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Dokument 5.pdf - RWTH Aachen University

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STUDIEN ZUR IKONOGRAPHIE DES KUNSTBETRACHTERS<br />

im 17., 18. und 19. Jahrhundert<br />

Von der Philosophischen Fakultät der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule <strong>Aachen</strong> zur<br />

Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Philosophie genehmigte Dissertation<br />

vorgelegt von<br />

Heinrich Silvester Johannes Becker<br />

aus<br />

Ulm/Donau<br />

Berichter:<br />

Universitätsprofessor Dr. phil. Andreas Beyer<br />

Universitätsprofessor Dr. phil. Theo Buck<br />

Professurvertreter Dr. phil. Alexander Markschies<br />

Tag der mündlichen Prüfung: 21. 01. 2005<br />

Diese Dissertation ist auf den Internetseiten der Hochschulbibliothek online verfügbar


Rachel und meinen Eltern


Wem ich danken möchte:<br />

- Prof. Dr. Adreas Beyer, der sich ohne Umschweife dazu bereit erklärte, die Betreuung dieser Arbeit<br />

von seinem Vorgänger zu übernehmen<br />

- Prof. Dr. Hans Holländer, dem besagten Vorgänger, von dem der entscheidende Anstoß zur Themenfindung<br />

kam<br />

- Prof. Dr. Walter Grasskamp für sein Interesse und seine Hinweise<br />

- Prof. Dr. Theo Buck für ein offenes Ohr und die umgehende Bereitschaft als Berichter zu fungieren<br />

- Professurvertreter Dr. Alexander Marschies für die freundliche und unkomplizierte Art, mit der er<br />

die Aufgabe des Gutachters übernahm<br />

- meiner Tochter Rachel und ihrer Mutter Viola Kramer für die vielen Entbehrungen, die sie im Lauf<br />

der Jahre - wenn auch nicht immer ganz freiwillig - auf sich genommen haben, und für ihr oft mühevolles<br />

Streben, mich im ‘richtigen’ Leben zu halten<br />

- meinen Eltern für ihre bereitwillige Unterstützung in jeder Hinsicht<br />

- Gabriela Ruhmann, ohne die und deren Verständnis, deren Geduld, deren Anregungen und Fragen<br />

diese Arbeit womöglich heute noch nicht fertig wäre<br />

- Thomas Fusenig für zahlreiche Gespräche und Anregungen, für seine Ratschläge und Einschätzungen<br />

- Dagmar Preising für ihren Rat und natürlich das - unerläßliche - geduldige Korrekturlesen<br />

- meinen Geschwistern für aufmunternde Worte, offene Augen und auch finanzielle Zuwendungen<br />

- Freunden, Kommilitonen und Bekannten für Hinweise, Gespräche, Unterkunft und Frotzeleien<br />

- dem freundlichen Personal der Bibliotheken (last but not least), etwa der Bibliotheken der Institute<br />

für Kunstgeschichte in <strong>Aachen</strong> und Amsterdam, der Hochschulbibliothek <strong>Aachen</strong>, des Warburg<br />

Institute und der Witt Library in London, und des Zentralinstituts München


EINLEITUNG 11<br />

KAPITEL I - DAS 17. JAHRHUNDERT 31<br />

i SAMMELWESEN 31<br />

ii ANTWERPEN UND DIE GEMALTEN GALERIEN 34<br />

- Der Inventor und seine möglichen Vorbilder 37<br />

- Frühe Beispiele Frans II Franckens 39<br />

- Hieronymus II Francken 45<br />

- Liefhebber der Schildereyen 52<br />

- Kennerschaftliches Interesse 53<br />

- Guillam van Haecht 57<br />

- Späte Beispiele Frans II Franckens 65<br />

- Hans III Jordaens und Cornelis de Baellieur 70<br />

- David Teniers d. J. 74<br />

- Zeit des Wandels ? 78<br />

- Nachblüte 81<br />

iii BESUCH IM ATELIER 84<br />

iv DAS MOTIV DES KUNSTBETRACHTERS IN ANDEREN REGIONEN 86<br />

v RESÜMEE 90<br />

KAPITEL II - DAS 18. JAHRHUNDERT 97<br />

i SAMMLUNGSDARSTELLUNGEN 97<br />

- J. M. Bretschneider in Prag 97<br />

- Ein Deutscher ‘Sammlungskatalog’ 100<br />

- Giovanni Paolo Pannini in Rom 103<br />

- Johan Zoffany - ein anglisierter Deutscher in Florenz 108<br />

- Bénigne Gagnereaux - ein Franzose in Rom 111<br />

- Sammlungsansichten als Rom-Souvenir? 112<br />

- Adriaan de Lelie in Amsterdam 113<br />

- Konzentration auf das Personal 116


ii DARSTELLUNGEN DES KUNSTHANDELS 120<br />

- »Bauernwirtschaft mit Kunsthandlung und Theaterbühne« 122<br />

- Watteaus »L’Enseigne de Gersaint« 122<br />

- Bouchard & Gravier in Rom 125<br />

- »Spectators at a Print-Shop in St. Paul’s Church Yard« 125<br />

- Kunstauktionen 126<br />

- Straßenhändler 128<br />

iii AUSSTELLUNGSBILDER 130<br />

- Der ‘Salon’ von 1699 132<br />

- Festtagsausstellungen vor der Scuola di San Rocco in Venedig 134<br />

- Salonansichten von Gabriel de Saint-Aubin 135<br />

- Ausstellungen der Londoner Royal Academy im Bild 139<br />

- Der Pariser Salon in den Darstellungen P. A. Martinis 143<br />

- Das Ausstellungspublikum in zeitgenössischen französischen Texten 144<br />

iv RESÜMEE 149<br />

KAPITEL III - DAS 19. JAHRHUNDERT 155<br />

i AUSSTELLUNGEN 156<br />

- Erste Ansichten des nachrevolutionären Salons<br />

- »Die Öffentlichkeit besieht sich Davids Gemälde der Krönung<br />

156<br />

von Napoleon und Josephine« 158<br />

- Ingres zeichnet den Salon 160<br />

- The British Institution 161<br />

- F. A. Biard: Eine Darstellung des Salons ‘in eigener Sache’ 165<br />

- Daumiers Salonkarikaturen 168<br />

- “Kunstbeschouwing” bei Arti in Amsterdam 172<br />

- In der Royal Academy, London 174<br />

ii KUNSTHANDEL 178<br />

- Kunsthandlungen 178<br />

- Auktionen 184<br />

- Straßenhändler 191<br />

iii SAMMLUNGEN 192<br />

- Fiktive Sammlungen 192<br />

- Ansichten tatsächlich existierender Privatsammlungen 196<br />

- Konzentration auf das Personal 201


iv MUSEUMSDARSTELLUNGEN 207<br />

- Innenansichten des Louvre von Hubert Robert 214<br />

- Eine Zeichnung vom Eröffnungstag des Koninklijk Museum 218<br />

- Öffentliches Museum in ‘Privatnutzung’ 219<br />

- Ein idealisierter Antikensaal im British Museum 221<br />

- Amerikaner im Louvre 222<br />

- »Die Dresdener Gemäldegalerie im Stallgebäude« 224<br />

- Museum im Kirchenraum 226<br />

- Der Raum gewinnt an Bedeutung 227<br />

- Das einfachere Volk im Museum 229<br />

- Ein Ort der Freizeitgestaltung 235<br />

- Liebelei im Museum 237<br />

- Vergegenwärtigung 239<br />

- Übermannt 240<br />

v RESÜMEE 241<br />

SCHLUSS 247<br />

LITERATURVERZEICHNIS 255


EINLEITUNG


Die Betrachtung von Kunstwerken ist zweifellos die grundlegende ‘Technik’ der Kunstge-<br />

schichte. Dennoch ist die Art und Weise, wie Kunstwerke zu verschiedenen Zeiten betrachtet<br />

wurden, bislang nur vereinzelt zum Forschungsgegenstand gemacht worden. Zudem finden<br />

sich lediglich 1 Arbeiten, die diesen Komplex mit Hilfe von Texten angehen, die also anhand<br />

von zeitgenössischen Schriften versuchen zu erschließen, mit welchen Haltungen, Überzeu-<br />

gungen und Interessen man sich in verschiedenen Epochen mit Kunst beschäftigte. 2 Bildliche<br />

Darstellungen von Kunstbetrachtern hingegen wurden im Hinblick auf diese oder ähnliche<br />

Fragen noch nicht systematisch untersucht. Das ist das Ziel der vorliegenden Arbeit.<br />

Das Korpus bilden im Kern europäische Gemälde, Graphiken und Zeichnungen aus dem<br />

17., 18. und 19. Jahrhundert, 3 die Personen im Umgang mit Kunstwerken zeigen; 4 wobei<br />

natürlich auch jene Figuren von Bedeutung sein können, die sich im vorgeführten Moment -<br />

womöglich demonstrativ - nicht für die Kunstwerke interessieren. Eine Arbeit zum Motiv<br />

des Kunstbetrachters kann sich indessen nicht auf das dargestellte Personal, also z. B. seine ge-<br />

sellschaftliche, geschlechtliche und altersmäßige Zusammensetzung oder seine Posen be-<br />

schränken. Auch die Zusammenhänge, in denen es gezeigt wird, sind zu berücksichtigen.<br />

Hier sind etwa Fragen zu stellen wie: Ist es eine öffentliche Veranstaltung oder ein eher pri-<br />

vates Treffen? Ist tatsächlich die Kunst der Anlaß für das Zusammenkommen, und wie wird<br />

der Umgang mit ihr charakterisiert? Handelt es sich um eine nüchterene Bestandsaufnahme<br />

mit Staffagefiguren oder um ein repräsentatives Sammlungsportrait mit prestigereichen Gä-<br />

sten? Im Hinblick auf die Entwicklung des Motivs ist schließlich im Auge zu behalten, wann<br />

es wo und in welcher Ausprägung auftaucht.<br />

Soweit ich es überblicke, gibt es bisher weder Arbeiten, die sich speziell mit der Ikonographie<br />

des Kunstbetrachters beschäftigen, noch solche zu verwandten Themenkomplexen, in der sie<br />

als eigenständiger Teilaspekt abgehandelt wird. In der Literatur zum Kunstbetrachter allge-<br />

mein, den Orten und Institutionen, an denen er ‘gemeinhin beheimatet’ ist, und zu Darstel-<br />

lungen, auf denen er wiedergegeben ist, finden sich meist nur einzelne Abschnitte, die für<br />

den hier behandelten Zusammenhang von direktem Interesse sind.<br />

Die Publikationen »Der Betrachter« von Thomas Frangenberg, Carol Gibson-Woods<br />

»Studies in the Theory of Connoisseurship from Vasari to Morelli« oder Robert Trautweins<br />

1 Das ist keinesfalls abwertend gemeint.<br />

2 Thomas Frangenberg: Der Betrachter: Studien zur florentinischen Kunstliteratur des 16. Jahrhunderts. Berlin,<br />

1990. Carol Gibson-Wood: Studies in the Theory of Connoisseurship from Vasari to Morelli. New York; London,<br />

1988. Robert Trautwein: Geschichte der Kunstbetrachtung. Von der Norm zur Freiheit des Blicks. Köln, 1997.<br />

3 Hinzu kommen noch einige vereinzelte Beispiele aus dem 15. und 16. Jahrhundert.<br />

4 Da es um die Entwicklung und Verbreitung eines Motivs geht, werden Beispiele ganz unterschiedlicher Qualität<br />

nebeneinanderstehen. Eine Wertung aber nach ästhetischen Kriterien soll nicht vorgenommen werden.<br />

11


»Geschichte der Kunstbetrachtung« sind zwar insofern von einer gewissen Bedeutung, als sie<br />

- unter anderem - dem indirekt in Schriften verschiedener Autoren und Epochen entworfe-<br />

nen Bild von Kunstbetrachtern nachspüren, doch auf bildliche Darstellungen dieser ‘Spezies’<br />

gehen sie nicht ein. 5 Studien, die sich mit der Geschichte des Sammelns, des Kunsthandels,<br />

der Akademieausstellung, der Ausstellung allgemein oder des Museums beschäftigen, setzen<br />

entsprechende Bildbeispiele vornehmlich zur ‘visuellen Untermalung’ ein, nur selten wer-<br />

den sie dort im einzelnen besprochen oder gar in den Fortgang der Überlegungen einbezo-<br />

gen. 6 Gleichwohl liefern solche Studien natürlich - auch für die vorliegende Arbeit -wichtige<br />

Informationen zur Entwicklung der genannten ‘Institutionen’, seltener etwas zur Zusammen-<br />

setzung des Publikums oder zu dessen Ansichten und Eindrücken. 7<br />

Als ergiebigste Quelle erweist sich noch die Literatur zu einzelnen Darstellungen, die<br />

Kunstbetrachter zeigen, also etwa Studien zu prominenten Stücken wie Panninis »Galeriebild<br />

für Kardinal Valenti Gonzaga« 8 und Zoffanys »T r ibuna« 9 oder zu einzelnen Meistern wie<br />

Frans II. Francken 10 und Guillam van Haecht 11 . Zu nennen sind in diesem Zusammenhang<br />

außerdem die zahlreichen Publikationen zu den gemalten Galerien aus dem Antwerpen des<br />

17. Jahrhunderts. 12 Es ist allerdings festzuhalten, daß das Personal auch hier eine eher unterge-<br />

5 Siehe Anm. 2.<br />

6 Beispielsweise: Niels von Holst: Creators, Collectors and Connoisseurs. The Anatomy of artistic Taste from Antiquity<br />

to the Present day. London, 1967. Krzystof Pomian: Der Ursprung des Museums. Vom Sammeln. Berlin, 1993.<br />

Hans Peter Thurn: Der Kunsthändler. Wandlungen eines Berufes. München, 1994. Patricia Mainardi: The end of the<br />

Salon: art and the state in the early Third Republic. Cambridge u.a., 1993. Georg Friedrich Koch: Die Kunstausstellung.<br />

Ihre Geschichte von den Anfängen bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts. Berlin, 1967. Germain Bazin: The<br />

Museum Age. Brüssel; London, o.J. [franz. Version v. 1967]. Verzamelen. Van Rariteitenkabinet tot Kunstmuseum.<br />

Redactie Ellinoor Bergvelt et al.. Heerlen, 1993. La Jeunesse des Musées. Les musées de France au XIXe siècle. (Ausst.<br />

1994: Musée d’Orsay, Paris) Paris, 1994.<br />

7 Vgl. etwa: Kenneth Hudson: A Social History of Museums. What the Visitors Thought. London u. a., 1975. Oder<br />

auch Alma S. Wittlin: The Museum. Its History and its Tasks in Education. London, 1949.<br />

Kunstsoziologische Arbeiten, die sich auch historisch eingehender mit der Seite der Rezipienten bildender Kunst<br />

auseinandersetzen, sind bislang anscheinend ausgesprochen rar. Rainer Wick meint gar grundsätzlicher: “So groß<br />

die Zahl theoretischer Studien und empirischer Untersuchungen im Bereich der allgemeinen Publikumsforschung<br />

auch sein mag, zum speziellen Problemkreis ‘Kunstpublikum’ hat die Soziologie bisher nur Rudimentäres beigetragen.<br />

Rainer Wick: “Das Museumspublikum als Teil des Kunstpublikums”, in: Kunstsoziologie. Bildende Kunst und<br />

Gesellschaft. Hrsg. v. Rainer Wick u. Astrid Wick-Kmoch. Köln, 1979. (S. 259 - 278) S. 260. Auch in zwei jüngeren<br />

Publikationen spielt dieser Bereich eine sehr bescheidene Rolle, auch finden sich keine Hinweise auf tiefgreifendere<br />

Studien, die sich mit dem Kunstpublikum vor 1900 auseinandersetzen. Vgl. etwa Barabara Aulinger: Kunstgeschichte<br />

und Soziologie. Eine Einführung. Berlin 1992. Soziologie der Kunst. Produzenten, Vermittler und Rezipienten.<br />

Hrsg. v. Jürgen Gerhards. Opladen, 1997.<br />

8 Michael Kiene: “Giovanni Paolo Panninis Expertisen für Marchese Capponi und sein Galeriebild für Kardinal<br />

Valenti Gonzaga”, in: Römisches Jahrbuch der Bibliotheca Hertziana. 26/1990. S. 257 - 301.<br />

9 Oliver Millar: Zoffany and his Tribuna. London, 1966.<br />

10 Ursula Härting: Frans Francken der Jüngere (1581 - 1642): Die Gemälde mit kritischem Œuvrekatalog. Freren,<br />

1989.<br />

11 Gary Schwartz: “Love in the Kunstkamer. Additions to the Work of Guillam van Haecht (1593 - 1637)”, in:<br />

Tableau. Fine Arts Magazine. 18/1996/Nr. 6. S. 43 - 52.<br />

12 Nur eine Auswahl sei hier stellvertretend genannt: Ursula Härting: “>doctrina et pietas


ordnete Rolle spielt, oft bleibt es bei bloßen Aufzählungen, zu denen zuweilen Inden-<br />

tifizierungsversuche hinzukommen. Das Augenmerk liegt vornehmlich auf den Bildern-im-<br />

Bild. Hier kommt vielleicht zum Tragen, was Elizabeth Honig im Zusammenhang mit den<br />

gemalten Galerien beschreibt - was aber auch auf andere, verwandte Bildtypen übertragbar<br />

scheint: “Any art historian who has stood before an Antwerp kunstkammer painting has felt<br />

the impulse to begin guessing at the authorship of the works shown, to name names […].” 13<br />

Die Bilder-im-Bild, so erscheint es, ‘versperren’ nicht selten den Blick auf die Betrachter.<br />

Im Vergleich zu ikonographischen Studien, die auf christliche oder mythologische<br />

Themen ausgerichtet sind, wird hier beim profanen Motiv des Kunstbetrachters nur selten<br />

der Fall eintreten, daß sich Texte und Bilder direkt aufeinander beziehen lassen, daß also z.B.<br />

ein literarischer Museumsbesuch als Vorlage für einen gemalten wahrscheinlich gemacht<br />

werden kann oder umgekehrt. Dennoch erscheint es geboten, sich mit der - jeweils zeitgenössi-<br />

schen - Literatur zu beschäftigen. Das dort vom Kunstbetrachter ‘gezeichnete’ Bild, so die Hoff-<br />

nung, versetzt einen in die Lage, den Eindruck, den Gemälde und graphische Arbeiten - 14 und<br />

damit die in gewisser Weise voreingenommenen Künstler - 15 von ihm vermitteln, ein wenig<br />

besser zu beurteilen.<br />

Die Literatur liefert einen möglichen Text zu den Darstellungen, das heißt z.B. konkretere<br />

Anhaltspunkte darauf, zu welchen Zeiten was für Wertmaßstäbe für die Beurteilung von<br />

Kunst galten und in welchen Bahnen sich die Konversation bewegte. Sicher mag auch eine ge-<br />

malte Figur, die Details eines Gemäldes aus wenigen Zentimetern Abstand oder gar mit einer<br />

Lupe betrachtet, darauf verweisen, daß malerische Qualitäten eine Rolle spielen, doch ein<br />

Text könnte das ganz explizit tun, könnte das vertiefen und eventuell zeigen, ob und wie in-<br />

haltliche und technische Aspekte zueinander in Beziehung gesetzt, wie sie gewichtet wurden.<br />

Allerdings, das sei betont, wird hier das Bild des Betrachters in den jeweils zeitgenössischen<br />

Texten allenfalls ausschnitthaft wiedergegeben werden; damit ist explizit nicht die unaus-<br />

weichliche Unvollständigkeit einer Arbeit wie der vorliegenden gemeint: an mehr als eine Ar-<br />

Teniers, Jan Brueghel y Los Gabinetes de Pinturas.(Museo del Prado) Madrid, 1992; Zirka Zaremba Filipczak:<br />

Picturing Art in Antwerp 1550 - 1700. Princeton, N.J., 1987; S. Speth-Holterhoff: Les Peintres Flamands de Cabinet<br />

d’Amateur au XVIIe Siècle. Brüssel, 1957; Matthias Winner: Die Quellen der Pictura-Allegorien in gemalten<br />

Bildergalerien des 17. Jahrhunderts zu Antwerpen. (Dissertation) Köln, 1957 (Typoskript); Theodor von Frimmel,:<br />

Gemalte Galerien. (Kleine Galeriestudien, III. Lieferung.) Bamberg, 1893.<br />

Arbeiten zu anderen Bildtypen - außer Atelierbesuchen, auf die noch gesondert einzugehen sein wird -, sprich zu<br />

Ausstellungs-, Museums- oder auch Auktionsdarstellungen gibt es, soweit ich sehe, kaum. Eine der wenigen<br />

Ausnahmen ist G.F. Koch: “Das Ausstellungsbild in der französischen Malerei und Graphik des 17. und 18.<br />

Jahrhunderts”, in: Sitzungsberichte der Kunstgeschichtlichen Gesellschaft zu Berlin. Nr. 4/1955-56. S. 17 - 21.<br />

13 Elizabeth Honig: “The beholder as work of art: A study in the location of value in seventeenth-century Flemish<br />

painting”, in: Nederlands Kunsthistorisch Jaarboek. 1995, Deel 46. S. 277.<br />

14 Es mag auch plastische Umsetzungen des Themas geben, doch ist mir bisher nichts dergleichen begegnet.<br />

15 Schließlich geht es um die Rezeption ihres Mediums.<br />

13


ondierung durch die Literatur ist nicht gedacht. 16<br />

Es soll vornehmlich erzählende Literatur zu Wort kommen. Doch natürlich sind in die<br />

Recherche auch andere Textsorten einbezogen, sofern sie Informationen zum Verhalten des<br />

Publikums, seinem Geschmack oder seiner Zusammensetzung versprechen. Gemeint sind<br />

beispielsweise Reisebeschreibungen 17 - die bisweilen recht anekdotisch gehalten sind -,<br />

Reiseführer oder Kunstkritiken und zudem auch einiges auf den ersten Blick vielleicht we-<br />

niger naheliegende wie etwa Neickels »Museographia«, eine Anleitung zum Anlegen einer<br />

Kunst- und Wunderkammer, die aber in den Anmerkungen mit einem knapp vierseitigen<br />

Katalog von Verhaltensregeln für den Besuch von Sammlungen aufwartet. 18<br />

Der Hauptteil dieser Arbeit ist weitgehend chronologisch aufgebaut und berücksichtigt die<br />

Zeit von ca. 1600 bis ca. 1900. 19 Grundsätzlich beschäftigt sich jedes der drei Kapitel mit einem<br />

Jahrhundert. Eine solche Einteilung in Jahrhunderte hat den Vorteil, daß parallele Ent-<br />

wicklungen deutlicher hervortreten als bei einer Betrachtung der einzelnen Orte der Kunst-<br />

wahrnehmung über den gesamten abzudeckenden Zeitraum hinweg. Um eine gewisse An-<br />

schaulichkeit zu erreichen, lassen sich den Jahrhunderten - wenn auch nur mit Vereinfa-<br />

chungen - nach Maßgabe der gefundenen Darstellungen ‘Leitinstitutionen’ oder ’Leitorte’ zu-<br />

ordnen. Für das 17. Jahrhundert ist das die Sammlung, insbesondere die bürgerliche. Sie<br />

16 Es sei aber verwiesen auf einige Sammlungen literarischer Museumsbesuche und ekphrastischer Texte: Menschen<br />

im Museum. Eine Sammlung von Geschichten und Bildern. Gefunden u. hrsg. v. Christoph Stölzl. Berlin, 1997. Der<br />

Blick des Dichters. Antike Kunst in der Weltliteratur. Hrsg. u. kommentiert v. Detlev Wanagat. Darmstadt, 1997.<br />

Die Welt der Museen. Literarische Besuche in den Museen der Welt. Hrsg. v. Joachim Rönneper. Frankfurt; Leipzig,<br />

1993. “Dossier: Sonderbare Museumsbesuche” [zusammengest. u. kommentiert v. Walter Grasskamp], in: Jahresring.<br />

Jahrbuch für moderne Kunst. 36. 1989. S. 151 - 206. Gedichte auf Bilder. Anthologie und Galerie. Hrsg. v. Gisbert<br />

Kranz. München, 1975.<br />

In diesem Zusammenhang vgl. auch Heffernan, James A. W.: Museum of words: the poetics of ekphrasis from Homer<br />

to Ashberry. Chicago; London, 1993. Kranz, Gisbert: Meisterwerke in Bildgedichten: Rezeption von Kunst in der<br />

Poesie. Frankfurt a. M., 1986.Kranz, Gisbert: Das Bildgedicht in Europa. Zur Theorie und Geschichte einer literarischen<br />

Gattung. Paderborn, 1973.<br />

17 Zu Reisebeshreibungen vgl. etwa:Der Reisebericht. Die Entwicklung einer Gattung in der deutschen Literatur.<br />

Hrsg. v. Peter J. Brenner. Frankfurt a. M., 1989. Michael Wiemer: Der “Gentleman” und die Kunst. Studien zum Kunsturteil<br />

des englischen Publikums in Tagebuchaufzeichnungen des 17. Jahrhunderts. (Studien zur Kunstgeschichte; 41)<br />

Hildesheim u.a., 1986. Gertrud Kalb: Bildungsreise und literarischer Reisebericht. Studien zur englischen Reiseliteratur<br />

(1700-1850). (Erlanger Beiträge zur Sprach- und Kunstwissenschaft; Bd. 67) Nürnberg, 1981. Reisen und<br />

Reisebeschreibungen im 18. und 19. Jahrhundert als Quellen der Kulturbeziehungsforschung. Hrsg. v. B. I. Krasnobaev.<br />

(Studien zur Geschichte der Kulturbeziehungen in Mittel- und Osteuropa; 6) Berlin, 1980.<br />

18 C. F. Neickel: “Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum oder<br />

Raritäten-Kammern […].” Leipzig u. Breslau, 1727. Daß es sich dabei nicht, wie man vielleicht annehmen könnte,<br />

um so etwas wie den Entwurf einer Hausordnung für eine evtl. nach Neickels Anleitung angelegte Sammlung handelt,<br />

macht etwa Punkt 8 deutlich, in dem daran erinnert wird, wie nützlich es sei “in der Zeichenkunst etwas exerciret”(S.<br />

455) zu sein, um Skizzen von ausgesuchten Stücken anfertigen zu können.<br />

19 Während sich im ersten Kapitel noch eine relativ strikte Chronologie durchhalten läßt - im 17. beschränken<br />

sie sich größtenteils auf Antwerpen -, scheint das in den folgenden Kapiteln problematischer. Verschiedene Stränge,<br />

d. h. Orte der Kunstbetrachtung, sind nun gut zu unterscheiden und entwickeln eigene Besonderheiten. So erscheint<br />

es sinnvoller, weil mehr Übersichtlichkeit versprechend, die einzelnen Stränge als ‘Einheit’ zu behandeln,<br />

innerhalb derer dann allerdings wieder chronologisch vorzugehen ist.<br />

14


scheint in dieser Zeit zusammen mit der fürstlichen der wichtigste Ort der ästhetischen Wahr-<br />

nehmung von Bildern und Skulpturen und des Austauschs darüber zu sein.<br />

Im Verlauf des 18. Jahrhunderts gewinnen dann Ausstellungen, besonders die der Aka-<br />

demien, an Bedeutung. Vor allem in Paris werden sie zu gesellschaftlichen Großereignissen,<br />

die ein breites Publikum anziehen und zulassen. Die im Entstehen begriffene Kunstkritik<br />

wird durch sie befördert und vergrößert ihrerseits das Interesse an ihnen. Darstellungen des<br />

Pariser Salons und ähnlicher Veranstaltungen finden sich in größerer Anzahl allerdings erst<br />

in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts. Vorher begegnet man vor allem Varianten der gemal-<br />

ten Galerien und Darstellungen des Kunsthandels.<br />

Dem 19. Jahrhundert wird das Museum als ‘Leitinstitution’ zugeordnet, trotz der großen<br />

Rolle, die die Akademieausstellungen und überhaupt das - geradezu hypertrophierende - Aus-<br />

stellungswesen weiterhin spielen. Während die Ausstellung vornehmlich ein Phänomen der<br />

größeren Städte bleibt, reicht das Museum als auf Dauer ausgerichteter Ort der Geschichte, der<br />

national- oder auch lokalpatriotische Gefühle weckt, bis in die Provinz. Insbesondere die<br />

Rolle des spätestens seit der Öffnung des Louvre in den 1790er Jahren bestehenden Anspruchs<br />

auf das Museum als Bildungsstätte für alle Schichten der Bevölkerung ist nicht zu unter-<br />

schätzen. Hinzu kommt aber auch die schiere Zahl an neugegründeten Museen in diesem<br />

Jahrhundert. Allein in Frankreich ist sie gewaltig; existierten dort im Jahr 1801 doch “[…]<br />

qu’une quinzaine de musée, alors qu’il y en aura près de six cents un siècle plus tard. Le XIX<br />

siècle devait bel et bien être «le temps des musées».” 20<br />

Natürlich bleiben die Kapitel nicht auf die ‘Leitinstitutionen’ beschränkt. Grundsätzlich<br />

werden alle Typen von Darstellungen, die dem jeweiligen Jahrhundert sinnvoll zuzuordnen<br />

sind, berücksichtigt. Also beispielsweise solche von Kunstbetrachtern in und vor Kunsthand-<br />

lungen, in Auktionshäusern oder auf Straßen und Plätzen - etwa bei Festtagsausstellungen.<br />

Darstellungen, die sich unter der Bezeichnung ‘Atelierbesuch’ zusammenfassen lassen, wer-<br />

den nur vereinzelt Eingang finden, in erster Linie dann, wenn es bei dem Besuch um die Be-<br />

urteilung mehr oder weniger vollendeter Kunstwerke geht und nicht um den Gestaltungspro-<br />

zeß, das Beiwohnen beim Schaffensakt, die Person des Künstlers oder einen bürgerlich sehn-<br />

suchtsvollen Blick auf das ‘exotische’, scheinbar so freie, unkonventionelle Leben der Bo-<br />

hème.<br />

20 Chantal Georgel: “Premiers muséums, premiers hommes: la formation initiale des collections”, in: La Jeunesse<br />

des Musées. Les musées de France aux XIXe siècle. Sous la direction de Chantal Georgel (Ausst.-Kat. Musée d’Orsay,<br />

Paris 1994). Paris, 1994. (S. 19 - 35) S. 19.<br />

15


Bevor nun die einzelnen Kapitel folgen, ist noch ein Blick auf den nicht ganz unproble-<br />

matischen Begriff des Kunstbetrachters sowie auf eine Reihe von vereinzelten Beispielen aus<br />

dem 15. und 16. Jahrhundert zu werfen.<br />

Der Begriff des Kunstbetrachters drängt einem gewissermaßen die Frage auf, wann man<br />

von den dargestellten Betrachtern als Kunstbetrachtern sprechen kann. Das ist nicht allein ein<br />

Problem der Darstellungen, die diesbezüglich nicht unbedingt eindeutig sind. 21 Es ist viel-<br />

mehr so, daß dieser Punkt nicht losgelöst von der allgemeineren Frage behandelt werden<br />

kann, ab wann Gegenstände, die heute als Kunstwerke gelten - zumindest auch - unter<br />

ästhetischen Aspekten betrachtet wurden, nicht ‘nur’ als Kultobjekte in religiösem oder als<br />

Kostbarkeiten in rein materiellem Sinne.<br />

Natürlich wird das ‘ab wann’ auch hier nicht eindeutig zu beantworten sein, selbst wenn<br />

man sich auf den Übergang von einem religiösen zu einem ästhetischen Interesse an den<br />

‘Kunstwerken’ an der Schwelle zwischen Mittelalter und Neuzeit beschränkt. 22 Zwar ist eine<br />

deutliche Verschiebung vom Kult zur Kunst hin zu erkennen, doch es kommt zu Überlap-<br />

pungen - teilweise bis heute -, 23 da die beiden Haltungen einander nicht unbedingt aus-<br />

schließen. 24 In diesem Zusammenhang ist auch zu prüfen, inwieweit die gemalten ‘Betrach-<br />

ter’ ihrerseits zur genaueren zeitlichen Bestimmung dieses Übergangs beitragen können.<br />

Als entscheidender Schritt auf dem Weg zu einer ästhetischen Wertschätzung von<br />

‘Kunstwerken’ ist in Hans Beltings »Bild und Kult« die Verbreitung des privaten Andachts-<br />

bildes am Ausgang des Mittelalters auszumachen. 25 Die ”[…]alte Distanz, die das heilige Bild<br />

21 So ist z. B. einer mit einem profanen Bild beschäftigten Person sicher ohne Zögern ein nicht-religiöses Interesse<br />

daran zuzuschreiben, doch das bedeutet nicht, daß es sich notwendigerweise um ein ästhetisches handelt, es kann<br />

ebensogut ein materielles oder auch ein, sagen wir, memoratives Interesse sein. Beispiele zu einem memorativen<br />

Interesse an einer geliebten oder verstorbenen Person finden sich etwa bei Mario Praz: Conversation Pieces. A Survey<br />

of the Informal Group Portrait in Europe and America. London, 1972. S. 213ff.<br />

22 Der Komplex der Sammeltätigkeit der Antike und Spätantike soll hier ausgespart bleiben. Dazu siehe etwa<br />

Germain Bazin: The Museum Age. (”L’art témoin” Series) Brüssel; London: o.J. [franz. Version v. 1967]. S. 11 - 26.<br />

23 Bisweilen kann man auch in Museen erleben, wie einige, meist ältere Besucher etwa vor Madonnendarstellungen<br />

niederknien und beten.<br />

24 Strenggenommen erlaubte selbst das Portrait eines in religiöser Verzückung gezeigten ’Betrachters’ nicht, dem<br />

Portraitierten zu unterstellen, daß ihm eine ästhetische Haltung - womöglich zu ein und demselben ’Kunstwerk’ -<br />

grundsätzlich fremd oder unmöglich sei; obwohl man sich doch fragen müßte, warum sich jemand so darstellen<br />

lassen sollte, wenn nicht einer demonstrativ religiösen Motivation folgend, und damit je nach Kontext vielleicht<br />

auch einer demonstrativ nicht-ästhetischen.<br />

25 Hans Belting: Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst. Unveränderter<br />

Nachdruck der 2. Aufl. v. 1991. München, 1993. Schon Jakob Burckhardt nennt die “Hausandachtsbilder” im Zusammenhang<br />

mit der neuzeitlichen (Wieder-) Entstehung des Kunstsammelns, einer Tätigkeit also, die gemeinhin<br />

mit einem ästhetischen Interesse in Verbindung gebracht wird (Jakob Burckhardt: Beiträge zur Kunstgeschichte von<br />

Italien. Die Sammler.(Gesamausgabe, 12) Stuttgart, 1930. S. 299f). Sixten Ringboms Einwand bezüglich des von<br />

Burckhardt gesetzten zeitlichen Rahmens muß wohl auf einem Mißverständnis beruhen. Denn Burckhardt führt<br />

selbst gemalte Beispiele - “[…] einzelne Tafeln und Triptychen aus abendländischen Bürgershäusern […]” (ibid.<br />

S.300) - aus dem 14. Jahrhundert an. Das Florenz des 15. Jahrhunderts nennt er nur im Zusammenhang mit “der<br />

Plastik” (ibid. S.299). (Sixten Ringbom: Icon to Narrative. The Rise of the dramatic Close-up in fifteenth-century<br />

devotional Painting. (Erstausgabe Åbo, 1965) Second Editon, revised and augmented with a Postscript 1983. Doornspijk,<br />

1984. S. 32 u. S. 36)<br />

16


islang vom trennte […]”, wird ”[…] unterlaufen […]” 26 und es entwickelt sich eine ge-<br />

wisse, wenn auch begrenzte ”[…] Verfügbarkeit des Bildinhalts für die Wünsche des<br />

Betrachters […]” 27 . Nachdem es zu Anfang wohl nicht um die Andersartigkeit, sondern eher<br />

um den Besitz und das Vorhandensein der Bilder im eigenen Umfeld ging, beginnt der Ge-<br />

brauch von Privatbildern sich mit der Zeit gewissermaßen zu verselbständigen - zunächst vor<br />

allem in höfischen Kreisen.<br />

”Man sammelte und tauschte Preziosen, die zwar als Andachtsbilder und Gebetbücher legitimiert<br />

waren, aber ihre eigentliche Funktion im Warenwert und als Repräsentationszweck fanden. Wenn<br />

man sie auch als Instrumente der Frömmigkeit ernst nahm, so legte man auf ihre Ästhetik und ihre<br />

ikonographische Exzentrik doch einen größeren Wert. Der private Geschmack, der auf Neuerungen<br />

süchtig war, wurde zum Maßstab einer Produktion, die im übrigen vom Wettbewerb der Sammler und<br />

Mäzene gesteuert wurde.” 28<br />

Hier sind auch die druckgraphischen Vervielfältigungsverfahren Holzschnitt und Kupfer-<br />

stich zu nennen, die durch ihre geringen Produktionskosten nicht nur das private An-<br />

dachtsbild für die weniger wohlhabenden Schichten erschließen, sondern vor allem die In-<br />

novationsfreudigkeit der Künstler befördern.<br />

“Der Kupferstich wurde bald zu einer Gelegenheit, technische Virtuosität und thematische<br />

Erfindungsgabe zur Schau zu stellen, womit er auch für die Oberschicht attraktiv wurde. Das neue<br />

Medium räumte den Produzenten Freiheit von Konventionen oder Zunftzwängen ein, weil es nicht an<br />

das Dekorum der Tafelmalerei gebunden war, mit der es in Wettbewerb trat. Der Kupferstich entwickelte<br />

so einen eigenen ästhetischen Reiz und wurde nicht als Derivat von anderen Bildmedien,<br />

sondern als raffinierte Alternative empfunden. Ein geschultes Auge mag gerade in seiner technischen<br />

Eigenart die Freisetzung des künstlerischen Stils zu einem autonomen Wert empfunden haben. Aber es<br />

wurde auch durch das erweiterte Repertoire gefesselt, mit dem die beiden Technikendes Bilddrucks<br />

brillierten.” 29<br />

Was die genauere zeitliche Bestimmung der Entstehung eines Kunstwertes anbelangt, so<br />

ist man, wie meist in einer solchen Anfangsphase, auf sehr vereinzelte Anhaltspunkte an-<br />

gewiesen. Das früheste und wohl auch einzige Beispiel Beltings, das bezüglich dieser Fra-<br />

gestellung die genauere Betrachtung lohnt, ist Boticellis (1444/5 - 1510) Portrait des Giovanni<br />

Medici (1467 - 1498), das, ausgehend von Geburtsjahr und Aussehen des Dargestellten, wohl<br />

nicht vor den Anfang der 80er Jahre zu datieren ist (ABB. E 10). 30<br />

26 Hans Belting: Bild und Kult ... (siehe Anm. 25). S. 458. bedeutet hier wohl soviel wie Volk Gottes und<br />

hat nichts mit Klassen zu tun.<br />

27 Ibid., S. 459.<br />

28 Ibid., S. 474.<br />

29 Ibid., S. 475.<br />

30 Metropolitan Museum of Art, New York.<br />

17


”Giovanni Medici präsentiert sich uns als Kunstsammler, indem er das Fragment eines alten Andachts-<br />

oder Altarbilds, das man am historischen Stil erkennen kann, in seinem neuen Rahmen als<br />

Sammelobjekt vorzeigt. Vielleicht stellt es seinen Namenspatron dar, was aber an der Aussage wenig<br />

ändert. Es ist bezeichnend, daß der Besitzer das Trecento-Bild in einen Tondorahmen fassen ließ, denn<br />

dieser hatte sich im privaten Andachtsbild der höfischen Kreise um 1400 durchgesetzt.” 31<br />

Folgt man Belting, hat man es hier, wenn auch nicht explizit mit einem Kunstbetrachter,<br />

so doch mit einem Kunstsammler zu tun, einer Person also, der sicher ein ästhetisches Inter-<br />

esse an dem von ihm gezeigten Werk und an Kunstwerken im allgemeinen zuzuschreiben<br />

ist. Es stellt sich allerdings die Frage, ob der in der zitierten Passage vorgebrachte Einwand, daß<br />

es sich bei dem Bild-im-Bild um eine Darstellung von Giovannis Namenspatron handeln<br />

könne, tatsächlich so wenig an der Aussage ändert wie behauptet. Sollte es der Namenspatron<br />

sein, wäre das zwar nicht notwendiger- aber doch möglicherweise ein Argument gegen die<br />

Deutung als Kunstsammler. Es könnte schlicht ein Hinweis auf die Identität des Portraitierten<br />

sein, daran änderte dann auch der Tondorahmen nichts, der sich, wie Belting selbst sagt, “[…]<br />

im privaten Andachtsbild […]” 32 , also in einem - zumindest zunächst noch - religiösen Kon-<br />

text durchgesetzt hatte. Indessen wäre es ein gutes Argument für Beltings Standpunkt, wenn<br />

es sich nicht um Giovannis Namenspatron oder sonst einen mit den Geschicken der Medici<br />

in Verbindung zu bringenden Heiligen handelte. Denn welchen Grund sollte das Vorzeigen<br />

des Gemäldes dann haben, wenn nicht den, sich dadurch als Kunstsammler zu präsentieren.<br />

Einen zeitlichen Schritt zurück und zugleich einen hinaus aus der Sphäre der Privatbilder<br />

führen die Innenseiten der Simon Marmion (um 1430 - 1489) zugeschriebenen Flügel des<br />

Altars der Abteikirche St.-Bertin zu St.-Omer (ABB. E 20 u. E 30). 33 Sie zeigen den Stifter<br />

Guillaume Fillastre und einige Begebenheiten aus dem Leben des Klostergründers Bertin (ca.<br />

615 - 698). Wichtig sind hier vornehmlich die Personen im Hintergrund des von links aus ge-<br />

sehen zweiten und dritten Kompartiments des rechten Flügels (ABB. E 20a u. E 20b), die als<br />

einzige, wie es scheint, nicht mit der Vita des Heiligen in Zusammenhang zu bringen sind.<br />

Ihre Kleidung kennzeichnet sie als Adelige. Zumindest zwei von ihnen betrachten den an<br />

den Wänden des Kreuzganges dargestellten Totentanz. Laut Wolfgang Kemp trifft das auch<br />

auf einen Dritten zu, der leger an eine Säule gelehnt sitzt und “[…] mit Muße und Abstand die<br />

Wandbilder durch die Arkaden hindurch[…]” 34 besieht. Das ist zwar nicht ausgeschlossen,<br />

31 Hans Belting: Bild und Kult ... (siehe Anm. 25) S. 471.<br />

32 Ibid., S. 471.<br />

33 1453 - 59. Holz. Staatliche Museen-Preußischer Kulturbesitz (SMPK), Gemäldegalerie, Berlin. Zur Zuschreibungsdiskussion<br />

und zum Altar in seiner Gesamtheit siehe etwa Rainald Grosshans: “Simon Marmion: Das Retabel<br />

von Saint-Bertin zu Saint-Omer. zur Rekonstruktion und Entstehungsgeschichte des Altars”, in: Jahrbuch der<br />

Berliner Museen. NF 33/1991. S. 63 - 98.<br />

34 Wolfgang Kemp: “Die Kunst des Schweigens”, in: Laokoon und kein Ende: der Wettstreit der Künste. Herausgegeben<br />

v. Thomas Koebner. München, 1989. S. 101.<br />

18


doch ist es wenigstens ebenso gut möglich, daß dieser Dritte in den Himmel blickt oder ein-<br />

fach in die Leere starrt. Hinzu kommt seine Haltung, die ihm etwas Beiläufiges und verson-<br />

nen Melancholisches gibt. Im Gegensatz dazu beschäftigen sich die beiden zuerst erwähnten<br />

Personen im linken Teil des Kreuzganges sehr aufmerksam mit dem Totentanz. Die Rücken-<br />

figur weist in recht geschraubter Haltung zur Wand und hat den Kopf leicht ihrem Begleiter<br />

zugewandt, wohl um diesem etwas zu erläutern. Jedenfalls erwecken sie nicht im geringsten<br />

den Eindruck, als sinnten sie angesichts der Darstellung etwa über ihre eigene Vergänglichkeit<br />

nach.<br />

Es ist verlockend hierin die höfische Kultur zu sehen, wie sie ihre an den Privatbildern<br />

ausgebildeten ästhetischen Kriterien auch auf die alten, mehr oder weniger öffentlichen Kult-<br />

bilder überträgt. Für diese Deutung spricht die Person des Stifters. Denn Fillastre, Abt von St.-<br />

Bertin - in commendam -, Bischof von Toul, vorher von Verdun, später von Tournai und<br />

Kanzler des Ordens vom Goldenen Vlies war nicht nur treuer und einflußreicher Gefolgs-<br />

mann Philipps des Guten, er war vor allem “[…] well-known as a patron of the visual arts, and<br />

as a sophisticated and well-traveled connoisseur.” 35<br />

Ebenfalls gestützt wird die Deutung der Personen im Kreuzgang als Kunstbetrachter -<br />

gleichgültig, ob nun zweier oder dreier - durch den Umstand, daß ihnen in einer Szene des<br />

linken Flügels ein ‘Betrachter’ gegenübergestellt wird (ABB. E 30a), dem wohl eindeutig an der<br />

religiösen Funktion von ‘Kunst’ gelegen ist. Nach Grosshans ist dort der Hl. Bertin “[…] zu se-<br />

hen, wie er angesichts des Altares betend unter dem Lettner kniet[…]” 36 - wobei die Identität<br />

der Person allenfalls zweitrangig ist. Die Verbindung dieser Szenen auf den beiden Flügeln<br />

wird dadurch bekräftigt, daß in ihrem Vordergrund jeweils eine Abkehr von weltlichem<br />

Leben dargestellt ist, auf dem linken Flügel die Einkleidung Bertins, auf dem rechten einmal<br />

der Ritter Waldbert, der nach einer wundersamen Heilung durch den Hl. Bertin mit seinem<br />

Sohn ins Kloster eintritt, und einmal der bretonische Edelmann Winnoc, wie er mit seinen<br />

drei Brüdern in den Orden aufgenommen wird.<br />

Es wäre zu überlegen, ob diese Zuordnung des profanen Umgangs mit den ‘bisherigen’<br />

Kultbildern und des geradezu müßiggängerischen Gebarens zu Szenen der Entsagung von der<br />

Welt nicht eine gewisse moralische Abwertung ersterer bedeutet; allerdings wohl keine allzu<br />

starke, denn dagegen spricht die Person des Stifters Fillastre mit ihrem - sicher nicht ganz<br />

uneitlen - Sinn für die Kunst.<br />

Wolfgang Kemp bezeichnet die Schilderung der Personen im Kreuzgang als “[…] das erste<br />

35 Edith Warren Hoffmann: “A Reconstruction and Reinterpretation of Guillaume Fillastre’s Altarpiece of St.<br />

Bertin”, in: The Art Bulletin. LX/1978/ No. 4. S. 639. Zu Fillastre siehe auch Joseph du Teil: Un amateur d’art au<br />

XVe siècle, Guillaume Fillastre. Evêque de Tournai, Abbé de Saint-Bertin, Chancelier de la Toison d’or. Paris, 1920.<br />

36 Rainald Grosshans: “Simon Marmion: Das Retabel von Saint-Bertin ... (siehe Anm. 33). S. 81.<br />

19


ildliche Zeugnis […], das Betrachter von Kunstwerken zeigt.” 37 Es ist jedoch zumindest noch<br />

ein älteres Beispiel anzuführen. Gemeint ist eine Miniatur aus der Cité-des-Dames -Werkstatt,<br />

die auf kurz nach 1410 datiert wird (ABB. E 40). Sie stammt aus einem Manuskript von<br />

Christine de Pisans »Livre de la Mutacion de Fortune « und stellt die Ich-Erzählerin Christine<br />

vor, wie sie die Wandmalereien in einem eher schlichten Raum betrachtet. 38 Die entsprechen-<br />

de Textstelle, in der die Anwesenheit der Erzählerin am Ort des ‘Geschehens’ nur impliziert<br />

wird, 39 macht deutlich, daß es sich um profane Darstellungen handelt.<br />

Der gezeigte Raum, der zu Beginn des vierten Teils der Mutacion beschrieben wird, be-<br />

findet sich im Schloß Fortunas. An seinen Wänden wird das Wirken der Hausherrin anhand<br />

von Darstellungen der Taten berühmter und berüchtigter Fürsten veranschaulicht. Ein reli-<br />

giöses Interesse Christines daran ist also auszuschließen. Ob das aber gleichbedeutend mit<br />

einem ästhetischen Interesse ist, ist kaum zu entscheiden. Doch unter der Voraussetzung, daß<br />

man das poetische Ich mit der Autorin gleichsetzt, wofür etwa die “[…] häufige Verwendung<br />

der Formel «Je, Christine» […]” 40 in Pisans gesamten Werk spricht, ist die Tatsache, daß sie die<br />

Illustration ihrer Bücher überwachte - man ihr also wohl einen gewissen Sinn für handwerk-<br />

liche und künstlerische Belange unterstellen kann - als ein Indiz zu werten, das diese These<br />

stützt. Man mag einwenden, daß dadurch, daß diese Szene an einem nur in der Fiktion mögli-<br />

chen Ort, dem Schloß Fortunas, ‘spielt’, ihre Aussagekraft für die Realität der Zeit Christines<br />

geschwächt wird. Der entscheidende Punkt aber ist, daß überhaupt eine Person bei der<br />

Betrachtung profaner Bilder gedacht und dargestellt wird. 41<br />

VEREINZELTE BEISPIELE IM 16. JAHRHUNDERT. Das früheste Bildbeispiel des 16. Jahrhunderts,<br />

das sich bei den Recherchen zu dieser Arbeit fand, ist ein Holzschnitt von Hans Burgkmair<br />

d.Ä. (1473 - 1531) (ABB. E 45). 42 Er ist Teil einer ganzen Reihe von Illustrationen, auch anderer<br />

Künstler, aus dem »Weißkunig«, sozusagen einer Autobiographie Kaiser Maximilians I., die<br />

etwa um 1516 abgeschlossen wurde.<br />

Das Blatt zeigt Maximilian in der »Werkstatt des Künstlers«. Allerdings ist das kein Herr-<br />

37 Wolfgang Kemp: “Die Kunst des Schweigens”... (siehe Anm. 34). S. 100.<br />

38 Bayrische Staatsbibliothek, München. Ms. gall. 11 [Mutacion de Fortune ], fol. 53.<br />

Erste Exemplare der Handschrift wurden schon 1404 dem Herzog von Burgund und dem Herzog von Berry überreicht.<br />

Dazu siehe Bärbel Zühlke: Christine de Pizan in Text und Bild: zur Selbstdarstellung einer frühhumanistischen<br />

Intellektuellen. Stuttgart; Weimar, 1994. S. 21.<br />

39 Es handelt sich zwar um eines der wenigen Beispiele im Zusammenhang mit der Ikonographie des Kunstbetrachters,<br />

bei denen man einem Bild eindeutig einen Text zuordnen kann, aber bezeichnenderweise wird das durch<br />

die äußeren Umstände und nicht durch eine besonders weitgehende Überstimmung von Text und Bild ermöglicht.<br />

40 Bärbel Zühlke: Christine de Pizan in Text und Bild... (siehe Anm. 38). S. 202.<br />

41 Ebenso wie die frühe Entstehungszeit macht der Umstand, daß es sich um eine einzelne Person und darüberhinaus<br />

um eine Frau handelt, die Darstellung zu einer Besonderheit in der Geschichte des hier untersuchten Motivs.<br />

42 22 x 19,7 cm.<br />

20


scherbesuch im Atelier wie er in der »Naturkunde« des Plinius geschildert wird, bei dem<br />

Apelles es wagen kann, Alexander dem Großen, als dieser “[…] ohne Kenntnis über vielerlei<br />

sprach […]”, zu raten, “[…] stille zu sein, indem er ihm sagte, daß die Knaben, welche die Far-<br />

ben rieben, über ihn lachen würden.” 43 Auch unterhält er sich nicht fachkundig mit dem<br />

Maler oder gibt einem Gefolge bzw. Gästen Erläuterungen zu einem Werk. Der Herrscher gibt<br />

dem Maler - eher ausführender Handwerker als freier Künstler - Anweisungen, denen der<br />

genauestens zu folgen bemüht ist. Im Text, den die Illustration begleitet, steht passend - in<br />

einer recht seltsamen Aufzählung - der Weißkunig habe “[…] vil maler, mechtige und ge-<br />

waltige heer gefuerdt […/ meine Hervorhebung]” 44 . Es klingt darüberhinaus an, daß letztlich er der<br />

eigentliche Schöpfer oder zumindest Anreger so manchen Kunstwerks sei. So heißt es, nach-<br />

dem dargelegt worden ist, wie es dazu kam, daß der Weißkunig das Malen lernte, wie fleißig<br />

er dabei war und als wie nützlich er es erkannte:<br />

“[…] ain jeder, der umb dise sachen weiß, wirdt selbs bewegen, was Ich in dem nit offenbar, Er hat auch<br />

die grossen kinstler der Malerey, und schnitzerey underhalden, und vil kunstliche werckh malen und<br />

sneiden lassen, die in der welt, in seiner gedächtnus, aber mit verkerten namen beleiben werden.” 45<br />

Der erste Eindruck dieses Holzschnitts trügt also, denn ein Kunstbetrachter soll hier wohl<br />

eigentlich nicht gezeigt werden.<br />

In einer Zeichnung Pieter Brueghels d.Ä. (ca. 1525/30 - 1569) ist ein gänzlich anders<br />

geartetes Verhältnis zwischen »Maler und Kenner« wiedergegeben (ABB. E 50). 46 Das Blatt<br />

zeigt nichts außer den beiden Halbfiguren eines Malers und eines Interessenten aus bür-<br />

gerlichen Kreisen, der dem Künstler über die Schulter schaut. Der Maler ist ein wenig von<br />

seinem Gemälde, das wohl jenseits des linken Bildrands zu denken ist, zurückgetreten. Mit<br />

wirrer Haartracht und einem groben Pinsel in der Rechten blickt er nachdenklich auf sein<br />

Werk. Der ‘Kenner’ hinter ihm kneift trotz seiner Brille die Augen zusammen, um so das<br />

Bild richtig oder zumindest besser sehen zu können. Die Brille ist hier nicht mehr Zeichen<br />

43 C. Plinius Secundus d. Ä.: Naturkunde. Lateinisch - deutsch. Buch XXXV: Farben, Malerei, Plastik. Hrsg. u.<br />

übers. v. Roderich König in. Zusammenarb. m. G. Winkler. Darmstadt, 1978. 85 - 86, S. 69.<br />

44 Maximilian : Der weiss Kunig: e. Erzehlung von d. Thaten Kaiser Maximilian<br />

d. 1./Von Marx Treitzsaurwein auf dessen Angeben zusammengetragen, nebst d. von. Hannsen Burgmair dazu<br />

verfertigten Holzschn. Hrsg. aus de. Ms. d. Kaiserl.-Königl. Hofbibliothek. Neudr. d. Ausg. Wien, Kurzböck, 1775/<br />

mit e. Kommentar u.e. Bildkatalog von Christa- Maria Dreissinger. Weinheim, 1985. S. 75.<br />

45 Ibid. Hierzu vgl. auch Matthias Winner: Die Quellen der Pictura-Allegorien in gemalten Bildergalerien des 17.<br />

Jahrhunderts zu Antwerpen. (Diss.) Köln, 1957. (TS) S. 97.<br />

46 Um 1565, Feder in Bister, 25 x 21,6 cm, Graphische Sammlung Albertina, Wien. Siehe etwa Carl Gustav Stridbeck:<br />

Bruegelstudien. Untersuchungen zu den ikonologischen Problemen bei Pieter Bruegel d. Ä. sowie dessen Beziehungen<br />

zum niederländischen Romanismus. Stockholm, 1956. S. 15 - 22; Pieter Brueghel the Elder - Drawings and<br />

Prints. (Ausst., 2001: Metropolitan Museum of Art, New York; Museum Boijmans van Beuningen, Rotterdam) Catalogue<br />

by Nadine Orenstein et al. New York; Rotterdam, 2001.<br />

21


von Gelehrsamkeit, wenigstens keiner weitblickenden, sondern von einer Blindheit im über-<br />

tragenen Sinne, ein Indiz dafür wie es um die Kennerschaft des Besuchers bestellt ist. 47 Immer-<br />

hin erkennt er so viel, daß er den Geldbeutel an seinem Gürtel ergriffen hat, wohl um den<br />

Inhalt vor seinem aufkeimenden Begehren zu schützen.<br />

Brueghels Maler nimmt keine rechte Notiz von diesem etwas faden und lippenlosen<br />

‘Kunstfreund’, wie er auch zuweilen genannt wird. Selbst um den potentiellen Käufer in ihm<br />

bemüht er sich nicht. Brueghel zeigt hier einen von seiner Arbeit bestimmten, selbstbe-<br />

wußten Maler im Gegensatz zu seiner lächerlichen, vielleicht ein wenig lästigen, aber wohl<br />

notwendigen Kundschaft.<br />

Im Vergleich dazu zeichnet Vasari (1511 - 1574)in seinem florentiner Domizil, der Casa<br />

Vasari , ein recht wohlwollendes Bild vom Publikum. Dort findet sich unter den Fresken der<br />

Sala delle Arti eine der relativ seltenen Darstellungen von »Apelles und der Schuster« (ABB.<br />

E 60). 48 Sie entstand etwa zwischen 1569 und 1573 und geht zurück auf eine Anekdote aus der<br />

»Naturkunde « des Plinius, in der folgendes berichtet wird:<br />

“Seine vollendeten Werke stellte er [Apelles] im Vorbau seines Hauses für die Vorübergehenden aus<br />

und hörte, hinter der Tafel verborgen, die Fehler, die man anführte, wobei er das Volk als einen<br />

sorgfältigeren Richter betrachtete als sich selbst. Man berichtet, ein Schuster habe getadelt, daß er<br />

an den Schuhen auf der Innenseite eine Öse zu wenig angebracht habe; als dieser aber am nächsten<br />

Tage, übermütig durch die Verbesserung des vorher genannten Fehlers, etwas am Bein bekrittelte, soll<br />

Apelles, darüber aufgebracht, hervorgesehen und gesagt haben, der Schuster solle bei seinem Leisten<br />

bleiben [...]”. 49<br />

Vasari beschränkt sich auf den ersten Teil der Episode und somit auf jenes Urteil des<br />

Handwerkers, das der Maler als gerechtfertigt annimmt. Rechts steht Apelles hinter einem<br />

Gemälde verborgen und hört mit einer Geste nachdenklichen Schweigens, was der Schuster<br />

daran zu bemängeln hat. Der kniet vor dem Bild, befindet sich also in einer Haltung, die für<br />

eine besonders interessierte oder auf Details ausgerichtete Betrachtung steht. Mit umge-<br />

wendetem Kopf blickt er zu einem bärtigen Alten empor und bekräftigt seinen Einwand,<br />

indem er nach vorne auf einen Schuh der gemalten Diana weist. Auch wenn der Alte dem<br />

Schuster zu widersprechen scheint, ist er doch wohl vornehmlich als ein Anlaß zu sehen, der<br />

47 Zur Bedeutung der Brille siehe Heinz-Herbert Mann: Augenglas und Perspektiv. Studien zur Ikonographie<br />

zweier Bildmotive. Berlin, 1992.<br />

48 Pigler nennt außer der Version von Vasari noch sechs weitere, je eine von Frans I. Francken (1542 - 1616), Frans II.<br />

Francken (1581 - 1642), Christoph Maurer (Anf. 17. Jh.), Johann Jakob von Sandrart, (1655 - 1698), Johannes Esaias<br />

Nilson (1721 - 1788) und Christian Bernhard Rode (1725 - 1797). A. Pigler: Barockthemen. Eine Auswahl von Verzeichnissen<br />

zur Ikonographie des 17. und 18. Jahrhunderts. Zweite, erw. Auflage. Budapest, 1974. Bd. II, S. 369. Es<br />

handelt sich um eines der wenigen Themen aus antiken Quellen im Zusammenhang mit Kunstbetrachtern, die malerisch<br />

umgesetzt wurden. Zur Casa Vasari in Florenz siehe Hans-Peter Schwarz: Das Künstlerhaus. Anmerkungen zur<br />

Sozialgeschichte des Genies. (Diss. Marburg, 1982) Braunschweig, 1990. S. 194ff.<br />

49 C. Plinius Secundus d. Ä.: Naturkunde. ... (siehe Anm. 13) 84 - 85, S. 67.<br />

22


es erlaubt, daß der Schuster seine Kritik in Worte faßt. Denn nur so kann Apelles ihrer in<br />

seinem Versteck gewahr werden.<br />

Die Rolle der beiden Figuren am linken Bildrand bleibt rätselhaft. Sicher, sie schließen die<br />

Komposition ab und dienen gleichsam als ein Echo des Schusters, so wiederholt die vordere<br />

Figur den ins verlorene Profil gewendeten Kopf und die hintere den zeigenden Arm. Aber<br />

etwa als interessierte Betrachter, die nur warten, näher an das Bild herantreten zu können,<br />

