

stützt, ist jedoch eine im Strafrecht verbotene rechtsschöpferische Analogie, weil<br />

sie mit Art. 1 StGB kollidiert. Aus diesem Grund wäre der Vorschlag einer eventuellen<br />

Übernahme dieser Rechtsfigur de lege ferenda zu verstehen.<br />

3. Rechtfertigungsgründe des Mitar<strong>bei</strong>ters und des<br />

einzelnen Gremiumsmitgliedes<br />

a) Keine Rechtsfertigungswirkung einer Weisung<br />

Eine <strong>Die</strong>nstanweisung, <strong>bei</strong> der die Verfassungs- oder Gesetzesgrundlage nicht offensichtlich<br />

fehlt, ist für den Beamten 587 , der diese Weisung auszuführen hat, i. d. R.<br />

verbindlich 588 . Doch auch eine Berufspflicht kann nicht ohne weiteres dazu führen, dass<br />

Handlungen gestattet werden, die gesetzlich verboten sind. Der strafrechtlich relevante<br />

Eingriff in ein fremdes Rechtsgut ist nicht durch die Ausübung eines besonderen Berufes<br />

gerechtfertigt, sondern immer nur durch Rechtsnormen, die für die Rechtspflicht<br />

massgebend sind 589 .<br />

Das Ziel von Unternehmen ist primär wirtschaftlicher Natur 590 . Weisungsempfänger<br />

im Unternehmen werden demnach weder auf Grund maximaler Rechtskenntnisse noch<br />

ihres Rechtsbefolgungswillens ausgesucht und eingestellt. Daraus ergibt sich, dass die<br />

„Rechtmässigkeit“ von Weisungen innerhalb von privatrechtlichen Unternehmen nicht<br />

zwangsläufig als gegeben angenommen werden kann 591 . <strong>Die</strong> Weisung entfaltet somit<br />

keine Vermutung einer gesteigerten Verbindlichkeit 592 . Bei Weisungen 593 in privatrechtlichen<br />

Unternehmen kann nach schweizerischem Recht deshalb nicht von Rechtspflichten<br />

im Sinne eines Gesetzes gesprochen werden. Folglich erweisen sich „rechtswidrige“<br />

Weisungen im Innenverhältnis zwischen Weisungsgeber und Weisungsempfänger stets<br />

586<br />

RUDOLPHI, Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Bediensteten, S. 871.<br />

587<br />

Als „Beamter“ wird im Strafrecht gemäss Art. 110 Ziff. 4 StGB der Beamte bzw. der Angestellte<br />

einer öffentlichen Verwaltung oder Rechtspflege bezeichnet. Auch <strong>bei</strong> provisorischer oder vorübergehender<br />

Ausübung einer solchen Funktion gelten solche Personen als Beamte.<br />

588<br />

STRATENWERTH, AT I, § 10 N 95.<br />

589<br />

STRATENWERTH, AT I, § 10 N 96.<br />

590<br />

MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, § 4 N 10.<br />

591<br />

HOYER, S. 196.<br />

592<br />

Das „berechtigte Vertrauen“ in ein privatrechtliches Unternehmen basiert demzufolge auf einer<br />

„weniger zuverlässigen Grundlage“, so dass der Weisungsempfänger ihm gegenüber eher Misstrauen<br />

entgegenbringen müsste als gegenüber einem öffentlichrechtlichen Unternehmen, vgl. HOYER,<br />

S. 197. Betreffend das Vertrauen, das eine Person in eine andere haben darf, siehe 5. Kapitel<br />

III.F.1.c)(3)iii).<br />

593<br />

Vgl. hiezu BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 310 f.<br />

119


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

als unverbindlich 594 . Der Weisungsempfänger hat den Weisungen deshalb nur dann<br />

nachzukommen, wenn sie ihm nach Art und Inhalt als richtig erscheinen, wo<strong>bei</strong> diese<br />

natürlich auch mit der Ar<strong>bei</strong>t selbst zusammenhängen müssen 595 . „Rechtswidrige“<br />

Weisungen bleiben im Aussenverhältnis deshalb ohne Rechtfertigungswirkung für den<br />

ausführenden Weisungsempfänger 596 .<br />

120<br />

b) Rechtfertigungsgründe des den Beschluss ausführenden Mitar<strong>bei</strong>ters<br />

Wird der Weisungsnehmer auf unwiderstehliche Art genötigt, kann dieser mit der<br />

Begründung eines Nötigungsnotstandes straflos ausgehen 597 . Er muss jedoch tatsächlich<br />

dazu gezwungen worden sein, die betreffende Weisung auszuführen, so dass dieser<br />

Umstand zu einer mittäterschaftlichen mittelbaren Täterschaft der Gremiumsmitglieder<br />

führt.<br />

<strong>Die</strong> Ausführung einer Weisung, die zu strafrechtlich relevanten Folgen führt, stellt<br />

auch keine Wahrung berechtigter Interessen dar. „<strong>Die</strong>ser aussergesetzliche Rechtfertigungsgrund<br />

ist gegeben, wenn die Tat ein zur Erreichung des berechtigten Ziels<br />

notwendiges und angemessenes Mittel ist, sie insoweit den einzig möglichen Weg<br />

darstellt und offenkundig weniger schwer wiegt als die Interessen, die der Täter zu<br />

wahren sucht“ 598 . Zudem kann dieser Rechtfertigungsgrund nur dann tatbestandliches<br />

Verhalten rechtfertigen, wenn das zu beurteilende Problem nicht schon durch das<br />

geltende Recht abschliessend geregelt wird 599 . <strong>Die</strong> auf Grund der Weisung ausgeführte<br />

Handlung, die strafrechtlich relevante Folgen her<strong>bei</strong>führt, hat nichts gemein mit der<br />

Erreichung eines berechtigten Zieles; insofern ist ein Rechtsfertigungsgrund nicht<br />

ersichtlich.<br />

Aus dem Subordinationsverhältnis folgt eine zivilrechtliche Gehorsamspflicht des<br />

Ar<strong>bei</strong>tnehmers gegenüber dem Vorgesetzten und dessen Weisungen 600 . Vor dem Hintergrund<br />

der kriminologischen Forschung von MILGRAM ist auf die Autoritätsgläubigkeit<br />

und die Abhängigkeit des Mitar<strong>bei</strong>ters von seinem Vorgesetzen hinzuweisen 601 . Selbst<br />

594<br />

REHBINDER, Ar<strong>bei</strong>tsrecht, § 8 N 122, hält fest, dass die Weisung <strong>bei</strong> Missachtung der rechtlichen<br />

Schranken unverbindlich sei. Wird die „rechtswidrige“ Weisung befolgt, entfällt die Haftung gemäss<br />

Art. 321e OR.<br />

595<br />

REHBINDER, Ar<strong>bei</strong>tsrecht, § 8 N 119. FREI, S. 113: „Bei der vertikalen Ar<strong>bei</strong>tsteilung stellt sich<br />

sodann die Frage, ob der Aufgabenempfänger darauf vertrauen darf, dass die ihm erteilten<br />

Weisungen richtig sind und er sie deshalb nicht zu überprüfen braucht.“ (Hervorhebungen durch den<br />

Autor selbst).<br />

596<br />

HOYER, S. 197.<br />

597<br />

REHBERG/DONATSCH, § 15 Ziff. 3.2 lit. e), S. 154, § 20 Ziff. 6 lit. b), S. 200 und 27 Ziff. 2.3, S. 243.<br />

598<br />

BGE 120 IV 213.<br />

599<br />

STRATENWERTH, § 10 N 62.<br />

600<br />

REHBINDER, Ar<strong>bei</strong>tsrecht, § 7 N 45 und § 8 N 116.<br />

601<br />

Vgl. MILGRAM, Einige Bedingungen von Gehorsam und Ungehorsam gegenüber Autoritäten.<br />

MILGRAM hat in seinen Versuchsreihen festgestellt, dass der Angewiesene dem von seinem<br />

Vorgesetzten Angeordneten in hohem Masse folgt. Vgl. auch SCHÜNEMANN, Grundfragen der


5. Kapitel II. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> vorsätzlicher Deliktsbegehung<br />

<strong>bei</strong> Zweifeln an der Rechtmässigkeit der Ausführung befolgt der Mitar<strong>bei</strong>ter u. U. die<br />

Weisungen der Vorgesetzten 602 . Art und Stärke der zivilrechtlichen Gehorsamspflicht<br />

äussern sich je nach Beschaffenheit des Ar<strong>bei</strong>tsverhältnisses. Eine unbedingte Gehorsamspflicht<br />

ist allerdings auszuschliessen. Dass in abhängiger Stellung beschäftigte<br />

Personen sich der Mitwirkung an einer Straftat nicht entziehen können, ohne ihren<br />

Ar<strong>bei</strong>tsplatz zu gefährden, ist deshalb eine Frage der Rechtfertigung 603 . Eine rechtfertigende<br />

Wirkung ist infolgedessen nur unter engsten Voraussetzungen zuzugestehen 604 .<br />

c) Rechtsfertigungsgründe des Gremiumsmitgliedes<br />

<strong>Die</strong> Abstimmungen des entscheidungsberechtigten Gremiums sollen dem Unternehmen<br />

Handlungsfähigkeit gewährleisten. Gesellschaftsrechtlich ist das Gremiumsmitglied insofern<br />

verpflichtet, den mit Mehrheitsentscheidung getroffenen Beschluss mitzutragen.<br />

<strong>Die</strong>s setzt demzufolge voraus, dass der Grundsatz der Unterordnung der Minderheit unter<br />

die Mehrheit eingehalten wird 605 . Hieraus entsteht eine Kollision zweier Verantwortungsbereiche:<br />

<strong>Die</strong> individuelle <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong> des Überstimmten steht der<br />

sich aus der erwähnten zivilrechtlichen Loyalitätspflicht ergebenden Eingliederung in die<br />

Gesamtverantwortung entgegen 606 .<br />

Im Gegensatz zu den Mitar<strong>bei</strong>tern stehen Personen der gleichen Hierarchiestufe —<br />

hier die Gremiumsmitglieder — in keinem Subordinationsverhältnis, so dass eine<br />

Gehorsamspflicht überhaupt nicht besteht und somit auch nicht als Rechtfertigung<br />

herangezogen werden kann. Auch aus dem Blickwinkel, dass Mitar<strong>bei</strong>tern nicht das<br />

Recht zuteil wird, sich zu ihrer Rechtfertigung auf rechtswidrige Weisungen ihrer<br />

Vorgesetzten zu berufen, und dass ihnen teilweise zugemutet wird, sich gegen solche<br />

Weisungen und ar<strong>bei</strong>tsrechtliche Konsequenzen, die ihnen u. U. aus der Ausübung der<br />

Weisung erwachsen, zu wehren 607 , darf <strong>bei</strong> den Gremiumsmitgliedern nicht mit anderen<br />

Unternehmenskriminalität, S. 42, der zum Schluss kommt, dass die <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong><br />

in erster Linie auf die untersten Instanzen im Unternehmen verlagert werde. <strong>Die</strong>s könne<br />

nachwirkende Folgen haben, zumal der Ausführende die Situation häufig nicht überblicke. Der Ausführende<br />

habe zudem meistens auf Grund der betrieblichen Bindung, — da der Mensch eine grosse<br />

Bereitschaft zum Gehorsam in hierarchischen Strukturen mitbringe und daher glaube, sein Handeln<br />

sei im Sinne des Unternehmens — der Kriminalität nur wenig entgegenzusetzen. Überdies seien die<br />

Personen auf den untersten Hierarchiestufen auswechselbar.<br />

602<br />

HOFMANN, S. 49.<br />

603<br />

WOHLERS, Gehilfenschaft, S. 431 Fn. 41. MURMANN, S. 280, vertritt die Ansicht, dass eine<br />

Beschränkung der <strong>strafrechtliche</strong>n <strong>Verantwortlichkeit</strong> des ausführenden Mitar<strong>bei</strong>ters mit Rücksicht<br />

auf seine ar<strong>bei</strong>tsvertragliche Abhängigkeit nur ausnahmsweise und <strong>bei</strong> fahrlässigem Verhalten in<br />

Betracht gezogen werden könne.<br />

604<br />

Vgl. HOYER, S. 201 f. Gemäss HOYER ergibt sich daraus die Erkenntnis, dass im privatrechtlichen<br />

Umfeld nur die mittelbare Tatherrschaft kraft Herrschaft über einen organisatorischen Machtapparat<br />

sowie die Anstiftung verbleiben, um eine <strong>strafrechtliche</strong> Verantwortung des Vorgesetzten her<strong>bei</strong>zuführen.<br />

605<br />

GROSSE VORHOLT, N 87.<br />

606<br />

EICHINGER, S. 207.<br />

607<br />

GROSSE VORHOLT, N 94; LENCKNER, N 87 ff., N 121 ff. der Vorbem. zu § 32 ff. dStGB.<br />

121


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

Ellen gemessen werden. Wenn schon ein Vertrag — als zweiseitiges Rechtsgeschäft —<br />

<strong>bei</strong> widerrechtlichem Inhalt als nichtig 608 qualifiziert wird und somit keine rechtsgeschäftlichen<br />

Wirkungen zu erzeugen vermag, kann auch für den Beschluss — als<br />

mehrseitiges Rechtsgeschäft — 609 nichts anderes gelten. Daraus folgt, dass ein<br />

Gremiumsmitglied nicht an einen deliktisch ausgerichteten Beschluss gebunden ist. Für<br />

die <strong>strafrechtliche</strong> Wertung kommt es nicht darauf an, ob ein Rechtsgeschäft zivilrechtlich<br />

Wirkung zeitigt oder nicht 610 . Es ist festzuhalten, dass niemand sich rechtlich<br />

verpflichten kann, strafbare Handlungen vorzunehmen 611 .<br />

Deshalb kann dem einzelnen Gremiumsmitglied für dessen Verhalten vor, während<br />

und nach der Abstimmung grundsätzlich nur im Rahmen der Rechtfertigungsgründe<br />

gemäss Art. 32-34 StGB 612 eine rechtfertigende Wirkung zugestanden werden.<br />

122<br />

4. Schuldausschluss- und Schuldmilderungsgründe des<br />

einzelnen Gremiumsmitgliedes und des Mitar<strong>bei</strong>ters<br />

Schuldausschluss- und Schuldmilderungsgründe können das Ausmass der Vorwerfbarkeit<br />

der rechtswidrigen Handlunge des jeweiligen Täters bzw. Teilnehmers beeinflussen.<br />

Zurechnungsunfähigkeit gemäss Art. 10 StGB, verminderte Zurechnungsunfähigkeit<br />

gemäss Art. 11 StGB sowie die Unzumutbarkeit normgemässen Verhaltens müssen für<br />

jedes Gremiumsmitglied bzw. jeden beteiligten Mitar<strong>bei</strong>ter einzeln untersucht werden.<br />

Auch ob ein allfälliger Rechtsirrtum gemäss Art. 20 StGB 613 vorliegt, ist <strong>bei</strong> Anzeichen<br />

eines solchen abzuklären 614 . Auf Rechtsirrtum kann sich derjenige berufen, der<br />

zureichende Gründe geltend machen kann, dass er der Meinung war, er würde überhaupt<br />

nichts Unrechtes tun. Zu beachten ist ferner, dass demjenigen, der seine Tat bloss für<br />

straflos hält, kein Rechtsirrtum zugestanden wird. Der Rechtsirrtum ist demzufolge<br />

ausgeschlossen <strong>bei</strong> einer Person, die im Bewusstsein handelt, etwas Unrechtes zu tun 615 .<br />

Nur wenn der Rechtsirrtum selbst <strong>bei</strong> pflichtgemässer Sorgfalt unvermeidbar gewesen<br />

wäre, ist Art. 20 StGB anwendbar 616 . Das Bundesgericht billigte jedoch in zweifelhafter<br />

Weise einer Person — trotz ihrer juristischen Ausbildung — zureichende Gründe für<br />

einen unvermeidbaren Rechtsirrtum zu, weil diese Person aus Affektion und Autoritäts-<br />

608 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/REY, N 681 ff.<br />

609 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/REY, N 132, weisen jedoch darauf hin, dass ein Beschluss keinen Vertrag<br />

darstelle.<br />

610 STRATENWERTH, AT I, § 14 N 17.<br />

611 Siehe 5. Kapitel V betreffend die <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong> des einzelnen Gremiumsmitgliedes,<br />

wenn es beeinflusst worden ist.<br />

612 Im revidierten StGB Art. 14 – Art. 18 nStGB erfolgt eine Einschränkung der zu schützenden Rechts-<br />

güter und der Notstandshilfe.<br />

613 Im revidierten StGB Art. 21 nStGB.<br />

614 REHBERG/DONATSCH, § 26 Ziff. 1.1, S. 233, führen aus, das StGB folge der sog. Schuldtheorie,<br />

welche den Rechtsirrtum als möglichen Schuldausschluss- oder Schuldmilderungsgrund ansieht.<br />

615 BGE 127 IV 132; 120 IV 215; 118 IV 174 f.; DONATSCH, Ausführungen zu Art. 20 StGB.<br />

616 REHBERG/DONATSCH, § 26 N 2.12, S. 237.


5. Kapitel II. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> vorsätzlicher Deliktsbegehung<br />

glauben gegenüber ihrer Vorgesetzten gemäss deren Weisung gehandelt habe 617 . In<br />

diesem Zusammenhang ist die Anwendung des Vertrauensprinzips hinsichtlich der<br />

Weisungen an Mitar<strong>bei</strong>ter genauer zu betrachten 618 .<br />

5. Strafzumessung für das Gremiumsmitglied und den<br />

Mitar<strong>bei</strong>ter<br />

Der Unrechtsgehalt der begangenen Straftat ist Ausgangspunkt für die Strafzumessung 619 .<br />

Insbesondere die Art und Weise der Durchführung einer Straftat kann zur Anwendung<br />

eines privilegierenden oder qualifizierenden Tatbestandes führen. Neben den privilegierenden<br />

oder qualifizierenden Straftatbeständen ist aber auch die Anwendbarkeit von<br />

Art. 63 620 und Art. 64 StGB 621 bezüglich des ausführenden Mitar<strong>bei</strong>ters näher zu<br />

untersuchen.<br />

<strong>Die</strong> Beweggründe des ausführenden Mitar<strong>bei</strong>ters können gemäss Art. 63 StGB u. U.<br />

zu einer Minderung der Strafe führen. Um das Verschulden abzuwägen, ist daher das<br />

Mass der Entscheidungsfreiheit 622 des Täters sowie die Intensität dessen deliktischer<br />

Schuld 623 zu berücksichtigen. Ob eine Strafmilderung im Sinne von Art. 64 StGB angezeigt<br />

ist, steht im Ermessen des Richters. Wenn die achtenswerten Gründe durch die Tat<br />

völlig in den Hintergrund gedrängt werden, ist eine Milderung jedoch nicht möglich. Der<br />

Mitar<strong>bei</strong>ter, der auf Weisung des Vorgesetzten gehandelt hat, wird auf Veranlassung<br />

eines anderen tätig. Er führt die Weisung aus, da er dem Vorgesetzen hierarchisch<br />

untergeordnet ist, so dass der Einfluss dieser Person in entscheidender Weise zur<br />

Begehung der Tat <strong>bei</strong>trägt. Aus diesem Grund wird der Entschluss zur Tatausführung<br />

nicht ganz freiwillig gefasst. Damit Art. 64 StGB angewandt werden kann, muss jedoch<br />

die Entscheidungsfreiheit des Mitar<strong>bei</strong>ters in gleichem Mass beeinträchtigt gewesen sein,<br />

wie <strong>bei</strong> schwerer Bedrängnis oder <strong>bei</strong> schwerer Drohung 624 .<br />

617<br />

BGE 116 IV 68 weist darauf hin, dass der Täter „aus zureichenden Gründen“ angenommen haben<br />

müsse, er sei zur Tat berechtigt. Gemäss einer Praxisänderung in BGE 120 IV 315 wird nun mangels<br />

verschuldeten Rechtsirrtums von Bestrafung Umgang genommen.<br />

618<br />

Siehe 5. Kapitel III.F.1.c)(3)iii) betr. Vertrauensprinzip.<br />

619<br />

Vgl. BGE 101 IV 52; 100 IV 4: Das Ausmass der Beteiligung an der Straftat muss <strong>bei</strong> der<br />

Zumessung der Strafe berücksichtigt werden.<br />

620<br />

Im revidierten StGB: Art. 47 nStGB<br />

621<br />

Im revidierten StGB: Art. 48 nStGB.<br />

622<br />

Vgl. BGE 118 IV 25; 117 IV 8.<br />

623<br />

Vgl. BGE 98 IV 131.<br />

624<br />

BGE 102 IV 238; HUG, Ausführungen zu Art. 64 StGB; REHBERG/DONATSCH, § 27 Ziff. 2.3, S. 243.<br />

123


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

124<br />

6. Fazit<br />

Mittels des Kriteriums der Tatherrschaft kann <strong>bei</strong> den Gremiumsmitgliedern und <strong>bei</strong>m<br />

Mitar<strong>bei</strong>ter eruiert werden, in welcher Form sie an der Straftat beteiligt waren. Bei jedem<br />

Handelnden — auch wenn er ein Zahnrad eines grösseren Räderwerkes darstellt — der<br />

vorsätzlich eine Tat ausübt, ist Täterschaft anzunehmen. Da<strong>bei</strong> ist aber es nur von<br />

akademischem Interesse, ob jeweils Mittäterschaft, mittelbare Täterschaft oder Nebentäterschaft<br />

vorliegt 625<br />

C. Feststellung der Art der <strong>strafrechtliche</strong>n Beteiligung<br />

der Gremiumsmitglieder und des ausführenden<br />

Mitar<strong>bei</strong>ters <strong>bei</strong> einem als Unterlassung qualifizierten<br />

Sachverhalt<br />

1. Echte und unechte Unterlassungsdelikte<br />

Wird das Verhalten des Gremiums insgesamt als Unterlassen, d. h. als Nicht-Handeln<br />

qualifiziert, sind die Voraussetzungen des Unterlassungsdeliktes zu überprüfen. Nach<br />

dem schweizerischen Strafrecht bestehen zwei Formen von Unterlassungsdelikten: echte<br />

und unechte. <strong>Die</strong> echten Unterlassungsdelikte sind im Strafgesetzbuch bereits durch<br />

einen Straftatbestand aufgeführt, während die unechten Unerlassungsdelikte bis jetzt<br />

noch nicht darin erfasst werden. Mit der Revision des Allgemeinen Teils des<br />

Strafgesetzbuches wird das unechte Unterlassungsdelikt in Art. 11 nStGB erstmals<br />

formell im StGB festgehalten 626 .<br />

Ein typisches Beispiel eines echten 627 Unterlassungsdeliktes ist die entsprechende<br />

Variante der ungetreuen Geschäftsbesorgung gemäss Art. 158 Ziff. 1 Abs. 1 StGB. Zum<br />

Kreis der möglichen Täter gehören Personen, die ein fremdes Vermögen zu verwalten<br />

haben 628 , so dass Verwaltungsrats- sowie Geschäftsleitungsmitglieder als Täter in Frage<br />

kommen, wenn sie zulassen, dass der Eigentümer des Vermögens geschädigt wird. Das<br />

Augenmerk ist jedoch auf die unechten Unterlassungsdelikte 629 zu richten, da diese<br />

625 SCHMID, Aspekte, S. 170.<br />

626 Vgl. Art. 11 nStGB, in: BBl 1999, 2301.<br />

627 REHBERG/DONATSCH, § 30 Ziff. 2.111 lit. c), S. 262.<br />

628 DONATSCH, Ausführungen zu Art. 158 Ziff. 1 StGB.<br />

629 „Bei den unechten Unterlassungsdelikten handelt es sich stets um Erfolgsdelikte. Der Täter wird<br />

bestraft, weil er nicht in einen ohne sein vorwerfbares Tun in Gang gesetzten Kausalablauf<br />

eingegriffen und den Erfolg abgewendet hat“, vgl. TRECHSEL, Kurzkommentar, N 27 zu Art. 1<br />

StGB. REHBERG/DONATSCH, § 30 Ziff. 1, S. 255 und S. 257 weisen aber darauf hin, dass sich der<br />

Verpflichtete auch <strong>bei</strong> einem Tätigkeitsdelikt als Gehilfe strafrechtlich verantwortlich machen kann,<br />

wenn eine Gefahr eines Angriffs auf die von ihm zu schützenden Rechtsgüter besteht und er nicht<br />

einschreitet. Vgl. auch SCHULTZ, AT I, S. 135.


5. Kapitel II. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> vorsätzlicher Deliktsbegehung<br />

zusätzliche Voraussetzungen und Schwierigkeiten mit sich bringen. Bei solchen Delikten<br />

können nur Personen Täter sein, die eine so genannte Garantenstellung innehaben 630 .<br />

2. Täterschaft und Teilnahme der Gremiumsmitglieder<br />

a) Vorliegen von Täterschaft der Gremiumsmitglieder <strong>bei</strong>m<br />

Unterlassungsdelikt<br />

Ein mittäterschaftliches Verhalten scheitert nicht daran, dass den betroffenen Beteiligten<br />

ein Unterlassen 631 vorgeworfen wird. Mehrere Personen können dann Mittäter sein, wenn<br />

sie auf Grund eines gemeinsamen Entschlusses das Gebot zum Handeln nicht befolgen<br />

und untätig bleiben 632 . Mittäterschaft liegt ebenfalls vor, wenn mehrere Garanten, die<br />

eine ihnen allen obliegende Pflicht nur gemeinsam erfüllen können, beschliessen, diese<br />

Pflicht nicht zu erfüllen 633 . Bei gleichberechtigten Gremiumsmitgliedern ist die Annahme<br />

einer gemeinsamen Tatherrschaft folglich sachgerecht.<br />

Das nur gemeinsam mögliche Unterlassen einer gebotenen Massnahme auf Grund<br />

eines Gremiumsbeschlusses entspricht somit der Mittäterschaft, so dass <strong>bei</strong>m Vorsatzdelikt<br />

<strong>bei</strong> allen gleichrangigen Beteiligten Mittäterschaft vorliegt 634 . Ist das gesamte<br />

Gremium für die Vornahme einer gebotenen Massnahme zuständig, da diese in dessen<br />

Verantwortungsbereich fällt, so werden die Gremiumsmitglieder dadurch zu Tätern; dies<br />

gilt natürlich auch, wenn sie dem Mitar<strong>bei</strong>ter verbieten, die gebotene Massnahme vorzunehmen<br />

635 .<br />

630 GRAVEN/STRÄULI, N 51 C., S. 78; HURTADO POZO, N 970; KILLIAS, N 420; REHBERG/DONATSCH,<br />

§ 30 Ziff. 2.11, S. 256; SCHULTZ, AT I, S. 127; SEELMANN, AT, S. 76; STRATENWERTH, AT I, § 14<br />

N 10; TRECHSEL/NOLL, § 32, S. 233.<br />

631 Eine durch Unterlassung begangene mittelbare Täterschaft gibt es nicht, vgl. STRATENWERTH, AT I,<br />

§ 15 N 6 f. Dagegen sind TRECHSEL/NOLL, § 34 D. Ziff. 2, S. 255, der Meinung, dass eine mittelbare<br />

Täterschaft durch Unterlassen möglich sei. Als Beispiel führen sie folgende Situation auf: Der Vater<br />

lässt die Mutter im Glauben, dass dem in Gefahr schwebenden Kind nicht geholfen werden müsse.<br />

632 GRAVEN/STRÄULI, N 220 A., S. 287 und N 224 A., S. 293 f.; HURTADO POZO, N 993; REHBERG/<br />

DONATSCH, § 29 Ziff. 1.3, S. 253 und § 30 Ziff. 2.32, S. 272; TRECHSEL/NOLL, § 34 D. Ziff. 2,<br />

S. 255; RIKLIN, § 19 N 36; SCHULTZ, AT I, S. 286; STRATENWERTH, AT I, § 15 N 8 ff.; JESCHECK,<br />

N 58 zu § 13 dStGB.<br />

633 HILGERS, S. 63; JESCHECK, N 58 zu § 13 dStGB.<br />

634 BEULKE/BACHMANN, S. 742 f.; EICHINGER, S. 205. HILGENDORF, Kausalität, S. 562, verweist auf<br />

BGHSt 37, 106, 129: Unterlassen gleichberechtigte Partner übereinstimmend einen ihnen nur durch<br />

gemeinsames Handeln möglichen Rückruf, sei dies ein ar<strong>bei</strong>tsteiliges Zusammenwirken auf Grund<br />

eines gemeinsamen Tatentschlusses. Demzufolge liege Mittäterschaft vor. RANSIEK, Unternehmensstrafrecht,<br />

S. 59.<br />

635 Vgl. auch RANSIEK, Unternehmen und Konzern, S. 636.<br />

125


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

126<br />

b) Vorliegen von Teilnahme am Unterlassungsdelikt und<br />

durch Unterlassen begangene Teilnahme der Gremiumsmitglieder<br />

Zunächst ist festzustellen, dass zwischen „Teilnahme am Unterlassungsdelikt“ und<br />

„durch Unterlassen begangene Teilnahme“ ein Unterschied besteht 636 .<br />

Anstiftung zur Unterlassung ist möglich, wohingegen Anstiftung durch Unterlassung<br />

nicht denkbar ist 637 . Bei der Anstiftung zur Unterlassung ist von einem aktiven Verhalten<br />

auszugehen, durch das der Anstifter strafrechtlich verantwortlich wird, auch wenn er<br />

keine Garantenstellung innehat 638 . Weisen die Gremiumsmitglieder gemäss ihrem<br />

Beschluss einen Mitar<strong>bei</strong>ter an, etwas zu unterlassen, was getan werden sollte, muss nur<br />

der Mitar<strong>bei</strong>ter eine Garantenstellung einnehmen. Wie gesagt, agieren die Gremiumsmitglieder<br />

in diesem Fall aktiv, so dass zwischen der Unterlassung des Mitar<strong>bei</strong>ters und dem<br />

aktiven Verhalten der Gremiumsmitglieder zu unterscheiden ist. Als aktive Handlung hat<br />

die Anstiftung somit Einwirkungen auf die Abstimmungsphase. Wird zu einem<br />

Unterlassen angestiftet, sind die einzelnen Stimmverhalten nicht als Unterlassung,<br />

sondern als Begehung zu werten 639 .<br />

Gehilfenschaft i. S. v. Teilnahme am Unterlassungsdelikt ist möglich. <strong>Die</strong>se Art der<br />

Gehilfenschaft folgt den für die Teilnahme am Begehungsdelikt geltenden Regeln 640 .<br />

Gehilfenschaft durch Unterlassung ist im Grunde genommen nicht denkbar. Eine Unterlassung<br />

setzt Tatmacht voraus, so dass jede Person, welche die Möglichkeit hätte, den<br />

Erfolg abzuwenden, Täter sein könnte. So ist Gehilfenschaft durch Unterlassung nur dann<br />

möglich, wenn das Delikt an sich durch Unterlassung nicht begangen werden kann oder<br />

wenn Sondereigenschaften sowie Eigenhändigkeit der Ausführung nicht vorgewiesen<br />

werden können 641 .<br />

636<br />

SEELMANN, Kommentar, N 102 f. zu Art. 1 StGB.<br />

637<br />

GRAVEN/STRÄULI, N 230 A., S. 298 f.; HURTADO POZO, N 797; REHBERG/DONATSCH, § 30<br />

Ziff. 2.32, S. 272; SEELMANN, AT I, S: 129; STRATENWERTH, AT I, § 15 N 12; TRECHSEL/NOLL,<br />

§ 31 C. Ziff. 3 lit. b), S. 204.<br />

638<br />

TRECHSEL/NOLL, § 34 D. Ziff. 1, S. 255.<br />

639<br />

Siehe dazu Fn. 229.<br />

640<br />

REHBERG/DONATSCH, § 30 Ziff. 2.32, S. 272; MOREILLON, Omission, N 200; SEELMANN,<br />

Kommentar, N 102 zu Art. 1 StGB; STRATENWERTH, AT I, § 15 N 12.<br />

641<br />

REHBERG/DONATSCH, § 30 Ziff. 2.32, S. 272; SEELMANN, Kommentar, N 103 f. zu Art. 1 StGB.<br />

SCHULTZ, AT I, S. 297, ist der Meinung, dass blosse Duldung nicht zu Gehilfenschaft führe. Bestehe<br />

jedoch eine rechtliche Pflicht, bedeute deren Nichterfüllung aber in der Tat Gehilfenschaft durch<br />

Unterlassung. STRATENWERTH, AT I, § 15 N 15. Für Gehilfenschaft durch Unterlassung: BGE 121<br />

IV 119 f.; 118 IV 313; GRAVEN/STRÄULI, N 223, S. 292. MOREILLON, S. 125, TRECHSEL/NOLL,<br />

§ 31 D. Ziff. 2, S. 212; ablehnend SCHILD TRAPPE, Gehilfenschaft, S. 126.


5. Kapitel II. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> vorsätzlicher Deliktsbegehung<br />

c) Vorliegen von Geschäftsherrenhaftung der Gremiumsmitglieder<br />

Bei der problematischen und umstrittenen Geschäftsherrenhaftung geht es darum, dass<br />

der Inhaber oder Leiter eines Unternehmens für die in seinem Betrieb begangenen Straftaten<br />

verantwortlich ist, wenn er diese zwar nicht aktiv veranlasst oder unterstützt,<br />

sondern einzig nicht verhindert 642 . Eine Pflicht zur totalen Überwachung besteht<br />

allerdings nicht 643 . Das Bundesgericht hat erkannt, dass eine Garantenstellung nur für<br />

Pflichten anzunehmen ist, die der jeweiligen Person kraft ihrer Stellung auch tatsächlich<br />

obliegen 644 . Der Geschäftsherr soll dann nicht belangt werden, wenn er den Mitar<strong>bei</strong>ter<br />

ordnungsgemäss ausgewählt hat 645 . Zusätzlich wird verlangt, dass der Mitar<strong>bei</strong>ter auch<br />

ordnungsgemäss zu instruieren und zu überwachen sei 646 . Nach SCHMID stellt diese<br />

Konstellation ein unechtes Unterlassungsdelikt dar 647 . Am nahe liegendsten ist es, von<br />

einer Förderung der Tat des Mitar<strong>bei</strong>ters durch Unterlassung der Organisationsverantwortlichen<br />

auszugehen 648 .<br />

<strong>Die</strong> Gremiumsmitglieder können als Vorgesetzte allenfalls auf Grund der Geschäftsherrenhaftung<br />

strafrechtlich verantwortlich gemacht werden, wenn sie in einem hierarchischen<br />

Gebilde Kenntnis haben von strafbaren Taten, die sich im Gange befinden, oder<br />

wenn sie zumindest mit deren Vornahme rechnen mussten und nicht dagegen einschritten.<br />

<strong>Die</strong>se <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong> gelangt folglich dann zur Anwendung,<br />

wenn der Mitar<strong>bei</strong>ter von sich aus — ohne Weisung des Gremiums — tätig geworden ist.<br />

Demzufolge besteht die Möglichkeit, dass die Gremiumsmitglieder durch Unterlassen<br />

strafrechtlich handeln. Im Einzelfall ist zu untersuchen, in welcher Form — d.h. als<br />

Gehilfen oder sogar als Mittäter 649 — sich die für die Kontrolle der betriebstypischen<br />

Gefahren Verantwortlichen am Delikt des Mitar<strong>bei</strong>ters beteiligen.<br />

642<br />

HURTADO POZO, N 986; REHBERG/DONATSCH, § 31 Ziff. 1 S. 274; SEELMANN, Kommentar, N 86<br />

zu Art. 1 StGB; STRATENWERTH, AT I, § 14 N 28; TRECHSEL, Kurzkommentar, N 39 zu Art. 1<br />

StGB;<br />

643<br />

BGE 105 IV 176 ff.<br />

644<br />

Vgl. BGE 118 IV 246, welches auf Beamte und Behördenmitglieder hinweist. REHBERG/DONATSCH,<br />

§ 31 Ziff.2.2,S.276.<br />

645<br />

OERTLE, S. 149 ff. SEELMANN, Kommentar, N 87 zu Art. 1 StGB, spricht von „Exkulpationsmöglichkeit“,<br />

die eigentlich als Wegfall der Sorgfaltspflichtwidrigkeit <strong>bei</strong> Fahrlässigkeitsdelikten zu<br />

verstehen sei.<br />

646<br />

BGE 125 IV 13; 122 IV 127; 117 IV 133: „Il a donc l’obligation juridique de veiller à ce que ses<br />

employés prennent les mesures de précaution nécessaires pour éviter la survenance d'un dommage; il<br />

assume en particulier la cura in eligendo, in instruendo et in custodiendo.“ REHBERG/DONATSCH,<br />

§ 31 Ziff. 2.2, S. 277.<br />

647<br />

SCHMID, Aspekte, S. 172.<br />

648<br />

REHBERG/DONATSCH, § 31 Ziff. 2.2, S. 277 f. Siehe auch 5. Kapitel II.F.3.c)(3)iv).<br />

649 Siehe Fn. 822.<br />

127


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

128<br />

3. Garantenstellung der Gremiumsmitglieder<br />

a) Garantenstellung im Allgemeinen<br />

Strafrechtliche Pflichten i. S. v. Garantenpflichten treffen grundsätzlich nur natürliche<br />

Personen. Art. 100 quater Abs. 1 StGB <strong>bei</strong>nhaltet die Pflicht des Unternehmens, sich so zu<br />

organisieren, dass diejenigen Personen, die in Ausübung geschäftlicher Verrichtung und<br />

im Rahmen des Unternehmenszweckes ein Verbrechen oder Vergehen begehen, als<br />

Urheber der Straftat eruiert werden können; ansonsten kann das Unternehmen subsidiär<br />

strafrechtlich verantwortlich werden. Sodann hat das Unternehmen die Pflicht, gemäss<br />

Art. 100 quater Abs. 1 bis StGB alles vorzunehmen, um gewisse Straftaten, die in<br />

Art. 100 quater Abs. 1 bis StGB genannt werden, im Unternehmen zu verhindern. Weitere<br />

strafrechtlich relevante Pflichten können einem Unternehmen jedoch nicht obliegen.<br />

Somit muss das Gremiumsmitglied <strong>bei</strong> einem unechten Unterlassungsdelikt Garant<br />

der gefährdeten Rechtsgüter sein, damit ihm die <strong>strafrechtliche</strong>n Folgen zugerechnet<br />

werden können, denn nur der Garant ist verpflichtet, fremde Rechtsgüter vor bestimmten<br />

Beeinträchtigungen zu schützen. <strong>Die</strong> entscheidende Frage lautet deshalb, wann eine<br />

Person dieser Pflicht zum Handeln untersteht 650 .<br />

Bis heute ist es nicht gelungen, allgemein anerkannte gesetzliche Kriterien aufzustellen,<br />

welche die Entstehung von Garantenstellungen definieren oder eine Legaldefinition<br />

ermöglichen. So wird die Bestimmung der „Rechtspflicht“ zum Handeln denn<br />

auch im revidierten Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches der Doktrin sowie der Praxis<br />

überlassen 651 . In der Lehre und Rechtsprechung werden für die Garantenstellung<br />

folgende Entstehungsgründe genannt: Garantenstellung aus Gesetz, aus Vertrag, aus<br />

Ingerenz 652 , aus Lebens- oder Gefahrengemeinschaft 653 und aus Herrschaft über eine<br />

Gefahrenquelle 654 . Das Bundesgericht stellte in BGE 96 IV 74 zudem fest, dass sich eine<br />

Garantenstellung auch durch „Übernahme einer Aufgabe“ und „aus den Umständen“<br />

ergeben könne. Eine Garantenstellung „aus den Umständen“ erweist sich jedoch auf<br />

Grund von Art. 1 StGB als zu unsicher und unbestimmt, um als gesetzeskonformes<br />

Kriterium zu gelten 655 . Eine Stellung als Garant kann nicht bloss auf sittlichen Pflichten<br />

beruhen. Moralische und ausser<strong>strafrechtliche</strong> Pflichten alleine sind zur Begründung<br />

650 STRATENWERTH, AT I, § 14 N 3; vgl. auch BGB 118 IV 309 ff.<br />

651 Vgl. KILLIAS, N 420; REHBERG/DONATSCH, § 31 Ziff. 3, S. 273.<br />

652 Das Ingerenzprinzip, (REHBERG/DONATSCH, § 30 Ziff. 2.111 lit. e), S. 263) <strong>bei</strong>nhaltet, „dass nach<br />

einem ungeschriebenen Rechtsgrundsatz derjenige, welcher Gefahren für ein Rechtsgut geschaffen<br />

oder vergrössert hat, zur Sorge dafür verpflichtet ist, dass sich die Gefahren nicht verwirklichen.“<br />

653 <strong>Die</strong> freiwillig gegründete Gefahrengemeinschaft stützt sich auf ein Vertrauensverhältnis in einer<br />

Gefahrenlage. Indes gründet eine solche Gemeinschaft auf moralischen Pflichten, weshalb auch hier<br />

zuerst eine Garantenstellung aus Gesetz, Vertrag oder Ingerenz zu prüfen ist; vgl. REHBERG/<br />

DONATSCH, § 30 Ziff. 2.111 lit. d), S. 262.<br />

654 Vgl. dazu REHBERG/DONATSCH, § 30 Ziff. 2.112. lit. a), S. 264 f.<br />

655 REHBERG/DONATSCH, § 30 Ziff. 2.111 lit. a), S. 257 f.; SEELMANN, Kommentar, N 66 zu Art. 1<br />

StGB.


5. Kapitel II. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> vorsätzlicher Deliktsbegehung<br />

einer Garantenstellung nicht hinreichend 656 . <strong>Die</strong> Garantenstellung muss demzufolge eine<br />

gewisse Qualität aufweisen, damit sie <strong>bei</strong>m Eintritt einer tatbestandsmässigen Situation<br />

eine Handlungspflicht auszulösen vermag; denn nur <strong>bei</strong> einer gewissen Verantwortungsintensität<br />

für ein Rechtsgut dürfte die Vernachlässigung der eigenen Pflichten durch<br />

Unterlassung dem Unrechtsgehalt einer aktiven Handlung entsprechen 657 . Wer entgegen<br />

einer Garantenpflicht handelt, muss vorerst um seine Garantenstellung wissen. Weiss der<br />

Täter nicht, dass er Garant ist, so befindet er sich gemäss Art. 19 StGB in einem Tatbestandsirrtum.<br />

Geht der Garant von der Annahme aus, dass die gebotene Handlung<br />

keinen Effekt habe oder dass er nicht fähig sei, die erforderliche Handlung vorzunehmen,<br />

liegt ebenfalls ein Tatbestandsirrtum vor 658 . Allenfalls gelangt hier ein fahrlässiges<br />

Erfolgsdelikt zur Anwendung.<br />

„Geht es um die Pflicht, Straftaten anderer Personen zu verhindern, sind die<br />

vorstehenden Ausführungen dahingehend zu modifizieren, dass anstelle des Erfolgs im<br />

Sinne einer Rechtsgüterverletzung die Vornahme der darauf angelegten Handlung eines<br />

Dritten tritt“ 659 . <strong>Die</strong> dienstliche Überordnung begründet jedoch in dieser Hinsicht noch<br />

keine Garantenstellung 660 .<br />

b) Vorliegen einer Garantenstellung der Gremiumsmitglieder<br />

<strong>bei</strong> Delikten gegenüber dem eigenen Unternehmen<br />

In Art. 717 OR wird eine allgemeine Sorgfalts- und Treuepflicht für die Mitglieder des<br />

Verwaltungsrates sowie für Dritte statuiert, die mit der Geschäftsführung befasst sind 661 .<br />

Das Bundesgericht ist der Ansicht, einem Verwaltungsratsmitglied komme nicht allein<br />

schon kraft seiner gesellschaftsrechtlichen Funktion eine Garantenstellung zu;<br />

656<br />

Vgl. BGE 79 IV 145 ff.; MEYER, S. 98 f. REHBERG/DONATSCH, § 30 Ziff. 2.111 lit. a), S. 258,<br />

weisen darauf hin, dass eine Garantenpflicht dann verletzt sei, wenn eine Pflicht als strafrechtlich<br />

relevant angesehen werde, u. a. wegen der Gleichwertigkeit von Handlung und Unterlassen. Das<br />

Kriterium der „sozialen Adäquanz“ kann <strong>bei</strong> der Begründung einer Garantenstellung eine Rolle<br />

spielen. Gesellschaftliche Verhaltenserwartungen, nach denen davon ausgegangen wird, dass<br />

Gefahren für bestimmte Rechtgüter vermindert oder ausgeschlossen werden, werden somit <strong>bei</strong> der<br />

Begründung einer Garantenstellung berücksichtigt. TRECHSEL/NOLL, § 27 G., S. 137, lehnen die<br />

soziale Adäquanz ab. Sie sehen diese teilweise als Rechtfertigung bzw. als Tatbestandsauschluss an.<br />

TRECHSEL, Kurzkommentar, N 32 zu Art. 1 StGB. SEELMANN, Kommentar, N 66 ff. zu Art. 1 StGB,<br />

macht klar, dass „die Grenzen zu bloss moralischen Pflichten unklar bleiben“. Es sei deshalb zu<br />

beachten: „Garantenpflichten liessen sich auf zwei Grundpositionen zurückführen: auf Schutzpflichten<br />

für bestimmte Rechtsgüter gegen Gefahren oder auf die <strong>Verantwortlichkeit</strong> für bestimmte<br />

Gefahrenquellen zum Schutz eines Rechtsguts oder mehrerer Rechtsgüter.“<br />

657<br />

FLACHSMANN, S. 23; STRATENWERTH, AT I, § 14 N 7 und 16; BGE 117 IV 132 f.; 113 IV 72; 108<br />

IV 5 f.; 106 IV 277 f. m. w. H.<br />

658<br />

STRATENWERTH, AT I, § 14 N 41.<br />

659<br />

REHBERG/DONATSCH, § 30, Ziff. 2.111 lit. a), S. 258.<br />

660<br />

SEELMANN, Kommentar, N 86 zu Art. 1 StGB.<br />

661<br />

WATTER, Kommentar, N 3 zu Art. 717 OR, ist der Meinung, dass alle, denen Geschäftsführungsaufgaben<br />

übertragen worden sind, an Art. 717 OR gebunden seien.<br />

129


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

entscheidend sei vielmehr seine tatsächliche Position im Unternehmen 662 . SCHMID ist<br />

dagegen der Meinung, dass aus Art. 722 aOR (heutiger Art. 717 OR) eine verstärkte<br />

Pflicht der Gesellschaftsorgane fliesse, die Geschäfte der AG mit Sorgfalt abzuwickeln<br />

und die wirtschaftlichen Interessen der AG zu wahren, weshalb er sich für eine Garantenpflicht<br />

auf dieser Basis einsetzt 663 . <strong>Die</strong> Schlussfolgerung daraus führt im Grundsatz zu<br />

einer <strong>strafrechtliche</strong>n Garantenstellung, falls Interessen der AG — nicht aber Interessen<br />

von Dritten — direkt betroffen sind 664 .<br />

Geschäftsleitungsmitglieder sind zwar keine Verwaltungsratsmitglieder, werden<br />

jedoch nach Art. 717 OR ebenfalls der Sorge- und Treuepflicht unterstellt. Durch die<br />

Delegation der Geschäftsführung kommen die den Verwaltungsratmitgliedern auferlegten<br />

Pflichten auch den Geschäftsleitungsmitgliedern zu. Was die Ausschuss- und Beiratsmitglieder<br />

betrifft, ist im Gesetz nichts geregelt, weshalb m. E. eine Garantenstellung aus<br />

Vertrag insofern nötig ist, als keine Geschäftsführungsaufgaben i. S. v. Art. 717 OR an<br />

sie übertragen worden sind.<br />

130<br />

c) Vorliegen einer Garantenstellung der Gremiumsmitglieder<br />

<strong>bei</strong> Delikten gegenüber Dritten unter besonderer Berücksichtigung<br />

der <strong>strafrechtliche</strong>n Produktehaftung<br />

Aus Art. 722 aOR (neu Art. 717 OR) lässt sich keine Garantenstellung der Vorgesetzten<br />

und Mitar<strong>bei</strong>ter einer Aktiengesellschaft gegenüber der Allgemeinheit ableiten 665 . Auch<br />

das Prinzip „neminem leaedere“ ist nicht hinreichend, um eine <strong>Verantwortlichkeit</strong> aus<br />

Art. 41 OR zu begründen 666 . Gegenüber Dritten, d. h. gegenüber Klienten und Kunden,<br />

ist der Verwaltungsrat oder die Geschäftsleitung auch nicht vertraglich gebunden. <strong>Die</strong><br />

Verträge werden zwischen der Gesellschaft und dem jeweiligen Kunden abgeschlossen.<br />

Mitar<strong>bei</strong>tern der juristischen Gesellschaft kann vertraglich eine Position zugewiesen<br />

werden, welche Obhuts- und Sicherheitspflichten gegenüber Dritten <strong>bei</strong>nhaltet: die der<br />

juristischen Person obliegenden Obhuts- oder Sicherheitspflichten können auf den<br />

Verwaltungsrat bzw. die Geschäftsleitung oder auch i. S. von „Outsourcing“ auf einen<br />

Dritten übertragen werden 667 .<br />

Garantenpflichten treffen den Geschäftsherrn in jenen Bereichen, in denen generell<br />

jedem Bürger gesetzlich in einem konkret eingegrenzten Gebiet in besonderer Weise die<br />

662<br />

BGE 105 IV 172, insbesondere 177.<br />

663<br />

SCHMID, Aspekte, S. 168; SCHMID, Wirtschaftsdelikte, S. 111. Kritisch dazu äusserten sich<br />

SCHULTZ, Rechtsprechung 1970, S. 451 f., in seiner kurzen Besprechung des Bührle-Urteils (BGE<br />

105 IV 172 ff.), und SCHUBARTH, Geschäftsherrn, S. 392 f.<br />

664<br />

SCHMID, Wirtschaftsdelikte, S. 111.<br />

665<br />

KRAUSS, S. 43 f.; OERTLE, S. 92<br />

666<br />

SCHMID, Aspekte, S. 163; SEELMANN, Kommentar, N 69 zu Art. 1 StGB.<br />

667<br />

REHBERG/DONATSCH, § 30 Ziff. 2.111 lit. c), S. 261. SCHALL, S. 120, weist darauf hin, dass eine<br />

Garantenstellung aufgrund einer Zuweisung oder Übertragung von betriebsinternen Aufgaben bestehen<br />

kann.


