Revitalisierung der Innenstadt – städtebaulicher Denkmalschutz und ...
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Lutz Penske, Görlitz<br />
<strong>Revitalisierung</strong> <strong>der</strong> <strong>Innenstadt</strong> <strong>–</strong> <strong>städtebaulicher</strong><br />
<strong>Denkmalschutz</strong> <strong>und</strong> gesamtstädtische Entwicklung<br />
Werkstattbericht: Stadt Görlitz<br />
1. Stadtentwicklung 1850 <strong>–</strong> 1990<br />
Im ersten Abschnitt soll kurz auf die Stadtentwicklung ab ca. 1850 bis 1990 eingegangen<br />
werden, da diese Entwicklung durchaus von Bedeutung für planerische Ansätze<br />
beim Stadtumbau bzw. <strong>der</strong> Aussage des Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes hat.<br />
Die durch Renaissance <strong>und</strong> Barock geprägte historische Altstadt von Görlitz, umgeben<br />
von einer geschlossenen Stadtmauer, wurde Mitte des vorigen Jahrhun<strong>der</strong>ts im südlichen<br />
Teil aufgebrochen. Gr<strong>und</strong> war die 1847 nach Görlitz gelegte Eisenbahnlinie mit<br />
dem weit vor den Toren <strong>der</strong> Stadt liegenden Bahnhof. Was mit respektvollem Abstand<br />
<strong>und</strong> abwartend vor die Altstadt gelegt war, entpuppte sich schon nach kurzer Zeit als<br />
Entwicklungsmotor <strong>der</strong> Stadterweiterung <strong>der</strong> Grün<strong>der</strong>jahre 1870 bis 1920. Die Stadt<br />
wuchs rasch in Richtung Bahnhof <strong>und</strong> darüber hinaus. Mit <strong>der</strong> baulichen Erweiterung<br />
ging eine Verlagerung des Stadtzentrums einher. Die ehemals alle städtischen Funktionen<br />
beherbergende Stadt (Altstadt) verlor langsam aber zunehmend an Bedeutung. Mit<br />
<strong>der</strong> zum Bahnhof führenden Hauptgeschäftsstraße <strong>und</strong> den darin befindlichen Großkaufhäusern<br />
kam es zu einer Verlagerung des Geschäftszentrums aus <strong>der</strong> Altstadt in<br />
die grün<strong>der</strong>zeitliche <strong>Innenstadt</strong>. Die ehemals prächtigen Handelshäuser <strong>der</strong> Altstadt<br />
verloren ihre ursprüngliche Bedeutung.<br />
Eingemeindungen in den Anfangsjahren des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts lagen ebenfalls im<br />
Süden <strong>der</strong> Stadt. Damit war bereits in den 20er <strong>und</strong> 30er Jahren die Tatsache zu verzeichnen,<br />
dass die Görlitzer Altstadt in eine nördliche Randlage gekommen war <strong>und</strong><br />
nicht mehr den geografischen Mittelpunkt <strong>der</strong> Stadt darstellte.<br />
Erste Neubauten <strong>der</strong> DDR-Ära waren zweckgeb<strong>und</strong>ene Wohnungen für Bau- <strong>und</strong><br />
Grubenarbeiter, die als Rand- <strong>und</strong> Verdichtungsbauten ebenfalls im südlichen Görlitz<br />
errichtet wurden.<br />
In den 60er Jahren war ein Zustand erreicht, <strong>der</strong> folgen<strong>der</strong>maßen zu beschreiben war:<br />
Die am Rande <strong>der</strong> Stadt Görlitz gelegene Altstadt hatte nahezu alle notwendigen<br />
Funktionen verloren <strong>und</strong> war schon damals geprägt von Leerstand <strong>und</strong> Verfall. Nahezu<br />
völlig kriegsunzerstört <strong>und</strong> in ihrer Struktur vollständig erhalten <strong>–</strong> aber ohne funktionelle<br />
Bedeutung.<br />
Mit den DDR-Beschlüssen zur „Lösung <strong>der</strong> Wohnungsfrage als soziales Problem“,<br />
sprich dem Neubau von Block- <strong>und</strong> Plattenbauten, erhielt die Stadt Görlitz die Auflage,<br />
ca. 6.000 WE Neubau ab 1978 zu errichten, eine Größenordnung, die weit über dem<br />
rechnerischen Bedarf lag. Die Lösung <strong>der</strong> anstehenden Wohnungsprobleme <strong>der</strong> Stadt<br />
hätte bei gleichzeitiger Sanierung <strong>und</strong> Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong> vorhandenen Altbausubstanz<br />
maximal 2.000 Wohnungen erfor<strong>der</strong>t. Unabhängig von dieser quantitativen Fehleinschätzung<br />
hatte die Stadt allerdings eine Entscheidung in eigener Regie zu treffen <strong>–</strong><br />
nämlich die Einordnung des geplanten Neubaugebietes.
