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18 Serbien Serbien 19<br />

Büroturm Ušće, 1965<br />

„In der Glasfassade des Ušće-Hochh<strong>aus</strong>es spiegeln sich die vielen Umbrüche, die Serbien seit <strong>dem</strong> Zweiten Weltkrieg erlebt hat. Die<br />

Vorgaben für das 105 Meter hohe Gebäude von Mihailo Janković und anderen gehen bereits auf das Jahr 1947 zurück. Wie kein<br />

anderes Bauwerk verkörpert es die Idee des jugoslawischen, westlich orientierten Sozialismus. Bis 1990 war hier das Zentralkomitee der<br />

Kommunistischen Partei Jugoslawiens untergebracht. Schon damals hatte es eine schlanke Glasfassade. Dann zog Slobodan Milošević<br />

mit seiner Partei ein. Das Stahlbetonskelett hielt das Gebäude zusammen, als die Nato es 1999 bombardierte. Ein europäisches<br />

Firmen-Konsortium rekonstruierte das geschichtsträchtige Hochh<strong>aus</strong>, seit 2005 ist es Sitz internationaler Unternehmen. Heute ist<br />

es für mich ein Sinnbild dafür, dass marktwirtschaftliches Denken in Serbien die politischen Ideologien ersetzt.“<br />

Foto: Milovan Milenković<br />

» Belgrad ist eine Stadt der Kontraste «<br />

Die Architektin Vesna Vučinić über die Faszination für ihre Heimatstadt<br />

Interview: Sonja Volkmann-Schluck<br />

Gemeinsam mit anderen Architekten bieten Sie Stadtrundgänge durch<br />

Belgrad an. Was zeigen Sie den Besuchern?<br />

Wir führen unsere Besucher durch Stadträume und Bauten, die<br />

etwas über die Entstehung und Entwicklung der Stadt erzählen.<br />

Wir haben den Schwerpunkt jugoslawische Moderne. Aber wir<br />

zeigen auch die vielen informellen Bauten, die in den vergangenen<br />

20 Jahren in Belgrad entstanden sind: kleine Kioske und Wohnhäuser<br />

oder auch ganze Siedlungen, die ohne Genehmigung gebaut<br />

wurden – entweder von einfachen Leuten für sich und ihre Familien<br />

oder auch von profitgierigen Spekulanten.<br />

Was fasziniert Sie an Ihrer Heimatstadt?<br />

Belgrad ist wegen seiner strategischen Bedeutung oft erobert und<br />

zerstört worden, sodass keine kontinuierliche Entwicklung stattfinden<br />

konnte. Die fehlende Kontinuität verbirgt viele Entwicklungsansätze,<br />

die wir bei den Führungen Schicht für Schicht aufdecken.<br />

Wir versuchen Belgrad so zu zeigen, wie es ist: kontrastreich,<br />

vielschichtig und unvollständig.<br />

Womit können Sie Touristen und Ausländer überraschen?<br />

Belgrad ist eine Stadt der Kontraste. Oft stehen Gebäude <strong>aus</strong> verschiedenen<br />

Epochen wie selbstverständlich Seite an Seite: osmanische<br />

Stadthäuser, Jugendstilbauten, jugoslawische und moderne<br />

Nachkriegsarchitektur. Auch die malerische Lage Belgrads an der<br />

Mündung der Save in die Donau sowie der spektakuläre Blick von<br />

der mittelalterlichen Festung überraschen die Besucher.<br />

In Belgrad stehen noch viele jugoslawische Gebäude. Was war das<br />

architektonisch Besondere an dieser Epoche?<br />

Die jugoslawische Staatsführung setzte sich eigene politische, wirtschaftliche,<br />

gesellschaftliche und kulturelle Maßstäbe, die sich auch<br />

auf die Architektur <strong>aus</strong>gewirkt haben. Genau wie der Staat suchten<br />

auch die Architekten nach einem eigenen Weg zwischen West<br />

und Ost. Schon 1948 brachen sie mit <strong>dem</strong> Sozrealismus der Sowjetunion<br />

und orientierten sich am vorherrschenden Internationalen<br />

Stil, in den 1960ern entwickelten sie dann eine eigene Formsprache.<br />

Diese Epoche ist von einem enormen Arbeitseifer gekennzeichnet.<br />

Die jugoslawischen Architekten und Stadtplaner spielten<br />

eine gesellschaftliche Rolle beim Aufbau des Landes, <strong>dem</strong> Wohnungsbau,<br />

der Infrastruktur wie auch der repräsentativen staatlichen<br />

und öffentlichen Bauten. In den Städten entstanden völlig<br />

neue Viertel wie Neu-Belgrad, Neu-Zagreb, Neu-Sarajevo.<br />

Foto: Marttin Fejer<br />

Erleben Sie Vesna Vučinić auf <strong>dem</strong> Ušće-<br />

Hochh<strong>aus</strong> in Belgrad: ► www.<strong>ost</strong>pol.de/beitrag/3496-vesna_vucinic_von_360beograd<br />

360BEOGRAD ist Mitglied der Guiding<br />

Architects, einem internationalen Netzwerk<br />

für Architekturführungen.<br />

► www.360beograd.org<br />

► www.guiding-architects.net<br />

Einige im jüngsten Krieg zerbombte Gebäude, darunter der Generalstab,<br />

sind bis heute nicht aufgebaut worden. Welche Rolle spielt<br />

die Zerstörung heute in der Stadt?<br />

Die noch sichtbaren Ruinen erinnern klar an die dunkle Zeit der<br />

Milošević-Ära, sind aber nicht als Mahnmal konzipiert. Die Regierung<br />

bringt einfach nicht den politischen Willen auf, das Zerstörte<br />

zu beseitigen. Noch dazu steht der Generalstab seit einigen Jahren<br />

unter Denkmalschutz. Er müsste also originalgetreu wiederaufgebaut<br />

werden. Es ist eine Situation entstanden, in der niemand<br />

etwas unternimmt, sondern sich jeder mit den hohen K<strong>ost</strong>en für<br />

einen Wiederaufbau her<strong>aus</strong>redet.<br />

Gibt es einen Neuanfang in der serbischen Architektur?<br />

Die serbische Architektur besteht <strong>aus</strong> einer Mischung verschiedener<br />

kultureller Einflüsse. Sie selbst setzt eher keine Trends, sondern<br />

verfolgt bereits vorhandene Strömungen. Sie besitzt die Tendenz,<br />

Elemente <strong>aus</strong> verschiedenen Stilen aufzunehmen und sie auf oft<br />

romantische Art und Weise neu und modern zu interpretieren. So<br />

betrachtet gibt es keinen Neuanfang, eher die Fort set zung der serbischen<br />

Architektur, die nun nach der Stag nation der vergangenen<br />

zwei Jahrzehnte von Jahr zu Jahr immer mehr zu bieten hat.<br />

Boris Kralj wurde in Deutschland als Kind jugoslawischer<br />

Gast arbeiter geboren. Seit 1997 lebt er<br />

in Berlin und arbeitet hier als Fotograf für Mode<br />

und Architektur. 2012 veröffentlichte der Verlag<br />

„Neue Sachlichkeit“ sein Buch „My Belgrad“,<br />

in <strong>dem</strong> er fotografisch <strong>dem</strong> untergegangenen<br />

Jugoslawien nachspürt.<br />

Milovan Milenković arbeitet als freier Fotograf<br />

in Belgrad und gehört <strong>dem</strong> Fotografenkollektiv<br />

„Kamerades“ an (siehe Impressum).

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