5. Kapitel II. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> vorsätzlicher Deliktsbegehung<br />

Pflicht auferlegt ist, um die Unversehrtheit eines Rechtsgutes besorgt zu sein. Garantenpflichten<br />

bestehen des Weiteren in Bereichen, in denen aus der Tätigkeit des Unternehmens<br />

für dessen Angehörige, d. h. für Mitar<strong>bei</strong>ter, Benützer, Partner sowie für die<br />

Allgemeinheit besondere Gefahren, die gerade aus dem betreffenden Aktivitätsbereich<br />

resultieren, erwachsen 668 . <strong>Die</strong> Folgerung daraus ist — in einem hierarchischen Unternehmen<br />

— die <strong>strafrechtliche</strong> Verantwortung derjenigen, die gemäss Aufbau und Organisation<br />

des Unternehmens für den betreffenden Bereich sachlich zuständig sind 669 . <strong>Die</strong><br />

Unternehmensleitung ist verpflichtet, dass sich diejenigen Gefahren für Rechtsgüter<br />

anderer nicht verwirklichen, die durch das „Unternehmen“ geschaffen oder vergrössert<br />

werden. Auch das Bundesgericht vertritt gemäss BGE 113 IV 76 die Ansicht:<br />

„Abzustellen ist vielmehr auf die Kompetenzzuweisung. Eine Garantenstellung sei<br />

deshalb nur möglich im Bereiche der eigenen Kompetenz“ 670 .<br />

In einem weiteren Fall hat es festgestellt, dass Bergbahnen und Skiliftunternehmen<br />

eine Verkehrssicherungspflicht trifft und dass die zuständigen Angestellten gemäss ihrem<br />

Verantwortungsbereich um die Sicherung der Skipisten besorgt sein müssen 671 . <strong>Die</strong><br />

Verkehrssicherungspflicht des „Unternehmens“ kann somit auf Grund des Organisationsplanes<br />

und der jeweiligen Stellung der Unternehmensangehörigen auf diese verteilt<br />

werden. Mit Antritt der Ar<strong>bei</strong>tsstelle übernimmt das neue Organmitglied oder der neue<br />

Mitar<strong>bei</strong>ter diejenigen Pflichten des Unternehmens, welche für seinen jeweiligen<br />

Verantwortungsbereich gelten 672 . <strong>Die</strong> dazu verpflichtete Person muss jedoch nur solchen<br />

Pflichten nachkommen, für deren Einhaltung sie im Unternehmen zuständig ist 673 . <strong>Die</strong><br />

Pflichten sind ferner auf betriebstypische Risiken beschränkt 674 . <strong>Die</strong> Geschäftsleitung<br />

eines Transportunternehmens für gefährliche Chemikalien hat z. B. die Garantenpflicht,<br />

dass die Umwelt- und Gewässerschutzgesetzgebung im Zusammenhang mit diesen<br />

Transporten eingehalten werden und dass daraus keine Schäden und Gefährdungen<br />

entstehen. <strong>Die</strong> Geschäftsleitung hat somit im Sinne von Art. 111 ff. StGB für Schäden an<br />

Leib und Leben einzustehen, die durch Unterlassungen ihrerseits bewirkt werden 675,676 .<br />

668 SCHMID, Aspekte, S. 164.<br />

669 DONATSCH, Geschäftsbesorgung, S. 11 f.; HEINE, Unternehmen, S. 121 ff.; SCHMID, Aspekte,<br />

S. 175.Vgl. auch KOLLER, S. 410.<br />

670 Vgl. auch KILLIAS, Fn. 47, S. 88 mit Hinweis auf BGE 118 IV 313 f.: Einem Laborchef ist nicht<br />

zuzumuten, dass er Delikte ausserhalb seines Zuständigkeitsbereichs verhindert.<br />

671 BGE 125 IV 12 f.; vgl. auch 115 IV 191 ff.; 111 IV 16 f.; 109 IV 100 ff.<br />

672 SCHOLL, S. 169.<br />

673 Vgl. HURTADO POZO, N 974, der dies als „Pflichten kraft Organisationszuständigkeit“ bezeichnet,<br />

wonach der Garant zwei Aufgaben hat: „l’un en vertu de l’organisation e l’autre en vertu de l’institution“.<br />

Unter Institution versteht HURTADO POZO „ l’existence durable de relation sociales reconnues<br />

juridiquement“.<br />

674 SCHMID, Aspekte, S. 163.<br />

675 SCHMID, Aspekte, S. 164.<br />

676 Siehe 3. Kapitel II.C.<br />

131


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

Solch eine Garantenstellung kann auf Grund der Herrschaft über eine Gefahrenquelle<br />

oder auch infolge der Übernahme der Gefahrenverantwortlichkeit vorliegen 677 .<br />

Da derjenige, der eine Gefahrenquelle schafft, die Pflicht hat, den Eintritt eines<br />

eventuellen aus dieser Situation sich ergebenden Schadens zu verhindern, darf es aus<br />

<strong>strafrechtliche</strong>r Sicht letztlich nicht darauf ankommen, ob die Gefahrenquelle nun pflichtwidrig<br />

oder pflichtgemäss geschaffen worden ist 678 . Eine Garantenpflicht aus Ingerenz ist<br />

deshalb in jenen Fällen zu bejahen, in denen schon im Auslieferungszeitpunkt eine<br />

Sicherungspflicht verletzt wurde 679 oder die Gefährlichkeit des Produktes erkennbar<br />

war 680 . Deshalb muss — gestützt auf die Sorgfaltspflicht im Verkehr — bezüglich der<br />

Gefahrenabwehr vorgesorgt werden. War jedoch die Gefährlichkeit ex ante objektiv nicht<br />

ersichtlich, werden die Grenzen erlaubter Tätigkeit nicht überschritten 681,682 .<br />

Infolgedessen ist zu eruieren, ob vor Produkten, deren Gefährlichkeit oder gesundheitsschädigender<br />

Charakter erst nach Verlassen des Unternehmens erkannt werden und<br />

die zu Schädigungen Dritter führen, eine Warnpflicht besteht oder ob diese Produkte<br />

sogar vom Markt zu nehmen sind 683 .<br />

677 SEELMANN, Kommentar, N 83 zu Art. 1 StGB, spricht von Sicherungspflichten, die sich aus der<br />

Garantenstellung ergeben. Allenfalls sei auch eine Rettungspflicht nach Eintritt der Schädigung zu<br />

erwägen. Davon ist gemäss SEELMANN auf Grund der Übernahme der Gefahrenverantwortlichkeit<br />

auszugehen, da es um das Einstehen für die Folgen der eigenen Organisation gehe.<br />

678 FLACHSMANN, S. 50 ff. weist darauf hin, dass das Verhalten weder tatbestandsmässig, rechtswidrig<br />

oder schuldhaft zu sein habe. Vgl. insbesondere auch S. 55, wo FLACHSMANN davon ausgeht, „dass<br />

zur Begründung der Garantenpflicht zusätzliche, gefahrerhöhende Umstände, welche den Bereich<br />

dessen sprengen, was an Gefährdung gerechtfertigt oder erlaubt war, in Betracht zu ziehen sind.“<br />

KILLIAS, N 420; MOREILLON, N 473; REHBERG/DONATSCH, § 30 Ziff. 2.111 lit. e), S. 264;<br />

DONATSCH, Ausführungen zu Art. 9 StGB; SCHULTZ, AT I, S. 140; SEELMANN, AT, S. 88,<br />

anerkennen eine Garantenstellung für pflichtwidrig und pflichtgemäss geschaffene Gefahren.<br />

SEELMANN, Kommentar, N 82 zu Art. 1 StGB, ist der Meinung, dass Ingerenz auch <strong>bei</strong> erlaubtem<br />

Risiko zu bejahen sei, wenn durch das Vorverhalten ein höheres Risiko gesetzt werde, als <strong>bei</strong>m<br />

alltäglichen Verhalten. Aus diesem Grund träfen Produzenten von gefahrbegründenden Produkten<br />

besondere Verkehrssicherungspflichten. GRAVEN/STRÄULI, N 51 E. lit. e), S. 83, plädieren für eine<br />

restriktive Anwendung. A. M. sind RIKLIN, § 19 N 19; STRATENWERTH, AT I, § 14 N 21, der die<br />

Ansicht verfolgt, dass die Gefahrenlage nur aus einem sorgfaltswidrigen Verhalten rühren könne.<br />

Auch SCHMID, Produktehaftung, S. 656, SCHUBARTH, Kommentar, N 55 zu Systematische<br />

Einleitung, wollen Ingerenz nur <strong>bei</strong> unkorrektem Vorverhalten anwenden. SCHUBARTH weist darauf<br />

hin, dass dies die klare Folge der Regelung von Art. 128 StGB sei. Deshalb tendieren auch<br />

TRECHSEL/NOLL, § 34 Ziff. 3 lit. g), S. 247 f., eher zu einer Garantenpflicht, die sich ausschliesslich<br />

aus rechtswidrigem Vorverhalten ergibt.<br />

679 SPITZ, S. 416 f.<br />

680 KUHLEN, Rückruf, S. 566 mit Blick auf das Urteil des BGH vom 6.7.1990; vgl. NStZ 10 (1990) 588.<br />

BRAMMSEN, Unterlassungshaftung, S. 119, ist der Ansicht, eine Produktrückrufpflicht lasse sich aus<br />

Ingerenz herleiten. Dafür müsse aber ein aktives, mindestens objektiv fahrlässiges rechtswidriges<br />

Tun eine rechtsgutbedrohende Gefahrenquelle her<strong>bei</strong>geführt haben, woran sich der „Täter“ beteiligt<br />

habe.<br />

681 MEIER, S. 3196.<br />

682 GRAVEN/STRÄULI, N 51 E. lit. e), S. 83; HURTADO POZO, N 982, die darauf hinweisen, dass nur<br />

derjenige, der die Folgen voraussehen konnte und trotzdem keine Massnahmen ergriff, um die daraus<br />

erwachsenden Folgen zu verhindern, strafrechtlich belangt wird.<br />

683 SCHMID, Aspekte, S. 167.<br />

132


5. Kapitel II. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> vorsätzlicher Deliktsbegehung<br />

Eine Garantenpflicht könnte allenfalls auf Grund der „Herrschaft über eine Gefahrenquelle“<br />

vorliegen. Doch die Herrschaftsmöglichkeit wie auch ihre tatsächliche Ausübung<br />

über die Gefahrenquelle alleine können noch keine Garantenstellung bewirken 684 .<br />

Vielmehr muss die Verhaltenserwartung hinsichtlich einer Garantenpflicht derart breit<br />

abgestützt und in der Bevölkerung verankert sein, dass das Vertrauen der Konsumenten<br />

auf die Kontrolle der Gefahren rechtlich geschützt wird bzw. zu schützen ist 685 .<br />

Gemäss STRATENWERTH ist eine Garantenstellung aus Herrschaft über die Gefahrenlage<br />

nicht möglich, wenn sich das Produkt schon <strong>bei</strong>m Konsumenten befindet. Herrschaft<br />

über die Gefahrenlage könne nur solange angenommen werden, als sich das betreffende<br />

Produkt im Herrschaftsbereich des Produzenten befinde 686 . Doch STRATENWERTH gibt zu<br />

bedenken, dass auf Grund der Herrschaft über die Gefahrenquelle dennoch eine<br />

Garantenpflicht bestehe, weil das Unternehmen und somit die Geschäftsleitung hinreichend<br />

bzw. besser über mögliche Risiken informiert seien als der Konsument 687 .<br />

Durch die so genannte „Lehre vom gesteigert riskanten Verhalten“ wird eine Garantenstellung<br />

des Produzenten dann begründet, wenn die Gefährlichkeit des Produktes <strong>bei</strong><br />

Inverkehrsetzung objektiv noch gar nicht erkennbar war 688 . Der Hersteller habe sich <strong>bei</strong><br />

der Herstellung seiner Produkte am neuesten Stand der Wissenschaft und Technik zu<br />

orientieren. Nach dem Inverkehrbringen des Produktes unterliege der Hersteller jedenfalls<br />

einer zivilrechtlichen Produktbeobachtungspflicht 689 . Einige Autoren befürworten<br />

im Ergebnis eine Garantenstellung im Rahmen der Produktbeobachtung. Daraus ergebe<br />

sich eine Aufklärungs- und Warnpflicht 690 , da der Kunde sich i. d. R. auf das vom Ver-<br />

684 REHBERG/DONATSCH, § 30 Ziff. 2.112 lit. a), S. 264.<br />

685 REHBERG/DONATSCH, § 30 Ziff. 2.112 lit. a), S. 266. Vgl. auch SCHALL, S. 108 betreffend die<br />

allgemeine Anerkennung von umweltspezifischen Gefahren, die von einem Betrieb ausgehen.<br />

686 STRATENWERTH, AT I, § 14 N 14; vgl. OTTO, Strafrechtliche Haftung, S. 297.<br />

687 STRATENWERTH, AT, § 13 N 49; vgl. auch OTTO, Strafrechtliche Haftung, S. 308; SPITZ, S. 417<br />

m. w. H. in Fn. 1987. Auch MEIER, S. 3196, geht von einer Risikoverteilung zwischen Täter und<br />

Opfer aus. Aus diesem Grund sei die Pflicht zur Abwendung der Gefahr demjenigen zuzuordnen, in<br />

dessen Risikosphäre die jeweilige Gefahr falle. Unternehmen sollen gegenüber unbeteiligten Dritten<br />

dann eine gesteigerte <strong>Verantwortlichkeit</strong> für die von ihnen auf den Markt gebrachten Produkte<br />

übernehmen, wenn sie die damit verbundenen Gefahren — im Wissen um die Entstehung und<br />

Entwicklung dieser Produkte — auf Grund der ihnen zur Verfügung stehenden Mittel besser<br />

erkennen können als der Konsument.<br />

688 EIDAM, S. 175; MEIER, S. 3196. Vgl. NEUDECKER, S. 134, die darauf aufmerksam macht, der<br />

Konsument dürfe nie von der vollkommenen Gefahrlosigkeit eines Produktes ausgehen, denn selbst<br />

eine harmlose Wolldecke könne als Mordinstrument verwendet werden.<br />

689 EIDAM, S. 157, S. 441; SCHMIDT-SALZER, Produkthaftung III, N 4.804. Das STEG regelt, dass<br />

Produkte (technische Einrichtungen und Geräte) nur dann in Verkehr gebracht werden dürfen, wenn<br />

sie die Rechtsgüter von Dritten nicht beeinträchtigen. <strong>Die</strong> Regeln der Technik seien anwendbar und<br />

die Produkte müssten diesen genügen. RÖTHLISBERGER, S. 228, meint dazu, dass hiermit implizit<br />

zivilrechtlich eine Produktbeobachtungspflicht festgehalten werde, jedoch keine Warn- oder<br />

Rückrufpflicht. Warn- und Rückrufpflichten würden sich aus der passiven Produktbeobachtungspflicht<br />

ableiten lassen, doch es bestünden diesbezüglich noch beträchtliche Unsicherheiten, S. 243.<br />

Vgl. auch RÖTHLISBERGER, S. 231 f., der zum Schluss kommt, aus dem Produkthaftpflichtgesetz<br />

(PrHG) lasse sich zwar keine zivilrechtliche Rückrufpflicht ableiten, doch impliziere der Gefahrensatz<br />

eine solche.<br />

690 Vgl. SPITZ, S. 413 m. w. H. in Fn. 1961.<br />

133


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

käufer Versprochene verlasse. Damit entstehe eine Herrschaft über die partielle Hilflosigkeit<br />

des Opfers, was als Garantenstellung aus Übernahme anzusehen sei. <strong>Die</strong>s dürfe<br />

insbesondere <strong>bei</strong> Markenware angenommen werden, denn Markenproduzenten hätten<br />

einer „Obsorge“ explizit oder implizit zugesagt. Zudem seien sie die Einzigen, die mittels<br />

Vertriebsorganisation auf die Verhinderung von Risiken einwirken könnten 691 . Es bleibt<br />

dennoch fraglich, ob eine <strong>strafrechtliche</strong> Rückrufpflicht besteht. SCHMID führt dazu aus,<br />

dass die Unterlassung eines Rückrufes <strong>bei</strong> Annahme einer allgemeinen Garantenpflicht<br />

des Produzenten im Falle einer erst nachträglich festgestellten Gefährlichkeit eines<br />

Produkts stets als eventualvorsätzlich zu qualifizieren sei. Infolge eines Widerspruchs<br />

gegen den Grundsatz der Gleichwertigkeit sei eine strafrechtlich sanktionierte Rückrufpflicht<br />

grundsätzlich abzulehnen 692 . Ferner wird angeführt, dass die Auswirkungen einer<br />

allgemeinen Rückrufpflicht gravierend sein könnten 693 . Aus diesen Gründen wird eine<br />

gesetzliche Regelung verlangt 694 , was m. E. zu begrüssen wäre 695 .<br />

134<br />

4. Vorliegen einer konkreten Gefahrenlage<br />

<strong>Die</strong> konkrete Gefahrenlage für das zu schützende Rechtsgut muss eingetreten sein. Erst<br />

ab diesem Zeitpunkt besteht eine Pflicht zum Eingreifen, d. h. erst dann lebt die Garantenpflicht<br />

auf 696 . Der Täter braucht die Gefahrenlage nicht wissentlich oder willentlich<br />

her<strong>bei</strong>geführt zu haben, aus der sich allenfalls eine Garantenstellung begründet 697 .<br />

Demzufolge besteht die konkrete Gefahrenlage im Hinblick auf das gefährdete Rechtsgut<br />

bereits, bevor sich die Gremiumsmitglieder <strong>bei</strong> einem als Unterlassung zu qualifizierenden<br />

Sachverhalt zur Beratung zusammenfinden.<br />

691<br />

SCHÜNEMANN, Unternehmenskriminalität, S. 640 f. Vgl. auch OTTO, Strafrechtliche Haftung,<br />

S. 293, der sich betreffend Übertragung der Grundsätze der zivilrechtlichen Produkthaftung fragt, ob<br />

von einer „herstellerspezifischen Garantenstellung“ auszugehen sei.<br />

692<br />

SCHMID, Produktehaftung, S. 657.<br />

693<br />

JAKOBI, S. 27.<br />

694<br />

MEIER, S. 3196; SCHMID, Aspekte, S. 167 f.; SCHMID, Produktehaftung, S. 657; SCHÜNEMANN,<br />

Grundfragen der Unternehmenskriminalität, S. 44. SPITZ, S. 417 f. m. w. H. in Fn. 1990, ist der<br />

Ansicht, eine strafrechtlich bedingte Rückrufpflicht sei nur als absolut letztes Mittel zu bejahen, z. B.<br />

wenn in konkreter Weise Personenschäden bevorstehen.<br />

695<br />

<strong>Die</strong> Regelung einer Rückrufpflicht im Zivilrecht sollte Vorrang haben, weil das Vorgehen auf<br />

diesem Weg zu sachgerechteren Lösungen führt.<br />

696<br />

REHBERG/DONATSCH, § 30 Ziff. 2.12, S. 267.<br />

697 FLACHSMANN, S. 56.


5. Kapitel II. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> vorsätzlicher Deliktsbegehung<br />

5. Vorliegen von Tatmacht der Gremiumsmitglieder<br />

als Voraussetzung für die Handlungspflicht<br />

a) Möglichkeit und Zumutbarkeit der Gremiumsmitglieder<br />

bezüglich des gebotenen Handelns<br />

Um die Verletzung des Rechtsgutes zu verhindern, muss im Weiteren Tatmacht vorhanden<br />

sein 698 . Besitzt der Garant die zur Abwendung der konkreten Gefahrenlage<br />

nötigen Fähigkeiten und Mittel, so hat er Tatmacht 699 . Bei fehlender Handlungsmöglichkeit<br />

ist der Tatbestand nicht erfüllt 700 , denn der Garant muss fähig und in der Lage<br />

sein, einzugreifen 701 . <strong>Die</strong> Möglichkeit wird in der Lehre z. T. durch die Zumutbarkeit des<br />

verlangten Verhaltens ergänzt. Unzumutbarkeit ist dann anzunehmen, wenn die Vornahme<br />

des normgemässen Verhaltens zwar möglich, aber aus Gründen der Abwägung<br />

der Interessen nicht verlangt werden kann 702 .<br />

Im Rahmen einer bestehenden Organisationsstruktur kann vom Garanten nur das<br />

verlangt werden, was ihm gesellschaftsrechtlich möglich und zumutbar ist, um die<br />

Rechtsgüterverletzung zu verhindern. Da<strong>bei</strong> ist <strong>bei</strong> unternehmensinterner Zuständigkeit<br />

und Kompetenz des Gesamtgremiums zu beachten, dass die Gremiumsmitglieder aus<br />

gesellschaftsrechtlicher Sicht nur zu gemeinschaftlichem Entscheiden befugt und verpflichtet<br />

sind. Das einzelne Gremiumsmitglied ist somit nicht berechtigt, Fälle, die in die<br />

Kompetenz des Gesamtgremiums fallen, allein zu entscheiden und das Notwendige selbst<br />

anzuordnen 703 . Daher ist zu unterscheiden zwischen der möglichen und zumutbaren<br />

Pflicht zum Handeln — die allen Gremiumsmitgliedern im Hinblick auf die Abstimmung<br />

und die sich daraus ergebenden möglichen Folgen gemeinsam 704 obliegt — und der<br />

Pflicht, die dem Einzelnen das Handeln, insbesondere nach erfolgter Abstimmung,<br />

gebietet 705 .<br />

698<br />

REHBERG/DONATSCH, § 30 Ziff. 2.13, S. 268.<br />

699<br />

MOREILLON, Omission, S. 81; RECHBERG/DONATSCH, § 30 Ziff. 2.13, S. 268; SCHULTZ, AT I,<br />

S. 141; SEELMANN, AT, S. 82. SEELMANN, Kommentar, N 62 zu Art. 1 StGB nennt die Tatmacht<br />

Handlungsmöglichkeit. STRATENWERTH, AT I, § 14 N 37; TRECHSEL/NOLL, § 34 C. Ziff. 4, S. 249.<br />

700<br />

SEELMANN, Kommentar, N 62 zu Art. 1 StGB; TRECHSEL/NOLL, § 34 C. Ziff. 4, S. 249.<br />

701<br />

RIKLIN, § 19 N 24. Der allgemeine Grundsatz „ultra nemo posse tenetur“ („Zum Unmöglichen ist<br />

niemand verpflichtet.“) kommt hier zur Anwendung.<br />

702<br />

HEIERLI, S. 67; KILLIAS, N 420; SEELMANN, Kommentar, N 92 zu Art. 1 StGB; STRATENWERTH,<br />

AT I, § 14 N 50.<br />

703<br />

Siehe 2. Kapitel I.B.3 und 2. Kapitel I.B.4; vgl. auch POPP, S. 32; RANSIEK, Unternehmen und<br />

Konzern, S. 642. SCHAAL, S. 256 f., geht bezüglich der Aufgabenwahrnehmung in einem Gremium<br />

von einer mittäterschaftlichen Garantenpflicht aus.<br />

704<br />

D.h. in globo.<br />

705<br />

Siehe 5. Kapitel II.C.5.b) und 5. Kapitel II.F.3, insbesondere 5. Kapitel II.F.3.c). <strong>Die</strong>ser Unterschied<br />

ist von eminenter Bedeutung, zumal diese Ar<strong>bei</strong>t davon ausgeht, dass durch eine Abstimmung über<br />

einen deliktisch ausgerichteten Antrag abgestimmt wird, ungeachtet dessen, ob der Gesamtsachverhalt<br />

schlussendlich als Begehung oder Unterlassung eingestuft wird (siehe 3. Kapitel IV). Aus<br />

diesem Grund muss das Handeln der Gremiumsmitglieder insoweit gleich behandelt werden, als es<br />

sich um den „gleichen“ Ablauf (vor, <strong>bei</strong> und nach der Abstimmung) handelt.<br />

135


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

136<br />

b) Pflichten des einzelnen Gremiumsmitgliedes vor und<br />

während der Beschlussfassung<br />

(1) Pflicht zur Einberufung der Gremiumssitzung<br />

Auf Grund der Mitwirkungspflicht hat sich das Gremiumsmitglied an der Meinungsbildung<br />

zu beteiligen, indem es an der Sitzung und an der Abstimmung teilnimmt. <strong>Die</strong>s<br />

<strong>bei</strong>nhaltet auch, Probleme zur Sprache zu bringen, diese auf die Traktandenliste zu<br />

setzen 706 und auf eine Problemlösung hinzuwirken. Das Gremiumsmitglied hat nicht nur<br />

das Recht, sondern sogar die Pflicht, nötigenfalls unverzüglich eine Gremiumssitzung<br />

einzuberufen 707 . Bei dringenden Angelegenheiten ist eine Verkürzung der Einladungsfrist<br />

gerechtfertigt und angezeigt 708 . <strong>Die</strong> Möglichkeit, rasch zu handeln, ist u. U. Voraussetzung<br />

zur Ergreifung der gebotenen Massnahme. <strong>Die</strong> Initiative zur Einberufung einer<br />

Sitzung ist deshalb ein notwendiger Schritt auf dem Weg zur rechtskonformen Ausübung<br />

der Tatmacht 709 .<br />

Das Bundesgericht hat im Fall von-Roll ausgeführt, dass jedem Gremiumsmitglied,<br />

welches sich nicht für die Vermeidung der Verletzung des Rechtsgutes eingesetzt habe,<br />

diese Verletzung zuzurechnen sei: „Wenn ein Entscheidungsgremium für eine hinreichende<br />

Organisation verantwortlich ist, dann ist jedes Mitglied dieses Gremiums, das es<br />

unterlässt, sich für die Durchsetzung dieser Pflicht einzusetzen, kausal für den Erfolg<br />

verantwortlich“ 710 . Das Bundesgericht hat im Fall von-Roll nur die Zuständigkeit des<br />

Gremiums festgestellt, nicht aber einen Entscheid beurteilt, denn ein Beschluss des<br />

Gremiums erging erst gar nicht 711 .<br />

Kommt es zu einer Abstimmung, ist die Pflicht zur Einberufung einer Sitzung des<br />

Gremiums überholt. Beruft jedoch überhaupt keines der Gremiumsmitglieder eine<br />

Sitzung des Gremiums ein und wird infolgedessen nichts zur Abwendung der Gefährdung<br />

und Verletzung des betreffenden Rechtsgutes vorgenommen, so ist das Verhalten<br />

sämtlicher Gremiumsmitglieder gleich zu beurteilen. Denn alle haben zu gleichen Teilen<br />

zur Verletzung des Rechtsguts <strong>bei</strong>getragen, indem sie der Pflicht zur Einberufung der<br />

Sitzung bzw. zur Durchführung eines Zirkularverfahrens nicht nachgekommen sind,<br />

weshalb dem Bundesgericht im vorgenannten BGE in dieser Hinsicht zu folgen ist 712 .<br />

706<br />

Dazu gehört m. E. auch das Recht, ein bestimmtes Geschäft zu traktandieren.<br />

707<br />

Vgl. Einberufungsrecht auf Grund von Art. 715 OR.<br />

708<br />

FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 31 N 7.<br />

709<br />

NEUDECKER, S. 255.<br />

710<br />

BGE 122 IV 129.<br />

711<br />

SPITZ, S. 82.<br />

712<br />

<strong>Die</strong> Aussage des Bundesgerichtes steht meiner Darstellung von Kausalität nicht entgegen, weil auch<br />

nach dem genannten BGE von einer hinreichend notwendigen Bedingung auszugehen ist. Siehe 5.<br />

Kapitel I.D.6 und 5. Kapitel I.E. Beim entschuldigt abwesenden Gremiumsmitglied muss eine<br />

differenziertere Sicht Platz finden, was u. U. auch <strong>bei</strong>m unentschuldigt abwesenden Gremiumsmitglied<br />

der Fall zu sein hat. Eine andere Problematik betrifft die Beantwortung der Frage, wie nun<br />

das Verhalten der unterlassenden, nicht beschliessenden Gremiumsmitglieder zu qualifizieren sei.


5. Kapitel II. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> vorsätzlicher Deliktsbegehung<br />

(2) Erwartetes Stimmverhalten des einzelnen Gremiumsmitgliedes<br />

Das Gremiumsmitglied beherrscht das Geschehen dadurch, dass ihm die Kompetenz<br />

zukommt, mitzuentscheiden und das Ergebnis dadurch zu beeinflussen 713 . Falls das<br />

einzelne Gremiumsmitglied nicht befugt ist, alleine d. h. ohne Beschluss zu entscheiden,<br />

bleibt ihm nur die Möglichkeit offen, unter vollem Einsatz der eigenen Mitwirkungsrechte<br />

das ihm Mögliche und Zumutbare zu tun, um im Rahmen der Abstimmung einen<br />

Beschluss des Gremiums über die gebotene Rettungshandlung her<strong>bei</strong>zuführen. <strong>Die</strong>s ist<br />

denn auch das vom einzelnen Gremiumsmitglied geforderte Tun 714 . Konkret bedeutet<br />

dies, in der Beratungsphase (nach Einberufung der Gremiumsversammlung) alle<br />

Informationen offen zu legen und im Sinne der Verhinderung der Verletzung des<br />

Rechtgutes abzustimmen 715 . Etwas anderes steht ihm in der Abstimmungsphase im<br />

Rahmen der unternehmerischen Strukturen gar nicht zu. Legt das Gremiumsmitglied nun<br />

aber seine Informationen nicht offen, so kann es hierfür — infolge des Grundsatzes der<br />

Gleichwertigkeit zwischen Begehung und Unterlassung — strafrechtlich nicht zur<br />

Verantwortung gezogen werden, ausser sein Verhalten sei als vorsätzliche Beeinflussung<br />

der anderen Gremiumsmitglieder i. S. einer mittelbaren Täterschaft zu qualifizieren.<br />

Ob dem Gremiumsmitglied nach erfolgter Abstimmung allenfalls zusätzliche<br />

Pflichten obliegen, um die Verletzung von Rechtsgütern zu verhindern, wird insbesondere<br />

in 5. Kapitel II.F.3.c)(3) beleuchtet.<br />

6. Rechtfertigung-, Schuldausschluss- und Schuldmilderungsgründe<br />

des einzelnen Gremiumsmitgliedes<br />

und des Mitar<strong>bei</strong>ters<br />

Betreffend die Rechtfertigungs-, Schuldausschluss- und Schuldmilderungsgründe ist<br />

grundsätzlich auf das unter dem Begehungsdelikt Ausgeführte zu verweisen 716 .<br />

Hinsichtlich eines Rechtsirrtums gemäss Art. 20 StGB ist anzuführen, dass ein solcher<br />

vorliegt, falls der Täter davon ausgeht, dass es nicht erforderlich sei, in einer konkreten<br />

Gefahrenlage einzugreifen 717 .<br />

Siehe 1. Kapitel I. betreffend Gegenstand der Untersuchung. Hier<strong>bei</strong> muss zwischen Mittäterschaft<br />

und Nebentäterschaft entschieden werden. Da<strong>bei</strong> sollte auch BGE 120 IV 272 herangezogen werden:<br />

„Mittäterschaft setzt unter anderem einen gemeinsamen Tatentschluss voraus, wo<strong>bei</strong> dieser nicht<br />

ausdrücklich bekundet werden muss; es genügt, wenn er konkludent zum Ausdruck kommt.“<br />

713 RANSIEK, Unternehmen und Konzern, S. 640.<br />

714 HILGERS, S. 62 f.; vgl. auch EICHINGER, S. 206.<br />

715 <strong>Die</strong> Offenlegung der Information ist notwendig, weil sich das einzelne Gremiumsmitglied damit<br />

nicht dem Verdacht einer mittelbaren Täterschaft aussetzt.<br />

716 Siehe 5. Kapitel II.B.3.c).<br />

717 REHBERG/DONATSCH, § 30 Ziff. 2.21, S. 270; STRATENWERTH, AT I, § 14 N 38 ff.; TRECHSEL/<br />

NOLL, § 34 C. Ziff. 6, S. 253.<br />

137


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

138<br />

7. Zusammenfassung<br />

Ausschliesslich alle Gremiumsmitglieder zusammen können mittels Gremiumsbeschluss<br />

die Unterlassung einer gebotenen Massnahme erwirken. Da also die Gremiumsmitglieder<br />

nur als Gesamtgremium eine diesbezügliche Tatherrschaft haben, fällt dies unter die<br />

Gesamtkompetenz des Gremiums.<br />

Garant gegenüber dem Unternehmen ist derjenige, der für die Gesellschaftsinteressen<br />

einzustehen hat, wenn das Gesetz oder der Vertrag ein Vertrauensverhältnis gegenüber<br />

den Rechtsgütern des Unternehmens begründet 718 . Das Organ bzw. der Mitar<strong>bei</strong>ter des<br />

Unternehmens sind jeweils in jenen Bereichen Garanten, in denen ihnen eigene Kompetenzen<br />

zukommen. Werden also durch das Unternehmen und dessen Tätigkeit gegenüber<br />

Dritten Gefahren oder Schäden geschaffen, sind demzufolge jeweils diejenigen Organe<br />

und Mitar<strong>bei</strong>ter, denen Pflichten aus ihrem eigenen Kompetenzbereich zukommen,<br />

verpflichtet, insbesondere gemäss dem Grundsatz der Ingerenz Vorkehrungen zu<br />

treffen 719 . 720<br />

Eine Garantenpflicht aus Ingerenz ist dann anzunehmen, wenn schon im Zeitpunkt<br />

der Lieferung eine Sicherungspflicht verletzt wurde oder die Gefährlichkeit erkennbar<br />

war und in der Folge unterlassen wurde, dies zu beheben. Eine Garantenpflicht aus<br />

Ingerenz wird jedoch vielfach dann nicht anerkannt, wenn die Folgen nicht voraussehbar<br />

sind und die Gefährlichkeit des Produkts erst nach dessen Auslieferung bekannt<br />

geworden ist. Allenfalls kann die „Herrschaft über die Gefahrenlage“ oder die so<br />

genannte „Lehre vom gesteigert riskanten Verhalten“ betreffend die partielle Hilflosigkeit<br />

des Konsumenten die Annahme einer Garantenpflicht rechtfertigen.<br />

718 Siehe 5. Kapitel II.C.3.b).<br />

719 Siehe 5. Kapitel II.C.3.c).<br />

720 Im Hinblick auf eine <strong>strafrechtliche</strong> Produktehaftpflicht hat das Bundesgericht bis jetzt das Inverkehrbringen<br />

von fehlerhaften oder gefährlichen Gegenständen als Begehung qualifiziert, wogegen<br />

sich Opposition regt, siehe 3. Kapitel II.C. Fn. 224.


5. Kapitel II. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> vorsätzlicher Deliktsbegehung<br />

D. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des Gremiumsmitgliedes<br />

<strong>bei</strong> einem als Begehung qualifizierten<br />

Sachverhalt<br />

1. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des Gremiumsmitgliedes<br />

<strong>bei</strong> Ausführung des Gremiumsbeschlusses<br />

durch einen Mitar<strong>bei</strong>ter oder ein Gremiumsmitglied<br />

Grundsätzlich gilt: „Fehlt es an der natürlichen bzw. hypothetischen Kausalität zwischen<br />

dem Verhalten einer Person und dem tatbestandsmässigen Erfolg, so kann sie für diesen<br />

selbst dann nicht verantwortlich gemacht werden, wenn sie sich gemeinsam mit jemand<br />

anderem zu sorgfaltswidrigem Verhalten entschlossen und dieser andere dadurch allein<br />

die Schädigung verursacht hat“ 721 .<br />

Doch <strong>bei</strong> einem Angewiesenen, der auf Grund eines Gremiumsbeschlusses den<br />

folgenreichen Beschluss ausführt, liegt eine andere Situation vor. Der den Beschluss<br />

Ausführende — sei es nun ein Gremiumsmitglied oder ein Mitar<strong>bei</strong>ter — handelt i. d. R.<br />

nur und erst auf Anweisung des Gremiums. Geht das fährlässige Verhalten auf einen<br />

gemeinsamen Entschluss zurück, ohne den nichts geschehen wäre, ist jedem der<br />

Gremiumsmitglieder die Mitverursachung des Erfolges zur Last zu legen 722 . Zumindest<br />

einige der Gremiumsmitglieder — wenn nicht alle — führen den Beschluss nicht selber<br />

aus und bedingen die strafrechtlich relevanten Folgen somit nur durch ihr Mitwirken an<br />

der Abstimmung. Durch das kausale Abstimmungsverhalten und die anschliessende<br />

Weisung an den Ausführenden sind jene Gremiumsmitglieder, deren Stimmverhalten als<br />

kausal nachgewiesen wurde, an der Verursachung der strafrechtlich relevanten Folgen<br />

beteiligt. Ein solches Mitverursachen 723 der strafrechtlich relevanten Folgen durch die<br />

jeweiligen Gremiumsmitglieder ist somit zu berücksichtigen, so dass nicht nur der<br />

Tatnächste strafrechtlich verantwortlich wird.<br />

2. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des den Gremiumsbeschluss<br />

ausführenden Mitar<strong>bei</strong>ters wegen<br />

Fahrlässigkeit<br />

Durch die Kausalität der Ausführung des Beschlusses treten strafrechtlich relevante<br />

Folgen ein. Der Mitar<strong>bei</strong>ter kann mit seiner Ausführung des Beschlusses pflichtwidrig<br />

handeln, weil er strafrechtswidrige oder auch gefährliche sozialinadäquate Handlungen<br />

721 REHBERG/DONATSCH, § 34 Ziff. 1, S. 313.<br />

722 STRATENWERTH, AT I, § 16 N 47.<br />

723 Vgl. REHBERG/DONATSCH, § 34 Ziff. 1, S. 313, machen darauf aufmerksam, dass allen kausal und<br />

unvorsätzlich handelnden Personen ein sorgfaltswidriges, für den Eintritt der strafrechtlich relevanten<br />

Folgen relevantes Handeln nachzuweisen ist.<br />

139


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

vornimmt. Da der Mitar<strong>bei</strong>ter eine Person mit eigenen Kenntnissen und Fähigkeiten ist,<br />

hat er sich selber eine Meinung darüber zu bilden, ob seine Handlung noch im erlaubten<br />

Risikobereich liegt. Auch ihm kann Sorgfaltswidrigkeit vorgeworfen werden, falls er den<br />

Erfolg im unerlaubten Risikobereich voraussieht oder voraussehen konnte. Um die<br />

Sorgfaltspflicht jedoch zu begrenzen, ist der Vertrauensgrundsatz heranzuziehen. Ein<br />

Mitar<strong>bei</strong>ter darf i. d. R. <strong>bei</strong> einer nicht offensichtlich rechtswidrigen Weisung von der<br />

Rechtmässigkeit derselben ausgehen. Wo jedoch mit einem Verstoss gegen ein Gesetz zu<br />

rechnen ist, findet der Vertrauensgrundsatz seine Grenzen 724 . Erteilen Vorgesetzte ihren<br />

Mitar<strong>bei</strong>tern Anweisungen zu rechtswidrigem Handeln, kann nicht immer darauf vertraut<br />

werden, dass die Mitar<strong>bei</strong>ter die Rechtswidrigkeit erkennen und sich dementsprechend<br />

verhalten. Mitar<strong>bei</strong>ter müssen allerdings nicht schon <strong>bei</strong>m leisesten Zweifel oder <strong>bei</strong><br />

blossen abstrakten Vermutungen an die Möglichkeit einer Straftat denken. Hingegen<br />

tragen fachkundige Mitar<strong>bei</strong>ter grössere Verantwortung, so dass ihre Sorgfaltspflichten<br />

mit dem Rang des gefährdeten Rechtsgutes steigen 725 . Hier<strong>bei</strong> sind die individuellen<br />

Fähigkeiten der betreffenden Mitar<strong>bei</strong>ter sowie die konkrete Situation besonders zu<br />

beachten.<br />

Der die Weisung ausführende Mitar<strong>bei</strong>ter kann auch gehalten sein 726 , <strong>bei</strong>m Vorgesetzten<br />

nachzufragen. Durfte der Mitar<strong>bei</strong>ter auf die Weisung des Vorgesetzten vertrauen,<br />

kann ihm kein sorgfaltswidriges Verhalten vorgeworfen werden, falls er nicht<br />

zufolge seines Fachwissens schwerwiegende Zweifel hatte oder haben musste 727 . Sieht<br />

der Mitar<strong>bei</strong>ter jedoch voraus, dass sich die Handlung nicht mehr im erlaubten Risikobereich<br />

bewegt und zu einem strafrechtlich relevanten Erfolg führen kann, ist das<br />

Vertrauen in die Weisung nicht mehr vorhanden. Der Eintritt des Erfolges ist dadurch<br />

vermeidbar, dass der Mitar<strong>bei</strong>ter die voraussehbare schädliche Handlung nicht ausführt.<br />

Das Vertrauensprinzip betrifft jedoch nur zukünftiges Verhalten; es greift also nicht,<br />

wenn durch ein fremdes Fehlverhalten bereits eine Gefahr entstanden ist 728 .<br />

724 FREI, S. 113; SCHALL, S. 106 f.<br />

725 RANSIEK, Unternehmensstrafrecht, S. 41.<br />

726 Vgl. dazu CRAMER/STERNBERG-LIEBEN, N 153 zu § 15 dStGB, und DEUTSCHER/KÖRNER, S. 330,<br />

sowie SCHMIDT-SALZER, Produkthaftung I, N 1.264, sind der Meinung, dass ein Mitar<strong>bei</strong>ter aus<br />

einer unteren Leitungsebene i. d. R. auf die Richtigkeit des Inhaltes der Weisung vertrauen darf.<br />

Dem Mitar<strong>bei</strong>ter obliege deshalb keine Prüfungspflicht.<br />

727 SCHMIDT-SALZER, Produkthaftung I, N 1.265 f., sieht eine Bestrafung nur in Ausnahmefällen, da der<br />

Mitar<strong>bei</strong>ter nur einen eingegrenzten <strong>Verantwortlichkeit</strong>sbereich innehabe, so dass diesem auch nur<br />

eine begrenzte Beurteilungsperspektive zugestanden werden müsse. Dem Vertrauensprinzip sind<br />

jedoch dort Grenzen zu setzen, wo die Rechtswidrigkeit erkennbar ist. Ein „Freibrief für Verantwortungslosigkeit“<br />

kann dem Mitar<strong>bei</strong>ter nicht ausgestellt werden.<br />

728 STRATENWERTH, AT I, § 16 N 51.<br />

140


5. Kapitel II. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> vorsätzlicher Deliktsbegehung<br />

E. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des Gremiumsmitgliedes<br />

<strong>bei</strong> einem als Unterlassung qualifizierten<br />

Sachverhalt<br />

Auch Unterlassungsdelikte können in fahrlässiger Weise begangen werden. <strong>Die</strong><br />

Entstehungsgründe für die Garantenpflicht sind dieselben wie <strong>bei</strong>m vorsätzlichen Unterlassungsdelikt<br />

729 . <strong>Die</strong> unterlassene Vornahme der geeigneten, gebotenen Massnahmen<br />

kann auf pflichtwidriger Unvorsichtigkeit beruhen. Womöglich sind Umstände eingetreten,<br />

welche Garantenpflichten auslösen, während der Garant meint, dass die gebotenen<br />

Massnahmen keinen Erfolg hätten. <strong>Die</strong> Sorgfaltspflicht wird dadurch verletzt, dass die<br />