überzeugen sie nicht. Der eine schaut nach links aus dem Bild, der andere weist zwar in<br />

Richtung des Dianagemäldes, doch seine Augen sind niedergeschlagen. Auch als Ausdruck<br />

von Spott oder Verachtung gegenüber dem Schuster, wie etwa in einem Bild gleichen The-<br />

mas von Frans II Francken zu finden, 50 leuchten ihre Gesten nicht ein. Denn es handelt sich<br />

ja um jenen Einwand, den Apelles mit einer Korrektur und nicht mit Schelte beantwortet.<br />

Vasari arbeitete in einer Stadt, die sich bezüglich des Kunsturteils keineswegs bedeckt hielt.<br />

“Der Umfang, in dem sich im Cinquecento florentinische Laien zu Fragen der Kunst äußerten, forderte<br />

zu Stellungnahmen heraus. Kunstdiskussionen fanden auf allen sozialen Ebenen statt; dem »popolo«,<br />

dem Mann auf der Straße, bescheinigt Vincenzo Borghini ein gutes Auge und eine scharfe Zunge […].” 51<br />

Dennoch schließt Vasari sich nicht den Teilen der Künstlerschaft an, von denen “[…] die Be-<br />

rechtigung des Laienurteils grundsätzlich in Frage gestellt […]” 52 wird. Er setzt mit dieser Dar-<br />

stellung das Urteil eines Laien als legitime Äußerung ins Bild. Er tut das nicht im Rahmen<br />

eines Auftrags, sondern in seinem eigenen Haus, innerhalb eines Bildprogramms, das Fredrika<br />

Jacobs als “Vasari’s Vision of the History of Painting” bezeichnet. 53<br />

Möglicherweise folgt er damit Alberti, der 1436 in seinem Traktat über die Malerei, Della<br />

Pittura, schreibt, Apelles habe durch seine Vorgehensweise, sich hinter dem Bild zu ver-<br />

stecken, erreicht “[…] that each one could more freely criticize it and […] that he could hear<br />

their honest opinions:” Und er fährt fort:<br />

“Thus he heard how each one blamed or praised. Hence I wish our painter openly to demand and to<br />

hear each one who judges him. This will be most useful to him in acquiring pleasentness. […] There-<br />

50 Gemäldegalerie, Kassel. (ABB. E 61)<br />

Laut Fredrika Jacobs, “Most critics in the 17th century, such as Christoph Merer [Maurer] and Frans Franken,<br />

regarded the cobbler’s remarks as representative of pervasive ignorance and prejudice.” Fredrika H. Jacobs: “Vasari’s<br />

Vision of the History of Painting: Frescoes in the Casa Vasari, Florence”, in: The Art Bulletin. LXVI/1984. S.<br />

412, Anm. 81.<br />

51 Thomas Frangenberg: Der Betrachter: Studien zur florentinischen Kunstliteratur des 16. Jahrhunderts. Berlin,<br />

1990. S. 44.<br />

52 Ibid., S. 46.<br />

53 Fredrika H. Jacobs: “Vasari’s Vision of the History of Painting: ... (siehe Anm. 50).<br />

23


fore, hear each one, but first of all have everything well thought out and well thrashed out with<br />

yourself. When you have heard each one, believe the most expert.” 54<br />

Auch Alberti läßt den zweiten Teil der Apelles-Geschichte unerwähnt, doch im letzten<br />

Satz des Zitats wird deutlich, daß er Kritik durchaus als unterschiedlich fundiert betrachtet. Al-<br />

lerdings bleibt die Frage offen, wen Alberti überhaupt als mögliche Kritiker ansah oder besser<br />

aus welchen Schichten sie zu stammen hatten, um akzeptabel zu sein.<br />

Außer in Ateliers bzw. deren nächster Umgebung, wie bei Vasari, finden sich im 16. Jahr-<br />

hundert auch bereits einige gemalte oder gezeichnete Betrachter in Sammlungen. Eine Zeich-<br />

nung aus dem römischen Skizzenbuch des Francisco da Hollanda (1517/8 - 1583) beispiels-<br />

weise zeigt eine Statue der Melpomene in Kardinal Riarios Palazzo S. Giorgio (ABB. E 70). 55<br />

Die Muse, die zu dieser Zeit womöglich noch für Minerva oder Ops gehalten wurde, 56 ist<br />

unter einem Rundbogen aufgestellt. Die beiden Personen links und rechts von ihr sind sehr<br />

dicht an sie herangetreten und blicken, den Kopf im Nacken, an ihr empor. Sie sind deutlich<br />

in die symmetrische Komposition des Hochformats eingepaßt, ihr untergeordnet. Sie ver-<br />

stärken vornehmlich die Wirkung des eigentlichen Bildgegenstandes, der Kolossalskulptur.<br />

Zwar sind sie als Betrachter motiviert, doch bestimmend bleibt ihre Funktion als Maßstabs-<br />

figur.<br />

Ähnlich wie da Hollanda geht Hendrick Goltzius (1558 - 1617) u. a. in seinem Kupferstich<br />

»Der Herkules Farnese« vor (ABB. E 80). 57 Er rückt den Betrachterstandpunkt nah an die<br />

Skulptur heran und blendet ihre Umgebung in der Sammlung Farnese aus, zeigt sie also<br />

ohne ihren Ort. Dabei verfällt auch Goltzius hier nicht in die verbreitete Darstellungsvari-<br />

ante, den gezeichneten Gegenstand vor einem monochromen Hintergrund völlig zu iso-<br />

lieren. Anders als bei da Hollanda jedoch sind die Proportionsfiguren hier auf zwei Brust-<br />

bilder zu Füßen des Herkules reduziert. Dadurch, aber vor allem durch die starke Untersicht<br />

auf den Rücken des Heroen, wird die Monumentalität der Skulptur beträchtlich gesteigert.<br />

54 Leon Battista Alberti: On Painting. Translated with Introduction and Notes by John R. Spencer. Rev. Edition.<br />

New Haven; London, 1966. S. 97/8 (Ende des dritten Buches).<br />

55 Ca. 1539. Bibliothek des Escorial.<br />

56 Phyllis Pray Bober; Ruth Rubinstein: Renaissance Artists & Antique Sculpture. A Handbook of Sources. London;<br />

Oxford; New York, 1986. S. 79.<br />

57 ca. 1592. Hamburger Kunsthalle, Inv. Nr. 31151. Zwar erschien der Stich erst 1617 posthum als Teil einer unvollendeten<br />

Folge, doch E. K. J. Reznicek geht, u. a. aufgrund des Stichstils, davon aus, daß die drei Blätter schon bald<br />

nach Goltzius Rückkehr aus Italien 1591 entstanden. (Ders.: Die Zeichnungen von Hendrick Goltzius. Mit einem<br />

beschreibenden Katalog. Utrecht, 1961. S. 419.) Die Aufschrift “HG 1600” auf der Vorzeichnung zu den beiden Kunstbetrachtern,<br />

die auf den Herkuleszeichnungen fehlen, hält er für eine Hinzufügung von anderer Hand, möglicherweise<br />

des Sammlers C. Ploos van Amstel.<br />

Vergleichbare, als Kunstbetrachter motivierte Maßstabsfiguren finden sich noch in weiteren Darstellungen von<br />

Goltzius (vgl. etwa Reznicek K 217 und K 238/ ABB. E 81 u. E 82).<br />

24


Auch bei Goltzius steht die dienende Funktion der - sozusagen mit Sinn gefüllten - Maß-<br />

stabsfiguren im Vordergrund. Allerdings werden sie in gewisser Weise gerade durch diese<br />

‘Unterordnung’ interessant. Denn eben die sorgt dafür, daß sie als Kunstbetrachter als etwas<br />

Beiläufiges und ganz Gewöhnliches erscheinen.<br />

Eine vergleichbare Einschätzung läßt ein in Brüssel befindliches Gemälde von Hendrick III<br />

van Cleve (1525 - 1589) zu, das einen Blick auf die Anlagen des Vatikanspalastes wiedergibt.<br />

Links, im Cortile der Belvedere-Villa und dem vorgelagerten Garten sind eine ganze Reihe<br />

von Personen dargestellt, die zwischen den dort präsentierten antiken Skulpturen umher-<br />

wandeln bzw. stehengeblieben sind, um die eine oder andere genauer zu studieren (ABB. E 90<br />

u. E 90a). 58 Während es im hinteren Hof vor allem einzelne Personen und Paare sind, ist<br />

vorne im Garten eine größere Gruppe auszumachen. Es ist nicht klar, ob es sich dabei um<br />

Gäste oder ein Gefolge der beiden Kardinäle handelt oder einfach um eine Ansammlung<br />

Neugieriger, die verfolgen, wie einer der Kardinäle und ein Laie mit großen Gesten über eine<br />

Drachenskulptur disputieren.<br />

Die umherwandelnden Kunstbetrachter sind nicht besonders hervorgehoben gegenüber<br />

den Figuren anderer, eher genrehafter Szenen, wie etwa dem über die Mauer gebeugten<br />

Schweizer, der mit einem Mann im tieferliegenden Garten spricht, oder der ebendort anschei-<br />

nend Fallobst aufsammelnden Person - alle drei am rechten Rand des Ausschnitts. Das, zu-<br />

sammen mit der relativ geringen Größe der Figuren, die die Gartenanlagen wohl vor allem be-<br />

leben sollen, erweckt auch hier den Anschein als seien Kunstbetrachter nichts Außergewöhn-<br />

liches mehr, vielleicht bereits etwas Alltägliches.<br />

Ein ähnliches Bild findet sich auch in van Cleves Ansicht der gut besuchten Gartenanlagen<br />

des Kardinal Cesi, die eine Vielzahl antiker Gegenstände, wie Skulpturen, Amphoren und<br />

Sarkophage beherbergen (ABB. E 100). 59 Es stellt sich allerdings die Frage, ob der in diesen<br />

58 Datiert auf 1589. Holz, 55,5 x 101,5 cm. Koninklijke Musea voor Schone Kunsten van België, Brüssel, Inv. Nr.<br />

6904. Außer dieser sind noch drei vergleichbare Ansichten des Vatikanspalstes bekannt, die nach Bert W. Meijer<br />

vermutlich ebenfalls aus den 80er Jahren stammen (B. W. Meijer: “Hendrick III van Cleef”, in: Fiamminghi a Roma<br />

1508 - 1608. Kunstenaars uit de Nederlanden en het Prinsbisdom Luik te Rome tijdens de Renaissance. (Paleis voor<br />

Schone Kunsten, Brussel; Palazzo delle Esposizioni, Rome) Brussel; Gent, 1995. S. 136f.) Für das Stück aus der Berner<br />

Abegg-Stiftung wurde ein anderer Blickwinkel gewählt, der den Cortile etwas vernachlässigt. Die beiden Varianten<br />

in der Slg. Frits Lugt (Fondation Custodia) und der Slg. F. de Montigny (Antwerpen) weisen im Vergleich<br />

dazu nur einige kleinere Unterschiede auf. Dazu siehe auchVicomte Terlinden: “Une Vue de Rome, par Hendrik van<br />

Cleve”, in: Musées Royaux des Beaux-Arts Bulletin. 9/1960. S. 165 - 174. Ders.: “Nouvelles »Vues de Rome« par<br />

Hendrik van Cleve”, in: Musées Royaux des Beaux-Arts Bulletin. 10/1961. S. 101 - 104.)<br />

59 Holz, 61,5 x 107cm. Národni Galerie, Prag. Die Tafel wird nicht ganz eindeutig datiert. Bert W. Meijer (vgl.<br />

Anm. 28) plädiert, wohl aufgrund der Nähe zu den Ansichten des Vatikanspalastes, auf die 80er Jahre. (Marjon van<br />

der Meulen meint das Datum 1584 entziffern zu können (M. v. d. Meulen: “Cardinal Cesi’s Antique Sculpture Garden:<br />

Notes on a Painting by Hendrick van Cleef III”, in: The Burlington Magazine. Vol. CXVI/ 1974, S. 14 - 24 (S. 17).)<br />

und in der Bildunterschrift in Verzamelen. Van Rariteitenkabinett ... (siehe Anm. 1 / S. 169, Tafel 41) ist ohne<br />

weiteren Kommentar das Jahr 1564 angegeben. Handelt es sich hier womöglich nur um einen Druckfehler? Germain<br />

Bazin schreibt: “This painting, dated 1589, was based on a drawing executed in Rome about 1550-1555.” (ders.: The<br />

Museum Age. Brüssel; London: o.J. [1967?]. S.49.) Leider macht er keine weiteren Angaben zu der Gestaltung, der<br />

Ausführlichkeit oder wenigstens dem Aufbewahrungsort dieses Blattes. Es wäre interessant zu erfahren, ob das<br />

25


Bildern vermittelte Eindruck tatsächlich den Verhältnissen im zeitgenössischen Rom oder<br />

nur den Vorstellungen der Fiamminghi entsprach. 60 Zumindest für Künstler und Gelehrte<br />

waren im 16. Jahrhundert eine Reihe römischer Sammlungen zugänglich. So schreibt Olmi:<br />

“De meeste collecties oudheden van de kardinalen werden bewust als openbare verzamelingen<br />

gepresenteerd en waren toegankelijk voor kunstenaars en geleerden voor studie en onderzoek. Zij<br />

fungeerden, zoals de collectie van kardinaal Alessandro Farnese in de tweede helft van de zestiende<br />

eeuw, als een ‘openbare school’ […]” 61<br />

Maerten van Heemskerck etwa besuchte zwischen 1532 und 1536 mehrfach die Sammlung<br />

des Kardinal Cesi. 62 Auch Ulisse Aldrovandis »Delle Statue Antiche« wäre anders wohl kaum<br />

denkbar, 63 denn diese Schrift des später als Naturforscher bekannt gewordenen Bolognesers,<br />

die erstmals 1556 in Venedig im Anhang von Lucio Mauros »Le antiche della città di Roma«<br />

publiziert wurde, liefert nicht nur “[…] a complete catalogue of the statuary in private and<br />

public collections [in Rom]”, sondern zudem teilweise recht detaillierte Beschreibungen der<br />

Skulpturen und ihrer Aufstellung, die so wohl nur nach einer direkten Anschauung möglich<br />

waren. 64<br />

Darüberhinaus aber war, wie Coffin in seinem Aufsatz zum ‘Lex Hortorum’ darlegt, zu-<br />

mindest der Zugang zu den Gartenanlagen Roms und folglich auch zu den darin aufgestellten<br />

Skulpturen seit dem 16. Jahrhundert nicht nur Gelehrten und Künstlern, sondern einer brei-<br />

teren Öffentlichkeit gestattet - 65 womöglich haben auch van Heemskerck und Aldrovandi<br />

Personal in der Zeichnung - falls Bazin überhaupt eine bestimmte im Sinn hatte - zumindest ansatzweise vorgebildet<br />

ist oder ob es erst später hinzugefügt wurde.<br />

60 Francisco da Hollanda kann man allerdings trotz seines Namens nicht zu den Fiamminghi rechnen. Denn er<br />

wurde als Sohn des aus Holland stammenden Miniaturisten Antonio da Hollanda in Portugal geboren und dort<br />

erzogen.<br />

61 Giuseppe Olmi: “Italiaanse verzamelingen van de... (siehe Anm. 1). S. 98. Zu den Sammlungen der Kardinäle<br />

vgl. Patricia Falguières: “La Cité Fictive. Les Collections de Cardinaux, à Rome au XVIe Siècle”, in: Les Crrache et<br />

les Décors Profanes. Actes du Colloque organisé par l’École française de Rome (Rome, Oct. 1986). Rom, 1988.<br />

62 Vgl. Marjon van der Meulen: “Cardinal Cesi’s Antique Sculpture Garden... (siehe Anm. 59). S. 18.<br />

63 Ulisses Aldroandi: Delle statue antiche, che per tutta Roma, in diversi luoghi, e case si veggono. Teildr. aus:<br />

Lucio Mauro, Le antichita... Nachdr. d. Ausg. Venedig 1562. Hildesheim; New York, 1975.<br />

64 Marjon van der Meulen: “Cardinal Cesi’s Antique Sculpture Garden... (siehe Anm. 59). S. 18. Inwieweit in diesem<br />

Zusammenhang tatsächlich von einem “complete catalouge” die Rede sein kann, muß hier offen bleiben.<br />

Im Fall Aldrovandis wäre es besonders interessant genauer zu erfahren, unter welchen Umständen er Zutritt zu dem<br />

Sammlungen des Papstes und der Kardinäle erlangte. Denn anscheinend weilte Aldrovandi, wenn auch nicht in<br />

Gewahrsam, so doch nicht ganz freiwillig in Rom. Obwohl er bereits in Bologna “[…] allen Irrlehren feierlich […]”<br />

abgeschworen hatte, sollte er in Rom vor die Inquisition gebracht werden. Christa Riedl-Dorn: Wissenschaft und<br />

Fabelwesen: kritischer Versuch über Conrad Gessner und Ulisse Aldrovandi. Wien; Köln, 1989. S.27.<br />

65 David R. Coffin: “The ‘Lex Hortorum’ and Access to Gardens of Latium During the Renaissance”, in: Journal of<br />

Garden History. 1982, Vol. 2, No. 3. S. 201 - 232.<br />

Im Zusammenhang mit den römischen Antikengärten des 16. Jahrhunderts ist auf Liebenweins Aufsatz “Honesta<br />

Voluptas. Zur Archäologie des Genießens” (, in: Hülle und Fülle. Festschrift für Tilmann Buddensieg. Hrsg. v.<br />

Andreas Beyer u.a. Alfter, 1993. S. 337 - 357.) hinzuweisen. Denn der Autor sieht in diesen Gärten “[…] die Voraussetzung<br />

für die Entstehung des Genusses […]”, eines “[…] lustbetonten, genußvollen Umgang[s] mit antiken Skulpturen,<br />

Reliefs und Inschriften […]” und in der Folge wohl auch überhaupt mit Kunstwerken. “Ohne ein übergreifendes<br />

26


einige Werke nur aufgrund dieser Regelung und nicht aufgrund eines besonderen Ansehens<br />

zu Gesicht bekommen.<br />

Und auch außerhalb Roms finden sich vergleichbare Beispiele: So hinterließ Kardinal<br />

Domenico Grimani der venezianischen Republik 1523 einen Teil seiner Sammlung mit der<br />

Auflage, “[…] dat de voorwerpen in een aan de eeuwige gedachtnis van de kardinaal gewijde<br />

zaal zouden worden opgesteld, waar zij aan ‘deugdzame [of anderszins voortreffelijke] men-<br />

sen’ zouden kunnen worden getoont.” 66 Es bleibt jedoch unklar, wen der Begriff ‘personis vir-<br />

tuosis’ im Verständnis Grimanis einschloß und wie die Stadt Venedig ihn auslegte, die die Ge-<br />

genstände 1525 für kurze Zeit im Dogenpalast ausstellte.<br />

Ein ähnliches Problem ergibt sich im Zusammenhang mit einer Anweisung, die Isabella<br />

d’Este 1514 für die Zeit ihrer Abwesenheit von Mantua erteilte: “Dicemo che quando ci sono<br />

qualche gentilhomini [meine Hervorhebung] che la voliano vedere, debiati pur dare la chiave a<br />

Zoan Jacomo castellano, facendovila poi restituire.” 67 In Anbetracht dessen allerdings, daß zu<br />

Lebzeiten Isabellas eine Vielzahl von Künstlern, Gelehrten und Kunstliebhabern Zutritt zu<br />

ihrer Sammlung erhielten - wenn auch teilweise mit Empfehlungsschreiben-, 68 kann man<br />

wohl davon ausgehen, daß zumindest Vertreter dieser Gruppen in ihrem Verständnis<br />

grundsätzlich zu den gentilhomini gehörten.<br />

Bezugssystem standen diese Findlinge nur für sich und forderten den Betrachter geradezu zwangsläufig heraus, sich<br />

auf die formalen Aspekte des Werks zu konzentrieren. […] Inhaltliche Probleme wurden durch die sinnliche Präsenz<br />

der Stücke zurückgedrängt, das Auge durfte sich ganz an der kunstvolle Ausarbeitung delektieren.” (ibid., S. 341<br />

bzw. 346)<br />

66 Giuseppe Olmi: “Italiaanse verzamelingen van de... (siehe Anm. 1). S. 99.<br />

67 Zitiert nach Clifford M. Brown: “Public Interests and Private Collections: Isabella d’Este’s Appartamento della<br />

Grotta and Its Accessibility to Artists, Scholars and Public Figures”, in: Der Zugang zum Kunstwerk: Schatzkammer,<br />

Salon, Ausstellung, “Museum”. Bd. 4 der Akten des XXV. Internationalen Kongresses für Kunstgeschichte: Wien, 4.-<br />

10. Sept. 1983 / im Auftr. d. Österr. Nationalkomitees d. CIHA hrsg. von Hermann Fillitz u. Martina Pippal. Wien;<br />

Köln; Graz: 1986. (S. 37-41) S. 37/8.<br />

68 Ibid.<br />

27


Kapitel I<br />

Das 17. Jahrhundert


Am Anfang dieses Kapitels, für das die Sammlung als ‘Leitinstitution’ gewählt wurde, er-<br />

scheint es angebracht, sich zunächst mit der Entwicklung des Sammlungswesens und be-<br />

sonders mit dem Wandel der Sammelinteressen zu beschäftigen. Auf diese kurze Einfüh-<br />

rung, die in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts beginnt, folgt die Untersuchung der ge-<br />

malten Galerien, die etwa zwischen 1605 und 1610 in Antwerpen entwickelt und lange Zeit na-<br />

hezu ausschließlich in dieser Stadt produziert wurden. Um den Blick auf das Betrachtermotiv<br />

im 17. Jahrhundert zu vervollständigen, soll die Aufmerksamkeit abschließend noch auf die<br />

sogenannten Atelierbesuche und auf jene - offenbar nur vereinzelt auftauchenden -<br />

Darstellungen von Kunstbetrachtern gerichtet werden, die nicht von in Antwerpen ansässi-<br />

gen oder dort ausgebildeten Meistern stammen.<br />

- i -<br />

SAMMELINTERESSEN<br />

In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts geriet das Sammlungswesen in Bewegung, zu-<br />

nächst in Italien und später auch nördlich der Alpen. Neben den bestehenden kirchlichen<br />

und fürstlichen Schatzkammern entwickelten sich in Gelehrtenkreisen Sammlungen von<br />

Altertümern, wie z. B. antiken Münzen, Gemmen, Portraitbüsten oder Kleinplastiken. Die<br />

Humanisten - wie sie jedoch erst seit dem Ende des 15. Jahrhunderts genannt werden - waren<br />

allerdings weniger an der Kostbarkeit der Materialien oder der Schönheit und künstlerischen<br />

Qualität der Gegenstände als an deren historischen Quellenwert interessiert. Man suchte Be-<br />

züge zu antiken, zum Teil gerade erst wiederentdeckten Texten herzustellen. Giuseppe Olmi<br />

behauptet gar: “Het geschreven woord, de teksten van de klassieke schrijvers, hield de over-<br />

hand op het artefact. Een antiek voorwerp had voor hen [die Humanisten] slechts betekenis<br />

wanneer het zelf in de schriftelijke bronnen vermeld werd […].” 1 Mit Lorenzo Ghiberti und Do-<br />

natello nennt er indessen auch Beispiele für Künstler, die antike Stücke besaßen und die daran<br />

wohl doch vornehmlich die künstlerischen Aspekte geschätzt haben dürften. 2<br />

Im Verlauf des 15. Jahrhunderts fand diese neue Art der Sammlung auch an den Fürsten-<br />

höfen Verbreitung. Die ersten Schritte in Richtung auf eine solche Sammlung mit ihren re-<br />

präsentativen Möglichkeiten werden in vielen Fällen in einer Durchsicht der Schatzkam-<br />

mern und der Aufstellung der für geeignet befundenen Stücke in dafür hergerichteten<br />

1 Giuseppe Olmi: “Italiaanse verzamelingen van de late middeleeuwen tot de zeventiende eeuw”, in: Verzamelen.<br />

Van Rariteitenkabinet tot Kunstmuseum. Redactie Ellinoor Bergvelt et al.. Heerlen, 1993. S. 95.<br />

2 Ibid.<br />

31


Räumlichkeiten bestanden haben. Mit den entsprechenden finanziellen Mitteln und sicher<br />

nicht selten dem Wissen und der Erfahrung der Gelehrten konnten deren Sammlungen dann<br />

schnell überflügelt werden.<br />

Außer den Altertümern traten mit der Zeit auch andere Objekte in das Blickfeld der Samm-<br />

ler oder erschienen ihnen zumindest in neuem Licht. Neben naturalia wie Muscheln, Fos-<br />

silien, Mineralien, Fauna und Flora waren das wissenschaftiche Instrumente, scientifica, und<br />

artificialia, die einen besonderen Seltenheitswert hatten, also etwa exotische Götzenbilder,<br />

Textilien, Schmuck oder chinesisches Porzellan. 3 Zeitgenössische Kunstwerke wurden in<br />

Italien und in Flandern bereits seit der Mitte des 15. Jahrhunderts “[…] erstmals für würdig er-<br />

achtet […], in die Sammlungen aufgenommen zu werden […]”. 4 Diese Mannigfaltigkeit gipfelte<br />

in den seit Julius von Schlosser sogenannten “Kunst- und Wunderkammern” und dem<br />

hochgesteckten Ziel, die Gesamtheit der Welt, den Macrocosmos im Microcosmos der<br />

Sammlung abzubilden. 5 Dabei standen manche Objekte nicht nur für sich selbst, sondern ver-<br />

wiesen gleichzeitig auf andere. So waren einige naturalia in Form von Zeichnungen oder<br />

Gemälden präsent, die aber ihrerseits selbstverständlich zu den Artifizialien gerechnet wer-<br />

den konnten. Auch ein Fernrohr wurde nicht nur als ein erlesenes und in sich schönes<br />

optisches Instrument geschätzt, sondern war natürlich vor allem deshalb von Interesse, weil<br />

man mit ihm sozusagen Dinge von außerhalb, selbst unerreichbare wie die Sterne, in die<br />

Kunstkammer hineinholen konnte. 6<br />

Inwieweit und ab wann die Sammler ihren Eifer auf einzelne Kategorien von Objekten<br />

beschränkten, ist nur im Einzelfall zu sagen. Während sich bis zur zweiten Hälfte des 16.<br />

Jahrhunderts einige sehr spezialisierte Sammlungen entwickelt hatten, gab es sicher auch<br />

solche, die Gegenstände verschiedener Art vereinten, ohne damit jedoch gleich einen enzyklo-<br />

pädischen Anspruch anzustreben. Die Spezialisierung ging wohl nur selten so weit, daß eine<br />

Sammlung gänzlich frei von Stücken anderer Kategorien war. So sind auch in den gemalten<br />

3 Natürlich sind die antiken Stücke ebenfalls den artificialia zuzurechnen. Auch ließe sich ein großer Teil der<br />

angeführten exotischen Objekte als ethnographica bezeichnen.<br />

4 Krzysztof Pomian: “Sammlungen - eine historische Typologie”, in: Macrocosmos in Microcosmo: die Welt in der<br />

Stube; zur Geschichte des Sammelns 1450 - 1800. Hrsg. von Andreas Grote. Opladen, 1994. S. 111.<br />

5 Julius von Schlosser: Die Kunst- und Wunderkammern der Spätrenaissance. Ein Beitrag zur Geschichte des<br />

Sammelwesens. (Leipzig, 1908) 2. durchges. u. vermehrte Ausg.. Braunschweig, 1976. Außerdem siehe: Verzamelen.<br />

Van Rariteitenkabinet tot Kunstmuseum. Redactie Ellinoor Bergvelt et al.. Heerlen, 1993. Macrocosmos in microcosmo:<br />

die Welt in der Stube; zur Geschichte des Sammelns 1450 - 1800. Hrsg. von Andreas Grote. Opladen, 1994.<br />

Zu den Problemen der Systematisierung innerhalb der Kunst- und Wunderkammern und der Einbindung dieser<br />

Sammlungen universellen Anspruchs in die Geistesgeschichte siehe Hans Holländer: “»Denkwürdigkeiten der Welt<br />

oder sogenannte Relationes Curiosae...« Über Kunst und Wunderkammern”, in: Rheydter Jahrbuch für Geschichte,<br />

Kunst und Heimatkunde. 20/1992. S. 51 - 74; und ders.: “Kunst- und Wunderkammern: Konturen eines unvollendbaren<br />

Projektes”, in: Wunderkammer des Abendlandes. Museum und Sammlung im Spiegel der Zeit (Ausst. Kat., Kunst- u.<br />

Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn.) Bonn, 1994. S. 136 - 145.<br />

6 “Fernrohr und Mikroskop waren sozusagen ‘Lesehilfen’ für die Lektüre im Buch der Natur […].” Hans Holländer:<br />

“»Denkwürdigkeiten der Welt ...(siehe Anm. 5). S. 65.<br />

32


Bildergalerien der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts häufig noch einige Muscheln und<br />

antike Stücke wie Skulpturen, Münzen oder Gemmen zu finden. 7 Selbst in einem hochspe-<br />

zialisierten Naturalienkabinett wie dem des Ulisse Aldrovandi befanden sich einige antike<br />

Marmorstatuen. Giuseppe Olmi meint allerdings, “[…] dat hij [Aldrovandi] zich voornamelijk<br />

interesseerde voor het materiaal waaruit ze waren vervaardigd.” 8<br />

Bezüglich des unterschiedlich gelagerten Interesses an den Gegenständen schreibt<br />

Krzysztof Pomian,<br />

“[…] daß die Angehörigen der République des Lettres ihre Sammlungen den Zielen ihrer Studien<br />

unterordnen, während die Höfe und jene, die ihrem Beispiel folgen, die Aufgabe der Sammlung darin<br />

sehen, dem Betrachter angenehm zu sein, dem Auge Vergnügen zu bereiten.” 9<br />

Diese Formulierung vernachlässigt jedoch einige wichtige Punkte. Die Reduktion der hö-<br />

fischen Haltung auf eine ästhetisch-optische Orientierung blendet etwa die im ursprünglichen<br />

Sinn des Wortes faszinierenden, also auch abstoßenenden Launen der Natur, die Mißbil-<br />

dungen aus. Ebenso unterschlägt sie ein mathematisches Interesse an regelmäßigen Struk-<br />

turen einiger naturalia und artificialia. In Pomians Gegenüberstellung erscheint das höfische<br />

Engagement ausschließlich seicht und oberflächlich und das der Gelehrten ausschließlich<br />

sachlich, ernsthaft und geradezu trocken. Damit läßt er wenigstens einen Aspekt außer acht:<br />

“Gemeinsamer Antrieb von Sammlern und Wissenschaftlern ist die Neugierde, die »cu-<br />

riositas«, die auch dem Sensationellen und Spektakulären gilt und die der ästhetischen Verfeinerung<br />

nicht unbedingt bedarf.” 10<br />

Darüberhinaus begeisterten sich auch einige der Fürsten und Höflinge für die ‘ernsthaften’<br />

Ziele der Gelehrten und Wissenschaftler oder betrieben gar eigene Studien und erfreuten an<br />

dem Austausch darüber. Für eine differenziertere Sichtweise seitens der Höfe spricht außer-<br />

dem die Tatsache, daß Gelehrte, Wissenschaftler und Künstler Zutritt zu fürstlichen Samm-<br />

lungen erhielten - selbst wenn eine solche Geste nicht ganz uneigennützig gewesen sein mag,<br />

da sie, ebenso wie womöglich allein schon das Interesse ‘großer Geister’ an der Sammlung,<br />

7 Hierzu siehe auch R. W. Scheller: “Rembrandt en de encyclopedische kunstkamer”, in: Oud Holland.<br />

LXXXIV/1969 (Part 2-3). (S. 81 - 147) S. 110/111. Zwar werden die gemalten Galerien bis auf Ausnahmen nicht mehr<br />

als Sammlungsportraits gesehen, doch besteht kein Zweifel daran, daß diese Bilder eine für ihre Zeit typische<br />

oder zumindest ideale Zusammensetzung einer solchen Sammlung wiedergeben.<br />

8 Giuseppe Olmi: “Italiaanse verzamelingen van de... (siehe Anm. 1). S. 107 .<br />

9 Krzysztof Pomian: “Sammlungen - eine historische Typologie”... (siehe Anm. 4). S. 114. Im Anschluß sagt er<br />

explizit, daß diese Unterscheidung nicht nur im Bezug auf Altertümer und Kunstwerke, sondern auch im Bezug auf<br />

naturalia gelte.<br />

Zu diesen widerstreitenden Positionen bezüglich des Umgangs mit Kunstwerken - oder allgemeiner Sammlungsstücken<br />

-, ihrer Entwicklung vom 14. bis ins 16. Jahrhundert und ihrer Zusammenführung vgl. Wolfgang Liebenwein:<br />

“Honesta Voluptas. Zur Archäologie des Genießens”, in: Hülle und Fülle. Festschrift für Tilmann Buddensieg. Hrsg.<br />

v. Andreas Beyer u.a. Alfter, 1993. S. 337 - 357.<br />

10 Hans Holländer: “Kunst- und Wunderkammern: Konturen ...(siehe Anm. 5). S. 138.<br />

33


einen gewissen Prestigegewinn und wachsende Bekanntheit für den jeweiligen Besitzer ver-<br />

sprach. Ähnliches galt sicher für diejenigen Sammler, die sich an den Höfen orientierten, also<br />

das Patriziat und in Grenzen auch das einfachere Bürgertum, wie etwa aufstrebende Kaufleute<br />

und Handwerker, auf die der Sammeleifer im Verlauf des 16. Jahrhunderts übergriff. 11<br />

- ii -<br />

ANTWERPEN UND DIE GEMALTEN GALERIEN<br />

Darstellungen von Kunstbetrachtern sind in einer deutlichen Häufung erstmals zu Beginn<br />

des 17. Jahrhunderts auszumachen und zwar in Antwerpen. In dieser Stadt entstehen die so-<br />

genannten gemalten Galerien und sie wurden bis weit in das Jahrhundert hinein nahezu<br />

ausschließlich dort produziert; darüberhinaus stammen die wenigen Ausnahmen meist von<br />

Malern, die aus Antwerpen kamen oder zumindest teilweise dort ausgebildet worden wa-<br />

ren. 12<br />

Bei diesen Bildern handelt es sich, entgegen naheliegender Vermutungen, offenbar nur<br />

selten um Darstellungen bestimmter Sammlungen. Davon zeugen etwa die großen Ähnlich-<br />

keiten, die einige Galerieinterieurs untereinander aufweisen, nicht nur in der Gesamtanlage<br />

der Räume, sondern zuweilen bis hin zu Personal, Details der Dekoration und identischen<br />

Bildern-im-Bild. Zudem spricht die historisierende Kleidung mancher Besucher oder der<br />

Umstand, daß in einigen Beispielen längst verstorbene Gelehrte auftauchen, für eine allgemei-<br />

nere Bedeutung. Auch wenn nicht grundsätzlich auszuschließen ist, daß die eine oder andere<br />

Figur das Bildnis eines bislang nur noch nicht identifizierten Zeitgenossen darstellt, so ge-<br />

winnt man doch nur selten den Eindruck, eine bestimmte Person sei als der Hausherr, sprich<br />

als der Besitzer der geschilderten Sammlung hervorgehoben. Es ist davon auszugehen, daß<br />

die gemalten Galerien in der Mehrzahl nicht Sammlungsportraits sind, sondern sozusagen<br />

Idealbilder einer Sammlung und eines sinnvollen, das heißt, vor allem zu Anfang des Jahr-<br />

hunderts, oft auch gottgefälligen Umgangs mit den darin präsentierten Stücken.<br />

Obwohl sich das noch spärliche Personal der frühen Beispiele zuweilen mit Globen und<br />

Büchern und nicht mit Malerei oder Skulpturen beschäftigt, liegt auch hier der Schwerpunkt<br />

der dargestellten Sammlungsgegestände schon deutlich auf Gemälden, 13 besonders der Ant-<br />

11 Ibid., S. 113.<br />

12 Das einzige mir bekannte Beipiel, das man nicht ohne weiteres mit Antwerpen in Verbindung bringen kann, ist<br />

das Frontispiz zu »Le Cabinet de M. R de Scudéry« (Paris, 1646) von François Chauveau.<br />

13 Justus Müller Hofstede geht davon aus, daß diese Beschäftigung der Gelehrten mit wissenschaftlichen Büchern<br />

und Geräten in malo zu deuten ist, ganz im Gegensatz zur Auseinandersetzung mit der Malerei, die zum “[…] höheren<br />

Erkenntnisinstrument und Organ der “Imitatio Christi” erhoben und nobilitiert” (S. 257) werde (Ders.: “ ‘Non Satura<br />

34


werpener Schule. Zuweilen sind die Bilder-im-Bild bis heute bekannte und erhaltene Stücke,<br />

vornehmlich aber anscheinend solche, die ‘nur’ in der jeweils typischen Manier eines der<br />

‘kanonisierten’ Antwerpener Meister gemalt sind. 14 Daß diese herausragende Rolle der einhei-<br />

mischen Künstler nicht allein deren Wunschvorstellungen entsprach, sondern in etwa die tat-<br />

sächlichen Verhältnisse wiedergibt, zeigt eine Analyse von Antwerpener Inventaren aus der<br />

Zeit zwischen 1550 und 1650. 15<br />

Was sind nun die Umstände, unter denen dieser Bildtyp entstand? Bis zur Mitte des 16.<br />

Jahrhunderts war Antwerpen zu einer der erfolgreichsten Handelsmetropolen nördlich der<br />

Alpen geworden. 16 Es war zudem “[…] the undisputed center for the production and distri-<br />

bution of artwork in the Southern Netherlands and exported art to most of the known<br />

world.[…] the Antwerp art market had undergone a profound transformation and impressive<br />

expansion both in scope and importance.” Hier fanden sich “[…] many well-organized proto-<br />

industrial workshops that produced directly for the market […]”, 17 und damit zahlreiche Ge-<br />

mälde und überhaupt Kunstgegenstände, die entstanden waren, ohne daß es einen be-<br />

stimmten Auftraggeber für sie gab.<br />

Doch der Aufstand der niederländischen Provinzen gegen die Spanier, die unterschied-<br />

lichst motivierten Aktionen und Reaktionen und schließlich die Belagerung und Rücker-<br />

oberung der Stadt durch spanische Truppen unter Alessandro Farnese 1584/5 hatten einen<br />

Rückgang der Bevölkerung auf weniger als die Hälfte des ‘Bestandes’ der 1560er Jahre und<br />

einen gravierenden, nicht nur wirtschaftlichen Bedeutungsverlust zur Folge gehabt. Obschon<br />

Antwerpen seine ehemalige Vorrangstellung nicht mehr einnehmen konnte, gehörte es -<br />

tur Visu’- Zur ‘Allegorie des Gesichts’ von Peter Paul Rubens und Jan Brueghel d.Ä.”, in: WORT und BILD in der<br />

niederländischen Kunst und Literatur des 16. und 17. Jahrunderts. Hrsg. v. H. Vekeman und J. Müller Hofstede.<br />

Erftstadt, 1984. (S. 243 - 289) S. 255 - 259.) Die Deutung der Wissenschaft in malo allerdings hat Ursula Härting<br />

mehrfach überzeugend widerlegt, z. B. in Ursula Härting: “>doctrina et pietas


trotz der Scheldeblockade - bald abermals zu den reichsten Städten Europas und wurde erneut<br />

zu einem Zentrum des international orientierten Kunsthandels. 18<br />

Eine wichtige Vorraussetzung dafür war sicherlich, daß die Kunstproduktion wieder er-<br />

starkte. Diese Entwicklung wurde zunächst - als indirekte Auswirkung des Bildersturms -<br />

durch ein Dekret Alessandro Farneses angestoßen, das “[…] jede eroberte Stadt verpflichtete,<br />

ihre Kirchen instand zu setzen […] .” 19 Richtig in Gang aber kam sie erst als das überaus kunst-<br />

interessierte Erzherzogenpaar Albert und Isabella am Ende des Jahrhunderts die Regierungsge-<br />

schäfte in den südlichen Niederlanden übernahm. Vermeylen schreibt in diesem Zusammen-<br />

hang vom<br />

“[…] take-off of a period of very substantial investments in works of art which were conceived in the<br />

context of the Counter-Reformation. A massive campaign was launched to repair or replace unsuitable<br />

or damaged paintings, altarpieces, sculpture, etc. in the spirit of the new triumphant church. As a<br />

result, there was enough demand for works of art to encourage young new talent to settle and develop<br />

in the city.” 20<br />

Erste bürgerliche Sammlungen waren in Antwerpen schon um die Mitte des 16. Jahrhun-<br />

derts - deutlich vor dem Aufstand - angelegt worden. 21 Indessen ist anzunehmen, daß derlei<br />

Aktivitäten erst nach einer gewissen Stabilisierungsphase in größerem Umfang wiederbelebt<br />

18 Vgl. J. Briels: “Amator Pictoriae Artis. De Antwerpse kunstverzamelaar Peeter Stevens (1590-1668) en zijn<br />

Constkamer”, in: Jaarboek van het Koninklijk Museum voor Schone Kunsten, Antwerpen. 1980. (S. 137 - 202) S. 139f.<br />

F. Vermeylens Darstellung ist im Hinblick auf die Situation Antwerpens zweifellos detaillierter, sie konzentriert<br />

sich aber auf das 16. Jahrhundert und endet im Jahr 1609. Ders.: Painting for the Market... (siehe Anm.). Zum niederländischen<br />

Aufstand allgemein siehe etwa Michael North: Die Geschichte der Niederlande. München, 1997. S. 22 -<br />

36.<br />

19 Ursula Härting: Frans Francken der Jüngere (1581 - 1642): Die Gemälde mit kritischem Œuvrekatalog. Freren,<br />

1989. S. 13. (im folgenden “Härting 89” abgekürzt)<br />

Vermeylen schränkt das ein wenig ein: “However, since many corporations had close to no funds left after years of<br />

crisis and countless artist had left the city, the rebuilding program got under way with much delay. For instance,<br />

the Guild of Saint Luke could not afford to fund a new altar until 1602 […], and other corporations had to be satisfied<br />

with a shared altar. Nevertheless, this program of restoration of the altars provided one of the very few substantial<br />

opportunities for commissions during this time of crisis.” F. Vermeylen: Painting for the Market... (siehe<br />

Anm. 16). S. 113f.<br />

20 Ibid., S. 114.<br />

Bezüglich des Antwerpener Kunstmarktes spricht Vermeylen von “major changes”, aber er wird nur wenig konkret,<br />

von “new modi for the marketing of art” und “increasing professionalization and internationalization” (ibid., S.<br />

118) ist die Rede. Der einzig greifbare Umstand, den er nennt, ist der Niedergang oder genauer die fehlschlagende<br />

Wiederbelebung des schilderspand und der Institution der panden überhaupt - einer Art Großmärkte, die seit der<br />

Mitte des 16. Jahrhunderts ganzjährig geöffnet waren und die Vermeylen für jene Zeit ansieht als “[…] integral and<br />

crucial element of the Antwerp commercial infrastructure […]” (ibid., S. 20) und damit auch als Grundvoraussetzung<br />

für den damaligen wirtschaftlichen Erfolg der Stadt.<br />

21 Jaap van der Veen: “Galerij en kabinet, vorst en burger. Schilderijencollecties in de Nederlanden”, in:<br />

Verzamelen. Van Rariteitenkabinet tot Kunstmuseum. Redactie Ellinoor Bergvelt et al.. Heerlen, 1993. (S. 145 -<br />

164.) S. 149.<br />

Vgl. auch Vermeylen, bei ihm heißt es etwa: “Antwerp did not harbour a court, but the lack of royal patronage was<br />

greatly compensated for by the presence of a wealthy art-loving elite that owned impressive art collections.<br />

Indeed, probate inventories show that the bourgeoisie procured large amount of works of art to adorn their homes. In<br />

the case of Antwerp and to a lesser extent in other cities in the Southern Netherlands.” F. Vermeylen: Painting for<br />

the Market... (siehe Anm. 16). S. 147f.<br />

36


wurden. Jedenfalls kann man zu Beginn des 17. Jahrhunderts von einer ausgeprägten Sammeltätigkeit<br />

in Antwerpen ausgehen. 22<br />

“Why Antwerp?”, so formuliert Filipczak die Frage, die sich im Zusammenhang mit<br />

diesem Bildtyp geradezu unweigerlich aufdrängt, 23 denn es ist eine Sache, daß er hier entsteht,<br />

eine ganz andere aber, daß seine Produktion und Entwicklung auch anschließend noch so<br />

lange Zeit weitgehend auf diese Stadt bzw. von dort stammende Maler beschränkt bleibt.<br />

Filipczaks Antwort darauf erscheint durchaus plausibel, doch sie bleibt spekulativ, und sie<br />

muß es wohl bleiben, da man bei einer derartigen Frage kaum mehr tun kann, als ein in der<br />

jeweiligen Hinsicht förderliches gesellschaftliches und geistiges Klima zu umreißen. Sie<br />

schreibt:<br />

“The genre could thrive only in an environment in which there was considerable production of cabinetsized<br />

paintings of ‘contemparary’ life, strong professional consciousness on the part of artists, and<br />

extensive study and collecting of art by non-artists. Few cities matched Antwerp in having this<br />

combination. Furthermore, the genre not only served the occasional desire of nobility to celebrate<br />

their articstic holdings, but also met the needs of burghers who aspired to aristocratic status - and<br />

Antwerp, in contrast to Holland, had many such aspirants from the very beginning of the century. The<br />

social climate of Antwerp thus proved particularly conducive to the development of gallery pictures,<br />

which justified the existing interest in painting on intellectual grounds while they associated the<br />

activity of both artist and art viewers with a gentlemanly mode of life.” 24<br />

DER INVENTOR UND SEINE MÖGLICHEN VORBILDER. Als ‘Erfinder’ der gemalten Galerien kann<br />

Frans II Francken (1581 - 1642) angesehen werden. 25 Die ersten erhaltenen Beispiele von 1610<br />

bzw. 1612 (ABB. I 110 - I 112) hält Ursula Härting für so weit ausgereift, daß sie frühere<br />

Formulierungen - nach 1605 - für wahrscheinlich hält. 26<br />

22 Dazu siehe Jeffrey M. Muller: “Private Collections in the Spanish Netherlands: Ownership and Display of<br />

Paintings in Domestic Interiors”, in: The Age of Rubens ([Ausstellungskatalog] Museum of Fine Arts, Boston; Toledo<br />

Museum of Art). Peter C. Sutton (with the collaboration of Marjorie E. Wieseman et al.). Boston, 1993. S. 195 - 206.<br />

23 Zirka Zaremba Filipczak: Picturing Art in Antwerp 1550 - 1700. Princeton, N.J., 1987. S. 72.<br />

24 Ibid.<br />

25 Ursula Härting: “>doctrina et pietas< ... (siehe Anm. 13). S. 98. Das früheste, mit Datum versehene Gemälde<br />

dieser Art ist von 1612 und stammt von Frans II (ABB. I 110). Ebenso wie das Bild aus der Slg. de Lande-Long (ABB. I<br />

111 ) datiert Härting mittlerweile das Stück aus der Galleria Borghese in Rom (ABB. I 112) auf die Zeit um 1610.<br />

(Dies.: “Gemälde im Gemälde. Galeriebilder, gemalte Kunstkammern und Sammlungsporträts”, in: Weltkunst.<br />

(Teil I)1994/H. 4. (S. 448 - 450; (Teil II) 1994/H. 14. S. 1945 - 1947.) S. 449) Die bekanntere Visus-Allegorie des Prado<br />

von Jan I Brueghel (1528 - 1625) und Rubens (1577 - 1640) hingegen entstand nicht vor 1617/8 (ABB. I 113). Selbst<br />

wenn sich die von Härting angezweifelte Mitarbeit Brueghels an Blumen und Tieren auf dem Stück von 1612 bestätigen<br />

sollte, spricht die Tatsache, daß Francken die Entwicklung des Bildtyps in den folgenden Jahren vorantreibt,<br />

während Brueghel erst später - außer der Visus-Allegorie von 1617/8 wird ihm in Teilen auch ein in der Walters<br />

Art Gallery in Baltimore befindliches Galerieinterieur von Hieronymus II Francken (ABB. I 190) zugeschrieben<br />

- darauf ‘zurückkommt’, deutlich für Frans II als inventor (vgl. U. Härting: Studien zur Kabinettbildmalerei des<br />

Frans Francken II. 1581 - 1642. Ein repräsentativer Werkkatalog. Hildesheim; Zürich; New York, 1983. S. 90/1. (im<br />

folgenden “Härting 83” abgekürzt)) .<br />

26 Ursula Härting: “>doctrina et pietas< ... (siehe Anm. 13). S. 98/9.<br />

37


Im Zusammenhang mit der Genese dieses Bildtyps werden in der Literatur verschiedene<br />

mögliche Quellen genannt: Innenraumansichten mit einzelnen Gemälden an den Wänden<br />

von Abel Grimmer (nach 1570 - vor 1619) oder aus der »Architectura« von Hans (1527 - 1604) und<br />

Paul (1567 - nach 1630) Vredeman de Vries, 27 Zeichnungen bzw. Stiche von italienischen<br />

Sammlungen etwa eines Maerten van Heemskerck (1498 - 1574) und Portraits von Sammlern,<br />

denen einige Kunstwerke als Attribute hinzugefügt sind, wohl ein ursprünglich venezianischer<br />

Typus, der zu Beginn des 17. Jahrhunderts in Flandern übernommen wurde. 28<br />

Was bisher noch nicht als Vorläufer und mögliche Vorlage angeführt wurde, ist ein Stich,<br />

der erstmals 1599 in Neapel in »Dell’ historia naturale di Ferrante Imperato napolitano libri<br />

XXVIII« erschien (ABB. I 120). Er zeigt vier Männer in der Sammlung des Autors eben dieser<br />

Bücher, des Apothekers Ferrante Imperato. Drei von ihnen sind durch ihre Kleidung als<br />

Personen gehobenen Standes gekennzeichnet. Der Vierte ist weniger elegant gekleidet und<br />

durch seinen Zeigestock als Führer ausgewiesen - ein Charakter, der in den gemalten Galerien<br />

Antwerpens nicht (oder kaum) zu finden ist. Mit der rechten Hand hält er seinen Hut so, als<br />

setze er ihn nach vollzogener Begrüßung wieder auf, mit dem Stock in der linken weist er an<br />

die Decke. Die drei Besucher blicken nur in etwa in dieselbe Richtung, somit ist nicht klar, ob<br />

sie alle seinen Erläuterungen folgen. Hervorzuheben ist, daß sie, anders als bei Francken, deut-<br />

lich voneinander getrennt sind und sich nicht untereinander über das Gesehene austauschen.<br />

Das Motiv der Hunde, die den Sammlungsbesuch begleiten, ist in vielen der gemalten<br />

Galerien und auch bei Frans II Francken wiederzufinden. Dennoch ist es keineswegs ein Beleg<br />

dafür, daß dieser italienische Stich Francken als Vorlage gedient hat. Denn zunächst war der<br />

Hund als Begleiter der Menschen in allerlei Lebenslagen wohl einfach eine zu beobachtende<br />

Realität, wie seine Darstellung in unterschiedlichsten Zusammenhängen nahelegt. Außer-<br />

dem ist er ein gängiges Attribut für Gelehrte, er steht für Weißheit, Intuition, Treue, Aus-<br />

dauer und Beharrlichkeit. 29 Es stellt sich allerdings die Frage, ob das Motiv ausschließlich dem<br />

Personal als Attribut zuzuordnen ist oder ob es nicht auch auf die Ausdauer und Beharrlich-<br />

keit verweist, die das Anlegen einer Sammlung erfordert.<br />

Der allgemeine Raumeindruck, der in dem Stich vermittelt wird, ist mit dem von Frans II<br />

Franckens frühen Galeriebildern zu vergleichen. Die Tatsache, daß es sich bei den ausge-<br />

27 Zur Bekräftigung des cubiculum modernum der Vredemans als Vorbild bringt er eine Zusammenarbeit Franckens<br />

mit Paul Vredeman de Vries um ca. 1609/10 ins Spiel. J. Müller Hofstede: “ ‘Non Saturatur Visu’- Zur ‘Allegorie des<br />

Gesichts’ ... (siehe Anm. 13). S. 260.<br />

28 Z. Z. Filipczak: Picturing Art in Antwerp... (siehe Anm 23). S. 63.<br />

29 Reuterswärd, Patrik: “The Dog in the Humanist’s Study”, in: Konsthistorisk tidskrift. L/1981/Häfte 2. (S. 53 -<br />

69) S. 55. Passend zu seiner Deutung der Beschäftigung mit wissenschaftlichen Instrumenten in malo sieht Müller<br />

Hofstede den Hund als ein Symbol für invidia .Justus Müller Hofstede: “ ‘Non Saturatur Visu’- Zur ‘Allegorie des<br />

Gesichts’ ... (siehe Anm. 13). S. 259.<br />

38


stellten Gegenständen nicht um Kunstwerke, sondern ausschließlich um naturalia handelt, 30<br />

ist für die Frage nach der Plausibilität dieses Stichs als eine mögliche Quelle für den Antwerpe-<br />

ner Bildtyp nicht von Bedeutung. Entscheidend ist neben einigen formalen Übereinstim-<br />

mungen, daß hier wie bei Francken der Besuch einer in einem Innenraum untergebrachten, -<br />

offenbar - bürgerlichen Privatsammlung dargestellt wird.<br />

Innerhalb des Francken’schen Œuvres sieht Härting die sogenannten “Preziosenwände”<br />

als Vorstufe der Galerieinterieurs (etwa ABB. I 130). 31 Diese Bilder zeigen den Blick auf eine<br />

Wand, an der vornehmlich kleinformatige Gemälde hängen, zuweilen aber auch eine Zeich-<br />

nung, ein präparierter Fisch oder ein Seepferdchen. Von der Wand reicht die Deckplatte eines<br />

Tischs oder eines anderen Möbels bis an den vorderen Bildrand. Sie ist angefüllt mit verschie-<br />

densten Gegenständen wie Kleinplastiken, weiteren Bildern, Münzen, Büchern, Muscheln,<br />

Globen, Briefen, Schreibgeräten etc. Meist öffnet sich rechts von dieser enzyklopädischen<br />

Sammlung en miniature ein Durchblick in einen Raum, in dem sich häufig diskutierende<br />

Gelehrte mit Büchern oder wissenschaftlichem Gerät, bisweilen aber auch Skulpturen oder<br />

Kunstinteressierte im Gespräch vor einem Gemälde finden. 32<br />

FRÜHE BEISPIELE FRANS II FRANCKENS. Eine der ersten erhaltenen gemalten Galerien<br />

Franckens, in denen sich die dargestellten Personen mit Kunstwerken beschäftigen, datiert<br />

Härting auf die Mitte der 1610er Jahre (ABB. I 140). 33 Man sieht in einen bühnenartigen Raum<br />

von geringer Tiefe, an dessen ‘Rückwand’ neben einigen Figurenbildern hauptsächlich Land-<br />

schaften hängen. Wie häufig bei Frans II und seinem Umkreis nimmt ein religiöses Bild, das<br />

30 An der Decke wird der Bereich der Fauna präsentiert. Die Flora ist links im Regal zu vermuten, denn bei den<br />

dort aufbewahrten Büchern handelt es sich wahrscheinlich vornehmlich um Pflanzenbücher (Herbare?). In den<br />

Schränken rechts befinden sich verschiedenste Fächer, Schachteln und Gefäße, die Mineralien, allerlei Kleinteiliges<br />

und womöglich zu Konservierendes beherbergen dürften.<br />

31 Härting 89, S. 83. Allerdings datiert sie dieses vermutlich erste erhaltene dieser Bilder nach stilistischen Kriterien<br />

auf etwa 1610, also nicht vor die früheste erhaltene gemalte Galerie (Ibid., S. 369, Kat. Nr 447. Holz, 52 x 67<br />

cm. Dijon Kunsthandel G. de Salvatore, 1961.). Wie bei den Galeriebildern geht sie auch bei den Preziosenwänden<br />

von früheren Francken’schen Formulierungen im ersten Jahrzehnt aus. Dies.: “>doctrina et pietas< ... (siehe Anm.<br />

13). S. 128, Anm. 81.<br />

32 Die zuletzt beschriebene dieser Varianten zeigt etwa das bereits genannte Gemälde (ABB. I 130), das laut<br />

Härting (Härting 89, S. 369.) nur teilweise die Handschrift von Frans II trägt, und ein ganz ähnliches Stück, von<br />

dem sich eine Reproduktion in der Londoner Witt Library findet (“Sale: Christie’s, London. 14 JUL 1978”, “Frans<br />

Francken The Younger/ An Artist’s Studio/ signed and inscribed - on panel […] 49.5 x 69,8 cm.” (ABB. I 131). In beiden<br />

Fällen wird aus mir unerfindlichen Gründen davon ausgegangen, daß es sich um ein Maleratelier handelt. Soweit<br />

ich sehe, ist der einzige, aber keineswegs eindeutige Hinweis darauf die Tatsache, daß sich die Personen für ein auf<br />

einer Staffelei befindliches Gemälde interessieren. Dieses Motiv taucht auch mehrfach in gemalten Galerien auf,<br />

die nicht als Ateliers gedeutet werden (ABB. I 221, I 320 - I 340 und I 430). Es gibt allerdings auch Beispiele - etwa<br />

von David Teniers -, die einen Maler bei der Arbeit in einer Galerie zeigen (ABB. I 500). Zu diesem “Hybrid Image”<br />

siehe Z. Z. Filipczak: Picturing Art in Antwerp ...(siehe Anm. 23). S. 152ff.<br />

33 Härting 89, S. 371, Kat. Nr. 450. Holz, 54 x 63cm. Bayerische Staatsgemäldesammlung, München, Inv. Nr. 1988,<br />

z. Zt. Schloß Bayreuth. Unter Beteiligung des Ateliers entstanden. Auch für die Variante mit Kunstbetrachtern<br />

hält Härting frühere Beispiele um 1605- 1610 für sehr wahrscheinlich. Ursula Härting.: “>doctrina et pietas< ...<br />

(siehe Anm. 13). S. 123.<br />

39


auch durch seine Größe hervorgehoben ist, den zentralen Platz in der Mitte der Wand ein.<br />

Darüberhinaus wird dieses Gemälde betont durch ein darunterstehendes Buffet, auf dem sich<br />

ein kleinformatiges Portrait und einige Muscheln finden. Kleinplastiken und Skulpturenfrag-<br />

mente sind rechts auf einem Tisch aufgestellt. Am Boden stehen zwei weitere Gemälde, eine<br />

Landschaft rechts und eine zweite, biblische Historie am Buffet.<br />

Links unterhalten sich zwei historisierend gekleidete Männer über ein Bild, das der<br />

vordere von ihnen so hält, daß der reale Betrachter es nicht sehen kann. Dicht hinter ihnen<br />

schaut ein dritter, von dem sie keine Notiz zu nehmen scheinen, aus dem Bild heraus den<br />

Betrachter an. So weist er auf die beiden Personen vor sich hin und bricht die in sich<br />

geschlossene ‘Erzählung’ des Bildes auf. Diesen Blick kann man verstehen als eine Betonung<br />

der Spiegelung des realen durch die dargestellten Betrachter. Das wird jedoch dadurch<br />

relativiert, daß Francken das gleiche Mittel einsetzt, um in anderen Galerieinterieurs die<br />

Wichtigkeit der mit Globen und Büchern beschäftigten Gelehrten hervorzuheben (etwa ABB.<br />

I 260).<br />

Mit den beiden religiösen Bildern-im-Bild wird nach Müller Hofstede “[…] für die Malerei<br />

der Rang eines Erkenntnisinstruments beansprucht […]”. 34 Der verwerflichen, inzestuösen<br />

Lust in »Loth und seine Töchter« am Boden werde die zum Heil führende Gottesliebe in<br />

»Madonna mit Kind, Hl. Elisabeth und dem Johannesknaben« groß und zentral über dem<br />

Buffet gegenübergestellt. So weit mag man folgen, doch Müller Hofstede geht weiter. Es sei<br />

eben “[…] dieser Unterschied zwischen der‘vita voluptuosa’ und dem zum Heil weisenden<br />

‘Amor Dei’, der von den drei [sic!] Bildbetrachtern links als Erkenntnis vollzogen wird.” 35<br />

Dem ist zunächst entgegenzuhalten, daß sich die Personen mit keinem der beiden ge-<br />

nannten, sondern mit einem dritten Bild beschäftigen. Zwar dürfte es sich dabei ob des<br />

Hochformats tatsächlich eher um eine Historie oder ein Portrait als eine Landschaft handeln,<br />

aber für Spekulationen darüberhinaus gibt es keine Anhaltspunkte. Selbst wenn man um das<br />