2<br />
Mit dem Generalbebauungsplan entschied sich die Stadtplanung seinerzeit eine 150<br />
jährige Entwicklung nach Süden umzukehren, <strong>und</strong> den Neubaustandort im Norden anzusiedeln.<br />
Der Gr<strong>und</strong> lag auf <strong>der</strong> Hand: Die Altstadt sollte wie<strong>der</strong> in eine geografische<br />
Mitte rücken, um dadurch den verlorenen Verlust an Funktionen zurückzuerlangen.<br />
Aus Sicht <strong>der</strong> Gesamtentwicklung ist dieses Vorhaben durchaus gelungen. Ein Viertel<br />
<strong>der</strong> Stadtbewohner ist in die Plattenbauten im Norden gezogen, die bereits im Rückbau<br />
befindliche städtische Straßenbahn wurde reaktiviert <strong>und</strong> nachträglich an das Neubaugebiet<br />
gelegt. Damit wären die positiven Aspekte aber schon aufgezählt. Mit <strong>der</strong> bereits<br />
genannten Größenordnung von 6.000 Wohnungen begann die Abwan<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Menschen<br />
aus den unsanierten Gebäuden <strong>der</strong> <strong>Innenstadt</strong> in die mo<strong>der</strong>n ausgestatteten<br />
Neubauten am Stadtrand Das Fazit war, dass nach Vollendung des Neubaustandortes<br />
im Norden im Jahre 1988 in <strong>der</strong> Alt- <strong>und</strong> <strong>Innenstadt</strong> bereits 4.000 Wohnungen leer<br />
standen. Logische Folge waren Abbruchpläne <strong>der</strong> Altbausubstanz im Schnittbereich<br />
zwischen Altstadt <strong>und</strong> Plattenbaugebiet, die in Görlitz allerdings durch die politische<br />
Wende nicht mehr realisiert wurden.<br />
2. Einwohnerentwicklung<br />
Bereits in den Jahren <strong>der</strong> DDR hatte Görlitz eine stark rückläufige Einwohnerentwicklung.<br />
Hatte die Stadt im Jahre 1970 noch ca. 87.000 Einwohner waren es 1990 nur<br />
noch etwa 72.000. Neben <strong>der</strong> Grenzlage <strong>der</strong> Stadt waren dafür mehrere Gründe verantwortlich:<br />
Viele Görlitzer Familien verließen die Stadt in Richtung Weißwasser/Boxberg, ehemalige<br />
Energieschwerpunkte <strong>der</strong> DDR mit attraktiven Angeboten an gut bezahlter Arbeit<br />
<strong>und</strong> neuem Wohnraum. Analog verhielt es sich mit den nach Berlin-Marzahn delegierten<br />
jungen Bauarbeitern, die <strong>–</strong> einmal in Berlin fußgefasst <strong>–</strong> ihre Familien nachholten.<br />
Letztlich war speziell <strong>der</strong> Raum Dresden <strong>–</strong> Bautzen <strong>–</strong> Görlitz in den 80er Jahren <strong>der</strong><br />
Bereich mit <strong>der</strong> höchsten Abwan<strong>der</strong>ungs- <strong>und</strong> Ausreisewelle in Richtung Westdeutschland.<br />
In allen Fällen waren junge Familien mit Kin<strong>der</strong>n diejenigen, die die Stadt verlassen<br />
haben, mit Folgen, die heute noch zu spüren sind.<br />
Nach 1990 verlief diese Entwicklung ungebremst weiter, auch wenn die Gründe an<strong>der</strong>e<br />
waren: Mit dem Wegbrechen <strong>der</strong> Arbeitsplätze (Görlitz hat eine Arbeitslosenquote, die<br />
immer jenseits <strong>der</strong> 20% lag) begann die Ost-West-Wan<strong>der</strong>ung vor allem in den Raum<br />
Bayern <strong>und</strong> Baden-Württemberg.<br />
Zweitens wollten sich viele Menschen den Traum vom Eigenheim erfüllen <strong>und</strong> suchten<br />
nach preiswertem Bauland, was die Umlandgemeinden auch bieten konnten. Kleinere<br />