Massnahmen nicht eingesetzt oder ungeeignet bzw. ungenügend vorgenommen<br />

wurden 730 .<br />

Im Gegensatz zum Begehungsdelikt ist <strong>bei</strong>m fahrlässigen Unterlassungsdelikt 731 eine<br />

Übernahmefahrlässigkeit nicht möglich 732 . „Bei der Sorgfaltsbemessung für risikobehaftete<br />

Tätigkeiten kann dem Gesichtspunkt des individuellen Könnens regelmässig<br />

ausreichend Rechnung getragen werden“ 733 . Im Übrigen sei auf die Ausführung zum<br />

Erfolgsdelikt als Begehungsdelikt verwiesen 734 .<br />

F. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des einzelnen<br />

Gremiumsmitgliedes auf Grund seines Stimmverhaltens<br />

1. Mittäterschaftliches Verhalten der Gremiumsmitglieder<br />

bis zur Beschlussfassung<br />

<strong>Die</strong> Gremiumsmitglieder stimmen für oder gegen einen deliktisch ausgerichteten Antrag,<br />

insofern sie sich nicht der Stimme enthalten, in den Ausstand versetzt worden oder<br />

entschuldigt bzw. unentschuldigt abwesend sind. Auf Grund der Rahmenbedingungen der<br />

Abstimmung – der Abstimmungsmodus ist vorgegeben – wissen die Gremiumsmitglieder,<br />

dass eine Mehrheit von Gremiumsmitgliedern, die den deliktisch ausgerichteten<br />

729 STRATENWERTH, AT I, § 17 N 2. Siehe 5. Kapitel II.C.3<br />

730 REHBERG/DONATSCH, § 33 Ziff. 2.2, S. 310 f.<br />

731 REHBERG/DONATSCH, § 33 Ziff. 1.22 und Ziff. 1.221 lit. c), S. 287 f.<br />

732 REHBERG/DONATSCH, § 33 Ziff. 2.4, S. 312. <strong>Die</strong>s ist m. E. nicht ganz verständlich, wenn man sich<br />

folgendes Beispiel vor Augen führt: Eine Person, die weiss, dass sie die verlangten Anforderungen<br />

nicht erfüllt, hat unter Vorspiegelung falscher Tatsachen eine Anstellung erhalten. Lässt sie sich nun<br />

ein Verschulden zukommen und vermag sie das bedrohte Rechtsgut nicht vor Schaden retten, weil<br />

sie dazu nicht fähig ist, müsste sie gemäss Art. 18 Abs. 3 StGB nur nach ihren eigenen Fähigkeiten<br />

beurteilt werden, was zu einem straflosen Verhalten führen würde.<br />

733 REHBERG/DONATSCH, § 33 Ziff. 2.4, S. 312.<br />

734 Siehe 5. Kapitel II.D.<br />

141


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

Antrag unterstützen, zur Erreichung eines deliktisch ausgerichteten Beschlusses nötig ist,<br />

der <strong>bei</strong> Ausführung bzw. <strong>bei</strong> Umsetzung strafrechtlich relevante Folgen her<strong>bei</strong>führt 735 .<br />

Je nachdem, wie das Verhalten der Gremiumsmitglieder im Gesamtzusammenhang<br />

der Ausführung des Beschlusses qualifiziert wird, handeln diejenigen Gremiumsmitglieder,<br />

welche die Ausführung bzw. die Umsetzung des deliktisch ausgerichteten<br />

Antrags mit Vorsatz unterstützen, im Innenverhältnis — also bis zur und mit der vorgenommenen<br />

Abstimmung — mittäterschaftlich. Da<strong>bei</strong> ist zu beachten, dass sich Mittäter<br />

nicht einmal zu kennen brauchen; die Identität der Mitbeteiligten ist somit belanglos. Das<br />

Wissen um die Mitwirkung anderer genügt vollauf 736 . Da den Gremiumsmitgliedern<br />

bewusst ist, dass weitere Gremiumsmitglieder mitwirken (müssen), damit der deliktisch<br />

ausgerichtete Antrag in die Tat umgesetzt werden kann, ist von einem bewussten<br />

Zusammenwirken auszugehen, weshalb es nicht darauf ankommt, ob die Gremiumsmitglieder<br />

ihre Abstimmung nun anlässlich einer Sitzung oder auf dem Zirkularweg<br />

vornehmen.<br />

Bezüglich der Art der Ausführung des Gremiumsbeschlusses eines als Begehung zu<br />

qualifizierenden Sachverhaltes führt dies dazu, dass von Mittäterschaft bzw. mittäterschaftlicher<br />

Anstiftung, mittäterschaftlicher Gehilfenschaft oder mittäterschaftlich<br />

mittelbarer Täterschaft der Gremiumsmitglieder auszugehen ist. Betreffend die Umsetzung<br />

des Beschlusses <strong>bei</strong> einem als Unterlassung zu qualifizierenden Gesamtsachverhalt<br />

ist vornehmlich Mittäterschaft bzw. mittäterschaftliche Anstiftung der Gremiumsmitglieder<br />

anwendbar 737 .<br />

Im Folgenden wird untersucht, unter welchen Umständen ein Gremiumsmitglied als<br />

kausal handelnde Person den subjektiven Tatbestand erfüllt und ob ein nicht kausal<br />

handelndes Gremiumsmitglied ebenfalls einen wesentlichen Betrag leistet, so dass es<br />

hinsichtlich des Gremiumsbeschlusses intern mittäterschaftlich handelt. Doch ist auch<br />

das Verhalten des einzelnen Gremiumsmitgliedes nach der Abstimmung zu berücksichtigen,<br />

da dies den Umfang der <strong>strafrechtliche</strong>n <strong>Verantwortlichkeit</strong> des betreffenden<br />

Gremiumsmitgliedes beeinflusst.<br />

735 SCHAAL, S. 194.<br />

736 Vgl. die parallele Mittäterschaft, <strong>bei</strong> welcher der Tatentschluss durch einen Dritten vermittelt wird;<br />

die Mittäter kennen sich auch hier nicht. Vgl. SEELMANN, AT, S. 119.<br />

737 Vgl. DENCKER, Mittäterschaft in Gremien S. 65; KNAUER, S. 50. NEUDECKER, S. 237 betreffend<br />

mittelbare Täterschaft und S. 240 betreffend Mittäterschaft des Gremiums bzw. der Gremiumsmitglieder.<br />

Der BGH nahm im Staschinsky-Fall, BGHSt 18, S. 87 ff., S. 96, gemeinschaftliche<br />

mittelbare Täterschaft an.<br />

142


5. Kapitel II. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> vorsätzlicher Deliktsbegehung<br />

2. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des dem<br />

deliktisch ausgerichteten Antrag zustimmenden<br />

Gremiumsmitgliedes<br />

a) Verhalten vor und <strong>bei</strong> der Abstimmung<br />

Ein abgesprochenes und vorprogrammiertes Verhalten <strong>bei</strong> der Abstimmung dürfte<br />

normalerweise nicht vorliegen 738 . Daher vertritt SCHOLL die Meinung, bis und mit zur<br />

Abstimmung liege kein internes mittäterschaftliches Zusammenwirken vor, da eine<br />

Abstimmung bloss als Übereinstimmung von Stimmverhalten ohne vorherige Koordination<br />

anzusehen sei. Somit fehle die subjektive Verknüpfung 739 .<br />

Ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken der Gremiumsmitglieder ist jedoch<br />

zu bejahen. Durch den deliktisch ausgerichteten Antrag wird das gemeinsame Projekt<br />

und somit der gemeinsame Plan klar umrissen. Was das verlangte „Wissen“ betrifft, wird<br />

vorausgesetzt, dass das Gremiumsmitglied — nebst dem Wissen um die Funktionsweise<br />

einer Abstimmung und Mehrheitsentscheidung — die Verwirklichung des Tatbestandes<br />

für ernsthaft möglich halten muss. Im konkreten Fall muss eine tatsächliche Möglichkeit<br />

zu dieser Verwirklichung bestehen 740 . Das Gremiumsmitglied weiss, dass <strong>bei</strong> Zustandekommen<br />

einer Mehrheit von Gremiumsmitgliedern, die dem deliktisch ausgerichteten<br />

Antrag zugestimmt haben, die Ausführung bzw. die Umsetzung des Beschlusses<br />

vorgesehen ist.<br />

Welche Gremiumsmitglieder die Mehrheit bilden, steht vor dem Abstimmungsresultat<br />

nicht fest. Dasjenige Gremiumsmitglied, das im Wissen um die „rechtswidrige“<br />

Art des Antrags, diesem dennoch zustimmt, erhofft sich eine Mehrheit Gleichgesinnter,<br />

denen es sich anschliessen will. Eine Stimmabgabe in diese Richtung kann somit als<br />

Angebot an jedes beliebige andere Gremiumsmitglied verstanden werden, sich mit ihm<br />

zu einer Mehrheit zusammenzutun, die auf die Ausführung bzw. die Umsetzung dieses<br />

deliktisch ausgerichteten Antrags hinzielt 741 . Auch wenn die Gremiumsmitglieder ihr<br />

Stimmverhalten nicht vor der Abstimmung absprechen, kommt durch den Abstimmungsmechanismus<br />

ein Zusammenschluss zwischen ihnen zustande 742 . Das dem deliktisch<br />

738 Sprechen die Gremiumsmitglieder ihr Abstimmungsverhalten schon im Vorfeld der Abstimmung ab,<br />

liegt ein typischer Sachverhalt eines mittäterschaftlichen Verhaltens vor. Zuerst wird der Tatplan<br />

gefasst und danach ausgeführt bzw. umgesetzt. Von <strong>strafrechtliche</strong>r <strong>Verantwortlichkeit</strong> ist aber auch<br />

hier erst dann auszugehen, wenn ein deliktisch ausgerichteter Beschluss ergangen und ausgeführt<br />

bzw. umgesetzt worden ist und zu strafrechtlich relevanten Folgen geführt hat, vgl. SCHAAL, S. 192<br />

f.<br />

739 SCHOLL, S. 219 ff.<br />

740 STRATENWERTH, AT I, § 9 N 73, weist darauf hin, dass „Vorsatz sich auch auf solche Tatumstände<br />

erstrecken kann, deren Vorhandensein oder Eintreten der Täter nur für möglich hält.“<br />

741 SCHAAL, S. 193 ff.<br />

742 Ein weiteres Argument zur Annnahme von Mittäterschaft <strong>bei</strong> nicht abgesprochenem Abstimmungsverhalten<br />

kann aus der Ähnlichkeit zur sukzessiven Mittäterschaft herangezogen werden. Da<strong>bei</strong><br />

erbringt der zuerst handelnde Mittäter seinen Tat<strong>bei</strong>trag, ohne bereits mit dem sukzessiv <strong>bei</strong>tretenden<br />

Mittäter durch einen gemeinsamen Plan verbunden zu sein. <strong>Die</strong>se Begründung entspricht dem<br />

143


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

ausgerichteten Antrag zustimmende Gremiumsmitglied nimmt am Tatentschluss teil.<br />

Somit verbindet die subjektive Komponente die Einzelakte zu einem kollektiven<br />

Geschehen: Aus dem Nebeneinander wird ein Miteinander. Jedem ist bewusst, dass sein<br />

Beitrag denjenigen des anderen zu einer einheitlichen Tat werden lässt. Ein aktuelles<br />

Bewusstsein ist nicht erforderlich; ein Mitbewusstsein allein genügt schon 743 . Wer für<br />

den deliktisch ausgerichteten Antrag stimmt, verhält sich hinsichtlich der daraus resultierenden<br />

strafrechtlich relevanten Folgen nicht rechtskonform und verstösst somit gegen<br />

seine Verhaltenspflicht 744 .<br />

In diesem Zusammenhang ist in Erinnerung zu rufen, dass der Entscheidungsprozess<br />

bis zum Vorliegen des Abstimmungsresultates strafrechtlich als Vorbereitungsphase<br />

qualifiziert wird 745 . <strong>Die</strong> Ausführung bzw. die Umsetzung des deliktisch ausgerichteten<br />

Gremiumsbeschlusses muss somit zumindest versucht werden, bevor eine <strong>strafrechtliche</strong><br />

<strong>Verantwortlichkeit</strong> untersucht werden kann. Das für den deliktischen Antrag stimmende<br />

Gremiumsmitglied wird somit erst dann strafrechtlich verfolgt, wenn hinsichtlich der<br />

beschlossenen Straftat mit der Ausführung bzw. der Umsetzung des Beschlusses mindestens<br />

angefangen wurde und die Straftat mithin in das Versuchsstadium eingetreten<br />

ist 746 .<br />

144<br />

b) Verhalten nach der Abstimmung<br />

Treten strafrechtlich relevante Folgen ein, kann das für den deliktischen Antrag<br />

stimmende Gremiumsmitglied zur Verantwortung gezogen werden, weil es einen<br />

bedeutenden und kausalen Beitrag dazu geleistet hat. Zu prüfen ist ferner, ob sich das<br />

vorgenannte Gremiumsmitglied der Strafbarkeit entziehen kann, indem es nach der<br />

Abstimmung zurücktritt oder die drohenden strafrechtlich relevanten Folgen abzuwenden<br />

versucht 747 . „Distanziert sich jemand ausnahmsweise vom gemeinsamen Tatentschluss,<br />

bevor das Delikt von den übrigen Beteiligten ausgeführt wird und er selbst einen<br />

„intuitiven“ Verständnis von Mittäterschaft, vgl. PUPPE, Anmerkung, S. 30, S. 32. Wer sich an einer<br />

Abstimmung beteiligt und für einen bestimmten Beschluss votiert, versucht, sein Ziel durch die<br />

Bildung einer Mehrheit zu erreichen. Gelingt es ihm, eine Mehrheit zu finden, kann er sich nicht<br />

damit entschuldigen, dass er allein nicht für dieses Gesamtwerk entscheidend gewesen sei und<br />

folglich keine conditio-sine-qua-non gesetzt habe. <strong>Die</strong>ser Einwand steht nur dem Einzeltäter offen.<br />

Dem Mittäter werden die Beiträge seiner Komplizen wie eigenes Verhalten zugerechnet, vgl.<br />

SCHAAL, S. 228.<br />

743<br />

REHBERG/DONATSCH, § 9 Ziff. 2.2 lit. a), S. 83; STRATENWERTH, AT I, § 9 N 71 f.<br />

744<br />

NEUDECKER, S. 206; SCHMID, Wirtschaftsdelikte, S. 107.<br />

745<br />

Siehe 3. Kapitel III.<br />

746 bis<br />

Vgl. Art. 21 und Art. 22 StGB. Eine Ausnahme bildet Art. 260 StGB.<br />

747<br />

Evtl. führen einzelne Gremiumsmitglieder den abgelehnten deliktisch ausgerichteten Antrag<br />

trotzdem aus. In diesem Fall machen sich jedoch nur diese Gremiumsmitglieder strafbar, da sie allein<br />

und unabhängig vom Gremium handeln. Doch ist auch eine Garantenstellung der anderen<br />

Gremiumsmitglieder — ob Straftaten anderer zu verhindern sind — zu überprüfen.


5. Kapitel II. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> vorsätzlicher Deliktsbegehung<br />

Tat<strong>bei</strong>trag geleistet hat, bleibt er straflos“ 748 . Das Gremiumsmitglied hat seinen Beitrag<br />

zur Tat schon durch sein Stimmverhalten geleistet. Der deliktisch ausgerichtete Beschluss<br />

ist schliesslich erst daraufhin zustande gekommen und kann nun programmmässig<br />

ausgeführt bzw. umgesetzt werden 749 . Dem Gremiumsmitglied, das dem deliktisch<br />

ausgerichteten Antrag zugestimmt hat, verschliesst sich nun die Begründung, es habe nur<br />

an der Entschlussfassung und/oder an der Planung mitgewirkt, jedoch mit der eigentlichen<br />

Tat nichts zu tun, und kann sich der <strong>strafrechtliche</strong>n Verantwortung nicht<br />

entziehen. Aus diesem Grund ist das Verhalten eines Gremiumsmitgliedes, das sich vom<br />

Beschluss distanziert, als Versuch zur Ausführung bzw. zur Umsetzung des deliktisch<br />

ausgerichteten Gremiumsbeschlusses — also der Tat an sich — zu werten. Ist dieses<br />

Gremiumsmitglied jedoch bestrebt, die Ausführung bzw. die Umsetzung des deliktisch<br />

ausgerichteten Gremiumsbeschlusses durch die anderen zu verhindern, muss von einem<br />

Rücktritt ausgegangen werden, weil nicht mehr von einem Zurücktreten von der<br />

Vorbereitungshandlung die Rede sein kann 750 . Das Gremiumsmitglied vermag jedoch nur<br />

noch durch einen Rücktritt aus eigenem Antrieb einen Versuch zur Nichtausführung bzw.<br />

zur Nichtumsetzung des deliktisch ausgerichteten Beschlusses zu unternehmen.<br />

Schwierig ist die Frage zu beantworten, welche Massnahmen das zum Rücktritt gewillte<br />

Gremiumsmitglied treffen muss. In diesem Zusammenhang ist die Möglichkeit und<br />

Zumutbarkeit des Vorgehens gegen die Ausführung bzw. die Umsetzung des deliktisch<br />

ausgerichteten Beschlusses zu berücksichtigen 751 . Ähnliche Probleme wie <strong>bei</strong>m Rücktritt<br />

stellen sich <strong>bei</strong> der tätigen Reue gemäss Art. 22 Abs. 2 StGB, weshalb diesbezüglich auf<br />

die Aussagen zum Rücktritt verwiesen wird.<br />

c) Zusammenfassung<br />

Durch seine befürwortende Stimmabgabe tut das Gremiumsmitglied kund, dass es gewillt<br />

ist, den <strong>bei</strong> zustande kommender Mehrheit umsetzbaren deliktisch ausgerichteten<br />

Beschluss mitzutragen. Der betreffende Antrag ist als Tatplan schon hinreichend<br />

konkretisiert, da dieser <strong>bei</strong> der Zustimmung einer Mehrheit schliesslich auch ausgeführt<br />

bzw. umgesetzt werden soll. Bezüglich der <strong>strafrechtliche</strong>n <strong>Verantwortlichkeit</strong> des<br />

Gremiumsmitgliedes wird die Ausführung bzw. die Umsetzung des deliktisch ausgerich-<br />

748 REHBERG/DONATSCH, § 15 Ziff. 1.24 lit. a), S. 143. Es könnte die Schlussfolgerung daraus gezogen<br />

werden, dass die Möglichkeit bestehe, das Gremiumsmitglied, das dem deliktischen Antrag<br />

zustimmt, nicht mehr als Mittäter anzusehen, sondern als Gehilfen, so dass dieses u. U. nur für<br />

Beihilfe bestraft werden kann.<br />

749 Das dem deliktisch ausgerichteten Antrag zustimmende Gremiumsmitglied hat mit seinem Stimmverhalten<br />

schon in der Vorbereitungsphase einen kausalen Beitrag geleistet, der sich im<br />

Abstimmungsresultat niederschlägt und nicht mehr rückgängig zu machen ist.<br />

750 NEUDECKER, S. 264.<br />

751 Siehe dazu 5. Kapitel II.F.3.c)(3)v). Es darf nicht sein, dass das dem deliktisch ausgerichteten Antrag<br />

zustimmende Gremiumsmitglied besser behandelt wird als dasjenige, das gegen den deliktisch ausgerichteten<br />

Antrag stimmt.<br />

145


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

teten Beschlusses vorausgesetzt. Das Gremiumsmitglied, das dem deliktisch ausgerichteten<br />

Antrag zustimmt, wird insofern strafrechtlich verantwortlich, als es zusammen mit<br />

den anderen Gremiumsmitgliedern eine Wirkung auf den unmittelbar Handelnden ausübt,<br />

ohne welche die Tat nicht ausgeführt würde 752 . Das Gremiumsmitglied wird somit — je<br />

nach Art des Sachverhaltes — als Mittäter, mittelbarer Täter oder Anstifter zu qualifizieren<br />

sein und auch dementsprechend bestraft. Auch ein nach dem Beschluss zurücktretendes<br />

Gremiumsmitglied ist weiterhin strafrechtlich verantwortlich. Je nachdem, in<br />

welchem Stadium es zurücktritt, wird die <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong> durch die<br />

Anwendbarkeit von Art. 21 Abs. 2 oder Art. 22 Abs. 2 StGB reduziert.<br />

146<br />

3. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des gegen den<br />

deliktisch ausgerichteten Antrag stimmenden Gremiumsmitgliedes<br />

a) Verhalten vor der Abstimmung<br />

Das Verhalten des gegen den deliktisch ausgerichteten Antrag stimmenden Gremiumsmitgliedes<br />

kann darin bestehen, dass es nichts gegen die sich abzeichnende oder<br />

getroffene Mehrheitsentscheidung unternimmt 753 oder aber sogar an der Ausführung des<br />

Beschlusses mitwirkt. Es ist zu untersuchen, ob das betreffende Gremiumsmitglied für<br />

die strafrechtlich relevanten Folgen verantwortlich ist, wenn es durch allfällige Pflichtverletzungen<br />

irgendwie dazu <strong>bei</strong>getragen hat. Deshalb ist es notwendig, zwischen dem<br />

Verhalten vor, <strong>bei</strong> und nach der Abstimmung zu differenzieren 754 .<br />

Aus <strong>strafrechtliche</strong>r Sicht könnte das Gremiumsmitglied verpflichtet sein, sein<br />

Votum (u. U. wiederholt) gegen den deliktisch ausgerichteten Antrag einzubringen, wenn<br />

Rechtsgutverletzungen drohen 755 . Grundsätzlich vermag der Einwand, die strafrechtlich<br />

relevanten Folgen wären trotz der Bemühungen des reklamierenden und schliesslich<br />

unterlegenen Gremiumsmitgliedes eingetreten, nicht ohne weiteres zu überzeugen. Nur<br />

wenn dieses Gremiumsmitglied alles Mögliche und ihm Zumutbare gegen den absehbaren<br />

deliktisch ausgerichteten Beschluss unternommen habe, könne davon ausgegangen<br />

werden, dass dieses seine Handlungspflicht nicht verletzt habe 756 . POPP geht daher davon<br />

aus, dass das Gremiumsmitglied zumindest die Fragen zu stellen hat, die es auf Grund<br />

seines Wissens erkennt 757 .<br />

Doch dieser Ansatzpunkt erscheint problematisch, da die Pflicht, andere Gremiumsmitglieder<br />

zum richtigen Verhalten zu beeinflussen, nur bejaht werden kann, wenn die<br />

752 STRATENWERTH, AT I, § 13 N 54.<br />

753 POSECK, S. 145.<br />

754 POSECK, S. 166.<br />

755 SCHOLL, S. 193.<br />

756 GROSSE VORHOLT, N 86; BGHSt 37, 106, 132.<br />

757 POPP, S. 32.


5. Kapitel II. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> vorsätzlicher Deliktsbegehung<br />

Voraussetzungen eines unechten Unterlassungsdeliktes in diesem Stadium gegeben<br />

sind 758 . Aus einer „Garantenstellung zur Überwachung von Unternehmensgefahren“<br />

liesse sich die Pflicht ableiten, dass das Gremiumsmitglied auf die anderen stimmberechtigten<br />

Gremiumsmitglieder einzuwirken und zu versuchen habe, sie von ihrer Meinung<br />

bezüglich des deliktisch ausgerichteten Antrags abzubringen oder sie zumindest in diese<br />

Richtung dahingehend zu beeinflussen 759 .<br />

Ein wesentlicher Beitrag hinsichtlich der Abstimmung wäre u. U. zu bejahen, wenn<br />

das betreffende Gremiumsmitglied sein Mitwirkungsrecht, das mit an Sicherheit grenzender<br />

Wahrscheinlichkeit einen nicht deliktisch ausgerichteten Beschluss her<strong>bei</strong>geführt<br />

hätte, nicht pflichtgemäss eingesetzt hätte 760 . Dagegen wird aber vorgebracht, der von<br />

diesem Gremiumsmitglied erbrachte Beitrag habe sich ja nicht in der Abstimmung<br />

niedergeschlagen und in diesem frühen Stadium fehle auch der Vorsatz 761 . Ein Vorsatz<br />

kann sehr wohl bestehen, doch muss er sich später <strong>bei</strong> der Stimmabgabe auch<br />

manifestieren. Ein „Dolus antecedens“ ist daher kein rechtlich erheblicher Tatvorsatz 762 ,<br />

sondern der eigentliche Vorsatz wird demzufolge erst mit dem Stimmverhalten kundgetan<br />

763 . Deswegen lässt sich nicht begründen, ob das Unterlassen der „dissenting<br />

opinion“ in den späteren strafrechtlich relevanten Folgen wirksam geworden ist. Ferner<br />

ist darauf hinzuweisen, dass das Gremiumsmitglied zwar eine so genannte „dissenting<br />

opinion“ 764 zu Protokoll geben und dem deliktisch ausgerichteten Antrag dennoch<br />

zustimmen kann. Das Verhalten vor der Abstimmung verliert somit ab dem Zeitpunkt<br />

der Stimmabgabe an Bedeutung. Insofern stellt die Abstimmung eine ähnliche<br />

Konstellation dar wie die überholende Kausalität 765 . Infolgedessen ist das Verhalten des<br />

Gremiumsmitgliedes vor der Abstimmung i. d. R. aus <strong>strafrechtliche</strong>r Sicht nicht<br />

stichhaltig 766 . Es handelt sich da<strong>bei</strong> lediglich um einen zu beachtenden Hinweis, ein<br />

Indiz für das richtige Verhalten. An der Tatsache, dass der Beschluss die Grundursache<br />

für die nachfolgenden strafrechtlich relevanten Folgen bildet, ist deshalb nicht zu<br />

rütteln.<br />

Es soll aber dem Gremiumsmitglied trotzdem nahe gelegt werden, seine diesbezüglichen<br />

Bedenken zu äussern. Zu mehr kann das gegen den deliktisch ausge-<br />

758 <strong>Die</strong>ser hier abgehandelte Gedanke ist nicht mit dem in 3. Kapitel II. zu verwechseln, wo festgestellt<br />

worden ist, dass das „Stimmverhalten“ der Gremiumsmitglieder entweder als Begehung oder als<br />

Unterlassung qualifiziert werden könne, je nachdem, wie sich der Kontext darstelle.<br />

759 RANSIEK, Unternehmensstrafrecht, S. 74 f.<br />

760 SCHOLL, S. 228.<br />

761 POSECK, S. 166.<br />

762 HURTADO POZO, N 219; TRECHSEL/NOLL, § 23 C. Ziff. 3, S. 101: „Dolus antecedens“ ist der<br />

vorausgehende Vorsatz.<br />

763 Eine Ausnahme ergäbe sich dann, wenn ein Gremiumsmitglied wissentlich explizit wichtige, den<br />

Entscheid beeinflussende Informationen unterschlagen würde. In diesem Fall wäre gegebenenfalls<br />

mittelbare Täterschaft anzunehmen. Siehe 5. Kapitel II.C.5.b)(2).<br />

764 Siehe 2. Kapitel III.D.<br />

765 POSECK, S. 161 sowie N 774 auf derselben Seite.<br />

766 Strafrechtlich wäre das Verhalten, wenn das Gremiumsmitglied die anderen Gremiumsmitglieder<br />

benutzt etc. Siehe dazu Ausführungen in 5. Kapitel V.B.<br />

147


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

richteten Antrag stimmende Gremiumsmitglied in diesem Stadium nicht angehalten<br />

werden, da ja das Abstimmungsresultat noch nicht feststeht. Bei anderer Ansicht würde<br />

die Abstimmung entwertet 767 .<br />

148<br />

b) Verhalten <strong>bei</strong> der Abstimmung<br />

Was das Wissen anbelangt, sei auf die Ausführungen zu einem dem deliktischen Antrag<br />

zustimmenden Gremiumsmitglied verwiesen. Das Gremiumsmitglied bringt sodann<br />

durch seine Stimmabgabe zum Ausdruck, dass es der Mehrheit jener Gremiumsmitglieder,<br />

die einen deliktisch ausgerichteten Antrag befürworten, nicht angehören und die<br />

sich daraus ergebenden strafrechtlich relevanten Folgen auch nicht unterstützen will 768 .<br />

Mit seiner Stimmabgabe gegen den deliktisch ausgerichteten Antrag zeigt das Gremiumsmitglied,<br />

dass es diesen Antrag verhindern will. Ein internes mittäterschaftliches<br />

Verhalten liegt hier nicht vor, weil sich das Gremiumsmitglied durch seine Stimmabgabe<br />

gegen den deliktisch ausgerichteten Antrag wendet und somit nicht am gemeinsamen<br />

Tatplan partizipiert 769 . Das Gremiumsmitglied will insoweit den Tatplan, der sich im<br />

Beschluss manifestiert, nicht mittragen. Dahingehend fehlt ihm in diesem Zeitpunkt der<br />

Wille zur Deliktsverwirklichung 770 .<br />

Dagegen wird vorgebracht, die <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong> des unterlegenen<br />

Gremiumsmitgliedes entfalle nur dann, wenn dieses die Ablehnung des deliktisch ausgerichteten<br />

Antrags mit der drohenden Gefahr begründe. Zur Beantwortung nach der<br />

Frage der Strafbarkeit des gegen den deliktisch ausgerichteten Antrag stimmenden<br />

Gremiumsmitgliedes sei deshalb auf die Beweggründe abzustellen 771 . Ein Motiv ist<br />

jedoch nur dann relevant, wenn das Gesetz die zur Diskussion stehende Strafbarkeit<br />

ausdrücklich darauf abstellt 772 .<br />

Als Anknüpfungspunkt bezüglich dieses Gremiumsmitgliedes muss die eigentliche<br />

Abstimmung ausscheiden 773 , weil sich das gegen den Antrag stimmende Gremiumsmitglied<br />

in dieser Hinsicht rechtskonform verhalten hat. Um dem gegen den deliktisch<br />

ausgerichteten Antrag stimmenden Gremiumsmitglied die strafrechtlich relevanten<br />

767 POSECK, S. 145.<br />

768 RANSIEK, Unternehmensstrafrecht, S. 74.<br />

769 WEISSER, Kausalitäts- und Täterschaftsprobleme, S. 180 f.<br />

770 FRANKE, S. 582; NEUDECKER, S. 204; POSECK, S. 159; RUDOLPHI, Kommentar, N 16b der Vorbem.<br />

zu § 13 dStGB; WEISSER, Kausalitäts- und Täterschaftsprobleme, S. 176.<br />

771 EIDAM, S. 261. SCHMIDT-SALZER, Produkthaftung I, N 1.282, will das gegen den deliktisch ausgerichteten<br />

Antrag stimmende Gremiumsmitglied nur dann straflos ausgehen lassen, wenn aus dem<br />

Protokoll ersichtlich ist, dass dieses die Gefährdung von Rechtsgütern Dritter in Betracht gezogen<br />

hat. SUÁREZ GONZÁLES, S. 52.<br />

772 REHBERG/DONATSCH, § 9 Ziff 4.1, S. 93. STRATENWERTH, AT I, § 9 N 125 f., weist auf selbstsüchtige<br />

Beweggründe nach Art. 115 StGB und achtenswerte Beweggründe nach Art. 114 StGB als<br />

Beispiele hin.<br />

773 POSECK, S. 159.


5. Kapitel II. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> vorsätzlicher Deliktsbegehung<br />

Folgen des deliktisch ausgerichteten Beschlusses dennoch zurechnen zu können, ist ihm<br />

somit ein strafbares Verhalten nach der Abstimmung nachzuweisen 774 .<br />

c) Verhalten nach der Abstimmung<br />

(1) Feststellung der möglichen Verhaltensweisen nach der<br />

Abstimmung<br />

Das <strong>bei</strong> der Abstimmung unterlegene Gremiumsmitglied kann sich der Gremiumsentscheidung<br />

beugen oder auch nicht 775 . Entweder unterstützt es den deliktisch ausgerichteten<br />

Beschluss nach der Abstimmung, indem es diesen ausführt, in sein Aufgabengebiet<br />

übernimmt oder einen Dritten entsprechend anweist, oder es unternimmt nichts gegen die<br />

Ausführung bzw. die Umsetzung des deliktisch ausgerichteten Beschlusses. Wichtig ist<br />

deshalb zu ermitteln, wie sich das gegen den deliktisch ausgerichteten Antrag stimmende<br />

Gremiumsmitglied nach der Abstimmung verhält und ob es allenfalls eine Garantenstellung<br />

sowie eine Garantenpflicht innehat, die über die Stimmabgabe gegen einen<br />

deliktisch ausgerichteten Antrag hinausführen.<br />

Sollten strafrechtlich geschützte Interessen des Unternehmens und Dritter verletzt<br />

werden, kann dem Gremiumsmitglied nicht zugestanden werden, das Rechtsgut zu<br />

verletzen und sich auf die Mehrheitsentscheidung zu berufen, <strong>bei</strong> der es in der<br />

Abstimmung unterlegen war 776 . Der deliktisch ausgerichtete Gremiumsbeschluss rechtfertigt<br />

die Ausführung bzw. die Umsetzung des deliktisch ausgerichteten Beschlusses<br />

durch das dagegen stimmende Gremiumsmitglied daher nicht 777 . Es entstünden erhebliche<br />

und unüberbrückbare Widersprüche, würde dem unterlegenen Gremiumsmitglied<br />

zugestanden, dass es überstimmt worden sei 778 . Aus <strong>strafrechtliche</strong>r Sicht kann<br />

Loyalitätspflichten nur <strong>bei</strong> nicht deliktisch ausgerichteten Beschlüssen ohne Bedenken<br />

Folge geleistet werden. Von einer angeblich notwendigen und zu rechtfertigenden<br />

Unterwerfung des Gremiumsmitgliedes unter den Gremiumsbeschluss als Ausrede ist<br />

deshalb nicht auszugehen.<br />

774<br />

GROSSE VORHOLT, N 87. Betreffend Verhalten vor der Abstimmung siehe 5. Kapitel II.F.3.a).<br />

775<br />

RANSIEK, Unternehmensstrafrecht, S. 74.<br />

776<br />

GROSSE VORHOLT, N 89.<br />

777<br />

Vgl. RANSIEK, Unternehmensstrafrecht, S. 65. Siehe auch 5. Kapitel II.B.3.c) und 5. Kapitel II.C.6.<br />

778<br />

RANSIEK, Unternehmensstrafrecht, S. 76.<br />

149


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

150<br />

(2) (Mit-)Ausführung des deliktisch ausgerichteten Beschlusses<br />

durch das Gremiumsmitglied als Täter bzw. Teilnehmer<br />

Gemäss WEISSER ist es nicht zulässig, das hinsichtlich der Abstimmung als straflose<br />

Handlung angesehene Verhalten des Gremiumsmitgliedes im Nachhinein zu einem<br />

mittäterschaftlichen Verhalten mit den anderen Gremiumsmitgliedern umzukonstruieren,<br />

denn von einem Sinneswandel dieses Gremiumsmitgliedes könne nicht ausgegangen<br />

werden. Durch eine solche Würdigung des Sachverhaltes würde durch die Hintertür eine<br />

Art Kollektivhaftung eingeführt, was nicht geschehen dürfe 779 . Auch POPP geht von der<br />

Straflosigkeit eines solchen Gremiumsmitgliedes aus 780 .<br />

Von der Einführung einer Kollegialhaftung kann hier allerdings nicht gesprochen<br />

werden, da das Ausführen des Beschlusses nicht die Abstimmung betrifft, sondern einen<br />

anderen Teil des Sachverhaltes und da das Gremiumsmitglied um die Strafbarkeit der<br />

Ausführung des deliktisch ausgerichteten Beschlusses weiss. Das Gremiumsmitglied<br />

haftet für sein eigenes Handeln und nicht dafür, dass die anderen einen deliktisch ausgerichteten<br />

Beschluss getroffen haben. Das (Mit-)Ausführen des Beschlusses impliziert<br />

womöglich eine <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong> 781 . Auf Grund der Informationen, die<br />

das Gremiumsmitglied erhalten hat, weiss es, dass die Ausführung des beschlossenen<br />

deliktisch ausgerichteten Beschlusses zu strafrechtlich relevanten Folgen führt oder<br />

zumindest führen kann.<br />

Wird der Gremiumsbeschluss durch ein oder mehrere Gremiumsmitglied(er) ausgeführt,<br />

muss <strong>bei</strong> deliktischer Mitwirkung — von nicht untergeordneter Bedeutung —<br />

desjenigen Gremiumsmitgliedes, das gegen den deliktischen Antrag gestimmt hat, nach<br />

der Abstimmung von sukzessiver Mittäterschaft ausgegangen werden 782 . Der Einwand<br />

von SCHAAL 783 , dass sukzessive Mittäterschaft an einem abgeschlossenen Geschehen<br />

nicht möglich sei, schlägt fehl, da die Abstimmung als Vorbereitungsphase qualifiziert<br />

worden ist. Indem das gegen den deliktisch ausgerichteten Antrag stimmende Gremiumsmitglied<br />

den Beschluss nach der Abstimmung (mit-)ausführt und dadurch auch dazu<br />

<strong>bei</strong>trägt, die strafrechtlich relevanten Folgen her<strong>bei</strong>zuführen, trägt es nicht nur mit<br />

physischer und psychischer Gehilfenschaft strafrechtlich zur Ausführung des Beschlusses<br />

<strong>bei</strong>: Vielmehr ist diejenige Person, welche die tatbestandsmässigen Merkmale eines<br />

Straftatbestandes erfüllt, nicht nur als Teilnehmer i. S. v. Gehilfenschaft, sondern sogar<br />

als Täter zu qualifizieren 784 . Indem also das betreffende Gremiumsmitglied den deliktisch<br />

ausgerichteten Beschluss ausführt, schliesst es sich dem Tatplan an. Deshalb ist nicht von<br />

779<br />

WEISSER, Kausalitäts- und Täterschaftsprobleme, S. 181.<br />

780<br />

POPP, S. 32.<br />

781<br />

SCHMID, Wirtschaftsdelikte, S. 112, befürwortet die <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong> eines Verwaltungsrates,<br />

insbesondere eines Delegierten, der einen deliktisch ausgerichteten Beschluss ausführt.<br />

782<br />

POSECK, S. 159.<br />

783<br />

SCHAAL, S. 181.<br />

784<br />

HURTADO POZO, N 811; REHBERG/DONATSCH, § 15 Ziff. 1.32, S. 147; TRECHSEL/NOLL, § 31 B.<br />

Ziff. 1 lit. a), S. 195.


5. Kapitel II. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> vorsätzlicher Deliktsbegehung<br />

einem „dolus subsequens“ auszugehen — die Tatausführungsphase ist ja noch nicht<br />

abgeschlossen 785 — sondern von einem „dolus superveniens“ 786 , weil die Tatausführungsphase<br />

erst begonnen hat. Hilft das Gremiumsmitglied dem angewiesenen<br />

Mitar<strong>bei</strong>ter, der den Beschluss ausführt, nur in untergeordneter Art und Weise kann u. U.<br />

doch eine Gehilfenschaft dieses Gremiumsmitgliedes angenommen werden.<br />

Muss das Verhalten der Gremiumsmitglieder insgesamt als Anstiftung qualifiziert<br />

werden, so ist das gegen den deliktisch ausgerichteten Antrag stimmende Gremiumsmitglied<br />

infolgedessen auch als Täter zu qualifizieren, falls es den deliktisch ausgerichteten<br />

Beschluss (mit-)ausführt. <strong>Die</strong>ses Gremiumsmitglied kann aber auch als Anstifter und<br />

Angestifteter zugleich qualifiziert werden, wenn es vom Gesamtgremium beauftragt<br />

wird, einem Mitar<strong>bei</strong>ter die Weisung zur Ausführung des deliktisch ausgerichteten<br />

Beschlusses zu erteilen. In diesem Fall liegt eine Kettenanstiftung vor 787 . Wenn der<br />

Sachverhalt als mittelbare Täterschaft zu qualifizieren ist, hängt es hinsichtlich der<br />

Qualifikation des gegen den Antrag stimmenden Gremiumsmitgliedes davon ab, wie sich<br />

dieses Gremiumsmitglied im betreffenden Sachverhaltsabschnitt verhält.<br />

(3) Unterlassung des Vorgehens gegen die Ausführung bzw. gegen<br />

die Umsetzung des deliktisch ausgerichteten Beschlusses<br />

i) Qualifizierung der Unterlassung als Gehilfenschaft<br />

Das gegen den Antrag stimmende Gremiumsmitglied, welches den Gremiumsbeschluss<br />

nicht aktiv ausführt, kann diesbezüglich nicht als Täter qualifiziert werden. Indem es<br />

jedoch die anderen Gremiumsmitglieder gewähren lässt, billigt es das Tun des Gremiums<br />

und jener Personen, die den Gremiumsbeschluss ausführen. <strong>Die</strong> blosse Billigung oder<br />

Duldung der strafbaren Haupttat ist indes nicht strafbar. Gemäss SCHULTZ ist das<br />

ausdrückliche Billigen des Entschlusses zur Tat jedoch u. U. als psychische Gehilfenschaft<br />

zu werten 788 . „Blosse Mitwisserschaft begründet diese Rechtspflicht nicht“ 789 . Da<br />

dies keine Handlung im Sinne einer aktiven Förderung darstellt, müsste eine Verpflichtung<br />

als Garant 790 zum Eingreifen vorhanden sein. Eine solche konkrete Pflicht ist<br />

erforderlich, damit sich das Gremiumsmitglied gezwungen sieht, die Ausführung bzw.<br />

die Umsetzung des deliktisch ausgerichteten Beschlusses zu verhindern 791 . Trotz Tat-<br />

785<br />

Vgl. TRECHSEL/NOLL, § 23 C. Ziff. 3, S. 101: „Dolus subsequens“ ist der Vorsatz, der erst nach der<br />

Tat entsteht. Vgl. auch HURTADO POZO, N 772.<br />

786<br />

Vgl. TRECHSEL/NOLL, § 23 C. Ziff. 3, S. 101: „Dolus superveniens“ ist der während der Tat<br />

entstehende Vorsatz.<br />

787<br />

Siehe 5. Kapitel II.B.2.e)(2).<br />

788<br />

SCHULTZ, AT I, S. 297; vgl. auch NEUENSCHWANDER-HESSE, S. 57 f.; BGE 70 IV 19.<br />

789<br />

TRECHSEL/NOLL, § 31 D. Ziff. 2, S. 212. Vgl. auch BGE 79 IV 145 ff.<br />

790<br />

REHBERG/DONATSCH, § 14 Ziff. 2.1, S. 131; GRAVEN/STRÄULI, N 223, S. 291 f.; HURTADO POZO,<br />

N 814; KILLIAS; N 621; SCHILD TRAPPE, Gehilfenschaft, S. 124, S. 138; STRATENWERTH, AT I,<br />

§ 15 N 15; TRECHSEL/NOLL, § 31 D. Ziff. 2, S. 212.<br />

791<br />

Vgl. EIDAM, S. 261.<br />

151


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

macht muss sodann nicht dagegen eingeschritten werden. „Unterlassenes Einschreiten<br />

gegen das Delikt eines anderen durch einen Garanten für das davon betroffene Rechtsgut<br />

ist als Gehilfenschaft zu erfassen“ 792 .<br />

Ein Gremiumsmitglied ist <strong>bei</strong> Vorliegen aller nachfolgend zu überprüfenden<br />

Voraussetzungen 793 bezüglich seiner eigenen 794 Garantenstellung und Garantenpflicht<br />

u. U. als Gehilfe 795 zu qualifizieren, wenn es nicht das in seiner Macht stehende gesellschaftsrechtlich<br />

Machbare gegen die Ausführung bzw. die Unterlassung des deliktisch<br />

ausgerichteten Beschlusses der anderen Gremiumsmitglieder unternimmt.<br />

152<br />

ii) Keine Garantenstellung auf Grund des eigenen Vorverhaltens<br />

Eine <strong>Verantwortlichkeit</strong> aus eigenem, Gefahr schaffendem Vorverhalten — indem es als<br />

Garant durch sein Tun eine Gefahr geschaffen oder eine solche vergrössert hat 796 —,<br />

kann dem Gremiumsmitglied im Hinblick auf die Abstimmung nicht entgegengehalten<br />

werden, da es sich an der Abstimmung ja gerade korrekt verhalten hat 797 . Auch<br />

FRANZHEIM ist der Meinung, dass das Abstimmen gegen eine mit Strafe bedrohte Handlung<br />

nicht pflichtwidrig sei, weshalb das betreffende Gremiumsmitglied aus Ingerenz<br />

nicht zum Handeln verpflichtet werden könne 798 .<br />

iii) Teilweise Pflicht, gegen Straftaten der anderen Gremiumsmitglieder<br />

vorzugehen<br />

Das geltende schweizerische Strafrecht kennt keine generelle Vorschrift zur Hilfeleistung<br />

zu Gunsten irgendwelcher gefährdeter Rechtsgüter 799 . Eltern sind z. B. nicht dazu angehalten,<br />

die Straftaten ihrer erwachsenen Kinder zu verhindern, da es keine allgemeine<br />

Pflicht gibt, jemanden am Delinquieren zu hindern 800 . Auch ein Ehegatte, der seinen<br />

792<br />

DONATSCH, Art. 9 StGB (Hervorhebungen durch den Autor selbst). Vgl. auch BGE 118 IV 313; 79<br />

IV 147; 87 IV 49. Gemäss REHBERG/DONATSCH, § 31 Ziff. 2.32, S. 272, und SEELMANN,<br />

Kommentar, N 103 zu Art. 1 StGB, ist Gehilfenschaft durch Unterlassung jedoch umstritten.<br />

793<br />

Nachfolgend wird in 5. Kapitel II.F.3.c)(3)ii) ff. untersucht, wann dies der Fall sein könnte.<br />

794<br />

Davon zu unterscheiden ist die Garantenstellung „der Gremiumsmitglieder in globo“ (siehe 5.<br />

Kapitel II.C.3) im Hinblick auf die Abstimmung <strong>bei</strong> einem als Unterlassung qualifizierten Gesamtsachverhalt.<br />

Dem Gremium — d. h. den Gremiumsmitgliedern in globo — obliegt eine Verpflichtung<br />

zum „richtigen“ Handeln. Das einzelne Gremiumsmitglied kann nicht alleine „in globo“ für das<br />

Gesamtgremium handeln. <strong>Die</strong> Garantenpflicht trifft zwar jedes einzelne Gremiumsmitglied, doch<br />

über die Tatmacht verfügen sie <strong>bei</strong> Gesamtgremiumsentscheidungen nur alle gemeinsam.<br />

795<br />

Siehe 5. Kapitel II.F.3.c)(3)iv).<br />

796<br />

Vgl. BGE 108 IV 5.<br />

797<br />

NEUDECKER, S. 248.<br />

798<br />

FRANZHEIM, S. 1837.<br />

799<br />

BGE 106 IV 278. Vgl. BGE 74 IV 164 ff. und 86 IV 218 ff. betreffend Unterlassung der<br />

Strafanzeige durch einen zur Anzeige verpflichteten Jagdaufseher; BGE 121 IV 384 betreffend die<br />

Unterlassung der Meldepflicht gemäss Art. 21 Abs. 1 BankV. DONATSCH, Garantenpflicht, S. 346.<br />

800<br />

BGE 79 IV 147. Vgl. auch BGE 120 IV 140: „Il n'a pas l'obligation juridique de collaborer à<br />

l'arrestation de son épouse.“ BGE 103 IV 247 ff.