Sujet des Bildes wüßte, wäre kaum eindeutig festzustellen, worum sich das Gespräch der Be-<br />

trachter dreht: das Thema und die daraus zu ziehende Erkenntnis, die Kunstfertigkeit des Ma-<br />

lers, den Vergleich mit anderen Meistern oder was auch immer. Diese Ambivalenz bleibt und<br />

sollte wohl bleiben, auch und vielleicht gerade in einer Stadt, die als ein Vorposten der Gegen-<br />

reformation bezeichnet werden kann. 36 Heilserkenntnis zu befördern, mag hier als die vor-<br />

nehmste Aufgabe der Malerei gegolten haben, nicht aber als ihre einzige. Das zeigt nicht<br />

zuletzt die gemalte Galerie Franckens selbst, denn allein dadurch, daß sie religöse und profane<br />

34 J. Müller Hofstede: “ ‘Non Saturatur Visu’- Zur ‘Allegorie des Gesichts’ ... (siehe Anm. 13). S. 257.<br />

35 Ibid.<br />

36 Jaap van der Veen: “Galerij en kabinet, vorst en burger... (siehe Anm. 21). S. 146.<br />

40


Kunstwerke nebeneinander in einem Sammlungszusammenhang vorführt, vermittelt sie in<br />

erster Linie die Idee eines nicht-religiösen Umgangs mit Malerei.<br />

Mit der geradezu eineindeutigen(sic!) Zuordnung von Betrachtern und Heilserkenntnis<br />

korrespondiert die enge Auslegung des angeketteten Affen vor dem Buffet als Symbol für<br />

“[…] den unwissenden, stumpfsinnig in bloßer Augenlust befangenen, deshalb für Kunst und Wissenschaft<br />

bedrohlichen Umgang mit der Malerei […], zumal dem Affen die bedeutungslose, in der<br />

Hierarchie der […] Themengattungen niedriger bewertete Landschaftsszenerie zugeordnet ist, die<br />

nicht Erkenntnis herausfordert.” 37<br />

Plausibler erscheint eine andere Lesart, die auch auf die Affen in Franckens Galeriebildern mit<br />

diskutierenden Gelehrten als bestimmende Figuren - d. h. zuweilen auch ohne explizit<br />

Kunstwerke betrachtende Personen - angewendet werden kann. 38 Härtings Ansicht nach steht<br />

der angekettete Affe für die gezügelte Begierde, für Mäßigung, für das Maß, das beim Anlegen<br />

einer Sammlung zu halten ist. 39 Sie soll nicht zu einer bloßen Anhäufung von repräsen-<br />

tativen Schätzen geraten, sondern ausgestattet werden gemäß ihrer Funktion als Instrument<br />

der Heilserkenntnis - 40 oder besser als Instrument zur Erkundung des Bauplans der Welt und<br />

damit indirekt der Erkenntnis von Gottes Größe und Schöpferkraft. Dafür spricht auch ein<br />

Galeriebild, das bisweilen Jan I Brueghel zugeschrieben wird, 41 denn darauf findet sich nur ein<br />

Affe und kein Personal (ABB. I 150).<br />

Natürlich ist der Affe, ebenso wie der zuweilen auftauchende Papagei, auf einer ersten Be-<br />

deutungsebene schlicht zu verstehen als ein exotisches Tier und damit als ein lebender Samm-<br />

lungsgegenstand. Darüberhinaus mag der Affe, um auf Müller Hofstede zurückzukommen,<br />

auch ein Verweis auf Augenlust sein. 42 Dann jedoch steht er, unabhängig davon, ob er nun<br />

37 J. Müller Hofstede: “ ‘Non Saturatur Visu’- Zur ‘Allegorie des Gesichts’ ... (siehe Anm. 13). S. 257. Ein solches<br />

Verständnis des Affen fügt sich auch insofern ins Bild, als Müller Hofstede die in-malo -Deutung der Wissenschaft<br />

damit begründet, daß sich die Bedeutung des Affen als eines in sündiger Begierde Gefangenen durch seine Nähe zu<br />

den Gelehrten auf deren Tätigkeit übertrage (ibid., S. 255. Vgl. auch Anm. 45).<br />

38 Etwa das »Galerieinterieur mit diskutierenden Gelehrten« , das am 19. 4. 1967 bei Sotheby’s London versteigert<br />

wurde (Lot 112. Holz 88,9 x 109,8 cm. Härting 89, Kat. Nr. 455.), oder das bei Härting ebenso betitelte Stück aus der<br />

Galleria Borghese in Rom (Inv. Nr 8002. Holz, 82 x 115 cm. Ca. 1610 - 1615. Härting 89, Kat. Nr. 454./ ABB. I 112).<br />

39 Hier ist auch auf ein 1561 von der Rhetorikerkammer in Diest aufgeführtes Rederijkerspiel zu verweisen, das<br />

Härting in einem anderen Zusammenhang erwähnt. Darin bemühen sich Faulheit, Wollust und Unwissenheit, die<br />

Menschen vom Verlangen nach Wissen abzubringen. Härting 83. S. 158.<br />

40 Ursula Härting: “>doctrina et pietas< ... (siehe Anm. 13). S. 104.<br />

41 Öl auf Leinwand, 74 x 107 cm. Ohne Ortsangebe. Die Zuschreibung an Jan I hält Filipczak nicht für überzeugend.<br />

Z. Z. Filipczak: Picturing Art in Antwerp ...(siehe Anm. 23). S. 218, Anm 18.<br />

42 In einer nur leicht abgewandelte Variante dieses Gemäldes von Hieronymus III Francken (Härting 83, Abb. 127,<br />

Kat.Nr. B371. Holz, 52,5 x 74 cm. Christie’s, London: 8. 7. 1977, Nr. 64) hält der Affe eine Brille - durch die er<br />

allerdings nicht hindurchblickt - und ist so plaziert, daß er das Landschaftsbild tatsächlich sehen kann (ABB. I<br />

151). Das spricht für die Augenlust als eine der möglichen zeitgenössischen Deutungen, nicht jedoch als die einzige,<br />

denn sonst, wäre eine solche Spezifizierung durch die Brille wohl nicht notwendig gewesen. Solch ein Affe mit<br />

Brille findet sich auch auf der »Allegorie des Gesichts« (Prado, Madrid) von Rubens und Jan I Brueghel, um die es in<br />

Müller Hofstedes Aufsatz eigentlich geht (ABB. I 113).<br />

41


gesehen wird als durch seine Ketten in der Begierde gezügelt oder als in den Ketten des Lasters<br />

gefangen, 43 für eine Mahnung, nicht der bloßen Augenlust zu verfallen, und kaum für eine<br />

Bedrohung von Kunst und Wissenschaft. Bedrohlich ist nicht ein unwissender, an oberfläch-<br />

licher Schönheit interessierter Umgang mit Malerei, sondern die Ignoranz, die zur Zerstörung<br />

der Kunst führt, und die Unwissenheit, die keinen Widerstand gegen Verführung zu leisten<br />

vermag und die womöglich auch Folge einer mangelnden Auseinandersetzung mit Kunst<br />

ist. 44<br />

Das aber stellt Francken rechts dar. Dort sieht man durch eine große Öffnung, die den Blick<br />

in einen Vorbau freigibt, vier eselsköpfige Gestalten. 45 Zwei von ihnen schlagen mit Stöcken<br />

auf verstreut am Boden liegende Gegenstände wie Bücher, Globen, ein Instrument, weitere<br />

Muscheln und Plastiken ein - dabei ist hervorzuheben, daß die Sammlung des Vordergrunds,<br />

in der sich bis auf einige Muscheln nur Gemälde und Skulpturen befinden, erst durch diese<br />

Gegenstände in ihrem enzyklopädischen Charakter vervollständigt wird. Mit einer Fackel<br />

bzw. einem Stock ausgerüstet sind die übrigen zwei Gestalten etwas erhöht hinter den beiden<br />

erstgenannten auszumachen. 46<br />

Abgesehen von der allgemeinen Versinnbildlichung von Unwissenheit und Ignoranz als<br />

Feinde der Kunst und der Wissenschaft ist diese Szene - und die mehrfach in den gemalten<br />

Galerien auftauchenden eselsköpfigen Wesen überhaupt - sicher auch konkreter zu deuten<br />

als Mahnung und Erinnerung an den Bildersturm und als Kritik an der Bilderfeindlichkeit<br />

etwa der calvinistischen Nachbarn. 47 Des weiteren unverkennbar ist, daß die ânes icono-<br />

43 Dazu siehe Erwin Panofsky: Studies in Iconology. New York, 1939, S. 195/6, Anm. 72. bzw. H. W. Janson: Apes<br />

and Ape Lore in the Middle Ages and the Renaissance. London, 1952. Reprint Nendeln/Liechtenstein, 1976. S. 145 -<br />

162 (bes. S. 151).<br />

44 In diesem Zusammenhang ist mit Härting (“>doctrina et pietas< ... (siehe Anm. 13). S. 125) auf die Vorrede zu<br />

Cornelis de Bies »Gulden Cabinet« zu verweisen, in der ein Lateinisches Sprichwort zitiert wird: “Ars nullum habet<br />

inimicum nisi ignorantem […]”. Cornelis de Bie: Het gulden cabinet van de edel vry schilderconst ... ([Antwerpen],<br />

1661). [Reprint] Soest, 1971. S. 13.<br />

45 Zu Eseln als Symbol für Unwissenheit, Ignoranz und Zerstörung der Kunst und als Gegensatz zum tugendhaften<br />

Pegasus siehe Gregor J. M. Weber: “Poetenhafer, Flugesel und Künstlerparnass. Pegasus in den Niederlanden.”, in:<br />

Pegagsus und die Künste. (Ausstellungskatalog, Museum f. Kunst und Gewerbe, Hamburg) Hrsg. v. Claudia Brink u.<br />

Wilhelm Hornbostel. München, 1995. (S. 71 - 92) S. 87ff. Er zitiert im Zusammenhang mit dem hier besprochenen<br />

Galeriebild Franckens auch den Kupferstich »Der Eselen Kunstkammer« (1612/ ibid., Kat. IV. 19) von Isaac Duchemins<br />

(ABB. I 152). Auf den anonymen Stich »Götterversammlung im Olymp mit Pegasus und Eseln« (ibid., Kat. IV.<br />

18/ ABB. I 153), das ein Blatt von Cornelis Cort (nach Primaticcio) variiert, verweist bereits Matthias Winner.<br />

Vgl. ders.: Winner, Matthias: Die Quellen der Pictura-Allegorien in gemalten Bildergalerien des 17. Jahrhunderts<br />

zu Antwerpen. (Diss.) Köln, 1957. (TS). S. 70f.<br />

46 Es ist nicht genau zu sagen, ob sie auf einem Sockel stehen - vielleicht auf dem einer herabgestoßenen Skulptur -<br />

oder fliegend dargestellt sind. Härting beschreibt sie als geflügelte Wesen. Das, was sie für Flügel hält, ist meiner<br />

Ansicht nach ein wehendens Gewand. Allerdings bezieht sich ihre Beschreibung auf zwei leicht abewandelte<br />

Varianten des hier besprochenen Gemäldes (Palazzo Barberini, Rom; Privatbesitz, USA.). Ursula Härting: “>doctrina<br />

et pietas< ... (siehe Anm. 13). S. 123.<br />

47 Vgl. Ursula Härting: “>doctrina et pietas< ... (siehe Anm. 13). S. 123.<br />

42


clastes 48 den Gegenpol zu dem Personal der “Vernunftgemächer” 49 bilden, das seinerseits für<br />

einen verstandesmäßigen, gelehrten und wohl gottgefälligen, aber nicht notwendigerweise<br />

für die Schönheit der Dinge unempfänglichen Umgang mit Kunst und Wissenschaft steht.<br />

Wie das vorangegangene Stück stammt auch das folgende nicht vollständig von der Hand<br />

Frans II Franckens. Im Bezug auf das erstere, für das Härting eine Beteiligung der Werkstatt<br />

annimmt, kann man davon ausgehen, daß Frans II die Ausführung überwachte, es also ins-<br />

gesamt seinen Vorstellungen entsprach. Für das »Galerieinterieur mit Gelehrten und ânes<br />

iconoclastes« hingegen muß das offen bleiben (ABB. I 160). 50 Denn außer einem bisher nicht<br />

identifizierten Mitarbeiter aus seinem Umkreis hat lange nach Franckens Tod auch David<br />

Teniers d. J. (1610 - 1690) an diesem Gemälde gearbeitet. Zwar hat er laut Margret Klinge, “offen-<br />

sichtlich […] zu Beginn der 1650er Jahre […]”, “[…] nur die Staffage im vorderen Bildraum”<br />

hinzugefügt, 51 doch die prägt den heutigen Charakter des Bildes erheblich. Abgesehen von<br />

den drei Personen dürfte auch der Hund Teniers zugeschrieben werden, er entspricht dem bei<br />

ihm geläufigen Typus. Der Affe allerdings stammt wohl noch von Francken, denn nach den<br />

1630er Jahren taucht dieses Tier in den gemalten Galerien kaum noch auf. Dafür spricht auch<br />

ein in Genf befindliches und dort Frans II zugeschriebenes cabinet d’amateur, das in etwa die<br />

Komposition des Londoner Bildes vor Teniers ‘Eingriff’ wiedergeben dürfte. 52 Darüberhinaus<br />

legt es nahe, daß auch die drei Gemälde auf bzw. an dem Stuhl auf Teniers zurückgehen. 53<br />

Denkt man sich das Bild des Courtauld Institute ohne die Teniers’sche Staffage, so erhält<br />

man - und das gilt auch für das Genfer Stück - etwas wie eine Mischform aus gemalter Galerie<br />

und Preziosenwand: bildbestimmend im Vordergrund ein Sammlungsraum ohne Personal -<br />

wahrscheinlich mit einem Affen -, und relativ klein in den Durchblicken links und rechts die<br />

Gegenüberstellung von Ignoranz und Verstand, von zerstörerischem und sinnschaffendem<br />

48 Sinmone Speth-Holterhoff: Les Peintres Flamands de Cabinet d’Amateur au XVIIE Siècle. Brüssel, 1957. (z. B.)<br />

S. 72.<br />

49 Gregor J. M. Weber: “Poetenhafer, Flugesel und Künstlerparnass ... (siehe Anm. 45). S. 89. Soweit ich es überblicke<br />

sind die ânes iconoclastes fast ausschließlich im Zusammenhang mit Kunstbetrachtern zu finden.<br />

50 Öl auf Holz, 58,5 x 79 cm. Courtauld Institute Galleries (Seilern Collection), London. Inv. Nr. 47.<br />

51 Es handelt sich um eine schriftliche Mitteilung von M. Klinge an Härting, zitiert nach Härting 89, S. 370/1,<br />

Kat. Nr. 449. Ansonsten nennt Härting lediglich das Malerportrait und das Marienbild rechts vom Buffet als nicht<br />

von Frans II ausgeführte Bildteile. Als Mitarbeiter bringt sie, wenn auch mit Vorbehalt, Hieronymus II Francken<br />

(1578 - 1623) ins Spiel. Franckens Anteil datiert sie noch vor 1615.<br />

52 (ABB. I 161) Musée d’Art et d’Histoire, Genf. (Wahrscheinlich identisch mit Härting 83, Kat.Nr. B 374.) Dazu<br />

siehe Pierre Georgel; Anne-Marie Lecoq: La peinture dans la peinture. Paris, 1987. S. 218. Die unterschiedliche<br />

Position des Affen liegt durchaus in der Variationsbreite der Francken-Werkstatt. Eine Übermalung und Neuschöpfung<br />

an anderer Stelle ist nicht auszuschließen, halte ich aber für unwahrscheinlich.<br />

53 Darauf deutet auch, daß nach J. Briels das Portrait des Kardinal Albergati von Jan van Eyck seit 1648 im Besitz<br />

von Teniers späteren ‘Dienstherrn’ Leopold Wilhelm war. Briels Vermutung, daß die gemalte Galerie die Sammlung<br />

des Peeter Stevens zeige, von dem der Erzherzog das Portrait Albergatis kaufte, und vor 1642 vollständig von<br />

Teniers angefertigt wurde, ist wohl mit Härtings und Klinges Einschätzung widerlegt. J. Briels: “Amator Pictoriae<br />

Artis ... (siehe Anm. 18) S. 166.<br />

43


Umgang mit den Sammlungsgegenständen. 54 Fünf historisierend gekleidete Männer sind es,<br />

die als Vertreter der Vernunft in einem zweiten Raum rechts um einen Tisch gruppiert sind.<br />

Der vorderste der vier Stehenden hält ein Bild so vor sich, daß er und der reale Betrachter,<br />

nicht aber die vier übrigen Männer die Malfläche sehen können. Dabei hat er den Kopf um-<br />

gewendet und blickt in Richtung des Betrachters. 55 Deutlicher als im vorangegangenen Bei-<br />

spiel ist diese ‘Ansprache’ des realen Betrachters ein Hinweis auf dessen Spiegelung und<br />

gleichzeitig Angebot zur Identifikation mit den viri eruditi. Deutlicher deshalb, weil der Her-<br />

ausschauende hier selbst Akteur und Betrachter, nicht nur unbemerkter Beobachter ist und<br />

weil sich die Gelehrten dem realen Betrachter hier aufgrund der unauffälligen Art ihrer Dar-<br />

stellung, relativ klein im Hintergrund, erst bei genauerem Hinsehen erschließen. Dadurch<br />

aber, daß er sie erkennt, weist er sich, im Gegensatz zu den wütenden, im Zustand der Ig-<br />

noranz und Unwissenheit verharrenden ânes iconoclastes im Durchblick links, zumindest<br />

als Interessierter, wenn nicht gar als Wissender aus.<br />

Die von Teniers hinzugefügten Staffagefiguren verändern den Charakter des Bildes inso-<br />

fern, als sie das Ungewöhnliche des Sammlungsraumes, also die Menschenleere ‘verdecken’<br />

und womöglich dazu verführen, es mit der Betrachtung des Vordergrundes bewenden zu<br />

lassen. Von Teniers Hand findet sich dort rechts ein junger Lakai, der anscheinend dabei ist,<br />

eine Büste für die zwei Männer links herbeizuschaffen oder sie zurückzustellen. Anders als<br />

die Bildbetrachter bei Frans II hält keiner dieser beiden ein Bild oder eine Plastik als Gesprächs-<br />

gegenstand in Händen. Der hintere weist lediglich auf eines der drei Stücke an bzw. auf dem<br />

Stuhl. Das mag daran liegen, daß sie auf die Büste warten oder sich gerade erst einem neuen<br />

Stück zuwenden, doch es macht den Eindruck als stünden die Teniers’schen Personen für<br />

eine andere Art des Umgangs mit den Dingen. Elizabeth Honig beschreibt es folgendermaßen:<br />

“[…] what is at issue, or of value, is the cultivated knowledge about art, rather than art itself as<br />

the container of knowledge.” 56<br />

54 Winner deutet die brennende Stadt auf dem Bild über dem Durchblick zu den Eselsköpfigen als eine Veranschaulichung<br />

menschlichen Unverstandes. Matthias Winner: Die Quellen der Pictura-Allegorien ...(siehe Anm. 45)<br />

S. 70.<br />

55 Ein in etwa vergleichbares Gemälde wurde am 15. 1. 1985 bei Christie’s New York versteigert (Kupfer, 38, 7 x<br />

49,5 cm. Härting 89, Kat. Nr. 458). Auch dieses Stück (ABB. I 162) wurde in den 50er Jahren von David Teniers<br />

ergänzt.Wenn er, wie anzunehmen ist, hier ebenfalls die Figuren des Vordergrundes hinzugefügt hat, fände sich von<br />

Franckens Hand lediglich eine einzelne Person im Durchblick rechts, die zwar ein kleinformatiges Gemälde in<br />

Händen hält, den Kopf aber leicht umgewendet hat und an die Wand hinter sich oder vielleicht auch in Richtung<br />

des Betrachters schaut. Die ‘Choreographie’ der Blicke ist auch bei den Personen im Vordergrund ein wenig seltsam:<br />

der Lakai, der ein Gemälde vor der Brust hält, sieht zu dem Herrn mit Bart, dessen Blick aber auf einen Punkt links<br />

jenseits der Bildfläche gerichtet ist, und auch der blonde junge Mann, der Hausherr vielleicht, der mit einer Hand<br />

an das besagte Gemälde faßt, schaut offenbar nicht dieses Stück oder den bärtigen Gast bzw. Kunden, sondern den<br />

realen Betrachter an.<br />

56 Elizabeth Honig:: “The beholder as work of art ...(siehe Anm. 14). S. 278.<br />

44


HIERONYMUS II FRANCKEN. Nach diesem Vorgriff auf die Mitte des Jahrhunderts geht es zu-<br />

nächst wieder einige Jahrzehnte zurück. Etwa in den Jahren um 1620 entstanden eine Reihe<br />

gemalter Galerien, die Härting ganz oder teilweise Hieronymus II Francken (1578 - 1623), dem<br />

Bruder von Frans II, zuschreibt. 57 Diese Stücke, wie auch die meisten der noch folgenden,<br />

zeigen Räume, die im Vergleich mit jenen in den zuvor angeführten Galeriebildern um<br />

einiges grösser erscheinen. Außerdem ist das zeitgenössisch gekleidete Personal meist zahlrei-<br />

cher und wird in mehrere Gruppen aufgeteilt, die sich mit unterschiedlichen Arten von Ge-<br />

genständen beschäftigen. Nach Härting tritt in diesen Stücken bereits der religiöse Charakter<br />

zugunsten eines profanen, allerdings nicht ausschließlich ästhetischen zurück. 58<br />

Die sogenannte »Galerie des Jan Snellinck« 59 hat ihren Titel von einen Aufsatz von Si-<br />

mone Speth-Holterhoff (ABB. I 170). 60 Die Autorin vertritt die Ansicht, daß es sich um eine<br />

Darstellung der Verkaufsräume des Malers und Kunsthändlers Snellinck handele. Einziger<br />

Anhaltspunkt dafür ist eine gewisse Ähnlichkeit des nur auf den ersten Blick aus dem Bild<br />

schauenden Mannes rechts mit dem Portrait des Jan Snellinck in van Dycks »Iconographia «.<br />

Diese vage Ähnlichkeit ist allerdings allein kaum überzeugend. 61 Natürlich spricht das nicht<br />

dagegen, daß eine Kunsthandlung gezeigt wird, Speth-Holterhoffs Argumentation jedoch, daß<br />

diese Annahme durch den Umstand bestätigt werde, daß keine der dargestellten Personen<br />

sitze, ist sicher nicht haltbar. 62 Ausgeschlossen wird ein ‘Ladenlokal’ dadurch allerdings auch<br />

nicht.<br />

Das Bild zeigt einen Saal, in dem außer einer Vielzahl von Gemälden an den Wänden, auf<br />

dem Boden und auf Stühlen links ein Tisch mit einem aufgeschlagenen Buch, einigen losen<br />

Blättern, Muscheln und wissenschaftlichem Gerät zu sehen ist. Daran steht ein vollbärtiger<br />

Alter, der die Aufmerksamkeit dreier Personen auf sich bzw. seine Ausführungen gezogen<br />

hat. Etwa in der Mitte des Raumes befindet sich ein zweiter Tisch mit kleinformatigen Skulp-<br />

57 Härting 83, S. 112 - 114; Härting 89, S. 178 - 182.<br />

58 Härting 89, S. 86.<br />

59 Holz, 94 x 124,7 cm. Musèes Royaux de Beaux-Arts, Brüssel: Inv. Nr. 2628. Außer der Signatur ‘I. F.’ und der Datierung<br />

‘1621’ ist noch ein nicht aufgelöstes Monogramm mit einem ‘F’ darüber zu finden. Ibid. Vgl. auch eine Vorzeichnung<br />

zu diesem Gemälde (ABB. I 171).<br />

60 Simone Speth-Holterhoff: “La Boutique d’un marchand de Tableaux Anversois au XVIIe siècle”, in: Miscellanea<br />

Leo Puyvelde. Brüssel, 1949. S. 183 - 186<br />

61 A. Monballieu: “Aantekeningen bij de schilderijeninventaris van het sterfhuis van Jan Snellinck”, in: Jaarboek.<br />

Koninklijk Museum voor Schone Kunsten Antwerpen. 1976. (S. 245 - 268) S. 260ff. Monballieus Einwand, daß sich die<br />

Besucher vor allem für Gegenstände wie “kleinsculptuur en rariteiten” (S. 261) interessierten und damit für solche,<br />

die in dem Inventar von 1638 überhaupt nicht vorkommen, wird meiner Ansicht nach dadurch relativiert, daß diese<br />

Art von Dingen anscheinend geradezu zwingend zu den gemalten Galerien gehörte - außer einer Galerie von Teniers<br />

im Kunsthistorischen Museum, Wien (ehem. Slg. N. d. Rothschild) kenne ich kein Gegenbeispiel.<br />

62 Eindeutige Gegenbeispiele finden sich in den Teniers’schen Darstellungen der Sammlung des Erzherzogs Leopold<br />

Wilhelm, so etwa in »Die erzherzögliche Galerie« im Kunsthistorischen Museum, Wien (ehem. Slg. N. d. Rothschild).<br />

45


turen, die ein junger Mann anscheinend gerade für die drei Herren rechts aufdeckt. Während<br />

der ältere in der Mitte ein wenig glasig vor sich hin starrt, scheinen sich die beiden ihn<br />

umstehenden über den Putto mit Weintrauben auseinanderzusetzen. Zwar sind ihre wei-<br />

senden Gesten nicht eindeutig, doch der Blick des vorderen gilt der - für ihn wie für seine<br />

Begleiter allerdings nur in Rückenansicht zu sehenden - Skulptur, die darüberhinaus die<br />

bisher einzig vollständig aufgedeckte ist. Rechts von dieser Gruppe stehen dicht beieinander<br />

zwei weitere Männer. Der vordere beugt sich vor, um ein auf Stühlen stehendes Gemälde aus<br />

nächster Nähe zu beschauen. Der hintere, der vermeintliche Jan Snellinck, präsentiert dem re-<br />

alen Betrachter eine kreisrund gerahmte Miniatur oder Gemme. Die aber kann dieser erst<br />

dann richtig sehen, wenn er ähnlich wie sein gemaltes Pendant vor ‘Snellinck’ ganz nah an<br />

das Bild herantritt und sich vorbeugt. Folgt er der ‘Aufforderung’, so wird er buchstäblich mit<br />

der Nase auf die Spiegelung seiner selbst in der Darstellung gestoßen. Dieser Effekt wird<br />

dadurch verstärkt, daß erst ein genaues Hinsehen erkennen läßt, daß der die Minatur<br />

haltende Mann nicht den realen Betrachter anblickt, sondern tatsächlich aus den Augen-<br />

winkeln heraus auf dessen gemalte Entsprechung schaut (ABB. I 170a). Zwar sind Haltung,<br />

Zeigegeste und Gesicht auf ersteren ausgerichtet, doch der Blick verweist auf letzteren und<br />

regt damit zur Reflexion über das eigene Betrachten an.<br />

Dabei aber bleibt es nicht. In der »Allegorie der Günstigen Gelegenheit« , die sich der Vor-<br />

gebeugte anschaut und die dadurch hervorgehoben ist, sind etwa in der Mitte zwei Männer<br />

dargestellt, die sich das Standbild der Occasio ansehen (ABB. I 170b). Da es in dieser Allegorie<br />

um die Künste und Wissenschaften geht, die in guten Zeiten gedeihen, kann man diese Per-<br />

sonen wohl mit Recht als Kunstinteressierte verstehen. 63 Die Spiegelung des realen Betrach-<br />

ters wird also gewissermaßen ihrerseits in dem Bild-im-Bilde gespiegelt.<br />

Darüberhinaus lehnt vorne, an dem Tisch mit den Kleinplastiken ein zweites Bild mit<br />

Betrachtern. Es zeigt einen mit einer ganzen Reihe von Gemälden versehenen Raum, in dem<br />

sich rechts eine kleine Gesellschaft eingefunden hat. An einer gedeckten Tafel sind außer<br />

einer Lautenspielerin noch drei Personen auszumachen. Links von dieser Gruppe steht Arm<br />

in Arm ein Paar in Rückenansicht vor einigen Gemälden. Eine Lautenspielerin kann in Verbindung<br />

mit einem reich gedeckten Tisch auf Wohlstand, Prunk und Wollust verweisen. 64<br />

Dieser Deutung entsprechend wäre das Bild-im-Bild, ähnlich wie zuvor der Affe, etwa als eine<br />

Mahnung zu verstehen, beim Anlegen einer Sammlung Maß zu halten, nicht der Prunksucht<br />

zu verfallen und sich gewissenhaft und sinnschöpfend mit den Dingen auseinanderzu-<br />

63 Zur Darstellung derOccasio siehe etwa Ursula Härting 89, S. 345.<br />

64 Hana Seifertová: “Der Blick in eine Gemäldegalerie - das Antwerpener Thema aus Prager Perspektive”, in: Dialog<br />

mit alten Meistern: Prager Kabinettmalerei 1690 - 1750 (Ausst. Kat., Herzog-Anton-Ulrich-Museum). Braunschweig,<br />

1997. (S. 36 - 45) S. 42.<br />

46


setzen. 65<br />

Umherstehende Gemälde. Vergleicht man die Antwerpener Galerieinterieurs miteinan-<br />

der, so fällt auf, daß sich außer den Bildern an den Wänden - zumindest fast - immer weitere<br />

am Boden, auf Stühlen, auf einer Staffelei oder in den Händen der Betrachter finden.<br />

Zuweilen ist die Rede davon, daß es sich dabei um Stücke handele, die man abgehängt habe,<br />

um sie besser begutachten zu können. 66 In keinem Fall jedoch klaffen größere Lücken zwi-<br />

schen den Gemälden an den Wänden, die für diese Annahme sprächen. 67 Auch Victor Stoichi-<br />

tas Erklärung im Bezug auf die »Allegorie des Gesichts und des Geruchs« von Jan I Brueghel<br />

und Rubens überzeugt nicht. 68 Er schreibt,<br />

“[…] daß das sakrale Bild hier neben anderen Gattungen der Malerei vorhanden ist. Die Maler, die<br />

diese Allegorie schufen, betonen aber, daß die sakralen Bilder eine andere Provenienz haben und daß<br />

sie noch keinen eigenen Platz innerhalb des neuen Bildsystems [der Sammlung] gefunden haben.” 69<br />

Zum einen machen die religiösen Bilder - auch in Stoichitas Beispiel - nur einen Teil der<br />

‘noch nicht untergebrachten’ Stücke aus, und zum anderen finden sich meist sehr wohl auch<br />

solche Darstellungen an den Wänden. 70 Die Deutung der Gemälde als Neuerwerbungen<br />

schließlich, erscheint nur bei den Beispielen plausibel, die das Portrait einer konkreten<br />

Sammlung mit dem stolzem Besitzer und vielleicht einigen Besuchern inmitten seiner<br />

Schätze zeigen. Der Umstand, daß sich keine überzeugende Erklärung für die Herkunft dieser<br />

Kunstwerke findet, ist ein weiteres Indiz für den Idealcharakter der Antwerpener Galeriein-<br />

terieurs. Vor allem aber ist festzuhalten, daß diese ‘zusätzlichen’ Bilder gegenüber jenen an<br />

den Wänden hervorgehoben sind, nicht nur durch ihre Position und die meist damit ein-<br />

hergehende Ausrichtung auf den realen Betrachter, sondern auch durch das Interesse, das die<br />

gemalten Kunstbetracher ihnen entgegenbringen. 71 Deren Aufmerksamkeit nämlich richtet<br />

65 S. Speth-Holterhoff sieht in diesem Bild-im-Bild ein cabinet d’amateur aus der Francken-Werkstatt (dies.:<br />

“La Boutique d’un marchand ...(siehe Anm. 60) S. 185.). Meiner Ansicht nach ist dieser Vorschlag nicht überzeugend.<br />

Das einzige überhaupt vergleichbare Beispiel ist das sehr untypische Galerieinterieur »Gastmahl im Hause des<br />

Bürgermeisters Rockox« von Frans II (ABB. I 172 / Holz, 62,3 x 96,5cm. Bayerische Staatsgemäldesammlung, Alte Pinakothek,<br />

München, Inv. Nr. 858. 1630-1635). Lohnender scheint ein Vergleich mit den Tanzgesellschaften von<br />

Hieronymus II (siehe etwa eine Zusammenarbeit mit Paul Vredemann de Vries, Kunsthistorischen Museum, Wien,<br />

Inv. Nr. 1050/ ABB. I 173.) oder auch Bildern wie dem »Interieur mit der Allegorie der fünf Sinne« von Frans II<br />

Francken und Hendrick II van Steenwijk (ABB. I 174/ Galerie Bailly, Paris/ Härting 89, Kat. Nr. 396).<br />

66 So etwa bei Elizabeth Honig: “The beholder as work of art ...(siehe Anm. 14). S. 279 u. 281.<br />

67 Ebensowenig findet sich jemand, der dabei ist, ein Gemälde auf- oder abzuhängen.<br />

68 1617/8. Leinwand, 175 x 263cm. Prado, Madrid.<br />

69 Victor I. Stoichita: “Zur Stellung des sakralen Bildes in der neuzeitlichen Kunstsammlung. Die ‘Blumenkranzmadonna’<br />

in den ‘Cabinet d’Amateur’”, in: Macrocosmos in Microcosmo ...(siehe Anm. 1). (S. 417 - 436) S. 422.<br />

70 Ich kenne allerdings kein Beispiel, in dem ein Altartriptychon, also ein mit Sicherheit von einem sakrelen Ort<br />

stammendes Bildwerk, an der Wand hängt. Dieser Bildtyp taucht jedoch durchaus auf, am Boden stehend, meist<br />

hinten an der ‘Rückwand’ und oft von anderen Stücken verdeckt.<br />

71 Diese Beachtung spricht auch gegen die Erklärung, diese Bilder kämen aus weniger repräsentativen Räumen<br />

47


sich nahezu ausschließlich auf solche ‘umherstehenden’ oder in ihren Händen befindliche Ge-<br />

mälde und nur in wenigen Ausnahmen auf die an den Wänden. 72 Es liegt also nahe, diese so<br />

anempfohlenen Bilder-im-Bild besonders im Auge zu behalten und zu überprüfen, inwie-<br />

weit sie Hinweise zum Verständnis des Bildes liefern.<br />

Während Hieronymus II in der sogenannten »Galerie des Jan Snellinck« die Möglich-<br />

keiten der Spiegelung des Betrachters erkundet, ‘präpariert’ er in dem nun folgenden cabinet<br />

d’amateur aus dem Prado einen anderen bei Frans II Francken vorgebildeten Aspekt ‘heraus’<br />

und spielt ihn in neuen Varianten durch (ABB. I 180): 73 Ignoranz und Unwissenheit als<br />

Feinde von Kunst und Wissenschaft. 74<br />

In einem an zwei Seiten begrenzten Raum befinden sich ein gutes Dutzend elegant ge-<br />

kleideter Personen, die sich einzeln, zu zweit oder zu dritt mit verschiedenen Sammlungs-<br />

objekten befassen. 75 Winner bezeichnet sie als Vertreter der artes, die bei der Beschäftigung<br />

mit “[…] jeweils einer Kunst intellektuelle Virtus erwerben.” 76 Unter ihnen sind auch zwei<br />

Kunstbetrachter, die durch ihre Position in der Mitte des Raumes und ihre in hellen Farben<br />

gehaltene Kleidung betont werden. 77 Leicht einander zugewandt tauschen sie sich, wie die<br />

weisende Hand des vorderen versichert, über das vor ihnen an einen Stuhl gelehnte Gemälde<br />

aus. Dieses Bild zeigt mehrere Wesen mit Tierköpfen, die in einer Kunstkammer wüten und<br />

das gesamte Inventar zerstören. 78 Das bereits von Frans II im Zusammenhang mit den ge-<br />

oder gar Lagern - dazu sind sie wohl oft auch zu prominent.<br />

72 Lediglich zwei Ausnahmen sind hier unter den mir vorliegenden Antwerpener gemalten Galerien zu nennen, die<br />

sogenannte »Galerie des Jan Snellinck« von Hieronymus II (ABB. I 170/ allerdings nur in dem Bild-im-Bild, das<br />

vorne am Tisch lehnt), ein weiteres Galerieinterieur von Hieronymus II, das sich ebenfalls in Brüssel befindet<br />

(ABB. I 210/ Härting 83. Kat. Nr. B 382) und Guillam van Haechts »Kunstkammer mit van Dycks mystischer<br />

Hochzeit der Hl. Katharina« (ABB. I 175).<br />

73 Öl auf Holz, 93 x 114cm. Museo del Prado, Madrid, Inv. Nr. 1405. Dort wird das Bild anders als bei Härting<br />

(Härting 83, S. 113) nicht Hieronymus II Francken, sondern Adriaen van Stalbemt (1580 - 1662) zugeschrieben.<br />

74 Es sei daran erinnert, daß dieses Thema in Gestalt der ânes iconoclastes bei Frans II Francken fast ausschließlich<br />

im Zusammenhang mit gemalten Kunstbetrachtern - im Gegensatz zu Gelehrten - auftaucht.<br />

75 Besonders interessant ist das Gebilde auf dem Tisch hinten links, das auf allen Hieronymus II zugeschriebenen<br />

Stücken zu finden ist. Anscheinend handelt es sich um eine Drebbel’sche Sphäre. Dazu siehe Henri Michel: “The<br />

first barometer. A rediscovery in Flemish painting”, in: Journal of the Walters Art Gallery. 35/1977. S. 88 - 92.;<br />

ders.: “Le mouvement perpetuel de Drebbel”, in: Physis. 13/1971. S. 289 - 294.<br />

76 Matthias Winner: “Gemalte Kunsttheorie. Zu Gustave Courbets »Allégorie réelle« und der Tradition”, in:<br />

Jahrbuch der Berliner Museen. 4/1962. (S.151 - 183) S. 171.<br />

77 Diese beiden finden sich mit leichten Veränderungen auf dem ebenfalls Hieronymus II zugeschriebenen Galerieinterieur<br />

im Sinebrychoff Art Museum in Helsinki (ABB. I 200) wieder. Das Paar links vom Buffet taucht seitenverkehrt<br />

zusammen mit dem bärtigen Alten mit Zirkel vorne rechts und einigen Sammlungsobjekten in einem<br />

anderen, Cornelis de Baellieur (1607 - 1671) zugeschriebenen Gemälde auf (ABB. I 181/ laut Sonino befindet es sich<br />

im Palazzo Pitti, Florenz (Annalisa Scarpa Sonino: Cabinet D’Amateur. Le Grandi Collezioni d’Arte nei Dipiniti<br />

dal XVII al XIX Secolo. Mailand, 1992. S. 74.), nach Georgel und Lecoq aber im Musée des Beaux-Arts, Dijon (Pierre<br />

Georgel; Anne-Marie Lecoq: La peinture dans la peinture. Paris, 1987. S. XXIX.). Bezüglich letzterer Übereinstimmung<br />

sei auf Härting verwiesen, die eine Zusammenarbeit von Baellieur und der Francken’schen Werkstatt vermutet.<br />

Härting 83, S. 45f.<br />

78 Es scheint als handele es sich hier nicht um eine Komposition ‘in der Art’ eines der Antwerpener Meister, sondern<br />

um eine Neuerfindung für dieses Bild-im-Bild. Bei Duchemins »Der Eselen Kunstkammer« (ABB. I 152), die<br />

noch am meisten Ähnlichkeiten aufweist, sind zum einen noch Personifikationen der artes liberales anwesend und<br />

48


malten Galerien verwendete Motiv erfährt hier einige Veränderungen. Bei Frans II befinden<br />

sich die ânes iconoclastes sozusagen in einem Zwischenreich, es scheint möglich, wenngleich<br />

nicht wahrscheinlich, daß sie von außerhalb in die Sammlungsräume vorstoßen. Man ver-<br />

mag nicht recht zu entscheiden, ob sie der selben Realitätsstufe wie das Personal der Interieurs<br />

angehören oder nicht. 79 Im Gegensatz dazu sind sie hier eindeutig als Fiktion gekennzeichnet,<br />

die etwa das Gesprächsthema der beiden Kunstbetrachter bestimmen mag. In diesem Bild-im-<br />

Bild allerdings treiben die zookephalen Gestalten ihr Unwesen nicht mehr draußen vor dem<br />

Sammlungsraum, sondern sind mittlerweile in den Bereich der artes liberales, deren Ver-<br />

treter nicht zugegen sind, vorgedrungen.<br />

Daß Ignoranz und Unwissenheit den Sieg noch nicht davongetragen haben, zeigt - außer<br />

dem eifrig Wissen austauschenden Personal der gemalten Galerie, in der sich dieses Bild<br />

befindet - die Allegorie, die groß und zentral über dem Buffet hängt. Darauf sieht man wie<br />

Minerva und Fama einer weiblichen Gestalt, die durch die Maske der imitatio als Pictura<br />

ausgewiesen ist, im Kampf gegen die eselsohrige Gestalt der Unwissenheit mit Erfolg zu Hilfe<br />

geeilt sind. 80<br />

Minerva tritt darüberhinaus noch ein zweites Mal auf. Als Skulptur ist sie zusammen mit<br />

Merkur und einem Flußgott über der Tür wiedergegeben. Letzterer steht wahrscheinlich für<br />

die Schelde und damit für Antwerpen. Minerva ist nicht nur Schutzpatronin der Künste,<br />

sondern verkörpert gleichzeitig sapientia , Weisheit als Wissen und Klugheit und als Ergebnis<br />

von Ausdauer und Fleiß. 81 Sie ist es auch, die in einem Stich Aegidius Sadelers nach Hans<br />

von <strong>Aachen</strong> Pictura in den Kreis der artes liberales einführt. 82<br />

In Merkur schließlich verbinden sich verschiedene Traditionen: “Le Mercure arabe et mé-<br />

diéval: le mage au livre et à la sphère armillaire, se combine donc avec un Mercure industrieux,<br />

à la fois apte au commerce et habile de ses mains, plus proche du Mercure romain.” 83<br />

In astrologischen Bilderzyklen zählen zu den Kindern des Merkur sowohl die Handwerker<br />

und Händler, als auch die Vertreter der artes liberales , zu denen sich seit dem 15. Jahrhundert<br />

zum anderen sind die Zerstörer Esel und keine esels- oder tierköpfigen Menschengestalten. Auch die Raumanlage ist<br />

eine ganz andere.<br />

79 Es gibt zwei Beispiele von Frans II, in denen ein Eselsköpfiger zusammen mit Gelehrten in einer Sammlung auftaucht<br />

(Kupfer, 16 x 30cm, Berlin, Verst. am Internationale Kunst- und Auktionshaus, 21. 4 1931, Nr. 446 und Kupfer,<br />

17 x 32cm, Musée des Augustins, Toulouse; Härting 89, Kat. Nr. 452 und 453, S. 372).<br />

80 Matthias Winner: Die Quellen der Pictura-Allegorien ...(siehe Anm. 45) S. 67. Zu Minerva als Beschützerin der<br />

Künste siehe A. Pigler “Neid und Unwissenheit als Widersacher der Kunst. Ikonographische Beiträge zur Geschichte<br />

der Kunstakademien”, in: Acta Historiae Artium Acedemiae Scientiarum Hungaricae I. Budapest, 1954. S.<br />

215 - 235.<br />

81 Hansoon Lee: Kunsttheorie in der Kunst. Studien zur Ikonographie von Minerva, Merkur und Apollo im 16.<br />

Jahrhundert. (Diss. Frankfurt a. M., 1994) Frankfurt a. M.; Berlin u. a., 1996. S. 11.<br />

82 ABB. I 182. Wallraf-Richartz-Museum, Köln. Vgl. auch Pierre Georgel; Anne-Marie Lecoq: La peinture dans la<br />

peinture. Paris, 1987. S. 18f.<br />

83 Ibid., S. 42.<br />

49


isweilen auch die Künstler rechneten. 84 Man kann diese drei Götter über der Tür deuten als<br />

Sinnbild für die erfolgreiche Stadt Antwerpen, in der Weisheit und Vernunft regieren und<br />

Künste und Handel blühen. 85 Vor allem aber kommt hier wohl das Verständnis zum Aus-<br />

druck, daß die vernunftgemäße Beschäftigung mit den Künsten und Wissenschaften, die<br />

beispielhaft in dieser Kunstkammer vorgestellt wird, zur Weisheit führt.<br />

Nach Winner wird in diesem Bild für die Malerei die uneingeschränkte Vorherrschaft im<br />

Verbund der Künste und Wissenschaften und der “Sitz der Weisheit” beansprucht. 86 Dieser<br />

Interpretation ist in einer solchen Zuspitzung nur schwerlich zu folgen. In der Tat präsentiert<br />

sich die Malerei hier äußerst selbstbewußt. In allen gemalten Galerien, in denen auch Bilder<br />

zur Sammlung gehören, wird unweigerlich über das eigene Medium reflektiert. Hier aber<br />

macht sich darüberhinaus die Malerei erstmals selbst zum Thema des durch Größe und<br />

zentrale Position hervorgehobenen Bildes-im-Bild und verdrängt so das religiöse Sujet von<br />

dem bisher ihm vorbehaltenen Platz. 87 Doch das ist wohl eher zu sehen als ein Schritt der<br />

Emanzipation von religiöser Kunst als der vornehmsten Aufgabe der Malerei und nicht als<br />

Anspruch auf die führende Rolle unter den Künsten und Wissenschaften, ganz zu schweigen<br />

vom Sitz der Weisheit.<br />

Im Zusammenhang mit dem Madrider Gemälde ist ein weiteres, in Baltimore aufbe-<br />

wahrtes Galerieinterieur zu nennen, das abgesehen vom Personal fast identisch mit ihm ist<br />

(ABB. I 190). 88 Härting hält es für eine Kooperation von Hieronymus II Francken und Jan I<br />

Brueghel. 89 Auch hier beschäftigen sich eine Reihe elegant gekleideter Personen mit Samm-<br />

lungsgegenständen verschiedenster Art. Wieder sind zwei Kunstbetrachter darunter, doch<br />

sind sie nicht mehr besonders hervorgehoben. Sie stehen nun vor dem Tisch links und be-<br />

sehen sich im Detail ein kleinformatiges Bild, das einer von ihnen so in Händen hält, daß<br />

84 Ibid., vgl. auch Hendrick Goltzius »Die Kinder Merkurs« (ABB. I 183/ Graphische Sammlung der Universität<br />

Leiden).<br />

85 E. Wind erwähnt Ficinos Widmung von Platons Politikos an Federigo da Montefeltro, in der Minerva und Merkur<br />

als Sinnbild der Akademie erscheinen. Edgar Wind: Heidnische Mysterien in der Renaissance. Frankfurt a. M.,<br />

1987. S. 233, Anm. 47.<br />

86 Matthias Winner: “Gemalte Kunsttheorie. ... (siehe Anm. 76) S. 172.<br />

87 Damit, so scheit es, bedarf auch Härtings Vorschlag, das “frühe Galeriebild” sei als “christliches Thesenbild”<br />

zu verstehen, einer Spezifikation. Ursula Härting: “>doctrina et pietas< ... (siehe Anm. 13). S. 103.<br />

88 Um 1620. Öl auf Holz, 94, 2 x 123,4cm. Walters Art Gallery, Baltimore, Inv. Nr. 31.2010. Bezüglich der Reihenfolge<br />

dieser beiden Stücke folge ich Winner, der die Version des Prado für die frühere hält. Als Indiz führt er u. a.<br />

den Kopf des Hundes vorne links an. Pentimenti verraten, daß er in der Baltimore-Version erst nachträglich auf<br />

Albert und Isabella ausgerichtet wurde. Matthias Winner: Die Quellen der Pictura-Allegorien ...(siehe Anm. 45) S.<br />

65f.<br />

89 In Baltimore wird es Adriaen van Stalbemt und Jan I Brueghel zugeschrieben. Von Jan I stammen nach Härting<br />

nur das erzherzogliche Paar, der Mann zwischen ihnen und die sie umgebenden Tiere außer dem bereits erwähnten,<br />

liegenden Spaniel, der auch im Prado-Bild vorkommt. Härting 83, S. 113f u. Kat. Nr. B 380. Dazu siehe auch Klaus<br />

Ertz: Jan Brueghel D. Ä. (1568 - 1625). Die Gemälde mit kritischem Œuvrekatalog. Köln, 1979. S. 450f u. Kat. Nr.<br />

353.<br />

50


seine Schauseite dem realen Betrachter verborgen bleibt. Ihre zentrale Position haben sie<br />

sozusagen an Albert und Isabella, das für seine Sammelleidenschaft bekannte erzherzogliche<br />

Paar, und deren Begleiter abgetreten - diese drei beschäftigen sich allerdings mit keinerlei<br />

Sammlungsobjekten. 90 Damit aber fehlt auch der ausdrückliche Fingerzeig auf das am Stuhl<br />

lehnende Gegenbild zu dieser Kunstkammer und zu dem verstandesmäßigen Umgang mit<br />

deren Schätzen. Zwar ist es noch ebenso gut zu sehen, doch wird die Aufmerksamkeit auf<br />

Albert und Isabella und ihren Begleiter gelenkt, die portraithaft auf den Betrachter ausge-<br />

richtet sind. 91 Entscheidend für unseren Zusammenhang ist, daß durch sie die zentrale<br />

Position im Bild in ihrer Wichtigkeit bestätigt und somit auch die herausragende Bedeutung<br />

der Kunstbetrachter bekräftigt wird, die - und das eindeutig nicht als Portraitierte - diese Stelle<br />

in der Version des Prado einnehmen.<br />

In einer weiteren Hieronymus II Francken zugeschriebenen Galeriedarstellung, die sich in<br />

Helsinki befindet, scheint es nur noch die Liebhaber der Kunst zu geben (ABB. I 200). 92 Zwar<br />

ist etwa in der Mitte vor der ‘Rückwand’ ein Tisch mit einigen Muscheln und einer<br />

Drebbel’schen Sphäre aufgestellt, doch keiner der Anwesenden schenkt diesen Dingen die<br />

geringste Aufmerksamkeit. 93 Links sitzt ein Mann leger in einem Lehnstuhl und blickt auf<br />

eine Gemme oder Miniatur, die er in den Fingern seiner Rechten hält. Dabei beachtet er die<br />

rätselhafte nach links aus dem Bild weisende Geste seines Gegenübers anscheinend nicht.<br />

Etwas rechts von der Mitte sind zwei weitere Herren ins Gespräch über ein am Boden<br />

stehendes Gemälde vertieft. In Haltung und Kostüm sind diese beiden fast identisch mit dem<br />

Betrachterpaar des Prado-Bildes. Anders als bei jenem allerdings ist das Bild-im-Bild, das sie<br />

durch ihr Interesse hervorheben, hier keines, das man als Gegenbild zu dem Tun in der<br />

90 Es gibt noch mindestens zwei Beispiele, in denen das Erzherzogspaar auftaucht. In beiden Fällen gilt das<br />

Interesse der Ehrengäste, die als große Kunstliebhaber bekannt waren, Gemälden. Eines ist Guillam van Haechts<br />

noch zu besprechende »Kunstkammer des Cornelis van der Geest« (ABB. I 240). Das andere wird Hendrik Staben<br />

(1578 - 1658) zugeschrieben und wohl fälschlich als »Besuch in Rubens Atelier« bezeichnet (ABB. I 191/ Musée<br />

Royaux des Beaux-Arts, Brüssel, Inv. Nr. 4495). Zum anscheinend falschen Titel, der möglicherweise mit dem rechts<br />

angedeuteten Kuppelraum zurückzuführen ist, vgl. Z. Z. Filipczak: Picturing Art in Antwerp ...(siehe Anm. 23). S.<br />

60f).<br />

91 Auf die Deutung des erzherzoglichen Paars als Personifikation des Sieges der Vernunft über die Unwissenheit<br />

ist noch einzugehen.<br />

92 Öl auf Holz, 56,5 x 76 cm. Sinebrychoff Art Museum, Helsinki, Inv. Nr. 340. Härting 89, S. 178 u. 217, Anm. 842. In<br />

der Londoner Witt Library findet sich zu der Reproduktion noch folgende Angaben zur Signatur: “Signed l. c. (below<br />

the triptych): 1CEVC F16(?)3 E.T.”. Auch dort wird Hieronymus II als Autor genannt. Trifft das zu, muß die Jahreszahl<br />

wohl zu 1623, Hieronymus Todesjahr, ergänzt werden. 1613 oder gar 1603 wären nach Härtings Ergebnissen<br />

zu frühen gemalten Galerien unwahrscheinlich. Härting sieht in dieser Galerie die Darstellung einer Kunsthandlung.<br />

Als Hinweis darauf deutet sie die äußerst ungewöhnliche Präsentation der Bilder und Skulpturen auf richels,<br />

d. h. in “setzkastenähnlichen Fächern” (U. Härting: “Gemälde im Gemälde ...(siehe Anm. 25), S. 1946.; Härting 89,<br />

S. 178.). Dafür spricht womöglich auch , daß es kein durch Größe und zentrale Position hervorgehobnenes Bild gibt.<br />

93 Ähnlich war es möglicherweise bei dem erwähnten Brüsseler Galerieinterieur (Musée roy. d. B.-A., Inv. Nr.<br />

6853. Vgl. Anm. 118.), denn nach Härting stammen dort die Personen an dem Tisch mit der Drebbel’schen Sphäre<br />

nicht von Hieronymus II. Ob sie allerdings auch nicht zu seiner Konzeption gehörten, muß wohl offen bleiben. Härting<br />

89, S. 178.<br />

51


Galerie bezeichnen könnte. Es zeigt einen weiblichen Akt und eine Figur in Rüstung, die<br />

anscheinend einen Dolch hält - wahrscheinlich Mars und Venus. Außerdem finden sich im<br />

Vergleich mit den bisherigen gemalten Galerien erstaunlich viele - insbesondere weibliche -<br />

Akte an der Stirnwand. Diese Darstellungen sind zwar als mythologische oder biblische Er-<br />

zählungen legitimiert, doch es macht den Eindruck, als werde hier auch ein erotisches<br />

Interesse an Kunst wiedergegeben. Und das anscheinend ohne moralisierende Kommentare.<br />

Wie bereits erwähnt finden sich in diesem Bild aus Helsinki und dem des Madrider Prado<br />

zwei fast identische Betrachterpaare. Darüberhinaus existiert in Brüssel noch eine weitere<br />

Darstellung, die zwei in Haltung und Gebärde verwandte Personen zeigt (ABB. I 210). 94<br />

Bemerkenswert daran ist, daß die Sujets der Gemälde, denen sich die Figuren jeweils<br />

zuwenden, nicht vergleichbar sind: »Mars und Venus«, »Kunstkammer mit ânes iconocla-<br />

stes « und »Maria mit Kind«. In diesen drei Galerien wird also die gleiche Art der Annä-<br />

herung an und Beschäftigung mit Kunstwerken als angemessen für unterschiedliche Gattun-<br />

gen vorgeführt. Auch das religiöse Bild erfährt keine andere ‘Behandlung’. 95 Das spricht<br />

deutlich dafür, daß die Betrachter als Kenner und Interessierte zu verstehen sind, die sich im<br />

gebildeten Gespräch austauschen, sei es über die Könnerschaft des Malers, Ähnlichkeiten mit<br />

anderen Werken und Meistern oder auch das Sujet und die daraus zu ziehenden Er-<br />

kenntnisse.<br />

LIEFHEBBER DER SCHILDERYEN. Die Entwicklung der gemalten Galerien in Antwerpen wird<br />

mehrfach in Zusammenhang mit dem Umstand gebracht, daß in den ersten Jahrzehnten des<br />

17. Jahrhunderts eine Reihe von Personen als ‘‘liefhebber der scilderyen ‘ in den Aufzeich-<br />

nungen der Lukasgilde geführt wurden. 96 Zwar wurde verschiedentlich nicht ausgeschlossen,<br />

94 Holz, 47,7 x 77,7 cm. Musées Royaux des Beaux-Arts, Brüssel, Inv. Nr. 6853. Außer den Betrachtern gibt es auch<br />

beim Inventar Ähnlichkeiten mit dem Stück des Prado: übereinstimmende Sujets an gleichen Plätzen und vor allem<br />

die zwölf Medaillons und das Schwert (?) links vom Buffet. Anders als in ihrer Dissertation (Härting 83, Kat. Nr<br />

B382.) schreibt Härting in ihrer Monographie (Härting 89, S. 178.), daß dieses Bild durch Rubens‘ »Bacchanal«<br />

vorne rechts in das Jahr 1623 datiert werden könne. In ähnlicher Position findet sich dieses Werk allerdings bereits<br />

in der 1617/18 entstandenen Visus-Allegorie von Rubens und Jan I (ABB. I 113). Damit ist ihre Datierung meiner Ansicht<br />

nach nicht zwingend.<br />

95 Zeitgenössische Antwerpener Beispiele für einen religiös geprägten Umgang mit Bildern christlichen Themas<br />

finden sich etwa in den Kircheninterieurs von Hendrick I und II van Steenwyck und Pieter Neef(f)s d. Ä. und d. J.,<br />

die häufig als Bilder-im-Bild in den gemalten Galerien auftauchen und wohl u.a. als Gegensatz zu den bilderlosen<br />

Varianten der nördlichen Provinzen zu verstehen sind. Siehe etwa Hans Jantzen: Das Niederländische Architekturbild.<br />

Leipzig, 1910. Abb. 8; 13; 14. Vgl. etwa ein Gemälde, das P. Neef(f)s und Frans II Francken zugeschrieben<br />

wird (ABB. I 211/ es stand spätestens seit Dezember 1997 bei Johnny van Haeften, London, zum Verkauf (Johnny van<br />

Haeften [Katalog] 10 [1997]. No. 27)).<br />

96 Z.Z. Filipczak: Picturing Art in Antwerp ...(siehe Anm. 23). S. 51 - 53. U. Härting: “>doctrina et pietas< ...<br />

(siehe Anm. 13). S. 99 u. 124. Härting 89. S. 89 u. 204f, Anm. 401. Es finden sich auch ‘liefhebber van de kunst’ , allerdings<br />

merkt Honig an: “It is not always entirely clear in the 17th century who is registering as a liefhebber of<br />

painting and who as a liefhebber of the rederijkers chamber, the Violieren, which had long been associated with<br />

the St. Lucasgilde […]” (E. Honig: “The beholder as work of art ...(siehe Anm. 14). S. 291, Anm. 101.). Die<br />

Bezeichnung ‘liefhebber der schilderyen’ dürfte jedoch in dieser Hinsicht eindeutig sein.<br />

52


daß dies eine Bezeichnung für Händler gewesen sein könnte, 97 doch spricht vieles dafür, daß<br />

damit die Funktion als Kenner, Sammler oder Mäzen gemeint war. So firmierte der Kunst-<br />

händler Jan Coymans als ‘coopman ende liefhebber der scilderyen‘ (1607), Peeter Peetersen, ein<br />

Gastwirt, hingegen ‘nur’ als ‘liefhebber der scilderyen’ (1602) und der überaus wohlhabende Gewürzhändler<br />

und bekannte Sammler Cornelis van der Geest als ‘kunstliefhebber ’ (1621/2). 98<br />

Des weiteren besagten die Statuten der 1662 gegründeten Antwerpener Akademie, daß außer<br />

den Malern zwar liefhebbers der schilderyen, nicht aber Kunsthändler als Mitglieder aufge-<br />

nommen werden konnten. 99 Auch die Tatsache, daß in der unter van Dycks Regie entstan-<br />

denen Tiefdruckfolge »Iconographia« neben den Portraits von Fürsten, Staatsmännern, Ge-<br />

lehrten und Künstlern auch vier Personen als ‘Artis Pictoriae Amator ’ Aufnahme fanden,<br />

deutet darauf hin, daß ‘liefhebber der scilderyen‘ ein Ehrentitel war. Härting schreibt aller-<br />

dings zu Recht: “Welchen Hintergrund die Mitgliedschaft in der Gilde hatte, welche Mög-<br />

lichkeiten sie diesen Kunstinteressierten bot, läßt sich nur erahnen.” 100 Auch welche Vorraussetzungen<br />

man zu erfüllen hatte, um als ‘liefhebber ’ aufgenommen zu werden, ist unklar. 101<br />

Es ist festzuhalten, daß diese Bezeichnung bestenfalls ein Indiz für ein bestimmtes kulturelles<br />

Klima als Manifestation einer bereits etablierten Haltung zu Kunstwerken sein kann, einen<br />

direkteren Zusammenhang mit dem hier zur Diskussion stehenden Bildtyp gibt es nicht.<br />

KENNERSCHAFTLICHES INTERESSE. In ihrem schon mehrfach angeführten Aufsatz geht Eli-<br />

zabeth Honig unter anderem auf die Darstellungen ein, denen sich das Personal der gemalten<br />

Galerien zuwendet. Was die Autorin daran interessiert, sind jedoch nicht inhaltliche, son-<br />

dern eher formale Aspekte. Sie stellt fest, daß “[…] the works which often attract their atten-<br />

tion are types typically produced collaboratively.” 102 Etwas später spitzt sie diese Aussage noch<br />

zu: “Collaborative paintings are over-represented in gallery paintings, and attract unusual a-<br />

