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Fischmehl – Alternativen im Test - Bioland

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Tierhaltung Aquakultur<br />

<strong>Fischmehl</strong> <strong>–</strong> <strong>Alternativen</strong> <strong>im</strong> <strong>Test</strong><br />

Fisch mit <strong>Bioland</strong>-Label ist Mangelware. Da <strong>Fischmehl</strong> nicht<br />

erlaubt ist, fehlt für die meisten Fischarten das Eiweißfutter. Ob<br />

Insekten, Kartoffeln oder Getreide <strong>Alternativen</strong> sind und warum<br />

wir sowieso lieber Karpfen essen sollten, lesen Sie hier.<br />

Tobias Lasner mit einem Karpfen <strong>–</strong> dem Bio-Fisch par excellence. Privat<br />

Weltweit erzeugen etwa 240 Aquakulturbetriebe<br />

80.000 Tonnen Fische, Krebstiere<br />

und Muscheln. Deutschland ist dabei<br />

der wichtigste Importeur. Jährlich werden hier über<br />

10.000 Tonnen ökologische Aquakulturerzeugnisse zu<br />

Filets oder küchenfertigen Produkten verarbeitet und<br />

verkauft. Die Nachfrage nach Bio-Fisch ist hoch und<br />

so blicken Händler und Verarbeiter des noch kleinen<br />

Nischenmarktes in eine positive Zukunft.<br />

Einer der ersten Fischwirte, der seine Teiche ökologisch<br />

bewirtschaftete, war Michael Bothstede aus<br />

Grambek bei Hamburg (wir berichteten <strong>im</strong> bioland-<br />

Fachmagazin 09/2012). Schon seit zwölf Jahren erzeugt<br />

er Bio-Karpfen nach <strong>Bioland</strong>-Richtlinien. Diese<br />

zählen zu den weltweit ersten Standards für die Erzeugung<br />

von Bio-Karpfen. Und das mit gutem Grund:<br />

Der Karpfen ist eine he<strong>im</strong>ische Fischart, die traditionell<br />

in naturnahen Teichen und in Polykultur gehalten<br />

wird. Seinen Nahrungsbedarf deckt der Karpfen<br />

in erster Linie aus Plankton und Benthos, also tierischen<br />

und pflanzlichen Kleinstorganismen, die <strong>im</strong><br />

Teich leben. Zugefüttert wird Bio-Getreide. Er benötigt<br />

kein <strong>Fischmehl</strong> aus der Hochseefischerei und<br />

trägt somit nicht zur Überfischung der Meere bei. So<br />

ist der Karpfen als omnivore Fischart der Bio-Fisch<br />

schlechthin.<br />

Be<strong>im</strong> Blick in die Fischtheken des Lebensmitteleinzelhandels<br />