5. Kapitel II. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> vorsätzlicher Deliktsbegehung<br />

Partner nicht an der Begehung einer Straftat hindert, verletzt dadurch keine Pflicht zur<br />

Abwehr von Gefahren 801 . (Zivilrechtliche) Nebenpflichten — wie Anzeige, Aufklärung,<br />

Rücksichtnahme etc. —, die sich teilweise auf das Gesetz, vielfach aber auch nur auf den<br />

Grundsatz von Treu und Glauben stützen, genügen nicht zur Annahme einer<br />

Garantenstellung 802 .<br />

In BGE 113 IV 75 hat das Bundesgericht darauf hingewiesen, „dass gemäss Art. 6<br />

Abs. 2 VStrR im Rahmen des Geltungsbereiches dieser Bestimmung nur die Pflicht<br />

besteht, Gesetzesverletzungen von Untergebenen, Beauftragten oder Vertretern abzuwenden,<br />

nicht aber solche von gleich- oder übergeordneten Personen. Auch wenn diese<br />

Bestimmung im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, kann aus ihr hergeleitet werden,<br />

dass der Gesetzgeber prinzipiell eine Pflicht, gegen gleich- oder höhergestellte<br />

Mitar<strong>bei</strong>ter vorzugehen, verneint. Davon darf nur abgewichen werden, wenn sich aus<br />

anderen Gründen klar die Voraussetzungen einer Garantenstellung ergeben.“ <strong>Verantwortlichkeit</strong><br />

für das Handeln anderer Personen ist gemäss SEELMANN nur <strong>bei</strong> Vorliegen von<br />

Autoritätsstellungen oder <strong>bei</strong> einer überlegenen Wissens- oder Organisationsherrschaft<br />

denkbar 803 . <strong>Die</strong> Gremiumsmitglieder stehen funktionsmässig alle auf der gleichen Stufe.<br />

Deshalb nimmt niemand eine Autoritätsstellung gegenüber dem anderen ein. Eine<br />

Betriebsgemeinschaft <strong>bei</strong>nhaltet keine Obhutspflicht des Ar<strong>bei</strong>tnehmers für das Vermögen<br />

des Ar<strong>bei</strong>tgebers 804 , weshalb sich daraus auch keine Garantenstellung herleiten<br />

lässt.<br />

Gemäss SCHMID „ergibt sich deshalb eine Garantenpflicht der Verwaltung der AG<br />

aus Art. 55, Art. 722 805 und 754 OR und damit grundsätzlich die Pflicht, die im Tätigkeitsbereich<br />

der AG von den für diese Handelnden in Ausführung oder Vorbereitung<br />

begriffenen Delikte im Rahmen des Möglichen zu verhindern. <strong>Die</strong>s gilt auch für die<br />

Mitglieder eines aus mehreren Personen bestehenden Verwaltungsrates, die sich selbst<br />

nicht an einem ein Delikt einleitenden Beschluss beteiligen, indem sie sich der Stimme<br />

enthalten und den Dingen so den Lauf lassen, ebenso wie für jene Mitglieder, die sich in<br />

Kenntnis eines Antrags, der einen Straftatbestand enthält, durch Fernbleiben von der<br />

Sitzung um die Verantwortung drücken wollen“ 806 .<br />

801 RIKLIN, § 19 N 16; TRECHSEL/NOLL, § 34 C. Ziff. 3 lit. b), S. 243.<br />

802 STRATENWERTH, AT I, § 14 N 16, ist der Ansicht, <strong>bei</strong> einer langen und engen Vertragsbeziehung<br />

bzw. <strong>bei</strong> gesteigertem Vertrauen könnten Nebenpflichten allenfalls eine Garantenpflicht hervorrufen.<br />

<strong>Die</strong> Missachtung zivilrechtlicher Anzeigepflichten hat keine <strong>strafrechtliche</strong>n Konsequenzen, ausser<br />

wenn diese gesetzlich verankert sind, vgl. SCHMID, Aspekte, S. 169. Eine gesetzliche Meldepflicht<br />

ergibt sich z. B. für der Geldwäscherei verdächtige Sachverhalte aus Art. 9 Abs. 1 GwG. GRABER,<br />

N 14 zu Art. 9 GwG, weist darauf hin, dass der Verdacht jedoch begründet sein, d. h. ein an Sicherheit<br />

grenzendes Ausmass annehmen müsse.<br />

803 SEELMANN, Kommentar, N 84 zu Art. 1 StGB.<br />

804 SEELMANN, Kommentar, N 75 zu Art. 1 StGB.<br />

805 Art. 722 OR ist seit der Revidierung des Aktienrechts Art. 717 OR.<br />

806 SCHMID, Wirtschaftsdelikte, S. 111. Vgl. auch DONATSCH, Geschäftsbesorgung, S. 14; siehe auch 5.<br />

Kapitel II.C.3.b) und 5. Kapitel II.C.3.c). Wird eine Garantenpflicht nur auf Grund einer dieser<br />

Artikel begründet, besteht die Gefahr, dass die <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong> einer Person ins<br />

Uferlose ausgedehnt wird, vgl. BGE 113 IV 76. Es ist daher nicht empfehlenswert, zivilrechtliche<br />

153


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

Gemäss einem Teil der Lehre genügt Art. 717 Abs. 1 OR als gesetzliche Grundlage<br />

nicht, um daraus eine allgemeine Garantenstellung abzuleiten 807 . DONATSCH vertritt den<br />

Standpunkt, dass sich erst aus der Kombination von Art. 716a Abs. 1 OR und Art. 717<br />

Abs. 1 OR eine Pflicht zur Verhinderung von Straftaten derjenigen Personen ergebe, die<br />

für die Gesellschaft handeln. Der Verwaltungsrat ist als Garant für die Gesellschaftsinteressen<br />

anzusehen 808 .<br />

Betreffend die Geschäftsleitungsmitglieder ist darauf hinzuweisen, dass Art. 717 OR<br />

(Art. 722 aOR) diese zwar auch nennt, doch ist Art. 716a nur auf den Verwaltungsrat<br />

anwendbar. Es ist somit nicht eindeutig klar, ob allfällige gegenseitige Überwachergarantenpflichten<br />

von Geschäftsleitungsmitgliedern bestehen. Mit den Geschäftsleitungsmitgliedern<br />

wird jedoch zusätzlich ein Ar<strong>bei</strong>tsvertrag 809 abgeschlossen, weil sie kein<br />

Mandat übernommen haben — wie dies <strong>bei</strong> den Verwaltungsratsmitgliedern der Fall ist.<br />

Über den Art. 321a OR, die ar<strong>bei</strong>tsrechtlichen Treuepflicht, gelangt SCHMID jedoch zum<br />

gleichen Ergebnis wie <strong>bei</strong> der Anwendung von Art. 722 aOR (heutiger Art. 717 OR) 810 .<br />

FLACHSMANN dagegen ist der Ansicht, dass Art. 321a OR zwar die Sorgfalts-, Treue-<br />

und Geheimhaltungspflicht des Ar<strong>bei</strong>tnehmers festlege, dass dieser Artikel allein jedoch<br />

nicht zur Ableitung einer Garantenstellung gegenüber der Gesellschaft herangezogen<br />

werden könne. Dazu sei eine „vertraglich fundierte Garantenstellung“ notwendig 811 .<br />

Auch das Bundesgericht bezeichnet die ar<strong>bei</strong>tsrechtliche Treuepflicht nicht als<br />

Garantenpflicht, weil nur eine qualifizierte Rechtspflicht die Grundlage einer Garantenstellung<br />

bilden könne. Aus Art. 321a Abs. 1 OR lasse sich deshalb keine Garantenpflicht<br />

ableiten, weil die Nebenpflichten, die dem Ar<strong>bei</strong>tnehmer obliegen, in Art. 321b und<br />

Art. 321c OR gesetzlich nur teilweise konkretisiert seien. <strong>Die</strong>se Nebenpflichten müssen<br />

somit im Einzelfall näher ausgeführt werden 812 . Eine Garantenpflicht der Geschäftsleitungsmitglieder<br />

für das Vermögen des Unternehmens kann deshalb nur aus Verträgen<br />

Pflichten zu <strong>strafrechtliche</strong>n Garantenpflichten zu erklären, vgl. GRÜNEWALD, S. 29 ff., 47 ff.;<br />

SEELMANN, Kommentar, N 68 zu Art. 1 StGB. Vgl. auch TRECHSEL/NOLL, § 34 Ziff. C. Ziff. 3 lit.<br />

e), S. 246, die darauf hinweisen, dass Regeln über zivilrechtliche Haftung nicht automatisch eine<br />

<strong>strafrechtliche</strong> Garantenpflicht begründen.<br />

807<br />

LÜTOLF, S. 73; SCHULTZ, Rechtsprechung 1970, S. 451 f.; SCHUBARTH, Geschäftsherrn, S. 370 ff.,<br />

insbes. S. 392 ff.; VEST, S. 302. Hinsichtlich Art. 55 OR ist vorzubringen, dass diese Norm nur als<br />

Rechtsgrundlage für Schadenersatzansprüche im Verhältnis zu einem Dritten als Geschädigten für<br />

fehlerhaftes Verhalten einer Hilfsperson angesehen wird. Eine Pflicht, Delikte zu verhindern oder<br />

bestimmte Gefahrenquellen zu überwachen, könne daraus nicht hergeleitet werden, vgl. KRAUSS,<br />

S. 44; OERTLE, S. 88 f.<br />

808<br />

DONATSCH, Geschäftsbesorgung, S. 14: Dazu gehören auch Vermögensinteressen.<br />

809<br />

Betreffend Ausschussmitglieder ist auf die Ausführungen betreffend die Verwaltungsratsmitglieder<br />

zu verweisen, da ein Ausschuss aus Verwaltungsratsmitgliedern besteht. Siehe dazu auch 2. Kapitel<br />

I.C.3.c).<br />

810<br />

SCHMID, Aspekte, S. 168.<br />

811<br />

FLACHSMANN, S. 36.<br />

812<br />

BGE 113 IV 73 f. : „Nur wenn diese Konkretisierung eine besondere Rechtsstellung des Ar<strong>bei</strong>tnehmers<br />

zum Schutze des Vermögens des Ar<strong>bei</strong>tgebers ergibt, kommt eine Garantenpflicht in<br />

Frage.“<br />

154


5. Kapitel II. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> vorsätzlicher Deliktsbegehung<br />

abgeleitet werden, die zugleich auch Vertrauensverhältnisse begründen 813 . Im Ar<strong>bei</strong>tsvertrag<br />

müssen folglich die Pflichten der Ar<strong>bei</strong>tnehmer gegenüber der Gesellschaft direkt<br />

geregelt werden. Der Schutz des betroffenen Rechtsgutes oder die Abwehr von Gefahren<br />

muss den eigentlichen Vertragsgegenstand bilden, d. h. eine „Hauptpflicht“ darstellen 814 .<br />

Besteht eine solche Pflicht 815 , hat der Garant auch gegen Handlungen anderer Personen<br />

vorzugehen, falls diese das Vermögen des Unternehmens gefährden oder schädigen<br />

(können).<br />

Geklärt werden muss, ob das Gremiumsmitglied auch gegen Delikte gegen aussenstehende<br />

Dritten vorzugehen hat. SCHMID geht auf Grund von Pra. 76 (1987) Nr. 247,<br />

S. 860 ff. (= BGE 113 IV 68 f.) davon aus, dass ein Ar<strong>bei</strong>tnehmer <strong>bei</strong> Delikten von<br />

gleichgeordneten Angestellten in deren eigenem <strong>Verantwortlichkeit</strong>sbereich nicht einzuschreiten<br />

habe. <strong>Die</strong>s gelte auch für Organe 816 . Das Bundesgericht hält in BGE 113 IV<br />

68 f. fest 817 , dass hier<strong>bei</strong> auf die Kompetenzzuweisung abzustellen sei, daher sei eine<br />

Garantenstellung nur im Bereiche der eigenen Kompetenz möglich. Eine Beschränkung<br />

der Garantenstellung auf den Sektor der eigenen Zuständigkeit ist aber <strong>bei</strong> Gesamtzuständigkeit<br />

nicht möglich. Somit ist das Gremiumsmitglied <strong>bei</strong> einem gemeinsamen<br />

Aufgabenbereich e contrario verpflichtet, einzugreifen. Zudem weist die Lehre darauf<br />

hin, das einzelne Gremiumsmitglied habe <strong>bei</strong> Gesamtzuständigkeit die gleiche Pflicht wie<br />

ein Einzelkaufmann für sein Unternehmen 818 .<br />

Verlangt wird somit ein aktives Eintreten zum Schutz der bedrohten Rechtsgüter.<br />

Deshalb kommt es darauf an, ob man davon ausgehen darf, dass die Stimmabgabe gegen<br />

813 TRECHSEL/NOLL, § 34 C. Ziff. 3 lit. c), S. 242.<br />

814 RIKLIN, § 19 N 17; SCHULTZ, AT I, S. 141; STRATENWERTH, AT I, § 14 N 16.<br />

815 <strong>Die</strong> Garantenpflicht entsteht indes nicht allein durch den Vertrag. Der Garant muss auch tatsächlich<br />

in das Obhutsverhältnis eintreten. Da<strong>bei</strong> wird an die tatsächliche Übernahme der Schutzpflicht<br />

angeknüpft. <strong>Die</strong>se hängt nicht davon ab, ob der Vertrag rechtmässig oder rechtswidrig ist, vgl.<br />

GRAVEN/STRÄULI, N 51 E. lit. b), S. 81; REHBERG/DONATSCH, § 30 Ziff. 2.111 lit. c), S. 262;<br />

SCHULTZ, AT I, S. 141; SEELMANN, AT, S. 85; SEELMANN, Kommentar, N 66 zu Art. 1 StGB;<br />

STRATENWERTH, AT I, § 14 N 16. TRECHSEL/NOLL, § 34 C. Ziff. 3. lit. c), S. 245, beschreiben ein<br />

treffendes Beispiel: Wenn der Bergführer nicht zur Tour erscheint und der Kunde sich allein<br />

aufmacht, ist der erstere nicht für den Tod des letzteren verantwortlich, weil das Obhutsverhältnis<br />

tatsächlich noch gar nicht bestand. <strong>Die</strong> freiwillige Übernahme von Aufgaben zum Schutz von<br />

Rechtsgütern ohne Vertrag führt nicht zu einer Garantenstellung, vgl. REHBERG/DONATSCH, § 30<br />

Ziff. 2.111 lit. c), S. 262. <strong>Die</strong> Zuweisung von Befugnissen ist der Ausgangspunkt, der zu einer<br />

Garantenstellung im Bereich der eigenen Kompetenz führt, vgl. FORSTER, N 24 der Vorbem. zu<br />

Art. 24 StGB. Vgl. auch BGE 122 IV 126 ff. insbesondere 128; 113 IV 76.<br />

816 SCHMID, Aspekte, S. 168.<br />

817 Es ist auch darauf hinzuweisen, dass das Bundesgericht in BGE 113 IV 73 von Folgendem ausging:<br />

„Auch die Vorinstanz leitet aus der Stellung des Beschwerdeführers und seiner Ar<strong>bei</strong>tsvertraglichen<br />

Verpflichtungen seine Pflicht her, für das Vermögen seiner Ar<strong>bei</strong>tgeberin zu sorgen und deshalb<br />

gegen die Veruntreuungen des A. gegebenenfalls durch Anzeige <strong>bei</strong> der Direktion einzuschreiten.<br />

Sie nimmt also nicht eine Überwachungspflicht im Sinne der genannten Unterscheidung an, geht<br />

also nicht davon aus, der Beschwerdeführer sei verpflichtet gewesen, seinen Ar<strong>bei</strong>tskollegen A. zu<br />

überwachen und aus diesem Grunde gegen dessen Veruntreuungen einzuschreiten.“<br />

818 NEUDECKER, S. 206 m. w. H. in N 63; CRAMER/STERNBERG-LIEBEN, N 223 zu § 15 dStGB, S. 319;<br />

SCHMIDT-SALZER, Strafrechtliche Produktverantwortung, S. 1940.<br />

155


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

einen deliktisch ausgerichteten Antrag genügt, um einer <strong>strafrechtliche</strong>n <strong>Verantwortlichkeit</strong><br />

zu entgehen.<br />

156<br />

iv) Pflicht, gegen Straftaten untergebener Mitar<strong>bei</strong>ter vorzugehen<br />

— Geschäftsherrenhaftung<br />

Das Strafrecht kennt zwar keine allgemeine Geschäftsherrenhaftung 819 , doch kann eine<br />

Garantenpflicht aus Geschäftsherrenhaftung mit den gleichen Argumenten begründet<br />

werden wie die Garantenpflicht des Beherrschers einer Gefahrenquelle 820 . <strong>Die</strong>se<br />

Geschäftsherrenhaftung wird nur dann angewandt, wenn die Führungskräfte von sich im<br />

Gange befindlichen, strafbaren Taten von untergebenen Mitar<strong>bei</strong>tern Kenntnis haben,<br />

oder wenn sie zumindest mit deren Vornahme rechnen und nicht dagegen einschreiten.<br />

Sie ermöglichen damit durch Unterlassung die Vornahme von Straftaten durch Unterstellte<br />

821 .<br />

Auf Grund der Geschäftsherrenhaftung wird der Geschäftsherr <strong>bei</strong> Delikten der<br />

Mitar<strong>bei</strong>ter strafrechtlich u. U. sogar als Mittäter belangt, wenn er die Straftat duldend<br />

billigt und sich somit am Entschluss beteiligt 822 . In Bezug auf diesen Fall bestünde eine<br />

Rechtsungleichheit, wenn das Gremiumsmitglied <strong>bei</strong> Ausführung des Gremiumsbeschlusses<br />

durch Mitar<strong>bei</strong>ter als Mittäter, <strong>bei</strong> dessen Ausführung durch andere<br />

Gremiumsmitglieder hingegen jedoch u. U. als Gehilfe qualifiziert würde. Das<br />

Gremiumsmitglied würde zudem schwerer bestraft als ein Gremiumsmitglied, das dem<br />

deliktisch ausgerichteten Antrag zwar zugestimmt hat aber nach der Beschlussfassung<br />

zurücktritt. Der Gremiumsbeschluss muss somit eine „Sperrwirkung“ <strong>bei</strong>nhalten, denn<br />

die Geschäftsherrenhaftung geht davon aus, dass die Mitar<strong>bei</strong>ter von sich aus kriminell<br />

werden, d. h. ohne Anweisung der vorgesetzten Stufe. Wird dieser Umstand beachtet,<br />

kann das gegen den deliktisch ausgerichteten Antrag stimmende Gremiumsmitglied auch<br />

hier höchstens Gehilfe sein 823 .<br />

819 Siehe 5. Kapitel II.C.2.c).<br />

820 REHBERG/DONATSCH, § 31 Ziff. 2.2, S. 275.<br />

821 REHBERG/DONATSCH, § 31 Ziff. 1, S. 274.<br />

822 Vgl. BGE 96 IV 173 f. TRECHSEL/NOLL, § 34 D. Ziff. 3, S. 256 ff., weisen darauf hin, dass der<br />

Geschäftsherr auf Grund seiner Autorität und Befehlsmacht verpflichtet sei, Delikte von Mitar<strong>bei</strong>tern<br />

zu unterbinden. Wisse der Vorgesetzte, dass seine untergebenen Mitar<strong>bei</strong>ter Straftaten begehen<br />

würden und könnte er diese verhindern, sei von Tatherrschaft des Vorgesetzten auszugehen, so dass<br />

nicht nur Gehilfenschaft sondern sogar Mittäterschaft vorliege. Wenn er die Straftaten billige,<br />

beteilige er sich am Tatplan der Mitar<strong>bei</strong>ter. Gemäss REHBERG/DONATSCH, § 31 Ziff. 2.2, S. 278, ist<br />

eine Mittäterschaft zwischen dem Vorgesetzten und dem untergebenen Mitar<strong>bei</strong>ter nicht üblich, da<br />

ein gemeinsamer Tatplan fehle, so dass eher von Nebentäterschaft oder Gehilfenschaft auszugehen<br />

sei. In unserem Fall ist m. E. jedoch zu bedenken, dass das (vorgesetzte) Gremium und somit die<br />

Gremiumsmitglieder schon von vornherein — also vor dem Mitar<strong>bei</strong>ter — über die Umstände der<br />

Tat im Bilde waren. In diesem Zusammenhang kann sehr wohl von einem bekannten Tatplan<br />

ausgegangen werden, und zwar sowohl auf Seiten der Gremiumsmitglieder als auch <strong>bei</strong> den<br />

ausführenden Mitar<strong>bei</strong>tern.<br />

823 Siehe 5. Kapitel II.F.3.c)(3)i).


5. Kapitel II. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> vorsätzlicher Deliktsbegehung<br />

v) Mögliche und zumutbare Abwendung der Gefahr für das bedrohte<br />

Rechtsgut<br />

Dem Gremium und nicht dem einzelnen Mitglied obliegt die Verpflichtung zum<br />

Handeln 824 . Beispielsweise ist es dem einzelnen Gremiumsmitglied nicht möglich, alleine<br />

ein fehlerhaftes Produkt zurückzurufen, da und soweit dies in die Kompetenz des<br />

gesamten Gremiums fällt. Das führt dazu, dass ein Gremiumsmitglied allein gar nicht<br />

befugt wäre, eine solche Handlung zur Abwendung der Gefahr vorzunehmen. Demzufolge<br />

müssen dem Gremiumsmitglied zur Verhinderung der Rechtsgutsverletzung<br />

Möglichkeiten gegeben sein, die es in eigener Kompetenz ausüben kann.<br />

Das Gremiumsmitglied hat sich deshalb nach der Abstimmung darum zu bemühen,<br />

dass der deliktisch ausgerichtete Gremiumsbeschluss nicht ausgeführt bzw. umgesetzt<br />

wird 825 . Gemäss einer älteren Ansicht von SCHMID muss das Gremiumsmitglied, insbesondere<br />

das Verwaltungsratsmitglied, alles unternehmen, damit der Beschluss unwirksam<br />

wird 826 .<br />

Jedes Gremiumsmitglied hat die Möglichkeit, ein Wiedererwägungsgesuch<br />

einzuleiten 827 . Dagegen wird jedoch angeführt, dass die Gremiumsmitglieder nicht zur<br />

Wiederholung der Abstimmung gebracht werden sollen, wenn diese über die Gegenargumente<br />

im Bilde sind. Nur wenn sich das Gremium gar nicht richtig mit den Argumenten<br />

befasst habe, müssten die Gegenargumente vorgebracht werden, ansonsten werde das<br />

gegen den deliktischen Antrag stimmende Gremiumsmitglied strafrechtlich verantwortlich<br />

828 .<br />

Da sich die Organisation einer Aktiengesellschaft auf gesellschaftsrechtliche Regelungen<br />

stützt, ist es geboten, dass die gesellschaftsinternen Instanzen zuerst eingeschaltet<br />

werden. POPP ist deshalb der Ansicht, dass die Gremiumsmitglieder dazu verpflichten<br />

seien, die Ausführung bzw. Umsetzung von deliktisch ausgerichteten Beschlüssen den<br />

Aufsichts- oder Kontrollorganen zu melden 829 . Ist die Geschäftsführung an Dritte delegiert,<br />

haben diese zumindest die Möglichkeit, an den Verwaltungsrat als Aufsichtsorgan<br />

824 POPP, S. 32.<br />

825 GROPP, S. 243, ist der Meinung, dass die Abwesenheit des Gremiumsmitgliedes die Beschlussfähigkeit<br />

des Gremiums verhindert hätte. Hier<strong>bei</strong> ist zu beachten, dass insbesondere Präsenzquoren<br />

nicht immer vorliegen, so dass dieser Rat von GROPP mit einer grossen Unsicherheit verbunden ist,<br />

welche ins Auge gehen könnte.<br />

826 Nach SCHMID, Wirtschaftsdelikte, S. 112, ergibt sich die Pflicht, alles Mögliche zu unternehmen,<br />

insoweit Verletzungen der Sorgfaltspflicht gemäss Art. 722 aOR (heute Art. 717 OR) und damit<br />

ungetreue Geschäftsführung nach Art. 159 aStGB (heute ungetreue Geschäftsbesorgung nach<br />

Art. 158 StGB) zum Nachteil der AG selbst zur Diskussion stehen. Doch auch Delikte zum Nachteil<br />

Dritter sollen verhindert werden.<br />

827 Siehe 2. Kapitel III.E.10.<br />

828 Nach JAKOBS, Abstimmung, S. 431, ist es da<strong>bei</strong> gleichgültig, wie das Gremiumsmitglied den<br />

Dissens vorbringt.<br />

829 POPP, S. 32; ebenso EIDAM, S. 262.<br />

157


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

zu gelangen 830 . Dadurch wird der interne Verwaltungsweg eingehalten, und allfällige<br />

strafrechtlich relevante Folgen könnten verhindert werden, zumal der Verwaltungsrat<br />

gegenüber den Mitar<strong>bei</strong>tern ein Weisungsrecht hat 831 . Handelt es sich <strong>bei</strong>m Beschlussorgan<br />

jedoch um den Verwaltungsrat — als Kontroll- und Aufsichtsorgan — ist dem<br />

einzelnen Verwaltungsratsmitglied der Weg an das höhere Gesellschaftsorgan abgeschnitten,<br />

denn die Generalversammlung hat keine Möglichkeit, Verwaltungsratsbeschlüsse<br />

anzufechten oder gar für ungültig zu erklären 832,833 . Den Verwaltungsratsmitgliedern<br />

bleibt in einem solchen Falle praktisch nur die Möglichkeit der Wiedererwägung<br />

834 .<br />

Es bleibt zu untersuchen, ob auch die Unterrichtung von Behörden zur Abwendung<br />

der strafrechtlich relevanten Folgen verlangt werden kann 835 . Da<strong>bei</strong> ist festzuhalten, dass<br />

die Anzeigepflichten gemäss Art. 725 Abs. 1 und 2 OR strafrechtlich nicht durchgesetzt<br />

werden können 836 . Das schweizerische Recht enthält im Gegensatz zu Deutschland auch<br />

keinen allgemeinen Tatbestand der unterlassenen Verbrechensanzeige. <strong>Die</strong> Einführung<br />

eines solchen Tatbestandes wurde anlässlich der vorletzten Revision des StGB ab-<br />

830 <strong>Die</strong> Geschäftsleitungsmitglieder sind als Mitar<strong>bei</strong>ter durch das Ar<strong>bei</strong>tsrecht und u. U. sogar aus einer<br />

sich aus der Treuepflicht ergebenden Pflicht zum Handeln verpflichtet, wenn Schäden und Störungen<br />

drohen oder schon eingetreten sind, vgl. REHBINDER, Kommentar, N 9 zu Art. 321a OR. Bei einer<br />

Beschlussfassung der Geschäftsleitung kann sich das einzelne Geschäftsleitungsmitglied auf Grund<br />

der aktienrechtlichen Organisation an den Verwaltungsrat wenden, welcher gemäss Art. 716a Abs. 1<br />

Ziff. 1 und 5 OR die Oberleitung und -aufsicht innehat. Der Verwaltungsrat kann in der Folge als<br />

oberste Leitungs- und Aufsichtsbehörde über das ar<strong>bei</strong>tsvertragliche Weisungsrecht (Art. 321d OR)<br />

direkten Einfluss auf den Geschäftsgang nehmen, vgl. MÜLLER/LIPP/PLÜSS, S. 113. <strong>Die</strong> Weisung<br />

des höhergestellten Verwaltungsrates geht der Weisung der untergeordneten Geschäftsleitung vor,<br />

vgl. MÜLLER/LIPP/PLÜSS, S. 101 f.; HOMBURGER, N 546; REHBINDER, Kommentar, N 15 zu<br />

Art. 321d OR. Auch der Delegierte hat die Weisungen des Gesamtverwaltungsrates (vgl. Art. 716a<br />

Abs. 1 Ziff. 1 OR welcher Art. 321d OR entspricht) zu befolgen, vgl. HOMBURGER, N 750. Ist nichts<br />

Gegenteiliges vereinbart, kann der Verwaltungsrat die Weisung direkt an den Mitar<strong>bei</strong>ter richten.<br />

<strong>Die</strong>se direkte Weisung geht einer Weisung der Geschäftsleitung vor, die dieser widerspricht, vgl.<br />

MÜLLER/LIPP/PLÜSS, S. 102 f.; REHBINDER, Kommentar, N 15 zu Art. 321d OR. Zudem hat der<br />

Verwaltungsrat die Macht, jede beliebige Person zur Geschäftsführung zu ernennen oder auch davon<br />

abzuberufen, vgl. BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 359 ff.<br />

831 MÜLLER/LIPP/PLÜSS, S. 113.<br />

832 BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 145; MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, § 16 N 182. Der<br />

einzelne Aktionär hat lediglich die Möglichkeit Verwaltungsratsmitglieder abzuwählen, vgl. Art. 698<br />

Abs. 2 Ziff. 2 sowie Art. 689 Abs. 1 OR und Schadenersatzansprüche geltend zu machen, vgl.<br />

MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, § 16 N 182.<br />

833 Zudem würde es meist auch aus zeitlichen Gründen keinen Erfolg erbringen, denn um eine Generalversammlung<br />

einzuberufen, ist eine Frist von 20 Tagen erforderlich. Bis die Generalversammlung<br />

einberufen worden wäre, könnte der Gremiumsbeschluss schon längstens ausgeführt bzw. umgesetzt<br />

worden sein.<br />

834 Vgl. KRNETA, N 990, der darauf hinweist, dass die Verwaltungsratsmitglieder die Möglichkeit der<br />

Wiedererwägung hätten, wo<strong>bei</strong> jedes Gremiumsmitglied das Recht habe, die Einberufung einer<br />

Sitzung zu verlangen. KRNETA, N 903 ff., macht des Weiteren darauf aufmerksam, dass die<br />

Einberufung <strong>bei</strong>m Präsidenten einzureichen sei. Bei dessen Weigerung die Sitzung einzuberufen,<br />

könne der Richter angerufen werden. Infolgedessen führt dies in einem konkreten Fall u. U. dazu,<br />

dass bis dahin die strafrechtlich relevanten Folgen schon eingetreten sind.<br />

835 GROSSE VORHOLT, N 96; RANSIEK, Unternehmensstrafrecht, S. 76.<br />

836 Vgl. KESSELBACH, S. 209.<br />

158


5. Kapitel II. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> vorsätzlicher Deliktsbegehung<br />

gelehnt 837 . <strong>Die</strong> Strafanzeige <strong>bei</strong> einer Behörde ist zudem dem Ar<strong>bei</strong>tnehmer gemäss<br />

Ar<strong>bei</strong>tsrecht nur in engen Grenzen gestattet 838 . Aus der Treuepflicht nach Art. 321a<br />

Abs. 1 OR ergibt sich eine ar<strong>bei</strong>tsvertragliche Unterlassungspflicht — für die Verwaltungsratsmitglieder<br />

ergibt sich diese Treuepflicht aus Art. 717 Abs. 1 OR —, gemäss<br />

welcher der Ar<strong>bei</strong>tnehmer alles zu unterlassen hat, was den Ar<strong>bei</strong>tgeber wirtschaftlich<br />

schädigen kann. Dazu gehört z. B., dass er Dritten keine Mitteilungen macht, die den Ruf<br />

oder den Kredit des Unternehmens gefährden, selbst wenn sie wahr sind, und dass er<br />

auch Anzeigen an Behörden unterlässt 839 . SCHMID ist der Ansicht, dass von einem<br />

Gremiumsmitglied nicht verlangt werden könne, dass dieses das angestrebte Delikt im<br />

Falle eines deliktisch ausgerichteten Gremiumsbeschlusses durch Einschaltung der<br />

Strafverfolgungsbehörden zu verhindern versuche. Auch aus einer allenfalls bestehenden<br />

Garantenpflicht könne keine solche Pflicht abgeleitet werden 840 .<br />

<strong>Die</strong> gebotene Handlung muss dem Garanten zudem zumutbar sein. Sie wird jedoch<br />

dann unzumutbar, wenn dessen eigene Interessen dadurch eine erhebliche Beeinträchtigung<br />

erfahren würden. <strong>Die</strong> Vornahme eigener Handlungen gegen die Mehrheit der<br />

Gremiumsmitglieder erfolgt in selbstverantwortlicher Weise und auf eigenes Risiko. <strong>Die</strong><br />

finanziellen und beruflichen Konsequenzen, die den eigenmächtig Handelnden treffen<br />

können, sollen deshalb der Zumutbarkeit entgegenstehen 841 . Selbst das Risiko einer Kündigung<br />

seitens der Gesellschaft aus wichtigem Grund (gemäss Art. 337 OR) muss mit<br />

einbezogen werden 842 . Doch auch hier kann nicht argumentiert werden, dem Gremiumsmitglied<br />

sei aus Angst um den Ar<strong>bei</strong>tsplatz zuzugestehen, nichts zu tun. Droht dem<br />

Gremiumsmitglied jedoch eine Verurteilung auf Grund einer Verletzung von Art. 162<br />

StGB — Verletzung des Geschäftsgeheimnisses — darf das Einschreiten als unzumutbar<br />

qualifiziert werden. POPP sieht in der allenfalls bestehenden Handlungspflicht und den<br />

betrieblichen Interessen am Vollzug des Beschlusses eine Pflichtenkollision 843,844 . AEPPLI<br />

837 Vgl. § 138 und § 139 dStGB. Vgl. das StGB. SCHULTZ, Revision, S. 455, weist darauf hin, dass die<br />

Einführung eines solchen Tatbestandes schon anlässlich der letzten Revision des StGB abgelehnt<br />

worden sei.<br />

838 Vgl. REHBINDER, Ar<strong>bei</strong>tsrecht, § 8 N 124.<br />

839 REHBINDER, Ar<strong>bei</strong>tsrecht, § 8 N 124. BGE 117 II 74 bringt zum Ausdruck, dass eine wirtschaftliche<br />

Schädigung des Ar<strong>bei</strong>tgebers zu unterlassen sei.<br />

840 SCHMID, Aspekte, S. 159.<br />

841 HÖHFELD, S. 96; RANSIEK, Unternehmensstrafrecht, S. 76.<br />

842 Vgl. auch NEUDECKER, S. 198.<br />

843 POPP, S. 32. EIDAM, S. 262, vertritt die Meinung, <strong>bei</strong> Gefahren für Leib und Leben sei der Gang an<br />

die Öffentlichkeit von Nöten.<br />

844 <strong>Die</strong>se Pflichtenkollision ist zwar nicht in Art. 34 StGB geregelt, doch hat es eine ähnliche Bewandtnis<br />

wie mit den Notstandsregelungen. Eine Pflichtenkollision liegt dann vor, wenn zwei oder<br />

mehrere Rechtspflichten in einer Situation derart zusammentreffen, dass der Verpflichtete keine von<br />

diesen Rechtspflichten erfüllen kann, ohne da<strong>bei</strong> die andere zu verletzen, vgl. SEELMANN,<br />

Kommentar, N 97 zu Art. 1 StGB; STRATENWERTH, AT I, § 10 N 63 ff. Eine Pflichtenkollision liegt<br />

aber auch dann vor, wenn jemand den Tatbestand eines Begehungsdeliktes erfüllt, da sich nur auf<br />

diese Art und Weise der Verstoss gegen ein anderes <strong>strafrechtliche</strong>s Verbot vermeiden lässt. Werden<br />

durch die Verletzung einer Verbotsvorschrift wichtigere Interessen geschützt, wird diese Handlung<br />

als gerechtfertigt angesehen, vgl. REHBERG/DONATSCH, § 22 Ziff. 4.1, S. 212, insbesondere wenn<br />

159


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

geht aber von einer Redepflicht aus, wenn ein Gremiumsmitglied Unwahrheiten i. S. v.<br />

Art. 152 und Art. 153 StGB verbreitet 845 . Auf Grund von Art. 9 Abs. 1 GwG besteht eine<br />

Meldepflicht des Finanzintermediärs, Vorkommnisse der Geldwäschereimeldestelle mitzuteilen.<br />

Gemäss Art. 11 GwG zieht diese Meldepflicht einen Haftungsausschluss nach<br />

sich 846 . In Bezug auf diesen Fall kann sich ein Gremiumsmitglied strafbar machen, wenn<br />

es der Meldepflicht nicht nachkommt 847 . Das Melderecht gemäss Art. 305 ter Abs. 2 StGB<br />

wird als besonderer Rechtfertigungsgrund im Sinne von Art. 32 StGB anerkannt 848 .<br />

Damit werden das Bank-, Post-, Berufs- und Geschäftsgeheimnis durchbrochen.<br />

Demnach hat eine Rechtsgüterabwägung zu erfolgen. Sind die bedrohten Rechtsgüter<br />

höher einzuschätzen als die individuellen Interessen des Gremiumsmitgliedes, ist eine<br />

eigenständige Handlung zur Bewahrung der fremden Rechtsgüter geboten und zumutbar.<br />

Demzufolge ist im Einzelfall abzuklären, ob dem überstimmten Gremiumsmitglied<br />

überhaupt möglich und zumutbar ist, eine Rechtsgüterverletzung zu verhindern 849 .<br />

160<br />

d) Zusammenfassung<br />

Durch seine Ablehnung des deliktisch ausgerichteten Antrags gibt das Gremiumsmitglied<br />

zu verstehen, dass es sich damit nicht identifizieren will. Es ist dann strafrechtlich<br />

verantwortlich, wenn es den deliktisch ausgerichteten Beschluss (mit-)ausführt. Falls es<br />

ihn selbst ausführt, ist es als Täter verantwortlich, da es ja die Tatbestandsmerkmale<br />

selbst erfüllt, weswegen in diesem Fall von sukzessiver Mittäterschaft auszugehen ist. In<br />

gewissen Fällen ist auch von einer Teilnehmerstellung des gegen den Antrag stimmenden<br />

Gremiumsmitgliedes i. S. einer Anstiftung auszugehen. Das Gremiumsmitglied kann<br />

seine Handlung nicht dadurch rechtfertigen, dass es <strong>bei</strong> einer Mehrheitsentscheidung<br />

unterlegen war.<br />

Im Bereich seiner eigenen Kompetenz hat das Gremiumsmitglied eine Garantenstellung,<br />

wo<strong>bei</strong> zu beachten ist, dass alle Gremiumsmitglieder insgesamt für den gleichen<br />

Zuständigkeitsbereich verantwortlich sind. Bei Gesamtzuständigkeit ist jedes Gremiumsmitglied<br />

für das Ganze zuständig und somit nicht auf seinen Sektor beschränkt. Aus<br />

der Verletzung des Rechtsgutes Leib und Leben eine Verletzung von weniger hoch einzustufenden<br />

Rechtgütern gegenübersteht. <strong>Die</strong>se Kollision ist vermeidbar, wenn das Gesetz selbst eine verfahrensrechtliche<br />

Lösung aufzeigt, vgl. STRATENWERTH, § 10 N 64.<br />

845 AEPPLI, S. 91, ist der Ansicht, die Pflicht dazu habe nicht nur <strong>bei</strong> Veröffentlichung der Unwahrheiten<br />

im Namen des Gremiums, sondern auch im Namen des Täters zu erfolgen. Da<strong>bei</strong> müsse jedoch die<br />

Offenbarungspflicht dem Gremium als Organ zukommen, und die Umstände sollten ein Eingreifen<br />

zulassen.<br />

846 GRABER, N 2 f. zu Art. 11 GwG, weist darauf hin, dass der Finanzintermediär eine Anzeige vornehmen<br />

dürfe, ja sogar müsse, insofern er in begründeter Weise annehmen könne, Art. 9 GwG sei<br />

erfüllt. Darunter fällt nicht nur die Meldepflicht, sondern auch das Melderecht. Der Finanzintermediär<br />

trägt dennoch das Risiko für die nicht von Art. 11 GwG gedeckten Meldungen.<br />

847 Vgl. Art. 37 GwG.<br />

848 REHBERG, Strafrecht IV, § 96 Ziff. 2, S. 372.<br />

849 SCHMIDT-SALZER, Produkthaftung I, N 1.285.


5. Kapitel II. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> vorsätzlicher Deliktsbegehung<br />

diesem Grund ist das Gremiumsmitglied verpflichtet, <strong>bei</strong> deliktisch ausgerichteten<br />

Beschlüssen einzugreifen. Da es sich da<strong>bei</strong> um ein gesellschaftsrechtliches Gremium<br />

handelt, ist die gesellschaftsrechtliche Sichtweise mit einzubeziehen. Insbesondere steht<br />

der Umfang der Verpflichtungen des Garanten in Frage. Das Gremiumsmitglied muss das<br />

ihm Mögliche und Zumutbare unternehmen, um strafrechtlich relevante Folgen zu<br />

verhindern. <strong>Die</strong>s wird indes durch die Kompetenzen eines Gremiumsmitgliedes infolge<br />

seiner Stellung eingeschränkt. Ausserdem ist das Gremiumsmitglied nicht verpflichtet,<br />

seine Kompetenzen zu überschreiten. Würde dem unterlegenen Gremiumsmitglied die<br />

Aufgabe zugeschoben, den Beschluss und dessen Folgen eigenmächtig zu Fall zu<br />

bringen, so wäre das Gremiumsmitglied auf Grund dessen verpflichtet, eigenmächtig<br />

vorzugehen 850 , was der gesellschaftsrechtlichen Sichtweise widerspräche. Aus diesem<br />

Grund ist das Gremiumsmitglied nur dazu verpflichtet, diejenigen Vorkehrungen gegen<br />

die Ausführung bzw. gegen die Umsetzung des deliktisch ausgerichteten Beschlusses zu<br />

treffen, die ihm gesellschaftsrechtlich möglich sind, <strong>bei</strong>spielsweise ein Wiedererwägungsgesuch<br />

zu stellen und <strong>bei</strong> der Geschäftsleitung betreffend Verhalten anderer<br />

Geschäftsleitungsmitglieder Anzeige an den Verwaltungsrat zu erstatten. In Ausnahmefällen<br />

soll von weiteren Pflichten des überstimmten Gremiumsmitgliedes ausgegangen<br />

werden, falls das Risiko des Gremiumsentscheides klar auf der Hand liegt — insbesondere<br />

Bedrohung des Rechtsguts Leib und Leben — und sich die strafrechtlich<br />

relevanten Folgen dadurch verhindern lassen 851 .<br />

4. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des Gremiumsmitgliedes<br />

<strong>bei</strong> Stimmenthaltung<br />

a) Vor und <strong>bei</strong> der Abstimmung<br />

Wie oben 852 nachgewiesen, kann die Stimmenthaltung das Abstimmungsresultat beeinflussen,<br />

weshalb sie als Anknüpfungspunkt für eine <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong><br />

näher zu betrachten ist. Da<strong>bei</strong> ist zu beachten, dass Stimmenthaltungen <strong>bei</strong> der Auszählung<br />

der Stimmen für ein einfaches Mehr nicht mitgezählt werden. Bei einem<br />

absoluten und qualifizierten Mehr wirken sich die Stimmenthaltungen indes als Neinstimmen<br />

aus 853 . Erst mit dem Abstimmungsresultat zeigt sich somit die Auswirkung der<br />

Stimmenthaltung 854 . Betreffend das Verhalten vor der Abstimmung sei auf die Aussagen<br />

in 5. Kapitel II.F.3.a) verwiesen.<br />

850 WEISSER, Kausalitäts- und Täterschaftsprobleme, S. 178.<br />

851 RANSIEK, Unternehmen und Konzern, S. 648.<br />

852 Siehe 5. Kapitel I.D.6.d).<br />

853 FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 31 N 24, weisen darauf hin, dass die Stimmenthaltung <strong>bei</strong><br />

der absoluten Mehrheit „eine höfliche Art des Neinsagens“ darstelle.<br />

854 Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass der Abstimmungsmodus und die Mehrheitsberechnung<br />

schon im Voraus bekannt sind. Es ist darauf hinzuweisen, dass nur von der einfachen Mehrheit die<br />

Rede ist.<br />

161


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

Gemäss JAKOBS ist nur derjenige strafrechtlich verantwortlich, der für ein<br />

„rechtswidriges Geschäftsverhalten“ stimmt und dessen Stimme mitgezählt wird; ferner<br />

muss eine den deliktisch ausgerichteten Beschluss unterstützende Mehrheit zustande<br />

gekommen sein 855 . Gegen eine <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> Stimmenthaltung<br />

wird zudem vorgebracht, dass das Gremiumsmitglied durch seine Stimmenthaltung<br />

weder für noch gegen den deliktisch ausgerichteten Antrag gestimmt habe 856 . <strong>Die</strong> Nichtvornahme<br />

des Handlungsgebotes — d. h. der Verzicht auf eine Stimmabgabe gegen den<br />

deliktisch ausgerichteten Antrag — vermöge keine Mitverursachung der strafrechtlich<br />

relevanten Folgen her<strong>bei</strong>zuführen. Es sei deshalb unzulässig, die Stimmenthaltung nur<br />

einseitig auszulegen 857 .<br />

Einem gestellten Antrag kann man letztlich nur zustimmen oder ihn ablehnen. <strong>Die</strong><br />

Stimmenthaltung ist daher nur eine scheinbar mögliche Variante 858 . Dasjenige Gremiumsmitglied,<br />

das sich nun der Stimme enthält, demonstriert Gleichgültigkeit und<br />

verletzt dadurch die ihm obliegenden zivilrechtlichen Pflichten betreffend seine Mitwirkung<br />

859 . Gleichgültigkeit heisst infolgedessen, sich mit dem Abstimmungsresultat<br />

abzufinden, wie immer es auch ausfallen mag. Das Gremiumsmitglied, das sich so<br />

verhält, verzichtet darauf, konkret Stellung zu beziehen; es ist mit dem erreichten<br />

Entscheid des Gesamtgremiums so oder so einverstanden. In dieser Hinsicht ist das<br />

Stimmverhalten eines Gremiumsmitgliedes, das sich der Stimme enthält, nicht jeweils<br />

einseitig auslegbar.<br />

Auch das sich der Stimme enthaltende Gremiumsmitglied erlangt durch die Traktandenliste<br />

und weitere Dokumente, sowie evtl. auch anlässlich der Sitzung des Gremiums<br />

Kenntnis vom Antrag und dessen (möglichen) Konsequenzen. Treten Zweifel an der<br />