97 Julius S. Held: “Artis Pictoriae Amator. An Antwerp Art Patron and his Collection”, in: Gazette des Beaux-Arts.<br />

L/1957. (S. 53 - 84) S. 54f.. J. Duverger in H. E. van Gelder: Kunstgeschiedenis der Nederlanden; V. Antwerpen, 1964.<br />

S. 760. J. v. d. Veen meint, daß die ‘liefhebber’ mit dieser Bezeichnung als Privatleute auch die Möglichkeit erhielten<br />

“[…] om publiekelijk schilderijen te verkopen.” Wenn das aber der Zweck war, wieso sollten sich dann Kunsthändler<br />

(s. u.) als ‘liefhebber’ eintragen lassen? Jaap van der Veen: Galerij en kabinet, vorst en burger ...(siehe<br />

Anm. 21). S. 150f.<br />

98 J. S. Held: “Artis Pictoriae Amator ...(siehe Anm. 97). S. 54, Anm. 3. E. Honig: “The beholder as work of art<br />

...(siehe Anm. 14). S. 275; Z. Z. Filipczak: Picturing Art in Antwerp ...(siehe Anm. 23). S. 51. Filipczak verweist an<br />

anderer Stelle auf die Definition des Begriffs ‘liefhebber der kunsten’ bei Christopher Plantin und seinem Mitarbeiter<br />

C. Kilianus als ‘cultor Minervae’ und Person von großer Wißbegier - nicht ohne zu erwähnen, daß sich in einigen<br />

gemalten Galerien Minerva-Skulpturen finden. Ibid., S. 70.<br />

99 Z. Z. Filipczak: Picturing Art in Antwerp ...(siehe Anm. 23). S. 51.<br />

100 Härting 89. S. 204, Anm. 401.<br />

101 Und wieso findet sich van der Geest erstmals 1621, also mit ca. 66 Jahren, in den Aufzeichnungen, und dann auch<br />

nur bis 1627 - er starb erst 1638? (J. S. Held: “Artis Pictoriae Amator ...(siehe Anm. 97). S. 54, Anm. 3).<br />

102 Elizabeth Honig:: “The beholder as work of art ...(siehe Anm. 14). S. 281.<br />

53


mounts of attention from their inhabitants […].” 103 Den Grund dafür sieht sie in<br />

“[…] a particular fit between their collaborative nature and the agenda behind these painted<br />

galleries. Collaborations provide the ideal opportunity for the display of connoisseurial knowledge.<br />

Like kunstkammer paintings, they are collections of recognizable hands upon a single surface: only in<br />

collaborations the hands are genuine, principael . They call not merely for general affirmation of<br />

received taste and knowledge of artists’ typical styles, but for the more refined ability of the eye to<br />

distinguish where one master touched the work, and where another. Collaborative paintings beg to be<br />

visually dissected, the complexities of their making unravelled, multiple hands discovered.” 104<br />

Mit der großen Bedeutung, die Honig so der Zuschreibung von Kunstwerken und auch der<br />

Händescheidung als höchster Stufe von Kennerschaft zumißt, widerspricht sie Filipczak.<br />

Deren Ansicht nach interessierte sich der Großteil der Antwerpener Sammler in den ersten<br />

Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts kaum für die Frage nach den Autoren der Werke in ihrem<br />

Besitz, sondern vor allem für die Sujets. 105<br />

Honig allerdings zeichnet ein ganz anderes Bild. 106 Außer den bereits von Filipczak kon-<br />

zedierten gewichtigen Ausnahmen führt sie noch eine Reihe weiterer Inventare und auch<br />

Korrespondenzen an, in denen durchaus Wert auf die Zuschreibung, die Händescheidung<br />

und die Frage nach Original und Kopie gelegt wird. 107 Als entscheidende Faktoren für eine<br />

Konzentration auf solche Aspekte des Connoisseurtums nennt sie das Vorhandensein eines<br />

weithin anerkannten Künstlerkanons - “[…] particularly of desirable, old master painters […]”-<br />

und “[…] a complex art market in which a great deal of buying was mediated by third parties<br />

[…]”- 108 denn je mehr Akteure sich zwischen Künstler und ‘Endkunden’ schieben, desto mehr<br />

- moderat formuliert - mögliche ‘Fehlerquellen’ gibt es. 109<br />

Daß derartige Überlegungen keine unzulässigen Übertragungen heutiger Vorstellungen<br />

103 Ibid., S. 282.<br />

104 Ibid.<br />

105 Sie bezieht sich auf ein Gespräch mit Eric Duverger. Z. Z. Filipczak: Picturing Art in Antwerp ...(siehe Anm.<br />

23). S. 65f. Eine Bestätigung ihrer Annahme sieht Filipczak in dem Umstand, daß die Bilder in den gemalten<br />

Galerien nur selten signiert sind. Dabei stellt sich die Frage, in welchen Fällen überhaupt eine Signatur zu erwarten<br />

ist. Sicher nicht bei Bildern-im-Bild, die nur ‘im Stile von’ gehalten sind und kein existierendes Vorbild nachahmen<br />

- das aber gilt für meisten Bilder in den frühen gemalten Galerien. Bei den ‘Kopien’ wäre zumindest nachzuprüfen,<br />

ob das Original signiert war. Die Honig’sche Erklärung erscheint plausibler: “[…] a central original function<br />

of these paintings[…]” sei es gewesen, die Bühne für ein “[…] display of knowledge[…]” zu bieten. Elizabeth Honig::<br />

“The beholder as work of art ...(siehe Anm. 14). S. 277.<br />

106 Honig bezieht sich dabei u. a. auch auf die von eben jenem Eric Duverger herausgegebenen Antwerpener Inventare.<br />

Eric Duverger: Antwerpse kunstinventarissen uit de zeventiende eeuw. 7 Bände. Brüssel, 1984 - 1994.<br />

107 Elizabeth Honig:: “The beholder as work of art ...(siehe Anm. 14). S. 274 u. 282. Auch sie liefert allerdings kein<br />

Beipiel vor der Mitte des zweiten Jahrzehnts.<br />

Zu Recht betont Honig, daß es nicht unbedingt auf die Richtigkeit der Urteile, sondern vor allem auf das Interesse<br />

und die eigene Einschätzung der Fähigkeiten der Kenner ankommt. Ibid., S. 293, Anm. 121.<br />

108 Ibid., 271.<br />

109 Solange man beim Meister selbst kaufte, konnte man der Authentizität ziemlich sicher sein. Auch die Frage, ob<br />

es sich um ein principael, also die erste Formulierung einer bestimmten Komposition, handelte, konnte sicher meist<br />

einfach geklärt werden.<br />

54


auf die damalige Zeit sind, zeigen des weiteren zwei Schriften aus dem fortgeschrittenen 17.<br />

Jahrhundert: Abraham Bosses »Sentiments sur la distinction des diverses manières de pein-<br />

ture, dessin et gravure et des originaux avec leurs copies« von 1649, dessen Titel allein schon<br />

ein Beleg dafür ist, und Cornelis de Bies »Het gulden cabinet van de edel vry schilder-<br />

const« von 1661. 110 In letzterem betont der Autor etwa in einem Loblied auf den Sammler<br />

und Kenner Anthoni van Leyen, der die Künstler an ihrer Handschrift erkennt, 111 daß ein<br />

gutes Auge wie das des ‘Besungenen’ vonnöten sei, um nicht Gefahr zu laufen, eine Kopie als<br />

ein Original zu kaufen, “[…] Want sonder sulcken oogh men wel verdoolt can loopen/ Om<br />

voor en Principael te coopen een Copy […].” 112 Auch einige der Gespräche, die im »Tagebuch<br />

des Herrn von Chantelou über die Reise des Cavaliere Bernini nach Frankreich« festgehalten<br />

sind, sprechen in ihrer Differenziertheit dafür, daß man im Jahre 1665 zumindest in Frank-<br />

reich und Italien bereits auf eine längere Tradition solcher Konversationen zurückblicken<br />

kann. 113 Damit in Einklang steht eine - allerdings nur für Italien getroffene - Feststellung von<br />

Carol Gibson-Wood:<br />

“[…] indications of early connoisseurs’ methods of attribution have survived from the traditions<br />

associatied with collecting. By the beginning of the sixteenth century, collecting art and displaying<br />

knowledge about art had become proper gentlemanly endeavours. Such activities, the realm of the<br />

conoscitore, involved being able to recognize or comment upon the authorship of artworks.” 114<br />

Man kann also annehmen, daß in Antwerpen zu Beginn des 17. Jahrhunderts, zusätzlich<br />

zu einem auf Inhaltliches oder religiöse Erkenntnis ausgerichteten, auch ein deutlich kenner-<br />

schaftliches Interesse an Malerei und anderen Kunstgattungen bestand. 115 Ebenso ist davon<br />

auszugehen, daß das Personal der gemalten Galerien als Spiegelung und Vorbild dieser Hal-<br />

tung zu verstehen ist.<br />

110 Abraham Bosse: Sentiments sur la distinction des diverses manières de peinture, dessin et gravure et des<br />

originaux d’avec leurs copies. (Paris, 1649) Reprint: Genf, 1973. Cornelis de Bie: Het gulden cabinet van de edel vry<br />

schilderconst ...([Antwerpen], 1661). [Reprint] Soest, 1971.<br />

111 ”[…] En kent de Constenaers elck aen sijn vaste trecken/ die sy met cool en pen, oft met Pinceel ontdecken […] “.<br />

Ibid., S. 195.<br />

112 Ibid., S. 197.<br />

113 Paul Fréart (Sieur de Chantelou): Tagebuch des Herrn von Chantelou über die Reise des Cavaliere Bernini nach<br />

Frankreich. Dt. Bearb. v. Hans Rose. München 1919. Siehe dort etwa S. 63 - 67 oder S. 263.<br />

114 Carol Gibson-Wood: Studies in the Theory of Connoisseurship from Vasari to Morelli. New York; London, 1988.<br />

S. 11.<br />

115 Dafür spricht auch, was Filip Vermeylen bezüglich der südlichen Niederlande, mit Focus auf Antwerpen, im 16.<br />

Jahrhundert schreibt: “[…] the acquisition of works of art for purely esthetic and art-historical motivations was<br />

slowly but surely gaining ground, which went hand in hand with growing connoisseurship. Collectors found it<br />

increasingly fashionable not simply to display a diversified arrangement of pictures , but also to exhibit their expert<br />

knowledge about them.” (In diesem Zusammenhang verweist er auf eine an der Leidener Universität angenommene<br />

“Master’s thesis”, Bert Hendrickx: Het schilderijenbezit van de Antwerpse burger in de tweede helft van de<br />

zestiende eeuw: Een socio-economische analyse. [Leiden, 1997.]) Filip Vermeylen: Painting for the Market... (siehe<br />

Anm. 16). S. 150.<br />

55


Honigs Ausführungen zu den - in Antwerpen besonders häufig angefertigten - Koope-<br />

rationen überzeugen allerdings nur teilweise. So erscheint es durchaus plausibel, die Hände-<br />

scheidung als Prüfstein für die Meisterschaft eines Connoisseurs zu sehen, doch um zu<br />

beurteilen, ob “collaborations” tatsächlich besonders häufig in Galerieinterieurs auftauchen,<br />

und ob gerade diese Stücke “unusual amounts of attention” auf sich ziehen, reichen die drei<br />

angeführten Beispiele nicht aus. In der bereits erwähnten, Jan I Brueghel zugeschriebenen<br />

Galerie mit einem Affen (ABB. I 150) benennt Honig außer einer »Madonna in Blumen-<br />

girlande« noch fünf weitere Bilder, die als fiktive Gemeinschaftsarbeiten in Frage kommen -<br />

“types typically produced collaboratively” -, doch Personen finden sich in dieser Sammlung<br />

nicht. 116 Bei den beiden übrigen Beispielen - eines stammt von Hieronymus Janssens (ABB. I<br />

220) und das andere wird zu Teilen Hans III Jordaens zugeschrieben (ABB. I 230) - 117 nennt sie<br />

dann nur noch eine bzw. zwei mögliche “collaborations”.<br />

Was die Aufmerksamkeit betrifft, die diesen Stücken jeweils entgegengebracht wird, so ist<br />

das entscheidende Kritierium wohl nicht, wie Honigs Formulierung nahelegt, die Quantität,<br />

die nur schwerlich meßbar ist, sondern die Qualität im Sinne der Art und Weise. In beiden<br />

Darstellungen scheint es sich um ein auf malerische Details ausgerichtetes Interesse zu han-<br />

deln, das in einer besonderen Nähe der Betrachter zur Malfläche und in der vorgebeugten<br />

oder gar knienden Körperhaltung zum Ausdruck kommt. Ein solches Verhalten ist bei ent-<br />

sprechenden Kenntnissen wohl durchaus angetan, die ‘Handschriften’ verschiedener Maler<br />

auszumachen, doch ist es ebensogut zu erklären als eine Suche nach Details, die inhaltlich be-<br />

deutsam sind.<br />

Das zeigt sich unter anderem an den zuweilen dem realen Betrachter von Galeriebildern<br />

sinnträchtig entgegengehaltenen Objekten, meist Miniaturen, die er erst dann richtig er-<br />

kennen kann, wenn er sich der Bildfläche weit genug angenähert hat. Beispiele finden sich<br />

etwa in zwei der von Honig zitierten Galerieinterieurs: In dem Janssens-Gemälde hält eine<br />

junge Frau hinter dem knienden Kunstliebhaber in der Mitte ein Bild so vor sich, daß sie<br />

selbst es kaum sehen kann. Auch der reale Betrachter wird dieses Stückes nur teilweise an-<br />

sichtig. Denn der Kopf des Kenners, der indessen nicht diesem Bild zugewendet ist, verdeckt<br />

es zur guten Hälfte. Daß es dennoch dem realen Betrachter ‘zugedacht’ ist, bezeugt außer der<br />

weisenden Geste der jungen Frau ihr Blick. Des weiteren erweckt ihr leicht geöffneter Mund<br />

den Anschein, als wolle sie ihm etwas darüber mitteilen. In dem Londoner Bild steht ganz<br />

116 E. Honig: “The beholder as work of art ...(siehe Anm. 14). S. 281f. Zu der Jan I zugeschriebenen Galerie siehe<br />

Anm. 63.<br />

117 Für Hieronymus Janssens (1624 - 1693) »Gemäldegalerie mit Tanzgesellschaft« (ABB. I 220/ Museum, Montargis)<br />

gibt sie eine Datierung zwischen 1660 und 1680 an und das Hans III Jordaens (auch Hieronymus II Frackens Name<br />

fällt) zugeschriebene Galeriebild aus der National Gallery London wird auf um 1620 datiert (ABB. I 230/ Inv. Nr.<br />

1287. Öl auf Holz, 95, 9 x 123,5 cm.). E. Honig: “The beholder as work of art ...(siehe Anm. 14). S. 280f.<br />

56


vorne links ein Mann, der dem Betrachter scheinbar ein kleinformatiges Gemälde oder kubi-<br />

sches Objekt präsentiert. Erst ein genaueres Hinsehen läßt erkennen, daß sein Blick - und<br />

damit vielleicht auch das Stück, das er hält - nicht dem Betrachter, sondern etwas oder je-<br />

mand anderem jenseits des Bildfeldes gilt. Ein wenig rechts von ihm legt ein zweiter demon-<br />

strativ eine Miniatur auf den Tisch zu weiteren kleinteiligen Stücken, zu deren Entzifferung<br />

und Begutachtung auch eine Lupe bereitliegt. 118<br />

GUILLAM VAN HAECHT. Eine der bekanntesten gemalten Galerien ist »Das Kunstkabinett des<br />

Cornelis van der Geest« von 1628, das heute im Rubenshaus aufbewahrt wird (ABB. I 240). 119<br />

Die Eindeutigkeit des Titels täuscht allerdings. Denn da bislang kein Inventar aufgetaucht ist,<br />

das Aufschluß über den Besitz des erfolgreichen Gewürzhändlers gäbe, ist nicht genau zu<br />

sagen, inwieweit sich die von ihm zusammengetragenen Schätze mit den gezeigten deckten.<br />

Doch es spricht einiges dafür, das Gemälde als eine Darstellung ‘frei nach Motiven’ der Samm-<br />

lung van der Geests anzusehen. So hatte Guillam van Haecht (1593 - 1637), 120 der Maler des<br />

Bildes, als ‘Kurator’ des mäzenatischen Kaufmanns wohl ausreichend Gelegenheit und auch<br />

Anlaß, seinen ‘Arbeitgeber’ und dessen angesehene Gäste in dessen eigener und in nicht einer<br />

fiktiven Sammlung wiederzugeben. 121 Hinzu kommt, daß der Hausherr, der als solcher durch<br />

sein Gewand und seine Position vis-à-vis den prominentesten Besuchern, dem sitzenden erz-<br />

herzoglichen Paar, ausgewiesen ist, auf eine Madonna von Quinten Massys deutet, die nach<br />

Julius Held zusammen mit sieben weiteren der dargestellten Gemälde tatsächlich zum Haushalt<br />

van der Geests gehörte. 122<br />

118 Weitere Beispiele finden sich in der sogenannten »Galerie des Jan Snellinck« (ABB. I 170, der Mann rechts<br />

hinten) und das »Galeriebild für Jean van Baveghem« von Gonzales Coques et al. aus der Royal Collection in<br />

Windsor Castle (ABB. I 440, der Mann in der Mitte). Außer in dem Londoner Bild sind es darüberhinaus just diese Personen,<br />

die sich jeweils hinter dem vorgebeugten oder knienden Betrachter befinden und ihn durch einen Blick zum<br />

realen Betrachter hervorheben, also auf dessen Spiegelung hinweisen. In dem Bild aus der National Gallery übernimmt<br />

diese Funktion eine andere Person, die, wie auch die in dem Janssens-Gemälde, zu einer kleinen Gruppe um<br />

den gemalten Betrachter gehört.<br />

119 Holz, 100 x 130 cm. Het Rubenshuis, Antwerpen.<br />

120 Zu dieser und der bislang gebräuchlicheren Form des Vornamens Willem siehe Gary Schwartz: “Love in the<br />

Kunstkamer. Additions to the work of Guillam van Haecht (1593 - 1637)”, in: Tableau Fine Arts Magazine.<br />

18/1996/Nr. 6. (S. 43 - 52) S. 51f.<br />

121 Außer den Skulpturen rechts müßten dann womöglich auch einige der Gemälde Kopien sein. Filipczak stellt das<br />

für eines der Apelles-Gemälde van Haechts explizit fest, im bezug auf dieses Bild allerdings sagt sie nichts dergleichen.<br />

Z. Z. Filipczak: Picturing Art in Antwerp ...(siehe Anm. 23). S. 59.<br />

122 J. S. Held: “Artis Pictoriae Amator ...(siehe Anm. 97). S. 63f. Eine Quelle dafür gibt er allerdings nicht an. Zuvor<br />

(S. 61) jedoch bezieht er sich auf Fickaerts Schrift über Massys von 1648, in der geschildert wird, wie van der Geest<br />

es ablehnte, Albert und Isabella seine Massys-Madonna zu verkaufen - eine Anekdote zu dem anscheinend historischen<br />

Besuch, die Held eher für apokryph und womöglich erst für eine Folge des van Haecht’schen Bildes hält.<br />

Franchoys Fickaert: Metamorphosis ofte wonderbare Veranderingh’ ende Leven vanden vermaerden Mr. Quinten<br />

Matsys […]. Antwerpen, 1648.<br />

57


Andererseits erscheint der gezeigte Raum - wie eine ganze Reihe der gemalten Galerien -<br />

stark überdimensioniert; das macht beispielsweise ein Vergleich mit den Gegebenheiten des<br />

noch erhaltenen Rubenshauses deutlich, das wohl als ein äußerst stattliches Domizil seiner<br />

Zeit gelten kann. Darüberhinaus erweist sich auch am Personal, daß es van Haecht bei diesem<br />

Bild nicht um die wirklichkeitsgetreue Wiedergabe eines bestimmten Ereignisses und seiner<br />

äußeren Umstände zu tun war. So fand der - zuweilen titelgebende - Besuch von Albert und<br />

Isabella in der Mattenstraat im August des Jahres 1615 statt, einige der Bilder-im-Bild jedoch<br />

entstanden erst in den 20er Jahren und der ebenfalls dargestellte Ladislaus Sigismund von<br />

Polen war nicht vor 1624 in Antwerpen - da Albert bereits 1621 starb, kann auch kein anderes<br />

Aufeinandertreffen an diesem Ort gemeint sein. 123<br />

Unabhängig davon, wie weit die gezeigte und die tatsächliche Sammlung des Gewürz-<br />

händlers miteinander übereinstimmten, besteht kein Zweifel daran, daß es in diesem Ge-<br />

mälde vorrangig um die Person van der Geests geht. Das zeigen sein Wappen über dem Ein-<br />

gang rechts, 124 der Wahlspruch “Vive L’Esprit” am Türsturz darunter, der Bezug auf seinen<br />

Namen nimmt, 125 und die bereits angeführte prominente Position, die er als Hausherr ge-<br />

genüber den Ehrengästen einnimmt. Es ist ein Bild von unverkennbar repräsentativem Cha-<br />

rakter. Der bürgerliche van der Geest zeigt sich als Gastgeber einer exklusiven Besucherschaft,<br />

zu der nicht nur Künstler, Sammlerkollegen und hochrangige Vertreter der städtischen Be-<br />

völkerung wie etwa der Bürgermeister, sondern auch Adlige und selbst Personen königlichen<br />

Geblüts gehören. 126<br />

Wie der Blick durch die Türöffnung rechts erkennen läßt, wird der Zutritt zu diesem ‘Ereig-<br />

nis’ von Soldaten kontrolliert. Einige der Wachen finden Zeit, sich einer Skulptur im Hof<br />

zuzuwenden, doch am Hofeingang verwehren andere einer Reihe von Interessierten oder<br />

Schaulustigen den Einlaß mit Hellebarden. Julius Held schreibt zu diesem Bild: “It seems […]<br />

to be a condensation into one picture of van der Geest’s role in society and as a friend of the<br />

arts.” 127 Eine kleine Änderung an diesem Satz scheint allerdings angebracht. Ohne das ‘and’<br />

123 J. S. Held: “Artis Pictoriae Amator ...(siehe Anm. 97). S. 62. Darüberhinaus schreibt Filipczak, “[…] van Haecht<br />

[…] adjusted the relative sizes of the paintings.” (Z. Z. Filipczak: Picturing Art in Antwerp ...(siehe Anm. 23). S.<br />

59). Beispiele gibt sie allerdings keine. Einzigartig wäre das jedenfalls nicht. Karl Schütz nennt für die Teniers’schen<br />

Darstellungen der bis heute zu Teilen erhaltenen Sammlung Leopold-Wilhelms konkrete Beipiele, an denen<br />

sich deutliche Anpassungen erweisen. Karl Schütz: “Das Galeriebild als Spiegel des Antwerpener Sammlertums”,<br />

in: Von Bruegel bis Rubens. Das goldene Jahrhundert der flämischen Malerei. Hrsg. v. Ekkehard Mai u. Hans<br />

Vlieghe. (Ausst. Kat., Köln; Antwerpen; Wien) Köln, 1992. (S. 161 - 170) S. 168f.<br />

124 Victor I. Stoichita: Das selbstbewußte Bild: Vom Ursprung der Metamalerei. München, 1998 (Diss., Paris, 1989).<br />

S. 166. Hier findet auch einiges zur Bedeutung der Büsten Neros und Senecas über dem Türsturz.<br />

125 Das französische ‘esprit’ entspricht dem niederländischen ‘geest’.<br />

126 Zu der genaueren Identifizierung eines Großteils der Personen siehe etwa J. S. Held: “Artis Pictoriae Amator<br />

...(siehe Anm. 97). S. 68 -71. Einige zusätzliche und auch abweichende Identifizierungen finden sich bei M. Winner:<br />

Die Quellen der Pictura-Allegorien... (siehe Anm. 45). S. 35 -37.<br />

127 Ibid., S. 62.<br />

58


entspräche er der Darstellung wohl eher. Denn vorgeführt wird in diesem Bild strengge-<br />

nommen lediglich van der Geests bedeutende gesellschaftliche Rolle als Kunstliebhaber oder<br />

besser als Besitzer einer überaus stattlichen Sammlung - die vielleicht gar das einzig ent-<br />

scheidende Motiv für das Kommen der hochrangigen Besucher war. 128 Gleichwohl mag dieses<br />

Bild dazu angetan gewesen sein, das gesellschaftliche Ansehen des Kaufmanns auch in ande-<br />

ren als Sammlerkreisen zu festigen und zu steigern. In diesem Zusammenhang ist auf Z. Z.<br />

Filipczak zu verweisen, die meint:<br />

“In cultivating the role of art collectors, the burghers of Antwerp deliberately identified themselves<br />

with an activity that was characteristic of the upper classes. Some of them were genuinely enthusiastic<br />

about paintings. Cornelis van der Geest, for example, demonstrated a disinterested<br />

appreciation of the arts. Others were at least partially motivated in their patronage by the stimulus<br />

of social ambition.” 129<br />

Bei dem ohnehin stark abgeschwächenden “at least partially motivated” bleibt es jedoch<br />

unverständlich, warum die Autorin van der Geest explizit ausnimmt, zumal sie wenig später<br />

schreibt: “[…] the inclusion of identifiable aristocrats in these gallery scenes reflected glory and<br />

prestige on those less illustrious collectors who shared the cultivated interests of the social<br />

elite.” 130 Und auch das Gemälde van Haechts beschreibt sie als eines, “[…] in which the pre-<br />

sence of this distinguished couple [Albert und Isabella] is meant to confer an aura of privilege<br />

upon the company of Antwerp art lovers.” 131<br />

Nach Julius Held spiegelt sich eine soziale Hierarchie in der Gruppierung des Personals<br />

wieder. Die absteigende Reihe beginnt links bei dem erzherzoglichen Paar mit Ladislaus<br />

Sigismund von Polen, einigen Adligen und den städtischen Würdenträgern. 132 Der Hausherr<br />

bildet mit seiner Wirtschafterin Catherine van Mockenborch, der Tante des Malers, den<br />

Übergang zu den Sammlern, d. h. den vier Herren am Tisch und dem etwas weiter rechts vor<br />

einem Gemälde Knienden. 133 Dann folgt rechts um den Globus versammelt eine Gruppe von<br />

sechs Personen, die Held als Maler deutet. Dafür spricht, daß er die drei hinteren von ihnen<br />

128 Etwas später spricht Held selbst von “[…] the social circles with which he [van der Geest] was in contact<br />

through his interest in art.” Ibid., S. 67.<br />

129 Z. Z. Filipczak: Picturing Art in Antwerp ...(siehe Anm. 23). S. 54.<br />

130 Ibid., S. 55. Sinnvoll erscheint diese Aussage allerdings nur dann, wenn auch die ‘less illustrious collectors’<br />

identifizierbar sind. Zudem fragt man sich, warum Filipczak sich nur auf ‘collectors’ bezieht.<br />

131 Ibid.<br />

132 Den Umstand, daß van Dyck, obschon er erst einige Jahr nach der Entstehung des Bildes geadelt wurde, dieser<br />

Gruppe zugeordnet wird, erklärt Held damit, daß van Haecht viele der Portraitierten nach Werken van Dycks gestaltet<br />

habe und damit daß er “[…] particularly close to van der Geest […]” gewesen sei. J. S. Held: “Artis Pictoriae<br />

Amator ...(siehe Anm. 97). S. 68.<br />

133 Allerdings identifiziert Held lediglich zwei von ihnen: Pieter Stevens, ganz rechts mit dem Portrait einer<br />

Dame in der Hand, und Jacques de Cachiopin, der zweite rechts von der Wirtschafterin. Den Knienden rechnet er nur<br />

unter Vorbehalt zu dieser Gruppe. Ibid., S. 69.<br />

59


als solche identifizieren kann. 134 Es fällt jedoch auf, daß sich nur die drei vorderen, die<br />

‘übrigbleiben’, tatsächlich mit dem Globus beschäftigen bzw. entsprechendes Gerät in Händen<br />

halten. 135 Womöglich sind sie als Vertreter der Wissenschaften zu verstehen - die in den<br />

gemalten Galerien mehr und mehr in den Hintergrund treten. 136 Wie dem auch sei, ent-<br />

scheidend ist die Nähe der Maler zum Globus, denn sie ist ein Zeichen für ihre Gelehrsam-<br />

keit, ein Hinweis auf den pictor doctus. Ebenfalls zu den Malern rechnet Held den Mann, der<br />

rechts die Treppe zum Eingang hinaufsteigt. Er vermutet darin ein Selbstportrait Guillam van<br />

Haechts. Die vier Personen, die sich paarweise links und rechts im hinteren Teil des Raumes<br />

befinden, bilden das untere Ende der Hierarchie. Held sieht in ihnen Bildhauer. Allerdings<br />

führt er nur ein äußerst schwaches Indiz für diese These an: “They are examining pieces of<br />

sculpture which was probably van Haecht’s way of showing that they were sculptors them-<br />

selves.” 137<br />

Obwohl Filipczak Held bezüglich der ‘Bildhauer’ und der Gliederung des Personals nach<br />

sozialem Rang folgt, 138 finden sich bei ihr Argumente, die - zumindest dem ersten Anschein<br />

nach - all dem widersprechen. Sie schreibt: “[…] the sword was a sign of the wearer’s noble<br />

status. […] Current dress regulations […] prohibited anyone other than noblemen, officers of ju-<br />

stice, or military officers from wearing a sword.” 139 Von den paarweise links und rechts ange-<br />

ordneten ‘Bildhauern’ aber trägt jeweils einer einen Degen, obschon sie, wie Filipczak betont,<br />

aufgrund des “[…] lower social status of their profession […]” 140 im hinteren Teil des Raumes<br />

positioniert seien. Ebenfalls mit einem Degen bewaffnet ist eine der sechs Personen am Glo-<br />

bus, die Held als Maler deutet, und der vor Jan Wildens’ »Landschaft mit Jäger« kniende<br />

Mann etwas links davon, den Held - wenn auch unter Vorbehalt - zu den Sammlern zählt. Da<br />

134 Die drei hinteren bestimmt er - von rechts nach links - als Hendrik van Balen, Frans Snyders und Jan Wildens.<br />

Ibid., S. 71.<br />

135 Zwar beugt sich mit Jan Wildens (siehe vorangehende Anm.) auch einer der identifizierten Maler über den Globus,<br />

doch er blickt den Betrachter an und verweist ‘nur’ auf die Wichtigkeit der Beschäftigung mit diesem Instrument.<br />

136 Noch ein wenig anders sieht es Ursula Härting. Ihrer Ansicht nach verbergen sich hier die zeitgenössischen<br />

Maler “[…] in der Rolle von Gelehrten […]”. Härting 89, S. 25. Filipczak deutet die Personen am Globus als eine<br />

Anspielung auf den für die Antwerpener Maler vorbildhaften Apelles, dessen “specialty” die Geometrie gewesen<br />

sei. Z. Z. Filipczak: Picturing Art in Antwerp ...(siehe Anm. 23). S. 114.<br />

137 J. S. Held: “Artis Pictoriae Amator ...(siehe Anm. 97). S. 72.<br />

138 Sie hält seine Argumentation bezüglich der Bildhauer für überzeugend, da “[…] the portrayal of sculptors as<br />

liefhebbers of sculpture rather than as professional artists was not unusual.” Z. Z. Filipczak: Picturing Art in Antwerp<br />

...(siehe Anm. 23). S. 114. Bei den Beispielen jedoch, auf die sie sich bezieht, handelt es sich um Einzelportraits,<br />

auf denen die Hand der dargestellten Bildhauer auf einer Skulptur - zuweilen aus eigener Produktion -<br />

ruht. Diese Art der Darstellung ist wenig spezifisch. Nicht nur Bildhauer, sondern vor allem Sammler und gelegentlich<br />

auch Maler - wie Filipczak selbst erwähnt - werden so portraitiert. Ibid., S. 111.<br />

139 Ibid., S. 98. Zwar räumt sie - in Klammern - ein, daß die Kleiderordnung nicht immer strikt befolgt wurden, doch<br />

eine gewisse Verbindlichkeit muß sie diesen Regeln wohl zuschreiben, denn sonst hätte es keinen Sinn auf sie zu verweisen.<br />

140 Ibid., S. 114.<br />

60


diese Personen bislang nicht identifiziert wurden, ist nicht zu entscheiden, ob sie die Waffen<br />

rechtmäßig tragen. Geht man aber davon aus, daß die Kleiderordnung befolgt wurde, bedeutet<br />

das, daß die von Held vorgeschlagene hierarchische Gliederung zumindest nicht konsequent<br />

durchgehalten ist. Andererseits läßt die Tatsache, daß auch van Dyck, links hinter van der<br />

Geest, einen Degen trägt, obwohl er erst vier Jahre nach der Entstehung des Gemäldes geadelt<br />

wurde, auf eine weniger strikte Einhaltung der Regeln schließen, zumal dieser Verstoß sozusagen<br />

unter den Augen der Statthalter begangen wird. 141<br />

»Das Kunstkabinett des Cornelis van der Geest« ist nicht das erste Galeriebild, dessen Per-<br />

sonal - zumindest teilweise - identifizierbar ist. Bislang sind wenigstens drei frühere Beispiele<br />

auszumachen, bei denen das ebenfalls möglich ist. 142 Es sind zwei Kunstkammern von Frans<br />

II Francken 143 und das bereits angeführte Gemälde des Prado von Hieronymus II Francken<br />

und Jan I Brueghel (ABB. I 190). Mit Justus Lipsius (1547 - 1606/ ABB. I 250) bzw. mit Justus Lip-<br />

sius und Abraham Ortelius (1527 - 1598/ ABB. I 260) führt Frans II in zwei seiner gemalten Galerien<br />

Gelehrte vor, die schon einige Jahre vor der Entstehung der Bilder verstorben waren. 144<br />

Als anerkannte Geistesgrößen vergegenwärtigen sie in besonderer Weise den Sinn einer<br />

Sammlung. Sie zeigen, daß es um weit mehr als Prunk und Repräsentation geht, daß die Be-<br />

schäftigung mit den Sammlungsstücken und der Austausch darüber Erkenntnis befördert.<br />

Härting geht noch einen Schritt weiter, im Zusammenhang mit Lipsius’ Konvertierung zum<br />

katholischen Glauben spekuliert sie:<br />

“Vielleicht ist die Einfügung von Lipsius die subtile Erläuterung, daß der Humanist anhand von<br />

Historia und Ars sacra den Weg zum rechten Glauben gefunden hatte. Lipsius wäre damit in den<br />

Gemalten Galerien ein repräsentatives Exemplum für die Überzeugungsfunktion der Gemälde und der<br />

141 Interessanteweise stammt von Albert und Isabella “[…] an edict forbidding anyone who had not been officially<br />

ennobled to assume a noble title on his own. In 1661 this edict [von 1616] had to be republished, yet abuse continued.<br />

Titles, coats of arms, and other attributes of nobility were illegally assumed. Swords were worn and canes carried.”<br />

Ibid., S. 54.<br />

142 Genauer ist das nicht zu sagen, da zuweilen einfach nicht zu entscheiden ist, ob es sich um Staffagefiguren oder<br />

Darstellungen von Personen handelt, die wenigstens zur Entstehungszeit des jeweiligen Bildes noch zu identifizieren<br />

waren.<br />

143 »Galerieinterieur mit Justus Lipsius«, Holz, 53 x 73 cm. 1611-1615. Versteigerung Palais des Beaux-Arts, Brüssel,<br />

20. - 22. 2. 1959, Nr. 408, Abb. T. XI.(ABB. I 250/ Härting 89, Kat. Nr. 459). »Galerieinterieur mit Justus Lipsius und<br />

Abraham Ortelius«, Holz, 67,3 x 71,8 cm. 1618. Slg. P.A.B. Widener, Philadelphia. (ABB. I 260/ Härting 89, Kat.<br />

Nr. 460). Wie bereits die Titel nahelegen hat man bisher nur eine respektive zwei der jeweils drei Figuren mit Sicherheit<br />

bestimmen können. In der ebenfalls Frans II zugeschriebenen Galerie aus der Sammlung P. de Lande-Long<br />

(ABB. I 111/ 1610-1612. Härting 89, Kat. Nr. 456) meint Härting des weiteren zwei der vier Personen als Rembert<br />

Dodoens (1517 - 1585) bzw. Frans II Francken erkennen zu können. U. Härting: “>doctrina et pietas< ... (siehe Anm.<br />

13). S.113.<br />

144 Nach Härting könnte es sich bei dem Mann, der im 1959 in Brüssel versteigerten Gemälde (ABB. I 250) etwas<br />

links hinter Lipsius sitzt, um den Humanisten Juan Luis Vives (1492 - 1540) oder um Gemma Frisius (?-?) handeln,<br />

“[…] der als Begründer der flämischen Geographie und Vermessungskunde gilt […]”. Als formale Übereinstimmung<br />

nennt sie allerdings lediglich die zu Franckens Zeit seltene Bartlosigkeit der Genannten und des Dargestellten. U.<br />

Härting: “>doctrina et pietas< ... (siehe Anm. 13). S.113 - 115.<br />

61


wissenschaftlichen Studien.” 145<br />

In dem Beispiel von Hieronymus II und Jan I sind sieben der zehn Figuren des Vorder-<br />

grunds einzeln oder paarweise im Raum verteilt und führen vor, wie man sich vernunft-<br />

gemäß mit den verschiedenartigen Sammlungsstücken beschäftigt. 146 Im Gegensatz zu diesen<br />

tragen die drei übrigen Figuren deutlich portraithafte Züge und befinden sich an zentraler<br />

Stelle auf den Betrachter ausgerichtet, ohne sich mit irgendwelchen Gegenständen zu befas-<br />

sen. Mit Albert und Isabella sind von diesen dreien jedoch bislang nur zwei identifiziert. Vic-<br />

tor Stoichita deutet sie als Vertreter der Habsburger, “[…] die den Triumph der »Tugend« über<br />

die »Unwissenheit« sicherten.” 147 Durch ihre Anwesenheit ist der Besuch einer Sammlung<br />

und damit wohl auch das Anlegen einer solchen abermals und mit Nachdruck als edle Be-<br />

schäftigung ausgewiesen. Ebenso wie den Gelehrten bei Frans II kann man ihnen eine Vor-<br />

bildfunktion zuschreiben.<br />

Darüberhinaus aber lassen sich, solange die Person zwischen Albert und Isabella nicht ge-<br />

nauer identifiziert ist, nur Vermutungen anstellen und in ihren Auswirkungen durchspie-<br />

len. Wäre es etwa ein ähnlich vorbildhafter Begleiter, also beispielsweise ein Adliger oder ein<br />

Gelehrter, verstärkte er lediglich die mit den Statthaltern verbundenen positiven Konno-<br />

tationen und fügte ihnen unter Umständen auch eine andere Qualität hinzu. Handelte es sich<br />

hingegen um einen bürgerlichen Kenner oder Sammler, würde er seinerseits durch die Nähe<br />

zu dem erzherzoglichen Paar ausgezeichnet. 148<br />

Diese drei Beispiele sind Idealbilder eines sinnvollen Umgangs mit den Gegenständen<br />

einer Sammlung. Das bestimmende Element ist die Vorbildhaftigkeit. In dem ‘Ereignisbild’<br />

van Haechts hingegen gewinnt nicht nur die Beschäftigung mit den schönen Künsten, son-<br />

dern vor allem ein repräsentativer Charakter die Oberhand. Van der Geest wird als eine<br />

Person höchsten Ansehens vorgeführt, in deren Sammlung man sich trifft. Sicher, in Ge-<br />

wand, Haltung und Gebärde wirkt er bescheiden. 149 Auch der Hinweis auf seine Groß-<br />

145 Ibid., S. 119. Zudem sieht sie in dem Umstand, daß die Gelehrten, die sich bei Frans II finden, alle in den südlichen<br />

Niederlanden tätig waren einen “[…] Anspruch auf katholische und nationale Vorrangstellung.” Ibid., S. 115,<br />

Anm. 50.<br />

146 Auf die Sinnhaftigkeit ihres Tuns verweisen, wie oben genauer ausgeführt, nicht nur Minerva und Merkur über<br />

der Tür, sondern als Gegenbilder auch das große Gemälde über dem Buffet, in dem Minerva und Fama Pictura im<br />

Kampf gegen die Unwissenheit zur Hilfe eilen, und die am Boden stehende Kunstkammer mit ânes iconoclastes.<br />

147 Victor I. Stoichita: Das selbstbewußte Bild... (siehe Anm. 124). S. 149. Es sei daran erinnert, daß der Triumph<br />

der Vernunft über die Unwissenheit auch in dem zentralen Bild-im-Bild thematisiert wird. Vgl. S. 36/7.<br />

148 Um den Besitzer der dargestellten Sammlung handelt es sich m. A. n. nicht. Dagegen spricht, daß sich der gezeigte<br />

Raum fast identisch in dem besprochenen Prado-Bild (, das früher zu datieren ist, vgl. Anm. 96 u. 111 ) findet,<br />

die Person dort jedoch nicht auftaucht. Auch wenn produktionstechnische Gründe eine große Übereistimmung bezüglich<br />

der Räumlichkeiten evtl. erklären könnten, würde man im Falle eines Besitzerportraits wohl zumindest einzelne<br />

prominente Stücke aus dessen Sammlung erwarten.<br />

149 Es fällt auf, daß er in Haltung und Gebärde große Ähnlichkeiten mit dem Christus verleugnenden Petrus in dem<br />

Gemälde rechts neben dem Buffet aufweist.<br />

62


zügigkeit als Mäzen ist moderat gehalten, 150 es ist eine unscheinbare Zeichnung am vorderen<br />

Rand des Tisches, die die Anekdote von Apelles, Alexander und Kampaspe wiedergibt. 151<br />

Schließlich finden sich noch einige Mahnungen, das rechte Maß zu halten: so zeigt das Ge-<br />

mälde hinter van der Geest, das bezeichnenderweise seine streng schauende Hauswirt-<br />

schafterin hält, einen Tisch mit Früchten und zwei Affen - wohl in Anlehnung an frühere<br />

Galerieinterieurs der Franckens - und hinten rechts deutet jemand auf die Skulptur des zügel-<br />

losen Bacchus und blickt dabei zu den Personen vorne am Globus, 152 deren Aufmerksamkeit<br />

sich auf einen Zirkel richtet und die so auf temperantia verweisen. 153 Doch der vorherr-<br />

schende Eindruck ist ein anderer. Die Kunstkammer ist deutlich überdimensioniert. Der<br />

Raum ist angefüllt mit einer ausgesprochenen Vielzahl von Gemälden und Skulpturen, dar-<br />

unter eine ganze Reihe von großformatigen Stücken, selbst überlebensgroßen und weithin<br />

bekannten wie dem »Apollo Belvedere« und dem »Herkules Farnese« . 154 Darüberhinaus<br />

strotzt das zahlreiche und überwiegend identifizierbare Personal geradezu vor Prominenz,<br />

die unverkennbar auf den Betrachter ausgerichtet ist und zu großen Teilen auch mit Blicken<br />

seine Aufmerksamkeit zu erregen sucht.<br />

Wie ein Gegenbild zu diesem vermeintlich dokumentarischen Gemälde wirkt van<br />

Haechts »Galerie mit Alexander, Apelles und Kampaspe« (ABB. I 270). 155 Das Personal der<br />

150 Es scheint sich hier nicht allein um eine Schmeichelei des Malers zu handeln. Dazu siehe Gary Schwartz:<br />

“Love in the Kunstkamer... (siehe Anm. 120). S. 50. Oder Frans Baudouin: Pietro Pauolo Rubens. (aus d. Niederl.<br />

übers. v. K. Jacobs) Königstein im Taunus, 1977. S. 297.<br />

151 Alexander der Große ließ seine Geliebte Kampaspe (zuweilen auch Pankaspe) von Apelles malen. Als er bemerkte,<br />

daß der Maler sich in sie verliebt hatte, machte er sie ihm als Zeichen seiner Wertschätzung zum Geschenk,<br />

“[…] wobei er sich nicht einmal durch Rücksicht auf die Geliebte abhalten ließ, die erst einem König angehört<br />

hatte und nun einem Maler gehören sollte.” C. Plinius Secundus d. Ä.: Naturkunde. Lateinisch - deutsch. Buch<br />

XXXV: Farben, Malerei, Plastik. Hrsg. u. übers. v. Roderich König in. Zusammenarb. m. G. Winkler. Darmstadt,<br />

1978. 86 - 87, S. 69. In dem sogenannten »Kunstkabinett des Sebastian Leerse« von Frans II Francken und einem unbekannten<br />

Portraitisten findet sich diese Anekdote als ein großes, an den unteren Bildrand gerücktes Gemälde (ABB. I<br />

241/ Koninklijk Museum voor Schone Kunsten, Antwerpen, Inv. Nr. 669. Dat. auf 1628/9. Vgl. Härting 89, Kat. Nr.<br />

461, Z. Z. Filipczak (Picturing Art... (siehe Anm 23). 87, S. 61 und H. U. Asemissen u. G. Schweikhart: Malerei als<br />

Thema der Malerei. Berlin, 1994. S. 122f.). Selbst wenn es sich bei den Portraitierten nicht um Leerse mit Frau und<br />

Kind handeln sollte, wie van Dycks Portrait der Familie in Kassel anscheinend nahelegt, deutet dieses Bild-im-<br />

Bild an so hervorgehobener Stelle wohl zumindest auf einen Sammler mit Familie hin.<br />

152 Härting hält es für möglich, daß es sich bei dieser Person um Frans II Francken handelt. Es spricht einiges dafür,<br />

ihn in dem Bild zu vermuten. So arbeiteten van Haecht und Frans II etwa ein Jahr vor der Fertigstellung des ‘Sammlungsportraits’<br />

im Auftrag van der Geests gemeinsam an einem Altar in Lier. Auch sind bereits einige Antwerpener<br />

Maler in der Galerie des Gewürzhändlers identifiziert worden. Warum also sollte nicht auch Frans II auftauchen,<br />

den van der Geest anscheinend schätzte, den van Haecht kannte und dem er in bezug auf den Bildtyp der gemalten<br />

Galerie einiges zu verdanken hatte. Vgl. Härting 89, S. 25f.<br />

153 Vgl. Härting, die im Zusammenhang mit Zirkel und Globus auch eine Temperantia-Darstellung Pieter I Brueghels<br />

nennt (ABB. I 242). U. Härting: “>doctrina et pietas< ... (siehe Anm. 13). S.104f.<br />

154 Wenn auch wohl niemand ernsthaft angenommen haben dürfte, daß es sich bei letzeren um die Originale handeln<br />

könnte. Natürlich sind sie auch als Allegorien von Bedeutung: Apollo zeichnet als Herr des Parnaß zusammen<br />

mit der vatikanischen Muse auf der anderen Seite des Zugangs die Sammlung als Musentempel aus und Herkules ist<br />

“[…] Tugendvertreter und Beschützer der Musen.” M. Winner: “Gemalte Kusttheorie... (siehe Anm. 76). S. 155.<br />

155 Holz, 105 x 149,5 cm. Mauritshuis, Den Haag. Ein ganz ähnliches Galerieinterieur van Haechts befindet sich in<br />

Frankreich in der Sammlung Charles de Beistegui (Holz, 76 x 111 cm/ ABB. I 271).<br />

63


isherigen Beispiele bestand aus Staffagefiguren oder historischen Personen, die durch ihre<br />

Kleidung ausgewiesen waren als Zeitgenossen und in seltenen Fällen auch als Vertreter<br />

vorangegangener Epochen. 156 Hier nun treten als Hauptakteure in einer Sammlung des 17.<br />

Jahrhunderts Gestalten des vierten Jahrhunderts vor Christus auf. Der siegreiche Alexander<br />

der Große und sein Hofmaler Apelles sind zusammen mit der zu malenden Geliebten des<br />

Herrschers und einigem Gefolge an die Stelle van der Geests und seiner prominenten Gäste<br />

getreten.<br />

Zunächst ist das wohl als Ausdruck der außerordentlichen Wertschätzung zu verstehen,<br />

die dieser Malerheros in Antwerpen genoß. Nach Stoichita war er dort “[…] , neben dem hei-<br />

ligen Lukas, geradezu zu einem zweiten Patron der […] Malergilde geworden. Die Malerei<br />

wurde dort gepriesen als apellea ars, und die Mitglieder der Gilde grüßte man als »getreue<br />

und werte Schüler des Apelles«.” 157 Darüberhinaus eignet sich diese Episode aus der »Natur-<br />

geschichte« des Plinius als Beispiel für ein - zumindest aus Sicht der Maler - vorbildliches<br />

Verhältnis zwischen Künstler und Mäzen besonders gut für die Darstellung in einer gemalten<br />

Galerie.<br />

Ebenso bedeutsam aber scheint der Umstand, daß Alexander und Apelles - unter anderem -<br />

als Charaktere der Kampaspe-Anekdote bereits Gegenstand von Malerei waren. Diese An-<br />

nahme wird durch ein weiteres Kunstkammerbild van Haechts gestützt, in dem sich einzig<br />

der alttestamentarische Joseph mit dem Weib des Potiphar findet, Personal also, das zwar<br />

seltsam deplaziert an solch einem Ort wirkt, das aber ebenfalls zuvor in Bildern dargestellt<br />

worden war (ABB. I 280). 158 Schon bei früheren Galerieinterieurs hatten sich Maler für die Por-<br />

traitierten aus vorhandenen Bildern ‘bedient’, doch ging es dabei wohl vornehmlich um die<br />

einzelne Person und deren Wiedererkennbarkeit. 159 Im Gegensatz dazu besteht das Personal<br />

156 Des weiteren gibt es auch noch eine Reihe von Galerieinterieurs, in denen allegorische Figuren auftauchen,<br />

Personifikationen des Geruchs, des Gesichts (etwa ABB. I 113) oder der Pictura (etwa ABB. I 310). Dazu siehe etwa<br />

Gary Schwartz: “Lady Pictura Painting Flowers”, in: Tableau Fine Arts Magazine. 15/1993/Nr. 6. S. 66 - 81.<br />

157 Victor I. Stoichita: Das selbstbewußte Bild... (siehe Anm. 124). S. 161. Zur Bedeutung des Apelles seit der Renaissance<br />

und zu früheren Darstellungen siehe das erste Kapitel “Apelles als Verkpörperung der Pictura” in M.<br />

Winner: Die Quellen der Pictura-Allegorien ...(siehe Anm. 45), besonders S. 5 - 34.<br />

158 Holz, 51 x 70 cm. Auktion Lepke, Berlin, 11. u. 12. Juni 1936. Als Bild-im-Bild findet sich dieses Thema in der<br />

sog. »Galerie des Jan Snellinck« von Hieronymus II (ABB. I 170) und in zwei Hans III Jordaens und Cornelis de Baellieur<br />

zugeschriebenen Stücken (ABB. I 320 u. I 350). Ein Hinweis auf einen inhaltlichen Bezug zu einer Sammlung<br />

findet sich im LCI. In ihrem Artikel zu Joseph von Ägypten schreibt Ursula Nilgen: “In den Bildhss. der Somme le<br />

Roi (ab E. 13. Jh.) steht des J. Flucht vor Potiphars Frau für die Überwindung der Luxuria durch Castitas […]”. (Lexikon<br />

der christlichen Ikonographie. Hrsg. v. E. Kirschbaum SJ in Zusammenarb. m. G. Bandmann u.a. Rom u. a., 1990<br />

(Sonderausg.). 2. Band: Allg. Ikonographie F - K. Sp. 431/2.) Wenn es aber um die Überwindung der luxuria und<br />

nicht der voluptas geht, könnte das Paar wie die Affen bei Francken als Verweis auf das Maßhalten, das man beim<br />

Anlegen einer Sammlung walten lassen sollte, verstanden werden. G. Schwartz hingegen sieht in dieser biblischen<br />

Episode wie in der des Plinius “[…] examples of the desire to posess, exited by the sense of sight.” Das zusammen mit<br />

einer ganzen Reihe von Darstellungen ( z. B. Susanna u. d. Alten, Samson u. Delilah, Jupiter und Antiope) in van<br />

Haechts Galeriebildern deutet er als Hinweis auf die Erkenntnis: “Love of art is not an innocent occupation.” G.<br />

Schwartz: “Love in the Kunstkamer... (siehe Anm. 120). S. 47.<br />

159 Für seine Kunstkammer mit Justus Lipsius etwa (ABB. I 250) orientierte sich Frans II Francken an den »Vier Phi<br />

64


in van Haechts neuer Variante - wenn auch nicht ausschließlich - aus Charakteren, die als<br />

Teile einer längst in Malerei umgesetzen Erzählung zusammengehören. Es ist fast als handele<br />

es sich um die Figuren eines Bildes-im-Bild, dessen Rahmen weggelassen wurde. 160 So wird<br />

besonders sinnfällig, daß der mit jedem Rahmen postulierte Realitätssprung zwischen darge-<br />

stellter Sammlung und Bild-im-Bild rein fiktiv ist, daß die gemalten Besucher ein und dersel-<br />

ben Realitätsebene entstammen wie das Personal der Gemälde, die zu betrachten sie gekommen<br />

sind. 161<br />

SPÄTE BEISPIELE FRANS II FRANCKENS. Im Vergleich zum zweiten Jahrzehnt sind aus den 20er<br />

und 30er Jahren des 17. Jahrhunderts - zumindest bislang - nur wenige Galeriebilder von<br />

Frans II Francken bekannt. 162 Es fällt auf, daß diese späten Stücke sich formal kaum von<br />

seinen frühen unterscheiden. Während andere Maler dazu neigen, die Sammlungsräume<br />

weitläufig und gut gefüllt darzustellen und sie mit mehreren großen Fenstern zu versehen,<br />

durch die viel Tageslicht eindringt, bleibt Frans II bei eher kleinen, intimen Kabinetten mit<br />

verhältnismäßig wenig Personal. 163<br />

In dem Stockholmer »Galerieinterieur« von 1636 etwa zeigt er einen flachen Bildraum<br />

mit einer schmalen und verschatteten Rückwand, darin finden sich sechs Personen (ABB. I<br />

290). 164 Links sitzt eine Dame mit dem Rücken zum Betrachter auf einem Stuhl. Obschon ihr<br />

losophen« von Rubens. Härting 89, Kat. Nr. 459. Zu weiteren Gelehretenportraits siehe Anm. 164, 166 u. 167 bzw.<br />

vgl. U. Härting: “>doctrina et pietas< ... (siehe Anm. 13). S. 111 - 113. Van Haecht verwendete nach Held für das<br />

Personal der van der Geest’schen Kunstkammer (ABB. I 240) Portraits van Dycks.J. S. Held: “Artis Pictoriae Amator<br />

...(siehe Anm. 97). S. 68. Auch Albert und Isabella werden Jan I Brueghel für das Galeriebild in Baltimore (ABB. I<br />

190) kaum Model gesessen haben. Einen etwas anders gelagerten Fall dürfte der in einer schon angeführten gemalten<br />

Galerie van Haechts (ABB. I 175, aber auch hinten links in ABB. I 271) auftauchende Paracelsus darstellen. Der<br />

nämlich ist eindeutig Quentin Massys Portrait dieses Artztes und Philisophen aus dem frühen 16. Jh. entsprungen,<br />

das sich bezeichnenderweise auch im van-der-Geest-Bild findet.<br />

160 Ein einzelnes Vorbild ist allerdings nicht auszumachen. Wie G. Schwartz aber feststellt stammt die Frau im<br />

Schatten der Leinwand bei Kampaspe aus Frans II Franckens Darstellung dieser Apelles-Episode von 1617 (Slg.<br />

Duke of Devonshire, Chatsworth, Inv. Nr. 75/ 862). Für die Figur der Kampaspe verweist er außerdem auf das<br />

Bildnis einer Dame aus der »Galerie des Cornelis van der Geest« (ABB. I 240/ Kopf und Armhaltung), versäumt<br />

aber, auch das Gemälde über dem Durchgang - direkt rechts neben ersterem - zu nennen, aus dem das Gewand, der<br />

Unterkörper und der Hund übernommen sind. G. Schwartz: “Love in the Kunstkamer... (siehe Anm. 120). S. 47.<br />

161 In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, daß Affen und Papageien, die sich in den gemalten Galerien im<br />

Sammlungsraum befinden, bevor sie ganz verschwinden, zuweilen noch in einem Bild-im-Bild auftauchen. Vgl.<br />

»Die Galerie des Cornelis van der Geest« (ABB. I 240) und zwei Galeriebilder von C. de Baellieur und Hans III<br />

Jordaens ( ABB. I 330 u. I 340) Residenz Galerie, Salzburg bzw. Louvre, Paris, Inv. Nr. M.I. 699)<br />

162 Härting führt für das zweite Jahrzehnt knapp 20 gemalte Galerien (incl. Preziosenwänden) an (Härting 89, Kat.<br />

Nr. 441 - 460.). Hinweise auf zwei weitere Stücke, die in Zusammenarbeit mit Jan I Brueghel entstanden, finden sich<br />

bei G. Schwartz: “Lady Pictura... (siehe Anm. 156). Beim »Kunstkabinett des Sebastian Leerse« (ABB. I 241/ vgl.<br />

Anm. 173) hält Härting eine Fixierung auf 1628/9 für vertretbar (Härting 83, S. 162.). Aus den 30er Jahre kennt man<br />

bisher vier (bzw. drei, vgl. folgende Anm.) Galeriebilder.<br />

163 Als eine Ausnahme mag »Das Gastmahl im Haus des Bürgermeisters Rockox« gelten (ABB. I 172. ca. 1630 - 1635.<br />

Bayr. Staatgemäldesamml., Alte Pinakothek, München, Inv. Nr. 858. Härting 89. Kat. Nr. 462.). Allerdings zählt<br />

dieses Bild auch nur bedingt zu den gemalten Galerien. So fehlen etwa die sonst unvermeidlich an Wänden, Stühlen,<br />

Tischen oder Staffeleien lehnenden Gemälde. Die Hauptszene ist fraglos das Festessen und der einzige Betrachter<br />

scheint vor allem als Teil einer Sinne-Allegorie motiviert.<br />

164 Kupfer, 47,5 x 58,3 cm. Hallwylska Museet, Stockholm, Inv. Nr. B 69. Härting 89, Kat. Nr. 463.<br />

65


ein junger Mann etwas zu dem Gemälde erläutert, das sie in Händen hält, gilt ihre Aufmerk-<br />

samkeit im Moment dem Herrn mit Hut am linken Bildrand. Der besieht sich ein noch<br />

ungerahmtes »Urteil des Paris«. Dabei fixiert ihn ein Mann etwas rechts von ihm, der an-<br />

scheinend ebenso wie die sitzende Dame auf seine Meinung zu der Tafel wartet. Eine fünfte<br />

Person wird nur durch einen Kopf zwischen diesen beiden Männern angedeutet, ihre Blick-<br />

richtung ist nicht genau auszumachen. Von rechts schließlich bringt ein junger Lakai mit der<br />

Vorderseite voran ein weiteres Gemälde herbei und schaut aus dem Bild. So wird der reale<br />

Betrachter ähnlich wie seine Spiegelung in der Malerei bei der Kunstbetrachtung beobachtet.<br />

Bedeutsam in diesem Zusammenhang scheint das »Urteil des Paris«. Wie Müller Hofstede<br />

schreibt, wurde die Entscheidung des Priamossohnes mehrfach - auch in Kreisen nieder-<br />

ländischer Humanisten - als Ausdruck von Torheit und zuweilen auch von Triebhaftigkeit<br />

gedeutet. 165 Danach könnte man dieses Bild-im-Bild also etwa verstehen als Warnung vor<br />

einer Beurteilung von Kunstwerken ausschließlich nach Gesichtspunkten oberflächlicher<br />

Schönheit. Dafür spricht auch das Gemälde, das groß und zentral über dem Buffet hängt und<br />

auf dem mit Minerva eine der von Paris verschmähten Göttinnen dargestellt ist. 166 Es zeigt sie<br />

mit den neun Musen auf dem Helikon, bei der von Pegasus geschlagenen Quelle der Inspi-<br />

ration und folglich nicht vorrangig als Kriegsgöttin, sondern als Beschützerin der Künste, die<br />

auch und hier wohl besonders für sapientia und damit für eine verstandesmäßige Rezeption<br />

von Kunst steht. 167<br />

Wie bereits erwähnt, achtet die Dame auf dem Stuhl im Moment auf den eleganten Herrn<br />

links von ihr, doch es steht außer Zweifel, daß die Erläuterungen des jungen Mannes zu dem<br />

Bild in ihren Händen an sie gerichtet sind. Somit ist sie als weiblicher Kunstbetrachter zu<br />

verstehen. Auch in den vorangegangenen Beispielen tauchen zuweilen Frauen auf, kaum<br />

eine von ihnen aber ist mit einem Kunstwerk beschäftigt. Bei den meisten handelt es sich um<br />

repräsentativ auf den Betrachter ausgerichtete Portraits, so in dem Galerieinterieur aus Balti-<br />

more von Hieronymus II Francken und Jan I Brueghel (ABB. I 190), in Frans II Franckens<br />

sogenanntem »Kunstkabinett des Sebastian Leerse« (ABB. I 241) und in dem »Kunstkabinett<br />

des Cornelis van der Geest« (ABB. I 240).<br />

In dem Baltimore-Bild sind abgesehen von der portraitierten Isabella noch zwei weibliche<br />