fällt jedoch auf, dass der Karpfen kaum <strong>im</strong><br />

Produktsort<strong>im</strong>ent vertreten ist. Stattdessen gibt es<br />

Bio-Lachs aus Schottland, Bio-Garnelen aus Ecuador,<br />

Bio-Pangasius aus Vietnam, Bio-Kabeljau aus Norwegen<br />

und deutsche oder italienische Bio-Forelle. Woran<br />

liegt das?<br />

Problem <strong>Fischmehl</strong><br />

Die gängigen Speisefische sind meist karnivore Arten,<br />

also Fleischfresser. Karnivore Fische benötigen zur<br />

Deckung ihres Proteinbedarfs tierisches Eiweiß und<br />

ernähren sich in der Natur hauptsächlich von anderen<br />

Fischen, Insekten und zoologischem Plankton. Die<br />

Hauptproteinquelle in der Aquakultur ist deshalb das<br />

<strong>Fischmehl</strong>. Allein 2010 wurden über 15 Millionen Tonnen<br />

Wildfisch zu <strong>Fischmehl</strong> oder Fischöl verarbeitet.<br />

In einem modernen, konventionellen Forellenfuttermittel<br />

mittlerer Qualität beträgt der durchschnittliche<br />

Anteil von <strong>Fischmehl</strong> an den Hauptinhaltsstoffen rund<br />

20 Prozent. Bei ökologischen Forellenfuttermitteln<br />

liegt der Anteil sogar noch deutlich höher, nämlich<br />

bei 50 bis 75 Prozent. Das liegt daran, dass Ersatzmittel<br />

für <strong>Fischmehl</strong> in den ökologischen Richtlinien<br />

strenger reglementiert sind und deshalb seltener<br />

zum Einsatz kommen. Konventionelle Fischfutterhersteller<br />

greifen dabei <strong>–</strong> vor allem aus Kostengründen<br />

<strong>–</strong> auf synthetische Aminosäuren oder pflanzliches<br />

Soja-Eiweiß zurück. Dieses erfordert Lösungsmittel,<br />

um die pflanzlichen Fette aufzuschließen und Proteinkonzentrate<br />

aufbereiten zu können. Solche Verfahren<br />

sind <strong>im</strong> ökologischen Landbau undenkbar.<br />

Außerdem sehen es Kritiker unter dem Aspekt der<br />

artgerechten Tierhaltung grundsätzlich skeptisch,<br />

wenn karnivore Fische mit pflanzlichem Eiweiß er-<br />

bioland 06/2013 28


nährt werden. Andere kritisieren wiederum den Einsatz<br />

von <strong>Fischmehl</strong>, weil dies die ohnehin heikle Lage<br />

mariner Fischbestände zusätzlich verschärfe.<br />

Während die EG-Öko-Verordnung und andere Bio-<br />

Verbände wie Naturland <strong>Fischmehl</strong> aus nachhaltiger<br />

Wildfischerei als Eiweißträger zulassen, schließt <strong>Bioland</strong><br />

<strong>Fischmehl</strong> in seiner jetzigen Form aus und zertifiziert<br />

derzeit nur den omnivoren Karpfen als Bio-<br />

Fisch. Weil <strong>Fischmehl</strong> ökologisch bedenklich und<br />

auch teuer ist, sucht die ökologische Aquakultur derzeit<br />

dringend nach <strong>Alternativen</strong>. Drei unterschiedliche<br />

Forschungsprojekte versuchen, eine Lösung für die<br />

<strong>Fischmehl</strong>problematik zu finden.<br />

Kartoffelprotein und Weizenkleber<br />

Im Rahmen einer Studie des Bundesprogramms Ökologischer<br />

Landbau und andere Formen nachhaltiger<br />

Landwirtschaft (BÖLN) untersuchten Prof. Carsten<br />

Schulz und Karsten Tusche von der Universität Kiel,<br />

ob Kartoffeleiweiß und Weizenkleber mögliche <strong>Alternativen</strong><br />

zum <strong>Fischmehl</strong> in der Forellenaufzucht sein<br />

könnten. Zwar sind konventionelle Weizenkleber und<br />

Kartoffelproteine als Nebenprodukte aus der Stärkeherstellung<br />

in ausreichender Menge, regional und<br />

günstig auf dem Agrarmarkt vorhanden, aber auf dem<br />

Bio-Markt gilt das Gegenteil: Hier sind die pflanzlichen<br />

Eiweißträger äußerst knapp. Auch sind Kartoffelproteine<br />

sehr hochwertig, so dass man auf synthetische<br />

Aminosäuren verzichten kann. Das macht sie<br />

als Eiweißträger für biologisches Fischfutter sehr attraktiv.<br />

Die Kieler Wissenschaftler konnten in ihrer Versuchsreihe<br />

tatsächlich 50 Prozent des <strong>Fischmehl</strong>anteils <strong>im</strong><br />