Rechtmässigkeit des Antrags auf, habe das Gremiumsmitglied deshalb die an ihn<br />

gerichtete Verhaltenserwartung zu erfüllen, indem es dagegen stimme 860 . Dadurch, dass<br />

es sich im Wissen um die Situation der Stimme enthält und somit nicht gegen den sich<br />

anbahnenden deliktisch ausgerichteten Beschluss stimmt, nimmt es in Kauf, dass der<br />

deliktisch ausgerichtete Antrag <strong>bei</strong> Erreichen einer Mehrheit angenommen und ausgeführt<br />

bzw. umgesetzt wird, also auch wenn der Beschluss erkennbar objektiv rechtsgutschädigend<br />

ist.<br />

Das Verhalten eines sich der Stimme enthaltenden Gremiumsmitgliedes ist gemäss<br />

KNAUER nicht als mittäterschaftlicher Beitrag zu werten, weil es an der Anteilnahme am<br />

855 JAKOBS, Abstimmung, S. 427.<br />

856 KNAUER, S. 207; WEISSER, Kausalitäts- und Täterschaftsprobleme, S. 210.<br />

857 WEISSER, Kausalitäts- und Täterschaftsprobleme, S. 211, ist der Meinung, dass die Stimmenthaltung<br />

nicht je nach Situation anders ausgelegt werden könne. Bezeichne man die Stimmenthaltung <strong>bei</strong><br />

einem „rechtwidrigen“ Beschluss als kausal, so müsste man die Stimmenthaltung <strong>bei</strong> einem<br />

deliktisch ausgerichteten Beschluss genau konträr auslegen. <strong>Die</strong>s könne sich jedoch aber <strong>bei</strong> genau<br />

gleichem Verhalten nicht als richtig erweisen.<br />

858 SCHAAL, S. 195.<br />

859 NEUDECKER, S. 208.<br />

860 SCHOLL, S. 231.<br />

162


5. Kapitel II. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> vorsätzlicher Deliktsbegehung<br />

gemeinsamen Tatentschluss fehle. Selbst wenn das Stimmverhalten dieses Gremiumsmitglieds<br />

als Unterstützung der Mehrheit angesehen würde, wäre dies keine funktionelle<br />

Tatherrschaft. <strong>Die</strong>se psychische Unterstützung könnte allenfalls eine psychische Beihilfe<br />

begründen, wo<strong>bei</strong> der Wille zur Unterstützung der Mehrheit <strong>bei</strong> Stimmenthaltung infolge<br />

der dadurch zum Ausdruck kommenden Unentschlossenheit ohnehin fragwürdig sei 861 .<br />

Mittäterschaft kann vorliegen, sofern der Beteiligte mit anderen zusammen über die<br />

tatsächliche Begehung der Tat zu entscheiden hat 862 . Als wesentlich gilt jedoch ein zur<br />

mittäterschaftlichen Bestrafung führender Tat<strong>bei</strong>trag, wenn er aus der ex ante-Sicht des<br />

Tatplanes notwendig ist bzw. unerlässlich war oder wenn er die Erfolgswahrscheinlichkeit<br />

ex ante wesentlich erhöht hat. In diesem letztgenannten Fall gilt das zusätzliche<br />

Kriterium der Gleichwertigkeit aller Tat<strong>bei</strong>träge 863 . Ex ante kann eine Stimmenthaltung<br />

also stets das Zünglein an der Waage spielen, so dass <strong>bei</strong> jedem Stimmverhalten ein<br />

wesentlicher Tat<strong>bei</strong>trag vorliegt. Krass offenbart sich die Verhaltensweise eines sich der<br />

Stimme enthaltenden Gremiumsmitgliedes <strong>bei</strong> einem Beschluss von z. B. 1 : 0 und neun<br />

Enthaltungen 864 . Das sich der Stimme enthaltende Gremiumsmitglied kann demzufolge<br />

nicht gleich behandelt werden wie ein gegen den deliktisch ausgerichteten Antrag<br />

stimmendes Gremiumsmitglied 865 .<br />

b) Nach der Abstimmung<br />

Das Handeln der an der Ausführung des deliktisch ausgerichteten Beschlusses beteiligten<br />

Gremiumsmitglieder muss als Beitrag zur Beteiligung an einer Straftat angesehen werden<br />

861 KNAUER, S. 207.<br />

862 REHBERG/DONATSCH, § 15 Ziff. 1.2, S. 140.<br />

863 KNAUER, S. 158.<br />

864 <strong>Die</strong> Aktionäre bestimmen die Grösse des Verwaltungsrates mittels Statuten und wählen Personen in<br />

den Verwaltungsrat, damit diese die ihnen zugedachten Funktionen und Aufgaben ausüben. Wenn<br />

von den Aktionären bewusst ein mehrköpfiges Verwaltungsratsgremium geschaffen worden ist,<br />

müssen die Aktionäre auch davon ausgehen können, dass ebendieser Verwaltungsrat als Gremium<br />

fungiert und Entscheide durch die Stimmabgabe aller Verwaltungsratsmitglieder getroffen werden.<br />

Es geht darum nicht an, dass die Führungsorgane einer Aktiengesellschaft <strong>bei</strong> einer Abstimmung<br />

nicht Stellung beziehen und die ihnen zugedachte Führungsfunktion nicht wahrnehmen. Dasselbe hat<br />

auch für die Geschäftsführung und für alle anderen eingesetzten Gremiumsmitglieder zu gelten, da<br />

diesen Kompetenzen des Verwaltungsrates übertragen worden sind. Es soll deshalb eine allgemeine<br />

Stimmpflicht postuliert werden. FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 31 N 27, meinen, dass ein<br />

Enthaltungsverbot die Funktionsfähigkeit eines Kollegialorgans sichere und dass eine solche Stimmpflicht<br />

aus der Treuepflicht ableitbar sei. Eine Stimmpflicht könne im Organisationsreglement für die<br />

Mitglieder des Verwaltungsrates (wie auch für die Mitglieder die Geschäftsleitung) vorgesehen<br />

werden. Eine gesetzliche Vorschrift wäre allenfalls zu fordern, damit sich dieses Enthaltungsverbot<br />

auch durchsetzen liesse. In <strong>strafrechtliche</strong>r Hinsicht würde diese Regelung dazu führen, dass eine<br />

<strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong> auf Grund einer Stimmenthaltung nicht mehr zu überprüfen wäre.<br />

Das Beweisverfahren würde durch diese Verbesserung wesentlich erleichtert.<br />

865 SCHUCANY, Absenz und Stimmenthaltung, S. 230. BÜRGI, N 11 zu Art. 716 aOR, weist darauf hin,<br />

dass die damalige Praxis eine Stimmenthaltung nicht einer Ablehnung gleichsetzte. MÜLLER/LIPP/<br />

PLÜSS, S. 109, sind dagegen der Meinung, dass eine Stimmenthaltung wohl kaum zu einer zivilrechtlichen<br />

<strong>Verantwortlichkeit</strong> führe.<br />

163


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

können. Der gemeinsame Tatentschluss legt den Umfang und die Reichweite des<br />

mittäterschaftlichen Verhaltens fest. Betreffend das Verhalten nach dem Beschluss sei<br />

folglich auf die Abhandlung hinsichtlich des dem deliktisch ausgerichteten Antrag<br />

zustimmenden Gremiumsmitgliedes verwiesen 866 . Nach der Abstimmung kann das<br />

betreffende Gremiumsmitglied also auch i. S. v. Art. 21 und Art. 22 StGB zurücktreten.<br />

164<br />

c) Zusammenfassung<br />

Das sich der Stimme enthaltende Gremiumsmitglied handelt mit Eventualvorsatz, wenn<br />

es im Wissen um die strafrechtlich relevanten Folgen nicht gegen den deliktisch<br />

ausgerichteten Antrag stimmt. Das Verhalten dieses Gremiumsmitgliedes ist schon ex<br />

ante als wesentlicher Tat<strong>bei</strong>trag zu qualifizieren, weshalb es einen mittäterschaftlichen<br />

Beitrag darstellt. Nach der Abstimmung kann es i. S. v. Art. 21 und Art. 22 StGB zurücktreten.<br />

Betreffend die diesbezüglichen <strong>strafrechtliche</strong>n Folgen ist auf die Ausführungen<br />

des dem deliktisch ausgerichteten Antrag zustimmenden Gremiumsmitgliedes hinzuweisen.<br />

5. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des von der Abstimmung<br />

unentschuldigt abwesenden Gremiumsmitgliedes<br />

a) Vor und <strong>bei</strong> der Abstimmung<br />

WEISSER meint, mit der Statuierung einer zivilrechtlichen Mitwirkungspflicht 867<br />

konstituiere sich mittelbar eine strafrechtlich sanktionierte Pflicht aller Gremiumsmitglieder<br />

zur Teilnahme an Entscheidungsprozessen 868 . POPP geht davon aus, dass das<br />

abwesende und daher nicht an der Abstimmung teilnehmende Gremiumsmitglied nicht an<br />

der strafbaren Begehungstat beteiligt sei, die sich aus dem Beschluss ergeben habe.<br />

Dagegen prüft POPP <strong>bei</strong> einem als Unterlassungsdelikt qualifizierten Sachverhalt<br />

zusätzlich eine Unterlassungskausalität des Gremiumsmitgliedes 869 . <strong>Die</strong>se Aussage<br />

scheint nicht konsequent.<br />

<strong>Die</strong> Abwesenheit von Gremiumsmitgliedern kann u. U. einen Einfluss auf das<br />

Abstimmungsresultat haben 870 . Auch <strong>bei</strong>m unentschuldigt abwesenden Gremiumsmitglied<br />

ist davon auszugehen, dass es um die Auswertung einer Abwesenheitsstimme <strong>bei</strong><br />

einer Abstimmung mit relativem Mehr weiss.<br />

866 Siehe 5. Kapitel II.F.2.b).<br />

867 Siehe 2. Kapitel III.D.<br />

868 WEISSER, Kausalitäts- und Täterschaftsprobleme, S. 194. SCHMIDT-SALZER, Produkthaftung I,<br />

N 1.275, ist der Meinung, dass ein Gremiumsmitglied, das nicht an der Beratung und Abstimmung<br />

teilnimmt, keine Mitverantwortung für die Entscheidung des Gremiums zu tragen habe.<br />

869 POPP, S. 32.<br />

870 Siehe 5. Kapitel I.D.6.d).


5. Kapitel II. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> vorsätzlicher Deliktsbegehung<br />

In diesem Zusammenhang ist insbesondere der subjektive Tatbestand von grösster<br />

Bedeutung. <strong>Die</strong> Traktanden werden den Verwaltungsratsmitgliedern i. d. R. vor der<br />

Sitzung bekannt gegeben und allenfalls werden ihnen benötigte Unterlagen zugeschickt.<br />

Weiss nun das abwesende Gremiumsmitglied aus der Traktandenliste und aus dem bis<br />

anhin Vorgefallenen, worüber abgestimmt werden soll, bzw. liegen ihm Unterlagen dazu<br />

vor, ist es in Kenntnis der Themen und somit auch des deliktisch ausgerichteten<br />

Antrags 871 . Beteiligt es sich nun nicht an der betreffenden Abstimmung, so nimmt es in<br />

Kauf, dass dieser deliktisch ausgerichtete Antrag vom Gremium angenommen wird und<br />

die strafrechtlich relevanten Folgen eintreten werden. Ob es nun das Zünglein an der<br />

Waage bildet oder nicht, spielt keine Rolle, wenn es im Wissen um den deliktisch<br />

ausgerichteten Antrag abwesend ist. Aus der ex ante-Sichtweise kann gerade das<br />

unentschuldigt abwesende Gremiumsmitglied — genau wie dasjenige, welches sich der<br />

Stimme enthält — die entscheidende Stimme ausmachen, so dass auch <strong>bei</strong> diesem<br />

Stimmverhalten ein wesentlicher Tat<strong>bei</strong>trag vorliegt. Aus diesem Grund handelt das<br />

Gremiumsmitglied hinsichtlich der Abstimmung und der damit verbundenen Folgen<br />

eines angenommenen, deliktisch ausgerichteten Antrags — wenn es um Letzteres<br />

weiss — in mittäterschaftlicher Art und Weise 872 .<br />

Aus <strong>strafrechtliche</strong>r Sicht besteht das Problem, dass <strong>bei</strong>m abwesenden Gremiumsmitglied<br />

ein Vorsatz mehrheitlich nicht vorliegt, wenn der Versand einer Traktandenliste<br />

unterlassen wurde 873 . Hat lediglich eine informelle Versammlung stattgefunden — d. h.<br />

die Versammlung wurde nicht einberufen, so dass es sich nicht um eine Universalversammlung<br />

handelte — kann das unentschuldigt abwesende Gremiumsmitglied keine<br />

Kenntnisse über die Abstimmung haben und wird somit überhaupt nicht strafrechtlich<br />

verantwortlich. Ist die Abstimmung per Zirkularbeschluss vorgenommen worden, stellt<br />

sich zusätzlich das Problem der <strong>strafrechtliche</strong>n <strong>Verantwortlichkeit</strong> eines Gremiumsmitgliedes,<br />

das allenfalls schriftlich nicht erreichbar war 874 . Vielfach fehlt es am<br />

Wissenselement des subjektiven Tatbestandes. Werden die Unterlagen erst kurz vor der<br />

Sitzung verteilt und lässt sich einzig aus diesen Informationen die deliktische Ausrichtung<br />

des Antrags entnehmen, kann dem Abwesenden nicht vorsätzliches Handeln vorgeworfen<br />

werden.<br />

871 Vgl. TRIGO TRINDADE, S. 123, macht darauf aufmerksam, dass das Gremiumsmitglied die Unterlagen<br />

kritisch zu begutachten und zu studieren habe.<br />

872 Siehe Ausführungen in 5. Kapitel II.F.4.b).<br />

873 Ist keine Traktandenliste verschickt worden, kann das Gremium trotzdem Beschlüsse fassen. Aus<br />

zivilrechtlicher Pflicht wird die Behandlung und Beschlussfassung über nicht traktandierte Geschäfte<br />

allerdings als problematisch erachtet. In dieser Situation könnte die Abwesenheit der oppositionell<br />

eingestellten Gremiumsmitglieder u. U. missbräuchlich ausgenützt werden, vgl. KRNETA, N 788.<br />

874 Siehe 2. Kapitel III.E.8.<br />

165


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

166<br />

b) Nach der Abstimmung<br />

Der Beschluss ist nach der Durchführung der Abstimmung gefasst worden 875 . Das<br />

unentschuldigt abwesende Gremiumsmitglied ist nicht befugt, seine Stimme im Nachhinein<br />

abzugeben, da dies eine Abänderung des Abstimmungsresultates bewirken<br />

würde 876 . Lässt sich dem Gremiumsmitglied hinsichtlich der Abstimmung und der daraus<br />

resultierenden strafrechtlich relevanten Folgen Vorsatz nachweisen, wird sein Verhalten<br />

nach dem Beschluss so behandelt wie dasjenige eines Gremiumsmitgliedes, das dem<br />

deliktisch ausgerichteten Antrag zugestimmt hat 877 .<br />

Bei einem anfangs unwissenden, unentschuldigt abwesenden Gremiumsmitglied, das<br />

zurückkehrt, bevor der deliktisch ausgerichtete Beschluss ausgeführt bzw. umgesetzt<br />

worden ist, muss untersucht werden, ob eine Pflicht zur Vornahme von Abwehrmassnahmen<br />

besteht. Ein Gremiumsmitglied, das an der Abstimmung fehlte, kann nach der<br />

förmlichen Feststellung des Abstimmungsresultates den Ausführenden gegenüber informell<br />

seine Zustimmung ausdrücken. Fraglich ist nun, ob es sich infolge dieser Kundgabe<br />

an der Ausführung beteiligt 878 . Strafrechtlich verantwortlich wird es in erster Linie durch<br />

sein sonstiges Verhalten ausserhalb der Abstimmung, etwa wenn es den deliktisch<br />

ausgerichteten Beschluss mitträgt oder sogar fördert. <strong>Die</strong>s ist dann der Fall, wenn es<br />

diesen Beschluss (mit-)ausführt oder in seinem Ressort übernimmt und ausführt bzw.<br />

umsetzt 879 . Im Übrigen sei auf das Verhalten jenes Gremiumsmitgliedes nach der<br />

Abstimmung verwiesen, das gegen den deliktisch ausgerichteten Antrag stimmte. Unterlässt<br />

es das betreffende Gremiumsmitglied, etwas gegen die Ausführung des deliktisch<br />

ausgerichteten Beschlusses zu unternehmen, ist hinsichtlich der strafrechtlich relevanten<br />

Folgen ebenfalls auf das gegen den deliktisch ausgerichteten Antrag stimmende<br />

Gremiumsmitglied zu verweisen 880 . Handelt das unentschuldigt abwesende Gremiumsmitglied<br />

nicht vorsätzlich, wird es u. U. wegen fahrlässigem Verhalten strafrechtlich<br />

verantwortlich 881 . Ist jedoch der Beschluss <strong>bei</strong> Rückkehr des Gremiumsmitgliedes schon<br />

vollständig umgesetzt worden, kann das Gremiumsmitglied gemäss dem Grundsatz:<br />

„Dolus subsequens non nocet“ 882 nicht strafrechtlich verantwortlich werden.<br />

875 HUNGERBÜHLER, S. 112; WERNLI, N 11 zu Art. 713 OR.<br />

876 SUÁREZ GONZÁLES, S. 56.<br />

877 Siehe 5. Kapitel II.F.2.b).<br />

878 JAKOBS, Abstimmung, S. 420.<br />

879 GROSSE VORHOLT, N 81. Gemäss SCHMIDT-SALZER, Produkthaftung I, N 1.276 f., wird das<br />

Gremiumsmitglied, welches an der Abstimmung nicht teilgenommen hat, dann mitverantwortlich,<br />

wenn es die <strong>strafrechtliche</strong> Komponente erkannt hat und den getroffenen Beschluss ausführt bzw.<br />

umsetzt. Es kann nicht geltend machen, dass es ja nicht mitentschieden habe.<br />

880 Siehe 5. Kapitel II.F.3.c).<br />

881 Allenfalls ist sogar der Vertrauensgrundsatz anwendbar, falls es keine ernsthaften Zweifel haben<br />

musste, vgl. hiezu FREI, S. 113 mit Hinweis auf BGHSt 43, 306, 310.<br />

882 Vgl. Erklärung von TRECHSEL/NOLL, § 23 D. Ziff. 3, S. 100.


5. Kapitel II. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> vorsätzlicher Deliktsbegehung<br />

c) Zusammenfassung<br />

Das unentschuldigt abwesende Gremiumsmitglied handelt dann mit Eventualvorsatz,<br />

wenn es im Wissen um den deliktisch ausgerichteten Antrag und die sich daraus<br />

ergebenden strafrechtlich relevanten Folgen der Sitzung fernbleibt und somit nicht gegen<br />

den deliktisch ausgerichteten Antrag stimmt. Das Verhalten eines solchen Gremiumsmitgliedes<br />

ist als wesentlicher Tat<strong>bei</strong>trag zu qualifizieren und stellt demnach einen<br />

mittäterschaftlichen Beitrag dar. Zu prüfen ist jedoch auf jeden Fall, ob das unentschuldigt<br />

abwesende Gremiumsmitglied tatsächlich um die <strong>strafrechtliche</strong> Relevanz des<br />

Antrags wusste. Liegt dieses Wissen vor, ist in Bezug auf das Verhalten nach der<br />

Abstimmung auf das gegen den Antrag stimmende Gremiumsmitglied zu verweisen.<br />

Falls das unentschuldigt abwesende Gremiumsmitglied unwissend zurückkehrt, bevor der<br />

deliktisch ausgerichtete Beschluss ausgeführt worden ist, macht es sich u. U. durch<br />

nachträgliches Wissen und Mitwirken an der Ausführung strafbar. Kehrt das unentschuldigt<br />

abwesende Gremiumsmitglied jedoch erst nach der Ausführung bzw. der<br />

Umsetzung des deliktisch ausgerichteten Beschlusses zurück, wird es nicht strafrechtlich<br />

verantwortlich.<br />

6. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des von der<br />

Abstimmung entschuldigt abwesenden Gremiumsmitgliedes<br />

Das entschuldigt abwesende Gremiumsmitglied leistet ex ante keinen Beitrag zum<br />

Beschluss, weil es ja gerade aus gesellschaftlich anerkannten Gründen 883 entschuldigt<br />

abwesend ist. Der zivilrechtlich anerkannte Abwesenheitsgrund muss deshalb auch zu<br />

einem <strong>strafrechtliche</strong>n Haftungsausschluss führen. <strong>Die</strong>s gilt in erster Linie für das Verhalten<br />

<strong>bei</strong> der Abstimmung.<br />

Das entschuldigt abwesende Gremiumsmitglieder kann die anderen Gremiumsmitglieder,<br />

obwohl <strong>bei</strong> der Abstimmung abwesend ist, beeinflussen. Je nachdem handelt<br />

es als Anstifter oder mittelbarer Täter. Was dessen Verhalten nach der Abstimmung<br />

betrifft, kann auf die entsprechenden Ausführungen zum unentschuldigt abwesenden<br />

Gremiumsmitglied verwiesen werden. Der Verweis betrifft jedoch nur die Ausführungen<br />

zum anfangs unwissenden, unentschuldigt abwesenden Gremiumsmitglied 884 . Das<br />

entschuldigt abwesende Gremiumsmitglied kann allenfalls als mittelbarer Täter, Anstifter<br />

oder Gehilfe strafrechtlich verantwortlich werden.<br />

883 Siehe 2. Kapitel III.E.6.<br />

884 Siehe 5. Kapitel II.F.5.b).<br />

167


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

168<br />

7. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des in den<br />

Ausstand versetzten Gremiumsmitgliedes<br />

a) Vor und <strong>bei</strong> der Abstimmung<br />

Das in den Ausstand versetzte Gremiumsmitglied 885 darf an der Abstimmung gar nicht<br />

teilnehmen. <strong>Die</strong>ses Gremiumsmitglied leistet somit keinen eigenen Beitrag im Hinblick<br />

auf das Abstimmungsresultat. Trotzdem ist seine <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong> nicht<br />

einfach pauschal zu verneinen. Es ist m. E. nicht zulässig, diesen Ausstand — zuweilen<br />

„nicht freiwillige Stimmenthaltung“ genannt — als normale Stimmenthaltung 886 zu<br />

behandeln. Der in den Ausstand Versetzte ist vielmehr wie ein Aussenstehender zu<br />

betrachten.<br />

Eine Beeinflussung der Abstimmung durch dieses Gremiumsmitglied oder dessen<br />

Mithilfe vor und nach der Abstimmung ist in <strong>strafrechtliche</strong>r Hinsicht trotzdem abzuklären.<br />

Das Recht zur Teilnahme an der Beratung kann dem in Ausstand versetzten<br />

Gremiumsmitglied eingeräumt werden 887 . <strong>Die</strong>ses nicht stimmberechtigte Gremiumsmitglied<br />

kann somit auf die entscheidungsberechtigten Gremiumsmitglieder in der Art<br />

einwirken, dass diese — nicht zuletzt unter Zwang oder Drohung — einen Entscheid zu<br />

seinen Gunsten fällen. Oder es kann die Entscheidfindung der entscheidungsbefugten<br />

Gremiumsmitglieder insofern manipulieren, als es diesen falsche Informationen zukommen<br />

lässt. In diesen Fällen ist eine mittelbare Täterschaft des in Ausstand versetzten<br />

Gremiumsmitgliedes anzunehmen. Bei Sonderdelikten kann dies jedoch nicht der Fall<br />

sein 888 . <strong>Die</strong> Teilnahme an einem echten Sonderdelikt wird gemäss der h. L. und dem<br />

Bundesgericht als strafbar angesehen 889 .<br />

Schwierigkeiten schafft des Weiteren auch Art. 172 StGB hinsichtlich der <strong>strafrechtliche</strong>n<br />

Verfolgung eines in Ausstand versetzten und somit nicht stimmberechtigten<br />

Gremiumsmitgliedes, das selber einen Antrag stellt. „Vom <strong>strafrechtliche</strong>n Durchgriff<br />

gemäss Art. 172 StGB erfasst werden nur die für die Gesellschaft und das konkrete<br />

Geschäft effektiv entscheidenden und handelnden, in der vom Gesetz verlangten verant-<br />

885<br />

Weder der Verwaltungsrat noch die Geschäftsleitung dürfen im eigenen Interesse Geschäfte zu<br />

Lasten der Gesellschaft abschliessen. Ein Organmitglied, das mit der Gesellschaft Verträge<br />

abschliesst, muss dies im Rahmen der marktüblichen Bedingungen tun. Das Bundesgericht hat dazu<br />

geurteilt: „Strenge Massstäbe sind anzulegen, wenn Verwaltungsräte nicht im Interesse der Gesellschaft,<br />

sondern im eigenen Interesse, in demjenigen von Aktionären oder von Drittpersonen<br />

handeln“, vgl. BGE 113 II 57. Für das Ermessen gilt das „dealing at arm’s length“-Prinzip, vgl. dazu<br />

BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, § 13 N 604 f. Aus <strong>strafrechtliche</strong>r Sicht liegt m. E. eine Absicht vor,<br />

wenn sich der Vordermann nicht gemäss dem dealing at arm’s length-Prinzip verhält.<br />

886<br />

Wie unter 5. Kapitel II.F.4.<br />

887<br />

HOMBURGER, N 899.<br />

888<br />

STRATENWERTH, AT I, § 13 N 16.<br />

889<br />

BGE 116 IV 74; 111 IV 82; HAFTER, S. 225; REHBERG/DONATSCH, § 16 Ziff. 1.22 lit. b), S. 159;<br />

SCHULTZ, AT I, S. 299; STRATENWERTH, AT I, § 13 N 144; TRECHSEL/NOLL, § 31 F. Ziff. 3 lit. b),<br />

S. 221.


5. Kapitel II. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> vorsätzlicher Deliktsbegehung<br />

wortlichen Position stehenden natürlichen Personen“ 890 . Das in den Ausstand versetzte<br />

Gremiumsmitglied, das den anderen Gremiumsmitgliedern seinen deliktisch ausgerichteten<br />

Antrag zur Abstimmung vorlegt, ist daher als Teilnehmer, insbesondere als<br />

Anstifter zu qualifizieren. Allerdings ergeben sich hinsichtlich einer Anstiftung<br />

Probleme: Das Stellen eines Antrags als Schaffung einer Situation, in der die anderen<br />

stimmberechtigten Gremiumsmitglieder in voraussehbarer Weise den Entschluss zur<br />

Deliktsverwirklichung freiwillig fassen, genügt nämlich nicht, um Anstiftung anzunehmen<br />

891 . Dagegen wird jedoch vorgebracht, dass die eingesetzten Mittel, um jemanden<br />

zu einer Tat zu bestimmen, nicht entscheidend seien: Geschenke, Versprechungen,<br />

Drohungen oder nur schon das Stellen einer Frage würden genügen, um jemanden zu<br />

etwas anzustiften 892 . Daher könnte ein Antrag u. U. als psychische Beeinflussung i. S.<br />

einer Anstiftung gewertet werden. Beeinflusst das in Ausstand versetzte Gremiumsmitglied<br />

die Entscheidfassung, indem es letztlich den Beschluss selber fasst, so mutiert es<br />

zu einem faktischen Organ.<br />

b) Nach der Abstimmung<br />

Im Anschluss an die Abstimmung kann das in den Ausstand versetzte Gremiumsmitglied<br />

<strong>bei</strong> der Ausführung des ausführungsbedürftigen Beschlusses mithelfen. <strong>Die</strong>ses Verhalten<br />

ist dann als Gehilfenschaft zu qualifizieren, wenn ein Sonderdelikt vorliegt bzw. wenn<br />

Art. 172 StGB anzuwenden ist, weil das betreffende Gremiumsmitglied keine<br />

selbständige Entscheidungsbefugnis hat, und wenn es nicht als faktisches Organ zu<br />

betrachten ist. Ansonsten kann sogar von einer sukzessiven Mittäterschaft ausgegangen<br />

werden.<br />

Eine <strong>Verantwortlichkeit</strong> des in den Ausstand versetzten Gremiumsmitgliedes aus<br />

Gehilfenschaft durch Unterlassung kann nicht festgestellt werden, da der Bereich einer<br />

Garantenstellung gemäss BGE 113 IV 76 auf den Sektor der eigenen Zuständigkeit zu<br />

beschränken ist. Der Inhalt der Abstimmung fällt aber nicht in seine Kompetenz, weil das<br />

Gremiumsmitglied wie vorne dargelegt 893 in den Ausstand zu treten hat und somit nicht<br />

stimmberechtigt ist. Daher liegt in diesem Bereich der Abstimmung keine Garantenstellung<br />

vor, weshalb es nicht einzugreifen hat. Eine <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong><br />

liegt demzufolge in diesem Fall nicht vor, ausser dieses Gremiumsmitglied wäre<br />

faktisches Organ.<br />

890<br />

Urteil und Beschluss des Bezirksgerichtes Zürich vom 4. September 2002, 9. Abteilung, Prozess<br />

Nr. DG020014/U, S. 9.<br />

891<br />

REHBERG/DONATSCH, § 13 Ziff. 2.1 lit. b), S. 122; STRATENWERTH, AT I, § 13 N 96.<br />

892<br />

GRAVEN/STRÄULI, N 230 C., S. 299.<br />

893 Siehe 5. Kapitel II.F.7.a).<br />

169


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

170<br />

c) Zusammenfassung<br />

Auch wenn das in den Ausstand versetzte Gremiumsmitglied nicht an der Abstimmung<br />

teilnimmt und i. d. S. keinen Beitrag leistet, kann es die entscheidungsberechtigten<br />

Gremiumsmitglieder beeinflussen, indem es als mittelbarer Täter oder Anstifter handelt.<br />

Da<strong>bei</strong> ist betreffend die <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong> dieses Gremiumsmitgliedes<br />

auch die Anwendung von Sonderdelikten und Art. 172 StGB zu beachten. Das in den<br />

Ausstand versetzte Gremiumsmitglied kann jedoch auch faktisches Organ sein, wenn es<br />

den eigentlichen Entscheid fällt.<br />

Nach der Abstimmung kann es als Gehilfe — falls ein Sonderdelikt vorliegt bzw.<br />

Art. 172 StGB zur Anwendung kommt — ansonsten als Mittäter, mithelfen, den<br />

Beschluss auszuführen. Hinsichtlich der Umsetzung eines Beschlusses wird es nicht<br />

strafrechtlich verantwortlich, weil es kein Garant ist, da ihm keine eigene Zuständigkeit<br />

betreffend die Entscheidung zukommt. Dagegen wird es strafrechtlich verantwortlich,<br />

wenn es als faktisches Organ agiert.<br />

8. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des erst nach<br />

Beschlussfassung in das Gremium eingetretenen<br />

Gremiumsmitgliedes<br />

Tritt eine Person erst in ein Gremium ein, nachdem dieses den deliktisch ausgerichteten<br />

Beschluss bereits getroffen hat, ist festzustellen, ob dieses neue Mitglied nicht dennoch<br />

an der Beschlussfassung teilgenommen hat. Indes tritt es als neues Gremiumsmitglied in<br />

die damit verbundenen Rechte und Pflichten ein, so dass ihm von diesem Zeitpunkt an<br />

auch die dieser Position anhaftende Garantenstellung und -pflicht zukommen. Dem neuen<br />

Gremiumsmitglied können zwar Vorhandlungen nicht angerechnet werden, doch wenn es<br />

sich an der Ausführung bzw. an der Umsetzung des deliktisch ausgerichteten Beschlusses<br />

beteiligt, könnte es auch strafrechtlich verantwortlich werden 894 . OTTO weist jedoch<br />

darauf hin, damit könne eine Haftung des neu Eintretenden begründet werden, ohne dass<br />

dieser überhaupt auf den dahinter liegenden Beschluss Einfluss hatte. <strong>Die</strong>s habe mit einer<br />

Haftung für eigenverantwortlich begründete Gefahren nichts zu tun. Somit müsse von<br />

einer Ausweitung der Garantenhaftung ausgegangen werden. Eine <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong><br />

des neu Eintretenden auch in Fällen von bereits bestehenden konkreten<br />

Gefahrensituationen anzunehmen, in denen die anderen Gremiumsmitglieder nichts<br />

unternehmen oder unternommen haben, würde die <strong>Verantwortlichkeit</strong> m. E. zu weit ausdehnen,<br />

insbesondere auch deshalb, weil der neu Eintretende im Zeitpunkt der Schaffung<br />

der Gefahr nicht Gremiumsmitglied war. <strong>Die</strong>s muss ihm angerechnet werden. Da er dem<br />

beschliessenden Gremium nicht angehörte, soll er m. E. nur dann strafrechtlich verant-<br />

894 Siehe dazu Ausführungen in 5. Kapitel II.F.6. Bei fahrlässigem Verhalten siehe 5. Kapitel III.F.3.<br />

Vgl. dazu auch OTTO, Strafrechtliche Haftung, S. 295.


5. Kapitel II. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> vorsätzlicher Deliktsbegehung<br />

wortlich werden, wenn er einen deliktisch ausgerichteten Beschluss im Wissen um die<br />

Folgen aktiv (mit-)ausführt. Insbesondere dieses Gremiumsmitglied soll auf die anderen<br />

Gremiumsmitglieder und deren Vorhandlungen vertrauen können 895 .<br />

9. Exkurs über die <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong><br />

der Gremiumsmitglieder <strong>bei</strong> einem nicht deliktisch<br />

ausgerichteten Beschluss<br />

a) Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des einzelnen Gremiumsmitgliedes<br />

<strong>bei</strong> einem abgelehnten deliktisch ausgerichteten<br />

Antrag<br />

Bei Ablehnung eines deliktisch ausgerichteten Antrags bleibt die „Pflichtwidrigkeit“<br />

jener Gremiumsmitglieder, die nicht gegen diesen Antrag gestimmt haben, dennoch<br />

bestehen. Es ist nicht das Verdienst dieser Gremiumsmitglieder, dass der Beschluss nicht<br />

doch eine deliktische Ausrichtung erhalten hat. Da der Beschluss nicht ausgeführt bzw.<br />

umgesetzt wird, treten die strafrechtlich relevanten Folgen nicht ein. Indem die vorgenannten<br />

Gremiumsmitglieder überhaupt keine Handlungen vornehmen, kann auch nicht<br />

von einem Versuchsstadium gesprochen werden 896 , so dass alle Gremiumsmitglieder<br />

straflos ausgehen. Tatsache ist, dass ein nicht angenommener deliktisch ausgerichteter<br />

Antrag somit strafrechtlich ohne Bedeutung ist 897 . Gäbe es hier trotzdem eine <strong>strafrechtliche</strong><br />

Verfolgung, würde die <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong> zu Unrecht ausgedehnt<br />

898 . Das Stimmverhalten des einzelnen Gremiumsmitgliedes ist demzufolge<br />

irrelevant, insoweit sich eine Mehrheit von Gremiumsmitgliedern gegen den deliktisch<br />

ausgerichteten Antrag eingesetzt hat und infolgedessen keine strafrechtlich relevanten<br />

Folgen her<strong>bei</strong>geführt werden bzw. worden sind.<br />

b) Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des einzelnen Gremiumsmitgliedes<br />

<strong>bei</strong> fehlender Vornahme der beschlossenen<br />

und gebotenen Massnahme<br />

Eine weitere Schwierigkeit der Strafverfolgung ergibt sich, wenn der Beschluss, das<br />

Gebotene zu tun, getroffen, aber nicht durchgeführt wird. Der Schwerpunkt liegt hier auf<br />

der Unterlassung der Vornahme der gebotenen Handlung.<br />

895 Siehe Fn. 881.<br />

896 Siehe 3. Kapitel III.A.<br />

897 DONATSCH, Mittäterschaft oder Teilnahme, S. 113.<br />

898 NEUDECKER, S. 266. Würde die reine Risikoerhöhungslehre (Steigerung ab 0) als Lösungsweg in<br />

Betracht gezogen, so führte dies dazu, dass jede nicht „rechtmässige“ Stimmabgabe“ das Risiko des<br />

Zustandekommens einer deliktisch ausgerichteten Mehrheitsentscheidung erhöhen würde. <strong>Die</strong> Folge<br />

wäre, dass diese Stimmabgaben auch <strong>bei</strong> einem korrekten Beschluss strafrechtlich zu verfolgen<br />

wären.<br />

171


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

Das Gremium hat dafür zu sorgen, dass seine korrekten Beschlüsse auch ausgeführt<br />

werden bzw. umgesetzt werden. Da alle Gremiumsmitglieder in diesem Gremium<br />

gesamthaft zuständig sind, ist jedes einzelne Gremiumsmitglied für die Durchführung des<br />

Gremiumsbeschlusses verantwortlich und dadurch somit befugt, die Massnahme u. U.<br />

auch alleine vorzunehmen, da diese schliesslich auf einem Gremiumsbeschluss basiert.<br />

Nimmt nun niemand die Massnahme vor oder gibt niemand dem Mitar<strong>bei</strong>ter die entsprechende<br />

Handlungsanweisung, liegt eine ähnliche Situation vor, wie wenn überhaupt<br />

keine Abstimmung stattgefunden hätte. Ausgehend vom Fall von-Roll 899 , wo keine<br />

Abstimmung vorgenommen worden ist, hat das Bundesgericht jedem Gremiumsmitglied<br />

die Verletzung des Rechtsgutes — die von keinem verhindert worden ist — zugerechnet,<br />

wo<strong>bei</strong> es auf die Zuständigkeit des Gremiums abstellte. Deswegen muss auch <strong>bei</strong> einem<br />

Beschluss, das Gebotene zu tun, was aber dann doch nicht durchgeführt wird, eine<br />

<strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong> derjenigen Gremiumsmitglieder eintreten, die nach der<br />

Abstimmung nichts mehr tun, um diesem Beschluss zur Umsetzung zu verhelfen.<br />

Wenn die beschlossene, aber nicht angemessene und gebotene Massnahme umgesetzt<br />

wird, ist u. U. von einer fahrlässigen Unterlassungstat auszugehen 900 . Wird die Vornahme<br />

der Massnahme in Bezug auf deren Konkretisierung delegiert, hat das Gremium nur für<br />

die Auswahl, Instruktion und Überwachung des Beauftragten einzustehen 901 . Der Glaube<br />

und das Vertrauen in die Mitar<strong>bei</strong>ter allein reichen indes nicht aus und entlasten somit<br />

auch nicht 902 , weshalb Auswahl, Instruktion und Überwachung des Beauftragten durch<br />

die Gremiumsmitglieder von grosser Wichtigkeit sind.<br />

899 BGE 122 IV 129. Siehe Ausführungen zum Fall von-Roll in 5. Kapitel II.C.5.b)(1).<br />

900 Vgl. REHBERG/DONATSCH, § 33 Ziff. 2.4 lit. b), S. 311.<br />

901 BGE 105 IV 145: „Es ist somit derjenige zur Einholung der Verkehrsscheine verpflichtet, der den<br />

Transport der Tiere anordnet. Das ist ein klares Kriterium. Wird der Transport von einer Mehrheit<br />

von Personen angeordnet, so ist grundsätzlich jede einzelne dafür verantwortlich, dass die Verkehrsscheine<br />

eingeholt werden. Beauftragt ein Pflichtiger einen Dritten zur Einholung der Verkehrsscheine,<br />

so ist er nur entlastet, wenn er in der Auswahl, Instruktion und Überwachung des Beauftragten<br />

seiner Sorgfaltspflicht nachgekommen ist.“<br />

902 OESCH, S. 61.<br />

172


5. Kapitel III. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> fahrlässiger Deliktsbegehung<br />

III. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des<br />

Gremiumsmitgliedes <strong>bei</strong> fahrlässiger Deliktsbegehung<br />

unter Berücksichtigung des<br />

Verhaltens des beteiligten Mitar<strong>bei</strong>ters<br />

A. Fahrlässigkeit der Gremiumsmitglieder als Ausgangspunkt<br />

<strong>Die</strong> schweizerische Lehre folgt z. T. der so genannten personalen Unrechtslehre, welche<br />

Vorsatz und Fahrlässigkeit als Tatbestandsmerkmale betrachtet 903 . Fehlt der Vorsatz,<br />

bedeutet dies nicht ohne weiteres, dass Fahrlässigkeit vorliegt. Damit Fahrlässigkeit<br />

gegeben ist, müssen weitere eigenständige Merkmale vorhanden sein 904 . <strong>Die</strong> Fahrlässigkeitstat<br />

setzt die Verwirklichung des Straftatbestandes voraus, so dass es keinen fahrlässigen<br />

Versuch <strong>bei</strong> fahrlässig begangenen Taten gibt 905 . Anknüpfungspunkt für den<br />

Schuldvorwurf sind die auf Grund der Ausführung bzw. der Umsetzung des vordergründig<br />

korrekten Antrags eingetretenen strafrechtlich relevanten Folgen.<br />

Auch nach der Einführung der Strafrechtsnormen über die <strong>Verantwortlichkeit</strong> des<br />

Unternehmens 906 fallen den natürlichen Personen betriebsbezogene <strong>strafrechtliche</strong> Sorgfaltspflichten<br />

907 somit direkt oder indirekt zu. Da<strong>bei</strong> ist zu beachten, dass alle Personen,<br />

die in einem Unternehmen ar<strong>bei</strong>ten, jeweils nur innerhalb ihres Kompetenzbereichs<br />

verantwortlich sind 908 . Aus diesem Grund soll gemäss SCHMIDT-SALZER zuerst festgestellt<br />

werden, in welchem Geschäftsbereich das Unternehmen tätig ist. „Erst ist die<br />

<strong>strafrechtliche</strong> Sorgfaltspflicht betriebsbezogen zu definieren, anschliessend ist sie<br />

innerhalb dieses Rahmens mitar<strong>bei</strong>terbezogen zu konkretisieren“ 909 .<br />

Nachfolgend ist zu prüfen, ob <strong>bei</strong> den Gremiumsmitgliedern eine Fahrlässigkeit<br />

nachgewiesen werden kann, wenn auf Grund des Gremiumsbeschlusses strafrechtlich<br />

relevante Folgen her<strong>bei</strong>geführt werden, die entweder nur eine bestimmte Handlung oder<br />

einen Erfolg voraussetzen und bewirken.<br />

903 Vgl. REHBERG/DONATSCH, § 7 Ziff. 3.2, S. 69.<br />

904 REHBERG/DONATSCH, § 32 Ziff. 1, S. 280 f.; STRATENWERTH, AT I, § 16 N 10.<br />

905 REHBERG/DONATSCH, § 34 Ziff. 1, S. 313; STRATENWERTH, AT I, § 16 N 41.<br />

906 Siehe Ausführungen in 4. Kapitel V.<br />

907 CRAMER/STERNBERG-LIEBEN, N 223 zu § 15 dStGB, S. 319, weisen darauf hin, dass die Sorgfaltspflichten,<br />

die einer Einzelperson zukämen, z. B. einem Handwerker, dem Unternehmen als Ganzes<br />

zufallen.<br />

908 Siehe 2. Kapitel IV.<br />

909 SCHMIDT-SALZER, Produkthaftung I, N 1.080; vgl. auch ROTSCH, S. 151.<br />

173


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

B. Keine Anwendbarkeit von „fahrlässiger Mittäterschaft“<br />

oder „Unsorgfaltsgemeinschaft“<br />

Um eine <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> einer Mehrzahl von Personen, die in die<br />

Her<strong>bei</strong>führung der strafrechtlich relevanten Folgen in irgendeiner Form involviert sind,<br />

zu begründen, wird in letzter Zeit — insbesondere in Deutschland — die Rechtsfigur der<br />

fahrlässigen Mittäterschaft intensiv besprochen.<br />

Ein Teil der deutschen Lehre befürwortet die neue Rechtsfigur der „fahrlässigen<br />

Mittäterschaft“. <strong>Die</strong> Problematik der Zurechnung der — auf Grund von Gremiumsbeschlüssen<br />

entstandenen — <strong>strafrechtliche</strong>n Folgen im Fahrlässigkeitsbereich wird<br />

infolgedessen mittels „fahrlässiger Mittäterschaft“ gelöst 910 . <strong>Die</strong> h. L. in Deutschland<br />

lehnt die „fahrlässige Mittäterschaft“ jedoch mit dem Argument ab, <strong>bei</strong> einem Fahrlässigkeitsdelikt<br />

fehle der gemeinsame Tatentschluss 911 .<br />

<strong>Die</strong> schweizerische Rechtsprechung und Lehre definiert Mittäterschaft als bewusstes<br />

und gewolltes Zusammenwirken mehrerer Personen hinsichtlich eines Deliktes 912 , wo<strong>bei</strong><br />

ein Tatentschluss notwendig ist 913 . Das vorgenannte Zusammenwirken kann aber <strong>bei</strong><br />

einem ungewollten oder unbemerkten, allenfalls nicht vorausgesehenen, jedoch zu einem<br />

voraussehbaren Nebenerfolg führenden Geschehensablauf nicht vorliegen. Es ist<br />

unmöglich, bewusst und willentlich bezüglich eines ungewollten und unbemerkt in Gang<br />

gesetzten Nebenkausalverlaufes zusammenzuwirken 914 . Das fahrlässige Her<strong>bei</strong>führen<br />

eines Erfolges oder das fahrlässige Vornehmen einer Handlung durch mehrere Personen<br />

910 SCHAAL, S. 212 N 181 mit Hinweisen auf Gegner und Befürworter. BOSCH, S. 265, meint, dass eine<br />

Anerkennung der fahrlässigen Mittäterschaft einer betriebstypischen Kumulation von Pflichtverletzungen<br />

gerecht werden würde. DENCKER, Kausalität und Gesamttat, S. 174 ff. geht von einer<br />

Gesamttat aus. DENCKER, Mittäterschaft in Gremien, S. 68. FRANKE, S. 582, weist auf die Möglichkeit<br />

der fahrlässigen Mittäterschaft hin, bezieht jedoch nicht Stellung. HILGENDORF, Kausalität,<br />

S. 563; KAMM, <strong>Die</strong> fahrlässige Mittäterschaft, Berlin 1999. KUHLEN, Strafrechtliche Produkthaftung,<br />

S. 670, findet, dass die fahrlässige Mittäterschaft einer Modifikation der Kausalität vorzuziehen sei.<br />

RANSIEK, Unternehmen und Konzern, S. 644 f., sagt, dass § 25 Abs. 2 StGB dStGB nur von gemeinsamer<br />

Tatbegehung spreche, so dass der gemeinsame Tatentschluss nicht als zwingendes und notwendiges<br />

Merkmal heranzuziehen sei. ROXIN, Täterschaft und Teilnahme, S. 695, ist der Ansicht,<br />

dass auf dem derzeitigen Fundament der deutschen Lehre evtl. eine fahrlässige Mittäterschaft aufgebaut<br />

werden könnte; auf S. 594 in Fn. 532 sowie in Fn. 533 weist er auf die Befürworter der<br />

fahrlässigen Mittäterschaft hin. ROXIN, Kommentar, N 221 zu § 25 dStGB, sieht eine Möglichkeit<br />

der Anwendung von fahrlässiger Mittäterschaft. RUDOLPHI, Kommentar, N 154 zu § 25 dStGB;<br />