165 Justus Müller Hofstedes Artikel zur Kat. Nr. 1.1 in: Von Bruegel bis Rubens... (siehe Anm. 123). S. 259f. Triebhaftigkeit<br />

wurde anscheinend als etwas dem Verstand und dem Erlangen von Wissen Entgegengesetztes gesehen.<br />

Vgl. Anm. 61.<br />

166 Dies ist einer der wenigen Fälle, wenn nicht der einzige, in denen sich bei Frans II ein nicht religiöses Sujet an<br />

dieser prominenten Stelle findet.<br />

167 Vgl. Claudia Brink: “Pegasus und die Künste. Eine Einführung” und G. M. Webers Artikel zur Kat. Nr. IV.20,<br />

beides in: Pegasus und die Künste... (siehe Anm. 45). S. 11 - 25 (bes. S. 12) bzw. S. 206.<br />

Außer diesen beiden Bildern-im-Bild könnte sich noch das Gemälde, das der Lakai so auffällig mit der Schauseite<br />

voran herbeischafft, als interessant erweisen. Leider erlauben die Abbildungen nicht, das Sujet zu erkennen.<br />

66


Staffagefiguren, wahrscheinlich Hofdamen, auszumachen. Die Frau am Tisch rechts unterhält<br />

sich mit einem Herrn, wobei der Ausgangspunkt für das Gespräch die Blume in ihrer Rechten<br />

gewesen sein mag. Die Zweite, links hinten, ist ebenfalls in einer Konversation mit einem<br />

Mann begriffen, womöglich über die Drebbel’sche Sphäre auf dem Tisch; ihre Gesten machen<br />

deutlich, daß sie gerade das Wort hat. Die Ausnahme bildet die Erzherzogin in dem Gemälde<br />

van Haechts. 168 Zwar schaut sie gerade aus dem Bild, doch in ihrem Schoß hat sie ein kleines<br />

Blumenstück, dem sie sich ebenso wie der Massys-Madonna jeden Moment wieder zuwenden<br />

kann. 169 Ein Unterschied aber zu der Stockholmer Kunstbetrachterin bleibt. Die nämlich ist<br />

weder so außergewöhnlich hohen Ranges, noch so prominent, und es dürfte sich bei ihr auch<br />

kaum um eine bestimmte Person handeln. Sie steht für die Frauen ihres Standes, also wohl<br />

des Patriziats oder eines niederen Adels. Es scheint, als fänden sich solche weiblichen Stell-<br />

vertreter mit einem ausdrücklichen Interesse für Kunstwerke - das heißt eigentlich meist für<br />

Gemälde - seit den 30er Jahren häufiger in den gemalten Galerien. 170 Allerdings wäre es vor-<br />

eilig, daraus grundsätzliche Schlüsse auf die Situation oder auch eine veränderte Rolle der<br />

Frau in süd-niederländischen Kunstliebhaberkreisen ziehen zu wollen. 171<br />

Ebenfalls aus den 30er Jahren dürfte das Galerieinterieur Frans II Franckens in der Brüs-<br />

seler Sammlung Mahieu stammen (ABB. I 300). 172 Ähnlich wie bei der Tafel des Courtauld<br />

168 Als weitere Ausnahme könnte man ein Bild-im-Bild verstehen, das in Hieronymus II Franckens sogenannter<br />

»Galerie des Jan Snellinck« vorne an den Tisch in der Mitte gelehnt ist (ABB. I 170). Darauf sieht man die Rückenfigur<br />

einer Frau, die umarmt von einem Mann vor einem Gemälde steht. Doch ähnlich wie beim »Gastmahl im Haus<br />

des Bürgermeisters Rockox« (ABB. I 172/vgl. Anm. 186) ist es fraglich, ob diese Komposition als gemalte Galerie anzusehen<br />

ist. Vgl. Anm. 88 und auch »Interieur mit fröhlicher Gesellschaft« von Frans II Francken und P. Vredeman<br />

de Vries. Härting 89. Kat. Nr. 429./ ABB. I 291)<br />

169 Eine weitere gemalte Galerie, die Albert und Isabella bei der Betrachtung von Gemälden zeigt, stammt von<br />

Hendrik Staben (ABB. I 191/ Vgl. Anm. 112). Außerdem findet sich bei Speth-Holterhoff noch ein wohl fälschlicherweise<br />

G. van Haecht zugeschriebenes Stück, das anscheinend Isabella, ohne Gatten und nonnengleich gewandet,<br />

in einer Kunstkammer wiedergibt. Zwar wird ein Gemälde vorgestellt, aber es scheint, als interessiere sie<br />

dergleichen nicht. (ABB. I 192/ früher Slg. Hardcastle, Hawkhurst, Kent. Vgl. S. Speth-Holterhoff: Les Peintres<br />

Flamands de... (siehe Anm. 48). Abb. 39 - 41.<br />

170 Als Beispiele sind zu nennen: zwei gemalte Galerien, die Härting (83. S. 42 - 50.) Cornelis de Baellieur und Hans<br />

III Jordaens zuschreibt (ABB. I 330/ Residenz Galerie, Salzburg, nach 1630 (vgl. Anm. 211); ABB. I 340/ Louvre,<br />

Paris, Inv. Nr. M.I. 699 (1637)), eine, die nach Filipczak (: Picturing Art in Antwerp... (siehe Anm. 23). S. 152) von<br />

Willem van Herp (1614 - 1677) stammt (ABB. I 292/ Palazzo Pitti, Florenz), eine Gemeinschaftsarbeit von Ch. E. Biset,<br />

W. Schubert v. Ehrenberg und anderer Antwerpener Künstler (ABB. I 430 / Bayr. Staatsgemäldeslg., München,<br />

Inv. Nr. 896 (1666)), ein fünftes Galerieinterieur von Hieronymus Janssens (ABB. I 220/ Museum, Montargis (1660 -<br />

1680 )) und ein letztes, dessen Reproduktion in der Witt Library aufgrund der wohl falschen Bildunterschrift unter<br />

Frans II Francken abgelegt ist (ABB. I 221 ”Reproduced by permission of Mrs Meade-Fetherstonhaugh”). Das Personal<br />

weist große Ähnlichkeiten mit dem des Janssens-Bildes auf und das zentrale Portal ist fast identisch mit dem<br />

des genannten Salzburger Stücks von de Baellieur und Jordaens. Vgl. auch Anm. 283.<br />

171 Andrew McClellan verweist im Zusammenhang mit der ‘Frauenfrage’ zu Beginn des 18. Jahrhunderts auf J. de La<br />

Bruyères »Les Caractères ou les moeurs de ce siècle« von 1688 (Paris, 1977), in dem der Autor “[…] suggests that collecting<br />

and curiosité were not female pursuits and that thus the “cabinet of curiosity” was not a female space.” A.<br />

McClellan: “Watteau’s Dealer: Gersaint and the Marketing of Art in Eighteenth-Century Paris”, in: The Art Bulletin.<br />

LXXVIII/ 1996/ No. 3. (S. 439 - 453) S. 440.<br />

172 Zu Datierung, Größe und Träger dieses Bildes gibt es keine Angaben. Ähnlichkeiten bezüglich der Anlage und<br />

besonders der Ausstattung des Raumes mit der Stockholmer Galerie (ABB. I 290) und vor allem mit Frans II<br />

Franckens »Allegorie der Pictura« (ABB. I 310/ Berlin. Siehe Anm. 197) von 1636 sprechen für eine etwa gleich<br />

67


Institute - vor den Teniers’schen Hinzufügungen - 173 ist der vordere, bildbestimmende Samm-<br />

lungsraum menschenleer. Im Gegensatz zu jener früheren Komposition in London jedoch ist<br />

das Personal im Durchblick rechts weiter nach vorne gerückt und damit um einiges größer. Es<br />

handelt sich um zwei Herren an einem üppig gedeckten Tisch und eine dritte Person etwas<br />

weiter links, wahrscheinlich einen Bediensteten. Die beiden Sitzenden aber interessieren sich<br />

keineswegs für die Speisen vor ihnen, sie unterhalten sich angeregt über ein Gemälde, das der<br />

vordere so hält, daß die Schauseite für den realen Betrachter nicht zu sehen ist. Dabei blickt er<br />

seinen leicht zu ihm vorgebeugt gestikulierenden Gesprächspartner an und weist mit seiner<br />

Rechten auf das Bild.<br />

In der bereits erwähnten »Allegorie der Pictura« (ABB. I 310) 174 von Frans II Francken<br />

findet sich - neben einer ganzen Reihe von teils allegorischen Figuren im Vordergrund - an<br />

etwa der gleichen Stelle ein ebenfalls reich gedeckter Tisch mit zwei Herren und einem<br />

Diener. Bentinck und Kelch deuten die in diesem Fall essenden Personen als Verweis auf “[…]<br />

die Verlockungen durch allzu weltliche Sinnesfreuden […]”, die - “[…] als Gegner der ‘artes’<br />

[…]” - “[…] die freie Entfaltung des Geistes […]” hemmen. “Ohne Blick für die umgebenden<br />

Kunstwerke ist sie [die Tischgesellschaft] allein auf die Befriedigung leiblicher Genüsse be-<br />

dacht.” 175 Übertragen auf das Mahieu-Bild bedeutete das, die beiden sitzenden Herren wider-<br />

stehen den Verlockungen, und die Speisen werden zu einer entsprechenden Mahnung. Plau-<br />

sibler allerdings erscheint es, eine andere Deutung in den Vordergrund zu rücken und die ge-<br />

deckte Tafel ebenso wie den ausgebreiteten Reichtum der Sammlungsstücke - in beiden Bei-<br />

spielen - als Sinnbild für den Wohlstand zu sehen, der “[…] auch die Künste blühen und auf<br />

verständige Liebhaber treffen […]” läßt. 176<br />

Für diese Lesart spricht außer dem Umstand, daß Antwerpen einer der Hauptumschlag-<br />

plätze für “[…] kunstvoorwerpen en luxe-artikelen […] - schilderijen, gravures, tapijten, luxe-<br />

meubelen en diamant […]” war, 177 der »Triumphzug von Neptun und Amphitrite«, der pro-<br />

minent am unteren Bildrand positioniert ist - in der Berliner Pictura-Allegorie links, im Ge-<br />

mälde der Sammlung Mahieu rechts. Denn schon im 16. Jahrhundert hatten sich Neptun<br />

zeitige Entstehung. Härting schließt aufgrund einiger “formaler Ungereimtheiten”, die sie nicht spezifiziert, auf<br />

einen Mitarbeiter, evtl. Hieronymus III. Härting 89. Kat. Nr. 464.<br />

173 ABB. I 160.<br />

174 1636. Öl auf Holz, 92 x 123cm. Kunsthandel, Johnny van Haeften, London, 2002. (1979 - 2000 als Leihgabe in<br />

Berlin (SMPK). Härting 89. Kat. Nr. 370.<br />

175 Vanessa Bentinck und Jan Kelch: Der Bildersaal - Frans Francken II (Antwerpen 1581 - 1642). Informationsblatt<br />

der Gemäldegalerie SMPK, Berlin, Nr. 759b. Berlin, 1979.<br />

176 Ekkehard Mai: “Allegorie der Pictura”, in: Das Kabinett des Sammlers. Gemälde vom XV. bis XVIII Jahrhundert.<br />

Hrsg. v. E. Mai. Köln, 1993. (S. 115 - 116) S. 116. Ein Verweis auf die »Allegorie der Occasio«, die sich als<br />

Bild-im-Bild in der sogenannten »Galerie des Jan Snellinck« (ABB. I 170 u. I 170b) findet, drängt sich hier auf. Vgl.<br />

S. 33f.<br />

177 J. Briels: “Amator Pictoriae Artis... (siehe Anm. 18). S. 139.<br />

68


und Amphitrite in Antwerpen unauflösbar vermischt mit Scaldis, dem Flußgott der Schelde,<br />

und seiner Gattin ‘Formosa Antverpia’, die Wohl und Wehe der Stadt in Abhängigkeit vom<br />

Zugang zum Meer personifizieren und im Fall eines Triumphzuges womöglich für die<br />

Hoffnung auf ein Wiedererlangen der früheren Vorrangstellung mit dem Ende der Schel-<br />

deblockade stehen. 178 Zudem kann man in dem Mahieu-Bild auch »Die Anbetung der<br />

Könige« über dem Buffet als Hinweis in diese Richtung deuten. Neben Christus als Erlöser<br />

werden darin nämlich die Kostbarkeiten gezeigt, die die drei Weisen mitgebracht haben: weltliche<br />

Güter zu Ehren des Herrn. 179<br />

»Das Urteil des Paris« am Boden vor dem Buffet und, sofern man von einer möglichen<br />

Ambivalenz ausgeht, der üppig gedeckte Tisch versinnbildlichen die Mahnung, sich bei<br />

seinen Überlegungen und Entscheidungen nicht von oberflächlichen und kurzlebigen Ge-<br />

nüssen, sondern von der Vernunft leiten zu lassen - hier insbesondere bezogen auf die Beur-<br />

teilung von Kunstwerken oder auch das Anlegen einer Sammlung. Etwas Vergleichbares<br />

findet sich auch in der Berliner Allegorie. Dort ist es das Fehlurteil des phrygischen Königs Mi-<br />

das, das für diese Warnung steht. Das Bild auf Picturas Staffelei zeigt ihn als Richter des musi-<br />

kalischen Wettstreit zwischen Apollo und Pan. Für seine Entscheidung, den mit Triebhaf-<br />

tigkeit gleichzusetzenden Pan zum Sieger zu erklären, wird er von Apollo dadurch bestraft,<br />

daß ihm Eselsohren als weithin sichtbares Zeichen seiner Unwissenheit wachsen. 180 Auf das<br />

Thema dieses hervorgehobenen Bildes spielt - ähnlich wie in der Stockholmer Galerie (ABB. I<br />

290) - die Tafel über dem Buffet an. Dort verkündet Fama an der Seite des tugendhaften Herku-<br />

les den Sieg der im Vordergrund personifizierten artes liberales über die Vertreter der Unwissenheit<br />

und des Lasters, die sich im Mittelgrund nach rechts in die Finsternis zurückziehen. 181<br />

Sowohl im Zusammenhang mit dem Mahieu-Bild als auch dem Stockholmer Gemälde<br />

äußert Härting die Vermutung, es seien Kunsthandlungen dargestellt. 182 Das ist zwar in<br />

beiden Fällen nicht auszuschließen, doch Indizien, die dafür sprächen, nennt sie nicht. Die Pa-<br />

178 Härting 89. S. 100. Dieses Bildthema war außerordentlich beliebt in Antwerpen, Härting führt gut 20 Varianten<br />

Franckens und seines Ateliers an.<br />

179 Dieses Sujet findet sich in einer ganzen Reihe von gemalten Galerien: im sogenannten »Kunstkabinett des Sebastian<br />

Leerse« (ABB. I 241 als Bild über dem Buffet, daneben ein »Triumphzug von Neptun und Amphitrite«), dem<br />

»Galerieinterieur mit Justus Lipsius« (ABB. I 250), in den ebenfalls von Frans II Franckens stammenden Kunstkabinetten<br />

in der Galleria Borghese in Rom (ABB. I 112) und der Slg. Lande-Long (ABB. I 111), in zwei der Hans III<br />

Jordaens und Cornelis de Baellieur zugeschriebenen Stücke (ABB. I 320 u. I 350/ Wien bzw. ehm. Slg. Brinckmann), in<br />

dem teilweise von Jordaens stammenden Galerie in der Londoner National Gallery (ABB. I 230) und in dem Hendrik<br />

Staben zugeschriebenen Gemälde in Brüssel (ABB. I 191).<br />

180 Bentinck und Kelch deuten in Anlehnung an Johannes Sambucus »Emblemata« (1566) auch die Fliege, die sich<br />

auf dem aufgeschlagenen Buch am unteren Bildrand niedergelassen hat, als Symbol von (aufdringlicher) Unwissenheit.<br />

V. Bentinck und J. Kelch: Der Bildersaal ... (siehe Anm. 175).<br />

181 Ibid. Hier sei nochmals auf das von Härting angeführte Rederijkerspiel von 1561 verwiesen, in dem sich Faulheit,<br />

Wollust und Unwissenheit bemühen, die Menschen vom Verlangen nach Wissen abzubringen. Härting 83. S.<br />

158.<br />

182 Härting 83. S. 161. Kat. Nr. A 383 u. A 382.<br />

69


pageien versteht Härting als Symbol für eloquentia und als Hinweis auf die rhetorische Gabe<br />

der Kunsthändler, 183 aber ein zweifelsfreier Beleg für die Deutung einer oder mehrerer Perso-<br />

nen als Vertreter dieser Profession ist das nicht. Eine Anspielung auf Beredsamkeit, sei sie<br />

nun ernsthaft oder in Anlehnung an den Sinngehalt des Papageiengeschwätzes ironisch<br />

gemeint, 184 wäre in Verbindung mit Kennern oder Sammlern wohl ebenso sinnvoll. 185 Auch<br />

der Umstand, daß einige der umherstehenden Bilder-im-Bild nicht gerahmt sind, ist für sich<br />

allein genommen kaum ein Indiz, das es erlaubte, von einer Kunsthandlung zu sprechen. 186<br />

HANS III JORDAENS UND CORNELIS DE BAELLIEUR. Als Gemeinschaftsarbeiten von Hans III Jor-<br />

daens (1575 (?) - 1643) und Cornelis de Baellieur (1607 - 1671) sieht Härting eine Reihe von vier<br />

gemalten Galerien, die bezüglich der Architektur bzw. der dargestellten Sammlungsstücke<br />

große Ähnlichkeiten untereinander aufweisen. 187 Jeweils eines wird in Wien (ABB. I 320),<br />

Salzburg (ABB. I 330) und Paris (ABB. I 340) aufbewahrt, 188 das vierte meist als ehemaliges<br />

Stück der Sammlung Th. Brinckmann (London) spezifiziert (ABB. I 350). 189 Die Räume und<br />

deren Ausstattung schreibt Härting Jordaens, das Personal de Baellieur zu. 190 Während einige<br />

der durch Größe und Positionierung hervorgehobenen Bilder-im-Bild und ein Teil der<br />

Sammlungsobjekte auf den Tischen deutlich auf eine engere Verbindung zu Frans II<br />

183 Härting 89. S. 374, Kat.Nr. 463.<br />

184 Als Hinweis auf eine scherzhafte Anspielung mag man den Umstand betrachten, daß in dem sogenannten »Kunstkabinett<br />

des Sebastian Leerse« (ABB. I 241) neben den Papageien eine Darstellung von Apelles und Alexander steht.<br />

Denn bei Plinius heißt es unmittelbar vor der Kampaspe-Anekdote: “[…] wenn der König [Alexander] aber in seiner<br />

[des Apelles] Werkstatt ohne Kenntnis über vielerlei sprach, riet Apelles ihm freundlich, stille zu sein, indem er<br />

ihm sagte, daß die Knaben, welche die Farbe rieben, über ihn lachen würden.” C. Plinius Secundus d. Ä.: Naturkunde...<br />

(siehe Anm. 151). S. 69.<br />

185 Im Zusammenhang mit dem »Gastmahl im Hause des Bürgermeisters Rockox« (ABB. I 172) leuchtet allerdings<br />

keine dieser Varianten ein.<br />

186 Vgl. etwa Frans II Franckens »Galerieinterieur mit ânes iconoclastes« (ABB. I 140) das sogenannte »Kunstkabinett<br />

des Sebastian Leerse« (ABB. I 241) oder auch die gemalten Galerien von Hans III Jordaens und Cornelis de<br />

Baellieur (ABB. I 320 - I 350).<br />

187 Härting 83. S. 42 - 45. Vgl. auch F. M. Kelly: “A ‘Gallery‘ Picture by Cornelius de Baellieur” in: The Burlington<br />

Magazine for Connoisseurs. Vol. XXXVI/1920. S. 293 - 299.<br />

188 Kunsthistorisches Museum, Wien, Inv. Nr. 716/964. 86 x 120 cm, um 1630. Residenz- Galerie, Salzburg, Inv. Nr.<br />

1116180007 (Slg. Schönborn-Buchheim). 115,5 x 147,5 cm, das Bild auf der Staffelei geht auf eine Komposition des<br />

Frans II zurück, die Härting (83. S. 183.) in die 30er Jahre datiert. Louvre, Paris, Inv. Nr. M.I. 699. Öl auf Leinwand,<br />

93,5 x 123 cm, 1637.<br />

189 1999 angeboten v. Simon C. Dickinson Ltd., London. 93,4 x 113,2 cm.Wie beim Salzburger Bild zeigt die Tafel auf<br />

der Staffelei auch hier deutlich den Ausschnitt eines Gemäldes von Frans II Francken, das Härting (83. S. 183.) in<br />

die 30er Jahre datiert. Der Umstand, daß hier ein Affe unten rechts den Putto des Francken’schen Originals ersetzt,<br />

spricht eher für eine Datierung nach dem Salzburger Bild - zumal der Affe, der ebenfalls bei Frans II vorgebildet ist<br />

(vgl. »Die Affenküche« Lehmbruck-Museum, Duisburg. Härting 89. Kat. Nr 358), in gleicher Bekleidung auch als<br />

Staffage im Salzburger und im Pariser Bild auftaucht.<br />

190 Härting 83. S. 42 - 45. Für das bereits auf um 1620 datierte Gemälde der Londoner National Gallery (ABB. I 230),<br />

das bezüglich des Raumes große Übereinstimmungen mit dem Wiener Bild und dem ehemals in der Slg. Brinckmann<br />

befindlichen aufweist, vermutet sie neben Jordaens einen unbekannten Figurenmaler als Autor.<br />

70


Francken und seiner Werkstatt hinweisen, 191 zeugen die weitläufigen Interieurs in ihrer An-<br />

lage und - vor allem im Pariser Bild - mit der Öffnung des Blicks nach draußen von einer gewissen<br />

Eigenständigkeit, vielleicht auch einem weiteren Einfluß. 192<br />

Was das Personal betrifft, so ist zunächst festzuhalten, daß sich auf allen vier Bildern Pagen<br />

finden, Gefolge von Standespersonen also, das zuvor nicht in den gemalten Galerien auf-<br />

taucht. 193 Mit den Sammlungsstücken allerdings beschäftigen sich diese Jünglinge nicht. Sie<br />

wandeln durch die Räume, interessieren sich für die mittlerweile anscheinend obligatori-<br />

schen Hunde oder folgen den Gesprächen der Erwachsenen; mal spiegeln sie deren Verhalten,<br />

mal bilden sie einen Gegensatz dazu. Entscheidend ist, daß durch die Pagen der Status der<br />

eigentlichen Besucher und damit zugleich der gesellschaftliche Charakter des Besuchs betont<br />

wird. Zudem fallen auch bezüglich der vorgeführten Betrachterhaltung einige Unterschiede<br />

zum Gros der vorangegangenen Bilder auf.<br />

Im Wiener Stück (ABB. I 320) sitzt ein wenig rechts von der Mitte ein Herr in Schwarz weit<br />

zurückgelehnt auf einem Stuhl und läßt sich Erläuterungen zu Rubens »Erweckung des<br />

Lazarus« auf einer Staffelei geben. Links folgen zwei Männer den Ausführungen eines voll-<br />

bärtigen Antiquars zu einem kleinformatigen Gemälde - so soldatisch und bodenständig wie<br />

sie wirken, gehören sie vielleicht ebenso wie die beiden Pagen zum Gefolge des feinen Herrn.<br />

Eine ähnliche Konstellation findet sich im Vordergrund des ehemals Brinckmann’schen<br />

Bildes (ABB. I 350): Wieder steht rechts auf einer Staffelei ein großformatiges Gemälde, zu<br />

dem sich ein sitzender Herr in Schwarz - diesmal ein wenig aufrechter - etwas darlegen läßt.<br />

Die Erklärungen gibt hier allerdings ein Maler, der als solcher durch Palette und Malstock<br />

gekennzeichnet ist; 194 zudem richten sie sich noch an einen weiteren Zuhörer, der etwas<br />

hinter dem Sitzenden zurücksteht. Im Hintergrund scheinen sich zwei Männer über einen<br />

191 Härting sieht insbesondere in den Objekten auf den Tischen, die man auch in autonomen Werken Frans II<br />

Francken wiederfindet, einen Hinweis auf eine engere Zusammenarbeit zwischen Jordaens und de Baellieur auf der<br />

einen und Frans II auf der anderen Seite. Härting 83. S. 45f. In diesem Zusammenhang ist auch nochmals das Galerieinterieur<br />

in Dijon (ABB. I 181) zu nennen, das dort de Baellieur zugeschrieben wird und in dem einige Personen aus<br />

der im Prado befindlichen Galerie Hieronymus II Franckens übernommen sind (ABB. I 180). Vgl. auch Anm. 99.<br />

192 Durchblicke nach draußen finden sich zuvor in den allegorischen Galeriebildern, die ganz oder zu großen Teilen<br />

Jan I Breughel zugeschrieben werden (vgl. »Die Allegorie des Gesichts« von Jan I und Rubens. 1617, Museo del Prado,<br />

Madrid; weitere Beispiele etwa bei Gary Schwartz: “Lady Pictura Painting Flowers ...( siehe Anm. 156).), und bei<br />

Guillam van Haecht - ein Bild des letzteren nimmt Held gar zum Anlaß, über die Topographie des van der<br />

Geest’schen Hauses und der Galerie zu spekulieren. J. S. Held: “Artis Pictoriae Amator ...(siehe Anm. 97). S. 72.<br />

193 Auszunehmen ist möglicherweise van Haechts »Kunstkabinett des Cornelis van der Geest« , denn der Jüngling,<br />

der Isabella einen Cupido vorhält, und die beiden Knaben, die die Massys-Madonna halten, werden mal als Pagen,<br />

mal aber auch als van der Geests Neffen oder Rubens Söhne - was ersteres nicht unbedingt ausschließen würde - gesehen.<br />

194 Passend dazu zeigt das zentrale Bild an der Rückwand Apelles, Alexander und Kampaspe. Vielleicht ist dieses<br />

Thema im Zusammenhang mit der Vanitas-Allegorie auf der Staffelei auch zu verstehen als Anspielung auf die Malerei<br />

als ein Weg der Vergänglichkeit zu entkommen. Als Hinweis in diese Richtung kann man zwei Allegorien von<br />

Frans II Francken sehen: In »Verschiedene Möglichkeiten, um unsterblich zu werden« (Härting 89. Kat. Nr. 381 u.<br />

382.) finden sich unter anderen auch Maler.<br />

71


großen Tisch hinweg zu unterhalten.<br />

Zuvor wurden vornehmlich Gespräche über die Sammlungsstücke dargestellt, ein Aus-<br />

tausch von Informationen und Ansichten zwischen Interessierten, 195 wenn auch wohl nicht<br />

immer von gleich zu gleich. Im Gegensatz dazu zeigt de Baellieur in diesen beiden Gemälden<br />

an prominenter Stelle Personen, die sich - als Höhergestellte? - einseitig Erläuterungen zu<br />

Kunstwerken geben lassen. 196<br />

Das Pariser (ABB. I 340) und das Salzburger Bild (ABB. I 330) unterscheiden sich in anderer<br />

Weise von den vorangegangenen Beispielen. Das Personal ist zwar in wechselseitigen Unter-<br />

haltungen begriffen, doch es hat den Anschein als handle es sich um belanglose Plaudereien,<br />

deren Zweck weniger das Erlangen von Wissen oder Erkenntnis ist als ein leichtfertiger Zeit-<br />

vertreib.<br />

Im Salzburger Stück entsteht dieser Eindruck etwa durch die Gruppe vorne an der Staffelei.<br />

Die weisenden Gesten der sitzenden Dame und des jungen Herrn in Rot zeigen, daß die Auf-<br />

merksamkeit dem Gemälde vor ihnen gilt, doch ihr amüsierter Gesichtsausdruck deutet nicht<br />

auf eine dem Vanitas-Sujet angemessene Ernsthaftigkeit oder ein kennerschaftliches Interes-<br />

se etwa an malerischen Aspekten. Links hinter der Dame auf dem Stuhl stehen Hand in Hand<br />

ein Mann und eine Frau. Ebenso wie das gemischte Paar vor dem prächtigen Durchgang in<br />

der Rückwand scheinen sie nur Augen für einander zu haben, nicht für die auserlesenen<br />

Dinge um sie herum. Zudem wirken sie in ihrer gezierten Haltung eher als seien sie einer<br />

Tanzgesellschaft entsprungen.<br />

Härting bemerkt zu de Baellieurs Figuren, es seien “[…] meist Versatzstücke, die völlig oh-<br />

ne Modifizierung in Haltung oder Ausdruck montiert werden[…] .” 197 Allein damit aber ist das<br />

beiläufige Interesse des Personals an den Sammlungsstücken wohl nicht zu erklären. Jeden-<br />

falls gibt es Hinweise auf eine bewußte Verwendung solcher Figuren. So findet die Gleich-<br />

gültigkeit gegenüber der Mahnung der im Vordergrund betrachteten Vanitas-Allegorie im<br />

Durchblick eine Entsprechung in der gänzlichen Nicht-Beachtung der »Kreuzigung Christi«,<br />

deren Wichtigkeit sich aber in ihrer zentralen Position manifestiert: denn dieser Verweis auf<br />

die Erlösung im Glauben ist zwar relativ klein gehalten, doch er ist der konstruktive Flucht-<br />

punkt dieser gemalten Galerie. Er nimmt zusammen mit dem altarähnlichen Buffet darunter<br />

die gesamte Stirnwand des hinteren Raumes ein und wird zudem durch das Portal und das<br />

195 Als Ausnahmen kommen, soweit ich es sehe, lediglich die Stücke in Frage, in denen Albert und Isabella auftauchen<br />

(etwa ABB. I 190). Im Unterschied zu jenen Beispielen aber hat man es hier wohl nicht mit Portraits<br />

bestimmbarer Personen zu tun.<br />

196 Das mag man als einen Hinweis, obschon keinen zwingenden, auf eine Kunsthandlung verstehen. Auf ein Atelier<br />

ist allein von der Staffelei und der als Maler ausgewiesenen Person wohl noch nicht zu schließen - zudem sind keine<br />

Ähnlichkeiten mit den Autoren der vorgeführten Kompositionen, sprich Rubens bzw. Frans II Francken, zu erkennen.<br />

197 Härting 83. S. 50.<br />

72


symmetrische Gemäldearrangement links und rechts davon zum point de vue der gesamten<br />

Raumfolge.<br />

Des weiteren kann man das Vogel-Gemälde, über das sich die zwei Männer hinten links<br />

am Fenster unterhalten, vielleicht als Anspielung auf das ‘Balzverhalten’ der Paare verste-<br />

hen, das die Kunstbetrachtung zur Nebensache werden läßt. Außer dem ‘Gesang’ der Vögel,<br />

auf den ein aufgeschlagenes Notenheft in den Ästen hinweist, wird mit Papagei und Kakadu<br />

eine klanglich perfekte Imitation menschlicher Sprache assoziiert, die allerdings jeglicher ver-<br />

standesmäßigen Durchdringung entbehrt. Ebenso wie ihre ‘lebenden’ Artgenossen, die zuwei-<br />

len in den gemalten Galerien auftauchen, sind sie also womöglich zugleich als direkter Hin-<br />

weis auf ein - zumindest bezüglich der Kunstwerke - gehaltloses und oberflächliches Ge-<br />

schwätz der Besucher zu werten. 198 In diese Richtung könnte auch der junge Mann am Tisch<br />

links deuten, sofern er tatsächlich jemanden vorstellt, der versucht, sich mit dem Affen über<br />

die von jenem ergriffene Muschel auszutauschen.<br />

Auch im Pariser Bild finden sich Hinweise auf ein Kunstgespräch, dem der amouröse Sub-<br />

text die Tiefe zu nehmen droht. Sie scheinen sich dort jedoch nur auf das Paar an der Staffelei<br />

zu beziehen, in deren Nähe sie plaziert sind. Die beiden Herren am Tisch hinten links ma-<br />

chen den Eindruck als seien sie in einen sehr ernsthaften Disput verwickelt, der in seiner<br />

Qualität nicht von den sinnlos daherplappernden Vögeln des weit von ihnen entfernten<br />

Bildes-im-Bild oder dem Affen beeinflußt wird. 199 Die Dame und die beiden Herren rechts in<br />

der Eingangshalle sind durch den Umstand, daß sie den Sammlungraum durch die von Mi-<br />

nerva bewachte porta virtutis betreten werden, 200 als der Erkenntnis verpflichtete Verstandes-<br />

menschen gekennzeichnet.<br />

Im Unterschied zu den drei vorangegangenen Bildern von Jordaens und de Baellieur fällt<br />

auf, daß es sich bei den besonders hervorgehobenen Gemälden nicht um religiöse oder allego-<br />

risch auf die Vergänglichkeit bezogenen Stücke handelt. Vorne auf der Staffelei steht ein<br />

»Triumphzug von Neptun und Amphitrite«, der wie bereits erläutert auf die Prosperität<br />

Antwerpens deutet, und hinten, groß und zentral über der Feuerstelle sind es die »Vier Ele-<br />

mente«. 201 Ganz allerdings fehlt der religiöse Bezugspunkt auch hier noch nicht: zentral,<br />

198 So ist der Papagei im 17. Jh. als Anspielung auf “[…] ein schlechtes Vorbild, leere Nachahmung und auf den trügerischen<br />

Schein der Gelehrsamkeit […]” zu verstehen. Kunst aus Schloss Rheydt. Gemälde und Graphik aus dem<br />

16. und 17. Jahrhundert. (Ausst.-Kat. Schloss Bergh, ‘s-Heerenberg; Museum Wasserburg Anholt, Isselburg). ‘S-<br />

Heerenberg, 1989. S. 36.<br />

199 Außer den Nähe des Menschen- zu dem Vogel-Paar sind, ähnlich wie beim vorangegangenen Beispiel, auch<br />

Übereinstimmungen in Anordnung, Haltung und Farbgebung zu bemerken,<br />

Die im Affen symbolisierte Trieb- und Lasterhaftigkeit wird auch in zwei Gemälden aufgegriffen: einer »Tanzgesellschaft«<br />

mit deutlich sexuellen Konnotationen, an der Stirnwand rechts, und einem »Trinkgelage«, links vom<br />

Durchblick in den Vorraum.<br />

200 Zur porta virtutis siehe auch Matthias Winner: “Gemalte Kunsttheorie...(siehe Anm. 76). S. 171ff.<br />

201 Beide Kompositionen weisen unverkennbar auf Frans II Francken und seine Werkstatt. Vgl. Härting 89. Kat. Nr.<br />

73


direkt über dem Kamin sind drei kleine Brustbilder angebracht, ein Schmerzensmann in der<br />

Mitte und zwei Heilige - einer männlich, eine weiblich - links und rechts davon.<br />

DAVID TENIERS D. J. Mit David Teniers (1619 - 1690) gelangt man zu einigen der bekanntesten<br />

gemalten Galerien. Eine anscheinend einzelne, sehr frühe seiner Formulierungen des The-<br />

mas, die Margret Klinge bereits auf 1635 datiert, 202 zeigt eine Galerie mit einigen Staffage-<br />

figuren und ungewöhnlicherweise einem Selbstportrait des Malers an einer Staffelei. 203 Wei-<br />

tere Kunstkabinette von ihm finden sich danach erst wieder ab den 50er Jahren. 204 Neben Hin-<br />

zufügungen zu zwei Kompositionen Frans II Franckens handelt es sich um eine Reihe von<br />

Bildersälen nach der Sammlung des Erzherzogs Leopold Wilhelm, für den der Antwerpener<br />

von 1651 an als Hofmaler tätig war. 205<br />

Zunächst zeichnen sich diese Bilder im Gegensatz zu fast allen vorangegangenen Bei-<br />

spielen dadurch aus, daß sie nachweislich die Bestände einer tatsächlich existierenden Samm-<br />

lung - wenn auch nur ausschnitthaft - wiedergeben. 206 Dabei geht es aber offensichtlich nicht<br />

um eine exakte Schilderung bestehender Räume und deren Arrangements, was sich etwa<br />

daran zeigt, daß die Größenverhältnisse der Bilder-im-Bild zueinander zuweilen deutlich<br />

verändert wurden und - in späteren Varianten - einige der Gemälde seitenverkehrt dargestellt<br />

279 (»Triumphzug«) und Kat. Nr. 389 (»Vier Elemente«); näher noch an letzerem ist eine Version, die im August<br />

1999 in Monte-Carlo von der Pariser Galerie d’Art Saint-Honoré angeboten wurde (Abb. siehe FAZ vom 7. Aug. ‘99.<br />

S. 47 (Kunstmarkt)).<br />

202 Margret Klinge: David Teniers de Jonge. Schilderijen - Tekeningen. (Ausst. Kat. Koninklijk Museum voor Schone<br />

Kunsten, Antwerpen) Antwerpen, 1991. S. 50.<br />

203 (ABB. I 420) So wird dieses Bild auch häufig als Darstellung von Teniers Atelier bezeichnet (Ibid.). Als Bilderim-Bild<br />

finden sich eigene Werke, aber auch solche anderer Meister. Er führt seine Inventions- und Anverwandlungsgaben<br />

vor. Letztere Fähigkeit ist nach Filipczaks Ansicht nichts, auf das ein ‘ambitious artist’ des 17. Jh. mit Stolz<br />

hinweisen würde. Das Beispiel, welches das belegen soll, stellt allerdings einen völlig anders gelagerten Fall dar.<br />

Denn dabei geht es nicht um Bilder-im-Bild, die durch die Umstände unmißverständlich als ‘Kopien’ en miniature<br />

ausgewiesen sind, sondern um Historien, die als eigenständige Kompositionen ‘verkauft’ wurden. Z. Z. Filipczak:<br />

Picturing Art in Antwerp... (siehe Anm. 23). S. 127.<br />

204 Wie es scheint war das Sujet in den 40er Jahren allgemein von geringem Interesse. Ein einziges Beispiel - auf das<br />

noch einzugehen sein wird - konnte ich bislang ausmachen. Das stammt indessen auch nicht aus den südlichen Niederlanden,<br />

sondern aus Frankreich.<br />

Bilder wie Gonzales Coques »Portrait eines jungen Gelehrten und seiner Schwester« (ABB. I 361), die um 1640 in Flandern<br />

aufkommen, sind wohl nicht als Sammlungsräume zu bezeichnen, die wenigen Bilder, Skulpturen etc. liefern<br />

lediglich ein ansprechendes Ambiente für die Portraitierten.<br />

205 Schon seit 1647 hatte Teniers Aufträge für den Erzherzog ausgeführt. Neben dem Amt des Hofmalers hatte er<br />

auch - zumindest nominell - das des ayuda da camera (Kammerherrn) inne (M. Klinge: David Teniers de Jonge...<br />

(siehe Anm. 202). S. 228.)- ein Titel, den er zuweilen seiner Signatur hinzufügte (vgl. Variante im Museo del Prado,<br />

Madrid; Inv. Nr. 1813/ ABB. I 410). Auch bei Don Juan von Österreich (Statthalter von 1656-59) wird er Hofmalers<br />

und Kammerherr. Dessen Nachfolger war Teniers zwar sehr wohlgesonnen - er unterstützt ihn bei der Antwerpener<br />

Akademie -, doch bekleidete er unter ihm keine Ämter mehr.<br />

Zu den Francken-Bearbeitungen (ABB. I 160 u. I 162) s. o. und vgl. Härting 89. Kat. Nr. 449 und 458.<br />

206 Die Ausschnitthaftigkeit wird geradezu besonders betont. So überschneidet der Bildrand die Bilder-im-Bild<br />

nicht mehr nur zaghaft um ein paar Zentimeter, sondern teilweise um weit mehr als die Hälfte, was auch zur Folge<br />

hat, daß manche schlechterdings nicht mehr zu identifizieren sind.<br />

74


sind. 207 Allegorische Anspielungen durch die Sujets der Gemälde finden sich, wenn über-<br />

haupt, nur noch vereinzelt und ergeben sich wahrscheinlich eher zufällig. 208 Ausschlagge-<br />

bend für die Aufnahme in eines der Sammlungsportraits scheint in erster Linie die hohe<br />

Qualität der - im Gegensatz zu den früheren Kabinetten vorrangig italienischen - Werke. 209<br />

Mai schreibt: “Historie und Porträt sind tonangebend, und damit den »grand goût« zu demonstrieren,<br />

ist offensichtlich Wunsch des Erzherzogs.” 210<br />

Ähnlich wie bei dem van-der-Geest-Bild ist der repräsentative Charakter unverkennbar,<br />

auch wenn er hier durch die umhertollenden Hunde - gewissermaßen als comic relief - ein<br />

wenig aufgelockert wird. 211 Doch anders als der Antwerpener Kaufmann ist der Erzherzog, der<br />

in den meisten dieser Galerien ‘anwesend’ ist, nicht darauf angewiesen, sein Ansehen und<br />

seine soziale Stellung mittels hochrangiger Gäste vorzuführen. Teniers zeigt Leopold Wil-<br />

helm inmitten seiner Sammlung, nicht allein, sondern zusammen mit seinen Beratern in<br />

Kunstdingen, darunter immer der Hofmaler selbst, und zuweilen auch mit einigem Gefolge<br />

und einzelnen Gästen. Der Erzherzog präsentiert stolz seine qualitätvollen Erwerbungen und<br />

damit seinen Geschmack und seine Kennerschaft, vielleicht auch sein Geschick und die<br />

Gunst Fortunas.<br />

Einige dieser Stücke entstanden bemerkenswerterweise erst Jahre nachdem Leopold Wil-<br />

helm sein Amt als Statthalter der spanischen Niederlande 1656 niedergelegt und Brüssel mit-<br />

207 Karl Schütz: “Das Galeriebild als Spiegel ... (siehe Anm. 123). S. 168f. M. Klinge:David Teniers de Jonge...<br />

(siehe Anm. 202). S. 228. Ebenso ist das Auftauchen so mancher Gemälde und Gegenstände in verschiedenen Galerien<br />

ein Hinweis darauf.<br />

208 Vgl. Karl Schütz: “Das Galeriebild als Spiegel ... (siehe Anm. 123). S. 166. Auf eine der wenigen mit großer<br />

Wahrscheinlichkeit nicht zufälligen Anspielungen - auf die Malerei-weist Stoichita hin, er spricht von einer<br />

“»kulturalisierten« und intertextualisierten” auktorialen Einfügung. In dem Stück des Madrider Prado (ABB. I 410/<br />

siehe unten) findet sich lediglich ein flämisches Gemälde (unten links). Es ‘stammt’ von Jan Gossaert und zeigt den<br />

die Madonna malenden Lukas, den Schutzpatron der Maler. Victor I. Stoichita: Das selbstbewußte Bild... (siehe<br />

Anm. 124). S. 260f.<br />

209 In diese Richtung deutet auch der Umstand, daß die Malernamen auf den Rahmen der Bilder-im-Bild angegeben<br />

sind.<br />

Bedenkt man, daß Leopold Wilhelm nicht nur Statthalter für Spanien war, sondern als jüngster Sohn Ferndinands<br />

II. zudem zum geistlichen Stand bestimmt und am spanischen Hof, wahrscheinlich von Jesuiten, erzogen worden<br />

war, könnte man in der Auswahl der präsentierten Gemälde ein gegenreformatorisches Programm vermuten. Dagegen<br />

spricht recht eindeutig, daß diese Auswahl weitgehend übereinstimmt mit derjenigen, die in Form von Stichen<br />

im »Theatrum Pictorium« (siehe unten) publiziert wurde (vgl. K. Schütz: “Das Galeriebild als Spiegel ... (siehe<br />

Anm. 123). S. 169.) und die dort, in Teniers Vorwort, den “liefhebbers van de schilderkunst” ans Herz gelegt wird (M.<br />

Klinge: David Teniers de Jonge...(siehe Anm. 202). S. 279.).<br />

210 E. Mai: “Pictura in der »constcamer« - Antwerpener Malerei im Spiegel von Bild und Theorie”, in: Von Bruegel<br />

bis Rubens ... (siehe Anm. 123).” S. 53.<br />

211 Die Hunde mag man zusammen mit den Blumen, die der Erzherzog oder einer seiner Begleiter zuweilen in Händen<br />

hält, auch als Hinweis auf einen dem Galeriebesuch vorangegangenen Spaziergang und somit auf andere, womöglich<br />

gleichwertige Möglichkeiten des Zeitvertreibs verstehen. Ähnlich könnte man vielleicht auch zwei Szenen<br />

bei de Baellieur und Jordaens deuten: eine der Musik lauschende Gesellschaft im zentralen Durchblick des Salzburger<br />

Beispiels (ABB. I 330) und das Paar mit einem Pagen im Garten der Pariser Galerie (ABB. I 340), im Durchblick<br />

links. Vgl. auch das deutlich jüngere Galeriebild Hieronymus Janssens (ABB. I 220).<br />

75


samt seinen Kunstschätzen in Richtung Wien verlassen hatte, 212 selbst von Varianten nach<br />

seinem Tode 1662 ist die Rede - ”[…] latere versies, tot omstreeks 1670 […]”. 213 In diesem Zu-<br />

sammenhang ist auch das »Theatrum Pictorium« zu erwähnen, eine gebundene Folge von<br />

243 Stichen nach je einem Gemälde der erzherzoglichen Sammlung, 214 der neben einem Ti-<br />

telblatt ein Vorwort, ein Blick in die menschenleeren Ausstellungsräume der Wiener Stall-<br />

burg, ein Widmungsblatt für Leopold Wilhelm und Teniers Herausgeberportrait beigefügt<br />

war. Der Maler publizierte diesen Band 1660 auf eigene Kosten. 215<br />

Einerseits sind das Stichwerk und die gemalten Galerien nach 1656, zumindest sofern es<br />

sich nicht um Aufträge des Herrscherhauses mit genauen Anweisungen handelt, wohl als<br />

Huldigung an Leopold Wilhelm zu verstehen, die auf die Gunst des Erzherzogs und seiner<br />

Familie zielt - sei es in bezug auf die angestrebte Erhebung in den Adelsstand oder die Ein-<br />

richtung einer Antwerpener Akademie. Andererseits aber ist nicht zu übersehen, daß Teniers<br />

auf diese Weise auch seine Selbstdarstellung betreibt. 216 Auf dem Titelblatt des »Theatrum Pic-<br />

torium« findet sich sein Name an erster Stelle und ebenso groß wie die der beiden Statthalter,<br />

als deren Maler und Kammerherr er sich bezeichnet, 217 Leopold Wilhelm und dessen spani-<br />

scher Nachfolger Juan von Österreich. Auf dem Herausgeberportrait, 218 das er sich zugesteht,<br />

blickt er ernst und bestimmt aus dem Bild, versehen mit einer Kette, die ihm von Leopold<br />

Wilhelm verliehen worden war, und dem Schlüssel des ayuda da camera am Bund. Zurück-<br />

haltender aber dennoch mit einem gewissen Selbstbewußtsein zeigt er sich in den Bildersälen,<br />

nicht selten an der Seite des Erzherzogs. Den Höhepunkt bildet eines der Schleißheimer<br />

Beispiele (ABB. I 360). 219 Dort stellt sich Teniers zwar nicht im Vordergrund dar, doch er ist die<br />

einzige Person auf dem Gemälde und steht zudem mit dem Blick zum Betrachter im<br />

Zentrum des Mittelgrundes, gerahmt von einer halbgeöffneten Tür.<br />

212 M. Klinge: David Teniers de Jonge... (siehe Anm. 202). S. 228. Explizit nennt sie nur eines der Münchener Gemälde<br />

(ABB. I 380 / Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Inv. Nr. 1841; Leinwand, 93 x 127 cm).<br />

213 Hier gibt sie allerdings kein Beispiel an. Ibid. E. Mai spricht von den 50er und frühen 60er Jahren. E. Mai:<br />

“Pictura in der »constkamer«...” (siehe Anm. 210). S. 51.<br />

214 Unter jedem Stich sind Autor, Maße und Stecher vermerkt. M. Klinge: David Teniers de Jonge... (siehe Anm. 202). S. 278.<br />

215 Es steht außer Frage, daß diese Publikation im Einvernehmen mit dem ehemaligen Statthalter entstand. So<br />

zitiert Klinge aus einem Brief des Kammerherrn Johann Adolf zu Schwarzenberg, dem zu entnehmen ist, daß Leopold<br />

Wilhelm zunächst noch einige Gemälde zurückließ, damit sie kopiert und gestochen werden konnten. Es ist<br />

jedoch nicht bekannt, inwieweit der Erzherzog Anteil an diesem Werk hatte, ob er den Anstoß dazu gab oder die Auswahl<br />

vornahm. Bezüglich der Auswahl ist anzumerken, daß es sich ausschließlich um Werke italienischer Meister<br />

handelt und daß sie alle aus dem Ankauf eines Teils einer einzigen Sammlung, der des Marquess of Hamilton, stammen.<br />

Ibid. Hingewiesen sei auch darauf, daß sich die in den gemalten Galerien vorgeführten Gemälde größtenteils<br />

im »Theatrum Pictorium« wiederfinden. Karl Schütz: “Das Galeriebild als Spiegel... (siehe Anm. 123). S. 169.<br />

216 Als Abnehmer mag man sich neben den Habsburgern etwa auch wohlhabende, der großartigen Sammlung des<br />

Erzherzogs nachtrauernde Brüsseler vorstellen.<br />

217 ABB. 362<br />

218 ABB. I 363.<br />

219 96 x 128 cm. Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Inv. Nr. 1840, Schloß Schleißheim.<br />

76


Solch ein repräsentativer Charakter hat bisweilen Konsequenzen für die Darstellung des<br />

Personals als Betrachter - nicht nur in den Teniers’schen Galerien. Er erlaubt keine allzu<br />

intensive Beschäftigung mit den Sammlungsstücken, denn ein Repräsentationsstück ver-<br />

langt, wenn schon keine direkte ‘Aufmerksamkeit’ der Portraitierten für den Betrachter, so<br />

doch zumindest eine Ausrichtung auf ihn. Für Teniers Hauptperson Leopold Wilhelm lassen<br />

sich drei Varianten des Auftretens ausmachen. 220<br />

Die erste ist der Blick aus dem Bild wie man ihn in einem der Wiener (ABB. I 370) und<br />

einem der Münchener (ABB. I 380) Stücke findet. 221 Dabei suggeriert in beiden Fällen die<br />

Drehung des Erzherzogs in eine Dreiviertelansicht zusammen mit einem Gemälde, das ein<br />

Lakai bzw. der Maler für ihn bereithält, daß er sich gleich eben diesem Kunstwerk zuwenden<br />

wird. Teniers verläßt sich also nicht allein darauf, daß selbst jene ‘Besucher’ in einem Kunst-<br />

kabinett, die ‘im Moment’ kein erkennbares Interesse für die Sammlungsgegenstände auf-<br />

bringen, potentielle Betrachter sind.<br />

Die zweite Variante zeigt die Figur des Statthalters im Profil. Mit einem Stock in seiner<br />

Rechten weist er im Beispiel des Petworth House (ABB. I 390) auf ein Bildnis, das ein wenig<br />

entfernt von ihm an einen Stuhl gelehnt steht. 222 Die weisende Geste des Erzherzogs richtet<br />

sich an seinen Besucher, den ebenfalls als Sammler bekannten Bischof von Gent, Antonius<br />

von Triest. 223 Daß der geistliche Würdenträger und der rechts von ihm stehende Teniers nicht<br />

auf das Gemälde, sondern zu Leopold Wilhelm blicken, läßt vermuten, daß letzterer einige<br />

Anmerkungen zu seiner Erwerbung 224 macht. Bedeutsam aber ist vor allem die Haltung des<br />

Habsburgers. Sie ist aufrecht, und lediglich die leicht niedergeschlagenen Augenlieder deuten<br />

darauf hin, daß er das Bild am Boden überhaupt anschaut. Ganz ähnlich ist es bei dem Paar<br />

links von ihm: die auf Wiedererkennbarkeit und Repräsentation ausgerichtete Wiedergabe<br />

der beiden Herren macht die Darstellung einer Betrachtungsweise, die etwas relativ Klein-<br />

teiligem wie der Zeichnung in den Händen des linken angemessen wäre, geradezu unmög-<br />

lich.<br />

220 Neben dem Umstand, daß er - außer den Geistlichen - der einzig ‘Behütete’ ist, deuten auch die auf ihn gerichteten<br />

Blicke einiger übriger Personen auf seine Wichtigkeit.<br />

221 1653, Leinwand, 123 x 163 cm. Kunsthistorisches Museum, Wien, Inv. Nr. 9008. Leinwand, 93 x 127 cm. Bayerische<br />

Staatsgemäldesammlungen, München, Inv. Nr. 1841. Bei letzterem plädiert Klinge für eine Datierung in die 60er<br />

Jahre. M. Klinge: David Teniers de Jonge... (siehe Anm. 202). S. 228.<br />

222 1651, Leinwand, 127 x 163 cm. Petworth House (Sussex), The National Trust (Lord Egremont Collection). Eine bis<br />

auf den prominenten Gast und einige Kleinigkeiten beinahe identische Fassung befindet sich im Wiener Kunsthistorischen<br />

Museum (Inv. Nr. 739/ ABB. I 391)<br />

223 Klinge spekuliert gar darüber, ob das Bild, angeblich des Erzherzogs letzter Ankauf, nicht Gegenstand eines<br />

rivalisierenden Kaufinteresses der beiden gewesen sein könnte. M. Klinge: David Teniers de Jonge... (siehe Anm.<br />

202). S. 220f. In sehr ähnlichen Wiener Bild rutscht Teniers an die Stelle des nicht vorhandenen Bischofs.<br />

224 Vgl. Anm. 215.<br />

77


Im Brüsseler Gemälde (ABB. I 400) findet sich eine überzeugendere Lösung. 225 Auch dort<br />

wird der Erzherzog im Profil gezeigt, doch es macht den Eindruck als nähere er sich gerade<br />

den graphischen Blättern vor sich, um sie genauer zu begutachten. Dafür spricht neben der<br />

Zeigegeste seiner Rechten die leicht vorgebeugte Haltung und vor allem die anscheinend<br />

noch nicht abgeschlossene Bewegung, die durch seine Bein- bzw. Fußstellung angedeutet<br />

wird. Gestützt wird diese Annahme auch dadurch, daß die Arbeiten einander teilweise ver-<br />

decken und daß zumindest einige von ihm aus gesehen verdreht auf dem Tisch liegen. Der<br />

Umstand, daß Leopold Wilhelm nicht auf das Blatt schaut, das ihm Teniers entgegenhält, 226<br />

dürfte kaum Ausdruck einer Mißachtung des Hofmalers sein, sondern läßt zusammen mit<br />

der weisenden Geste - die innerhalb der ‘Bilderzählung’ nur jenem gelten kann - wohl eher<br />

auf ein Fortspinnen seiner Überlegungen oder eine Entgegnung schließen.<br />

Die letzte Variante nimmt eine Zwischenstellung ein. Im Beispiel des Prado (ABB. I 410) 227<br />

ist das Gesicht des Erzherzogs zwar noch fast frontal auf den Betrachter ausgerichtet, doch sein<br />

Blick, die soeben begonnene Vorwärtsbewegung und die leichte Torsion von Kopf und vor-<br />

derem Fuß deuten darauf hin, daß er im Begriff ist, sich einem der Gemälde rechts vorne<br />

zuzuwenden. Ähnlich also wie schon im Brüsseler Bild wird durch das transitorische Mo-<br />

ment einer noch nicht vollendeten Bewegung ein repräsentatives Portrait Leopold Wilhelms<br />

auf glaubwürdige Weise mit seiner Darstellung als Kunstbetrachter verbunden. 228<br />

ZEIT DES WANDELS? Ausgehend von Teniers Selbstportrait in einem Bildersaal (ABB. I 420)<br />

meint Filipczak in der Zeit um 1640 weitreichende Veränderungen des Bildtyps der gemalten<br />

Galerie ausmachen zu können. 229 In dem ihrer Ansicht nach gleichzeitigen Verschwinden<br />

mehrerer auf die Vernunft verweisender Motive aus den Galeriebildern sieht sie frühe,<br />

sozusagen vorbewußte Symptome einer veränderten Kunstauffassung:<br />

“[…] gallery paintings could cease to emphasize the intellectual aspect of art production and viewing<br />

well before that step was taken with equal decisiveness in art theory itself; imagery could record the<br />

early stages in the emergence of new views before they had been grasped clearly enough for verbal<br />

225 1651. 96 x 129 cm. Musées Royaux des Beaux-Arts, Brüssel, Inv. Nr. 2569.<br />

226 Gleichzeitig mag man hierin eine Aufforderung an den realen Betrachter sehen, genau, d. h. auch aus nächster<br />

Nähe, hinzuschauen.<br />

227 Museo del Prado, Madrid, Inv. Nr. 1813.<br />

228 Vielleicht wird so gar darauf spekuliert, daß der reale Betrachter dadurch, daß die Betrachterhaltung des<br />

Erzherzogs lediglich zu antizipieren ist, eine seiner Ansicht nach angemessene ‘einsetzen’ wird.<br />

229 Dabei geht Filipczak davon aus, daß dieses Gemälde zwischen 1641 und 1651 entstand (Dies.:Picturing art in<br />

Antwerp...(siehe Anm. 23 ) S. 125/6), M. Klinge hingegen datiert es auf 1635 (Dies.: David Teniers de Jonge... (siehe<br />

Anm. 202). S. 50.). Die Versteifung auf die Zeit um 1640 ist aber vor allem deshalb unverständlich, weil in den 40er<br />

und 50er Jahren außer den Teniers’schen Beispielen nach der Sammlung des Erzherzogs, die nicht vor 1651 datiert<br />

werden, anscheinend keine oder kaum gemalte Galerien produziert wurden).<br />

78


formulation.” 230<br />

Filipczak beginnt mit dem Wegfall von naturalia, scientifica, Büchern und Instrumenten<br />

bei Teniers, diese “[…] exclusion of objects other than paintings and sculptures […]” sei “[…]<br />

strikingly - and fundamentally - new.” 231 Zwar räumt sie ein, daß dergleichen bereits in<br />

einigen Werken seinen Anfang fände, die Frans II Francken kurz vor seinem Tod 1642 gemalt<br />

habe, doch erst Teniers habe diese Entwicklung konsquent weitergeführt. 232 Zum einen ist<br />

dem entgegenzuhalten, daß das Beispiel Franckens, das sie in diesem Zusammenhang an-<br />

führt (ABB. I 140), bereits in die Mitte des zweiten Jahrzehnts datiert wird. 233 Zum anderen<br />

übersieht sie, daß Gegenstände der genannten Arten bei Frans II eigentlich nur dann in den<br />

Bildersälen auftauchen, wenn sich jemand - nicht selten sind es identifizierbare Gelehrte - 234<br />

direkt damit beschäftigt, 235 sie aber meist fehlen, wenn das Personal ausschließlich Kunstwerke<br />

betrachtet. 236<br />

Filipczak fährt fort: “Changes in the genre were considerably more extensive around 1640<br />

than just the omission of non-art objects: two allegorical subjects and one figural pose also fell<br />

out of use.” 237 Als Beispiel für die besagte Geste, gemeint ist der auf die eigene Stirn deutende<br />

Zeigefinger, der auf ein verstandgeleitetes Denken und Tun hinweist, führt sie lediglich ein<br />

Gemälde Frans II Franckens aus dem zweiten Jahrzehnt des Jahrhunderts an und somit kaum<br />

einen hinreichenden Beleg für das Verschwinden dieser Geste um 1640. 238 Im Zusammen-<br />

hang mit den allegorischen Darstellungen der Unwissenheit als Feind der Kunst nennt Filip-<br />

czak wiederum das Beispiel, das nicht kurz vor Franckens Tod, sondern in das zweite Jahr-<br />

zehnt zu datieren ist (ABB. I 140). 239 Allerdings finden sich entsprechende Szenen auch in der<br />

230 Zirka Zaremba Filipczak: Picturing Art in Antwerp... (siehe Anm. 23). S. 138.<br />

231 Ibid. S. 130.<br />

232 Ibid.<br />

233 Härting 89. S. 371, Kat. Nr. 450.<br />

234 Vgl. S. 50 (auch Anm. 165 u. 167) und Ursula Härting:”>doctrina et pietas< ... (siehe Anm. 13). S.113.<br />

235 Die einzige Ausnahme sind die Muscheln, die allerdings selbst bei Teniers zu finden sind - etwa im Brüsseler<br />

oder im Madrider Beispiel (ABB. I 400 bzw. I 410).<br />

236 Vgl. das Bild der Slg. Mahieu (ABB. I 300 /Härting 89. Kat. Nr. 464) und das Stockholmer Galerieinterieur<br />

(ABB. I 290 /Härting 89. Kat. Nr. 463). Auch ist offen, ob der Globus in der im Vordergrund der zweiten Francken-<br />

Bearbeitung Teniers ((ABB. I 162/ Härting 89. Kat. Nr. 458) nicht eine Zutat von letzterem ist.<br />