Ortschaften verdoppelten im Randbereich <strong>der</strong> Stadt ihre Einwohnerzahlen auf Kosten<br />
<strong>der</strong> Stadt. Drittens kam es nach <strong>der</strong> Wende zu einem drastischen Einbruch <strong>der</strong> Geburtenzahlen<br />
<strong>und</strong> damit zu einem Sterbeüberschuss. Die Einwohnerzahl sank auf 61.000<br />
im Jahre 2000 <strong>und</strong> liegt heute knapp unter 60.000. Einhergehend ist <strong>der</strong> Lebensbaum<br />
völlig aus dem normalen Lot geraten. Der Einschnitt im Bereich 0-10 Jahre ist drastisch<br />
<strong>und</strong> lässt zwangsläufig auf einen weiteren Bevölkerungsrückgang schließen. Prognosen<br />
gehen von einer Einwohnerzahl <strong>der</strong> Stadt im Jahre 2015 unter 50.000 aus.<br />
3. Bausubstanz <strong>und</strong> Leerstand<br />
Aus <strong>der</strong> geschil<strong>der</strong>ten Entwicklung <strong>der</strong> Stadt war <strong>der</strong> Zustand im Jahre 1990 folgen<strong>der</strong>maßen<br />
zu charakterisieren. Die Stadt verfügte über ca. 38.000 Wohnungen. 4.000<br />
davon standen leer, allesamt in <strong>der</strong> Altstadt <strong>und</strong> <strong>Innenstadt</strong>. Sämtliche Strukturen <strong>und</strong><br />
Gebäude in beiden Gebieten waren vollständig erhalten <strong>–</strong> ohne Kriegszerstörungen
3<br />
<strong>und</strong> Abrisse, allerdings in einem jämmerlichen baulichen Zustand. Die Denkmalserfassung<br />
wies ca. 3.600 Einzeldenkmale aus, grob jedes Haus <strong>der</strong> Alt- <strong>und</strong> <strong>Innenstadt</strong>. Mit<br />
dem Ausweisen von insgesamt vier Sanierungsgebieten, die Altstadt davon als Modellstadtvorhaben<br />
des B<strong>und</strong>es, wurden alle finanziellen Möglichkeiten ausgenutzt, die<br />
wertvollen Gebäude <strong>der</strong> Stadt flächendeckend zu sichern <strong>und</strong> zu mo<strong>der</strong>nisieren.<br />
Parallel zu den förmlich festgelegten Sanierungsgebieten begann ein Bauboom in den<br />
Vierteln <strong>der</strong> Grün<strong>der</strong>zeit ohne staatliche För<strong>der</strong>ung, was dazu geführt hat, dass die<br />
Stadt Görlitz in den letzten 13 Jahren eine Verän<strong>der</strong>ung erfahren hat, die einem Wun<strong>der</strong><br />
gleicht. Somit können zwei sich gegenüberstehende <strong>und</strong> nicht vereinbarende Entwicklungen<br />
verzeichnet werden: Erhalt, Sanierung <strong>und</strong> Mo<strong>der</strong>nisierung des vorhandenen<br />
denkmalgeschützten Wohnraumes <strong>und</strong> parallel dazu zunehmen<strong>der</strong> Einwohnerrückgang<br />
<strong>und</strong> Vermehrung des Leerstandes. Heute stehen ca. 10.000 Wohnungen<br />
leer, zum Teil saniert.<br />
4. Stadtumbau, Probleme <strong>und</strong> Strategien<br />
Geht man davon aus, dass die Einwohnerzahl <strong>der</strong> Stadt weiter rückläufig sein wird,<br />
muss man im Jahre 2015 mit ca. 15.000 leerstehenden Wohnungen rechnen. Im<br />
Programm „Stadtumbau <strong>–</strong> Ost“ ist <strong>der</strong> Teil Rückbau von Wohnungen auch für Görlitz<br />
ein notwendiger Schritt, <strong>der</strong> gegangen werden muss. Was aber in manch an<strong>der</strong>en<br />
Städten relativ einfach zu sein scheint, ist in Görlitz deutlich an<strong>der</strong>s. Nicht die Plattenbauten<br />
am Stadtrand, son<strong>der</strong>n die Grün<strong>der</strong>zeitgebäude <strong>der</strong> <strong>Innenstadt</strong> sind heute vom<br />