Forellenfutter durch die pflanzlichen Eiweißträger ersetzen,<br />

ohne dass es sich negativ auf die Tiergesundheit<br />

oder Futterverwertung der Fische auswirkte. Einziger<br />

Nachteil: Das pflanzliche Substitut schmeckte<br />

den Forellen nicht. Da sie deutlich weniger Futter<br />

aufnahmen, konnten sie ihr Gewicht nur knapp verdoppeln.<br />

Die Kontrollgruppe dagegen bekam herkömmliches<br />

Futter auf <strong>Fischmehl</strong>basis und legte das<br />

Viereinhalbfache ihres Ausgangsgewichtes zu: von<br />

28 Gramm auf fast 128 Gramm.<br />

Manche Fische der Kartoffel-Gruppe verweigerten<br />

das Futter sogar gänzlich. Auch die Be<strong>im</strong>ischung von<br />

>><br />

Geräuchert ist Bio-Karpfen eine Delikatesse.<br />

T. Lasner<br />

29


Tierhaltung Aquakultur<br />

Zum Weiterlesen<br />

Blutmehl konnte sie nicht dazu bewegen, die gleiche<br />

Menge Futter aufzunehmen wie die <strong>Fischmehl</strong>-Kontrollgruppe.<br />

Zwar zeigen sich Kartoffelproteine und<br />

Weizenkleber aus ernährungsphysiologischer und<br />

wirtschaftlicher Sicht als vielversprechende Alternative<br />

zum <strong>Fischmehl</strong>, doch müsse die Akzeptanz des<br />

Kartoffelfutters in zukünftigen Forschungsprojekten<br />

verbessert werden, so die Kieler Wissenschaftler.<br />

Dies könne eventuell mittels Geschmacksverstärker<br />

geschehen. Inwieweit das mit ökologischen Prinzipien<br />

vereinbar ist, ist jedoch noch ungeklärt.<br />

Insekten als Proteinquelle<br />

Insekten schmecken Forellen hingegen von Natur<br />

aus. Getrocknet enthalten Insekten bis zu 70 Prozent<br />

Eiweiß, was ungefähr vergleichbar ist mit dem<br />

Eiweißanteil in <strong>Fischmehl</strong>. Da ist es naheliegend,<br />

dass Dr. Andreas Stamer vom schweizerischen Forschungsinstitut<br />

für biologischen Landbau (FiBL) die<br />

tropische Soldatenfliege Hermetia illucens als Ersatz<br />

für <strong>Fischmehl</strong> untersucht. Die Larven der Soldatenfliege<br />

haben nämlich einen besonders hohen Eiweißund<br />

Fettanteil und eignen sich daher sehr gut als<br />

Fischfutter. Auch entspricht deren Zucht und Verfütterung<br />

dem ökologischen Kreislaufgedanken, wenn<br />

Zuchtanlangen dort errichtet werden, wo ohnehin organische<br />

Abfälle entstehen, zum Beispiel in der Nähe<br />

von großen Lebensmittelverarbeitern oder Kompostierungsanlagen.<br />

Insekten wandeln dann die organischen<br />

Abfälle in tierisches Eiweiß um. Dieses ist in<br />

seiner Zusammensetzung ein exquisiter Rohstoff für<br />

Fischfutter.<br />

Auf diese Weise könnten Insekten als Alternative zu<br />

<strong>Fischmehl</strong> die Meere vom Fischereidruck entlasten.<br />

Die Wissenschaftler halten den Einsatz von Insektenmehl<br />

in der Nutztierhaltung zukünftig für realistisch.<br />

Noch sind Fragen offen, was die Wirtschaftlichkeit<br />

der noch aufwändigen Zuchtmethode und die industrielle<br />

Verarbeitung angeht. Auch ist die Verfütterung<br />

von Insektenmehl aus Gründen der Futtermittelsicherheit<br />

durch die BSE-Verordnung gegenwärtig ver-<br />

Die BÖLN-Studie „Opt<strong>im</strong>ierter Einsatz von Kartoffelprotein in der Ernährung<br />