237 Z. Z. Filipczak: Picturing Art in Antwerp... (siehe Anm. 23). S. 134.<br />

238 Sie schreibt von “[…] half a dozen gallery paintings before 1640 […]” , in denen diese Geste vorkomme.(Z. Z.<br />

Filipczak: Picturing Art in Antwerp... (siehe Anm. 23). S. 135.) Allein bei Frans II Francken lassen sich auf Anhieb<br />

drei Beispiele finden (/ Härting 89. Kat. Nr. 444 (ABB. I 421), 452 (ABB. I 422) u. 454 (ABB. I 112)), darunter auch<br />

das von Filipczak angeführte ( Galleria Borghese, Inv. Nr. 8002). Sie alle stammen aus dem zweiten Jahrzehnt. Da<br />

Filipczak die mindestens drei übrigen nicht nennt, nicht einmal den oder die Maler, macht sie eine abschließende<br />

Beurteilung ihrer Aussage unmöglich.<br />

239 Härting 89. S. 371, Kat. Nr. 450.<br />

79


Mitte der 1630er Jahre noch zuweilen. 240 Was schließlich das Motiv von Apelles, Alexander<br />

und Kampaspe betrifft, so mag es sein, daß es in den gemalten Galerien nach 1640 verschwun-<br />

den ist, doch taucht es dort, wie es scheint, insgesamt nicht allzu häufig und auch nicht vor<br />

Ende der 1620er Jahre auf. 241<br />

Abgesehen von diesen Punkten aber ist einzuwenden, daß die allegorischen Anspielungen<br />

in Teniers Bildersälen anscheinend grundsätzlich fehlen. 242 Insofern stellt sich die Frage, ob es<br />

sinnvoll ist, einige davon herauszugreifen und aus ihrem Wegfall allgemeine Schlüsse zu<br />

ziehen. Fraglos heben sich die ‘entschlackten’ Räume des David Teniers vom Gros früherer<br />

Galeriebilder ab, gleichwohl scheint es übereilt, sie allein auf Grund dessen zu ‘hellsichtigen’<br />

Vorboten eines fundamentalen Wandels in der Kunsttheorie zu stilisieren. Zumindest zwei<br />

der zuvor behandelten Stücke von de Baellieur und Jordaens etwa (ABB. I 330 u. I 340) weisen<br />

eine ganze Reihe von Anspielungen, auch auf die Vernunft, auf, und doch kommt in ihnen<br />

eine veränderte, im Gegensatz zu Francken und Teniers sehr unernste, nicht eben den<br />

Verstand hervorhebende Betrachterhaltung zum Ausdruck. Außerdem ist in diesem Zusam-<br />

menhang ein weiteres Mal auf das von Filipczak angeführte Francken-Gemälde der Galleria<br />

Borghese in Rom zurückzukommen (ABB. I 112), das in die Zeit zwischen 1610 und 1615<br />

datiert wird. 243 Denn darin finden sich nicht nur ein, sondern zwei sinnträchtig weisende<br />

Indexfinger. Während der hintere der beiden Herren am Tisch auf seine Stirn zeigt, deutet der<br />

vordere auf sein Herz. Das aber legt nahe, daß hier - lange vor 1640 - bereits sehr bewußt die<br />

Frage nach Verstand und Sentiment und ihrem jeweiligen Anteil an der Beurteilung von<br />

Kunstwerken gestellt wird. 244<br />

240 Soweit ich es sehe sind die Anspielungen zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht mehr so offenkundig wie bei den zerstörerischen<br />

eselsköpfigen Gestalten Franckens - die wurden zuletzt wohl bei van Haecht aufgegriffen -, sondern<br />

etwas subtiler wie in dem Gemälde Frans II Franckens in der Slg. Mahieu (ABB. I 300/ vgl. Anm 196); in einem Bildim-Bild<br />

verkündet dort Fama an der Seite des Herkules den Sieg der artes liberales über Unwissenheit und Laster.<br />

241 Zweimal finden sich diese Figuren bei van Haecht als Personal eines Galerieraums (ABB. I 270 u. I 271.), je<br />

einmal in einem Bild-im-Bild bei Frans II Francken (ABB. I 241/ sog. »Kabinett des Sebastian Leerse«), G. van<br />

Haecht (ABB. I 240./»Kunstkabinett des Cornelis van der Geeest«) und de Baellieur/Jordaens (ABB. I 350). Ebenfalls<br />

als Bild-im-Bild ist dieses Sujet auszumachen in einer Galerie, in der Pictura im Schoß des Disegno schläft<br />

(ABB. I 423/ ehem. Slg. Th. Mellon Evans. Verk. Christie’s NY Sommer 1998.Vgl. FAZ 6. 6. 1998, Nr. 129. S. 41), und<br />

in einer der sog. Preziosenwände der Francken-Werkstatt (ABB. I 424/ Härting 89. Kat. Nr. 446). Härting entscheidet<br />

nicht zwischen einer möglichen Zuschreibung an Frans II, dann wäre eine Datierung um 1615 wahrscheinlich,<br />

und einer an Frans III, letzteres stimmte wohl eher mit der für Frans II ungewöhnlichen Signatur überein, der die Datierung<br />

1625 hinzugefügt ist.<br />

242 Vgl. Karl Schütz: “Das Galeriebild als Spiegel ... (siehe Anm. 123). S. 166.<br />

243 Härting 89. Kat. Nr. 454.<br />

244 Das gilt natürlich nur dann, wenn die aufgeschlagene Seite, auf die die hintere Person deutet, auch ein Kunstwerk<br />

zeigt. Um Text handelt es sich, wie deutlich zu erkennen ist, nicht. Eine farbige Karte könnte es noch sein - der<br />

Himmelsglobus ließe eher auf eine Sternenkarte schließen. Wie aber wäre dann - also wohl bei einer wissenschaftlichen<br />

Diskussion - die auf das Herz weisende Geste zu verstehen?<br />

80


NACHBLÜTE. Sieht man einmal von den Teniers’schen Bildergalerien ab, so scheint dieser<br />

Bildtyp in den südlichen Niederlanden der 1640er und 1650er Jahre von keinem oder zumin-<br />

dest nur geringem Interesse gewesen zu sein. 245 Ab den 1660er Jahren finden sich dann noch<br />

einmal einige wenige Beipiele von verschiedenen Malern. 246 Auch wenn das repräsentative<br />

Element die tragende Rolle spielt, handelt es sich nicht oder nur selten um Portraits be-<br />

stehender Sammlungen, in denen sich der stolze Besitzer zeigt.<br />

So stellt etwa die großformatige Kooperation von Charles Emmanuel Biset (1633 - 1691),<br />

Wilhelm Schubert von Ehrenberg (1630 - ca. 1676) und einer Reihe weiterer Künstler Antwer-<br />

pens (ABB. I 430) 247 “[…] in idealer Sicht das Innere der neuen Gildenkammer dar, die bei der<br />

1662 erfolgten Etablierung der von David Teniers d. J. ins Leben gerufenen Akademie vom<br />

Magistrat in der neuen Handelsbörse zur Verfügung gestellt wird.” 248 Hinten rechts stehen der<br />

Dekan der Lukasgilde Gonzales Coques, der Bürgermeister Henri van Halmale und der Bild-<br />

hauer Pieter Verbruggen. 249 Links beleben einige Staffagefiguren als Betrachter und gerade<br />

eintretende Besucher die Szene. Vorne rechts steht ein Gemälde des Jacob Jordaens, das Gyges<br />

und Candaules und mit ersterem auch den vermeintlichen Erfinder der Malerei zeigt. 250<br />

Davor befinden sich, unbemerkt vom übrigen Personal, einige mythologische Figuren:<br />

Pictura, Apoll als Gott der Musen und Merkur als Verweis auf den Handel und die Zugehörigkeit<br />

der Malerei zu den artes liberales. 251<br />

Eine besondere und ganz andersartige Wichtigkeit aber kommt hier nun den Bildern-im-<br />

Bild zu. Bis auf die Deckenbemalung, die acht Rubens-Kompositionen für die Antwerpener Je-<br />

suitenkirche wiedergibt, stammen sie nicht mehr von einem Maler, der eine Reihe anderer<br />

Meister en miniature ‘kopiert’ oder ihre Art nachempfindet, sondern tatsächlich jeweils von<br />

demjenigen, von dem sie zu sein scheinen. In einem Bild, das genau an dem Ort gezeigt wird,<br />

den es in idealisierter Sicht darstellt, repräsentieren einige der Mitglieder sich und die Ge-<br />

245 Natürlich ist nicht auszuschließen, daß das schlicht an einer Lücke in der Literatur oder meinen Recherchen<br />

liegt.<br />

246 Filipczak schreibt: ”[…] few gallery paintigs postdate ca. 1660 […]”. Z. Z. Filipczak: Picturing Art in Antwerp...<br />

(siehe Anm. 23). S. 154.<br />

247 1666. Leinwand, 141 x 236 cm. Bayerische Staatgemäldesammlungen, München (Schloß Schleißheim), Inv. Nr.<br />

896. Vgl. Annalisa Scarpa Sonino: Cabinet D’Amateur. Le Grandi Collezioni d’Arte nei Dipiniti dal XVII al XIX<br />

Secolo. Mailand, 1992. S. 115 - 118.<br />

248 Georg Friedrich Koch: Die Kunstausstellung. Ihre Geschichte von den Anfängen bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts.<br />

Berlin, 1967. S. 81.<br />

249 Ibid., S. 82.<br />

250 Es handelt sich um eine Verwechslung zwischen Gyges, dem Königs von Lydien, und dem Poeten Gyges Ludius.<br />

Letzterer erfand nach Plinius’ Naturgeschichte die Malerei. Vgl. Z. Z. Filipczak: Picturing Art in Antwerp... (siehe<br />

Anm. 23). S. 155 und M. Winner: “Gemalte Kunsttheorie... (siehe Anm. 76). S. 160f.<br />

251 Zu Merkur vgl. S. 37f. Zudem findet sich außer drei Putten eine weitere Figur zwischen Apoll und Pictura.<br />

Winner deutet sie als die Dichtkunst (M. Winner: “Gemalte Kunsttheorie... (siehe Anm. 76). S. 161), Koch hingegen<br />

als Personifikation der Zeichnung, “Apollo inspiriert Zeichnung und Malerei und dazu Merkur […]” G. F. Koch: Die<br />

Kunstausstellung... (siehe Anm. 248). S. 82).<br />

81


samtheit der Lukasgilde nicht als Personen, sondern durch ihre Malerei. 252<br />

Ein wenig anders liegt der Fall bei einer ‘collaboration’, die für den Advokaten Jean van<br />

Baveghem angefertigt wurde (ABB. I 440). 253 Da die Gilde nicht in der Lage war, ihren Rechts-<br />

vertreter in einem langjährigen Verfahren angemessen finanziell zu entlohnen, entschloß<br />

man sich, den Verpflichtungen in Form einer gemalten Galerie nachzukommen. 254 Van Bave-<br />

ghem posiert als Hauptperson vorne links. Seine Frau steht bescheiden in der Türöffnung auf<br />

der gegenüberliegenden Seite, während sich die Tochter - wenn auch an der Hand der Mutter<br />

und nur dicht an der Wand entlang - etwas weiter in den Raum hineinwagt. An und neben<br />

dem Tisch links befinden sich vier Herren, die als Gildenmitglieder gedeutet werden. 255 Einer<br />

von ihnen weist auf einen jungen Mann, der vor ihm auf dem Boden kniet und ein Gemälde<br />

genau studiert. Das dürfte als Aufforderung an den realen Betrachter zu verstehen sein, es<br />

seiner Spiegelung im Bild gleichzutun; erst dann vermag er, die Miniatur in der Rechten des<br />

weisenden Herrn deutlich zu sehen.<br />

Auch in diesem Galeriebild stehen die Bilder-im-Bild als - teilweise signierte - Originale<br />

für die einzelnen Maler und folglich für die Gilde, doch sind sie hier im Gegensatz zum<br />

vorangegangenen Beispiel einer Person, dem Advokaten van Baveghem, gewissermaßen<br />

untergeordnet, sie dienen seiner Repräsentation. 256 Die Besonderheit dabei ist, daß es sich<br />

nicht um ein Sammlungsportrait im Sinne eines Abbilds einer auch außerhalb der Darstellung<br />

existierenden Sammlung handelt, sondern sozusagen um die Sammlung selbst. 257<br />

252 Zu dem Aufstellungsort vgl. Z. Z. Filipczak: Picturing Art in Antwerp... (siehe Anm. 23). S. 155/6.<br />

Man sich fragt, wie die Auswahl der ‘Repräsentanten’ getroffen wurde.<br />

253 1683. 55 x 110 cm. Royal Collection, Windsor Castle. Vgl. Annalisa Scarpa Sonino: Cabinet D’Amateur... (siehe<br />

Anm. 77). S. 114. Die Architektur wird W. Schubert von Ehrenberg zugeschrieben, die Figuren Gonzales Coques, von<br />

dem anscheinend auch der Vorschlag zu diesem Bild kam. Die teilweise signierten Bilder-im-Bild stammen von<br />

verschiedenen anderen Gildenmitgliedern und zeigen größtenteils wohl eigenständige Kompositionen.<br />

254 Dazu vgl. G. F. Koch: Die Kunstausstellung... (siehe Anm. 248). S. 82f. und Lionel Cust; F. Jos van den Branden:<br />

“Notes on Pictures in the Royal Collection - XXXII. On a Painting of a Picture Gallery by Gonzales Coques”, in: The<br />

Burlington Magazine for Connoisseurs. Vol. XXVII /No. CXLV - CL/1915. (S. 150 - 158) S. 157. Zu dem Rechtstreit,<br />

der sich aus dem Zusammenschluß der Malergilde mit der Rhetorikerkammer ergab, siehe Z. Z. Filipczak: Picturing<br />

Art in Antwerp... (siehe Anm. 23). S. 164ff.<br />

255 Vgl. G. F. Koch: Die Kunstausstellung... (siehe Anm. 248). S. 82f. und Lionel Cust; F. Jos van den Branden: “Notes<br />

on Pictures in... (siehe Anm. 254). S. 157. Es stellt sich die Frage, ob es sich nur um Maler handelt oder ob auch<br />

Vertreter der Rhetoriker darunter sind.<br />

256 Dabei scheint nur das zentrale »Urteil des Salomo« auf seine Person und die Verbindung zur Gilde hinzuweisen.<br />

257 Das dürfte in ähnlicher Weise auch für die Galerie im Den Haager Mauritshuis gelten (ABB. I 441/ um 1671. 127<br />

x 210,5 cm. Inv. Nr. 238.), bei der man ebenfalls davon ausgeht, daß die Bilder-im-Bild Originale verschiedener<br />

Antwerpener Meister sind (Vgl. Annalisa Scarpa Sonino: Cabinet D’Amateur... (siehe Anm. 77). S. 112. und Z. Z.<br />

Filipczak: Picturing Art in Antwerp... (siehe Anm. 23). S. 156. Rezniceks allerdings hält das gesamte Bild für eine<br />

Arbeit Coques, dem ansonsten ‘nur’ die Figuren zugeschrieben werden. E. Reznicek: “Notities bij de konstkamer van<br />

Gonzales Coques”, in: Bulletin van het Rijksmuseum en van het Mauritshuis. 2/ 1954. S. 43 - 45.). Der Portraitierte<br />

wird als Anthonie van Leyen identifiziert. Doch keines der Bilder, die de Bie in seinem »Gulden Cabinet« (siehe<br />

Anm. 15) als herausragende Stücke der Sammlung van Leyens nennt, findet sich hier wieder. Bei einem Sammler<br />

vom Rang van Leyens aber ist außer einem Sammlungsportrait wohl nur eine solche originäre Sammlung en miniature<br />

zu erwarten.<br />

82


In einem Gemälde des Brüsselers Gillis van Tilborch (1625 - 1678) dient der dargestellte<br />

Bildersaal ebenfalls der Repräsentation (ABB. I 450). 258 Allerdings macht es den Eindruck, als<br />

sei er nurmehr ein prestigereicher Hintergrund für ein Gruppenportrait. Zwar wirft Honig die<br />

Frage auf, ob sich das gezeigte Festmahl nicht auf “[…] the community-building banquets spon-<br />

sored by the St. Lucasgilde […]” beziehen könnte, doch Anhaltspunkte dafür finden sich<br />

nicht. 259 Keine der Personen interessiert sich auch nur im mindesten für die Bilder oder ist<br />

auf sonst eine Art als liefhebber der schilderyen oder Maler gekennzeichnet. 260 Ebenso fehlt<br />

jeglicher konkrete Hinweis auf die Lukasgilde. Vielmehr scheint es sich um eine Gesellschaft<br />

von Musikern oder Musikliebhabern zu handeln. Die beiden Musizierenden links allein<br />

sprächen noch nicht dafür, sie könnten lediglich zur Unterhaltung der Gäste aufspielen. Doch<br />

mit den beiden Instrumenten am Boden vorne rechts und dem großen Herrn mit der<br />

Querflöte in der Mitte hinter dem Tisch gewinnt diese Deutung erheblich an Wahrschein-<br />

lichkeit. Auch aus den auffälligen Blicken des Personals sind keine in dieser Hinsicht ent-<br />

scheidenden Schlüsse zu ziehen. Sie verraten lediglich, daß das Interesse der Gesellschaft ge-<br />

teilt ist und verschiedenen Dingen, Ereignissen oder Personen jenseits der Bildfläche gilt.<br />

Einige schauen zum Betrachter, andere nach rechts bzw. links aus dem Gemälde; allein der<br />

Mann am rechten Bildrand richtet seine Aufmerksamkeit auf etwas - allerdings nicht näher<br />

zu Bestimmendes - innerhalb der Bilderzählung. 261<br />

Anders als in diesen repräsentativen Beispielen rücken bei Hieronymus Janssens (1624 -<br />

1693) wieder die Betrachter als solche in den Mittelpunkt. 262 Der Titel »Picture Gallery with<br />

Dancing Party«, den E. Honig in der Bildunterschrift zu dem bereits angeführten Bild in<br />

258 Ca. 1650 - 1675. Öl auf Leinwand, 115 x 165 cm. Aufbewahrungsort unbekannt. Vgl. Elizabeth Honig:: “The<br />

beholder as work of art ...(siehe Anm. 14). S. 275. Auch wenn bisher keine der Personen identifiziert ist (vgl. Anm.<br />

283), steht die Portraithaftikeit wohl außer Frage.<br />

259 Ibid. S. 292, Anm. 105. Auch der von ihr angeführte Hinweis ist äußerst vage: “[…] some sort of allegory (of the<br />

arts?) is prominently placed on the rear wall […]” (ibid.).<br />

260 Somit ist auch unverständlich, wie Honig in diesem Zusammenhang zu der Äußerung kommt: “Although no<br />

group has been identified, such paintings at least indicate that what drew certain men together was their knowledge<br />

of art […]”. Ibid. S. 276.<br />

261 Eine ähnlich auffällige Choreographie der Blicke findet sich in Tilborchs »Fünf Herren in einer Kunstkammer«<br />

(ABB. I 451/ Spencer Museum of Art, <strong>University</strong> of Kansas, Lawrence). Doch auch dort bleiben sie rätselhaft, obschon<br />

sie bis auf eine Ausnahme - der Herr links schaut zum Betrachter - innerhalb des Bildes verbleiben. Ein Kunstwerk<br />

jedenfalls begutachtet keiner der fünf. So ist auch nicht verständlich, wieso J. van der Veen just dieses Stück<br />

als Beispiel nennt für “[…] schilderijen van kunstverzamelingen, waarin ook liefhebbers zijn afgebeeld die hun aandacht<br />

volledig [meine Hervorhebung] op een voltooid kunstwerk richten.” (Jaap van der Veen: “Galerij en kabinet...<br />

(siehe Anm. 21). S. 150.)<br />

262 Außer dem im folgenden besprochenen Gemälde vgl. auch ein Stück (ABB. I 221), dessen Reproduktion in der<br />

Witt Library unter Frans II Francken zu finden ist (siehe Anm. 193), meiner Ansicht nach aber von Janssens stammt.<br />

Anlage und Größe des Raumes sprechen ebenso wie die Mode gegen Francken. Das zentrale Portal ist zwar, wie es<br />

scheint, von Jordaens und de Baellieur (ABB. I 330) übernommen, taucht ähnlich aber auch in dem Janssens-Gemälde<br />

in Montargis (ABB. I 220) auf, in dem immerhin auch eines der Bilder-im-Bild ‘wieder’-verwendet ist. Große Ähnlichkeiten<br />

jedoch weist das Personal auf, insbesondere die junge Frau mit den Zöpfen - jeweils in der Mitte des Bildes.<br />

83


Montargis angibt (ABB. I 220), 263 läßt zunächst eine Tanzgesellschaft vermuten, für die der<br />

gezeigte Bildersaal lediglich ein Hintergrund ist. Tanzende Personen aber finden sich erst<br />

weiter hinten in einem Durchblick. Die Figuren im Vordergrund hingegen sind mit Gemäl-<br />

den und anderen Sammlungsgegenständen beschäftigt. Dort taucht auch ein bereits bekanntes<br />

Motiv wieder auf: unmittelbar hinter einem vorbildlichen Kunstliebhaber, der sich kniend an<br />

den Details einer »Blumenkranzmadonna« erfreut, schaut eine junge Frau zum Betrachter<br />

und macht ihn durch eine weisende Geste auf ein kleinformatiges Gemälde in ihrer Linken<br />

aufmerksam; will er es erkennen, ist er gezwungen sich in eine angemessene, der vorge-<br />

führten ähnliche Betrachterhaltung zu begeben.<br />

Zwar kommt in der räumlichen Verteilung von Tanz und Kunstbetrachtung eine Ge-<br />

wichtung zugunsten letzterer zum Ausdruck, doch die beiden Arten der Beschäftigung<br />

scheinen grundsätzlich gleichrangig. Hinweise auf einen moralisierenden Charakter der Tanz-<br />

gesellschaft sind nicht auszumachen. 264 Die Neuankömmlinge im Mittelgrund müssen also<br />

keine endgültige und weitreichende Entscheidung treffen. Der Herr, der der jungen Frau ne-<br />

ben ihm auffordernd den Weg in den Tanzsaal weist, ist somit auch kein Verführer zum<br />

Laster, und die Dame, die aufmerksam nach vorne zu den Kunstinteressierten schaut, steht<br />

nicht für den Pfad der Tugend. Indessen wird an dieser Gegenüberstellung sehr wohl deutlich,<br />

daß die Kunstbetrachtung trotz aller positiven Konnotationen, wie sie die Verwendung in re-<br />

präsentativen Zusammenhängen ja hinlänglich belegt, längst nicht mehr den Stellenwert<br />

eines Erkenntnisinstruments hat. Sie ist eher ein Zeitvertreib unter vielen, wenn auch kein<br />

rein sinnliches Vergnügen, sondern eines, das ein gewisses Maß an Verstand und Bildung<br />

voraussetzt.<br />

- iii -<br />

DER BESUCH IM ATELIER<br />

Betrachterfiguren tauchen außer in den gemalten Galerien der spanischen Niederlande zu-<br />

weilen auch in den weiter verbreiteten Atelierbildern auf. 265 Beispiele für diese spezielle Va-<br />

riante, die man abgrenzend als ‘Atelierbesuch’ bezeichnen kann, finden sich etwa von Pieter<br />

263 Ca. 1660 - 1680. Öl auf Leinwand. Museum, Montargis. Elizabeth Honig:: “The beholder as work of art ...(siehe<br />

Anm. 14). S. 280.<br />

264 Härting schreibt im Zusammenhang mit den Tanzgesellschaften “[…] >Luxuria


Codde (ABB. I 460) 266 und Frans van Mieris d. Ä. (ABB. I 470) 267 in den nördlichen Nie-<br />

derlanden und von Abraham Bosse (ABB. I 480 u. I 490) 268 in Frankreich. Dazuzurechnen ist<br />

auch eine Reihe von vornehmlich südniederländischen Gemälden, die als Mischform aus<br />

dem meist bescheidenen Atelierbild und dem eher prächtigen Galeriebild beschrieben werden<br />

können. Zu nennen sind hier Stücke von David Teniers d. J. (ABB. I 500) 269 und Gillis van Tilborch<br />

(ABB. I 510) 270 um die Mitte des Jahrhunderts und von Gerard Thomas (ABB. I 520) 271<br />

und Balthasar van den Bossche (ABB. I 530) 272 um 1700. 273<br />

Dieser Bildtyp jedoch birgt ein grundsätzliches Problem, aufgrund dessen solche Darstel-<br />

lungen nur gelegentlich Eingang in diese Arbeit finden. Die gezeigten Räume sind primär<br />

Orte der Produktion oder werden, falls sie es nicht sind, im vorgeführten Moment dazu<br />

genutzt. Damit verbunden ist eine Unwägbarkeit bezüglich der Intention des Besuchs oder zu-<br />

mindest der augenblicklichen Interessen der Besucher. Es ist meist nicht zu entscheiden, ob<br />

und inwieweit die Betrachtung der Kunstwerke als Kunstwerke von anderen Aspekten über-<br />

lagert wird, also etwa der Faszination durch den Entstehungsprozeß oder die Transformation<br />

von einem Gegenstand zu seinem Abbild.<br />

Eines der wenigen Beispiele, bei denen die geschilderten Umstände nahelegen, daß es den<br />

Betrachtern tatsächlich nur um die Begutachtung der Werke geht, ist ein Blatt des Abraham<br />

Bosse (ABB. I 480/ 1643). Während vorne zwei Stecher arbeiten, besehen sich hinten ein<br />

266 »Kunstliebhaber in einem Maleratelier«, um 1625/30. Staatsgalerie, Stuttgart.<br />

267 »Der Kunstkenner im Atelier«, um 1655. Gemäldegalerie, Dresden. Im Zusammenhang mit diesem und dem zuvor<br />

geanannten Codde ist auf H.-J. Raupp zu verweisen: “Die Begegnung des Kenners mit dem Kunstwerk […] findet in<br />

der holländischen Malerei nur selten und dann auch nur im eher bescheidenen Rahmen des Ateliers statt.” Hans-<br />

Joachim Raupp: Untersuchungen zu Künstlerbildnis und Künstlerdarstellung in den Niederlanden im 17. Jahrhundert.<br />

Hildesheim u. a., 1984. S. 329.<br />

268 »Besucher in einer Stecher- und Radiererwerkstatt«, 1643. »Besucher in einem Bildhaueratelier«, 1642.<br />

269 Öl auf Leinwand, 96 x 125 cm. Bayerische Staatsgemäldesammlung, München, Inv. Nr. 1819.<br />

270 98x 137 cm. Staten Museum for Kunst, Kopenhagen, Inv. Nr. 292. dazu vgl. auch David Teniers, Jan Brueghel y<br />

Los Gabinetes de Pinturas.(Ausst. Kat. Museo del Prado) Madrid, 1992. S. 230ff. In diesem Band findet sich noch ein<br />

drittes Bild dieser Art (ABB. I 511/ 54 x 69 cm. Privatslg., Bilbao), das dort Frans II Francken zugeschrieben wird.<br />

Härting (83 u. 89) jedoch scheint dieses Stück nicht einmal zu erwähnen. Auch ein drittes Blatt von A. Bosse paßt in<br />

diese Reihe: »Le noble Peintre« (ABB. I 512)<br />

271 »Maleratelier« (Koninklijk Museum voor Schone Kunsten, Antwerpen). Weitere Beispiele von G. Thomas: »Maleratelier«<br />

(ABB. I 521/ Koninklijk Museum voor Schone Kunsten, Antwerpen), »Eine Galerie mit einem jungen Maler«<br />

(ABB. I 522/ Rubenianum, Antwerpen) u. »Maleratelier« (ABB. I 523/ Musées Royaux des Beaux-Arts, Brüssel).<br />

272 »Maleratelier« (1707. Verkauf Christie’s London 1966. Siehe auch v. d. Bossches »Bildhaueratelier« aus demselben<br />

Jahr (ABB. I 531/ ebenfalls Christie’s London 1966) Zu v. d. Bossche und zwei vergleichbaren Stücken in Köln<br />

siehe Ekkehard Mai: “Aspekte der Atelierbilder Balthasar van den Bossches”, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch.<br />

Westdeutsche Jahrbuch für Kunstgeschichte. Bd. XLVIII/XLIX. (Köln) 1987/8. S. 453 - 461. Zu den Besonderheiten<br />

dieser und ‘verwandter’ Gemälde aus dem Antwerpen der Zeit um 1700 siehe Z. Z. Filipczak: Picturing Art in Antwerp...(siehe<br />

Anm. 23). S. 177 - 190.<br />

273 Ähnliche Stücke finden sich auch von Dominicus Smout (ABB. I 532/ Sotheby’s Amsterdam, 26. April 1977. Nr.<br />

123) und Johann Georg Platzer (ABB. I 533/ 652. Math. Lempertz’sche Kunstverst., Köln, 21. Juni 1990. Nr. 117).<br />

85


eleganter Herr und zwei Mönche bereits gerahmte Stücke. 274 Der vorgeführten Herstellung,<br />

von der auch die Bildunterschrift handelt, widmen sie nicht die geringste Aufmerksamkeit.<br />

In einem anderen Blatt von Bosse, das den Blick in ein Bildhaueratelier vorstellt, sind die<br />

Besucher recht deutlich an technischen Aspekten der Produktion interessiert (ABB. I 490/<br />

1642). Rechts befindet sich eine weitgehend fertiggestellte Skulptur von Venus und Amor.<br />

Davor steht der Meister mit dem dazugehörigen Bozzetto in seiner Linken und erläutert<br />

einem Herrn und zwei Damen, wie anhand des kleinen Models die überlebensgroße Skulptur<br />

entsteht - in Kurzform liefert auch die Bildunterschrift eine entsprechende Erklärung zu den<br />

Werkzeugen, den Materialien und der Vorgehensweise des Bildhauers.<br />

Das Beispiel von Teniers thematisiert gar das Interesse des ‘Publikums’ am Schaffensakt<br />

selbst (ABB. I 500). Es zeigt einen Bildersaal, in dem vorne links ein junger Maler mit dem<br />

Blick zu seinem Model vor einer gänzlich leeren Leinwand sitzt. 275 Letztere aber steht für die<br />

künstlerische Schaffenskraft. 276 Hinter dem Künstler nun stehen drei Herren. Einer von<br />

ihnen wartet gespannt auf der ersten Strich, den Augenblick der Inspiration, während ein<br />

zweiter links hinter ihm aus dem Bild zum Betrachter schaut und so auf die Wichtigkeit des<br />

Kommenden aufmerksam macht. Dem dritten, der nach links aus dem Bild sieht, wird dieser<br />

Moment wohl entgehen.<br />

Selbst wenn es ‘nur’ um die Betrachtung der Bilder geht, mag dabei zuweilen doch der Reiz<br />

des Unfertigen von Bedeutung sein oder gar die Hoffnung durch Anmerkungen ‘Verbesse-<br />

rungen’ zu bewirken - man erinnere sich an Apelles und den Schuster. Und schließlich wird<br />

ein Auftraggeber ein Werk mit seinen Vorstellungen und Vorgaben vergleichen und wo-<br />

möglich Änderungen anregen, wenn nicht fordern.<br />

- iv -<br />

DAS MOTIV DES KUNSTBETRACHTERS IN ANDEREN REGIONEN<br />

Schon im vorangegangenen Abschnitt sind einige Darstellungen von Kunstbetrachtern aus<br />

Gegenden jenseits der südlichen Niederlande zur Sprache gekommen. Zum Abschluß und<br />

zur Arrondierung des Kapitels ist diese Reihe noch um einige weitere, wie es scheint, ver-<br />

einzelte Beispiele zu ergänzen.<br />

274 Die Frage, ob die Mönche die Werke auf ihre allgemein künstlerischen Aspekte oder allein auf ihre Vergegenwärtigungsqualitäten<br />

hin beurteilen, soll hier außer acht gelassen werden.<br />

275 Lediglich die Rahmen der dahinter befindlichen Gemälde sind ‘darauf’ als Pentimenti zu erkennen.<br />

276 ”Een leeg doek op een kunstenaarsportret geldt sinds de renaissance als een verwijzing naar de creativiteit: de<br />

kunstenaar wacht op een ingeving voor de compositie om dan met behulp van zijn talent het lege vlak in een kunstwerk<br />

te transformeren.” Margret Klinge: David Teniers de Jonge...(siehe Anm. 202). S. 50.<br />

86


Von Rembrandt stammt ein radiertes Bildnis des Apothekers Abraham Francen (ABB. I<br />

540). 277 Es zeigt den Sammler in einem relativ dunklen und auch klein anmutenden Raum.<br />

An der Rückwand sind außer einem Triptychon nicht mehr als zwei Gemälde auszumachen.<br />

Auf dem Tisch davor finden sich unter anderem ein Totenschädel, eine asiatische Plastik und<br />

ein Foliant. Francen sitzt rechts am Fenster. Er ist nicht auf den Betrachter ausgerichtet und<br />

nicht einmal der Beobachtung durch ihn gewahr. Er ist ganz und gar damit beschäftigt, eine<br />

Tafel oder ein Blatt zu studieren. Die angedeuteten Sammlungsstücke dienen nicht seiner<br />

Repräsentation, sondern sie sind Gegenstände seines tiefgreifenden Interesses. Besonders<br />

deutlich wird das etwa im Vergleich mit Daniel Mijtens Portrait des Earl of Arundel, in dem<br />

sie dem stolzen Besitzer ein prestigereiches Ambiente für seine Selbstdarstellung liefern. 278<br />

Rembrandt gibt den ihm nahestehenden Freund 279 als wahrhaftigen Kunstliebhaber wieder.<br />

Dabei verstärken die Bescheidenheit des Raumes und die Lichtführung den Eindruck der<br />

Ernsthaftigkeit und der Konzentration auf die Sache. 280<br />

In einer ganzen Reihe von holländischen Interieurdarstellungen, etwa eines Jan Vermeer<br />

oder Samuel van Hoogstraten, finden sich an den Wänden neben Spiegeln und Landkarten<br />

auch einzelne Gemälde. 281 Äußerst selten aber scheinen Fälle, in denen gezeigt wird, wie solch<br />

ein Gemälde betrachtet wird. Einer davon - vielleicht gar der einzige - ist Gabriel Metsus<br />

»Briefleserin« (ABB. I 550) 282 Unweit der titelgebenden Person, die links am Fenster sitzt, steht<br />

eine Magd in Rückenansicht. Den Umschlag des überbrachten Briefes in der Hand und einen<br />

Eimer auf der Hüfte hält sie den Vorhang vor einem Seestück ein wenig beiseite und besieht<br />

277 Um 1656. Radierung, Kaltnadel, Grabstichel. 15,8 x 20,8 cm. Hamburger Kunsthalle, Inv.-Nr. 6035.<br />

278 (ABB. I 541).Ca. 1616. Arundel Castle. Vgl. auch das Bildnis des Kardinals Mazarin von François Chauveaus<br />

und Robert Nanteuils (ABB. I 542/ 1659. Kupferstich. Bib. Nat., Paris).<br />

279 Vgl. Rembrandt. Hundert Radierungen. Ausw. u. Bearb. Eckhard Schaar. (Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle)<br />

Hamburg, 1987. S. 208.<br />

280 Im Zusammenhang mit Rembrandt mag einem außerdem noch dessen Gemälde »Aristoteles vor der Büste<br />

Homers« in den Sinn kommen (ABB. I 543), zumal der Titel eines Aufsatzes von Margaret Deutsch Carroll es besonders<br />

für diese Arbeit zu empfehlen scheint, denn er lautet “Rembrandt’s Aristotle: Exemplary Beholder” (in: Artibus<br />

et Historia. Rivista internazionale di arti visive e cinema. Nr. 10. 1984. S. 35 - 56.). Indessen ist dieser Aristoteles<br />

wohl nicht als Kunstbetrachter zu bezeichnen. Zwar ruht seine Rechte auf dem Kopf der Büste, doch sein Blick<br />

gilt ihr nicht, er schaut ‘nur’ gedankenversunken vor sich hin. Die Büste mag der Ausgangspunkt für seine Überlegungen<br />

gewesen sein, aber nun, so macht es den Eindruck, sind sie nahezu vollständig von diesem Gegenstand losgelöst.<br />

Bei Carroll heißt es: “Rather, the philosopher’s thoughtful gaze suggests that he may be passing, in a familiar meditational<br />

progression, from an initial stage of sensory observation to one of intellectual deliberation, which leads,<br />

in principle, to a final stage of spiritual insight.” (Ibid., S. 38.) Darüberhinaus ist man geneigt zu bezweifeln, daß es<br />

bei der vorgeführten Betrachtung irgendwann um die künstlerischen Qualitäten der Büste ging.<br />

281 Zur Funktion von Spiegeln, Gemälden und Landkarten vgl. etwa Victor I. Stoichita: Das selbstbewußte Bild...<br />

(siehe Anm. 124). S. 173 - 223. Zu den Bildern-im-Bild und ihrer Beziehung zur Bilderzählung in der holländischen<br />

Malerei vgl. Gregor J. M. Weber: “»Om te bevestige[n], aen-te-raden, verbreden ende vercieren«. Rhetorische Exempellehre<br />

und die Struktur des >Bildes im Bild


sich den nun unverdeckten Teil. Die vordringliche Funktion dieser Nebenfigur liegt darin,<br />

das Bild-im-Bild hervorzuheben, das seinerseits wohl eine Anspielung auf die Entferntheit<br />

des Schreibers, den Inhalt des Briefes oder die daraus resultierenden Gedanken der Leserin<br />

ist. 283<br />

Darüberhinaus aber wird mit ihr auch eine Art der Betrachtung von Kunstwerken<br />

dargestellt, wie sie in den vorangegangenen Beispielen nicht zu finden war. So handelt es sich<br />

hier bei der Magd zu einem der ersten Male um eine Person niedrigeren Standes, eine Be-<br />

dienstete, die sich für ein Kunstwerk ‘interessiert’. Indessen soll mit ihr sicher keine -<br />

vorbildliche - Kunstbetrachterin im Sinne einer ästhetischen Rezeption vorgeführt werden.<br />

Zu demonstrativ ist sie mit dem Eimer als eigentlich anderweitig beschäftigt gekennzeichnet.<br />

Plausibler erscheint es, von einer anderen Motivation auszugehen, also etwa von einer ge-<br />

wissen Langeweile oder auch Dezenz beim Warten auf die Beendigung der Brieflektüre oder<br />

der Absicht, die eigene Neugier auf die Reaktion, die der Brief auslöst, zu verbergen. 284<br />

Auch im Frankreich des 17. Jahrhunderts finden sich außer den im Zusammenhang mit<br />

den Atelierbesuchen angeführten Beispielen vereinzelt noch andere Darstellungen von<br />

Kunstbetrachtern. Georges de Scudéry, Bruder der heute geläufigeren Madeleine de Scudéry,<br />

veröffentlichte 1646 eine Beschreibung von etwa 200 Gemälden und Drucken, “[…] partielle-<br />

ment un musée réel, composé de tableaux que Scudéry a vus et peut-être possédés, mais sur-<br />

tout un musée imaginaire […]”. 285 Vorangestellt wurde »Le Cabinet de M. R de Scudery« ein<br />

Frontispiz von François Chauveau (ABB. I 560). 286<br />

Dieser Blick in eine Galerie - und damit ist wohl gleichzeitig das Buch gemeint - ist durch<br />

einen nach oben weggerafften Vorhang als eine privilegierte Einsicht gekennzeichnet. 287 Zu-<br />

dem vermittelt sich auch sonst ein Charakter von Privatheit: denn anders als beim Gros der<br />

Antwerpener Stücke wirkt der dargestellte Raum relativ klein und aufgrund fehlender Durch-<br />

blicke abgeschlossen, er ist nur ausschnitthaft wiedergegeben, und man ist näher herangerückt<br />

an die Akteure, die dem realen Betrachter keinerlei Beachtung schenken. Die größtenteils nur<br />

283 Stoichita nennt u. a. erotische Konnotationen “[…] der Liebhaber ist das Schiff, die Geliebte der Hafen; das aufgewühlte<br />

Meer kann auf die Gefahren der erotischen Verbindung verweisen, die Erscheinung des Schiffs auf die<br />

Hoffnung einer nahen Begegnung. Aber die »Marine« kann auch eine Warnung sein: »Frau, die Reise ist gefährlich;<br />

besser ist es, zu Hause zu bleiben«!” Victor I. Stoichita: Das selbstbewußte Bild... (siehe Anm. 124). S. 196.<br />

284 Wobei die Dezenz insofern reizvoller wäre als die durch sie motivierte Handlung - das Aufdecken und Betrachten<br />

des Bildes - Spekulationen über einige, womöglich indezente Inhalte des Briefes Vorschub leistet. Vgl. vorangehende<br />

Anm.<br />

285 Jean Adhémar: “»Le Cabinet de M. de Scudéry«. Manifeste de la Préciosité”, in: Gazette des Beaux-Arts. Tome<br />

6/ 1967. (S. 370 - 376) S. 372.<br />

286 Eben jener, von dem auch das erwähnte Bildnis des Kardinals Mazarin stammt (ABB. I 542).<br />

287 Adhémars Einwurf zu dem Sujet der gemalten Galerie “[…] - image rare alors -[…]” bekräftigt meine Einschätzung<br />

bezüglich der Häufigkeit dieses Bildtyps im Frankreich des 17. Jahrhunderts. Jean Adhémar: “»Le Cabinet de<br />

M. de Scudéry«...(siehe Anm. 285). S. 370.<br />

88


angedeuteten Werke sollen keine existierende Sammlung abbilden, sie bilden vornehmlich<br />

ein Ambiente für das Personal. 288<br />

Links steht ein junger Mann vor einer überlebensgroßen weiblichen Büste. Er ist deutlich<br />

vorgebeugt und hat seine rechte Hand so ausgestreckt, als wolle er Gesehenes nachformen,<br />

vielleicht um es in seiner Schönheit besser empfinden, es besser begreifen zu können. Rechts<br />

folgt eine geschlechtlich nicht genau zu bestimmende Figur in einem togenartigen Gewand.<br />

Letzteres könnte einfach eine Mode der Zeit sein, eine Art Morgenmantel vielleicht, 289<br />

schlicht ein Hinweis auf Extravaganz oder Kennzeichnung einer Person aus einer vergange-<br />

nen Epoche. 290 Wie dem auch sei, diese Figur ist in einer Torsion einem zweifellos zeitge-<br />

nössisch gekleideten Herrn 291 zugewandt, der, wie es scheint, mit seinen Augen ihrer nach<br />

links weisenden Geste folgt. Unklar dabei ist, wem oder was Fingerzeig und Blick gelten. Ist es<br />

die Büste, so könnte man das Paar im Gegensatz zu der einzelnen Person als dialogische<br />

Variante der Kunstbetrachtung verstehen. Ist es aber der junge Mann, auf den sich ihre Auf-<br />

merksamkeit richtet, würde damit seine Art des Umgangs mit den Kunstwerken - wohl als<br />

eine vorbildhafte - besonders hervorgehoben; vielleicht auch in Anspielung auf den Autor,<br />

der den zu beschreibenden Stücken nachspürt, sie nachbildet und in sein Medium über-<br />

setzt. 292<br />

Ebenfalls um ein Frontispiz handelt es sich bei einem weiteren französischen Beispiel, und<br />

zwar das zu den »Recherches curieuses D’Antiquité« (Lyon, 1683) eines gewissen J. Spon<br />

(ABB. I 570). 293 Es zeigt eine wilde Anhäufung von Architekturen und Denkmalen sowie<br />

einzelnen umgestürzten Sockeln und Kapitellen. Diese antiken Sehenswürdigkeiten sind<br />

zumindest teilweise nummeriert, was vermuten läßt, daß der folgende Text auf sie und wohl<br />

noch einige weitere Dinge näher eingehen wird. Im Mittelgrund befinden sich drei Herren<br />

288 Dennoch dürfte die Zusammensetzung nach Bildgattungen dem Zeitgeschmack entsprechend gestaltet sein.<br />

289 Vgl. ABB. II 13. Darauf findet sich eine Person, wohl der Gastgeber, im Morgengewand.<br />

290 Ein ähnliches Gewand und Schuhwerk(?) finden sich in N. de Largillières »Portrait des Charles Le Brun«<br />

(ABB. I 561), allerdings sitzt Le Brun und sein Tuch ist teilweise elegant über einen Stuhl drapiert. Vielleicht liegt<br />

ein Ansatz zur Lösung auch in den Gepflogenheiten und Ideen des Zirkels der ‘Précieuses’ um Madame de Rambouillet,<br />

zu dem auch die Geschwister Scudéry gehörten. (Vgl. den Untertitel von Adhémars Aufsatz: “»Le Cabinet de M.<br />

de Scudéry«. Manifeste de la Préciosité [meine Hervorhebung]” (siehe Anm. 285).)) Madame de Scudéry etwa wurde<br />

‘Sapho’ genannt (ibid. S.370). Gegen die Deutung als allegorische oder mythologische Figur, bei der man jedoch sinnvollerweise<br />

ein bestimmendes Attribut erwartete, ist nur ein ein Detail wie das Vorhandensein von Schuhwerk anzuführen,<br />

das ich meine ausmachen zu können.<br />

291 Dessen Bart allerdings könnte in Verbindung mit dem ins Profil gewendeten Kopf vielleicht auch einen ‘Philosophenbart’<br />

zitieren.<br />

292 Ein Portrait Scudérys ist eher unwahrscheinlich, denn der war bei Erscheinen des Bandes bereits 46 (Vgl. J.<br />

Adhémar: “»Le Cabinet de M. de Scudéry...(siehe Anm. 285). S. 370). Wenn sich Scudéry, wie Adhémar meint,<br />

letztlich nur für die Sujets der aufgenommenen Bilder interessiert hat (ibid., S. 371), ergäbe sich zudem wohl eine<br />

gewisse Diskrepanz zwischen Text und Frontispiz.<br />

293 Reproduktion nach einer Fotokopie aus dem Warburg Institute, London. Rechts unten steht in etwa: “M. Ogier<br />

delin et Sculp. / Luyduai”.<br />

89


vor einer ‘weiblichen’ Statue. Einer weist mit seiner Rechten auf die Skulptur und mit sei-<br />

nem Stock auf die Inschrift des Sockels. Dabei wendet er sich um zu einem zweiten, der in ein<br />

handliches Büchlein schreibt, also wohl die Worte des ersten notiert - vielleicht ist gar das<br />

vorliegende Buch gemeint. Ein dritter kniet am Boden und scheint ein kleines Fundstück zu<br />

säubern und zu begutachten. Dieses Blatt ist nicht nur als eines der anscheinend raren franzö-<br />

sischen Darstellungen von Kunstbetrachtern im 17. Jahrhundert erwähnenswert, 294 sondern<br />

auch, weil es bereits auf das 18. Jahrhundert, genauer auf die Grand Tour verweist, in deren -<br />

wenn auch eher indirekter - Folge wohl so manches der noch anzuführenden Bilder entstand.<br />

- v -<br />

RESÜMEE<br />

Im 17. Jahrhundert werden Kunstbetrachter nahezu ausschließlich in einem - im weitesten<br />

Sinne - privaten Umfeld oder, wenn man so will, als Teil einer sehr ‘exklusiven Öffent-<br />

lichkeit’ dargestellt, d. h. in bürgerlichen bzw. fürstlichen Sammlungen oder in Ateliers. Die<br />

letztgenannte Variante wurde hier nur gelegentlich einbezogen, da es häufig den Eindruck<br />

macht, als gelte die Aufmerksamkeit der Besucher weniger den fertigen Kunstwerken als<br />

deren Entstehungsprozeß und dem schöpferischen Akt. 295 Bei den vorrangig untersuchten ge-<br />

malten Galerien, die fast zur Gänze aus Antwerpen bzw. von dort ausgebildeten Malern<br />

stammen, 296 lassen sich drei Grundtypen unterscheiden:<br />

1) In den Darstellungen fiktiver Galerien wird zunächst eine auf Wissen und Erkenntnis<br />

ausgerichtete Beschäftigung mit Gemälden sowie scientifica oder naturalia vorgeführt, die<br />

stark im Glauben verankert ist - darauf deuten vor allem in den frühen Beispielen die in<br />

ihrer Größe und ihrer zentralen Position hervorgehobenen religiösen Bilder-im-Bild. 297 Die<br />

Vorbildhaftigkeit des demonstrierten Tuns wird in einigen Beispielen durch die Anwesenheit<br />

294 Lediglich erwähnt sei ein drittes Stück (ABB. I 571), eine Illustration von Claude Mellan zu einem Buch mit<br />

dem Titel »Argenis« von Jean Barclay (Paris, 1623). Laut der heutigen Bildunterschrift zeigt es einen Maler, der einer<br />

Prinzessin einige Gemälde vorstellt (vgl. Der Zugang zum Kunstwerk: Schatzkammer, Salon, Ausstellung, “Museum”.<br />

Bd. 4 der Akten des XXV. Internationalen Kongresses für Kunstgeschichte: Wien, 4.-10. Sept. 1983 / im Auftr.<br />

d. Österr. Nationalkomitees d. CIHA hrsg. von Hermann Fillitz u. Martina Pippal. Wien; Köln; Graz: 1986. S.<br />

169.).<br />

Diese drei französischen Beispiele allerdings werfen, da sie alle im Zusammenhang mit Texten - unterschiedlichster<br />

Art - erschienen sind, die Frage auf, ob in diesem wohl eher schlecht erschlossenen Bereich nicht noch einiges zu<br />

entdecken ist.<br />

295 Die Aufgabe, die Motive dieser Betrachter oder vielleicht besser Zuschauer genauer zu bestimmen, böte sicher<br />

genug Stoff für eine gesonderte Recherche.<br />

296 Zumindest bisher ist die einzige Erklärung dafür ein besonderes geistiges und gesellschaftliches Klima in<br />

Antwerpen. Vgl. S. 27.<br />

297 Vgl. etwa folgende Beispiele Frans II Franckens: ABB. I 110ff., I 140, I 161.<br />

90


prominenter Persönlichkeiten oder bedeutender Gelehrter verdeutlicht, 298 in anderen da-<br />

durch, daß dem legitimen Personal dieser ‘Denkräume’ die zerstörerischen ânes iconoclastes<br />

gegenübergestellt werden. 299 Sie sind zweifellos als Personifikationen der ignorantia, jedoch<br />

wohl auch konkreter als Erinnerung an den Bildersturm und als Kritik an den bilderfeindli-<br />

chen Calvinisten zu verstehen, die - unter anderem - die Geschicke Antwerpens für einige<br />

Zeit bestimmt hatten. Außerdem wird in der Gegenüberstellung nochmals der bedachte Um-<br />

gang mit den Sammlungsstücken, der es vermag, Sinn und Erkenntnis zu stiften, als gottge-<br />

fällige Beschäftigung charakterisiert. Zugleich wird, etwa durch die angeketteten Affen, darauf<br />

hingewiesen, daß man beim Sammeln das rechte Maß finden muß, auf daß es nicht zu einem<br />

bloßen Anhäufen von Kostbarkeiten verkommt.<br />

Unzweifelhaft werden auch kennerschaftliche Interessen formuliert und angesprochen:<br />

ganz grundsätzlich - innerhalb der Bilderzählung - durch das Nebeneinander religiöser und<br />

profaner Sujets und - beschränkt auf den realen Betrachter - dadurch, daß der Maler die<br />

charakteristische Art verschiedener bekannter Kollegen, weitgehend aus Antwerpen, imitiert,<br />

sowie durch allegorische Anspielungen, etwa auf die Malerei oder das Maßhalten bei Sam-<br />

meln. Hinzu kommen natürlich Art und Intensität der Aufmerksamkeit, die das Personal<br />

den Kunstwerken entgegenbringt. 300 Häufig ist sie auf ein Stück in seiner Gesamtheit<br />

gerichtet, was meist nicht erlaubt, die Motive der Betrachter genauer zu spezifizieren, immer<br />

wieder aber gilt sie auch Details, was eine tiefgreifendere Begutachtung, womöglich gar maleri-<br />

scher Aspekte, nahelegt.<br />

2) Etwa seit den späten 1630er Jahren finden sich dann Galeriedarstellungen, deren Per-<br />

sonal sich, überwiegend oder auch nur teilweise, dadurch auszeichnet, daß seine Aufmerk-<br />

samkeit eher beiläufig auf die Kunstwerke gerichtet ist. 301 Es ist nicht so, als beschäftigten sich<br />

diese Figuren - meist geschlechtlich gemischte Paare oder Gruppen, nicht mehr überwiegend<br />

Männer - gar nicht mit den präsentierten Stücken. Doch es entsteht der Eindruck, als gehe es<br />

nicht so sehr um den jeweiligen Gegenstand und womöglich die aus ihm zu ziehende<br />

Erkenntnis, als vielmehr darum, Anregungen für eine lockere Konversation zu erhalten und<br />

298 Zählen sie zu letzteren, so unterstreichen sie natürlich auch die Ausrichtung auf Wissen und Erkenntnis.<br />

Siehe etwa das »Galerieinterieur mit erzherzöglichem Paar« von Hieronymus II Francken und Jan I Breughel (?)<br />

(ABB. I 190/ vgl. auch ABB. I 191 u. I 192) und Frans II Franckens Galerien mit Justus Lipsius (ABB. I 250) bzw. mit<br />

Justus Lipsius und Abraham Ortelius (ABB. I 260).<br />

299 Siehe etwa Beispiele von Frans II Francken: ABB. I 140, I 161 u. I 422.<br />

300 Bei einzelnen und kleinen Gruppen, wie etwa bei Frans II Francken, tritt auch der Fall ein, daß sich die Anwesenden<br />

‘nur’ für einen Globus oder etwas Vergleichbares, jedenfalls nicht für ein Kunstwerk interessieren.<br />

301 Zu nennen sind hier zwei Gemälde von Hans III Jordaens und Cornelis de Baellieur (ABB. I 330 u. I 340), Hieronymus<br />

Janssens »Picture Gallery with Dancing Party« (ABB. I 220) und eine Galeriedarstellung von Willem von<br />

Herp (ABB. I 292/ wird bisweilen auch de Baellieur zugeschrieben); letztere wurde in diesem Zusammenhang bisher<br />

noch nicht erwähnt, da die beschriebene Haltung lediglich für ein wenig prominentes Paar, rechts vor dem<br />

Durchgang - unter Umständen auch für das Paar im hinteren Raum -, zutreffend erscheint.<br />

91


sich auf amüsante Art und Weise die Zeit zu vertreiben. Die Besucher bewegen sich ungefähr<br />

so durch die Galerie, als spazierten sie durch einen Garten. Die Betrachtung von Kunstwerken<br />

wird in diesen Bildern gezeigt als nur eine unter mehreren gesellschaftlichen Vergnügungen,<br />

wenn auch eine, die eines gewissen Maßes an Verstand und Bildung bedarf.<br />

3) In den vergleichsweise seltenen Ansichten tatsächlich existierender Sammlungen<br />

schließlich drängt sich ein anderes Moment in den Vordergrund, die Repräsentation. Der stol-<br />

ze Sammler läßt sich inmitten seiner Schätze zeigen, als Mann von Geist und auserlesenem<br />

Geschmack; ein Effekt, der bisweilen noch dadurch gesteigert wird, daß man die vorgefun-<br />

denen Räumlichkeiten, sowie Auswahl und Arrangement der Kunstwerke nicht etwa mög-<br />

lichst genau dokumentiert, sondern sie idealisiert wiedergibt. In van Haechts »Kunstkabinett<br />

des Cornelis van der Geest« von 1628, 302 dem wohl frühesten Beispiel dieser Art, sollen die<br />

zahlreichen prominenten Gäste darüberhinaus sicher auch das - nicht zuletzt der Qualität der<br />

Sammlung zu verdankende - hohe gesellschaftliche Ansehen des Hausherrn vor Augen<br />

führen.<br />

Das repräsentative Moment spielt indessen nicht nur in solchen Portraits realiter bestehen-<br />

der Sammlungen und des jeweiligen Sammlers eine tragende Rolle. So zeigt der von mehre-<br />

ren Malern der Antwerpener Gilde als Entlohnung für ihren Rechtsbeistand Jean van Bave-<br />

ghem angefertigte Bildersaal zwar eine fiktive Galerie, 303 doch soll die vorgeführte Sammlung<br />

sicher gleichwohl in erster Linie dazu dienen, das Ansehen ihres ‘Besitzers’, sprich des darge-<br />

stellten Advokaten, zu unterstreichen und zu mehren. Eine weitere Variante findet sich in<br />

Gillis van Tilborchs »Gruppenportrait in einer Kunstkammer« . 304 Hier scheint es, als sei der<br />

geschilderte Bildersaal nurmehr ein prestigeträchtiger Hintergrund, dem die wiedergegebe-<br />

nen Personen - wohl eine Gruppe von Musikern - keinerlei Beachtung schenken; wobei vor<br />

allem die fehlende Aufmerksamkeit dafür spricht, daß man sich hier nicht in der Sammlung<br />

- sei sie fiktiv oder nach einem realen Vorbild gestaltet - eines der Anwesenden befindet.<br />

Außer in den gemalten Galerien Antwerpens taucht der Typus des Kunstbetrachters im 17.<br />

Jahrhundert nur vereinzelt auf - um so wichtiger war es, diese vergleichsweise disparaten<br />

302 ABB. I 240. Wenigstens ebenso bekannt sind natürlich Teniers Darstellungen der Galerie des Erzherzogs Leopold<br />

Wilhelm (ABB. I 360ff).<br />

In diese Reihe gehören, wenn auch weniger prominent, womöglich etwa auch Frans II Franckens »Galerieinterieur<br />

mit Sebastian Leerse(?)« ( ABB. I 241/dazu vgl. Härting ‘89. S. 90), Willem van Herps sogenanntes »Kabinett von<br />

Rubens« (ABB. I 292), Gonzales Coques in Den Haag aufbewahrte »Kunstkammer« (ABB. I 441) oder Gillis van Tilborchs<br />

»Fünf Herren in einer Kunstkammer« (ABB. I 451).<br />

303 (ABB. I 440) Mit dem Unterschied allerdings, daß die Bilder-im-Bild Originale der mitwirkenden Meister sind<br />

und damit in gewisser Weise sehr wohl eine Sammlung darstellen.<br />

Ein ganz ähnliches Beispiel, ebenfalls eindeutig repräsentativen Charakters, ist die Zusammenarbeit von Biset,<br />

Schubert von Ehrenberg u. a. (ABB. I 430), die einen Blick in die Antwerpener Gildenkammer vorstellt.<br />

304 ABB. I 450.<br />

92


Formulierungen des Motivs hier zu dokumentieren. Insbesondere in den Schilderungen<br />

häuslicher Interieurs der nördlichen Niederlande, in denen ja häufig Gemälde an den Wän-<br />

den hängen, hätte man diesen Typus wohl zahlreicher erwartet. In jenem Teil der Niederlan-<br />

de aber scheint die Darstellung eines expliziten Kunstinteresses weitgehend auf Atelierbilder<br />

und einige Marktszenen mit eher versteckten Kunstständen beschränkt zu bleiben. Abge-<br />

sehen davon fanden sich bei dieser Recherche lediglich noch einige Beispiele aus Frankreich -<br />

Atelier- und Verkaufszenen, sowie eine Galerie- und eine Reisedarstellung. Bemerkens-<br />

werterweise handelte es sich dabei im Unterschied zu den niederländischen Stücken aus-<br />

schließlich um graphische Werke. Da immerhin drei dieser Beispiele aus illustrierten Bü-<br />

chern stammen und diese als Quellen für Bildwerke keineswegs systematisch erschlossen<br />

sind, werden in diesem Medium, womöglich auch außerhalb Frankreichs, noch einige Darstel-<br />

lungen von Kunstbetrachtern zu entdecken sein.<br />

93


Kapitel II<br />

Das 18. Jahrhundert


Das erste Kapitel hatte sich nach Maßgabe des gefundenen Materials weitgehend auf Antwer-<br />

pen und sein ‘Umfeld’ zu konzentrieren. Zudem handelte es sich bei den Darstellungen meist<br />

um solche von - fiktiven wie tatsächlich existierenden - 1 Privatsammlungen. Im Gegensatz<br />

dazu sind die Beispiele des 18. Jahrhunderts, auf die im folgenden einzugehen sein wird, deut-<br />

lich breiter gefächert, sowohl im Hinblick auf ihre Herkunft als auch bezüglich der Art des ge-<br />

zeigten Ortes. 2 Hier lassen sich grundsätzlich drei Stränge unterscheiden: erstens die Fort-<br />

führungen oder Nachfolger der gemalten Galerien - darunter wird hier auch eine Variante<br />

gefaßt, die man mit dem Begriff der ‘Reiseerinnerung’ umschreiben könnte -, zweitens Dar-<br />

stellungen des Kunsthandels, also etwa von Kunsthandlungen und Auktionen, und drittens<br />

solche von Ausstellungen, meist der Akademien.<br />

Abgesehen davon ist festzustellen, daß das Motiv des Kunstbetrachters anders als im 17.<br />