Problem des massenhaften Leerstandes betroffen. Liegt <strong>der</strong> Leerstand in den Neubausiedlungen<br />
zurzeit bei ca. 15 <strong>–</strong> 20 %, weist die <strong>Innenstadt</strong> einen Leerstand von ca.<br />
40% auf. Bei letzteren handelt es sich fast ausschließlich um Gebäude, die als Denkmal<br />
erfasst sind <strong>und</strong> wesentlich das Flair <strong>der</strong> Stadt bestimmen. Nicht gesichtslose,<br />
billige Arbeiterwohnquartiere, son<strong>der</strong>n gestalterisch hochwertige Viertel mit hervorragenden<br />
Perspektiven nach Sanierung <strong>und</strong> Aufwertung. So gesehen kann Stadtumbau<br />
in Görlitz nur heißen, dass weiterhin alles getan wird, die <strong>Innenstadt</strong> aufzuwerten.<br />
Bei allen Problemen stehen die Chancen gut, diesen Weg konsequent zu verfolgen,<br />
was am Beispiel <strong>der</strong> historischen Altstadt belegt werden kann. Im Jahre 1990 war die<br />
Altstadt das Stadtgebiet mit dem höchsten Leerstand <strong>und</strong> dem höchsten Altersdurchschnitt<br />
<strong>der</strong> Gesamtstadt. 13 Jahre Stadtsanierung haben dazu geführt, dass trotz rückläufiger<br />
Bevölkerungsentwicklung die Altstadt Einwohnerzuwachs hat, <strong>und</strong> das als<br />
einziger Stadtteil. Noch erfreulicher ist die soziale Struktur dieses Stadtteiles. Das ehemals<br />
älteste Gebiet hinsichtlich des Durchschnittsalters ist heute das jüngste Gebiet<br />
<strong>der</strong> Gesamtstadt. Somit ist es gelungen, einen Jahrzehnte lang negativ verlaufenden<br />
Trend umzukehren. Junge Familien ziehen wie<strong>der</strong> in die Mitte <strong>der</strong> Stadt <strong>und</strong> erkennen<br />
die Qualitäten <strong>und</strong> Vorzüge des individuellen Wohnens, <strong>der</strong> Nachbarschaften, <strong>der</strong><br />
kurzen Wege etc.<br />
Zuzüge nach Görlitz, die durchaus eine beachtliche Größe haben, zieht es in die historischen<br />
Quartiere, niemand kommt nach Görlitz, um im Plattenbau zu wohnen.<br />
Für den Stadtumbau entscheidend wird die weitere Entwicklung <strong>der</strong> Neubaugebiete<br />
sein, die sich in <strong>der</strong> Stadt ebenfalls nicht einfach darstellt, aber Lösungen aufzeigt.<br />
Durch die anfangs geschil<strong>der</strong>te Standortwahl des nördlichen Plattenbaugebietes wurden<br />
Voraussetzungen geschaffen, die heute dazu führen, dass <strong>der</strong> Standort so wenig<br />
Leerstand aufweist: Der Standort ist extrem <strong>Innenstadt</strong>nah, erschlossen mit <strong>der</strong> Straßenbahn<br />
<strong>und</strong> in den 90er Jahren durch Verkaufseinrichtungen aufgewertet. Wohnumfeldverbesserungen<br />
in dieser Zeit haben den Standort noch weiter attraktiviert. Dennoch<br />
ist ein entscheiden<strong>der</strong> Trend ablesbar: Die Bevölkerung des ehemals jüngsten
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Stadtteiles (genau im Gegensatz zur historischen Altstadt) überaltert <strong>und</strong> nimmt jährlich<br />
überdurchschnittlich im Gesamtstadtvergleich ab. Bereits im Jahre 2002 war <strong>der</strong><br />
Plattenbaustandort im Durchschnittsalter <strong>der</strong> älteste Stadtteil. Seit etwa 7 Jahren ist<br />
festzustellen, dass jedes Jahr das Durchschnittsalter um genau ein Jahr steigt, was<br />
darauf schließen lässt, dass keinerlei Zuzüge stattfinden, die zu einer sozialen<br />