SCHOLL, S. 223 m. w. H in N 984; WEISSER, fahrlässige Mittäterschaft, S. 230 ff.<br />

911 BOSCH, S. 282 ff. und S. 283 f. Fn. 903, wo er ausführlich darlegt, wer Befürworter und wer Gegner<br />

der fahrlässigen Mittäterschaft ist. JESCHECK/WEIGEND, § 63 I. Ziff. 3, S. 676; teilweise<br />

CRAMER/HEINE, N 115 zu § 25 dStGB; vgl. SCHAAL, S. 211 N 179.<br />

912 BGE 109 IV 164; 102 IV 81; DONATSCH, Mittäterschaft oder Teilnahme, S. 111; REHBERG/<br />

DONATSCH, § 15 Ziff. 1.1, S. 138; SCHULTZ, AT, S. 285; TRECHSEL/NOLL, § 31 B. Ziff. 1, S. 192.<br />

913 BGE 126 IV 88; 125 IV 136; 120 IV 272;120 IV 141; 120 IV 23; 118 IV 399; 118 IV 230;<br />

DONATSCH, Mittäterschaft oder Teilnahme, S. 111; HURTADO POZO, N 764; PETER, S. 68;<br />

REHBERG/DONATSCH, § 15 Ziff. 1.1, S. 138; SCHULTZ, AT, S. 285 f.; SEELMANN, AT I, S. 118;<br />

STRATENWERTH, AT I, § 13 N 47; TRECHSEL/NOLL, § 31 B. Ziff. 1 lit. c), S. 195.<br />

914 DONATSCH, Mittäterschaft oder Teilnahme, S. 111; ebenso SCHULTZ, AT I, S. 285.<br />

174


5. Kapitel III. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> fahrlässiger Deliktsbegehung<br />

kann daher per Definition keine Mittäterschaft begründen. <strong>Die</strong> h. L. in der Schweiz stellt<br />

sich deshalb einhellig auf den Standpunkt, dass es fahrlässige Mittäterschaft nicht geben<br />

kann 915 .<br />

HURTADO POZO, JENNY und RIEDO/CHVOJKA befürworten die Einführung einer<br />

Unsorgfaltsgemeinschaft — einer fahrlässigen Mittäterschaft mit anderem Namen 916 .<br />

ARZT meint, das Charakteristikum der Mittäterschaft sei auch <strong>bei</strong> Fahrlässigkeitsdelikten<br />

vorstellbar 917 . „Wenn tatsächlich eine «Kollektivierung» des Sorgfaltsmassstabes mit<br />

Blick auf die Beurteilung gemeinschaftlichen Verhaltens befürwortet und gesetzlich<br />

umgesetzt sowie ausserdem auf das Kriterium des bewussten Zusammenwirkens für die<br />

Mittäterschaft verzichtet würde, so wäre jedenfalls eine klare Abgrenzung zwischen<br />

dieser neuen <strong>strafrechtliche</strong>n Zurechnung <strong>bei</strong>m Fahrlässigkeitsdelikt einerseits und verdeckter<br />

<strong>strafrechtliche</strong>r Kausalhaftung anderseits dringend nötig“ 918 .<br />

Das Bundesgericht hat in BGE 113 IV 58 — allerdings ohne den Ausdruck<br />

„fahrlässige Mittäterschaft“ zu verwenden — im Ergebnis in diese Richtung argumentiert.<br />

<strong>Die</strong>s geschah, weil nicht nachgewiesen werden konnte, welcher von zwei<br />

Handelnden letztlich für den strafrechtlich eingetretenen Erfolg verantwortlich war. In<br />

BGE 126 IV 88 betonte hingegen das Bundesgericht, dass eine fahrlässige Mittäterschaft<br />

unmöglich sei 919 .<br />

Das Problem von BGE 113 IV 58 bestand — <strong>bei</strong> richtiger Betrachtung — in der<br />

Beweisführung hinsichtlich der Kausalität 920 . Sind strafrechtlich relevante Folgen auf<br />

Grund eines Gremiumsbeschlusses eingetreten, lässt mit der in 5. Kapitel I.D.6 dargelegten<br />

Lehre der gesetzmässigen Bedingung nachweisen, welches Stimmverhalten für<br />

den Beschluss kausal ist. Ist aus dem Protokoll ersichtlich, welches Gremiumsmitglied<br />

welches Stimmverhalten an den Tag legt, ist bekannt, welches Stimmverhalten kausal ist.<br />

Der Nachweis, welches Stimmverhalten welchem Gremiumsmitglied zuzuordnen ist, ist<br />

ein reines Beweisführungsproblem. Kann der Beweis der Kausalität nicht erbracht<br />

werden, so lässt sich daraus nicht einfach eine gemeinsame <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong><br />

konstruieren.<br />

915<br />

BGE 126 IV 88; DONATSCH, Mittäterschaft oder Teilnahme, S. 111; GRAVEN/STRÄULI, N 220 B. lit.<br />

b), S. 288; HEIERLI, S. 74; PETER, S. 125 ff.; DONATSCH, Art. 18 Abs. 3 StGB. RIKLIN, § 18 N 85 f.,<br />

bezieht nicht klar Stellung. SCHWANDER, Nr. 255; SCHULTZ, AT I, S. 212; SCHULTZ, Rechtsprechung<br />

1987, S. 39 f.; SEELMANN, AT, S. 144; STRATENWERTH, AT I, § 16 N 48 ff.;<br />

TRECHSEL/NOLL, § 31 B. Ziff. 2, S. 199; zustimmend im Ergebnis, aber mit anderer Begründung:<br />

WALDER, The Rolling Stones, S. 56; WALDER, Bewusste Beteiligung, S. 366.<br />

916<br />

HURTADO POZO, N 1061; JENNY, N 105 zu Art. 18 StGB; RIEDO/CHVOJKA, S. 161.<br />

917<br />

ARZT, Vorsatz und Fahrlässigkeit, S. 72.<br />

918<br />

DONATSCH, Literaturanzeige, S. 238. PIETH, Anstösse, S. 11, ist der Ansicht, für das Einstehen<br />

einzelner Individuen solle weder eine Kausalhaftung noch eine als Identifikation von Individualhandeln<br />

mit Organisationsverhalten konzipiert werden, sondern als Einstehen für Organisationsdefizite.<br />

919<br />

BGE 126 IV 88: „Par conséquent, la coactivité par négligence n'est pas concevable.“<br />

920<br />

Man wusste, dass einer dieser hinunter gerollten Steine den Tod des Fischers verursachte, aber nicht<br />

welcher.<br />

175


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

Aus diesem Grund überzeugt die Begründung des Bundesgerichtes WALDER nicht,<br />

obwohl er das Ergebnis von BGE 113 IV 58 unterstützt 921 . Wie DONATSCH 922 ist er der<br />

Meinung, dass nicht von einer Gesamthandlung gesprochen werden könne, da die<br />

Kausalität des Einzelnen nicht geprüft wird. Aus diesem Grund sind Fälle von gleichzeitigem<br />

Mitverursachen — ein Fall von „gemeinsamer Kausalität“ 923 — zu unterscheiden<br />

von Fällen, <strong>bei</strong> welchen mehrere Personen neben- oder nacheinander Einzelhandlungen<br />

durchführen. <strong>Die</strong>se <strong>bei</strong>den Fälle sind demzufolge verschieden zu bewerten 924 .<br />

Bezüglich dieser letztgenannten Fälle ist eine Lösung über die Begründung einer Garantenstellung<br />

und allfälliger Überwachungspflichten zu suchen 925 .<br />

Der Gremiumssachverhalt ist als Ausdruck gemeinsamer Kausalität zu qualifizieren,<br />

da die Gremiumsmitglieder gleichzeitig handeln. Durch die Abstimmung werden die<br />

Stimmverhalten externalisiert, wodurch sie in diesem Zeitpunkt koexistieren. Der<br />

Gremiumssachverhalt unterscheidet sich deshalb insbesondere von BGE 113 IV 58 f. und<br />

ähnlichen Sachverhalten 926 , <strong>bei</strong> denen die „Täter“ nacheinander handeln.<br />

C. Anwendung von Nebentäterschaft statt Mittäterschaft<br />

Mittäterschaft, Anstiftung und Gehilfenschaft stellen alle auf den Vorsatz des Täters<br />

bezüglich der Verwirklichung einer Rechtsgutsverletzung ab 927 . Beim Fahrlässigkeitsdelikt<br />

fallen somit alle genannten Rechtsfiguren ausser Betracht, und der Delinquent wird<br />

für das fahrlässige Verursachen bzw. Nichtverhindern von tatbestandsmässigen Erfolgen<br />

immer als Täter angesehen. Insoweit ist Täterschaft <strong>bei</strong>m Vorsatzdelikt etwas anderes als<br />

<strong>bei</strong>m Fahrlässigkeitsdelikt 928 . Das der vorsätzlichen Anstiftung und Gehilfenschaft ent-<br />

921 WALDER, Bewusste Beteiligung, S. 369; WALDER, The Rolling Stones, S. 58.<br />

922 DONATSCH, Mittäterschaft oder Teilnahme, S. 112.<br />

923 WALDER, Bewusste Beteiligung, S. 367, nennt dies „gemeinsame Kausalität“. Als Beispiel<br />

beschreibt er folgende Situation: Zwei Angestellte, die miteinander — nicht je einzeln — Strohballen<br />

vom Lastwagen hinunterwerfen und da<strong>bei</strong> einen Passanten verletzten.<br />

924 WALDER, Bewusste Beteiligung, S. 368, beschreibt als Beispiel jene Dachdecker, die immer nur die<br />

je vom einzelnen selbst behändigten, defekten Ziegel vom Dach werfen.<br />

925 DONATSCH, Mittäterschaft oder Teilnahme, S. 113; FORSTER, N 24 der Vorbem. zu Art. 24 StGB;<br />

WALDER, Bewusste Beteiligung, S. 369 f. Für die deutsche Lehre: KÜHL, N 13 zu § 25 dStGB ist<br />

aber nur teilweise von dieser Lösung überzeugt. CRAMER/HEINE, N 116 der Vorbem. zu § 25 ff.<br />

dStGB.<br />

926 Bay ObLG NJW 43 (1990) 3032: Unvorsichtiger Umgang mit Kerzen. Es konnte nicht festgestellt<br />

werden, welcher der <strong>bei</strong>den Angeklagten die Kerzen aufgestellt und angezündet hatte, weshalb das<br />

Gericht in diesem Fall auf eine Unterlassungshaftung auswich.<br />

927 Vgl. hierzu Art. 24 und 25 StGB. Das Gesetz <strong>bei</strong>nhaltet das Wort „vorsätzlich“, woraus folgt, dass<br />

weder eine fahrlässige Anstiftung noch eine fahrlässige Gehilfenschaft möglich sind. REHBERG/<br />

DONATSCH, § 34 Ziff. 1, S. 313; SCHULTZ, Täterschaft und Teilnahme, S. 287; SEELMANN, AT,<br />

S. 14; STRATENWERTH, AT I, § 16 N 47; TRECHSEL/NOLL, § 31 B. Ziff. 2, S. 199.<br />

928 DONATSCH, Mittäterschaft und Teilnahme, S. 113: „<strong>Die</strong> Verbindung zwischen Wille, Willensbetätigung<br />

und Erfolg ist aus der Sicht des Täters nicht eine reale, sondern eine nicht gewollte bzw. nicht<br />

erkannte, jedoch denkbare und zu erkennende. Da der direkte Bezug zwischen wissenschaftlicher<br />

176


5. Kapitel III. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> fahrlässiger Deliktsbegehung<br />

sprechende, unvorsätzliche Verhalten ist demnach nicht als fahrlässige Anstiftung oder<br />

fahrlässige Gehilfenschaft zu werten, sondern nur dann allenfalls strafbar, wenn das<br />

Gremiumsmitglied eine rechtserhebliche Sorgfaltspflicht missachtet hat und demzufolge<br />

als Täter anzusehen ist. Auch die mittelbare Täterschaft ist <strong>bei</strong>m Fahrlässigkeitsdelikt<br />

nicht möglich, da ja eine finale Steuerung des Tatablaufes gerade nicht vorliegt 929 .<br />

Folglich muss jeder Täter einzeln die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale<br />

erfüllt haben. Der Nebentäter ist ein Alleintäter 930 .<br />

Der Hauptanwendungsbereich der Nebentäterschaft findet sich <strong>bei</strong> den Fahrlässigkeitsdelikten<br />

931 . Eine Person wird zum Täter, wenn sie durch ein sorgfaltswidriges<br />

Verhalten zur Tatbestandserfüllung <strong>bei</strong>getragen hat 932 . Sind die strafrechtlich relevanten<br />

Folgen durch das Verhalten mehrerer Personen fahrlässig her<strong>bei</strong>geführt worden, sind alle<br />

diese Personen Täter unter der Voraussetzung, dass ihr Verhalten je kausal war und dass<br />

jedem Einzelnen von ihnen ein sorgfaltswidriges, für die strafrechtlich relevanten Folgen<br />

relevantes Handeln vorgeworfen werden kann 933 . Auch wenn nur eine Teilursache<br />

vorliegt, ist das Zusammenwirken auf fahrlässiger Basis eine Nebentäterschaft 934 . Ferner<br />

ist da<strong>bei</strong> gleichgültig, ob die einzelnen Täter voneinander wissen oder nicht. <strong>Die</strong>s gilt<br />

auch dann, wenn diese „Täter“ gemeinsam den Entschluss fassten, auf eine bestimmte<br />

Sorgfaltsmassnahme zu verzichten 935 .<br />

und willentlicher Grundhaltung einerseits sowie dem Erfolg andererseits fehlt, verzichtet das Gesetz<br />

auf eine Abstufung der Beteiligungsformen.“<br />

929<br />

HUBER, S. 293; TRECHSEL/NOLL, § 31 B. Ziff. 3, S. 199; a. M. NEUENSCHWANDER-HESSE, S. 69<br />

Fn. 67.<br />

930<br />

REHBERG/DONATSCH, § 15 Ziff. 2, S. 151.<br />

931<br />

JAKOBS, gemeinsame Organisation, S. 266, weist darauf hin, dass das positive Recht nur im<br />

Fahrlässigkeitsstrafrecht den so genannten Einheitstäter kennt. Einen Einheitstäter gibt es <strong>bei</strong> der<br />

Fahrlässigkeit nur in dem Sinne, als <strong>bei</strong> den haftenden Personen die Beteiligungsform nicht<br />

ausdrücklich differenziert wird. <strong>Die</strong> Beteiligungsdifferenzen müssen indes <strong>bei</strong> der Strafzumessung<br />

berücksichtigt werden. STRATENWERTH, AT I, § 16 N 47, ist der Meinung, dass es sich somit <strong>bei</strong><br />

Fahrlässigkeitsdelikten erübrige, von Nebentäterschaft zu sprechen.<br />

932<br />

DONATSCH, Mittäterschaft oder Teilnahme, S. 113.:<br />

933<br />

HEIERLI, S. 74 f.; REHBERG/DONATSCH, § 34 Ziff. 1, S. 313; STRATENWERTH, AT I, § 16 N 47.<br />

934<br />

SCHULTZ, AT I, S. 212.<br />

935<br />

TRECHSEL/NOLL, § 31 B. Ziff. 2, S. 199.<br />

177


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

D. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des Gremiumsmitgliedes<br />

<strong>bei</strong> einem als Begehung qualifizierten<br />

Sachverhalt<br />

178<br />

1. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des Gremiumsmitgliedes<br />

<strong>bei</strong> Ausführung des Gremiumsbeschlusses<br />

durch einen Mitar<strong>bei</strong>ter oder ein Gremiumsmitglied<br />

Grundsätzlich gilt: „Fehlt es an der natürlichen bzw. hypothetischen Kausalität zwischen<br />

dem Verhalten einer Person und dem tatbestandsmässigen Erfolg, so kann sie für diesen<br />

selbst dann nicht verantwortlich gemacht werden, wenn sie sich gemeinsam mit jemand<br />

anderem zu sorgfaltswidrigem Verhalten entschlossen und dieser andere dadurch allein<br />

die Schädigung verursacht hat“ 936 .<br />

Doch <strong>bei</strong> einem Angewiesenen, der auf Grund eines Gremiumsbeschlusses den<br />

folgenreichen Beschluss ausführt, liegt eine andere Situation vor. Der den Beschluss<br />

Ausführende — sei es nun ein Gremiumsmitglied oder ein Mitar<strong>bei</strong>ter — handelt i. d. R.<br />

erst auf Anweisung des Gremiums. Geht das fährlässige Verhalten auf einen gemeinsamen<br />

Entschluss zurück, ohne den nichts geschehen wäre, ist jedem der Gremiumsmitglieder<br />

die Mitverursachung des Erfolges zur Last zu legen 937 . Zumindest einige der<br />

Gremiumsmitglieder — wenn nicht alle — führen den Beschluss nicht selber aus und<br />

bedingen die strafrechtlich relevanten Folgen somit nur durch ihr Mitwirken an der<br />

Abstimmung. Durch das kausale Abstimmungsverhalten und die anschliessende Weisung<br />

an den Ausführenden sind jene Gremiumsmitglieder, deren Stimmverhalten als kausal<br />

nachgewiesen wurde, an der Verursachung der strafrechtlich relevanten Folgen beteiligt.<br />

Ein solches Mitverursachen 938 der strafrechtlich relevanten Folgen durch die jeweiligen<br />

Gremiumsmitglieder ist somit zu berücksichtigen, so dass nicht nur der Tatnächste<br />

strafrechtlich verantwortlich wird. Es ist in der Folge nachzuweisen, welche Gremiumsmitglieder<br />

sich fahrlässig verhalten haben und welchen Gremiumsmitgliedern somit die<br />

strafrechtlich relevanten Folgen zuzurechnen sind.<br />

936 REHBERG/DONATSCH, § 34 Ziff. 1, S. 313.<br />

937 STRATENWERTH, AT I, § 16 N 47.<br />

938 Vgl. REHBERG/DONATSCH, § 34 Ziff. 1, S. 313, machen darauf aufmerksam, dass allen kausal und<br />

unvorsätzlich handelnden Personen ein sorgfaltswidriges, für den Eintritt der strafrechtlich relevanten<br />

Folgen relevantes Handeln nachzuweisen ist.


5. Kapitel III. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> fahrlässiger Deliktsbegehung<br />

2. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des den Gremiumsbeschluss<br />

ausführenden Mitar<strong>bei</strong>ters wegen<br />

Fahrlässigkeit<br />

Durch die Kausalität der Ausführung des Beschlusses treten strafrechtlich relevante<br />

Folgen ein. Der Mitar<strong>bei</strong>ter kann mit seiner Ausführung des Beschlusses pflichtwidrig<br />

handeln, weil er strafrechtswidrige oder auch gefährliche sozialinadäquate Handlungen<br />

vornimmt. Da der Mitar<strong>bei</strong>ter eine Person mit eigenen Kenntnissen und Fähigkeiten ist,<br />

hat er sich selber eine Meinung darüber zu bilden, ob seine Handlung noch im erlaubten<br />

Risikobereich liegt. Auch ihm kann Sorgfaltswidrigkeit vorgeworfen werden, falls er den<br />

Erfolg im unerlaubten Risikobereich voraussieht oder voraussehen konnte. Um die<br />

Sorgfaltspflicht jedoch zu begrenzen, ist der Vertrauensgrundsatz heranzuziehen. Ein<br />

Mitar<strong>bei</strong>ter darf i. d. R. <strong>bei</strong> einer nicht offensichtlich rechtswidrigen Weisung von der<br />

Rechtmässigkeit derselben ausgehen. Wo jedoch mit einem Verstoss gegen ein Gesetz zu<br />

rechnen ist, findet der Vertrauensgrundsatz seine Grenzen 939 . Erteilen Vorgesetzte ihren<br />

Mitar<strong>bei</strong>tern Anweisungen zu rechtswidrigem Handeln, kann nicht immer darauf vertraut<br />

werden, dass die Mitar<strong>bei</strong>ter die Rechtswidrigkeit erkennen und sich dementsprechend<br />

verhalten. Mitar<strong>bei</strong>ter müssen allerdings nicht schon <strong>bei</strong>m leisesten Zweifel oder <strong>bei</strong><br />

blossen abstrakten Vermutungen an die Möglichkeit einer Straftat denken. Hingegen<br />

tragen fachkundige Mitar<strong>bei</strong>ter grössere Verantwortung, so dass ihre Sorgfaltspflichten<br />

mit dem Rang des gefährdeten Rechtsgutes steigen 940 . Hier<strong>bei</strong> sind die individuellen<br />

Fähigkeiten der betreffenden Mitar<strong>bei</strong>ter sowie die konkrete Situation besonders zu<br />

beachten.<br />

Der die Weisung ausführende Mitar<strong>bei</strong>ter kann auch gehalten sein 941 , <strong>bei</strong>m Vorgesetzten<br />

nachzufragen. Durfte der Mitar<strong>bei</strong>ter auf die Weisung des Vorgesetzten vertrauen,<br />

kann ihm kein sorgfaltswidriges Verhalten vorgeworfen werden, falls er nicht<br />

zufolge seines Fachwissens schwerwiegende Zweifel hatte oder haben musste 942 . Sieht<br />

der Mitar<strong>bei</strong>ter jedoch voraus, dass sich die Handlung nicht mehr im erlaubten Risikobereich<br />

bewegt und zu einem strafrechtlich relevanten Erfolg führen kann, ist das<br />

Vertrauen in die Weisung nicht mehr vorhanden. Der Eintritt des Erfolges ist dadurch<br />

vermeidbar, dass der Mitar<strong>bei</strong>ter die voraussehbare schädliche Handlung nicht ausführt.<br />

939 FREI, S. 113; SCHALL, S. 106 f.<br />

940 RANSIEK, Unternehmensstrafrecht, S. 41.<br />

941 Vgl. dazu CRAMER/STERNBERG-LIEBEN, N 153 zu § 15 dStGB, und DEUTSCHER/KÖRNER, S. 330,<br />

sowie SCHMIDT-SALZER, Produkthaftung I, N 1.264, sind der Meinung, dass ein Mitar<strong>bei</strong>ter aus<br />

einer unteren Leitungsebene i. d. R. auf die Richtigkeit des Inhaltes der Weisung vertrauen darf.<br />

Dem Mitar<strong>bei</strong>ter obliege deshalb keine Prüfungspflicht.<br />

942 SCHMIDT-SALZER, Produkthaftung I, N 1.265 f., sieht eine Bestrafung nur in Ausnahmefällen, da der<br />

Mitar<strong>bei</strong>ter nur einen eingegrenzten <strong>Verantwortlichkeit</strong>sbereich innehabe, so dass diesem auch nur<br />

eine begrenzte Beurteilungsperspektive zugestanden werden müsse. Dem Vertrauensprinzip sind<br />

jedoch dort Grenzen zu setzen, wo die Rechtswidrigkeit erkennbar ist. Ein „Freibrief für Verantwortungslosigkeit“<br />

kann dem Mitar<strong>bei</strong>ter nicht ausgestellt werden.<br />

179


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

Das Vertrauensprinzip betrifft jedoch nur zukünftiges Verhalten; es greift also nicht,<br />

wenn durch ein fremdes Fehlverhalten bereits eine Gefahr entstanden ist 943 .<br />

E. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des Gremiumsmitgliedes<br />

<strong>bei</strong> einem als Unterlassung qualifizierten<br />

Sachverhalt<br />

Auch Unterlassungsdelikte können in fahrlässiger Weise begangen werden. <strong>Die</strong><br />

Entstehungsgründe für die Garantenpflicht sind dieselben wie <strong>bei</strong>m vorsätzlichen Unterlassungsdelikt<br />

944 . <strong>Die</strong> unterlassene Vornahme der geeigneten, gebotenen Massnahmen<br />

kann auf pflichtwidriger Unvorsichtigkeit beruhen. Womöglich sind Umstände eingetreten,<br />

welche Garantenpflichten auslösen, während der Garant meint, dass die gebotenen<br />

Massnahmen keinen Erfolg hätten. <strong>Die</strong> Sorgfaltspflicht wird dadurch verletzt, dass die<br />

Massnahmen nicht eingesetzt oder ungeeignet bzw. ungenügend vorgenommen<br />

wurden 945 .<br />

Im Gegensatz zum Begehungsdelikt ist <strong>bei</strong>m fahrlässigen Unterlassungsdelikt 946 eine<br />

Übernahmefahrlässigkeit nicht möglich 947 . „Bei der Sorgfaltsbemessung für risikobehaftete<br />

Tätigkeiten kann dem Gesichtspunkt des individuellen Könnens regelmässig<br />

ausreichend Rechnung getragen werden“ 948 . Im Übrigen sei auf die Ausführung zum<br />

Erfolgsdelikt als Begehungsdelikt verwiesen 949 .<br />

943 STRATENWERTH, AT I, § 16 N 51.<br />

944 STRATENWERTH, AT I, § 17 N 2. Siehe 5. Kapitel II.C.3.<br />

945 REHBERG/DONATSCH, § 33 Ziff. 2.2, S. 310 f.<br />

946 REHBERG/DONATSCH, § 33 Ziff. 1.22 und Ziff. 1.221 lit. c), S. 287 f.<br />

947 REHBERG/DONATSCH, § 33 Ziff. 2.4, S. 312. <strong>Die</strong>s ist m. E. nicht ganz verständlich, wenn man sich<br />

folgendes Beispiel vor Augen führt: Eine Person, die weiss, dass sie die verlangten Anforderungen<br />

nicht erfüllt, hat unter Vorspiegelung falscher Tatsachen eine Anstellung erhalten. Lässt sie sich nun<br />

ein Verschulden zukommen und vermag sie das bedrohte Rechtsgut nicht vor Schaden retten, weil<br />

sie dazu nicht fähig ist, müsste sie gemäss Art. 18 Abs. 3 StGB nur nach ihren eigenen Fähigkeiten<br />

beurteilt werden, was zu einem straflosen Verhalten führen würde.<br />

948 REHBERG/DONATSCH, § 33 Ziff. 2.4, S. 312.<br />

949 Siehe 5. Kapitel II.D.<br />

180


5. Kapitel III. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> fahrlässiger Deliktsbegehung<br />

F. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des einzelnen<br />

Gremiumsmitgliedes auf Grund seines Stimmverhaltens<br />

1. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des Gremiumsmitgliedes<br />

vor und während der Abstimmung<br />

a) Zuschreibung des Erfolgs an das jeweilige Gremiumsmitglied<br />

auf Grund seines kausalen Stimmverhaltens<br />

<strong>Die</strong> natürliche Kausalität ist für den Vorsatz wie auch für das Fahrlässigkeitsdelikt die<br />

gleiche 950 . Hinsichtlich des Abstimmungsresultats ist somit das Verhalten der einem<br />

„vordergründig korrekten Antrag“ zustimmenden Gremiumsmitglieder — u .U. aber auch<br />

derjenigen, die sich der Stimme enthalten oder unentschuldigt abwesend sind —<br />

kausal 951 . „Ist ein Teil des quantifizierbaren Erfolges ohne das Verhalten des Täters<br />

kausal zu erklären, so darf er ihm nicht zugerechnet werden“ 952 . Daraus folgt, dass sich<br />

nur diejenigen Gremiumsmitglieder fahrlässig verhalten können, deren Stimmverhalten<br />

für den Beschluss und den dadurch her<strong>bei</strong>geführten Erfolg kausal sind. Deshalb ist<br />

abzuklären, ob das Gremiumsmitglied, dessen Stimmverhalten im Hinblick auf die<br />

Abstimmung nicht kausal ist, sich <strong>bei</strong> der Ausführung bzw. der Umsetzung des<br />

Beschlusses so verhält, dass auch ihm der Erfolg zuzuschreiben ist.<br />

b) Adäquate Kausalität<br />

Das Bundesgericht schränkt die Äquivalenztheorie <strong>bei</strong> den Fahrlässigkeitsdelikten durch<br />

die Adäquanztheorie ein 953 . Anhand der Adäquanztheorie wird versucht, die Auslegung<br />

des Begriffs „Kausalität“ derart einzuengen, dass dieser aus rechtlicher Sicht keine<br />

unerheblichen Bedingungen des Erfolges mehr erfasst 954 . <strong>Die</strong> Lehre der adäquaten<br />

950<br />

BGE 125 IV 198; REHBERG/DONATSCH, § 33 Ziff. 1.1, S. 285; STRATENWERTH, AT I, § 16 N 8.<br />

951<br />

Siehe 5. Kapitel I.D.6.d).<br />

952<br />

PUPPE, AT, S. 34 N 21 m. w. H. (Hervorhebungen durch die Autorin selbst). Vgl. auch PUPPE,<br />

Erfolg, S. 863 ff.<br />

953<br />

BGE 78 IV 7; TRECHSEL/NOLL, § 35 C., S. 262. DUBS, Kausalzusammenhang, S. 29, weist darauf<br />

hin, dass die Lehre der adäquaten Kausalität nur <strong>bei</strong> den Fahrlässigkeitsdelikten zur Anwendung<br />

gelange, da diese Lehre <strong>bei</strong> Vorsatzdelikten keine praktische Bedeutung habe.<br />

954<br />

Rechtserheblich ist gemäss der adäquaten Kausalität nur „die natürliche Ursache, die nach dem<br />

gewöhnlichen Lauf der Dinge und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet ist, einen Erfolg<br />

von der Art des eingetretenen her<strong>bei</strong>zuführen“, vgl. RIKLIN, § 13 N 34, N 45; STRATENWERTH, AT I,<br />

§ 9 N 24; TRECHSEL/NOLL, § 35 C., S. 262. <strong>Die</strong> adäquate Kausalität umfasst demzufolge alles, was<br />

nicht allzu entfernt, nicht ganz oder schlechthin unwahrscheinlich, nicht ausgefallen, nicht völlig<br />

singulär, nicht wider allen Erwartens, nicht unsinnig und nicht völlig atypisch ist, vgl. WALDER,<br />

Kausalität, S. 146. Umgekehrt kann gesagt werden, dass die Kausalität nicht rechtserheblich ist,<br />

wenn die natürliche Verursachung soweit ausserhalb der normalen Lebenserfahrung liegt, dass die<br />

Folge nicht zu erwarten war: „<strong>Die</strong> Adäquanz […] ist […] nur zu verneinen, wenn ganz aussergewöhnliche<br />

Umstände wie das Mitverschulden eines Dritten, Material- und Konstruktionsfehler, als<br />

181


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

Kausalität ist keine Kausal- sondern eine Zurechnungslehre, weil sie die natürliche<br />

Kausalität einzugrenzen versucht 955 . Ob ein gewisses Verhalten gemäss der allgemeinen<br />

Lebenserfahrung pflichtwidrig ist, ist ex ante zu prüfen. Da<strong>bei</strong> wird <strong>bei</strong> der adäquaten<br />

Kausalität auf den Kenntnisstand eines objektiven Betrachters abgestellt 956 „Adäquate<br />

Kausalität, generelle Sorgfaltspflicht, objektive Voraussehbarkeit oder Erkennbarkeit<br />

umschreiben dasselbe Problem“ 957 .<br />

Kernstück der Fahrlässigkeitsdelikte ist die Verletzung einer Sorgfaltspflicht.<br />

Gemäss Art. 18 Abs. 3 StGB wird die Fahrlässigkeit als pflichtwidriges unvorsichtiges<br />

Verhalten umschrieben. Art. 18 Abs. 3 StGB legt die Sorgfaltspflichtverletzung gemäss<br />

den Umständen und den persönlichen Verhältnissen fest. <strong>Die</strong> persönlich aufzuwendende<br />

Sorgfalt ist demzufolge für jeden einzelnen Täter individuell zu eruieren. Es genügt also<br />

nicht, diese mit Blick auf eine vernünftig und besonnen agierende Person als objektive<br />

Massfigur zu umschreiben. Der Inhalt der Sorgfaltspflicht muss im Zeitpunkt des strafrechtlich<br />

relevanten Verhaltens abschliessend sowie individuell-konkret bestimmt sein 958 .<br />

Der Kausalverlauf und der Erfolg haben keinen Einfluss hinsichtlich des Inhaltes der<br />

erforderlichen Sorgfaltspflicht 959 . <strong>Die</strong> Lehre 960 geht mehr und mehr von der individuellen<br />

Voraussehbarkeit aus und nimmt gleichzeitig Abstand von der weit verstandenen adäquaten<br />

Kausalität.<br />

Mitursachen hinzutreten, mit denen schlechthin nicht gerechnet werden musste und die aber derart<br />

schwer wiegen, dass sie als die wahrscheinlichste und unmittelbarste Ursache des Erfolges erscheinen<br />

und die anderen mitverursachenden Faktoren — namentlich das Verhalten des Angeschuldigten<br />

— somit in den Hintergrund drängen“ (Auslassungen durch Verfasserin), vgl. BGE 127 IV 39;<br />

vgl. auch 118 IV 134. In der Weise, wie das Bundesgericht die Adäquanztheorie einsetzt, ist sie<br />

praktisch funktionslos, denn selbst <strong>bei</strong> sehr ungewöhnlichen Kausalverläufen erachtet das Bundesgericht<br />

den Kausalzusammenhang immer noch als adäquat, vgl. TRECHSEL/NOLL, § 35 C., S. 262;<br />

HEIERLI, S. 62.<br />

955 RIKLIN, § 13 N 36; SCHULTZ, AT I, S. 126.<br />

956 DONATSCH, Sorgfaltsbemessung, S. 261. KNAUER, S. 97, Fn. 438, meint, dass die Kausalität meist<br />

ex ante betrachtet werde, dass der Kausaltheorie jedoch explizit oder implizit eine ex post-<br />

Betrachtung zu Grunde liege. REHBERG/DONATSCH, § 33 Ziff. 1.31, S. 290 f.; STRATENWERTH, AT<br />

I, § 9 N 25. Bei der Prüfung von Kausalität sowie von Voraussehbarkeit ist festzuhalten, dass ein<br />

voraussehbarer Kausalverlauf immer adäquat ist. DUBS, Fahrlässige Delikte, S. 38, vertrat daher<br />

schon 1962 die Meinung, auf die Adäquanz könne verzichtet werden.<br />

957 HEIERLI, S. 61.<br />

958 REHBERG/DONATSCH, § 33 Ziff. 1.21, S. 286. RIKLIN, § 16 N 45, weist aber darauf hin, dass die<br />

Pflicht zur Aufmerksamkeit nicht zu überdehnen sei. SEELMANN, AT, S. 135; STRATENWERTH, AT<br />

I, § 16 N 14.<br />

959 REHBERG/DONATSCH, § 33 Ziff. 1.21, S. 286.<br />

960 FLACHSMANN, S. 148; REHBERG, Erlaubtes Risiko, S. 120 f.; SCHULTZ, AT I, S. 126. Siehe dazu 5.<br />

182<br />

Kapitel III.F.1.c)(3)ii).


5. Kapitel III. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> fahrlässiger Deliktsbegehung<br />

c) Missachtung der Sorgfaltspflicht durch das einzelne<br />

Gremiumsmitglied<br />

(1) Ansatzpunkt für die Sorgfaltspflicht des einzelnen Gremiumsmitgliedes<br />

In komplexen Entscheidungssituationen — z. B. <strong>bei</strong> Gremiumsentscheidungen —<br />

bereitet eine angemessene Konkretisierung der Sorgfaltspflichten erhebliche Schwierigkeiten.<br />

Bezüglich des Pflichtinhaltes kann <strong>bei</strong>m jeweiligen Gremiumsmitglied nicht nur<br />

von dessen Stimmverhalten ausgegangen werden, denn dieses Stimmverhalten allein<br />

vermag noch keine Sorgfaltspflicht zu verletzen. Es kann in diesem eingeschränkten<br />

Bereich ein sozial-adäquates Verhalten darstellen, ist es doch nicht per se ein gefährliches<br />

oder strafrechtswidriges Verhalten. Das Stimmverhalten ist deshalb im Kontext der Ausführung<br />

bzw. der Umsetzung und der möglichen strafrechtlich relevanten Folgen des<br />

Beschlusses zu betrachten. Deswegen ist auch der Pflichtinhalt an den Beschluss und<br />

dessen Ausführung bzw. Umsetzung zu knüpfen. Gehen folglich vom Gremiumsbeschluss<br />

keine (voraussehbaren) gefährdenden „Signale“ hinsichtlich dessen Ausführung<br />

bzw. Umsetzung aus, ist das Verhalten des Gesamtgremiums und somit des einzelnen<br />

Gremiumsmitgliedes nicht pflichtwidrig. Ist mit Pflichtwidrigkeiten zu rechnen, folgen<br />

aus dem Beschluss möglicherweise Rechtsgutgefährdungen. Jedes Gremiumsmitglied hat<br />

sich also darüber Gedanken zu machen, welche Risiken sich aus einer Annahme des Antrags<br />

und dessen Ausführung bzw. dessen Umsetzung ergeben könnten und ob die Folgen<br />

sich noch im Rahmen des erlaubten Risikos befinden.<br />

(2) Erlaubtes Risiko hinsichtlich des Verhaltens des einzelnen<br />

Gremiumsmitgliedes<br />

Eine Tätigkeit, die mit einem gewissen Risiko in Bezug auf fremde Rechtsgüter behaftet<br />

ist, ist nicht per se als pflichtwidrig zu qualifizieren. <strong>Die</strong>s gilt jedoch nur solange, als der<br />

Handelnde die Gefahr für das jeweilige Rechtsgut im Rahmen des Zumutbaren, sowie<br />

seiner Kenntnisse und Erfahrung erkennt und sie nicht noch erhöht. Der Handelnde darf<br />

also das höchstzulässige Risiko nicht überschreiten 961 .<br />

Das erlaubte Risiko muss die Ausführung bzw. die Umsetzung des angenommenen<br />

vordergründig korrekten Antrags betreffen, da das Stimmverhalten keinen Aufschluss<br />

über die Risiko-Toleranz erlaubt. Festzustellen sind Sinn und Zweck des vordergründig<br />

961 REHBERG/DONATSCH, § 33 Ziff. 1.222, S. 288, weisen darauf hin, sorgfaltswidrig seien die Ausübung<br />

von strafrechtswidrigen Verhaltensweisen, von gefährlichen Handlungen, welche keinen positiven<br />

Zweck verfolgen sowie von risikobehafteter Tätigkeit, wenn der ausübenden Person die dafür<br />

nötigen Fähigkeiten abgehen. RIKLIN, § 16 N 54, N 63; STRATENWERTH, AT I, § 9 N 34 ff. Eine<br />

Verletzung der Sorgfaltspflicht entfällt dann, wenn zwar der voraussehbare negative Erfolg eingetreten<br />

ist, aber der „Täter“ sich im Bereich des erlaubten Risikos hielt, vgl. RIKLIN, § 16 N 49.<br />

183


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

korrekten Antrags sowie dessen mögliche strafrechtlich relevante Folgen. <strong>Die</strong> genannte<br />

Vorgehensweise ist insofern notwendig, als sonst keine Bezugspunkte für die Berechnung<br />

der Grenzen des erlaubten Risikos bestehen. <strong>Die</strong> strafrechtlich relevanten Folgen<br />

sind da<strong>bei</strong> immer aus der ex ante-Sicht zu eruieren, da diese Folgen für das Gremiumsmitglied,<br />

das entscheiden muss, bereits von vornherein erkennbar sein müssen 962 .<br />

184<br />

(3) Der vom Gremiumsmitglied zu beachtende Sorgfaltsmassstab<br />

i) Vom einzelnen Gremiumsmitglied geforderte Sorgfalt<br />

Jedes Gremiumsmitglied sowie die Ausführenden haben sich in ihrem Zuständigkeitsbereich<br />

hinsichtlich der strafrechtlich geschützten Rechtsgüter sorgfältig zu verhalten 963 .<br />

<strong>Die</strong> geforderte Sorgfalt beurteilt sich gestützt auf das in Frage stehende Thema, welches<br />

der Antrag <strong>bei</strong>nhaltet, und die Folgen des Antrags sowie in Anwendung der anwendbaren<br />

Gesetze und Reglemente. Der Sorgfaltsmassstab ist individuell und daher auf jedes<br />

Gremiumsmitglied abzustimmen 964 . Besitzt ein Gremiumsmitglied bessere und weiter<br />

gehende Kenntnisse als die anderen Gremiumsmitglieder, ist es dazu angehalten, sein<br />

Wissen und seine Erkenntnisse <strong>bei</strong> seinem eigenen Stimmverhalten einzusetzen. Ob ein<br />

solches Gremiumsmitglied seine Kenntnisse und Fähigkeiten auch zur Erweiterung der<br />

Informations- und Entscheidbasis aller Gremiumsmitglieder einzusetzen hat, wird im 5.<br />

Kapitel III.F.2 erörtert. <strong>Die</strong> Kriterien zur Bestimmung des anzuwendenden Sorgfaltsmassstabes<br />

sind insbesondere die Voraussehbarkeit, das Vertrauensprinzip und die<br />

Vermeidbarkeit in Bezug auf die Straftat.<br />

ii) Voraussehbarkeit des Kausalverlaufes sowie der strafrechtlich<br />

relevanten Folgen durch das einzelne Gremiumsmitglied<br />

<strong>Die</strong> Voraussehbarkeit ist der Kerngehalt von Art. 18 Abs. 3 StGB, da sich aus der<br />

Voraussehbarkeit des Erfolges eine Sorgfaltspflichtwidrigkeit ergibt 965 . Der Erfolg und<br />

der dazu hinführende Kausalverlauf 966 müssen bzw. können nicht in allen Einzelheiten<br />

962 DONATSCH, Sorgfaltsbemessung, S. 247 und S. 181 ff., macht darauf aufmerksam, dass die Sorgfaltspflichten<br />

nicht überspannt werden dürfen; ansonsten wäre ein Zusammenleben unmöglich und<br />

würde zudem die Rechtsdurchsetzung untergraben. GROSSE VORHOLT, N 386 f.; KUHLEN,<br />

Strafrechtliche Produkthaftung S. 656.<br />

963 MEIER, S. 3195.<br />

964 REHBERG/DONATSCH, § 33 Ziff. 1.31, S. 291: „von der Fähigkeit zur Risikoerkennung und Risikoverminderung<br />

ist Gebrauch zu machen“ und Ziff. 1.33, S. 295; RIKLIN, § 16 N 46. SEELMANN, AT,<br />

S. 135: „Sonderwissen wird sorgfaltspflichterhöhend und unterdurchschnittliche Fähigkeiten werden<br />

sorgfaltspflichtmindernd berücksichtigt. STRATENWERTH, AT I, § 16 N 14; TRECHSEL/NOLL, § 35<br />

D., S. 264.<br />

965 ARZT, 50 km/h, S. 305; RIKLIN, § 16 N 44.<br />

966 Das Bundesgericht sieht vom Erfordernis ab, dass der Täter auch den zum Erfolg führenden Kausalverlauf<br />

in seinen Umrissen vorausgesehen haben können sollte. Es verwendet die Formel, dass es<br />

nicht darauf ankomme, ob der Täter bedacht habe, dass sich die Ereignisse gerade so abspielen


5. Kapitel III. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> fahrlässiger Deliktsbegehung<br />

voraussehbar gewesen sein, wohl aber grosso modo 967 . <strong>Die</strong> Schwierigkeit der Voraussehbarkeit<br />

hinsichtlich einer Mehrheitsentscheidung besteht darin, dass das Gremiumsmitglied<br />

sowohl den Kausalverlauf zwischen seinem Stimmverhalten und dem Beschluss<br />

sowie zwischen Beschluss und Erfolg als auch den Erfolg selbst voraussehen sollte 968 . Es<br />

handelt sich da<strong>bei</strong> jedoch „um ein künftiges Geschehen, dessen Einzelheiten genau zu<br />

antizipieren keine Vorstellungskraft imstande ist“ 969 . Was die Kausalität des eigenen<br />

Stimmverhaltens betrifft, ist davon auszugehen, dass jedes Gremiumsmitglied weiss, wie<br />

es in einem Gremium zu einem Beschluss kommt. <strong>Die</strong>sbezüglich ist von Wissen und<br />

nicht nur von Voraussehbarkeit zu sprechen. Das Gremiumsmitglied ist sich folglich<br />

darüber im Klaren, dass eine Mehrheit erreicht werden kann, die den Antrag unterstützt.<br />

Auf Grund dieser Erkenntnis ist es dem Gremiumsmitglied auch bewusst, dass sein<br />

Stimmverhalten eine hinreichende Bedingung, ja in seltenen Fällen sogar eine conditiosine-qua-non,<br />

darstellt. Zudem weiss es, dass in einem Gremium mit pflichtwidrigem<br />

Verhalten anderer zu rechnen ist, weil die Ausführung bzw. die Umsetzung eines<br />

Beschlusses auf einer Mehrheitsentscheidung gründet.<br />

Ist sich nun das Gremiumsmitglied — auf Grund der Informationen und Unterlagen<br />

—, dessen bewusst, dass die Möglichkeit eines strafrechtlich relevanten Erfolges<br />

besteht und vertraut es dennoch darauf, dass ein solcher auch <strong>bei</strong> Annahme des vordergründig<br />

korrekten Antrags nicht eintreten wird, ist Voraussehbarkeit gegeben. Gleich<br />

verhält es sich, wenn das Gremiumsmitglied infolge der vorliegenden Information den<br />

Eintritt des Erfolges <strong>bei</strong> Annahme und Ausführung bzw. Umsetzung des vordergründig<br />

korrekten Antrags hätte voraussehen können oder gar müssen. Da<strong>bei</strong> muss der Erfolg im<br />

Bereich des Schutzzweckes der verletzten Sorgfaltspflicht liegen 970 . Ist der Erfolg<br />

dagegen nicht voraussehbar, ist keine Sorgfaltswidrigkeit gegeben.<br />

würden, wie sie sich zugetragen haben. Es genüge, dass der Täter den betreffenden Enderfolg<br />

überhaupt hätte voraussehen können, vgl. BGE 79 IV 170.<br />

967 REHBERG/DONATSCH, § 33 Ziff. 1.331, S. 296; RIKLIN, § 16 N 44; STRATENWERTH, AT I, § 16<br />

N 17. Sind die <strong>strafrechtliche</strong>n Folgen (für alle oder für einzelne Gremiumsmitglieder) nicht voraussehbar,<br />

müssen diejenige Gremiumsmitglieder, welche die strafrechtlich relevanten Folgen nicht<br />

voraussehen, straflos ausgehen, unabhängig davon, ob sie für oder dagegen gestimmt haben, vgl.<br />

dazu EICHINGER, S. 207, der anderer Meinung ist.<br />

968 Der „Täter“ hätte also eine sog. Kettenkausalität vorauszusehen.<br />

969 WALDER, Kausalität, S. 143. Vgl. auch TRECHSEL/NOLL, § 35 E., S. 270.<br />

970 DONATSCH, Sorgfaltsbemessung, S. 248; FLACHSMANN, S. 149 f., der den Schutzzweck jedoch nicht<br />

untersucht. HEIERLI, S. 76 f.; KÜPER, S. 267; REHBERG/DONATSCH, § 33 Ziff. 1.331, S. 294;<br />

RIKLIN, § 16 N 63; SEELMANN, AT, S. 142; TRECHSEL/NOLL, § 35 F., S. 273.<br />

185


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

186<br />

iii) Möglichkeit der Anwendung des Vertrauensgrundsatzes durch<br />

das Gremiumsmitglied<br />

Der Vertrauensgrundsatz besagt, dass derjenige, der sich selbst ordnungsgemäss und<br />

rechtmässig verhält, darauf vertrauen darf, dass der andere dies auch tut 971 . Zunehmend<br />

wird anerkannt, dass es sich da<strong>bei</strong> um ein allgemeines Prinzip handelt, das überall dort<br />

gelten muss, wo sich das Verhalten mehrerer Personen mit dem sozialen Handeln anderer<br />

überschneidet. <strong>Die</strong> Lehre 972 wendet das Vertrauensprinzip auf das ar<strong>bei</strong>tsteilige<br />

Zusammenwirken an. <strong>Die</strong> Anwendung des Vertrauensprinzips ist somit nicht mehr nur<br />

auf das Strassenverkehrsrecht 973 beschränkt, für welches es ursprünglich entwickelt<br />

wurde.<br />

Der Vertrauensgrundsatz lässt sich prinzipiell auch innerhalb eines Gremiums<br />

anwenden 974 . Bei einer Delegation sind Rechte und Pflichten auf den jeweiligen Ressortvorsteher<br />

übertragen worden, weshalb das Gesamtgremium i. d. R. auf die sachgerechte<br />

und pflichtgemässe Ausführung und Wahrnehmung der übertragenen Aufgaben und<br />

Bereiche durch den betreffenden Funktionsinhaber vertrauen darf. Gegenüber den Mitgremiumsmitgliedern<br />

und Mitgeschäftsführern besteht dann üblicherweise auch ein<br />

gesteigertes Vertrauen 975 . Ein Verwaltungsratsmitglied darf jedoch nicht einfach nur auf<br />

die sorgfältige Amtsführung durch die anderen Verwaltungsratsmitglieder vertrauen 976 ,<br />

denn der Vertrauensgrundsatz findet <strong>bei</strong> Kontroll- und Überwachungspflichten seine<br />

Grenzen.<br />

Bezüglich der Mehrheitsentscheidung ist von Interesse, ob ein Gremiumsmitglied auf<br />

das richtige Stimmverhalten der anderen Gremiumsmitglieder vertrauen darf. Der Vertrauensgrundsatz<br />

ist nur dort anwendbar, wo sich die einzelnen Verantwortungsbereiche<br />

voneinander abgrenzen lassen 977 und folglich eine Ar<strong>bei</strong>tsteilung vorliegt. Andernfalls<br />

sind identische Verantwortungsbereiche vorhanden, so dass das Vertrauensprinzip nicht<br />

angewendet werden kann, da eine Abgrenzung der Verantwortungsbereiche gar nicht<br />

971<br />

CRAMER/STERNBERG-LIEBEN, N 211 zu § 15 dStGB; REHBERG/DONATSCH, § 33 Ziff. 1.332,<br />

S. 298; SCHMIDT-SALZER, Strafrechtliche Produktverantwortung, S. 1937 f.<br />

972<br />

DONATSCH, Geschäftsbesorgung, S. 15; GRAVEN/STRÄULI, N 165 A. lit. b), S. 223; REHBERG/<br />

DONATSCH, § 33 Ziff. 1.332, S. 298; STRATENWERTH, AT I, § 16 N 49.<br />

973<br />

BGE 124 IV 82; 120 IV 254.<br />

974<br />

SCHOLL, S. 197; SCHMIDT-SALZER, Produkthaftung I, N 1.288 ff.<br />

975<br />

NJW 50 (1997) 132; CRAMER/STERNBERG-LIEBEN, N 223 (S. 319) zu § 15 dStGB; DANNECKER,<br />

S. 224.<br />

976<br />

BERTSCHINGER, N 165, führt aus, dass die Verwaltungsratsmitglieder und Geschäftsführer — zufolge<br />

steigender Komplexität und Dynamik des wirtschaftlichen Umfeldes — je länger je mehr einer<br />

gesteigerten Anforderung an die Ausübung dieses Mandates unterlägen. Ein Verwaltungsratsmitglied<br />

habe sich andauernd weiterzubilden, um den Anforderungen des Mandates gerecht zu<br />

werden. Unkenntnis bedeute keine Entlastung. Vgl. auch Art. 716 Abs. 1 Ziff. 5 OR.<br />

977<br />

DONATSCH, Geschäftsbesorgung, S. 15, weist darauf hin, dass es da<strong>bei</strong> nicht darauf ankomme, ob<br />

nun an eine hierarchisch gleichgestellte Person oder aber an einen unterstellten Mitar<strong>bei</strong>ter delegiert<br />

wird.