Jahrhundert nicht mehr nur gelegentlich in der Graphik auftaucht, sondern jetzt größtenteils<br />

in diesem Medium weiterentwickelt wird. Wie es scheint, überwiegen zwar bei den den<br />

Sammlungsdarstellungen noch die Gemälde, aber bei den Schilderungen des Kunsthandels<br />

sind sie allenfalls gleichauf mit den Graphiken und bei den Ausstellungsbildern schließlich<br />

sind sie nurmehr die Ausnahme.<br />

- i -<br />

SAMMLUNGSDARSTELLUNGEN<br />

J. M. BRETSCHNEIDER IN PRAG. Den Auftakt zu den Sammlungsdarstellungen des 18. Jahr-<br />

hunderts bildet eine Reihe von gemalten Galerien, die seit den späten 1690er Jahren in Prag<br />

entstanden. Sie dürften von dem prominentesten Maler dieses Bildtyps in der Stadt an der<br />

Moldau, dem Böhmen Johann Michael Bretschneider (1656 - 1727), stammen. 3 Es sind wenig-<br />

stens neun, teilweise ausgesprochen großformatige solcher Gemälde, die ihm zugeschrieben<br />

1 Wobei letzteres einige Freiheiten und Übertreibungen nicht ausschloß.<br />

2 Zwar wurde im Zusammenhang mit einigen der bereits diskutierten Bilder spekuliert, daß auch Kunsthandlungen<br />

dargestellt sein könnten, doch zwingende Argumente für diese Annahme konnten in keinem Fall genannt werden.<br />

Womöglich unterschied sich die Präsentation der Stücke in einer Antwerpener Kunsthandlung dieser Zeit<br />

schlicht nicht so sehr von der in einer Privatsammlung.<br />

3 Möglicherweise fertigte er auch in Wien einige Galerieinterieurs. Vgl. Hana Seifertová: “Der Blick in eine Gemäldegalerie<br />

- das Antwerpener Thema aus Prager Perspektive”, in: Dialog mit alten Meistern: Prager Kabinettmalerei<br />

1690 - 1750 (Ausst. Kat., Herzog-Anton-Ulrich-Museum). Braunschweig, 1997. (S. 36 - 45) S. 44. Außer Bretschneider<br />

nennt die Autorin noch Beispiele von Anton Franz Hampisch (zw. 1723 u. 1768 in Prag tätig), einem offensichtlichen<br />

Teniers-Epigonen, was den Bildtyp der gemalten Galerie angeht (ABB. II 11), und Norbert J. K.<br />

Grund (1717 - 1767), dessen »Blick in eine Gemäldegalerie« (ABB. II 12/ Dt. Barockgalerie, Augsburg, Inv. Nr.<br />

12446) sich vor allem durch seine geringe Größe (29,5 x 37,7 cm) auszeichnet. Ibid.<br />

97


werden; 4 sie zeigen wahrscheinlich keine bestehenden Sammlungen, sondern Idealansich-<br />

ten. 5 Bestimmend geprägt werden seine geräumigen Bildersäle (ABB. II 10 - II 70) durch eine<br />

Hängung von großer Dichte und strengster Symmetrie, die meist bis in die Kompositionen<br />

der zueinandergehörenden Pendants durchgehalten wird - 6 zuweilen färbt das gar auf die<br />

Verteilung der Figuren in der Galerie ab. Auch in einigen der Antwerpener Beispiele ist eine<br />

mal mehr, mal weniger konsequent symmetrische Anordnung der Sammlungsstücke aus-<br />

zumachen, bislang eine Besonderheit aber ist die bei Bretschneider vorgeführte Konzeption,<br />

in der die einzelnen Gemälde mehrheitlich in dem strengen Gesamtarrangement unterge-<br />

hen. 7 Einige wenige sind durch Größe, Position oder auch beides hervorgehoben. Indessen<br />

spiegelt sich darin wohl nur eine Rangordnung der Stücke wider, denn anders als entspre-<br />

chend herausgestellte Bilder in den Antwerpener Beispielen scheinen sie hier nur selten<br />

daraufhin angelegt, das Geschehen in der gezeigten Sammlung zu kommentieren oder Refle-<br />

xionen auf einer übergeordneten Ebene anzuregen, also etwa über die Galerie als Ort des Wis-<br />

sens und der Erkenntnis oder über das Wesen der Malerei. 8 Verstärkt wird dieser Eindruck<br />

durch den Umstand, daß jene Stücke, die durch die auf sie gerichtete Aufmerksamkeit der Fi-<br />

guren besonders ausgezeichnet werden, für den realen Betrachter meist nicht zu erkennen<br />

sind. Immerhin könnte man in den mehrfach auftauchenden - wenn auch selten ‘benutzten’<br />

- Globen und Büchern den Anspruch einer in diesen Räumen zu pflegenden Gelehrsamkeit<br />

formuliert sehen. 9<br />

4 Ibid., S. 40 - 44, S. 224 u. Kat. Nrn. 3 - 5. Siehe auch Gregor J. M. Weber: “Johann Michael Bretschneider, »Gemäldekabinett«:<br />

Malerei nach graphischen Vorlagen”, in: Rheydter Jahrbuch für Geschichte, Kunst und Heimatkunde.<br />

20/1992. (S. 89 - 107) S. 100 - 104. Abgesehen davon findet sich im Londoner Warburg Institute die Reproduktion<br />

einer Gouache (von nur 33 x 52, 7 cm/ ABB. II 13), deren Ähnlichkeiten in sein Umfeld oder seine Nachfolge weisen.<br />

Die relativ detailarm wiedergegebenen Bilder-im-Bild wären evtl. durch das kleine Format zu erklären, die gezierteren<br />

Posen und Fußstellungen des Personals aber deuten eher auf eine andere Hand.<br />

5 So gibt es bislang keine Hinweise auf konkrete Übereinstimmungen mit den Beständen zeitgenössischer Sammlungen.<br />

Das Personal ist nicht identifiziert, taucht ähnlich in verschiedenen Galerien auf und zeigt kaum portraithafte<br />

Züge. Auch manche der Bilder-im-Bild finden sich in mehr als einem Bildersaal. Zudem ist es wahrscheinlich,<br />

daß Bretschneider vielfach Druckgraphik als Vorlage für die Gemälde in seinen Darstellungen benutzte (vgl.<br />

Gregor J. M. Weber: “Johann Michael Bretschneider... (siehe Anm. 4).) - wobei natürlich die Frage aufkommt, ob<br />

nicht möglicherweise einige der Werke, vor allem der Pendants (vgl. Anm. 6), in den realen Kabinetten nach solchen<br />

Vorlagen entstanden.<br />

6 Vgl. etwa Hana Seifertová: “»Kompagnons« - Pendantgemälde: eine neue Gestaltungsaufgabe der Prager Kabinettmalerei”,<br />

in: Dialog mit alten Meistern... (siehe Anm. 3). S. 46 - 53.<br />

7 Besonders deutlich wird das anhand der Kleinstformate in den oberen Wandregionen, von denen die fiktiven Besucher,<br />

wenn überhaupt etwas, schwerlich mehr als das Sujet erkennen dürften. Sehhilfen tauchen noch nicht auf.<br />

8 Strenggenommen verweist wohl jedes Bild-im-Bild auf die Malerei. In dem Stück in Jaromerice aber etwa<br />

(Schloß, Inv. Nr. 1269/710/61-Luka nad Jihlevou/ ABB. II 40) geschieht das auch konkret anhand des Sujets: ein<br />

Medaillon (am Gesims) mit einer Person, die das Wappenschild der Lukas-Gilde hält, und eine Allegorie der Pictura<br />

(unten Mitte).<br />

9 Anders als in einigen früheren Beispielen (etwa von Hieronymus II Francken: ABB. I 171 u. I 170 - I 190) finden<br />

sich jedoch kaum noch Karten oder wissenschaftlichen Instrumente, die die Ernsthaftigkeit dieses Anspruchs bekräftigten.<br />

Für die gemalte Galerie des Germanischen Nationalmuseums (ABB. II 30) allerdings könnte man die Darstellungen<br />

von vier der artes liberales - jeweils zwei in der Mitte der linken und rechten Wandhälfte - als Hinweis<br />

in diese Richtung deuten, ebenso wohl in der Bamberger »Galerie mit Lautenistin« den »Hieronymus im Gehäus«<br />

98


Betrachtet man das Personal der Bretschneider’schen Galerien im Hinblick auf diesen<br />

möglichen Anspruch oder allgemeiner auf das Interesse an den Sammlungsgegenständen, so<br />

ergibt sich kein einheitliches Bild. In den zwei Bamberger Beispielen 10 (ABB. II 10 u. II 20) ist<br />

die Aufmerksamkeit der beiden - als Hauptakteure zu charakterisierenden - Paare jeweils auf<br />

das ihnen vorgeführte Gemälde gerichtet. Ebenso sind die fünf Personen an dem zentral po-<br />

sitionierten Tisch des Nürnberger Interieurs 11 (ABB. II 30) in Gespräche bzw. das Studium von<br />

Sammlungsstücken vertieft. 12 Doch finden sich auch einige Details, die diesem Eindruck von<br />

Ernsthaftigkeit zuwiderlaufen könnten.<br />

So ist mit den mehrfach auftauchenden Schoßhündchen das frühere Gelehrtenattribut<br />

nun anscheinend gänzlich zu einem ‘modischen Accessoire’ geworden - 13 das auch gewisse<br />

Zweifel am tatsächlichen Interesse der ‘Halterinnen’ aufkommen lassen mag. Des weiteren ist<br />

bei diesen Beispielen nicht auszuschliessen, daß ein amouröser Subtext den Gedankenaus-<br />

tausch begleitet: 14 in der Nürnberger Galerie (ABB. II 30) könnte darauf die Herzform deuten,<br />

die die Gewandfalten der Dame mit dem Hund rechts - von den Knien abwärts - bilden, in der<br />

Bamberger Variante mit den drei Globen (ABB. II 20) die intensiv einander zugwandten<br />

Blicke des Paares sowie der den Kavalier beschnuppernde Hund und im zweiten Bamberger<br />

Gemälde (ABB. II 10) die Rose, die die sitzende Dame in ihrer Linken hält. Im letztgenannten<br />

Stück schließlich taucht außerdem eine Lautenistin auf, die nach Hana Seifertová zusammen<br />

mit den “Leckereien” auf dem Tisch als Hinweis auf Prunk und Wollust zu verstehen ist; 15<br />

wodurch die Motive der Betrachter vielleicht grundsätzlicher in Frage gestellt sein könnten. 16<br />

Es ist jedoch zu betonen, daß es sich insgesamt nur um unterschwellige Hinweise auf<br />

‘Ablenkungen’ handelt, die somit nicht dazu angetan sind, den ersten Eindruck von der<br />

Ernsthaftigkeit des Personals nachhaltig zu stören. Und auch wenn diese Details tatsächlich so<br />

gedacht waren, sind sie ähnlich wie entsprechende Hinweise in den Antwerpener Beispielen<br />

(nach Dürer) in der Mitte der linken Wandhälfte und das entsprechende Pendant.<br />

10 ABB. II 10: 190 x 285 cm. Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Inv. Nr. 6224, z. Zt. Neue Residenz, Bamberg.<br />

ABB. II 20: 222 x 338 cm. BStGS, Inv. Nr. 6223; z. Zt. Neue Residenz, Bamberg. Für seine freundliche Hilfe im Zusammenhang<br />

mit diesen Gemälden möchte ich Dr. Werner Helmberger von der Bayerischen Schlösserverwaltung<br />

danken.<br />

11 1702. 195, 1 x 342 cm. Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg, Inv. Nr. Gm 603.<br />

12 Auch in der oben erwähnten Gouache (ABB. II 13) interessiert sich das Personal im vorderen Saal anscheinend<br />

für die Gemälde an den Wänden.<br />

13 Eine Tendenz in diese Richtung meint man bereits bei Teniers und bei de Baeilleur und Jordaens ausmachen zu<br />

können.<br />

14 Damit wären diese Gespräche natürlich nicht zwangsläufig einer möglichen Geistesfülle beraubt.<br />

15 Hana Seifertová: “Der Blick in eine Gemäldegalerie... (siehe Anm. 3). S. 42.<br />

16 Seifertová sieht darin lediglich einen Gegensatz zu dem Paar, “[…] welches konzentriert das vorgelegte Gemälde<br />

studiert und sich einer Tätigkeit widmet, die mit den sinnlichen Freuden kontrastiert.” Ibid.<br />

Im Vordergrund der oben genannten Gouache (ABB. II 13) ist es wohl allenfalls der Hausherr im Morgengewand(?),<br />

der auf eine gewisse Beiläufigkeit oder gar mangelnde Ernsthaftigkeit hindeuten könnte.<br />

99


wohl in erster Linie als Mahnung zu verstehen.<br />

Ein etwas anderes Bild hingegen zeichnen das Stück in Jaromerice (ABB. II 40) und ins-<br />

besondere »Der Blick in eine Gemäldegalerie mit einem tanzenden Paar und einer Musik-<br />

kapelle« in Rom (ABB. II 50) 17 . Zunächst fällt auf, daß sich in diesen Bildersälen größere<br />

Gesellschaften finden. Entscheidend aber ist der Umstand, daß sich anscheinend keine der<br />

Personen mit irgendwelchen Sammlungsstücken beschäftigt. Das Interesse gilt offensichtlich<br />

anderen Dingen wie etwa den übrigen Besuchern. Es macht den Eindruck, als diene die Samm-<br />

lung nurmehr als ein ansprechendes und prestigereiches Ambiente für eher beiläufige Arten<br />

des Zeitvertreibs. 18 So fügt es sich in dieses Bild, wenn Seifertová über jene Zeit in Prag<br />

schreibt: “Im gesellschaftlichen Zeremoniell spielte die Gemäldegalerie eine der wichtigsten<br />

Rollen. Ihr Durchschreiten gehörte zu den Höhepunkten der sorgfältig ausgearbeiteten Regie<br />

eines gesellschaftlichen Abends.” 19<br />

EIN DEUTSCHER ‘SAMMLUNGSKATALOG’. Von 1723 bis 1727 beschäftigte der Fürstbischof von<br />

Bamberg und Kurfürst von Mainz, Lothar Franz von Schönborn, den Architekturzeichner Sa-<br />

lomon Kleiner (1702 - 1761). Nachdem jener seine Arbeiten zur Mainzer Favorite abgeschlossen<br />

hatte, fertige er 1724 unter anderem eine Reihe von 20 Ansichten des Schlosses Weißenstein<br />

bei Pommersfelden an, die 1728 in einer Stichfolge erschienen. Zwei davon zeigen die Große<br />

Galerie des Schönborn’schen Privatsitzes: 20 »Prospect der Gallerie gegen den Hoff« und »Pro-<br />

spect der Gallerie gegen den WohnZimmer« (ABB. II 90). 21 Die gewisse Nüchternheit, die<br />

diese Titel vermitteln, läßt zusammen mit dem Umstand, daß es zwei Ansichten ein und des-<br />

selben Bildersaales sind, die Vermutung zu, daß es sich - womöglich erstmals - um wahrheits-<br />

getreue Wiedergaben der jeweiligen Bilderwände handelt, 22 und nicht wie bei entsprechenden<br />

17 Leinwand, 168 x 229,5 cm. Slg. Graf Brachetti Peretti, Rom.<br />

18 Im Rheydter Stück (ABB. II 70/Öl auf Leinwand, 103 x 144,5 cm. Schloß Reydt, Inv. Nr. M 32.) und in der »Blick<br />

in eine Gemäldegalerie mit einem malenden Porträtisten« (ABB. II 60 / Leinwand, 146 x 191 cm. Slg. Graf Brachetti<br />

Peretti, Rom.) sind beide ‘Arten’ von Besuchern auszumachen, doch die Idee einer leichtfertigen Beschäftigung<br />

herrscht vor.<br />

19 Hana Seifertová: “Prager Kabinettmalerei 1690 - 1750”, in: Dialog mit alten Meistern... (siehe Anm. 3). (S. 9 -<br />

32) S. 12.<br />

20 Verwalter dieser Galerie war bemerkenswerterweise von 1713 an der zuvor in Prag tätige Johann Rudolf Bys, der<br />

auch den 1719 erschienenen Katalog der Sammlung verfaßt hatte. Vgl. Dialog mit alten Meistern... (siehe Anm. 3).<br />

S. 225.<br />

21 Kupferstich. 23 x 43 cm. Gestochen von Johann Georg Pintz nach einer Zeichnung von Salomon Kleiner. Vgl. auch<br />

Wilhelm Schonath: 250 Jahre Schloss Pommersfelden (1718 - 1968). (Ausst. Kat. Pommersfelden/ Ein Teil d. Aufl.<br />

gleichz. Heft 33 der Neujahrsblätter d. Gesellschaft f. fränk. Geschichte). [Pommersfelden;] Würzburg, 1968. S. 44 u.<br />

50f.<br />

22 Es fragt sich allerdings, ob die Räume tatsächlich nur mit so wenig Mobilar ausgestattet waren oder ob das lediglich<br />

ein Mittel ist, größere Übersichtlichkeit herzustellen. In diesem Zusammenhang fällt auch auf, daß es kein<br />

einziges umherstehendes Gemälde gibt.<br />

100


isherigen Beispielen um die künstlerische Verdichtung einer ‘portraitierten’ Sammlung. 23<br />

Allerdings weist der Zusammenhang, in dem die Blätter publiziert wurden, klar auf einen re-<br />

präsentativen Charakter jenseits der bloßen Bestandsaufnahme.<br />

Das Personal scheint ebenso wie bei den übrigen Darstellungen der Stichfolge nur von<br />

untergeordneter Bedeutung zu sein. Indessen handelt es sich nicht um reine Proportions-<br />

figuren. An ihnen wird, durchaus mit einiger Abwechslung, angemessenes und ziemliches<br />

Verhalten vorgeführt. Es findet sich sowohl ein den Saal durchschreitendes Paar wie ein<br />

sitzender Herr, dem etwas präsentiert wird, ein Mann, der die Details eines Hochformats aus<br />

nächster Nähe begutachet, wie ein Jüngling, dessen Blick wohl einem entfernteren Gemälde<br />

in den oberen Wandregionen gilt.<br />

Um einen genaueren Einblick in das zeitgenössische Verständnis von angemessenem und<br />

ziemlichem Verhalten zu bekommen, bietet es sich an, auf einige Seiten aus C. F. Neickels<br />

»Museographia« einzugehen, die kurz vor Kleiners Galerieansichten - ebenfalls in Deutsch-<br />

land - publiziert wurde. 24 In deren “Anmerckungen” nämlich werden unter anderem 25 Ver-<br />

haltensregeln bzw. Anregungen für den Besuch von Sammlungen aufgeführt.<br />

Mit “rein gewaschenen Händen” 25 und einem “honetten und zierlichen Kleide” solle man<br />

erscheinen. 26 “Am allermeisten aber muß die innerliche Gemüths-Zierde […] contribuiren,<br />

den Besitzer, oder an dessen statt den Raritäten-Kämmerer, um desto mehr zu animiren, alle<br />

natürliche und künstliche Raritäten des Musei […] desto fleißiger und deutlicher zu demon-<br />

striren.” 27 Außer diesen Hinweisen zum allgemeinen Auftreten gibt Neickel Ratschläge in Fra-<br />

gen des Benimms: wie lange man sich mit den unterschiedlichen Arten von Gegenständen be-<br />

fassen und wie sehr man sein Erstaunen zeigen solle, 28 daß man nicht “[…] selbst alles<br />

herunter lange […]”, keines der Stücke zerstöre, und - tatsächlich - nichts stehle. 29 Zudem lie-<br />

fert er dem Leser eine Reihe von Fragen, anhand derer er die einzelnen Gegenstände bzw. die<br />

Sammlung in ihrer Systematik verstehen und einordnen kann. Und er versäumt auch nicht,<br />

23 Womöglich war es gar Kalkül, einen Architekturzeichner mit der Wiedergabe der Galerie und damit eben auch<br />

der Bilder-im-Bild zu betrauen.<br />

24 C. F. Neickel: “Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum oder<br />

Raritäten-Kammern […].” Leipzig u. Breslau, 1727.<br />

25 ”[…] damit, wenn er was subtiles und reines, so keinen Schmutz vertragen kan, nicht durch Angreifung mit<br />

schmutzigen Händen besudle.” Ibid., S. 454.<br />

26 Ibid.<br />

27 Ibid., S. 454/5.<br />

28 ”Denn mancher Unwissender macht sich offtmals durch seine zur Unzeit angebrachte Admiration über eine<br />

Ding, daran eben nichts sonderlichs rares ist, gar ridicul.<br />

15) Dagegen ist mancher gar zu kaltsinnig […]; solches prostituiret den Führer, und macht ihn verdrießlich […].”<br />

Ibid., S. 456.<br />

29 Für die Nennung des letzen Punktes entschuldigt er sich allerdings umgehend, hält sie aber dennoch für notwendig,<br />

da er “[…] dergleichen Krempel von dem äusserlichen Ansehen nach reputirlichen Personen erlebt […]”<br />

habe und “[…] viele in der falschen Einbildung stehen, daß Raritäten zu stehlen keine Sünde sei.” Ibid., S. 456/7.<br />

101


auf den Nutzen hinzuweisen, den Hilfsmittel und Techniken wie die “Schreib-Tafel” respek-<br />

tive das Zeichnen darstellen, um in Erfahrung Gebrachtes und Gesehenes in Kurzform festzuhalten<br />

und es später zur Bewahrung auszuarbeiten. 30<br />

Vergleicht man Neickels Anleitung zum Besuch von Sammlungen mit dem in den<br />

Bildern gezeigten Verhalten, so fällt auf, wie unterschiedlich die Ausrichtungen in den bei-<br />

den Medien sind - nicht zuletzt bedingt durch ihre unterschiedlichen Möglichkeiten. Wäh-<br />

rend Neickels Text teils Vorschlagcharakter hat und teils präskriptiv ist, geben sich die Bilder<br />

den Anschein von Deskriptivität, sind dabei aber deutlich idealisierend und versuchen wohl<br />

auch, über das gute Vorbild auf das Betrachterverhalten einzuwirken. Neickels Regeln und<br />

Anregungen richten sich an Neulinge, die Darstellungen hingegen zumindest auch an Erfah-<br />

rene - die die Regeln verinnerlicht oder in ihrem eigenen Verständnis vielleicht bereits hin-<br />

ter sich gelassen haben.<br />

Im Zusammenhang mit der »Museographia« ist auch noch auf einige der diesem Katalog<br />

vorangestellten Überlegungen zu Sinn und Nutzen der “Museorum” hinzuweisen. Neickel<br />

schreibt:<br />

“So erfahren wir auch offtmals, daß ein Haus eines im Mittel-Stande lebenden Privat-Mannes dieser<br />

Ursache [der Anziehungskraft einer gut angelegten Sammlung] wegen ehe der Visite eines hohen Potentatens<br />

gewürdigt wird, als eines andern vornehmen Mannes Haus, ob er gleich offt viele tausenden an Geld<br />

und Gut besitzt. Die Besuch- und Betrachtung der Museorum haben ihren vielfältigen Nutzen in der<br />

Theologie, in der Historie und Jurisprudenz ; in der Medicin, Philosophie und Physic schaffen sie<br />

einen ungemeinen Nutzen. Und damit ichs kurz mache, alle und iede Menschen, Gelehrte zur<br />

Fortpflanzung, und Ungelehrte zur Erlernung der Wissenschafften, Reiche und Arme, Junge und Alte,<br />

können mit Nutzen in Museis frequentieren.” 31<br />

Außer dem wohl obligatorischen Hinweis auf den Gewinn für die verschiedenen Wissen-<br />

schaften nennt er also auch den sehr viel ‘profaneren’ Vorteil der Repräsentativität und des<br />

Prestiges einer Sammlung. Bemerkenswerter aber noch ist seine Überlegung, daß “[…] alle und<br />

iede Menschen […], Reiche und Arme […]” Nutzen aus dem Besuch solcher ‘Einrichtungen’<br />

ziehen können. 32 Es ist allerdings nicht zu entscheiden, ob Neickel tatsächlich zu be-<br />

obachtende Ereignisse im Sinn hat, die er aufgreift und für die er Verständnis und Wohlwol-<br />

len zu wecken sucht, oder ob es reine Gedankenspiele sind; dabei läßt der Umstand, daß die<br />

Darstellungen dergleichen nicht zeigen, noch nicht darauf schließen, daß so etwas nicht doch<br />

bereits geschah.<br />

30 Außerdem weist er auf den Wert von mitgebrachten Stichen, die man ggf. mit den vorgefundenen Stücken vergleichen<br />

könne, und eines Mikroskops hin.<br />

31 Ibid., S. 454.<br />

32 Er betont indessen in Regel 25, daß “[…] man nicht ganz unwissend und unerfahren ein Museum besuchen [soll],<br />

weil derjenige davon eben so viel Nutzen hat, als wenn ein Esel dahinein gezogen würde; darum tut man wohl, wenn<br />

man vorher schon einige dergleichen Bücher durchgeblättert, welche in diesem Buche […] angeführt sind.” Ibid., S.<br />

457.<br />

102


GIOVANNI PAOLO PANNINI IN ROM. Zu den wenigen italienischen Beispielen gemalter Ga-<br />

lerien, gleichzeitig aber zu den prominentesten Vertretern dieses Bildtyps gehören die des<br />

Giovanni Paolo Pannini (1691 - 1765). Sein erstes derartiges Interieur (ABB. II 100 u. 100a-c), 33<br />

das um 1749 auf Geheiß des Kardinals Silvio Valenti Gonzaga entstand, 34 zeigt eine gewisser-<br />

maßen ‘halb-fiktive’ Galerie, 35 oder genauer unzweifelhaft fiktive Galerieräume mit ausgesuchten<br />

Stücken aus der tatsächlich existierenden Sammlung des Auftraggebers. 36<br />

Der steht zusammen mit Pannini selbst und einer dritten, unidentifizierten Person ein<br />

wenig rechts von der Mitte vor einer Kopie der »Madonna della Seggiola«. Der stolze Besitzer<br />

der dargestellten Schätze ist repräsentativ auf den Betrachter ausgerichtet und schaut diesen<br />

an. Der Blick des Malers hingegen gilt dem nachgeahmten Raffael auf der Staffelei; dabei sind<br />

Palette und Pinsel in seiner Linken ‘lediglich’ Attribute, die ihn als Maler kennzeichnen, und<br />

innerhalb der Bilderzählung sicher nicht als Hinweis auf ihn als Autor der Kopie gedacht. 37<br />

Bedenkt man, daß der Piacenteser, wie auch eine Reihe seiner Kollegen, Sammlern als<br />

Gutachter diente, erscheint es plausibel, ihn hier als Ratgeber für einen möglichen Ankauf zu<br />

verstehen. 38<br />

Hinter dem Kardinal gibt ein gewaltiger Bogen den Blick in einen zweiten, langgestreckten<br />

Galerieraum frei. Vergleicht man diesen mit dem vorderen, so zeigen sich einige bedeutsame<br />

Unterschiede. Im hinteren finden sich außer den Kunstwerken an Wänden und Decke und<br />

den ebenso akkurat positionierten Möbeln zusätzlich lediglich zwei Gemälde und zwei<br />

Bücher, äußerst ordentlich an bzw. auf Hockern arrangiert. Das Personal beschränkt sich hier<br />

33 198 x 267 cm. Wadsworth Atheneum, Hartford, Connecticut. M. Kiene nennt im Zusammenhang mit diesem Gemälde<br />

eine Variante im Musée des Beaux-Arts in Marseille (vermutlich ein bozzetto/ ABB. II 101) und eine dem<br />

französischen Stück - auch im Format (48 x 63 cm) - näherstehende Fassung mit der Datierung 1761 im Madrider Escorial<br />

(ABB. II 102). Michael Kiene: “Giovanni Paolo Panninis Expertisen für Marches Capponi und sein Galeriebild<br />

für Kardinal Valenti Gonzaga”, in: Römisches Jahrbuch der Bibliotheca Hertziana. 26/ 1990. (S. 258 - 301) S. 280f.<br />

34 Von ihm stammt wohl auch der entscheidende Anstoß zu diesem Sujet. Es ist anzuneh-men, daß er entsprechende<br />

Stücke bereits während seiner Zeit als Nuntius in Brüssel (1732 - 1736) kennengelernt hatte.<br />

35 Zu Recht Kiene sieht die Vorhangdraperie oben links als bildimmanenten Hinweis darauf; dadurch werde der<br />

Ausstellungsraum zur “(Theater-)Bühne”. Ibid., S. 281f. In der Gestalt des Raumes sieht er sowohl eine Anspielung<br />

auf einen der großartigsten Galeriebauten Roms, die Galleria Colonna, als auch entfernt auf Raffaels »Schule von<br />

Athen«. Ibid., S. 285 bzw. 289.<br />

36 Es wäre wohl schlechterdings unmöglich gewesen, alle der über 800 Werke der Sammlung des Kardinals in<br />

einem Bild wiederzugeben. Kiene weist allerdings darauf hin, daß von den zahlreich vorhandenen niederländischen<br />

und flämischen Stücken nur wenige und von den französichen lediglich eines, ein Portrait Gonzagas von Subleyras,<br />

auftaucht. Auch betont er, daß Gonzaga - wie andere Sammler - Kopien nach prominenten Werken besaß,<br />

durch die es erst möglich wurde, anhand der Sammlung einen Überblick über die Geschichte der Kunst - oder einen<br />

Teil davon - zu erlangen. Ibid., S. 278.<br />

37 Wahrscheinlich aber ist es darüberhinaus sehr wohl die nicht ganz uneitle Anspielung darauf, daß die Galerie<br />

ebenso wie die zahlreichen und verschiedenartigen Bilder-im-Bild von seiner Hand stammen.<br />

38 Kiene überzieht allerdings, wenn er behauptet, Pannini wandele damit, daß er sich hier als solcher - in Kunstdingen<br />

gleichwertiger oder gar überlegener - zeige, die Ikonographie des Galeriebildes um. Er läßt damit etwa die<br />

Rolle, die Teniers d. J. für die Sammlung des Erzherzogs Leopold Wilhelm spielte und die er in seinen Bildersälen<br />

selbstbewußt dokumentierte, gänzlich außer acht. Vgl. Michael Kiene: “Giovanni Paolo Panninis Expertisen für...<br />

(siehe Anm. 33). S. 282.<br />

103


auf zwei einzeln und zwei beieinander stehende Herren, wohl Geistliche, von denen zumin-<br />

dest drei den Eindruck erwecken, als beschäftigten sie sich sehr andächtig mit unterschied-<br />

lichen, relativ weit von ihnen entfernten Stücken in den oberen Wandzonen respektive an<br />

der Decke. Bei den vorderen beiden ist man darüberhinaus geneigt zu unterstellen, daß es sich<br />

um eine religiöse, durch das vergegenwärtigte Sujet motivierte Andacht oder gar Verzückung<br />

handelt.<br />

Die Hängung und Aufstellung der Bilder und Büsten im vorderen Raum ist im Prinzip<br />

ähnlich akkurat, doch hinzu kommen hier noch umherstehende Gemälde, ein Stapel von<br />

Büchern mit wie zufällig drapierten und herumliegenden graphischen Blättern 39 und ein<br />

ebenso stilvolles Arrangement von Pflanzen und Schriften zur Botanik - letzteres als Hinweis<br />

auf die Sammelinteressen Valenti Gonzagas außerhalb der Kunst. 40 Zusätzlich werden<br />

weitere Folianten von irgendwo jenseits der Galerie herbeigeschafft.<br />

In diesem anregenden Durcheinander zeigt Pannini Besucher - sie sind ausschließlich<br />

männlich -, die sich auch ‘handgreiflich’ mit den Dingen beschäftigen, sie aus der Nähe be-<br />

trachten, Vergleiche anstellen und sich untereinander austauschen. Vorne links steht breit-<br />

beinig ein Mann mit schwarzem Umhang und erläutert zwei Patres, zu denen er sich um-<br />

gewandt hat, seinen Standpunkt zu einer Sache. Dabei ist unklar, worum sich das Gespräch<br />

dreht, denn die Zeigegeste des Redners und der Blick des ihm näherstehenden der Patres<br />

weisen offenbar in verschiedene Richtungen. Auch der zweite Geistliche hilft hier nicht<br />

weiter, da er nur auf den Vortragenden achtet. Michael Kiene identifiziert diese drei als<br />

Ruggero Giuseppe Boscovich, Mathematiker und Astronom, Thomas Leseur (auch Le Seur) und<br />

François Jacquier; die beiden letzteren waren Mitglieder des Minimenordens, die in ihrer<br />

Eigenschaft als Mathematiker bzw. Physiker zusammen mit Boscovich eine Sicherung für die<br />

Kuppel des Petersdoms entwickelt hatten. 41 Diese drei sind also ein weiterer Hinweis auf Va-<br />

lenti Gonzagas breitgefächertes Interesse und Engagement, denn sie waren auf seinen Vor-<br />

schlag hin mit dem ‘Kuppelproblem’ betraut worden und gehörten außerdem zu den Mit-<br />

gliedern eines sonntäglichen Zirkels, zu dem sich eine Reihe von Kennern und Gelehrten im<br />

Hause des Kardinals zusammenfand. 42<br />

Darüberhinaus lassen sich noch weitere ähnlich ‘konkrete’ Bezüge zum Auftraggeber am<br />

39 Besonders deutlich zu erkennen sind darunter Portraits von Raffael und Tizian.<br />

40 Speziell ist es eine Anspielung auf des Kardinals botanische Sammlung und seine “[…] Förderung der Botanik an<br />

der Universität zu Rom […]”. Ibid., S. 280.<br />

41 Ibid., S. 290f. Bei der Identifizierung stützt er sich auf F. Arisi: Gian Paolo Panini. Piacenza, 1961. (Nachdr.<br />

unter dem Titel Gian Paolo Panini e i fasti della Roma del ‘700. Rom, 1986.). Nr. 209. und S. Cormio: Il Cardinale<br />

Silvio Valenti Gonzaga, promotore e protettore delle scienze e delle belle arti. [Diss. Rom, 1982 - 83]. In: Bollettino<br />

d’arte 6. F. 71, H. 35-36. 1986. (S. 49 - 66) S. 55.<br />

42 Vgl. Michael Kiene: “Giovanni Paolo Panninis Expertisen für... (siehe Anm. 33). S. 290.<br />

104


Bildpersonal festmachen. Zunächst ist da die Gruppe links zu nennen, die sich ungewöhnli-<br />

cherweise mit einem Grundriß beschäftigt. 43 Diese drei Herren betrachten den Plan der noch<br />

nicht realisierten Villa Valenti Gonzagas, in der sich paradoxerweise auch der Raum - selbst<br />

wenn womöglich in anderer Gestalt - befinden wird, in dem sie gerade stehen. Das andere Bei-<br />

spiel ist die Unterrichtsszene etwa in der Mitte hinter einem Bücherstapel mit den Künstler-<br />

portraits. Dort wird ein Kind, es ist wohl der Nepot des Kardinals, 44 in den Umgang mit Gegen-<br />

ständen, wie sie in dieser Galerie aufbewahrt werden, eingewiesen. Zunächst wirkt der Knabe,<br />

als könne er gerade einmal stehen, sein klarer, bestimmter Blick aber macht deutlich, daß er<br />

sehr wohl imstande ist zu begreifen und es sich um mehr als einen genrehaften Einschub<br />

handelt. Diese Szene zeigt, daß eine Unterweisung in solchen Dingen als notwendig erachtet<br />

wurde, um ein entsprechendes Verständnis entwickeln und angemessen über dergleichen<br />

reden zu können, und daß sie als Bestandteil einer guten Ausbildung angesehen wurde.<br />

Zuletzt ist noch der Kavalier hervorzuheben, der links, hinter den drei Herren in Schwarz<br />

steht. Er schaut auf etwas jenseits des linken Bildrandes und hält dabei die Zeichnung oder<br />

den Stich eines männlichen Kopfes vor sich. Zwar ist nicht auszumachen, ob er einen for-<br />

malen Vergleich mit einem anderen Kopf anstellt oder ob er seinen momentanen Betrach-<br />

tungsgegenstand im Lichte zusätzlicher Informationen, also beispielsweise über die Person<br />

des Malers und seine Biographie begutachtet, doch ist das bislang einer der zumindest äußerst<br />

seltenen Fälle, in denen eine Art der Rezeption geschildert wird, die mehr als den jeweiligen<br />

Hauptbetrachtungsgegenstand berücksichtigt.<br />

Anders als im hinteren Raum, in dem möglicherweise eine religiös-inhaltlich motivierte<br />

Andacht dargestellt ist, wird hier im Vordergrund, wo sich auch der Kardinal befindet, zwei-<br />

fellos eine verstandesmäßige und kennerschaftliche Auseinandersetzung mit den Samm-<br />

lungsstücken vorgeführt. Insgesamt wird ein Universalitätsanspruch angedeutet, wie er nach<br />

den frühen Antwerpener Galerien nur noch selten formuliert wurde.<br />

Einige Jahre später fertigte Pannini zwei weitere gemalte Galerien für Graf Étienne-<br />

François de Stainville, den späteren Duc de Choiseul. 45 Eine nicht unerhebliche Rolle für<br />

diesen Auftrag dürfte es gespielt haben, daß de Stainville als französischer Botschafter am Hof<br />

43 Eine derartige Szene war bisher wohl noch nicht in einer gemalten Galerie zu finden, acuh wenn sie nicht undenkbar<br />

gewesen wäre. Bei den Personen mag es sich um die entwerfenden Architekten handeln, doch es ist sicher<br />

ebensogut möglich, daß der Plan schlicht zu Diskussion gestellt wird.<br />

44 Ibid., S. 297.<br />

45 Als Duc de Choiseul ist ihm eines von zwei hier anzuführenden Curiosa der Galeriedarstellungen zu verdanken,<br />

eine Schnupftabakdose (1770. 7,94 x 6 x 3,65 cm) mit entsprechend miniaturisierten Darstellungen von ausgesuchten<br />

Räumen seines Wohnsitzes und natürlich den darin befindlichen Kunstwerken (ABB. II 111). Dazu vgl. F. J. B. Watson:<br />

The Choiseul Box. London u. a., 1963. Ein ähnlich Aufmerksamkeit erregendes Accessoire, das ebenso für die Beliebtheit<br />

des Sujets spricht, dürfte ein mit einer Galerie bemalter Fächer gewesen sein (ABB. II 112/ Mitte 18. Jh.<br />

Sotheby’s, ?, 1969).<br />

105


des Papstes (1754 - 1757) auch Kontakt mit Kardinal Valenti Gonzaga pflegte und so dessen<br />

Galerieinterieur mit großer Sicherheit kannte. 46 Indessen sind es trotz einiger Ähnlichkeiten<br />

bezüglich der Raumdisposition keine Repliken des früheren Galerieinterieurs, 47 die einfach<br />

auf den neuen Auftraggeber ‘angepaßt’ worden wären.<br />

Bei den beiden Gemälden handelt es sich um Pendants. »Roma Antica« (ABB. II 110) 48<br />

zeigt eine fiktive Galerie mit Skulpturen und Ansichten von Bauwerken - bzw. deren Ruinen<br />

- aus den antiken Tagen der ewigen Stadt und »Roma Moderna« (ABB. II 120) 49 einen entspre-<br />

chenden Saal für das zeitgenössische Rom. Bei den dargestellten Kunstwerken handelt es sich<br />

nicht um Stücke aus der tatsächlichen Sammlung des Botschafters, sondern sozusagen um<br />

eine Zusammenstellung von Dingen und Orten, die er während seiner Zeit in Rom gesehen<br />

hat oder zumindest hätte sehen können, also sozusagen eine Kompilation von Reiseerin-<br />

nerungen oder Galerien mit ‘Postkarten’ von Rom. Insofern jedoch, als die Veduten originäre<br />

Panninis sind, die ausschließlich in diesen gemalten Galerien existieren, kann man letztere in<br />

sich als Teilsammlungen de Stainvilles verstehen. 50<br />

So erscheint es auch von einer gewissen Konsequenz, wenn der stolze Maler in »Roma<br />

Antica«, der ersten dieser Galerien, selbst die Hauptrolle übernimmt, die schon bald darauf im<br />

Pendant und den noch folgenden Repliken beider Gemälde von den jeweiligen Auftrag-<br />

gebern beansprucht wird. Gerhard Ewald tut Arisi also zumindest teilweise Unrecht, wenn er<br />

behauptet: “Der hinter ihm [Pannini] Dargestellte - etwas vom Sessel verdeckt - ist ein Kollege<br />

des Künstlers, nicht aber, wie Arisi (S. 174) vermutete, der Auftraggeber, der sich aus Cour-<br />

toisie gegenüber dem Maler mit diesem Platz zufrieden gegeben hätte.” 51 Selbst wenn diese<br />

Person nicht de Stainville sein sollte, 52 steht doch außer Zweifel, daß jener Pannini den prominentesten<br />

Platz im Bild und den repräsentativen Blick zum Betrachter überlassen hat. 53<br />

46 Außerdem hatte Pannini bereits für frühere französiche Vertreter gemalt. Vgl. Michael Kiene: Giovanni Paolo<br />

Pannini. Römische Veduten aus dem Louvre. (Ausst. Kat. Herzog Anton Ulrich-Museum, Braunschweig) Braunschweig,<br />

1993. S. 20f.<br />

47 So ist etwa der Unterschied zwischen Ordnung im Hintergrund und relativer Unordnung im Vordergrund auch<br />

hier auszumachen.<br />

48 Öl auf Leinwand, 186 x 227 cm. Staatsgalerie Stuttgart, Inv. Nr. 3315. Zu diesem Gemälde wie auch zu dem Pendant<br />

gibt es allerdings Repliken, die mit einigen Änderungen am Personal und den ‘ausgestellten’ Kunstwerken für<br />

den jeweiligen Auftraggeber angefertigt wurden (sie befinden sich im Louvre bzw. dem New Yorker Metropolitan<br />

Museum).<br />

49 1757. Museum of Fine Arts, Boston.<br />

50 Ähnliches fand sich bereits in einigen der Antwerpener Beispiele aus dem Umkreis von Ch. E. Biset und W.<br />

Schubert van Ehrenberg. Vgl. etwa ABB. I 430 u. I 440.<br />

51 Edeltraud Rettich; Rüdiger Klapproth; Gerhard Ewald: Alte Meister. (Staatsgalerie) Stuttgart, 1992. S. 293.<br />

Vgl. auch F. Arisi: Gian Paolo Panini e i fasti della Roma del ‘700. Rom, 1986. Kat. Nr. 470, S. 174.<br />

52 Gegen diese Identifizierung spräche es wohl, wenn der Gegenstand in der rechten Hand der Person tatsächlich<br />

ein Pinsel wäre.<br />

53 Zwar schaut die hinter ihm stehende Person auch aus dem Bild, doch muß man schon genauer hinsehen, um das<br />

zu erkennen. Als repräsentativ ist deren Blick also nicht zu bezeichnen.<br />

106


Einzig der vor der Kopie der »Aldobrandinischen Hochzeit« kniende Kavalier könnte ihm<br />

die Position - wenn auch nicht den Blick - streitig machen. Da der aber fast identisch in den<br />

beiden späteren Versionen von »Roma Antica« auftaucht, die nicht für de Stainville be-<br />

stimmt waren, ist es sicher kein Portrait des Botschafters. 54 Allerdings, geht man davon aus,<br />

daß von Anfang an zwei Gemälde als Pendants zueinander geplant waren, wird diese Dis-<br />

kussion ohnehin ein wenig fragwürdig. Und es verwundert, daß die Auftraggeber der Repli-<br />

ken sich in beiden Pendants haben zeigen lassen.<br />

Wendet man sich den Betrachern in diesen beiden Galerien zu, 55 die für das Rom der Se-<br />

henswürdigkeiten stehen, so fällt folgendes auf: entweder ist nicht auszumachen ist, womit<br />

sie sich beschäftigen - wie z. B. bei den beiden im Gespräch befindlichen Kavalieren im Hin-<br />

tergrund von »Roma Antica« - oder sie interessieren sich für solche Stücke, die realiter in den<br />

Galerien vorhanden sind 56 und die - zumindest innerhalb der Bilderzählung - nicht ‘nur’ in<br />

einer Übersetzung in ein anderes Medium, sprich in Form von Panninis Veduten vorliegen.<br />

Damit einher geht auch, daß sich augenscheinlich keine der dargestellten Personen die in den<br />

Ansichten mehrfach auftauchenden Betrachter anschaut. 57 Eine Reflexion über das Betrachten<br />

anhand gemalter Entsprechungen bleibt also sozusagen dem realen Betrachter vorbehalten,<br />

der gleich auf zwei Ebenen auf sein augenblickliches Tun verwiesen wird.<br />

Außer den bisher üblichen Besuchern taucht in »Roma Moderna«, womöglich zu einem<br />

der ersten Male, ein neuer Typus auf, der des zeichnenden Dilettanten. 58 Natürlich finden<br />

sich schon zuvor Darstellungen von zeichnenden Personen, dann aber meist in Ateliers oder<br />

einer der frühen Akademien, 59 jedenfalls in Zusammenhängen, die kaum Zweifel an der Pro-<br />

fession(alität) der so Beschäftigten lassen. Auch werden in einigen der vorangegangen Bil-<br />

dersäle Personen beim Malen gezeigt, allerdings sind sie bereits zur Leinwand übergegangen<br />

und arbeiten, anders als das Gros der Zeichnenden, nicht nach Kunstwerken, sondern nach<br />

lebenden Modellen oder auch Blumen. 60 Darüberhinaus sind sie meist zu ‘identifizieren’, sei<br />

es durch die wiedergegebene Erzählung (Apelles), Portraitähnlichkeiten (Teniers) oder<br />

Attribute (Pictura).<br />

54 Das heißt aber wohl auch, daß er nicht als irgendein ihm nahestehender Zeitgenosse zu verstehen.<br />

55 Das folgende trifft auch auf die Repliken zu.<br />

56 Und sei es auch nur in Form einer Kopie wie die Aldobrandinische Hochzeit.<br />

57 In den Bildern-im-Bild treten interessanterweise auch Frauen als Betrachter in Erscheinung.<br />

58 Bei der Rückenfigur in der Mitte am unteren Bildrands von »Roma Antica« (ABB. II 110) ist das nicht mit<br />

Bestimmtheit zu sagen, da ihre Rechte Hand verdeckt ist, die Unterlage für das breitformatige Blatt aber spricht<br />

dafür. Der am linken unteren Bildrand von »Roma Moderna« (ABB. II 120) sitzende Herr jedoch ist zweifellos im<br />

Begriff eine Zeichnung anzufertigen.<br />

59 Vgl. etwa die Antwerpener Beispiele um 1700 (ABB. I 521, I 523, I 531 u. I 532) oder auch die Darstellung der<br />

Akademie des Bacchio Bandinelli in Agostino Venezianos Kupferstich von 1531 (ABB. II 121).<br />

60 Eine Pictura von Frans II Francken (ABB. I 310) malt auch ganz ohne Vorbild.<br />

107


Zwar ist nicht auszuschließen, daß die Zeichnenden hier bei Pannini gleichfalls Künstler<br />

sind, die sich an den Sehenswürdigkeiten Roms weiterbilden, doch es könnte sich ebensogut<br />

um dilettierende Laien handeln. Natürlich ist das letztlich nur zu entscheiden, wenn es sich<br />

um eine zu ermittelnde Person handelt wie zum Bespiel im Fall des “amateur artist” Charles<br />

Lorraine-Smith, 61 der in Zoffany’s »Tribuna« (ABB. II 130 u. II 130a/ ca. 1772 - 1777) damit be-<br />

schäftigt ist, die Amor-und-Psyche-Skulptur links auf einem kleinen Block festzuhalten. Aller-<br />

dings finden sich auch in der Literatur Belege für eine solche Annahme. Denn dort wurde das<br />

Zeichnen schon im 16. Jahrhundert als angemessene, nützliche und lehrreiche Beschäftigung<br />

für Adlige propagiert. 62 Jedoch war “Die Furcht [der Adligen], sich einer unedlen Tätigkeit hin-<br />

zugeben […]” bis weit in das 17. Jahrhundert ein gravierendes Hindernis für die Verbreitung<br />

und die Umsetzung dieser Ideen. 63 Nach der Mitte des 18. Jahrhunderts aber “[…] tritt die<br />

künstlerische Tätigkeit der Laien […]“ heraus aus “[…] ihrer Randstellung […] “ im “[…] kultu-<br />

rellen und gesellschaftlichen Leben der Oberklasse […]”. 64 Und damit ist man zeitlich wieder<br />

bei den Zeichnern in Panninis Galeriebildern für de Stainville angelangt.<br />

JOHAN ZOFFANY - EIN ANGLISIERTER DEUTSCHER IN FLORENZ. Als sich der Deutsche Maler<br />

Johann Joseph Zauffaly (1733 - 1810), der seit einem guten Jahrzehnt als angesehener Vertreter<br />

seines Metiers unter dem Namen Johan Zoffany in London etabliert war, 65 1772 anschickte,<br />

nach Italien zu reisen, 66 erhielt er von der englischen Königin Charlotte - neben einigen<br />

Empfehlungsschreiben und finanzieller Unterstützung - den Auftrag, ihr ein Bild der Galerie<br />

des Großherzogs der Toskana in Florenz anzufertigen. 67 Diese Aufgabenstellung ist im<br />

Vergleich mit der der bisherigen Stücke insofern ungewöhnlich, als sie darin besteht, nicht<br />

61 Oliver Millar: Zoffany and his Tribuna. London 1966. S. 19, Anm. 6.<br />

62 Zur Diskussion um die Legitimation des Zeichnen siehe Wolgang Kemp: “... einen wahrhaft bildenden Zeichenunterricht<br />

überall einzuführen: Zeichnen und Zeichenunterricht der Laien 1500 - 1870; ein Handbuch.” Frankfurt a.<br />

M., 1979. S. 57ff.<br />

63 Ibid., S. 58.<br />

64 Ibid., S. 81. Als Ursache dafür sieht Kemp unter anderem, daß sich das aufstrebende Bürgertum anschickte, die<br />

Zeichenpraxis des Adels zu übernehmen. Es stellt sich allerdings die Frage, ob nicht die kontinuierlich steigende<br />

Reisetätigkeit, bei der sich das Zeichnen sozusagen als Technik des Erinnerns als nützlich erwies, ebenfalls als<br />

Ursache in von Bedeutung ist.<br />

65 Seit 1769 war er auch Mitglied der neugegründeten Royal Academy. Allerdings schreibt Millar: “[…] Zoffany<br />

had received the peculiar honour of nomination by the King, as oposed to election […]”. Vgl. Oliver Millar: Zoffany<br />

and his Tribuna. London, 1967. S. 5.<br />

66 Ursprünglich sollte er die zweite Cook’sche Expedition begleiten. Aus diesem Grund hatte er anscheinend bereits<br />

seinen Haushalt aufgelöst und auch einige Auftraggeber verprellt. So entschied er sich, als sich diese Möglichkeit<br />

für ihn und seine zwei Künstlerkollegen zerschlagen hatte, nach Italien zurückzukehren, wo er schon vor seiner<br />

Zeit in England einige Jahre verbracht hatte. Ibid., S. 2 u. 6.<br />

67 In diesem Zusammenhang ist daruaf hinzuweisen, daß sich mit dem »Galeriebild für Jean van Baveghem« von<br />

Gonzales Coques et al. (ABB. I 440) bereits ein entsprechendes Bild in ihrem Besitz befand, das ihre Vorstellung<br />

vom Aussehen eines solchen Gemäldes geprägt haben dürfte.<br />

108


die Sammlung des Auftraggebers oder auch eine rein fiktive darzustellen, sondern die eines<br />

anderen Sammlers.<br />

Als Motiv dafür wird zuweilen vermutet, daß die Königin, die die vielgerühmte Floren-<br />

tiner Sammlung ebensowenig wie ihr Mann gesehen hatte, auf diesem Wege konkrete Anre-<br />

gungen für ein neues Arrangement der eigenen Kunstwerke zu bekommen suchte. 68 Doch zu<br />

diesem Zweck hätte man sicher eher eine ganze Ansichtsfolge jener Galerie bei einem Zeich-<br />

ner bestellt. 69 Es erscheint plausibler davon auszugehen, daß das Herrscherpaar von einem ein-<br />

zelnen Gemälde eine Verdichtung erwartete, eine Essenz der Sammlung, die dann wo-<br />

möglich auch Inspiration und Ansporn für die eigenen Bemühungen hätte sein können.<br />

Jedenfalls ist die große Unzufriedenheit und die lang anhaltende Verärgerung der Auftraggeber<br />

kaum darauf zurückzuführen, daß Zoffany in ‘seiner’ »Tribuna« (ABB. II 130) 70<br />

Werke aus den gesamten Beständen des Großherzogs nach eigenen Vorstellungen zusammen-<br />

gestellt und arrangiert hatte, sondern neben der extrem langen Zeitspanne, die er für die<br />

Fertigstellung benötigt hatte, wohl vor allem darauf, daß die Personen, die die Galerie ‘be-<br />

völkern’, als zu zahlreich und darüberhinaus, wenigstens teilweise, als gänzlich unangemes-<br />

sen empfunden wurden. 71 Und wie einem Brief von Horace Walpole an Horace Mann von<br />

1779 zu entnehmen ist, war das Herrscherpaar mit dieser Ansicht nicht allein. So schreibt Wal-<br />

pole bezüglich der Dargestellten von “[…] a flock of travelling boys, and one does not know<br />

nor care whom. You and Sir John Dick, as Envoy and Consul, are very proper... Most of the<br />

rest are as impertinent as the names of churchwardens stuck up in parishes whenever a<br />

country church is repaired and whitewashed.” 72 Es entbehrt also nicht einer gewissen Ironie,<br />

wenn es heute insbesondere diese Personen sind, welche das Gemälde so bemerkenswert ma-<br />

chen - womöglich sah man genau das kommen.<br />

Zoffany scheint ein recht wahrheitsgetreues Bild der englischen Grand Tourists jener Zeit -<br />

68 Vgl. ibid. und Wolfgang Ernst: “Frames at Work: Museological Imagination and Historical Discourse in Neoclassical<br />

Britain”, in: The Art Bulletin. Vol. LXXV/No. 3/1993. (S. 481 - 498) S. 491. Bei Ernst wird der Zusammenhang<br />

lediglich angedeutet, zudem spricht er nicht von der gesamten Sammlung des Großherzogs, sondern nur von der<br />

Tribuna: “[…] Charlotte, who was about to rearrange her own picture gallery, commissioned […] a painting […]<br />

because she wanted to know what the Tribuna really looked like.”<br />

69 Das wäre wohl in jedem Fall schneller gewesen, auch wenn nicht davon auszugehen war, daß Zoffany erst sieben<br />

Jahre später mit dem Bild nach England zurückkehren würde.<br />

70 Öl auf Leinwand, 123, 5 x 155 cm. Im Besitz des engl. Königshauses.<br />

71 Vgl. Oliver Millar: Zoffany and his Tribuna. London, 1967. S. 33. Er zitiert u. a. den Tagebucheintrag eines Joseph<br />

Farington vom Dezember 1804, in dem ‘frische’ Äußerungen des Königs wiedergegeben werden. Unter den mißbilligten<br />

Personen findet sich danach selbst eine von Stand wie der Gesandte Sir Horace Mann. Womöglich spielte<br />

bei dieser Einschätzung auch ein gewisser Neid eine Rolle, immerhin war es dem König praktisch versagt, eine solche<br />

Reise anzutreten, wie sie nach Zoffanys Gemälde sozusagen jeder ‘Hinz und Kunz’ machen konnte.<br />

72 Zitiert nach Oliver Millar: Zoffany and his Tribuna. London, 1967. S. 33. Eine ähnliche Position nimmt auch der<br />

im Bild auftauchende Mann in einem Brief an Walpole ein. Ibid., S. 20f. (Zu Walpoles Brief vgl. auch W. S. Lewis<br />

(Hrsg.): Horace Walpole Correspondence. New Haven, 1937 - 1983. Bd. 24. S. 527.)<br />

109


73 oder genauer der zumindest dem ersten Eindruck nach kunstinteressierten unter ihnen - 74<br />

zu liefern. Dafür spricht nicht zuletzt die erwähnte Ablehnung des Personals in der vom<br />

Maler bestimmten Zusammensetzung, mit der er wohl breitere Kreise erfaßte als jene gän-<br />

gigen Portraits vor Sehenswürdigkeiten, die besonders beflissene Reisende der Insel von sich,<br />

allein oder auch in Gesellschaft, anfertigen ließen. 75 So verwundert es auch nicht, daß in der<br />

»Tribuna« rechts zwei Gruppen aufeinandertreffen, die sich in Florenz zwar fast unweigerlich<br />

begegneten, die aber möglichst nicht gesellschaftlich miteinander umgingen. 76<br />

Es macht den Eindruck als stünden diese beiden Gruppen zugleich für verschiedene Arten<br />

des Interesses an Kunstwerken. Die Herren im Vordergrund um den Gesandten Horace Mann<br />

- mit dem roten Band - tauschen sich über Tizians »Venus von Urbino« aus, dabei stellt der<br />

Maler Thomas Patch gerade einen Vergleich mit einem weiteren Stück im Hintergrund an,<br />

das allerdings ob der unspezifischen Zeigegeste nicht genau zu bestimmen ist. 77 Im Gegensatz<br />

zu diesem anscheinend seriösen Kunstgespräch gilt die Aufmerksamkeit des Gros’ der<br />

Männer der zweiten Gruppe, rechts hinter der bereits genannten, wohl vor allem den weib-<br />

lichen Reizen der Medici-Venus. 78 Sie betrachten die Skulptur sichtlich fasziniert von hinten<br />

und einer von ihnen ist gar versucht, sie zu berühren.<br />

Anders als Thomas Rowlandson (1756 - 1827) in seiner Karikatur mit dem ironisierenden<br />

Titel »Connoisseurs« (um 1790) geht Zoffany allerdings nicht so weit, den Dargestellten ein<br />

ästhetisches Interesse gänzlich abzusprechen. 79 Da er es mit Portraitierten - und zusätzlich mit<br />

73 Wie es scheint waren wenigstens 21 der 22 Personen in der Zeit von 1772 - 1779, also ‘gleichzeitig’ mit Zoffany, in<br />

Florenz. Geht man davon aus, daß das die Mindestvoraussetzung für die Aufnahme in das Bild war, hat Zoffany<br />

wohl noch 1777 einzelne Personen eingefügt. Vgl. Oliver Millar: Zoffany and his Tribuna. London, 1967. o. Seitenang.<br />

(Legende z. e. Abb. am Ende d. Buches).<br />

74 Diese Einschränkung erscheint insofern notwendig, als einige Grand Tourist ihre Zeit nicht oder nur ungern mit<br />

der Betrachtung von Kunstwerken verbrachten, in Zoffanys »Tribuna« aber alle recht interessiert wirken. Vgl. etwa<br />

John Ingamells: “Dicovering Italy: British Travellers in the Eighteenth Century”, in: Grand Tour. The Lure of Italy<br />

in the Eighteenth Century. Ed. by Andrew Wilton a. Ilaria Bignamini. (Ausst.-Kat. London; Rom) London, 1996. (S.<br />

21 - 30.) S. 28. Wie es um die Kennerschaft der gezeigten Besucher bestellt war, ist bei den meisten nicht zu sagen.<br />

Einige galten als ausgesprochen bewandert, aber aus zeitgenössischen Briefen wird auch deutlich, daß zumindest<br />

einer nicht zu den Kunstkennern zu rechnen ist. Vgl. Oliver Millar: Zoffany and his Tribuna. London, 1967. S. 13.<br />

75 Beispiele sind etwa Pompeo Batonis (1708 - 1787) Bildnis von Thomas Dundas (ABB. II 131/ 1764. 298 x 196,8 cm.<br />

Marquess of Zetland) und »Sir Andrew Fountaine and Friends in the Tribuna« von Giulio Pignatta (ABB. II 132/<br />

1715. Privatslg.).<br />

76 Das zumindest ist, laut Henning Bock, den nicht näher spezifizierten ‘contemporary journals’ zu entnehmen.<br />

Grand Tour. The Lure of... (siehe Anm. 74). Kat. Nr. 91, S. 136. Vielleicht sind damit auch teilweise die oben zitierten<br />

ablehnenden Äußerungen H. Manns zum Personal zu erklären.<br />

77 Bock meint, Patch deute auf »Die Ringer« und merkt - ohne Quelle - an: “It has been suggested that Patch’s left<br />

hand points toward his own sexual preference.” Ibid.<br />

78 Diese Lesart wird indirekt gestützt durch den Umstand, daß der aus dem Bild blickende Sechste und Letzte aus<br />

dieser Gruppe, Sir James Bruce, von Zoffany anscheinend als Alptraum verheirateter Männer und ‘constant lover’<br />

bezeichnet wurde. Ibid.<br />

79 ABB. II 280. Ein mit Rowlandsons Personal vergleichbarer Typus begegnet einem auch in Johann Heinrich<br />

Mercks satirischen(?) Text »Über die letzte Gemälde-Ausstellung in xx« von 1781: “Die Gesellschaft ward durch<br />

den alten dicken podagrischen Leibmedicus vermehrt, der wie ein Luchs überall herumschlich, um, wo er ein Fleckchen<br />

nacktes Fleisch erblicken konnte, seine Augen zu weiden.” J. H. Merck: Werke. Hrsg. v. A. Henkel. Frankfurt a.<br />