von Regenbogenforellen nach ökologischen Kriterien“ ist zu finden<br />

unter: www.orgprints.org/19627. Die Studie „Einsatz von Bio-Ausputzgetreide<br />

in der Ernährung von Bio-Karpfen“ gibt es unter www.orgprints.<br />

org/18716/. Außerdem ist die „Marktanalyse für ökologische Aquakulturerzeugnisse“<br />

unter www.orgprints.org/17160/ interessant.<br />

boten. Zudem handelt es sich bei der Soldatenfliege<br />

um eine nichthe<strong>im</strong>ische Art, so dass ein Entkommen<br />

in die Umwelt verhindert werden muss.<br />

Bruchkorn nutzen<br />

Das Risiko der Einwanderung fremder Insektenarten<br />

ist be<strong>im</strong> Bio-Bruchkorn-Projekt ausgeschlossen, obwohl<br />

es auch auf Insekten als Proteinquelle setzt.<br />

Das Projekt wurde durch das BÖLN gefördert und<br />

von Fischwirtschaftsmeister Michael Bothstede aus<br />

Grambek, Prof. Carsten Schulz und Dr. Andreas Baer<br />

von der Universität Kiel betreut.<br />

Bio-Bruchkorn ist ein Abfallprodukt, das bei der Reinigung<br />

von Getreide anfällt. Im Wesentlichen besteht<br />

es aus Getreideresten, Untersaaten und Insekten, die<br />

bei der Mahd in den Mähdrescher gelangen. Es fällt<br />

nicht unter die BSE-Verordnung und wird in der Viehhaltung<br />

bereits als Futterschrot eingesetzt. Als Abfallprodukt<br />

ist Bio-Bruchkorn um bis zu 50 Prozent<br />

günstiger als herkömmliches Bio-Futtergetreide und<br />

erzielt aufgrund des tierischen Eiweißes der Insekten<br />

gute Wachstumsergebnisse bei den Fischen. Getestet<br />

wurde die Verfütterung von Bio-Bruchkorn an Bio-<br />

Karpfen. Für karnivore Fische wie die Forelle ist der<br />

Getreideanteil ernährungsphysiologisch zu hoch, der<br />

Insektenanteil zu gering und nicht ausreichend konzentriert.<br />

Deshalb strebt Teichwirt Michael Bothstede<br />

an, in einem Folgeprojekt den Insektenanteil <strong>im</strong> Bio-<br />

Bruchkorn etwa durch ein spezielles Umrüsten von<br />

Mähdreschern zu erhöhen. Obwohl die Idee sehr<br />

charmant ist und eine ernst zu nehmende Lösung in<br />

der fischwirtschaftlichen Futtermittelproblematik<br />

darstellen könnte, mangelt es Bothstede zurzeit an<br />

bereitwilligen Partnern aus der Wissenschaft.<br />

Trotz all dieser positiven Ansätze gibt es derzeit noch<br />

keine praxisreife Alternative zum <strong>Fischmehl</strong>. Solange<br />

es keinen ethisch und ökologisch vertretbaren Ersatz<br />

gibt, sollten <strong>Bioland</strong>-Teichwirte <strong>–</strong> allein aus Gründen<br />

der Glaubwürdigkeit <strong>–</strong> gezielt auf he<strong>im</strong>ische Arten wie<br />

den Karpfen, die Schleie, den Hecht, den Zander oder<br />

den Wels setzen; also auf Fischarten, die sich omnivor<br />

und überwiegend von den Pflanzen und Tieren aus<br />

dem eigenen Teich ernähren. Es muss gelingen, den<br />

Verbrauchern zu vermitteln, dass sie einen ökologischen<br />

Beitrag leisten können, wenn sie sich bei ihrem<br />

Fischkonsum nicht auf Lachs & Co. fixieren.<br />

Tobias Lasner, Soziologe, Fischwirt und<br />

freier Autor aus Bad Bederkesa<br />

Nina Weiler, freie Journalistin aus Karlsruhe<br />

bioland 06/2013 30

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