5. Kapitel III. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> fahrlässiger Deliktsbegehung<br />

möglich ist 978 . In diesem Sinn darf <strong>bei</strong> Zuständigkeit des Gesamtgremiums nicht<br />

automatisch auf eine Reduktion der <strong>strafrechtliche</strong>n <strong>Verantwortlichkeit</strong> des einzelnen<br />

Gremiumsmitgliedes geschlossen werden. Das betreffende Gremiumsmitglied hat <strong>bei</strong><br />

Gesamtzuständigkeit des Gremiums (Verwaltungsrat oder Geschäftsleitung) und somit<br />

aller Gremiumsmitglieder die gleichen Pflichten und Zuständigkeiten wahrzunehmen,<br />

wie wenn das Gremium nur aus einer Person bestünde 979 . In der Folge darf das einzelne<br />

Gremiumsmitglied nicht einfach darauf vertrauen, dass sich die anderen sorgfaltsgemäss<br />

verhalten und somit „richtig“ abstimmen.<br />

Ob die vorliegende Information rechtens ist und ob somit darauf vertraut werden darf<br />

— egal ob die Information von einem Gremiumsmitglied, einem Mitar<strong>bei</strong>ter oder einem<br />

Ausstehenden stammt — betrifft ein anderes Feld, welches im Punkt „Informationsbasis“<br />

in 5. Kapitel III.F.2 behandelt wird.<br />

iv) Vermeidbarkeit des Geschehensablaufs durch das einzelne<br />

Gremiumsmitglied<br />

Art. 18 Abs. 3 StGB besagt, dass mögliche Schäden zu bedenken und zu berücksichtigen<br />

sind. <strong>Die</strong> Sorgfaltspflichtverletzung kann dem Täter nur vorgeworfen werden, wenn der<br />

Erfolg vermeidbar gewesen wäre 980 . Es lässt sich feststellen, ob die strafrechtlich<br />

relevanten Folgen vermeidbar gewesen wären, wenn der Beschluss nicht ausgeführt bzw.<br />

umgesetzt worden wäre.<br />

Dem Täter — hier dem einzelnen kausal handelnden Gremiumsmitglied — muss im<br />

Tatzeitpunkt ein Verhalten möglich gewesen sein, das den eingetretenen Erfolg mit<br />

grösster Wahrscheinlichkeit verhindert oder in den Schranken des erlaubten Risikos<br />

gehalten hätte 981 . Bei sozialadäquatem, aber gefahrgeneigtem Verhalten sind die nötigen<br />

Vorsichts-, Kontroll- und Überwachungsmassnahmen vorzunehmen 982 . Das Gremiumsmitglied<br />

kann hinsichtlich der Voraussetzung der Vermeidung vorbringen, es hätte auch<br />

<strong>bei</strong> sorgfältigem Stimmverhalten nichts am Beschluss und somit am Erfolg ändern<br />

können.<br />

„Täter einer fahrlässigen Straftat ist jeder, der durch sorgfaltswidriges Verhalten zur<br />

Tatbestandserfüllung <strong>bei</strong>trägt, obschon er <strong>bei</strong> Beachtung der ihm persönlich obliegenden<br />

Sorgfaltspflicht die derart her<strong>bei</strong>geführte Verwirklichung des Straftatbestandes hätte<br />

voraussehen und vermeiden können. <strong>Die</strong>s gilt auch dann, wenn andere neben ihm in<br />

978<br />

HEIERLI, S. 268.<br />

979<br />

Vgl. KNAUER, S. 211.<br />

980<br />

REHBERG/DONATSCH, § 33 Ziff. 1.335, S. 307; RIKLIN, § 16 N 47; STRATENWERTH, AT I, § 16<br />

N 18.<br />

981<br />

HEIERLI, S. 6, ist der Meinung, nach Eintritt des Erfolges könne nicht mehr mit Gewissheit gesagt<br />

werden, ob das Alternativverhalten den Erfolg verhindert hätte oder nicht. Nur ein hypothetisches<br />

Urteil sei noch denkbar. REHBERG/DONATSCH, § 33 Ziff. 1.335, S. 307.<br />

982<br />

SEELMANN, AT, S. 134.<br />

187


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

ähnlicher Weise mitgewirkt haben, m. a. W. sind mehrere Personen, die fahrlässig<br />

denselben Erfolg her<strong>bei</strong>geführt haben, alle als Fahrlässigkeitstäter strafbar“ 983 .<br />

Das Gremiumsmitglied hat sich demzufolge so zu verhalten, dass durch sein Stimmverhalten<br />

eine positive Einwirkung auf das Abstimmungsresultat erfolgt, denn die erforderliche<br />

Sorgfalt ist nicht dazu da, den Erfolg, sondern den dahin führenden Geschehensablauf<br />

zu vermeiden 984 . „Beherrschbar ist der Geschehensablauf sodann nur, wenn der<br />

Täter die Fähigkeit hat, das mit seinem Verhalten verbundene Risiko auszuschalten, sei<br />

es durch entsprechende Vorsichtsmassnahmen, sei es auch, wo dies nicht möglich ist,<br />

durch Unterlassen der riskanten Handlung“ 985 .<br />

Es ist vorne 986 festgestellt worden, welche Gremiumsmitglieder mit ihrem Stimmverhalten<br />

eine hinreichende Bedingung — in Ausnahmefällen sogar eine conditio-sinequa-non<br />

— für den Beschluss setzen (können) und den Erfolg schliesslich kausal<br />

her<strong>bei</strong>führen. Das Gremiumsmitglied hat demzufolge die entsprechenden Vorsichtsmassnahmen<br />

vorzunehmen — was im Hinblick auf den Beschluss heisst, gegen den<br />

vordergründig korrekten Antrag zu stimmen 987 . Indem das Gremiumsmitglied gegen den<br />

vordergründig korrekten Antrag stimmt, trägt es durch sein Stimmverhalten nicht zur<br />

Tatbestandserfüllung <strong>bei</strong>. Durch sein korrektes Verhalten — gegen den vordergründig<br />

korrekten Antrag zu stimmen — verhindert das Gremiumsmitglied nicht unbedingt das<br />

Eintreten eines Erfolges, da ja die anderen Gremiumsmitglied immer noch anders<br />

abstimmen können, schaltet jedoch das mit seinem Stimmverhalten verbundene Risiko<br />

völlig aus.<br />

188<br />

d) Relevanz des Stimmverhaltens des einzelnen Gremiumsmitgliedes<br />

Relevanz bedeutet, dass die Verletzung der Sorgfaltspflicht zum tatbestandsmässigen<br />

Erfolg geführt haben muss 988 . Der Erfolg muss also die Folge des sorgfaltswidrigen<br />

Verhaltens sein 989 . <strong>Die</strong> Frage der Relevanz stellt sich erst, nachdem die Kausalität des<br />

983<br />

BGE 113 IV 59. Vgl. auch STRATENWERTH, AT I, § 16 N 47; SCHULTZ, AT I, S. 212; ebenso<br />

SCHUBARTH, Kommentar, N 87 zu Art. 117 StGB.<br />

984<br />

Vgl. STRATENWERTH, AT I, § 16 N 17.<br />

985<br />

STRATENWERTH, AT I, § 16 N 18.<br />

986<br />

Siehe 5. Kapitel I.D.6 und 5. Kapitel I.F.2.<br />

987<br />

Eine Stimmenthaltung oder eine Abwesenheit von der Sitzung würde nur <strong>bei</strong> einem absoluten oder<br />

qualifizierten Mehr dazu <strong>bei</strong>tragen, keinen Erfolg her<strong>bei</strong>zuführen.<br />

988<br />

Auch Pflichtwidrigkeits- oder Risikozusammenhang genannt. JENNY, N 94 ff.; REHBERG/<br />

DONATSCH, § 33 Ziff. 1.4, S. 308; RIKLIN, § 16 N 63; SEELMANN, AT, S. 139; STRATENWERTH, AT<br />

I, § 16 N 23; TRECHSEL/NOLL, § 35 F., S. 271; WALDER, Probleme <strong>bei</strong> Fahrlässigkeitsdelikten,<br />

S. 167 f., S. 177.<br />

989<br />

DONATSCH, Sorgfaltsbemessung, S. 284; GRAVEN/STRÄULI, N 168 A., S. 225; KILLIAS, N 406;<br />

REHBERG/DONATSCH, § 32 Ziff. 2.3, S. 281, § 33 Ziff. 1.4, S. 308; RIKLIN, § 16 N 63; SCHULTZ, AT<br />

I, S. 211; SEELMANN, AT, S. 35 und S. 139; STRATENWERTH, AT I, § 16 N 23; TRECHSEL/NOLL,<br />

§ 35 F., S. 271.


5. Kapitel III. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> fahrlässiger Deliktsbegehung<br />

untersuchten Verhaltens zum eingetretenen Erfolg festgestellt worden ist 990 . <strong>Die</strong><br />

Relevanzfrage ist somit von der Kausalitätsfeststellung streng zu unterscheiden 991 . Das<br />

Bundesgericht prüft hier eine hypothetische Kausalität 992 — was nach dem in dieser<br />

Ar<strong>bei</strong>t angewandten Prüfungsschema jedoch nicht nötig ist, da die Fähigkeiten des Täters<br />

schon unter den Ausführungen der Sorgfaltsbemessung beleuchtet werden 993 . <strong>Die</strong>sbezüglich<br />

gleicht die Relevanz insofern dem Kausalitätsproblem <strong>bei</strong>m Unterlassungsdelikt,<br />

als auch dort eine hypothetische Prüfung erforderlich ist. <strong>Die</strong> Relevanz erfordert<br />

jedoch eine selbständige Lösung 994 . „Zu diesem Zweck ist zu fragen, ob der Erfolgseintritt<br />

auf Grund einer ‹logisch-kausalen› Verknüpfung von Ursachen und Wirkungen<br />

im Sinne der Formel der gesetzmässigen Bedingung auf das pflichtwidrige Verhalten<br />

zurückgeführt werden kann. Da<strong>bei</strong> ist nicht auf die ‹natürliche Kausalität› abzustellen,<br />

sondern zu beachten, dass sowohl für das Verständnis der Ursachen als auch ihrer Folgen<br />

deren sozialer Bedeutungsgehalt ausschlaggebend ist. [...] Mit anderen Worten ist dann<br />

von der Relevanz eines pflichtwidrigen Verhaltens für die Beeinträchtigung eines<br />

Rechtsguts auszugehen, wenn zwischen der pflichtwidrigen Gefährdung und dem Erfolg<br />

eine logischen Denkgesetzen folgende Verbindung von mit sozialem Bedeutungsgehalt<br />

erfüllten Ursachen und Wirkungen möglich ist“ 995 .<br />

In erster Linie muss ein Ursachenzusammenhang zwischen dem umgesetzten<br />

Beschluss und dem eingetretenen Erfolg vorhanden sein. Kann tatsächlich nachgewiesen<br />

werden, dass der Erfolg auf Grund eines nicht erlaubten Risikos eingetreten ist, so besteht<br />

ein Pflichtwidrigkeitszusammenhang. Da<strong>bei</strong> ist zu berücksichtigen, dass der Ursachenzusammenhang<br />

in seiner sozialen Bedeutung erfasst wird 996 . Sodann ist zu untersuchen,<br />

ob bzw. inwiefern das jeweilige Stimmverhalten der Gremiumsmitglieder für die strafrechtlich<br />

relevanten Folgen relevant ist. Hier<strong>bei</strong> ist darauf aufmerksam zu machen, dass<br />

die strafrechtlich relevanten Folgen erst durch Ausführung bzw. durch Umsetzung des<br />

Beschlusses eintreten. Im Gesamtgremium sind alle Mitglieder dazu verpflichtet, die<br />

diesem Gremium auferlegten Pflichten zu erfüllen. Auch <strong>bei</strong> Bekenntnis zur gesellschaftlichen<br />

Sichtweise ist ein Gremiumsmitglied weder berechtigt und noch verpflichtet, eine<br />

Aufgabe, die nur dem Gesamtgremium zusteht, alleine auszuführen. „Wer immer durch<br />

sorgfaltswidriges Verhalten zur Tatbestandserfüllung <strong>bei</strong>trägt, ist Täter, auch wenn neben<br />

ihm andere in ähnlicher Weise mitgewirkt haben sollten. […] Allerdings wird man dort,<br />

wo das fahrlässige Verhalten auf einen gemeinsamen Entschluss zurückgeht, ohne den es<br />

nicht erfolgt wäre, jedem der Beteiligten immerhin die psychische Mitverursachung des<br />

990<br />

REHBERG/DONATSCH, § 33 Ziff. 1.4, S. 308.<br />

991<br />

FLACHSMANN, S. 149; TRECHSEL/NOLL, § 35 F., S. 271; WALDER, Probleme <strong>bei</strong> Fahrlässigkeitsdelikten,<br />

S. 177; ebenso KÜPER, S. 250.<br />

992<br />

Vgl. BGE 121 IV 290; 118 IV 141; vgl. auch FLACHSMANN, S. 150.<br />

993<br />

Siehe 5. Kapitel III.F.1.c)(3).<br />

994<br />

TRECHSEL, Kurzkommentar, N 38 zu Art. 18 StGB.<br />

995<br />

DONATSCH, Sorgfaltsbemessung, S. 284 f. (Auslassungen durch die Verfasserin).<br />

996<br />

DONATSCH, Sorgfaltsbemessung, S. 285.<br />

189


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

Erfolges zur Last legen können“ 997 . In diesem Sinne ist das Stimmverhalten der kausal<br />

handelnden Gremiumsmitglieder auch für den Erfolg relevant. Da<strong>bei</strong> geht es nicht an,<br />

eine hypothetische Überprüfung im Sinne des Bundesgerichtes vorzunehmen. Indem die<br />

Stimmverhalten, die Abstimmung und deren Auswirkungen in ihrer räumlichen und<br />

zeitlichen Bedeutung erfasst werden, wird das Stimmverhalten der Protagonisten in<br />

seiner sozialen Bedeutung erhellt, so dass auch hier Relevanz der pflichtwidrig<br />

handelnden Gremiumsmitglieder im Hinblick auf die strafrechtlich relevanten Folgen<br />

vorliegt.<br />

190<br />

e) Zusammenfassung<br />

War der Erfolg voraussehbar, so war auch vorhersehbar, dass das einzelne Stimmverhalten<br />

einen kausalen Beitrag zum Eintritt dieses Erfolges leisten kann. Es ist<br />

dargelegt worden, dass das einzelne Gremiumsmitglied den Erfolg zwar alleine nicht zu<br />

vermeiden vermag, wohl aber durch sein richtiges Handeln vermeiden kann, selbst ein<br />

kausales Element für den Beschluss und somit für den Erfolg — d. h. für die<br />

strafrechtlich relevanten Folgen — zu setzen. <strong>Die</strong>s führt dazu, dass jedes Gremiumsmitglied<br />

den Geschehensablauf für sich hätte vermeiden können. Auch Relevanz lässt<br />

sich nachweisen. Demnach haben die kausal handelnden Gremiumsmitglieder für den<br />

eingetretenen Erfolg einzustehen.<br />

2. Einfluss der Informationsbasis auf das Stimmverhalten<br />

des einzelnen Gremiumsmitgliedes und<br />

Anwendung des Vertrauensgrundsatzes auf die erhaltene<br />

Information<br />

a) Verfügbare Information<br />

Um den Aufgaben in der Aktiengesellschaft nachkommen zu können, muss das einzelne<br />

Verwaltungsratsmitglied über alle nötigen Informationen verfügen. Dazu ist es notwendig,<br />

dass es freien Zugang zu ihnen hat und dass es einzelne Geschäfte mit Geschäftsleitungsmitgliedern<br />

erörtern kann. Von Gesetzes wegen kommt den Verwaltungsratsmitgliedern<br />

nur der Anspruch zu, im Rahmen der Verwaltungsratssitzungen Auskunft zu<br />

erhalten. Ansonsten kann dieser Anspruch auf Auskunft, der die Belange des Geschäftsganges<br />

übertrifft, nur über den Verwaltungsratspräsidenten geltend gemacht werden.<br />

<strong>Die</strong>ser hat somit hinsichtlich der Information eine äussert wichtige Position inne, hat er<br />

doch als einziger autonom, direkt und uneingeschränkt Zugang zu sämtlichen<br />

997 STRATENWERTH, AT I, § 16 N 47 (Hervorhebungen durch den Autor selbst und Auslassungen durch<br />

die Verfasserin).


5. Kapitel III. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> fahrlässiger Deliktsbegehung<br />

Informationen. Nicht-exekutive Verwaltungsratsmitglieder sind somit auf die Informationen<br />

des Verwaltungsratspräsidenten angewiesen 998 .<br />

<strong>Die</strong> verfügbare Information bestimmt das erlaubte Risiko mit. „Das erlaubte Risiko<br />

ist somit nicht etwas Feststehendes, sondern betrifft die Interaktion über das Risiko. <strong>Die</strong><br />

Bewertung der Pflichtwidrigkeit ist durch Information veränderbar“ 999 . Der Verwaltungsrat<br />

und die Geschäftsleitung können nur eine beschränkte Menge an Information<br />

berücksichtigen. Aus diesem Grund ist die Selektion der nötigen und wichtigen<br />

Information ein zentraler Bestandteil der Unternehmensführung.<br />

b) Berechtigtes Vertrauen in die erhaltene Information und<br />

dessen Grenzen<br />

Vorsätzliches mittäterschaftliches Verhalten fällt dann weg, wenn einem Gremiumsmitglied<br />

wichtige Informationen vorenthalten worden sind 1000 . Für die Prüfung der Fahrlässigkeit<br />

ist deshalb auch die der Beschlussfassung zu Grunde liegende Informationsbasis<br />

zu beurteilen.<br />

Es ist zu untersuchen, ob den Aussagen und Mitteilungen eines Ressortvorstehers,<br />

auf denen die Entscheidung des Gremiums sodann fusst, vertraut werden darf, wenn es<br />

sich um ressortübergreifende Entscheidungen oder um Krisensituationen handelt. <strong>Die</strong><br />

gleiche Situation liegt vor, wenn eine Aufgabenspezialisierung innerhalb des Gremiums<br />

vorhanden ist, ein Beschluss hingegen im Rahmen der Gesamtzuständigkeit zu fällen ist.<br />

Der interne Spezialist bereitet in diesem Fall den Entscheidungsvorschlag vor und<br />

unterbreitet ihn mit den dazugehörigen Begründungen dem Gremium zur Beschlussfassung.<br />

Es wird postuliert, dass der Vertrauensgrundsatz zur Anwendung gelangen solle,<br />

wenn ein zuständiges und kompetentes Gremiumsmitglied den Antrag vorbereitet und<br />

erläutert, Informationen erteilt und die Situation einschätzt 1001 . <strong>Die</strong>selbe Schwierigkeit<br />

stellt sich <strong>bei</strong> Beurteilung der Situation durch einen Fachmann, der nicht Mitglied des<br />

entscheidenden Gremiums ist 1002 . Darf das Gremiumsmitglied auf solche Informationen<br />

vertrauen, führt dies zu seiner Entlastung. <strong>Die</strong> Unternehmensleitung darf jedoch das<br />

Vertrauen in Fachleute nicht grenzenlos in Anspruch nehmen. Entscheidend ist die<br />

Berechtigung des Vertrauens in einer bestimmten Situation 1003 . <strong>Die</strong> Gremiumsmitglieder<br />

998<br />

VON DER CRONE, Strategische Leitung und Qualitätssicherung, S. 9.<br />

999<br />

RANSIEK, Unternehmensstrafrecht, S. 27 (Hervorhebungen durch den Autor).<br />

1000<br />

MEIER, S. 3199.<br />

1001<br />

Vgl. DONATSCH, Geschäftsbesorgung, S. 15; SCHMIDT-SALZER, Produkthaftung I, N 1.299. SPITZ,<br />

S. 83. Siehe 5. Kapitel V.B betreffend weiteren Darstellungen und Aussagen.<br />

1002<br />

Vgl. DEUTSCHER/KÖRNER, S. 330. Vgl. auch SCHMIDT-SALZER, Produkthaftung I, N 1.295, welcher<br />

der Meinung ist, dass der Vertrauensgrundsatz nicht nur auf horizontaler, sondern auch auf vertikaler<br />

Ebene Anwendung finden sollte. Vgl. KUHLEN, Täterschaft und Teilnahme, S. 76. Siehe 5. Kapitel<br />

V.C betreffend weiteren Darstellungen und Aussagen.<br />

1003<br />

SCHMIDT-SALZER, Produkthaftung I, N 1.299. Wird das Gremiumsmitglied durch den Berater<br />

bewusst durch Falschinformationen manipuliert, kann infolge des Irrtums des Gremiumsmitgliedes<br />

mittelbare Täterschaft des Beraters vorliegen, vgl. KUHLEN, Täterschaft und Teilnahme, S. 76; POPP,<br />

191


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

dürfen ihr eigenes Wissen in keinem Fall durch den Glauben an die Autorität eines<br />

dominierenden Gremiumsmitgliedes ersetzen 1004 .<br />

Bei diffusen, nicht schlüssigen Darstellungen von Fachleuten obliegt dem Gremium<br />

und somit dem einzelnen Gremiumsmitglied die Pflicht, den Sachverhalt klarzustellen, zu<br />

beurteilen und zu einer eigenen Meinung gelangen 1005 . Akzeptieren die Gremiumsmitglieder<br />

eine unkorrekte, diffuse Darstellung als Entscheidbasis für den Beschluss,<br />

handeln sie pflichtwidrig, da die Konsequenzen für den Einzelnen voraussehbar und<br />

vermeidbar wären. Für die Verwaltungsratsmitglieder ergibt sich daraus ein einheitliches<br />

Fundament an Sorgfaltspflichten 1006 .<br />

Das entscheidende Gremiumsmitglied kann sich folglich i. d. R. auf die Auskünfte<br />

eines Beraters verlassen, wenn sie von einem Spezialisten erteilt wurden, den das<br />

Gremiumsmitglied berechtigterweise für kompetent und objektiv 1007 halten durfte. Das<br />

berechtigte Vertrauen in die Auskunft des Beraters führt zu einem Tatbestandsirrtum, der<br />

den Vorsatz ausschliesst oder u. U. zu einem unvermeidbaren Sachverhalts- oder Verbotsirrtum<br />

führt 1008 . Stellt das Gremiumsmitglied fest, dass die Informationen des<br />

Beraters unrichtig sind, darf es sich nicht darauf stützen und auf dieser Basis einen<br />

falschen Beschluss fassen 1009 . Hätten sich die Gremiumsmitglieder die richtigen Informationen<br />

problemlos beschaffen können, ist ein fahrlässiges Verhalten seitens dieser<br />

Gremiumsmitglieder zu untersuchen.<br />

S. 32. Es ist jedoch anhand des Vertrauensprinzips zu überprüfen, ob das Gremiumsmitglied sich auf<br />

die Auskunft des Beraters verlassen durfte. Ist dem so, kann das Gremiumsmitglied als „gutgläubiger“<br />

Tatmittler nicht strafrechtlich belangt werden, ausser wenn es Sorgfaltspflichten verletzt hat.<br />

1004 OESCH, S. 29.<br />

1005 EICHINGER, S. 127; EIDAM, S. 257 f.; RUDOLPHI, Produkthaftung I, N 1.295; SCHMIDT-SALZER,<br />

Lederspray-Urteil, S. 2971; vgl. auch NJW 53 (2000) 2366. DONATSCH, Geschäftsbesorgung, S. 17,<br />

weist darauf hin, der zivilrechtliche Begriff der Hilfsperson gemäss Art. 101 OR dürfe hier<strong>bei</strong> nicht<br />

für das Strafrecht herangezogen werden, da dieser Artikel <strong>bei</strong> der Konstellation Gremiumsmitglied-<br />

Hilfsperson den Vertrauensgrundsatz nicht zu berücksichtigen erlaube.<br />

1006 BGE 4C.177/1991 vom 5. November 1991, E. 6: „Es kann nicht von jedem Verwaltungsrat verlangt<br />

werden, dass er in allen Bereichen über Detailkenntnisse verfügt. Daher kommt der Beklagte seiner<br />

Pflicht insoweit nach, als er nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz sich durch den<br />

zuständigen und fachkundigen Verwaltungsrat X orientieren liess. Auf diese Auskünfte durfte sich<br />

der Beklagte verlassen.“<br />

1007 Vgl. BERTSCHINGER, Berater, S. 461, der ausführt, dass ein Berater, der sich mit Aktien jenes Unternehmens,<br />

das er berät, bezahlen lässt, sich leicht in eine Interessenskollision hinein manövriere, denn<br />

die Interessen des Unternehmens stünden jenen des Beraters als Aktionär gegenüber.<br />

1008 GROSSE VORHOLT, N 400. KUHLEN, Täterschaft und Teilnahme, S. 76; POPP, S. 32. Manipuliert der<br />

Berater bewusst durch Falschinformationen, kann infolge des Irrtums des Gremiumsmitgliedes<br />

mittelbare Täterschaft des Beraters vorliegen.<br />

1009 Voraussehbarkeit <strong>bei</strong> der Fahrlässigkeit oder sogar Vorsatz hinsichtlich der strafrechtlich relevanten<br />

Folgen liegt vor, wenn das Gremiumsmitglied im Wissen um falsche Informationen abstimmt. Siehe<br />

5. Kapitel III.F.1.c)(3)ii).<br />

192


5. Kapitel III. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> fahrlässiger Deliktsbegehung<br />

c) Pflicht des einzelnen Gremiumsmitgliedes zur Weitergabe<br />

von Information?<br />

Als Nächstes ist abzuklären, ob bzw. inwieweit eine Pflicht zur Informationsweitergabe<br />

im Gremium besteht. Als Gremium hat der Verwaltungsrat gemäss Art. 716a Abs. 2<br />

Satz 2 OR die Pflicht, seine Mitglieder unaufgefordert mit genügender Information zu<br />

versorgen 1010 . Sitzt ein Experte im Gremium und erkennt dieser die unerlaubten Risiko-<br />

Folgen sowie das Unwissen der anderen Gremiumsmitglieder, so hat er aus zivilrechtlicher<br />

Sicht die anderen Gremiumsmitglieder darauf hinzuweisen. Sind alle Gremiumsmitglieder<br />

gleich informiert, und haben sie keine weiteren speziellen Kenntnisse<br />

betreffend den zu entscheidenden Beschlusspunkt, so kann ihnen nichts vorgeworfen<br />

werden.<br />

Auf Grund von Sonderwissen ist es dem einzelnen Gremiumsmitglied also auch aus<br />

<strong>strafrechtliche</strong>r Sicht möglich, das höchstzulässige Risiko zu senken 1011 . Zu beachten ist<br />

jedoch, dass bezüglich der Kausalität von Information objektive Ungewissheit<br />

herrscht 1012 , d. h. es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Information das<br />

Stimmverhalten der anderen beeinflusst hätte. Stellt sich jedoch heraus, dass die unterlassene<br />

Information 1013 tatsächlich einen solchen Einfluss gehabt hätte, ist das Gremiumsmitglied,<br />

dem diese Unterlassung anzulasten ist, <strong>bei</strong> vorsätzlichem Handeln und Wissen<br />

um die Folgen evtl. als mittelbarer Täter zu betrachten. Als fahrlässiger Täter kann dieses<br />

Gremiumsmitglied dann angesehen werden, wenn nur es imstande war, die strafrechtlich<br />

relevanten Folgen vorauszusehen und wenn sein Verhalten, d. h. die Unterlassung der<br />

Information, für das Eintreten der strafrechtlich relevanten Folgen kausal ist. Das über<br />

Sonderwissen verfügende Gremiumsmitglied wäre — gemäss den vorne dargelegten<br />

Richtlinien <strong>bei</strong>m vorsätzlichen Handeln 1014 — verpflichtet, nach einem ergangenen<br />

Beschluss, der strafrechtlich relevante Folgen impliziert, gegen die Ausführung dieses<br />

vordergründig korrekten Beschlusses einzuschreiten 1015 .<br />

Das Gremiumsmitglied, das mehr weiss als die anderen, setzt sich also dadurch dem<br />

Risiko aus, allein — allenfalls sogar als mittelbarer Täter 1016 — strafrechtlich verantwortlich<br />

gemacht zu werden, sofern es die anderen nicht von seinem Sonderwissen<br />

profitieren lässt.<br />

1010<br />

<strong>Die</strong>s sollte auch für die Geschäftsleitung Geltung haben.<br />

1011<br />

FLACHSMANN, S. 102.<br />

1012<br />

GASSER, S. 333.<br />

1013<br />

Vgl. dazu WEISSER, S. 234 ff., die insbesondere auf dasjenige Gremiumsmitglied hinweist, das<br />

wegen seines Sonderwissens in das Gremium aufgenommen wurde. Sie folgert daraus, dass die<br />

Annahme einer Garantenpflicht dieses Gremiumsmitgliedes gerechtfertigt sei.<br />

1014<br />

Siehe 5. Kapitel II.F.3.a).<br />

1015<br />

Vgl. WEISSER, Kausalitäts- und Täterschaftsprobleme, S. 184.<br />

1016<br />

Es kann sein, dass der unmittelbar Handelnde vom dominierenden Gremiumsmitglied gesteuert wird,<br />

obwohl er den Geschehensablauf durchaus beherrscht. Wenn wichtige Informationen vorenthalten<br />

werden, kann derjenige, der über den entsprechenden Informationsvorsprung verfügt und diesen<br />

missbraucht, als mittelbarer Täter agieren, vgl. MEIER, S. 3199.<br />

193


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

194<br />

3. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des Gremiumsmitgliedes<br />

nach der Abstimmung<br />

a) (Mit-)Ausführen des sich <strong>bei</strong> der Abstimmung nicht kausal<br />

verhaltenden Gremiumsmitgliedes<br />

Jedes Gremiumsmitglied vermag mitzuhelfen, den vordergründig korrekten Beschluss<br />

auszuführen. Beim Begehungsdelikt kann es also auch noch nachträglich, d. h. nach der<br />

Abstimmung, einen kausalen Beitrag leisten, der vermeidbar gewesen wäre. Hat das<br />

Gremiumsmitglied den vordergründig korrekten Antrag abgelehnt, weil es die strafrechtlich<br />

relevanten Folgen voraussah, kann davon ausgegangen werden, dass es auch<br />

nach der Abstimmung das Wissen um mögliche strafrechtlich relevante Folgen hat. Bei<br />

den Gremiumsmitgliedern, die sich der Stimme enthalten oder abwesend sind, führt diese<br />

Sichtweise dazu, dass der Nachweis der Voraussehbarkeit des Eintritts der strafrechtlich<br />

relevanten Folgen schwieriger zu erbringen ist.<br />

b) Unterlassung des Vorgehens gegen die Ausführung bzw.<br />

gegen die Umsetzung des vordergründig korrekten Beschlusses<br />

<strong>Die</strong> Frage des Vorgehens gegen die Ausführung bzw. gegen die Umsetzung eines<br />

vordergründig korrekten Beschlusses ist vor allem für die gegen den vordergründig<br />

korrekten Antrag stimmenden Gremiumsmitglieder wichtig, die strafrechtlich relevante<br />

Folgen voraussahen. <strong>Die</strong>sbezüglich ist <strong>bei</strong> Fahrlässigkeit von anderen Vorzeichen<br />

auszugehen als <strong>bei</strong>m Vorsatz, <strong>bei</strong> dem die strafrechtlich relevanten Folgen für jedes<br />

Gremiumsmitglied auf Grund seines Wissens bekannt waren.<br />

Bei Vorliegen von bewusster Fahrlässigkeit 1017 kann m. E. ein Eingreifen erforderlich<br />

sein, denn bezüglich des subjektiven Tatbestandes ist die Wissenskomponente die gleiche<br />

wie <strong>bei</strong>m Eventualvorsatz. Der „Täter“ vertraut auf das Ausbleiben der strafrechtlich<br />

relevanten Folgen 1018 . Bei unbewusster Fahrlässigkeit 1019 fehlt es dem „Täter“ am<br />

1017 Bewusste Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Täter <strong>bei</strong> seinem anderen Zwecken dienenden Handeln<br />

einen deliktischen Erfolg verursacht, den er zwar als mögliche Folge seines Tuns erkannt, auf dessen<br />

Ausbleiben er jedoch aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit vertraut hat. Art. 18 Abs. 3, 2. Variante<br />

StGB sagt dies mit den folgenden Worten: „nicht Rücksicht genommen“. Bezüglich des subjektiven<br />

Tatbestandes ist die Wissenskomponente die gleiche wie <strong>bei</strong>m Eventualvorsatz. Demgegenüber fehlt<br />

aber die Willenskomponente, den möglicherweise eintretenden, tatbestandsmässigen Erfolg zu verwirklichen.<br />

1018 Vgl. REHBERG/DONATSCH, § 9 Ziff. 2.412 lit. b), S. 89. <strong>Die</strong>se Form der Begehung entspricht also in<br />

Bezug auf das Wissen des Täters dem Eventualvorsatz, vgl. BGE 125 IV 151.<br />

1019 Unbewusste Fahrlässigkeit lässt sich folgendermassen definieren: Der Täter hat überhaupt nicht<br />

daran gedacht, dass die pflichtwidrige Handlung den Eintritt des tatbestandsmässigen Erfolges<br />

bewirken könnte. Art. 18 Abs. 3, 1. Variante StGB wird umschrieben mit „die Folgen seines Verhaltens<br />

aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedacht hat“. Vgl. SEELMANN, AT I, S. 131 f.


5. Kapitel III. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> fahrlässiger Deliktsbegehung<br />

Wissen, jedoch wäre das Wissenkönnen möglich. Das unbewusst fahrlässig handelnde<br />

Gremiumsmitglied ist somit in pflichtwidriger Weise unaufmerksam. <strong>Die</strong> unbewusste<br />

Fahrlässigkeit ist nicht zwingend weniger schwerwiegend als die bewusste Fahrlässigkeit,<br />

kann doch die Verwirklichung eines Delikts trotz besonderer Aufmerksamkeit<br />

erfolgen oder auf besonderer Gleichgültigkeit gegenüber fremden Rechtsgütern beruhen.<br />

Aus diesem Grund muss auch <strong>bei</strong> unbewusster Fahrlässigkeit von einer Pflicht zum<br />

Eingreifen ausgegangen werden.<br />

4. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des Gremiumsmitgliedes<br />

<strong>bei</strong> einem fahrlässigen Tätigkeitsdelikt<br />

Da ein Tätigkeitsdelikt keinen Erfolg hat, muss sich die Unvorsichtigkeit auf die Art und<br />

Weise der Durchführung der Tathandlung beziehen, die das Unrecht der Handlung<br />

begründet 1020 . Durch genügend Aufmerksamkeit kann der Täter die Ausführung bzw. die<br />

Art und Weise der Umsetzung der tatsächlichen Tathandlung vermeiden. Da <strong>bei</strong> einem<br />

auf Grund eines Gremiumsbeschlusses ausgeführten bzw. umgesetzten, vordergründig<br />

korrekten Antrag nicht ein einzelner Täter Urheber des fahrlässigen Tätigkeitsdelikts sein<br />

kann, muss auch hier vor allem die Voraussehbarkeit und Vermeidbarkeit überprüft<br />

werden. Im Folgenden sei auf die Ausführungen zum fahrlässigen Erfolgsdelikt verwiesen<br />

1021 , wo<strong>bei</strong> „Erfolg“ durch „Verletzung der Sorgfaltspflicht“ auszutauschen ist.<br />

5. Rechtsfertigungs-, Schuldausschluss- und Schuldminderungsgründe<br />

REHBERG/DONATSCH gehen davon aus, dass allfällige Rechtfertigungsgründe <strong>bei</strong> einem<br />

Fahrlässigkeitsdelikt schon <strong>bei</strong> der Bemessung des Sorgfaltsinhaltes mitberücksichtigt<br />

werden. Daraus folge, dass der Einzelfall keine atypische Situation darstelle, die eine<br />

Anwendung von Rechtfertigungsgründen erforderlich mache. Im Einzelfall werden die<br />

Umstände und die persönlichen Verhältnisse des Täters miteinbezogen 1022 . <strong>Die</strong> h. L. hält<br />

an der Trennung von Tatbestandsmässigkeit und Rechtswidrigkeit fest, zumal die Rechtswidrigkeitsgründe<br />

auch <strong>bei</strong>m Fahrlässigkeitsdelikt dieselben seien wie <strong>bei</strong>m Vorsatzdelikt<br />

1023 . Betreffend den Schuldausschluss- und Schuldminderungsgründen bestehen<br />

keine Unterschiede zum Vorsatzdelikt 1024 .<br />

1020<br />

REHBERG/DONATSCH, § 35 Ziff. 1, S. 315; STRATENWERTH, AT I, § 16 N 6.<br />

1021<br />

Siehe 5. Kapitel III.F.1.a) ff.<br />

1022<br />

REHBERG/DONATSCH, § 32 N 3.2, S. 283; DONATSCH, Sorgfaltsbemessung, S. 76 ff.<br />

1023<br />

JENNY, N 101 zu Art. 18 StGB; HURTADO POZO, N 1051 ff.; SEELMANN, AT, S. 142 f.<br />

STRATENWERTH, AT I, § 16 N 24; RIKLIN, § 16 N 64 f. verweist auf <strong>bei</strong>de Möglichkeiten.<br />

1024<br />

JENNY, N 104 zu Art. 18 StGB; HURTADO POZO, N 1054 ff.; REHBERG/DONATSCH, § 34 N 3,<br />

S. 314; SEELMANN, AT, S. 143; STRATENWERTH, § 16 N 32 ff.<br />

195


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

196<br />

6. Zusammenfassung<br />

Das Gremiumsmitglied, das sich in kausaler Weise <strong>bei</strong> oder nach der Abstimmung<br />

hinsichtlich der Ausführung bzw. der Umsetzung des vordergründig korrekten Antrags<br />

einsetzt, wird strafrechtlich belangbar, wenn es in fahrlässiger Weise gehandelt hat. Jedes<br />

Gremiumsmitglied hat sich hinsichtlich der zur Abstimmung stehenden Anträge zu<br />

informieren. <strong>Die</strong> Pflicht eines jeden Gremiumsmitgliedes umfasst ferner, sich über die<br />

Angelegenheiten der Unternehmung genügend zu informieren, Analysen heranzuziehen,<br />

Fachleute <strong>bei</strong>zuziehen — sofern notwendig — oder sich von Spezialisten beraten zu<br />

lassen. Liegt ein vordergründig korrekter Beschluss vor, muss das Gremiumsmitglied<br />

nach der Abstimmung nur dann gegen dessen Ausführung bzw. gegen dessen Umsetzung<br />

einschreiten, wenn es mit seinem Stimmverhalten kausal für das Abstimmungsresultat<br />

war.<br />

7. Exkurs über die <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong><br />

der Gremiumsmitglieder <strong>bei</strong> unsorgfältiger Ausführung<br />

bzw. Umsetzung des nicht deliktisch ausgerichteten<br />

Gremiumsbeschlusses durch einen Mitar<strong>bei</strong>ter<br />

<strong>Die</strong>jenigen untergebenen Mitar<strong>bei</strong>ter, welche nicht deliktisch ausgerichtete Gremiumsbeschlüsse<br />

ausführen, können dennoch in fahrlässiger Weise strafrechtlich relevante<br />

Folgen her<strong>bei</strong>führen. Gemäss Art. 101 Abs. 1 OR muss der Vorgesetzte für das fehlerhafte<br />

Verhalten der Hilfsperson einstehen, wenn er nicht den Nachweis erbringen kann,<br />

dass die Hilfsperson die gleiche Sorgfalt berücksichtigt hat, wie es von ihm selber hätte<br />

verlangt werden können und auch eingesetzt worden wäre. <strong>Die</strong>s würde dazu führen, dass<br />

der Grundsatz des Vertrauens im Strafrecht nie zur Anwendung gelangen würde 1025 .<br />

Der Vertrauensgrundsatz wird jedoch aus <strong>strafrechtliche</strong>r Sicht <strong>bei</strong> ar<strong>bei</strong>tsteiligem<br />

Vorgehen beachtet, insoweit die involvierten Personen sich pflichtgemäss verhalten und<br />

keine gegenteiligen Anzeichen vorhanden sind 1026 . Der Vertrauensgrundsatz findet <strong>bei</strong><br />

den Gremiumsmitgliedern hinsichtlich eines Fahrlässigkeitsdeliktes des Mitar<strong>bei</strong>ters aber<br />

dann keine Anwendung, wenn dieser Mitar<strong>bei</strong>ter mit Aufgaben betraut wird, für die er<br />

erkennbar nicht qualifiziert ist 1027 . Sodann gilt der Vertrauensgrundsatz dort nicht, wo die<br />

Sorgfalt auf die Überwachung des Verhaltens anderer Personen zu richten ist. Gerade in<br />

einem solchen Fall soll die Sorgfalt der Überwachenden Fehlverhalten anderer verhindern<br />

1028 . Ein Mitverschulden wird somit bezüglich der Voraussehbarkeit des Eintritts<br />

1025<br />

DONATSCH, Geschäftsbesorgung, S. 16 f.<br />

1026<br />

Siehe 5. Kapitel III.F.1.c)(3)iii). Vgl. SCHMID, Produktehaftung, S. 653 f.<br />

1027<br />

Vgl. DANNECKER, S. 224 f. Er weist darauf hin, dass in diesem Fall der Pflicht zur umsichtigen<br />

Auswahl nicht nachgekommen wird.<br />

1028<br />

HURTADO POZO, N 1031: „Ainsi, un médecin spécialiste et chef d’équipe ne peut négliger son rôle<br />

en espérant que ses assistants travailleront correctement, alors même qu’il peut et doit surveiller leurs<br />

actes.“ JENNY, N 91 zu Art. 18 StGB. Hat jemand auf Grund seiner Stellung eine andere Person zu