Mischung beitragen könnten. Darüber hinaus verlassen unvermin<strong>der</strong>t ca. 500 <strong>–</strong> 700<br />
Personen jährlich diesen Stadtteil, was immerhin jedes Jahr 4 <strong>–</strong> 5 % <strong>der</strong> Einwohner<br />
dieses Stadtteiles ausmacht. Die Prognosen gehen davon aus, dass <strong>der</strong> Stadtteil im<br />
Jahre 2015 nur noch knapp 50 % <strong>der</strong> heutigen Einwohnerzahl haben wird <strong>und</strong> das bei<br />
einer Überalterung von über 50 % Personen im Rentenalter. Damit ist scheinbar die<br />
Zukunft klar: In wenigen Jahren wird die Platte nicht mehr gebraucht <strong>und</strong> kann rückgebaut<br />
werden. Dieser Ansatz hat allerdings zwei Probleme: Erstens wird <strong>der</strong> nördliche<br />
Stadtteil aus den eingangs geschil<strong>der</strong>ten Problemen zur „Massenverteilung“ <strong>der</strong><br />
Wohnungen <strong>der</strong> Gesamtstadt zur Altstadt gebraucht. Der Totalverlust des gesamten<br />
Plattenbaugebietes im Norden hätte wie<strong>der</strong> zur Folge, dass die Altstadt erneut in eine<br />
Randlage käme, was <strong>der</strong> begonnenen positiven Trendwende kontraproduktiv gegenüberstehen<br />
würde.<br />
Zum an<strong>der</strong>en ist aber klar, wenn die Platte nicht vollständig vom Markt genommen<br />
werden kann, verstetigen sich die Leerstandsprobleme weiter in <strong>der</strong> <strong>Innenstadt</strong>. Bereits<br />
heute gibt es Stimmen aus dem politischen Raum, die auch o<strong>der</strong> gerade deshalb eine<br />
Strategie des Rückbaus for<strong>der</strong>n, <strong>der</strong> um die <strong>Innenstadt</strong> keinen Bogen macht. Abriss<br />
dort wo jetzt <strong>der</strong> Leerstand ist hätte aber fatale Folgen für das Gesicht <strong>der</strong> Stadt <strong>und</strong><br />
wird von <strong>der</strong> Bevölkerung auch nicht kritiklos hingenommen. Altstadtfest, Tag des<br />
offenen Denkmals, Tag <strong>der</strong> offenen Sanierungstür u.ä. locken jährlich Zehntausende<br />
begeisterte Besucher in die ehemals vernachlässigten Gebiete <strong>der</strong> Alt- <strong>und</strong> <strong>Innenstadt</strong><br />
<strong>und</strong> zeigen deutlich, wo die Potentiale <strong>der</strong> Stadt für die Zukunft liegen.<br />
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Chance <strong>der</strong> Stadt in <strong>der</strong> Bewahrung<br />
des umfangreichen Denkmalbestandes liegt <strong>und</strong> dass ein Rückbau von außen<br />
nach innen erfolgen muss. Die Sächsische Zeitung formulierte aus ihrer Sicht den<br />
Stadtumbau<br />
„Die Stadt wächst nach innen“ sehr treffend.<br />
Diese Strategie erfor<strong>der</strong>t unvermin<strong>der</strong>te För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Innenbereiche in allen Programmen.<br />
Die Aufwertung <strong>der</strong> <strong>Innenstadt</strong> muss parallel zu den Maßnahmen des Rückbaus<br />
erfolgen. Nur so kann es langfristig gelingen, die Menschen wie<strong>der</strong> in die <strong>Innenstadt</strong><br />
zu holen, bei allen vorhandenen Problemen wie Verkehr, z.Z. schlechteren<br />
Einkaufsmöglichkeiten, fehlenden Kin<strong>der</strong>spielplätze etc. Wenn diese Probleme gelöst<br />
werden können, hat die <strong>Innenstadt</strong> einen fairen Stand im Wettbewerb mit den Neubausiedlungen<br />