5. Kapitel III. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> <strong>bei</strong> fahrlässiger Deliktsbegehung<br />

von strafrechtlich relevanten Folgen nur dann ausgeklammert, wenn das Verhalten der<br />

ausführenden Person so unvernünftig und absonderlich war, dass damit nicht gerechnet<br />

werden konnte und musste 1029 .<br />

Haftet der Vorgesetzte gemäss Deliktsrecht auf Grund von Art. 55 OR für das Verhalten<br />

der Hilfsperson, so kann er sich zivilrechtlich nur von der Haftung befreien, wenn<br />

er nachweisen kann, dass er die nötige Sorgfalt <strong>bei</strong> Auswahl, Instruktion, Überwachung<br />

sowie <strong>bei</strong> der Organisation beachtet hat 1030 . Kommen die Gremiumsmitglieder diesen<br />

Sorgfaltspflichten nach, kann ihnen kein strafrechtlich relevantes Verhalten vorgeworfen<br />

werden 1031 .<br />

Ist jedoch in fahrlässiger Weise von den Gremiumsmitgliedern ein deliktisch ausgerichteter<br />

Beschluss getroffen worden, können sie nicht darauf vertrauen, dass der untergebene<br />

Mitar<strong>bei</strong>ter den Gremiumsbeschluss dennoch in sorgfältiger Weise ausführt, so<br />

dass nicht delinquiert wird 1032 .<br />

beaufsichtigen, kann das Vertrauensprinzip nicht angewandt werden, vgl. DONATSCH, Sorgfaltsbemessung,<br />

S. 193. DONATSCH, Geschäftsbesorgung, S. 17, weist drauf hin, das dies auch <strong>bei</strong><br />

Mehrfachsicherungssystemen Anwendung findet. REHBERG/DONATSCH, § 33 Ziff. 1.332, S. 299;<br />

STRATENWERTH, AT I, § 16 N 52.<br />

1029 Vgl. DONATSCH, Geschäftsbesorgung, S. 17; TRECHSEL/NOLL, § 35 E., S. 270.<br />

1030 Vgl. SCHMID, Produktehaftung, S. 653 f.<br />

1031 Siehe 2. Kapitel IV betreffend Relevanz des Zivilrechts für das Strafrecht.<br />

1032 Siehe 5. Kapitel III.F.1.c)(3)iii) betr. das Vertrauensprinzip.<br />

197


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

198


5. Kapitel IV. Zusammentreffen von fahr- und vorsätzlicher Deliktsbegehung<br />

IV. Zusammentreffen von Fahrlässigkeit und<br />

Vorsatz <strong>bei</strong> der Abstimmung sowie <strong>bei</strong> Ausführung<br />

bzw. Umsetzung des Beschlusses<br />

A. Fahrlässiges und vorsätzliches Verhalten der jeweiligen<br />

Gremiumsmitglieder im Gremium<br />

Gleichzeitiges fahrlässiges und vorsätzliches Verhalten im Gremium ist kein Fall von<br />

fahrlässiger Beteiligung an einer Vorsatztat <strong>bei</strong> alleiniger Beachtung des Verhaltens der<br />

Gremiumsmitglieder. Bei der Abstimmung handelt es sich um ein gleichzeitiges Verhalten<br />

der Gremiumsmitglieder und nicht um ein zeitlich abgestuftes 1033 . Teilweise sind<br />

die Autoren jedoch der Meinung, Fälle mit gemischt vorsätzlich-fahrlässiger Beteiligung<br />

seien mangels eines gemeinsamen Tatentschlusses nicht lösbar 1034 .<br />

Vorauszuschicken ist auch hier, dass alle Gremiumsmitglieder davon Kenntnis<br />

haben, wie ein Gremiumsbeschluss getroffen wird. Sie wissen auch, dass hinsichtlich der<br />

strafrechtlich relevanten Folgen vorsätzlich oder nur fahrlässig gehandelt werden kann.<br />

Es wäre paradox, wenn durch fahrlässiges Verhalten aller oder der meisten Gremiumsmitglieder<br />

eine <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong> begründet werden kann und <strong>bei</strong> einer<br />

Mischung von vorsätzlich und fahrlässig handelnden Gremiumsmitgliedern hingegen<br />

nicht. Weshalb eine Konstellation von Mittätern und Nebentätern unter den Gremiumsmitgliedern<br />

unmöglich sein sollte, ist nicht nachvollziehbar. <strong>Die</strong>jenigen, welche im<br />

Hinblick auf die strafrechtlich relevanten Folgen vorsätzlich gehandelt haben, werden als<br />

Mittäter qualifiziert, diejenigen dagegen, welche bloss fahrlässig handelten, als Nebentäter.<br />

Einer Zusammenfassung dieser <strong>bei</strong>den Gruppen als Nebentäter steht nichts im<br />

Wege, zumal — wie oben 1035 festgehalten worden ist — auch nur <strong>bei</strong> einer blossen Teilursache<br />

das Zusammenwirken auf fahrlässiger Basis eine Nebentäterschaft darstellt 1036 .<br />

Da<strong>bei</strong> ist gleichgültig, ob die Gremiumsmitglieder voneinander wissen oder nicht. <strong>Die</strong>s<br />

gilt auch dann, wenn <strong>bei</strong>de Gruppen zusammen den Entschluss fassten, auf eine<br />

bestimmte Sorgfaltsmassnahme zu verzichten 1037 . Aus diesem Grund hat dies gemäss „e<br />

minore ad maius“ auch für die vorsätzlich handelnden Gremiumsmitglieder zu gelten.<br />

1033<br />

Siehe 3. Kapitel I.C.<br />

1034<br />

HEINE, Kollektive Verantwortung, S. 98 Fn. 10; RANSIEK, Unternehmen und Konzern, S. 645.<br />

1035<br />

Siehe 5. Kapitel III.C.<br />

1036<br />

SCHULTZ, AT I, S. 212.<br />

1037<br />

TRECHSEL/NOLL, § 31 B. Ziff. 2, S. 199.<br />

199


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

B. Fahrlässige Beteiligung der Gremiumsmitglieder<br />

am Vorsatzdelikt des Ausführenden und vorsätzliche<br />

Beteiligung der Gremiumsmitglieder am Fahrlässigkeitsdelikt<br />

des Ausführenden<br />

Gegenstand des ersten Problemkreises ist die Vorsatztat einer Person, die durch ein<br />

unvorsätzliches Verhalten eines Dritten veranlasst oder gefördert wird. Von einer fahrlässigen<br />

Mitwirkung an einem Vorsatzdelikt wird dann ausgegangen, wenn ein fahrlässiges<br />

dem vorsätzlichen Verhalten einer anderen Person vorangeht. Zu untersuchen ist,<br />

ob diese unvorsätzliche Mitverursachung der Vorsatztat als fahrlässiges Delikt strafrechtlich<br />

belangbar ist 1038 .<br />

WEHRLE ist der Meinung, dass die fahrlässige Mitwirkung an einer fremden<br />

Vorsatztat zu Straflosigkeit führe, falls keine Sorgfaltspflicht verletzt werde 1039 . Gemäss<br />

den Fahrlässigkeitsvoraussetzungen ist jeder voraussehbare und vermeidbare Erfolg<br />

zurechenbar, auch wenn dieser nur mittelbar — etwa durch die (Mit-)Verursachung einer<br />

dritten Person — bewirkt wird 1040 . Ist diese dritte Person eine im Betrieb der Organperson<br />

bzw. deren Unternehmen eingegliederte, ihr untergebene und von ihr weisungsabhängige<br />

Person, kann der Zurechnungszusammenhang auf Grund der Steuerungs- und<br />

Kontrollmöglichkeit auch hier hergestellt werden 1041,1042 . <strong>Die</strong> strafrechtlich relevanten<br />

Folgen treten durch das Verhalten des vorsätzlich handelnden Ausführenden ein. Das<br />

vorangehende, nicht vorsätzliche Verhalten der Gremiumsmitglieder — die Abstimmung<br />

— ermöglicht die Tat des Ausführenden erst, wenn eine entsprechende Weisung<br />

oder Zustimmung an ihn ergeht. Ist das Verhalten der Gremiumsmitglieder nicht vorsätzlich,<br />

gilt es nicht als „Teilnahme“ am Delikt. Haben die Gremiumsmitglieder die<br />

strafrechtlich relevanten Folgen auf Grund von Sorgfaltspflichtverletzungen mit zu<br />

verantworten, sind sie wegen Fahrlässigkeit zu bestrafen. Liegt indes keine Sorgfaltspflichtverletzung<br />

vor, so ist das Gremiumsmitglied nicht strafrechtlich belangbar, da es<br />

sich ja nicht fahrlässig verhalten hat 1043 .<br />

Ferner ist zu beachten, dass der ausführende Mitar<strong>bei</strong>ter <strong>bei</strong>m weisungsgemässen<br />

Ausführen des vordergründig korrekten Gremiumsbeschlusses nicht von sich aus eine<br />

1038 DUBS, Fahrlässige Mitwirkung, S. 285 f. Als Beispiel könnte folgende Situation dienen: Ein fahrlässig<br />

handelndes Gremium gibt dem Mitar<strong>bei</strong>ter die Weisung, etwas Widerrechtliches zu tun.<br />

<strong>Die</strong>ser wiederum handelt vorsätzlich.<br />

1039 WEHRLE, S. 116; ebenso JAKOBS, gemeinsame Organisation, S. 266 f.<br />

1040 REHBERG/DONATSCH, § 33 Ziff. 1.331, S. 296.<br />

1041 ROXIN, Kommentar, N 218 ff. zu § 25 dStGB.<br />

1042 <strong>Die</strong> vorsätzliche Mitwirkung an Selbsttötungen ist im schweizerischen Recht abschliessend mit<br />

Art. 115 StGB geregelt. Ist die vorsätzliche Mitwirkung straflos, muss es auch die fahrlässige sein.<br />

Im StBG muss die Fahrlässigkeitstat explizit unter Strafe gestellt sein. <strong>Die</strong> vorgenannte Fallkonstellation<br />

<strong>bei</strong>nhaltet indes die nicht unvorsätzliche Mitwirkung <strong>bei</strong> einer vorsätzlichen Schädigung<br />

eines Dritten.<br />

1043 Vgl. DONATSCH, Mittäterschaft oder Teilnahme, S. 113.<br />

200


5. Kapitel IV. Zusammentreffen von fahr- und vorsätzlicher Deliktsbegehung<br />

Gefahr begründet oder erhöht, wenn und soweit er weder vorsätzlich von sich aus eingreift<br />

noch auch nicht vorsätzlich eine fahrlässig geschaffene Gefahrenlage ausnutzt 1044 .<br />

Das Verhalten des Mitar<strong>bei</strong>ters ist deshalb nicht völlig unvernünftig und abnorm, dass die<br />

Gremiumsmitglieder damit zu rechnen hatten 1045 . Regen die Gremiumsmitglieder fahrlässig<br />

die strafbare Handlung an, kann dies nicht als Teilnahme gewertet werden. Nur<br />

fahrlässige Nebentäterschaft ist in diesem Fall möglich, wenn nachgewiesen werden<br />

kann, dass alle Fahrlässigkeitsmerkmale vorliegen 1046 .<br />

Vorsätzliche Beteiligung an einer fahrlässigen Straftat ist i. S. v. mittelbarer Täterschaft<br />

möglich, eine andere Art von Teilnahme jedoch nicht. Der Anstifter und der<br />

Gehilfe, welche die fahrlässige Handlung des Ausführenden bemerken und diese Situation<br />

in der Folge ausnützen, werden als mittelbare Täter angesehen. „Sonst liegt,<br />

möglicherweise strafloser, Versuch der betreffenden Teilnahmehandlung in Konkurrenz<br />

mit fahrlässiger Begehung des Deliktes vor“ 1047 .<br />

1044 OTTO, Fahrlässigkeitsbereich, S. 279.<br />

1045 Vgl. REHBERG/DONATSCH, § 33 Ziff. 1.333, S. 300.<br />

1046 SCHULTZ, Täterschaft und Teilnahme, S. 283, S. 283 Fn. 3 und S. 287 f.<br />

1047 SCHULTZ, Täterschaft und Teilnahme, S. 287.<br />

201


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

202


5. Kapitel V. Einfluss auf das Stimmverhalten<br />

V. Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> des<br />

Gremiumsmitgliedes <strong>bei</strong> Einflussnahme auf<br />

sein Stimmverhalten<br />

A. Beeinflussung des Stimmverhaltens durch die<br />

Geschäftsleitung bzw. einen Ausschuss<br />

Was die Entscheidfindung des Verwaltungsrates betrifft, hat DUBS anlässlich seiner<br />

Untersuchung festgestellt, dass der Verwaltungsrat sehr oft im Sinne der Anträge der<br />

Geschäftsleitung entscheidet 1048 . <strong>Die</strong> Geschäftsleitung formuliert und bereitet — im<br />

Bereich der Kernkompetenzen des Verwaltungsrates — oft sogar die Anträge mit allfälligen<br />

Alternativen vor. <strong>Die</strong> Entscheidung fällt aber trotzdem immer noch in die<br />

Kompetenz des Verwaltungsrates 1049 . Auf Grund des technischen Wissenstandes und des<br />

Umstandes, dass die Geschäftsleitung meist besser mit der Materie vertraut ist als der<br />

Verwaltungsrat, kann sie faktisch durch ihre Macht Einfluss auf die Entscheidfindung des<br />

Verwaltungsrates nehmen 1050 . Der Vorsitzende der Geschäftsleitung nimmt teilweise<br />

sogar mit beratender Stimme an den Sitzungen des Verwaltungsrates teil 1051 . Daran zeigt<br />

sich die Abhängigkeit des Verwaltungsrates von der Geschäftsleitung 1052 , die somit<br />

vielfach das eigentliche Entscheidungszentrum eines Unternehmens darstellt.<br />

Aus <strong>strafrechtliche</strong>r Sicht liegt die <strong>Verantwortlichkeit</strong> dennoch immer <strong>bei</strong> den<br />

Verwaltungsratsmitgliedern als Gremiumsmitglieder, so dass das jeweils beeinflusste<br />

Gremiumsmitglied strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen ist. Handelt das Gremiumsmitglied<br />

letztlich als Strohmann, wird die jeweils beeinflussende Person bzw.<br />

Personengruppe faktisches Organ 1053,1054 . Das Verhalten des beeinflussten Gremiums-<br />

1048 DUBS, Verwaltungsratssitzungen, S. 133; KRNETA, N 784.<br />

1049 DRUEY, Organ und Organisation, S. 78; KRNETA, N 1134 ff.<br />

1050 KRNETA, N 1697. Zivilrechtlich gilt: „Nur wer an einer Entscheidung in einer Weise einwirkt, die<br />

wesentlich über die Vorbereitung und Grundlagenbeschaffung hinausgeht, kann faktisches Organ<br />

sein“, vgl. WIDMER/BANZ, N 7 zu Art. 754 OR.<br />

1051 KRNETA, N 1704; vgl. auch KRNETA, N 753 und N 755, der darauf hinweist, dass an den Verwaltungsratssitzungen<br />

vielfach Mitglieder der Geschäftsleitung teilnehmen, welche sich auf Fragen und<br />

Empfehlung zu beschränken haben.<br />

1052 KRNETA, N 1130; WALDBURGER, S. 115 f.<br />

1053 Vgl. BGE 116 IV 28: „Der <strong>strafrechtliche</strong> Begriff des Organs deckt sich nicht mit demjenigen des<br />

Zivilrechts, sondern ist weitergefasst und schliesst alle Personen ein, die im Rahmen der Gesellschaftstätigkeit<br />

selbständige Entscheidungsbefugnis haben, auch wenn sie diese mit andern teilen<br />

müssen (BGE 106 IV 23).“<br />

1054 Bezüglich der <strong>strafrechtliche</strong>n <strong>Verantwortlichkeit</strong> ist zu beachten, dass die Geschäftsleitungsmitglieder<br />

auch unter Art. 172 StGB fallen, weil sie als Mitglied eines Organs i. S. dieses Artikels<br />

anzusehen sind. Es ist da<strong>bei</strong> zu beachten, dass sie nur dann als Täter zu qualifizieren sind, wenn sie<br />

tatsächlich entscheiden und ausführen bzw. umsetzen, denn unter Anwendung des schon in 5.<br />

Kapitel II.F.7.a) zitierten Urteils des Bezirksgerichtes Zürich werden vom Durchgriff i. S. v. Art. 172<br />

StGB nur die für die Gesellschaft und das konkrete Geschäft effektiv entscheidenden und handelnden<br />

natürlichen Personen erfasst, die in der vom Gesetz verlangten verantwortlichen Position stehen.<br />

203


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

mitgliedes wird somit <strong>bei</strong> Dominanz eines faktischen Organs daran gemessen, was es im<br />

Bereich seiner rechtlich zustehenden Befugnis und tatsächlich gegebenen Entscheidungsmacht<br />

getan hat 1055 .<br />

Ist die Beeinflussung indes als Anstiftung zu werten, sei auf das in 5. Kapitel II.F.7.a)<br />

Gesagte verwiesen. Allenfalls ist <strong>bei</strong> Erfüllen sämtlicher entsprechender Voraussetzungen<br />

auch von mittelbarer Täterschaft auszugehen. <strong>Die</strong> entscheidenden Gremiumsmitglieder<br />

können dann zu Tatmittlern werden, wenn sie sich auf die sie bewusst falsch<br />

informierende(n) Person(en) verlassen durften. Das Gremium mutiert so zum Werkzeug<br />

des(r) Informanten 1056 . Dasselbe hat auch für die Mitglieder von Ausschüssen in der<br />

Aktiengesellschaft Geltung.<br />

B. Beeinflussung des Stimmverhaltens durch ein<br />

dominantes Gremiumsmitglied<br />

Grössere Verwaltungsräte werden häufig vom Verwaltungsratspräsidenten dominiert 1057 .<br />

Auf Grund seines Wissens kann auch der Delegierte ein dominantes Gremiumsmitglied<br />

sein 1058 . Des Weiteren leitet auch der Mehrheitsaktionär, der zugleich Verwaltungsratspräsident<br />

oder Verwaltungsratsmitglied ist, die Gesellschaft fast allein, während die<br />

restlichen Verwaltungsratsmitglieder faktisch zu reinen Beisitzern degradiert werden 1059 .<br />

Auch der Unternehmensberater, der zugleich Verwaltungsratsmitglied ist, befindet sich in<br />

einer dominanten Stellung 1060 . Sodann ist dies auch der Fall, wenn der CEO Verwaltungsratmitglied<br />

ist.<br />

Das Mitglied eines einseitig dominierten Verwaltungsrats muss die ihm gestellten<br />

Aufgaben trotzdem eigenverantwortlich wahrnehmen, auch wenn seine Position von<br />

seiner Wiederwahl abhängt. Daraus ergibt sich zwischen dem dominanten Gremiumsmitglied<br />

und den anderen Gremiumsmitgliedern ein vorprogrammierter Konflikt 1061 . Eine<br />

Dominanz alleine hat natürlich noch keine <strong>strafrechtliche</strong>n Folgen 1062 . <strong>Die</strong>s ist erst der<br />

Fall, wenn das dominante Gremiumsmitglied das Gremium bzw. die anderen Gremiumsmitglieder<br />

für seine Zwecke missbraucht. Es kann sein, dass der unmittelbar Handelnde<br />

vom dominierenden Gremiumsmitglied gesteuert wird, obwohl er den Geschehensablauf<br />

1055<br />

GROSSE VORHOLT, N 82; RANSIEK, Unternehmensstrafrecht, S. 61 f.<br />

1056<br />

Vgl. RANSIEK, Unternehmen und Konzern, S. 635 Fn. 116.<br />

1057<br />

DUBS, Verwaltungsratssitzungen, S. 140; OESCH, S. 54 f., S. 60. Der Verwaltungsratspräsident hat<br />

die Pflicht, die Information den anderen Verwaltungsratsmitgliedern rechtzeitig zukommen zu<br />

lassen. Er wird sogar als Garant für diese Informationen angesehen, vgl. BÖCKLI, Schweizer<br />

Aktienrecht, § 13 N 186.<br />

1058<br />

WALDBURGER, S. 223, bezeichnet ihn als den „starken Mann des Unternehmens“.<br />

1059<br />

WALDBURGER, S. 115.<br />

1060<br />

BERTSCHINGER, Berater, S. 467, kann sich nicht vorstellen, dass ein Berater seine Beratungsergebnisse<br />

unparteiisch beurteilen kann. Aus diesem Grund vertritt er die Meinung, dass eine<br />

Personalunion von Berater und Verwaltungsratsmitglied zu vermeiden sei.<br />

1061<br />

BÖCKLI, Kernkompetenzen, S. 56.<br />

1062 Vgl. POPP, S. 32.<br />

204


5. Kapitel V. Einfluss auf das Stimmverhalten<br />

durchaus beherrscht. Deshalb ist zuerst die mittelbare Täterschaft des dominanten<br />

Gremiumsmitgliedes zu untersuchen. Das dominante Gremiumsmitglied benützt da<strong>bei</strong><br />

die anderen Gremiumsmitglieder als unfrei handelnde Vordermänner. Der mittelbare<br />

Täter muss dafür aber „vis absoluta“ also unwiderstehliche Gewalt anwenden. Der Druck<br />

durch Drohungen oder Anwendung von Gewalt auf die einzelnen anderen Mitglieder<br />

muss so intensiv sein, dass eine Situation des „entschuldigenden Verhaltens“ entsteht.<br />

Erst wenn dem Vordermann keinerlei Entscheidungsmöglichkeiten mehr verbleiben,<br />

handelt er nicht 1063 . <strong>Die</strong> <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong> muss durch einen rechtfertigenden<br />

oder Schuld ausschliessenden Nötigungsnotstand völlig aufgehoben worden<br />

sein 1064 . <strong>Die</strong> Angst des Gremiumsmitgliedes um den Sitz im Gremium ist dafür nicht<br />

hinreichend 1065 . Auch das Argument, das Gremiumsmitglied habe wegen der Dominanz<br />

eines Gremiumsmitgliedes auf Grund von internen Machtverhältnissen faktisch keine<br />

Möglichkeit gehabt, den deliktisch ausgerichteten Beschluss zu verhindern, vermag<br />

grundsätzlich keine „strafrechtlich relevante Entlastung“ her<strong>bei</strong>zuführen. <strong>Die</strong>ser Punkt ist<br />

im Zusammenhang mit der Strafzumessung i. S. v. Art. 63 StGB zu überprüfen.<br />

Wenn wichtige Informationen vorenthalten werden, kann derjenige, der über den<br />

entsprechenden Informationsvorsprung verfügt und diesen missbraucht, als mittelbarer<br />

Täter agieren 1066 . <strong>Die</strong>s kann zur Folge haben, dass eine Täuschung bezüglich des Antrags<br />

oder der vorliegenden Informationen u. U. zur <strong>strafrechtliche</strong>n Entlastung der anderen<br />

Gremiumsmitglieder führt. <strong>Die</strong> Gremiumsmitglieder dürfen ihr eigenes Wissen in keinem<br />

Fall durch den Glauben an die Autorität eines dominierenden Gremiumsmitgliedes<br />

ersetzen 1067 . Das dominante Gremiumsmitglied wäre dann als Anstifter zu qualifizieren,<br />

wo<strong>bei</strong> jedoch eine Täterschaft eine Stellung als Anstifter konsumiert 1068 .<br />

Ist die Geschäftsleitung entscheidberechtigtes Gremium, so können die gemachten<br />

Überlegungen auch auf die Beeinflussung von dominanten Geschäftsleitungsmitgliedern<br />

übertragen werden.<br />

1063<br />

STRATENWERTH, AT I, § 13 N 26. Siehe auch Ausführungen zu mittelbarer Täterschaft in 5. Kapitel<br />

II.B.2.b)(1).<br />

1064<br />

REHBERG/DONATSCH, § 16 Ziff. 3.2 lit. e), S. 153 f.<br />

1065<br />

KNAUER, S. 208.<br />

1066<br />

MEIER, S. 3199.<br />

1067<br />

OESCH, S. 29.<br />

1068<br />

REHBERG/DONATSCH, § 16 Ziff. 2, S. 161; STRATENWERTH, AT I, § 13 N 161; TRECHSEL/NOLL,<br />

§ 31 G., S. 226.<br />

205


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

C. Beeinflussung des Stimmverhaltens des Gremiumsmitgliedes<br />

durch andere Personen<br />

Einerseits kann das Gremiumsmitglied durch Weisungen des Fiduzianten, des Mehrheitsaktionärs<br />

sowie der Muttergesellschaft 1069 in seinem Stimmverhalten von aussen beeinflusst<br />

werden. Das Gremiumsmitglied bleibt für seine Entscheidung verantwortlich, denn<br />

die Zulässigkeit vertraglicher Stimmbindung unterliegt gewissen Grenzen, die durch das<br />

Privatrecht gesetzt werden. Das Gremiumsmitglied kann sich jedenfalls nicht zu rechtswidrigen<br />

Entscheidungen verpflichten 1070 . Ist jedoch von Täuschung 1071 und von Zwang<br />

des Gremiumsmitgliedes auszugehen, kann dies zu mittelbarer Täterschaft des Weisungsgebers<br />

führen. In diesem Fall geht das Gremiumsmitglied als Tatmittler straflos aus.<br />

Indes ist das Gremiumsmitglied in den meisten Fällen besser orientiert als der Weisungsgeber,<br />

weshalb mittelbare Täterschaft m. E. nach selten vorkommen dürfte. Anstiftung<br />

dürfte demnach die grössere Bedeutung haben, nicht zuletzt auch im Hinblick auf die<br />

Probleme, die sich aus Sonderdelikten ergeben.<br />

Andererseits kann ein aussenstehender Berater Einfluss auf das bzw. die Gremiumsmitglied(er)<br />

ausüben. Der Berater hat keine Weisungsbefugnis und besitzt somit auch<br />

keine Tatherrschaft über das Geschehen. Er wirkt weder <strong>bei</strong> der Entscheidung des<br />

Gremiums noch <strong>bei</strong> der Anweisung an den ausführenden Mitar<strong>bei</strong>ter mit, sondern hat<br />

lediglich eine beratende Stimme 1072 . Sein Vorschlag zur Entscheidung befreit das<br />

Gremiumsmitglied somit auch nicht von der Verantwortung 1073,1074 .<br />

Abschliessend ist darauf hinzuweisen, dass <strong>bei</strong> dieser Art der Beeinflussung die<br />

mittelbare Täterschaft <strong>bei</strong> Vorliegen eines Sonderdeliktes nicht angewandt werden<br />

kann 1075 . Auch Art. 172 StGB dürfte hier nicht in Betracht kommen, denn weder der<br />

Fiduziant noch der Mehrheitsaktionär noch die Mitglieder der Muttergesellschaft fallen<br />

unter diesen Artikel des StGB, da sie als nicht Beschluss fassendes Gremiumsmitglied<br />

1069 In diesem Zusammenhang wäre zu untersuchen, ob allein der Vertreter der Muttergesellschaft <strong>bei</strong><br />

der Tochtergesellschaft, das gesamte Gremium oder einzelne Gremiumsmitglieder der Muttergesellschaft<br />

strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen sind. Vgl. hiezu Schmid, Aspekte, S. 181 ff. mit<br />

weiteren Ausführungen zur <strong>strafrechtliche</strong>n <strong>Verantwortlichkeit</strong> in Konzernstrukturen.<br />

1070 Vgl. Art. 20 OR. Gemäss GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/REY, N 648, würde ein „Vertrag“ mit widerrechtlichem<br />

Inhalt vorliegen, der gegen Vorschriften des öffentlichen Rechts verstösst, zu dem das<br />

Strafrecht gehört.<br />

1071 Siehe 5. Kapitel III.F.2.b) betreffend Vertrauen auf die erhaltene Information.<br />

1072 KRNETA, N 755 f., macht darauf aufmerksam, dass auch Berater manchmal an Verwaltungsratssitzungen<br />

teilnehmen. Das Verhalten dieser Personen sollte sich auf Fragen und Empfehlungen beschränken.<br />

BERTSCHINGER, N 108, weist darauf hin, dass blosse Mithilfe <strong>bei</strong> der Entscheidung und<br />

blosse Beratung im Zivilrecht kein Organhandeln darstellen.<br />

1073 SCHMIDT-SALZER, Produkthaftung I, N 1.296. KUHLEN, Täterschaft und Teilnahme, S. 83, S. 85;<br />

RANSIEK, Unternehmen und Konzern, S. 641, lehnen demzufolge auf Grund der fehlenden Entscheidungs-<br />

und Weisungsbefugnis des Beraters eine Mittäterschaft von Gremiumsmitgliedern und<br />

Beratern ab.<br />

1074 Siehe 5. Kapitel III.F.2.b) betr. Vertrauen des Gremiumsmitgliedes in die erhaltene Information.<br />

1075 STRATENWERTH, AT I, § 13 N 16.<br />

206


5. Kapitel V. Einfluss auf das Stimmverhalten<br />

i. S. dieses Artikels nicht als Mitglied eines Organs anzusehen sind. An der <strong>strafrechtliche</strong>n<br />

<strong>Verantwortlichkeit</strong> des Gremiumsmitgliedes ändert diese Feststellung jedoch<br />

nichts 1076 .<br />

1076 Siehe 5. Kapitel II.F.7.a).<br />

207


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

208


5. Kapitel VI. Relevanz des Austritts aus dem Gremium<br />

VI. Relevanz des Austritts eines Gremiumsmitgliedes<br />

für dessen <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong><br />

Zu untersuchen ist die Auswirkung des Austritts eines Gremiumsmitgliedes aus einem<br />

Gremium, das einen deliktisch ausgerichteten Antrag bzw. einen vordergründig korrekten<br />

Antrag unterstützt, auf die <strong>strafrechtliche</strong> <strong>Verantwortlichkeit</strong> dieses zurücktretenden<br />

Gremiumsmitgliedes 1077 . Das Bundesgericht hat im Zusammenhang mit untergebenen<br />

Mitar<strong>bei</strong>tern Folgendes entschieden: „Wer rechtliche Verpflichtungen übernimmt, muss<br />

für deren Erfüllung einstehen und kann sich seiner <strong>Verantwortlichkeit</strong> nur entschlagen,<br />

wenn er seine Funktion niederlegt. Er kann sich zu seiner Entlastung nicht auf seine<br />

Abhängigkeit von andern Verantwortlichen berufen, mögen es auch seine Ar<strong>bei</strong>tgeber<br />

sein. Er steht in der Tat vor der Wahl, ob er seinen gesetzlichen Pflichten oder den<br />

Weisungen der Personen, denen er seiner Meinung nach unterstellt ist, nachkommen<br />

will“ 1078 .<br />

Aus <strong>strafrechtliche</strong>m Blickwinkel kann in Bezug auf das Gremiumsmitglied nicht<br />

davon ausgegangen werden, dass mit der Niederlegung des Mandates alle Pflichten 1079<br />

wegfallen. Insbesondere das Belassen eines Rechtsgutes in einer Gefahrenlage könnte als<br />

Sorgfaltspflichtverletzung aufgefasst werden, und eine Niederlegung des Mandates dürfte<br />

kaum als Befreiung aus der <strong>strafrechtliche</strong>n <strong>Verantwortlichkeit</strong> betrachtet werden 1080 .<br />

Entscheidend ist, wann der zivilrechtliche Rücktritt erfolgt.<br />

1077 <strong>Die</strong>se Problematik stellt sich nur bedingt für das Gremiumsmitglied, das erst nach erfolgter Abstimmung<br />

in das Gremium eintritt. <strong>Die</strong>ses Gremiumsmitglied hat überhaupt nicht an der Abstimmung<br />

teilgenommen. Siehe 5. Kapitel II.F.8.<br />

1078 Pra. 68 Nr. 195, S. 491(= BGE 105 IV 110 f.); vgl. auch BGE 96 IV 79.<br />

1079 Beim Ausscheiden eines Verwaltungsratsmitgliedes aus dem Verwaltungsrat als Gremium enden<br />

i. d. R. dessen zivilrechtlichen Pflichten. Bei Rücktritt zur Unzeit kann die Demission ihrerseits eine<br />

Pflichtverletzung darstellen. <strong>Die</strong>s ist der Fall, wenn der Demissionär weiss oder annehmen muss,<br />

dass der Entscheid des Verwaltungsrates rechtswidrig ausfallen kann, vgl. BERTSCHINGER, N 169.<br />

<strong>Die</strong> Niederlegung des Mandates wird teilweise als letzter Ausweg angesehen, um der Verantwortung<br />

zu entgehen. Das Ar<strong>bei</strong>tsverhältnis eines Verwaltungsrates wird als Auftrag i. S. v. Art. 394 ff. OR<br />

oder als Innominatvertrag qualifiziert. Der Beauftragte kann gemäss Art. 404 Abs. 1 OR sein Mandat<br />

jederzeit widerrufen oder kündigen. Ein Verwaltungsratsmitglied kann somit zivilrechtlich jederzeit<br />

zurücktreten. <strong>Die</strong>ser Rücktritt ist auch ohne Vorbehalt möglich. Einschränkungen auf Grund von<br />

Statuten oder Reglementen sind nichtig, vgl. FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 27 N 43. Auf<br />

Grund von Art. 404 Abs. 2 OR besteht jedoch eine Relativierung, zumal der zur Unzeit Kündigende<br />

für den dadurch verursachten Schaden Ersatz zu leisten hat. Bei Rücktritt erlischt die formelle<br />

Organstellung, vgl. WIDMER/BANZ, N 11 zu Art. 754 OR. BERTSCHINGER, N 169. Das Zivilrecht<br />

erkennt nach Treu und Glauben aus dem beendeten Dauerschuldverhältnis fortwirkende Rechtspflichten<br />

an. <strong>Die</strong>se Pflichten sind Ausnahmen, weil mit der Niederlegung des Mandats die typischen<br />

Verpflichtungen eines Verwaltungsrates wegfallen. In jedem Fall gelten jedoch die Geheimhaltungspflichten<br />

weiter, vgl. BÜRGI, N 11 zu Art. 722 aOR; PLÜSS, S. 107.<br />

1080 EIDAM, S. 262; NEUDECKER, S. 197; SCHÜNEMANN, Unternehmenskriminalität und Strafrecht,<br />

S. 99.<br />

209


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

Das Gremiumsmitglied kann der <strong>strafrechtliche</strong>n <strong>Verantwortlichkeit</strong> entgehen, wenn<br />

es vor der Abstimmung aus dem Gremium austritt 1081 — was in erster Linie auf den als<br />

Begehungsdelikt qualifizierten Sachverhalt zutrifft. In diesem Fall besteht für das<br />

Rechtsgut erst eine abstrakte Bedrohung. Auf Grund der Gleichbehandlung von Begehungs-<br />

und Unterlassungsdelikt in der Vorbereitungsphase — welche die Beratungsphase<br />

bis zur Abstimmung mitumfasst — ist auch <strong>bei</strong>m Sachverhalt, der als Unterlassungsdelikt<br />

zu qualifizieren ist, eine vom Gremium ausgehende abstrakte Gefahr anzunehmen,<br />

obwohl ein bestimmtes Rechtsgut sich schon in einer konkreten Gefahrenlage befinden<br />

kann 1082 . Ein anderes Vorgehen widerspricht der Rechtssicherheit, weil die Abstimmung<br />

je nachdem anders beurteilt würde. <strong>Die</strong>se Beurteilung kann m. E. nur dazu führen, dass<br />

sich <strong>bei</strong> Austritt in der Beratungsphase überhaupt keine strafrechtlich relevanten Folgen<br />

ergeben.<br />

Tritt ein Gremiumsmitglied erst nach der entscheidenden Abstimmung aus dem<br />

Gremium aus, ergeben sich etliche Probleme. Gibt das Gremiumsmitglied bloss seinen<br />

Willen zur Verwirklichung der strafrechtlich relevanten Folgen auf, wird es dadurch<br />

keineswegs entlastet 1083 . Ob diese Rechtsfolge durch Austritt 1084 aus dem Gremium nach<br />

der Abstimmung eintritt, ist fraglich. Das aus dem Gremium austretende Gremiumsmitglied<br />

kann seinen Abstimmungs<strong>bei</strong>trag dadurch nicht rückgängig machen. Beim<br />

<strong>strafrechtliche</strong>n Rücktritt i. S. v. Art. 21 und Art. 22 StGB eines dem deliktisch<br />

ausgerichteten Antrag zustimmenden Gremiumsmitgliedes nach der Abstimmung wird<br />

dessen Beitrag — d. h. dessen Stimmverhalten — als Versuch qualifiziert 1085 . Wenn es<br />

also aus dem Gremium austritt, ohne gegen die Ausführung bzw. die Umsetzung zu<br />

opponieren — indem es die Ausführung bzw. Umsetzung des Beschlusses zu verhindern<br />

versucht — ist dieses Verhalten nicht bloss als Versuchtatbestand zu würdigen. Sein Part<br />

zur folgenden Ausführung bzw. Umsetzung des deliktisch ausgerichteten Beschlusses ist<br />

schon erfolgt, so dass sein zivilrechtlicher Rücktritt die Kausalität seines Stimmverhaltes<br />

nicht als ungeschehen darzustellen vermag. Könnte das Gremiumsmitglied mit seinem<br />

Austritt aus dem Gremium seiner <strong>strafrechtliche</strong>n <strong>Verantwortlichkeit</strong> entkommen, käme<br />

dies einem „Venire contra factum proprium“ gleich. <strong>Die</strong> gleiche Argumentation ist auf<br />

1081<br />

GROPP, S. 243. <strong>Die</strong>s gilt allerdings nicht für dasjenige Gremiumsmitglied, welches die anderen<br />

beeinflusst hat (i. S. v. Anstiftung, mittelbarer Täterschaft oder sogar faktischer Organschaft).<br />

1082<br />

Siehe 5. Kapitel II.C.4.<br />

1083<br />

STRATENWERTH, AT I, § 13 N 70.<br />

1084<br />

Für die Mandatsniederlegung ist aus zivilrechtlicher Sicht notwendig, dass die angekündigte Einstellung<br />

einer organschaftlichen Tätigkeit für die Unternehmung auch wirklich erfolgt. Für die<br />

Pflichtenstellung ist nur der Zugang der Austrittserklärung <strong>bei</strong>m Gremium relevant, und nicht die<br />

Löschung aus dem Handelsregister. Erfolgt ein Austritt zur Unzeit oder ohne wichtigen Grund, lässt<br />

dies die Wirksamkeit der Niederlegung grundsätzlich unberührt. Das austretende Gremiumsmitglied<br />

kann sich aber zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen ausgesetzt sehen, vgl. WIDMER/BANZ,<br />

N 11 zu Art. 754 OR<br />

1085<br />

Siehe 5. Kapitel II.F.2.b). <strong>Die</strong>s gilt auch für die sich der Stimme enthaltenden und unentschuldigt<br />

210<br />

abwesenden Gremiumsmitglieder.


5. Kapitel VI. Relevanz des Austritts aus dem Gremium<br />

das sich der Stimme enthaltende sowie auf das unentschuldigt abwesende Gremiumsmitglied,<br />

das um die <strong>strafrechtliche</strong>n Folgen weiss, anzuwenden.<br />

Betreffend die Fahrlässigkeit dieser Gremiumsmitglieder ist deren kausales Verhalten<br />

an der Abstimmung massgeblich. Wessen Verhalten kausal ist, kann nicht mittels zivilrechtlichen<br />

Austritts aus dem Gremium seiner <strong>strafrechtliche</strong>n <strong>Verantwortlichkeit</strong><br />

entkommen.<br />

Abweichend ist der (zivilrechtliche) Rücktritt eines Gremiumsmitgliedes, das gegen<br />

den deliktisch ausgerichteten bzw. vordergründig korrekten Antrag gestimmt hat, zu<br />

beurteilen. Es stellt sich hier jedoch die Frage, ob es die Ausführung bzw. die Umsetzung<br />

eines rechtswidrigen Beschlusses zu verhindern hat. Tritt das gegen den deliktisch ausgerichteten<br />

Antrag stimmende Gremiumsmitglied aus dem Gremium aus, hat es keine<br />

Garantenstellung mehr inne. <strong>Die</strong>s führt dazu, dass es nicht mehr verpflichtet ist, die<br />

gebotenen Massnahmen vorzunehmen — wenn diese überhaupt möglich und zumutbar<br />

wären.<br />

211


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

212


5. Kapitel VII. Schlussfolgerungen<br />

VII. Schlussfolgerungen hinsichtlich des Verhaltens<br />

des einzelnen Gremiumsmitgliedes aus<br />

<strong>strafrechtliche</strong>r Sicht<br />

Der Vorsatz bzw. die Fahrlässigkeit des einzelnen Gremiumsmitgliedes müssen sich auf<br />

eine bestimmte Tat richten, so dass einer Person, die in einem Gremium Einsitz nimmt,<br />

nicht schon von vornherein ein Wille zur Deliktsausübung unterstellt werden darf 1086 . Der<br />

Eintritt in ein Gremium impliziert im Hinblick auf eine Straftat deshalb weder einen<br />

Vorsatz noch eine Fahrlässigkeit, ausser u. U. eine Übernahmefahrlässigkeit 1087 . Der<br />

Eintritt in ein Gremium einer gesetzesmässig ausgestalteten Organisation führt demzufolge<br />

nicht zu einer <strong>strafrechtliche</strong>n <strong>Verantwortlichkeit</strong>. Etwas anderes gilt nur für den<br />

Eintritt in eine kriminelle Organisation gemäss Art. 260 ter StGB sowie in eine terroristische<br />

Organisation gemäss Art. 260 quiquies StGB 1088 .<br />

Ein Austritt aus dem Gremium vor der Abstimmung ist für jedes Gremiumsmitglied<br />

ohne Folgen möglich, ausser es habe die anderen als Anstifter oder mittelbarer Täter<br />

beeinflusst oder sich als faktisches Organ aufgespielt. Ein Austritt aus dem Gremium<br />

nach Vornahme der Abstimmung hat zeitlich direkt anschliessend an die Abstimmung zu<br />

erfolgen, wo<strong>bei</strong> jedoch nur jenes Gremiumsmitglied sich strafrechtlich nicht verantwortlich<br />

macht, das gegen einen deliktisch ausgerichteten Antrag gestimmt hat oder dessen<br />

Verhalten <strong>bei</strong> einem vordergründig korrekten Antrag nicht kausal ist.<br />

Es ist festgestellt worden, dass das Gremiumsmitglied <strong>bei</strong> Gesamtzuständigkeit<br />

i. d. R. verpflichtet ist, <strong>bei</strong> hierarchisch gleichgeordneten Personen einzuschreiten und die<br />

Straftat zu verhindern 1089 . Hat das Gesamtgremium einem deliktisch ausgerichteten bzw.<br />

vordergründig korrekten Antrag zugestimmt, muss das Gremiumsmitglied somit die Ausführung<br />

bzw. die Umsetzung des Beschlusses mit seinen ihm möglichen und zumutbaren<br />

gesellschaftsrechtlichen Mitteln vor, <strong>bei</strong> und nach der Abstimmung zu vereiteln suchen,<br />

will es nicht strafrechtlich verantwortlich werden.<br />

Unterrichtet ein Geschäftsleitungsmitglied die Verwaltungsratsmitglieder von sich im<br />

Gange befindenden Straftaten, so dass die Verwaltungsratsmitglieder nunmehr um diese<br />

Straftaten wissen, müssen die Verwaltungsratsmitglieder sodann das ihnen gesellschaftsrechtlich<br />

Mögliche und Zumutbare tun, um die Straftat zu verhindern, wollen sie selber<br />

nicht strafrechtlich verantwortlich werden 1090 .<br />

1086<br />

Vgl. dazu Meinung von NEUDECKER, S. 195.<br />

1087<br />

FRANKE, S. 582; POSECK, S. 144; SEELMANN, AT, S. 135. Siehe 5. Kapitel II.E.<br />

1088<br />

Siehe 4. Kapitel IV.<br />

1089<br />

Siehe 5. Kapitel II.F.3.c)(3)iii).<br />

1090<br />

Siehe 5. Kapitel II.F.3.c)(3)v).<br />

213


5. Kapitel Strafrechtliche <strong>Verantwortlichkeit</strong> der Einzelperson<br />

Jedem Gremiumsmitglied steht die Möglichkeit offen, eine Gremiumssitzung einzuberufen<br />

1091 und einen Wiedererwägungsantrag zu stellen. Doch eine Wiedererwägung ist<br />

nur solange möglich, als der deliktisch ausgerichtete Beschluss noch keine Aussenwirkungen<br />

gezeitigt hat 1092 . Um die Ausführung bzw. die Umsetzung des Beschlusses zu<br />

verhindern, kann auf internen — oder in ganz wenigen Fällen — auch auf externen<br />

Wegen Hilfe gesucht werden. Hier<strong>bei</strong> ist der Vorrang des <strong>Die</strong>nstweges anerkannt. Eine<br />

Pflicht zur Denunziation kann dem Gremiumsmitglied nicht auferlegt werden, es sei denn<br />

das Gesetz schreibe ein solches Verhalten vor 1093 . Bei Anzeige an Behörden muss sich<br />

das handelnde Gremiumsmitglied mit dem Vorwurf einer Verletzung der gesellschaftsrechtlichen<br />

Treuepflicht auseinander setzen sowie eine Abwägung der bedrohten Rechtsgüter<br />

treffen 1094 .<br />

1091<br />

KRNETA, N 900; MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, § 16 N 364; MÜLLER/LIPP/PLÜSS, S. 155.<br />

1092<br />

Siehe 2. Kapitel III.E.10.<br />

1093<br />

CASSANI, S. 56; siehe auch 5. Kapitel II.F.3.c)(3)v).<br />

1094<br />

Siehe 5. Kapitel II.F.3.c)(3)v).<br />

214


Lebenslauf<br />

Ich bin am 19. Juni 1971 geboren. Nach dem Besuch der Primarschulen in Trun und<br />

Arosa absolvierte ich die Kantonsschule Chur, welche ich 1991 mit der Matura Typus B<br />

abschloss. Sodann studierte ich bis 1996 Rechtswissenschaft an der Universität Zürich.<br />

Im Jahre 1997 verbrachte ich acht Monate in Moskau, wo ich unter anderem in einer<br />

russischen Anwaltskanzlei tätig war. Danach war ich ein Jahr Auditorin am Bezirksgericht<br />

Zürich. Von Ende 1998 bis anfangs 2001 ar<strong>bei</strong>tete ich während und nach der<br />

Vorbereitung auf die Anwaltsprüfung als Assistentin <strong>bei</strong> Prof. Donatsch, <strong>bei</strong> Prof.<br />

Schmid sowie <strong>bei</strong>m Kriminologischen Institut der Universität Zürich. Das Anwaltspatent<br />

des Kantons Zürich erlangte ich im Jahre 2000. Anschliessend ar<strong>bei</strong>tete ich bis Ende<br />

2001 als Anwältin in einem mittleren Wirtschaftsanwaltsbüro in Zürich. Während der<br />

Ausar<strong>bei</strong>tung der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t war ich als selbständige Anwältin tätig. Seit Januar<br />

2004 ar<strong>bei</strong>te ich als Untersuchungsleiterin <strong>bei</strong> Swissmedic, Schweizerisches Heilmittelinstitut.<br />

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