am Stadtrand o<strong>der</strong> gar den Eigenheimsiedlungen im Umland.<br />
5. Osterweiterung <strong>der</strong> EU <strong>und</strong> Folgen für die Stadt<br />
Alle statistischen Erhebungen des Landesamtes zur Einwohnerentwicklung gehen<br />
nicht auf eventuelle Entwicklungen aus <strong>der</strong> im Jahre 2004 erfolgenden EU-Osterweiterung<br />
ein. Auch heute ist die Stadt Görlitz mit ca. 60.000 Einwohnern nicht allein zu<br />
betrachten. Der polnische Teil Zgorzelec mit ca. 40.000 Einwohnern hat ebenfalls<br />
Gewicht bei <strong>der</strong> Betrachtung einer zukünftigen Stadtentwicklung. Seit Jahren gibt es<br />
Bestrebungen die Entwicklung gemeinsam zu planen <strong>und</strong> zum bei<strong>der</strong>seitigen Vorteil zu<br />
gestalten. Mitte <strong>der</strong> 90er Jahre nahm die Doppelstadt Görlitz/ Zgorzelec gemeinsam<br />
am EUROPAN IV Wettbewerb teil. In <strong>der</strong> Folge führten zahlreiche Projekte zu einer
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engeren Zusammenarbeit. Das Projekt „Grün ohne Grenzen“ hat dazu geführt, dass<br />
vor allem die Bereiche entlang <strong>der</strong> Neiße planerisch verzahnt werden. Eine Machbarkeitsstudie<br />
zum ÖPNV geht davon aus, die Görlitzer Straßenbahn nach Zgorzelec zu<br />
verlängern <strong>und</strong> damit ein grenzüberschreitendes ÖPNV-Netz leistungsfähig zu installieren.<br />
Die Europastadt Görlitz/Zgorzelec hat die Möglichkeit im Rahmen des Modellvorhabens<br />
„Stadt 2030“ des Ministeriums für Forschung Untersuchungen anzustellen, wie<br />
ein gemeinsames Leitbild bei<strong>der</strong> Städte unter den neuen Bedingungen <strong>der</strong> europäischen<br />
Entwicklung bei Betrachtung zahlreicher Einflussfaktoren, wie z.B. <strong>der</strong> demografischen<br />
Entwicklung, entstehen kann. Kern dieser Arbeit ist <strong>der</strong> „Brückenpark“, die<br />
Idee <strong>der</strong> mittel- <strong>und</strong> langfristigen Schaffung eines neuen gemeinsamen Stadtzentrums<br />
aus Funktionen <strong>der</strong> Kultur, Bildung, Freizeit <strong>und</strong> Tourismus inmitten <strong>der</strong> beiden Städte<br />
mit dem Ziel „eine Stadt in zwei Län<strong>der</strong>n“.<br />
Beide Städte wollen einen gemeinsamen Flächennutzungsplan erarbeiten <strong>und</strong> in <strong>der</strong><br />
Zukunft auch <strong>und</strong> speziell Bevölkerungsentwicklungen enger aufeinan<strong>der</strong> abzustimmen,<br />
soweit das möglich ist. Auf jeden Fall ist heute schon klar, dass das Problem des<br />
„Stadtumbaus Görlitz“ nicht in <strong>der</strong> Neiße enden kann <strong>und</strong> wird. Demografische Verän<strong>der</strong>ungen,<br />
Wan<strong>der</strong>ungsbewegungen kommen auch auf den Ostteil <strong>der</strong> Europastadt zu<br />
<strong>und</strong> sollten gemeinsam gelöst <strong>und</strong> als vielleicht größte Chance für beide Seiten für die<br />
Zukunft angesehen werden. Gleichzeitig verliert die Doppelstadt ihre Grenzrandlage<br />
<strong>und</strong> rückt weiter in die Mitte eines vereinten Europas.<br />
Daraus ergeben sich günstige Ansatzpunkte für eine optimistischere Zukunft als statistisch<br />
angenommen wird. Die Potentiale dazu sind auf beiden Seiten <strong>der</strong> Neiße vorhanden.<br />
Autor:<br />
Dipl.-Ing. Lutz Penske<br />
Leiter des Stadtplanungsamtes <strong>der</strong> Stadt Görlitz