110


einem Bild für die Königin - zu tun hat, kann er sich wohl nicht darauf verlassen, daß all zu<br />

deutlich mit einer solchen Haltung vorgeführte Personen in der Menge oder auf der großen<br />

Leinwand untergehen. Ebenso wie in seinem »A Group of Connoisseurs« (ABB. II 140) 80 ver-<br />

steht Zoffany es hier, den Eindruck einer - zumindest auch - erotischen Motivation der Betrachter<br />

auf sehr subtile Weise zu evozieren. 81<br />

BÉNIGNE GAGNEREAUX - EIN FRANZOSE IN ROM. Anders als das Gros der vorangegangenen<br />

Beispiele bezieht sich das folgende auf ein konkretes, historisches Ereignis. Es zeigt den<br />

Besuch des schwedischen Königs Gustav III. im Museo Pio-Clementino in Begleitung des<br />

‘Hausherrn’ Papst Pius VI. am Neujahrstag 1784. 82<br />

Ursprünglich war es der schwedische Gast, der den Auftrag für das Bild erteilte, doch Pius<br />

wünschte nicht nur, daß der ausführende Maler Bénigne Gagnereaux (1756 - 1795) ihm das<br />

fertige Bild vor der Versendung nach Stockholm im Vatikan vorführe, sondern er bestellte<br />

darüberhinaus eine Kopie für sich (ABB. II 150). 83 Die Darstellung bot also anscheinend<br />

gleichermaßen dem prominenten Besucher wie dem Gastgeber eine Projektionsfläche für die<br />

eigenen Vorstellungen. Während der ‘Tourist’ seine Visite in einer wichtigen Sammlung<br />

und den gebührenden Empfang durch das Oberhaupt der katholischen Kirche und damit<br />

einen der Höhepunkte seiner Reise festgehalten wissen will, sieht Pius als Bauherr der neuen<br />

Räume für die Antikensammlung - in die sicher auch seine Ideen eingeflossen waren -<br />

sozusagen ein eigenes Werk, dessen Bedeutung durch den erlauchten Besuch noch gesteigert<br />

wird. 84<br />

Im Vordergrund steht das repräsentative Moment des Ereignisses. Zwar deutet die Geste<br />

des Papstes darauf, daß er den König auffordert, sich umzuschauen, doch ein konkretes Stück<br />

besehen sie sich nicht. Überhaupt werden Kunstbetrachter lediglich am Rande gezeigt und die<br />

M., 1962. S. 457. Zit. n. Wolfgang Kemp: “Die Kunst des Schweigens”, in: Laokoon und kein Ende: der Wettstreit der<br />

Künste. Hrsg. v. Th. Koebner. München, 1989. S. 96 - 119). S. 104.<br />

80 85,1 x 105,4 cm. Connaught Sale (O’Hagan Coll.), Christie 19/05/1939.<br />

81 Es fällt auf, daß sich in allen drei dieser Gruppen mindestens eine Person mit einer Sehhilfe findet. Bei Rowlandson<br />

scheinen sie zu stehen für die Sehschwäche und wohl auch die Gebrechlichkeit der Alten und darüberhinaus<br />

für den Drang, die Dinge wenigstens noch möglichst genau zu sehen. Zoffanys Personen hingegen erwecken eher<br />

den Eindruck, als benutzten sie die Sehhilfe, um eine - vermeintliche - Distanziertheit zu vermitteln.<br />

82 Zwar bereiste Gustav Italien icognito als Graf von Haga, doch das Gemälde läßt wohl keinen Zweifel am tatsächlichen<br />

Rang des Besuchers.<br />

83 1786, Öl auf Leinwand, 165 x 262 cm. Nationalgalerie, Prag, Inv. Nr. 09025. Im Vergleich mit dem Original<br />

wurde nur wenig verändert. Vgl. Grand Tour. The Lure of... (siehe Anm. 74). Kat. Nr. 38., S. 80.<br />

84 Der Name “Museo Pio-Clementino” geht auf den genannten Pius VI. und seinen Vorgänger Clement XIV. zurück;<br />

letzterer hatte die Antiken aus den Gärten des Vatikan im Palazzo Belvedere aufstellen lassen und auch einige bauliche<br />

Maßnahmen in die Wege geleitet . Vgl. I. Binamini: “Depictions of the Museo Pio-Clementino”, in: Ibid., S.<br />

241.<br />

111


genrehaften Einschübe in den Reihen des Wachpersonals scheinen wenigstens ebenso wich-<br />

tig. Dennoch wäre es wohl verfehlt zu vermuten, die Sammlungsbegutachtung diente le-<br />

diglich als angemessenes Ambiente für ein politisch-religiöses Treffen - selbst wenn der Papst<br />

hier einen Lutheraner empfängt. 85 Es erscheint plausibler davon auszugehen, daß man<br />

schlichterdings noch nicht über das offizielle Entrée hinausgekommen ist.<br />

SAMMLUNGSANSICHTEN ALS ROM-SOUVENIR? Ein weiteres, doch zugleich ganz anders geartetes<br />

Zeugnis für die Grand Tour stellen zwei Radierfolgen dar, die die Räume und Höfe des Mu-<br />

seo Pio-Clementino wiedergeben. Die eine besteht aus 24 Radierungen, die Vincenzo Feoli<br />

(1760 - 1831) nach Vorlagen verschiedener Zeichner anfertigte (ABB. II 160 u. II 170), 86 und die<br />

zweite umfaßt 14 handkolorierte Radierungen aus einer Zusammenarbeit des Franzosen<br />

Louis Ducros (1748 - 1810) mit dem einheimischen Giovanni Volpato (1755 - 1803) (ABB. II 180 u.<br />

II 190). 87 Diese Folgen aber entstanden nicht im Auftrag eines bestimmten Besuchers oder des<br />

Papstes als dem Sammler, besser dem Patron der Sammlung, dem an deren Repräsentation<br />

gelegen war, sondern wohl allein im Hinblick auf einen Markt, den insbesondere eine touri-<br />

stenreiche Stadt wie Rom - als eines der wichtigsten Ziele der Italienreise - für dergleichen zu<br />

bieten versprach.<br />

So ist davon auszugehen, daß das Personal neben der Funktion als Proportionsgeber auch<br />

als Identifikationsangebot, als Stellvertreter der potentiellen Kunden und ihrer eventuellen<br />

Begleitung angelegt war. Es finden sich verschiedenste Besucher, einige mehr, einige weniger<br />

interessiert, Kenner, einzeln und gänzlich absorbiert oder zu zweit und in einer Diskussion<br />

begriffen, Zeichner, denen Neugierige über die Schulter schauen, Flaneure, Paare und selbst<br />

Kleinfamilien mit Hund.<br />

Trotz dieser Vielfalt und einiger genrehafter Details aber ist das Personal hier nur von<br />

untergeordneter Bedeutung, es liefert nicht mehr als das ‘Ambiente’, die Atmosphäre für den<br />

Hauptgegenstand, die antiken Sammlungsstücke und ihr Arrangement. Dafür sprechen zu-<br />

nächst die allein topographisch beschreibenden Bildunterschriften. Außerdem sind die<br />

sparsam eingesetzten Figuren - bisweilen fehlen sie gar vollständig - meist relativ klein und<br />

85 In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, daß der Papst eine Kopie dieses Bildes und nicht der Darstellung<br />

der Weihnachtsmesse im Petersdom, der Gustav beigewohnt hatte, bestellte. Allerdings deutet auch der Umstand,<br />

daß Gustav III. sich ein solches Sujets (von L.-J. Desprez) malen ließ, nicht unbedingt auf eine religiöse Annäherung<br />

hin. Womöglich war es schlicht das prunkvolle Ereignis, das ihn - nicht notwendigerweise nur als Lutheraner - faszinierte.<br />

86 Um 1795 publ. »Galerie mit der ‘Cleopatra’« (60 x 72 cm). »Vestibolo a Croce Greca« (60 x 72 cm). Vatikanische<br />

Museen, Vatikanstaat. Inv. Nr. 44360 u. 44362.<br />

87 Ca. 1787 - 1792. »Galerie mit der ‘Cleopatra’« (52,6 x 75 cm). »Der Belvederehof mit ‘Laocoon’« ( 51,5 x 72,2 cm).<br />

Bayerische Staatsbibliothek, München. Inv. Res. 2Arch. 170m no. 7 bzw. no. 5.<br />

112


unauffällig. Sie überschneiden die Werke nicht und lenken nur wenig von ihnen ab. Ihre<br />

über die Folge der Bilder verteilte Varietät dient vor allem der Abwechslung.<br />

Zum Vergleich bietet sich neben dem vorangegangenen Gemälde von Gagnereaux (ABB. II<br />

150), in dem Personal und Sammlung eine völlig entgegengesetzte Gewichtung finden, eine<br />

Temperamalerei Jacques Sablets (1749 - 1803) an (ABB. II 200). 88 Bei dem letzteren halten sich die<br />

beiden Komponenten in etwa die Waage. Die Figuren sind ‘besser’ positioniert und auffälliger<br />

gekleidet als in den beiden Bildfolgen. Bemerkenswert sind vor allem die Hüte zweier Frauen<br />

im Vordergrund und der Orientale mit seinem Turban links. Außer auf diesen so offen-<br />

sichtlich fremdländischen Besucher, der ganz ähnlich noch häufiger auftauchen wird, ist auf<br />

den Bauern oder Arbeiter mit Korb und Schaufel rechts hinzuweisen, der an solch einem Ort<br />

kaum weniger exotisch anmutet, auch wenn - oder gerade weil - er wohl nicht gekommen ist,<br />

die Antiken zu betrachten, sondern eher um sich auszuruhen oder vor der Mittagshitze zu<br />

schützen.<br />

Wie schon in den Prager Beispielen und den Galerieansichten Kleiners finden sich in den<br />

beiden Radierfolgen und Sablets Tempera neben den männlichen Besuchern auch Frauen<br />

und sogar einige Kinder. Allerdings ist es fraglich, ob der Eindruck, daß diese Gruppen in der<br />

Zwischenzeit vernachlässigt wurden, ein Fundament in der zeitgenössischen Praxis hatte. So<br />

sind in den noch zu besprechenden Darstellungen von Handel und Ausstellungen zumindest<br />

Frauen mehr oder weniger durchgängig anzutreffen.<br />

ADRIAAN DE LELIE IN AMSTERDAM. Die meisten der bisherigen Beispiele des 18. Jahrhunderts<br />

zeichnen sich unter anderem dadurch aus, daß sie ausgesprochen großzügig dimensionierte,<br />

zuweilen gar palastartige Bildersäle zeigen. Sehr moderat muten im Gegensatz dazu die bei-<br />

den - immer noch stattlichen - Galerieräume an, die der Niederländer Adriaan de Lelie (1755 -<br />

1820) in den 90er Jahren für Jan Gildemeester Jansz. (ABB. II 210) 89 bzw. Josephus Augustinus<br />

Brentano (ABB. II 220) 90 festhielt. 91 Zudem hat es den Anschein als seien die repräsentativen<br />

88 Ca. 1786 - 1792, 52 x 76 cm. Vatikanische Museen, Vatikanstaat, Inv. Nr. 44699.<br />

89 1794/5. 63,5 x 85,5 cm. Rijksmuseum Amsterdam. Zur Identifizierung des Personals vgl. Annalisa Scarpa Sonino:<br />

Cabinet D’Amateur. Le Grandi Collezioni d’Arte nei Dipiniti dal XVII al XIX Secolo. Mailand, 1992. S. 152f.<br />

90 Ca. 1998, 64,5 x 84,5 cm. Rijksmuseum, Amsterdam.<br />

91 Allerdings gab es schon früher im Jahrhundert vergleichbare Beispiele wie die »Gesellschaft von Kunstliebhabern<br />

bei C. Ploos van Amstel« von Jacob Maurer (1764/ ABB. II 221) oder Zoffanys bekanntere »Townley-Library«<br />

(1781-83/ ABB. II 222). Vgl. aber auch zwei kolorierte Zeichnungen von William Chambers aus der Mitte der 90er<br />

Jahre, die die Blicke in Townleys Antikensammlunge wiedergeben (ABB. II 223 u. II 224/ zu der Zuschreibung vgl.<br />

Grand Tour. The Lure of... (siehe Anm. 74). Kat. Nr. 213 u. 214., S. 257- 260.)<br />

Anzumerken ist in diesem Zusammenhang aber auch, daß de Lelie, der aus den nördlichen Niederlanden stammte<br />

und später dort arbeitete, ausgerechnet in Antwerpen ausgebildet wurde und Brentano die dortige Jesuitenschule besuchte.<br />

Vgl. R. W. A. Bionda: “De Amsterdamse verzamelaar J. A. Brentano (1753 - 1821) en de inrichting van zijn<br />

‘zaal’ voor Italiaanse kunst”, in: Bulletin van het Rijksmuseum. 34/1986. (S. 135 - 175) S. 138.<br />

113


Absichten in diesen beiden gemalten Galerien nur von untergeordneter Bedeutung. Natür-<br />

lich lassen sich die Auftraggeber jeweils mit ihrer Sammlung und einer Reihe von Besuchern<br />

darstellen, und das wohl auch mit einem gewissen Stolz. Doch anders als etwa Panninis<br />

Kardinal Valenti Gonzaga (ABB. II 100) sind sie sich innerhalb der Bilderzählung ebenso-<br />

wenig wie ihre - identifizierbaren - Gäste des Umstandes bewußt, daß sie dargestellt werden.<br />

Einzig ein Herr aus der Gruppe rechts im Brentano-Gemälde blickt zum Betrachter, allerdings<br />

wirkt auch er nicht, als habe er sich in Positur gestellt, sondern eher als sei er inmitten seiner<br />

Ausführungen zu dem Stück auf der Staffelei lediglich zufällig auf einen Beobachter auf-<br />

merksam geworden.<br />

Es sind vornehmlich kleinere Gruppen, die sich die Gemälde besehen und sich darüber<br />

austauschen. Die ernsthafte Beschäftigung mit der Kunst steht im Vordergrund, dabei erscheint<br />

die Atmosphäre entspannt und ungezwungen, in der Galerie Brentanos gar familiär. 92<br />

De Lelie gibt Details und Begleitumständen der Kunstbetrachtung mehr Raum als seine bis-<br />

lang angeführten Vorgänger. Dadurch bekommen diese Schilderungen deutlich genrehafte<br />

Züge, sie scheinen weniger idealisiert, sozusagen ‘näher am Leben’. 93 So sitzt z. B. in dem Bild<br />

für Gildemeester Jansz. links vor der Staffelei eine Dame und unterhält sich mit zwei Herren<br />

hinter ihr; in ihrer Rechten hält sie ein Mono(?)kular, das sie allerdings nicht jetzt, sondern<br />

wohl erst dann gebrauchen wird, wenn sie die Gemälde in den oberen Wandregionen ge-<br />

nauer studieren möchte. Eine zweite Frau weiter im Hintergrund hat eine recht ungewöhn-<br />

liche Haltung eingenommen, sie stützt sich mit ihrem Unterarm auf die Rückenlehne eines<br />

nach vorn gekippten Stuhls, wohl um es bequemer zu haben. 94 Rechts hinten schließlich be-<br />

nutzt ein Herr eine mobile Treppe oder Leiter, um ein hochgehängtes Portrait besser begut-<br />

achten zu können. Im Brentano-Gemälde begegnet man ähnlichen Szenen: hinten links ist<br />

eine Person auf einen Stuhl gestiegen - nicht ohne die Schuhe ausgezogen zu haben -, um ein<br />

Brustbild ab- oder wieder aufzuhängen, und vorne in der Mitte kniet ein Mann, der dabei ist,<br />

ein am Boden liegendes Gemälde auszupacken, während er dem Gespräch zwischen dem<br />

Hausherrn und einem seiner Gäste über eine weitere Neuerwerbung folgt. 95 Zudem findet<br />

Zu de Lelie siehe auch J. Knoef.: “Adriaan de Lelie” in: Elsevier’s Maandschrift. 50/ 1940/ No.11. S. 389 - 405.<br />

92 Letzterer Eindruck entsteht wohl vor allem durch die Szene links mit den spielenden Kindern und der Dame, der<br />

gerade Kaffee(?) gereicht wird und der die Aufmerksamkeit der bei ihr stehenden Personen gilt.<br />

93 Dabei bleibt de Lelies Darstellung ernsthaft und enthält sich karikaturistischer Züge wie sie, wenn auch noch<br />

sehr wohlwollend, in einem Stich von Daniel Chodowiecki zu finden sind (ABB. II 290), in dem zwei Herren momentan<br />

allein daran interessiert scheinen, ob Bildtafel und Rahmen in ihren Händen auch passgenau aufeinander<br />

abgestimmt sind, während ein Bediensteter eine weitere Tafel zurechtsägt.<br />

94 Diese beiden Frauen machen den Eindruck, als seien sie durchaus eigenständige, aktive Kunstbetrachter. Die<br />

einzige der Frauen in der Brentano-Galerie, die momentan mit einem Kunstwerk beschäftigt ist, scheint bei dem Gespräch<br />

der Herren nur außen vor zu bleiben.<br />

95 Bei dieser Galerie geht man davon aus, daß die Ankunft einer Reihe von italienischen Neuerwerbungen festgehalten<br />

wurde. R. W. A. Bionda: “De Amsterdamse verzamelaar J. A. Brentano... (siehe Anm. 91)., S. 135.<br />

114


sich in beiden Galerien ein einzelner Herr, der ein wenig abseits sitzt und ähnlich wie der<br />

reale Betrachter das Treiben der Gesellschaft beobachtet.<br />

Als ein zusätzliches Indiz für die schwache Ausprägung des repräsentativen Moments,<br />

zumindest in der Brentano-Galerie, könnte man den Umstand ansehen, daß - und wie - sich<br />

eben jener Sammler einige Jahre später von de Lelie portraitieren ließ (ABB. II 230). 96 Auf<br />

einer beträchtlich ‘gewachsenen’, hochformatigen Leinwand sitzt Brentano lebensgroß in der<br />

Mitte vor dem Hintergrund eines nur ausschnitthaft wiedergegebenen Bildersaals. Aufrecht,<br />

die Linke in die Seite gestützt und die Rechte auf einem Bellini ruhend, schaut er mit klarem<br />

Blick nach rechts aus dem Bild, vorbei am realen Betrachter. Hinter ihm sieht ein Herr leicht<br />

versonnen(?) vor sich hin und hält einen aufgeschlagenen Band von Vasaris »Viten« in<br />

Händen - ein Hinweis auf Texte als Ergänzung und Hilfe zur Beschäftigung mit Kunst.<br />

Bionda identifiziert diese Person als de Lelie selbst. 97 Allerdings scheint er hier nicht in seiner<br />

Funktion als Maler, sondern eher als Vertrauter, Berater und Einkäufer für den Sammler<br />

Brentano aufzutreten. Dafür spricht, daß es sich bei dem vorderen der beiden Herren links<br />

um den zur Entstehungszeit des Bildes längst verstorbenen J. B. J. Achtienhoven handeln<br />

dürfte, und damit ebenfalls um einen Freund des Portraitierten, der etwa auf Auktionen<br />

Stücke für ihn ersteigerte. 98 Ähnlich wie de Lelie nimmt Achtienhoven bei der Kunstbetrach-<br />

tung einen Text zur Hilfe, es dürfte sich dabei um ein Blatt aus der »Beschryving der<br />

verzamelde Schilderyen van Josephus Augustus Brentano« handeln, deren Titelblatt rechts<br />

unten vor einem Möbel mit einer Reihe von Büchern zur Kunst zu sehen ist. 99 Brentano läßt<br />

sich also nicht allein als Kenner vor seiner Sammlung portraitieren, sondern teilt ge-<br />

wissermaßen das durch sie erlangte Ansehen mit jenen, die ihm bei deren Aufbau und<br />

‘Veredlung’ zur Seite standen.<br />

Sehhilfen. Außer den genannten Personen finden sich relativ klein im Hintergrund noch<br />

drei Besucher. Bemerkenswert sind sie deshalb, weil mit ihnen ein Motiv ausgeführt wird,<br />

das in dem Galeriebild für Gildemeester Jansz. nur angedeutet wurde, sowohl der einzelne<br />

Herr wie eine der beiden Damen bedienen sich eines Monokulars, um Stücke in den oberen<br />

96 1813. 285 x 160 cm. Stichting Brentano, Steun des Ouderdoms, Amsterdam.<br />

Des Zusammenhangs halber sei dieses wie das noch folgende Stück de Lelies bereits jetzt angeführt, obschon beide<br />

strenggenommen dem 19. Jahrhundert und damit dem nächsten Kapitel zuzurechnen wären.<br />

97 Ibid., S. 143.<br />

98 Diese Identifizierung ergibt sich aus der großen Ähnlichkeit mit des Mannes in der Mitte der früheren Brentano-<br />

Galerie, den Bionda als Achtienhoven benennt. Ibid.<br />

99 Darunter “[…] Hamilton’s Campe Phlegraei, St. Non’s Voyage Pittoresque de Naples et de Sicile, de Pitture Antiche<br />

d’Ercolane en meerdere boeken over musea in Rome en Florence (naast Dresden en Petersburg).” Herinneringen<br />

aan Italie. Kunst en toerisme in de18de eeuw (Ausst.-Kat. s’Hertogenbosch; Heino; Haarlem). Redactie Ronald de<br />

Leeuw. Zwolle, 1984. Kat. Nr. 13, S. 102f. Neben einem Verweis auf die Vorlieben des Portraitierten und vielleicht<br />

seine Gelehrsamkeit dürften diese Bände, wie auch der Vasari in de Lelies Händen, die Vorbilder für die Beschreibung<br />

der eigenen Sammlung sein.<br />

115


Wandregionen genauer betrachten zu können. Der Einsatz von Sehhilfen bei der Kunst-<br />

betrachtung rückt in einem weiteren Gemälde de Lelies sogar ganz in den Vordergrund (ABB.<br />

II 240). 100 Eine junge Frau sieht durch ein Winkelokular auf ein nur wenige Zentimeter<br />

entferntes Damenbildnis, dabei wird sie anscheinend von dem älteren Herrn hinter ihr, der<br />

das Gerät zusätzlich festhält, angeleitet. Es gibt allerdings einen entscheidenden Unterschied<br />

zu den Betrachtern im Brentano-Portrait, jene besehen sich mit ihren Sehhilfen hochgehäng-<br />

te Bilder, je nach Größe und Entfernung auch Details davon, die junge Frau aber dürfte von<br />

dem gemalten Schmuckstück, auf das ihr Gerät gerichtet ist, bei solch geringem Abstand nur<br />

mehr einzelne Farbflächen oder Pinselstriche erkennen. Sie interessiert sich also oder wird<br />

eingewiesen in Dinge, die eindeutig jenseits jeder Bilderzählung liegen, wahrscheinlich die<br />

Malerei selbst. 101<br />

KONZENTRATION AUF DAS PERSONAL. Im Bezug auf das zuletzt genannte Gemälde ist noch ein<br />

ganz anderer Aspekt zu erwähnen. Im Vergleich mit den bisher angeführten Beispielen<br />

konzentriert sich die Darstellung in besonderer Weise auf das deutlich reduzierte Personal. Es<br />

wird kein Idealbild einer Sammlung vorgeführt, kein Sammler präsentiert stolz sich mit<br />

seinen Schätzen und seinen womöglich noch prominenten Gästen. Man ist deutlich näher an<br />

die Szene herangerückt, vom Raum ist kaum etwas auszumachen. Nahezu alles außer den<br />

zwei Betrachtern und dem einen im Moment besehenen Stück ist ausgeblendet. 102<br />

Allerdings ist es genau ob der beschriebenen Merkmale oft nicht möglich, sie im Sinne der<br />

hier verfolgten Aufteilung mit Bestimmtheit einem Ort oder einer ‘Institution’ zuzuordnen,<br />

auch wenn aufgrund der intimen Atmosphäre der geschilderten Szenen der Kontext einer<br />

Privatsammlung - im Gegensatz zu Ausstellung und Kunsthandlung - wohl meist der plau-<br />

sibelste ist. So erscheint es sinnvoll, hier am Ende dieses Abschnitts zu den Fortführungen der<br />

Sammlungsdarstellung geschlossen auf diese Stücke einzugehen.<br />

Dem Gemälde de Lelies am nächsten sind die zwei folgenden Beispiele aus England. Bei<br />

Henry Robert Morland (ca. 1719 - 1797) (ABB. II 250) 103 sitzt links ein Herr und besieht sich im<br />

100 »Les met den hoekkijker« 1814. Museum Willet-Holthuysen, Amsterdam. Auch wenn die Entstehung dieses Gemäldes<br />

bereits recht weit im 19. Jahrhundert liegt, scheint es sinnvoll es im Zusammenhang mit de Lelies übrigen<br />

Werken zu besprechen.<br />

101 Zu weiteren Verwendungszwecken und Bedeutungsvarianten von Sehhilfen vgl. Anm. 81.<br />

102 Hier ist ein Gemälde von Godfried Schalcken (1643 - 1706) als ähnliches, aber deutlich früheres Beispiel zu<br />

nennen (vgl. De zichtbare wereld. Schilderkunst uit de Gouden Eeuw in Hollands oudste stad. Dordrechts Museum.<br />

Dordrecht, 1992. Kat.-Nr. 72, S. 267.)<br />

103 Hier nur eine Radierung, die Phillip Dawe nach Morlands Gemälde anfertigte. Mezzotinto, 50 x 35 cm. 1773. L.<br />

Walpole Lib., Yale Univ.<br />

Im Warburg Institute findet sich die Reproduktion eines Stückes, das bis auf das Bild-im-Bild fast identisch ist und<br />

dort als Joseph Wright of Derby geführt wird (ABB. II 251). Diese Zuschreibung, die im Zusammenhang mit einer<br />

116


Lichtschein einer Kerze in seiner Rechten ein Landschaftsstück, das ein junger Mann für ihn<br />

hält. Morlands Bild lebt neben der effektvollen Lichtführung vor allem von der Diskrepanz<br />

zwischen dem ernsthaft bis skeptisch dreinblickenden Kenner und dem ‘Bildhalter’, der von<br />

seiner Müdigkeit übermannt wird und mit weit aufgerissenem Mund gähnt. Die Kerze<br />

scheint zunächst nur ein Hilfsmittel zu sein, um trotz der Dunkelheit sehen zu können. Zu-<br />

sammen mit dem gähnenden Helfer aber deutet sie auch auf die große Besessenheit oder Lei-<br />

denschaft des Betrachters, die ihn alles außerhalb des stärksten Lichtscheins vergessen läßt.<br />

Auch in einem Gemälde von Joseph Wright of Derby (ABB. II 260), 104 das drei Männer<br />

beim Betrachten einer Kopie des Borghese-Gladiators zeigt, dient eine einzelne Kerze als<br />

Lichtquelle. Hier jedoch ist die Motivation ein andere. Der reizvolle Effekt ihres Lichts wird<br />

nicht nur auf, sondern auch von den dargestellten Personen selbst angewendet und zwar auf<br />

ihren Betrachtungsgegenstand. Ganz anders als das Bild-im-Bild bei Morland wirkt die auf<br />

diese Weise, in diesem Licht, betrachtete Skulptur dramatischer, ihre Modellierung wird be-<br />

tont und durch das Flackern der Flamme mag sie zuweilen gar verlebendigt erscheinen. 105 In<br />

diesem Zusammenhang ist besonders darauf hinzuweisen, daß Wright, so als gelte es her-<br />

vorzuheben, daß es tatsächlich dieser Beweggrund ist, der zur Verwendung der Kerze geführt<br />

hat, in der Mitte über dem Kopf des Gladiators eine gelöschte Lampe positioniert hat.<br />

Im Zusammenhang mit der Konzentration auf das Personal ist auch auf eine Zeichnung<br />

von Jean Grandjean 106 (1752 - 1781) hinzuweisen. 107 Das Blatt (ABB. II 270), 108 das eine Ansicht<br />

des sogenannten »Antinous« in den Kapitolinischen Museen wiedergibt, unterscheidet sich<br />

Auktion bei Christie’s 1969 publiziert ist, ist aber womöglich nur auf (bekannteren Namen und) die Ähnlichkeit mit<br />

Wrights im Anschluß angeführten Gemälden zurückzuführen.<br />

104 Ca. 1765, Öl a. Lw., 101,6 x 121,9 cm. Privatbesitz. Vgl. etwa July Egerton u. a.: Wright of Derby (Ausst. Kat.<br />

London; Paris; New York). London, 1990. Kat. Nr. 22, S. 62f. In der Londoner Witt Library findet sich unter Wright<br />

of Derby die Reproduktion eines vergleichbaren Gemäldes (ehemals Slg. Lord Aberdare, Öl a. Lw. 47 x 52 cm./ ABB.<br />

II 261) einen einzelnen jungen Mann beim Betrachten einer knienden Venus im Kerzenschein zeigt. Hier ist nochmals<br />

auf das deutlich frühere Gemälde von Godfried Schalcken hinzuweisen (siehe Anm. 102).<br />

105 Hierzu vgl. etwa eine Stelle in der dreizehnten der »Nachtwachen« Bonaventuras, in der es heißt: “An dem Berge,<br />

mitten in das Museum der Natur, hatten sie noch ein kleines für die Kunst gebaut, wohinein jetzt mehrere Kenner<br />

und Dilettanten mit brennenden Fackeln zogen, um bei dem sich bewegenden Lichtscheine die Toten drinnen möglichst<br />

lebendig sich einzubilden.” Bonaventura: Nachtwachen. Hrsg. v. W. Paulsen. (Bibliogr ern. Ausgabe) Stuttgart,<br />

1986. S. 107.). Zu erwähnen ist hier zudem eine Szene in Cellinis Autobiographie, in der der Meister den Effekt<br />

sparsamer künstlicher Beleuchtung zu seinem Nutzen einsetzt und es ihm so gelingt, aus einer eigentlich gegen ihn<br />

gerichteten Aktion Kapital zu schlagen. Leben des Benvenuto Cellini […] Übers. u. m. e. Anhange hrsg. v. J. W.<br />

Goethe. Frankfurt a. M., 1981. S. 341ff (Kap. 9). Und auch Goethe selbst erwähnt in der »Italienischen Reise« einen<br />

“[…] von allen Fremden, Künstlern, Kennern und Laien gleich gewünschten Besuch [des Museo-Pio-Clementino und<br />

der Capitolinischen Museen] im Fackelschein […]” und zitiert anschließend ausführlich aus einem für die »Propyläen«<br />

bestimmten Aufsatz von Heinrich Meyer von Zürich zu dieser Art der Kunstbetrachtung. Johann Wolfgang<br />

Goethe: Italienische Reise. Hrsg. v. Andreas Beyer u. Norbert Miller (J. W. Goethe: Sämtliche Werke nach Epochen<br />

seines Schaffens - Münchener Ausgabe, Bd. 15). München; Wien, 1992. S. 523ff u. (Kommentar) S. 1139. Dort werden<br />

auch Moritz und Archenholtz genannt, die ebenfalls über die Fackelbeleuchtung schrieben.<br />

106 Anders als sein Name glauben macht, stammte er aus den Niederlanden.<br />

107 Auch wenn sie recht eindeutig den Besuch in einer mehr oder weniger öffentlichen Sammlung wiedergibt.<br />

108 1780, Kreide, 53,5 x 40,5 cm. Rijksprentenkabinett, Amsterdam.<br />

117


insofern als der reale Betrachter durch den Blick der einzigen dargestellten Person gewisser-<br />

maßen von einem Außenstehenden zu einem die Zeichnung vervollständigenden Bestand-<br />

teil wird. Er ist es, den der portraitierte Andreas Christian Hviid auf den ersetzten Unter-<br />

schenkel des »Antinous« aufmerksam macht. 109 Auch in den gemalten Galerien findet sich<br />

zuweilen eine Person, die den realen Betracher direkt ansieht und auf die Betrachter oder ein<br />

Bild-im-Bild hinweist. Dort aber war es nur eine von vielen Figuren in einem großen, in<br />

einer Totale gezeigten Raum, in dem man sich umsehen konnte. Hier ist man näher an das<br />

Geschehen, die einzelne Person, gewissermaßen den cicerone herangerückt und kann kaum<br />

umhin, seinen Blick aus dem Bild, der die Mittelbarkeit der Darstellung vergessen machen<br />

soll, zu registrieren und auf sich zu beziehen. Der Betrachter wird nicht durch eine Spiege-<br />

lung, sondern durch eine sozusagen nur von ihm zu füllende Leerstelle auf sein eigenes Tun<br />

verwiesen.<br />

Während die Betrachter in de Lelies »Stunde mit dem Winkelokular« (ABB. II 240) und<br />

den beiden Werken aus England Halbfiguren waren, denen man geradezu über die Schulter<br />

schauen konnte, wird in den folgenden graphischen Stücken ‘wieder’ ein etwas größerer<br />

Abstand gehalten. Das hat nicht nur zur Folge, daß die Personen ganzfigurig auftreten,<br />

sondern auch, daß etwas mehr von den Räumen, in denen sie agieren, zu sehen ist. Eine<br />

Totale des Sammlungsraumes wie bei den gemalten Galerien aber ist es bei weitem nicht.<br />

Zudem sind die Bilder-im-Bild lediglich grob skizziert und bilden nurmehr das Ambiente für<br />

die Akteure. Auf diese Weise werden insbesondere stark typisierte Kunstbetrachter dargestellt.<br />

So zeigt Thomas Rowlandson in den bereits angeführten »Kunstkennern« (ABB. II 280)<br />

vier lüsterne Herren 110 vor einer Venus mit Amor und Daniel Chodowiecki liefert in seiner<br />

Folge »Steckenpferdreiterei« (1781) einmal das Bild zweier Sammler, die Gefahr laufen, über<br />

der Aufmerksamkeit, die sie der Akkuratesse der Rahmen ihrer Stücke widmen, die Quali-<br />

täten der Gemälde selbst zu vergessen (ABB. II 290), und einmal das eines Kupferstichliebha-<br />

bers, der sich daran erfreut, seine kleinformatigen Schätze allein und in Ruhe durch-<br />

zuschauen oder auch auszusuchen (ABB. II 300).<br />

Ebenfalls von Chodowiecki stammt ein Radierungspaar, in dem zwei Arten der Kunstbe-<br />

trachtung einander gegenübergestellt werden, die “natürliche” und die “affektierte” (ABB. II<br />

310 u. II 320). 111 Abgesehen von der Haltung und den Gebärden des Personals ist die Szene in<br />

109 Die Person wird anhand einer Notiz auf der Rückseite des Blattes als der dänische Orientalist und Theolologe<br />

Hviid identifiziert, der sich neben seinem Stipendium anscheinend zuweilen als Fremdenführer betätigte. Vgl.<br />

Herinneringen aan Italie... (siehe Anm. 99). Kat. Nr. 111, S. 176.<br />

110 Hier unterstützen die übrigen Bilder-im-Bild deutlich diese Lesart.<br />

111 Sie sind Teil einer graphischen Folge, die 1779 und 1780 unter dem Titel »Natürliche und Affektierte Handlungen<br />

des Lebens« im Göttinger Taschenkalender mit einem Text von Georg Christoph Lichtenberg veröffentlicht wurden.<br />

Kupferstichkabinett SMPK, Berlin.<br />

118


eiden Fällen nahezu identisch. In einem Park - somit an einem Ort, der im Zusammenhang<br />

mit der Darstellung von Kunstbetrachtern recht ungewöhnlich ist - finden sich zwei Herren<br />

vor einer Floraskulptur. Bei der Variante, die das “natürliche” Verhalten vorstellt, stehen die<br />

beiden ruhig nebeneinander und besehen jeder für sich die Statue. Während der hintere sehr<br />

angetan scheint, wirkt der vordere mit seinen vor der Brust verschränkten Armen eher<br />

verhalten.<br />

Im Gegenbeispiel sind die beiden Herren einander zugewandt und konversieren anläßlich<br />

des Standbilds. Der eine hat sich zu seinem Begleiter umgedreht, um ihm, unterstützt von<br />

der weisenden Rechten und der gestikulierenden Linken, wortreich seine Sicht der Dinge nä-<br />

herzubringen. 112 Der Angesprochene, der durch seinen in den Nacken geschobenen Hut ein<br />

wenig unbedarft erscheint, folgt diesen Ausführungen mit einem Blick zu seinem Gegenüber.<br />

Dabei ist seine ‘geschraubte’ Körperhaltung nicht eindeutig. Die erhobenen Unterarme mit<br />

den geöffneten Händen könnte man als eine Geste der Abwehr sehen, doch sie sind ebensogut<br />

mit dem erläuternden Text Lichtenbergs in Einklang zu bringen, nach dem sie Ausdruck von<br />

Begeisterung sind. 113<br />

Ähnlich wie im Frontispiz zu »Le Cabinet de M. R de Scudery« (von 1646/ ABB. I 560) 114<br />

werden hier die stille Betrachtung eines Kunstwerks und die Konversation vor einem<br />

solchen vorgeführt. Diesmal aber ist das mit einer eindeutigen Wertung zugunsten der verin-<br />

nerlichten Beschäftigung mit dem Betrachtungsgegenstand verbunden: die still kontemplie-<br />

renden Betrachter lächelt die Flora-Skulptur an, den “affektierten” wirft sie einen bösen Blick<br />

zu. Gemeint ist damit sicher nicht die Abqualifizierung jeglichen Gesprächs angesichts von<br />

Kunstwerken, sondern eher eine als leer empfundene, weil konventionalisierte - und<br />

womöglich vor allem der Selbstdarstellung dienende - Unterhaltung, eine Konversation um<br />

der Konversation und nicht um der Sache willen. 115 In ihrem “Bilder-Knigge” 116 versuchen<br />

112 Den Wortreichtum legt der dazugehörige Text Lichtenbergs nahe. Etwa: “Sie scheinen sich nicht um die Schönheit<br />

und die Bedeutung des Körpers der Bildsäule zu bekümmern, […] sondern vielmehr zu bewundern die Wärme, womit<br />

der Künstler gebrochen hat die Falte des leinenen Marmors, zu fühlen die ölichte Vögeltäuschende Glätte einer<br />

Traube oder zu sehen den versteinerten Duft einer Blume, welcher um zu riechen nichts fehlt als der Geruch.” G. Chr.<br />

Lichtenberg: Handlungen des Lebens. Erklärungen zu 12 Monatskupfern von Daniel Chodowiecki. Stuttgart, 1971. S.<br />

53. Zit. n. W. Kemp: “Kunst des Schweigens... (siehe Anm. 79). S. 118.<br />

113 ”[…] wenn dir 15 ausgespreizte Finger in einer Reihe nicht sagen, das, was der 16te berührt, sey das Werk mit der<br />

Asträa geflüchteter, oder ausgestorbener Kunst […]”. Ibid.<br />

114 Vgl. S. 80.<br />

115 Hier ist zu verweisen auf Wolfgang Kemps Aufsatz “Die Kunst des Schweigens” (siehe Anm. 79). Darin beschäftigt<br />

er sich mit einer Reihe von deutschsprachigen Texten aus der Zeit um 1800, die die Kunstbetrachtung aus der<br />

Sicht der Bildungsbürger thematisieren, und analysiert sie insbesondere im Hinblick auf den - anscheinend häufig<br />

auch ständisch konnotierten - Gegensatz zwischen Reden und Schweigen.<br />

Vgl. auch Werner Busch: “Chodowieckis Darstellung der Gefühle und der Wandel des Bildbegriffs nach der Mitte<br />

des 18. Jahrhunderts”, in: Tradition, Norm, Innovation: Soziales und literarisches Traditionsverhalten in der Frühzeit<br />

der deutschen Aufklärung. Hrsg. v. W. Barner. S. 315 - 343. (Kommentar u. Diskussion S. 344 - 346.)<br />

116 Wolfgang Kemp: “Die Kunst des Schweigens” (siehe Anm. 79). S. 98.<br />

119


Chodowiecki und Lichtenberg durch die Abgrenzung von einem adligen bzw. durch adlige<br />

Vorbilder geprägten Verhalten 117 ein eigenständiges bürgerliches Ideal - nicht nur der Kunstbetrachtung<br />

- zu formulieren. 118<br />

- ii -<br />

DARSTELLUNGEN DES KUNSTHANDELS<br />

Im Zusammenhang mit einigen der Antwerpener Galeriebilder war bereits auf Überlegungen<br />

hinzuweisen, nach denen darin möglicherweise Kunsthandlungen gezeigt werden. 119 Zwar<br />

sind die Indizien in keinem der angeführten Fälle zwingend, doch andererseits ist auch das<br />

Gegenteil nicht zu belegen. Somit bleibt - zumindest vorerst - offen, ob sich unter den Ant-<br />

werpener Stücken nicht auch Darstellungen des Kunsthandels befinden; zu unterscheiden<br />

aber wären sie von jenen, die Sammlungen vorstellen, anscheinend nicht.<br />

Ganz ähnlich verhält es sich mit einer Zeichnung von Pieter van den Berge (1659 - 1737),<br />

die anscheinend den Besuch Eugens von Savoyen bei dem Amsterdamer Jan Pietersz. Zomer<br />

festhält (ABB. II 330). 120 Obschon die wichtigsten Personen hier mittels einer Beschriftung iden-<br />

tifiziert sind, 121 ist dem Blatt doch nicht zu entnehmen, ob der Prinz gekommen ist, um sich<br />

von Zomer als Kunsthändler Vorschläge für Neuerwerbungen machen zu lassen oder um<br />

sich dessen Privatsammlung anzuschauen. 122<br />

117 Die Gewandung der Personen in den zwei Blättern läßt es nicht zu, Standesunterschiede auszumachen, denn in<br />

der sozusagen “natürlich”-bürgerlichen wie in der “affektiert”-adligen Version finden sich Dreispitz und Degen.<br />

Das paßt in gewisser Weise gut dazu, daß Lichtenberg im Zusammenhang mit der besagten(?) Radierfolge spricht<br />

von “[…] Szenen aus dem Schauspiel, das wir täglich ansehen, und in welchem wir nicht selten mitspielen […]”.<br />

(Zit. n. F. H. Mautner: Lichtenberg. Geschichte seines Geistes. Berlin, 1968. S. 205.)<br />

118 Kemp sieht in dem Text-Bild-Konglomerat der Aufklärer Chodowiecki und Lichtenberg auch Spitzen gegen die<br />

Auswüchse der bürgerlichen Empfindsamkeit. W. Kemp: “Die Kunst des Schweigens”, in...(siehe Anm. 79). S. 99f.<br />

In seinem Buch »Absorption and Theatricality. Painting and the Beholder in the Age of Diderot.« (Berkeley u.a.,<br />

1980.) macht Michael Fried im Frankreich jener Zeit ein Gegensatzpaar aus, das vergleichbar ist mit jenem, das der<br />

Radierfolge Chodowieckis zugrundeliegt, allerdings bezieht Fried es - rezeptionsästhetisch - auf die Malerei und<br />

die in ihr angelegte Ausrichtung auf den Betrachter, auf Darstellungen von Kunstbetrachtern geht er nicht ein.<br />

119 Siehe Kapitel I, i: etwa S.36 /ABB. I 170, S. 43 , Anm. 92/ ABB. I 200 und S. 59ff/ ABB. I 290 u. I 300.<br />

120 Rote Kreide u. Pinsel, 23,5 x 40.5 cm. Rijksprentenkabinet, Rijksmuseum, Amsterdam, Inv. Nr. A 4202. Michiel<br />

Jonker schlägt unter Vorbehalt 1701 als Entstehungszeit vor. De wereld binnen handbereik: Nederlandse kunst- en<br />

rariteitenkabinetten , 1585 - 1735. Red.: Ellinoor Bergvelt en Renée Kistemaker. Zwolle, 1992. Kat. Nr. 248, S. 119<br />

121 Neben Prinz Eugen und Zomer sind der Botschafter Fleerman, der Rahmenmacher Jan Muys und der Zeichner<br />

selbst benannt.<br />

122 Die Zomer’sche Sammlung war bekannt und gut besucht. Da die Bilder-im-Bild nur vage angedeutet sind, ist ein<br />

Vergleich mit eventuellen Inventaren nicht möglich. (Ibid.) In diesem Zusammenhang ist weiterhin anzumerken,<br />

daß im Gegensatz zu den leicht variierenden Titeln für diese Zeichnung - die aber alle auf den hohen Besucher und<br />

Jan Pietersz. Zomer als Gastgeber oder Händler abheben - der ebenfalls auftretende Zeichner van den Berge dadurch,<br />

daß er das von Eugen besehene Gemälde hält und womöglich auch kommentiert, eine zentralere Rolle und Position<br />

einnimmt als Zomer ganz rechts, der ein wenig untergeht in der Gruppe von Diskutanten, die dem knienden<br />

Prinzen über die Schulter blicken. Besieht sich der Prinz vielleicht gerade ein Stück von van den Berge? Ist man gar<br />

an einem anderen Ort in Amsterdam?<br />

120


Abgesehen von diesen und ähnlichen Beispielen jedoch gibt es auch eine Reihe von<br />

Darstellungen, die recht eindeutig als solche des Kunsthandels zu bestimmen sind. Als frühe -<br />

und wohl vereinzelte - Exempel finden sich bei Koch etwa eine Miniatur des 13. Jahrhunderts<br />

aus den »Cántigas« Alfons des Weisen (ABB. II 340) 123 und eine Hintergrundszene aus<br />

Konrad Witzens (um 1400 - um 1445) »Die Heiligen Katharina und Magdalena«, in der ein Haus<br />

gezeigt wird, vor dessen großen Fensteröffnungen im Erdgeschoß Skulpturen als in den<br />

Straßenraum ragende Auslagen zu erkennen sind (ABB. II 350); 124 außerdem führt Koch<br />

einige niederländische Straßen- und Marktszenen aus dem frühen 17. Jahrhundert (etwa<br />

ABB. II 360 u. II 360a) an, 125 in denen die Kunstinteressierten aber, sofern überhaupt vorhanden,<br />

meist in der Menge oder im Hintergrund untergehen. 126<br />

Den Darstellungen von eindeutigen Kunsthandlungen des 18. Jahrhunderts bereits recht<br />

nahe sind schließlich zwei Federzeichnungen Salomon de Brays (1597 - 1664), die jeweils den<br />

Blick in eine kombinierte Buch- und Kunsthandlung wiedergeben (ABB. II 370 u. II 380). 127 Zu-<br />

nächst zeigen sie im Gegensatz zu den gerade angeführten Beispielen keine ‘Außenräume’,<br />

sondern Interieurs, die allerdings in ihren Ausmaßen um einiges hinter denen der meisten<br />

gemalten Galerien zurückbleiben. Zudem sind hier auch schon Ladentheken zu erkennen,<br />

die es erleichtern, Verkäufer und Kunden auseinanderzuhalten. De Brays Blätter zeichnen<br />

sich dadurch aus, daß sie ihren Gegenstand ausgesprochen sachlich und nüchtern schildern,<br />

vor allem fällt auf, daß sein Personal - unabhängig davon, auf welcher Seite des Tresens es<br />

steht - in keiner Weise enthusiasmiert scheint.<br />

Im 18. Jahrhundert lassen sich - zumindest - drei Typen von Darstellungen des Kunsthan-<br />

dels unterscheiden, auf die im folgenden kurz eingegangen werden soll: solche von genuinen<br />

Kunsthandlungen, solche von Auktionen und solche von Straßenhändlern.<br />

123 Bibliothek des Escorial.<br />

Wobei man allerdings wohl davon auszugehen hat, daß das gerade verkaufte Stück nicht als ästhetisch zu goutierendes<br />

Kunstwerk, sondern als Andachtsbild zu verstehen war.<br />

124 Frauenhaus-Museum, Straßburg.<br />

125 David Vinckboons »Kirmes«. Öl auf Holz, 115 x 141 cm. Herzog-Anton-Ulrich-Museum, Braunschweig. Vgl. Georg<br />

Friedrich Koch: Die Kunstausstellung. Ihre Geschichte von den Anfängen bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts.<br />

Berlin, 1967. S. XX - XXII und S. 72ff. Koch nennt in dieser Reihe auch ein »Maifest« in der Art des David Vinckboons<br />

(ABB. II 361/ ehem. Slg. Loewenfeld, München.). Die prächtige Präsentation vieler großformatiger Stücke<br />

aber ist für einen Verkaufsstand wohl recht unwahrscheinlich. Meiner Ansicht nach spricht das eher für eine Festtagsausstellung<br />

(vgl. unten), die allenfalls indirekt zu einem Verkauf von Kunstwerken führte.<br />

126 In einem Stich Ägidius Sadelers von ca. 1607 allerdings, die einen Blick in den Prager Wladlislawsaal wiedergibt,<br />

scheint der Stand mit Gemälden und Stichen durch seine Position links vorne und auch die ‘günstige’ Verteilung<br />

des Personals ein wenig hervorgehoben. Gezeigt wird hier ein Gemälde nach (?) Sadelers Stich, das im Martin-von-<br />

Wagner-Museum der Universität Würzburg unter Vorbehalt Bartholomäus van Bassen zugeschrieben wird (ABB. II<br />

362 u. II 362a).<br />

127 1628(?), lavierte Federzeichnungen, 7,6 x 7,6 cm. Rijksprentenkabinet, Rijksmuseum, Amsterdam, Inv. Nr. A 290<br />

bzw. A 291.<br />

121


»BAUERN-WIRTSCHAFT MIT KUNSTHANDLUNG UND THEATERBÜHNE«. Zu beginnen ist mit einem<br />

recht ungewöhnlichen Beispiel aus Dresden. 128 1709 ließ August der Starke im Rahmen<br />

einiger Feierlichkeiten zu Ehren Friedrichs IV. von Dänemark ein als ‘Bauern-Wirtschaft’ be-<br />

zeichnetes Hoffest ausrichten, bei dem entsprechende Belustigungen angeboten wurden und<br />

auch einige der adligen Teilnehmer in bäuerlichen Trachten erschienen. Drei Gemälde von Jo-<br />

hann Samuel Mock (1687 - 1737) halten dieses Ereignis fest.<br />

Eines der Blätter zeigt den Platz im Süden des Großen Gartens mit einer Vielzahl von Fi-<br />

guren (ABB. II 390 u. II 390a); 129 darunter auch Personen, die Körbe auf dem Rücken tragen<br />

oder Karren schieben und somit wohl ebensowenig wie die Bettler vorne links zu den<br />

geladenen Festgästen gehören dürften. Im Vordergrund stehen zwei Bauten, von denen der<br />

rechte eine Theaterbühne und der linke eine Kunsthandlung beherbergt. Diese beiden An-<br />

gebote heben sich deutlich ab von den Geschicklichkeitsspielen im Mittelgrund - und auch<br />

den kirmesähnlichen Attraktionen auf einem der anderen Blätter -: bei der gut besuchten Auf-<br />

führung der Commedia-dell’Arte-Truppe mag noch darüber zu spekulieren sein, ob eine geist-<br />

reiche Farce oder vielleicht doch eine derbe Hanswurstiade gegeben wird, 130 die zu erkennen-<br />

den Landschaftsgemälde in der Kunsthandlung jedoch dürften kaum einem bäuerlichen Ge-<br />

schmack - oder der Vorstellung davon - entsprochen haben. Dennoch legt der Zusammen-<br />

hang nahe, daß die Betrachtung bzw. der Erwerb von Kunstwerken hier nur als eine Art der<br />

Unterhaltung neben anderen zu verstehen ist. Die Antwerpener ‘Vernunftgemächer’ schei-<br />

nen weit entfernt, doch es wäre übereilt, vom intellektuellen Niveau der angebotenen Spiele,<br />

die schließlich ganz andere ‘Sinne’ und Instinkte ansprechen, gleich grundlegende Rück-<br />

schlüsse auf die ‘Qualität’ der Wahrnehmung von Kunst, auf die Haltung zu ihr oder auf<br />

deren Ansehen zu ziehen.<br />

WATTEAUS »L’ENSEIGNE DE GERSAINT«. Die wohl prominenteste Darstellung einer Kunst-<br />

handlung ist ein Gemälde von Jean Antoine Watteau (1684 -1721), das 1720/1 als Firmen- oder<br />

Ladenschild für Edme-François Gersaint entstand: das sogenannte »Enseigne de Gersaint«<br />

(ABB. II 400). 131 Obschon es großen Anklang fand und anscheinend eine ganze Reihe von<br />

128 Ungewöhnlich deshalb, weil die dargestellte Kunsthandlung durch den ihr zugewiesenen Bau und die<br />

Ausstattung wirkt, als sei sie fest installiert und auf Dauer eingerichtet, durch das Umfeld, in dem sie sich befindet,<br />

aber auch an die angeführten Marktstände erinnert.<br />

129 1710, Pinsel und Deckfarben, 59,3 x 92 cm. Kupferstichkabinett, Dresden, Inv. Nr. C 5690.<br />

130 In diesem Rahmen könnte wohl auch der Adel dazu lachen, denn man hätte ja die Möglichkeit vorzugeben, man<br />

amüsiere sich über die Dummheit der Bauern, die sich über dergleichen belustigen.<br />

131 Öl auf Leinwand, 304 x 163 cm. Schloß Charlottenburg, Berlin. Angegeben ist das heutige Format. Ursprünglich<br />

hatte das Gemälde eine Lunettenform, die dann zum Rechteck ergänzt und noch erhöht wurde. Außerdem war es zeitweise<br />

in zwei Hälften geteilt. Vgl. etwa Oskar Fischel: “Altes und Neues vom Schild des Gerseint”, in: Zeitschrift<br />

für Kunstgeschichte. 1932. (S. 341 - 353) S. 341ff. Vgl. auch H. Adhémar: “L’Enseigne de Gersaint par Watteau. Aperçus<br />

nouveaux.”, in: Bulletin du Laboratoire du Louvre. 1964. S. 6 - 11.<br />

122


Interessierten zu den Geschäftsräumen auf dem Pariser Pont Notre-Dame lockte, konnte es<br />

seinen ursprünglichen Zweck nur für kurze Zeit erfüllen, denn es wurde schon bald an einen<br />

Privatmann verkauft. 132 Da es sich um ein Ladenschild handelt, kann man wohl davon aus-<br />

gehen, daß seine Gestaltung entscheidend von der Aufgabe, als Werbeträger zu fungieren,<br />

geprägt wurde, und es erscheint angemessen, es insbesondere im Hinblick auf diese Absicht<br />

zu betrachten. 133 Es ist anzunehmen, daß Watteaus Ziel vornehmlich darin bestand, ein Ideal-<br />

bild zu zeichnen, das den Vorstellungen des Inhabers und vor allem jenen der angestrebten<br />

Kundschaft entsprach - wobei die Schwierigkeit bestand, daß der Ruf von Kunsthändlern und<br />

Kunsthandlungen ausgesprochen schlecht war. 134<br />

Der Verkaufsraum, den der Maler schildert, ist ein einladendender Ort, an dem man sich<br />

sehen lassen kann. Er ist über seine gesamte Breite zu Straße hin geöffnet, gut besucht, aber<br />

nicht überfüllt. Die Klientel rekrutiert sich aus gehobenen Ständen, Personen aus dem ein-<br />

fachen Volk hingegen finden lediglich als dienstbare Geister einen Platz am Rand. 135 Die<br />

Tätigkeit oder besser die Beschäftigung, für die man hier eine gepflegte Bühne mit erlesenen<br />

Requisiten bietet, wird als privilegiert und prestigeträchtig vorgeführt. McClellan sieht auch<br />

Anklänge an die fêtes galantes :<br />

“[…] Watteau’s service to his friend Gersaint was to posit the compatibility of secluded woodland and<br />

dealer’s shop as sites of aristocratic ritual and leisure [meine Hervorhebung]. The men and women in<br />

Gersaint’s shop appear as natural and as absorbed as they do in any of Watteau’s imaginary<br />

parks.” 136<br />

132 Nach Robert Neuman hing es gar “[…] only a fortnight in the open arcade of the gallery […].” R. Neuman: “Watteau’s<br />

L’Enseigne de Gersaint and Baroque Emblematic Tradition”, in: Gazette des Beaux-Arts. (Tome CIV 126. Jg.<br />

Nov. 19? (nach ‘83)). (S. 153 - 164) S. 153.<br />

133 Auf einige andere Ansätze geht Neuman, in seinem bereits angeführten Aufsatz ein. Ibid. H. Wine sieht die<br />

Enseigne auch als “self-promotion” Watteaus, der etwa ein Jahr in London verbracht hatte und der, so Wine, wieder<br />

auf sich aufmerksam machen wollte. Humphrey Wine: “Watteau’s Consumption and L’Enseigne de Gersaint ”, in:<br />

Gazette des Beaux-Arts. 6. Per., Tome 115, 1990. (S.163 - 170) S. 168.<br />

134 ”In the eighteenth-century literature on art scorn for dealers is ubiquitous. Unscrupulous dealers were blamed for<br />

damaging pictures and corrupting the taste of collectors, and even of the nation itself; »the dealers shop« became a<br />

common metaphor for the cabinet of an unenlightened collector […].” Andrew McClellan: “Watteau’s Dealer:<br />

Gersaint and the Marketing of Art in Eighteenth-Century Paris”, in: Art Bulletin. 78/1996 No. 3. (S. 439 - 453) S.<br />

443.<br />

135 Diese Szene links mit den Trägern und der Kiste, in die Kunstwerke gepackt werden, läßt zusammen mit der<br />

vollständig offenen Front an ein Gemälde aus dem späten 16. Jahrhundert als eine mögliche - bislang anscheinend<br />

noch nicht genannte - Inspirationsquelle denken (ABB. II 401). Gundlaugsson schreibt es dem Franzosen François Bunel<br />

II zu. Kat. Koninklijk Kabinet van Schilderijen Mauritshuis. Schilderijen en beeldhouwwerken, 15e en 16e eeuw.<br />

‘s Gravenhage, 1968. S. 16/7. Z. Z. Filipczak (: Picturing Art in Antwerp 1550 - 1700. Princeton, N. J., 1987. S. 129<br />

(Anm. 18, S, 228)) nennt mit Bezug auf Julius Held (mdl.?) Gillis Mostaert als Autor. Zu diesem Bild s. a. Luther und<br />

die Folgen für die Kunst. Hrsg. v. W. Hofmann. München, 1983. Kat. Nr. 25, S. 151.).<br />

Der Vergleich des Enseigne mit dieser Darstellung dürfte auch die seltsamen Deutungen des Trägers ganz links und<br />

der von ihm mitgeführten Gegenstände in Frage stellen. Vgl. R. Neuman: “Watteau’s...(siehe Anm.132). S. 162,<br />

Anm. 5; Gérard Le Coat: “Modern Enchantment an Traditional Didacticism in Watteau’s Enseigne de Gersaint and<br />

Couperin’s Folies Françaises”, in: Gazette des Beaux-Arts. T XCII/ 1978. (S. 169 - 172) S. 169.<br />

136 Andrew McClellan: “Watteau’s dealer...(siehe Anm. 134) S. 439.<br />

123


Besieht man sich nun nur die Kundschaft näher, so kann man drei Gruppen ausmachen.<br />

Ein wenig links von der Mitte betritt ein Paar die Kunsthandlung. Der Mann hat die Stufe<br />

zum Ladenlokal bereits genommen und streckt, sich umwendend, seiner Begleiterin einla-<br />

dend eine helfende Hand entgegen. Sie jedoch achtet im Moment nicht auf ihn, sondern auf<br />

das Portrait Ludwigs des XIV., das, so wird es allgemein verstanden, gerade in eine Kiste<br />

gepackt wird. 137 Dabei gilt ihre Aufmerksamkeit sicher weniger den Qualitäten dieses Stücks,<br />

als vielmehr der damit sich vollziehenden Handlung.<br />

Rechts befinden sich zwei Rückenfiguren vor einem ovalen Gemälde, zu dem der Mann<br />

dahinter, womöglich der Geschäftsinhaber, einige Erklärungen zu geben scheint. Beide Be-<br />

trachter sind in Kennerposen, die Dame stehend, der Herr kniend, nah an die Leinwand<br />

gerückt. Während sie sich recht eindeutig für die malerischen Details des Himmels inter-<br />

essiert, muß bei ihm offen bleiben, ob es die physiognomische Akkuratesse des Malers oder<br />

vielleicht doch die Nacktheit der weiblichen Gestalten ist, die ihn ‘in die Knie zwingt’.<br />

Noch ein wenig weiter rechts als diese beiden sitzen bzw. stehen in aufsteigender Reihe<br />

eine Dame und zwei Herren an der Ladentheke und lassen sich von einer Verkäuferin einen<br />

Gegenstand vorführen, der für den realen Betrachter nur von hinten zu sehen ist. Auch<br />

wenn wohl nicht auszuschließen ist, daß es sich um ein Bild handelt, wird er gemeinhin für<br />

einen Spiegel gehalten. 138 Bemerkenswert daran ist, sofern diese Identifikation zutrifft, daß<br />

kein grundlegender Unterschied zu erkennen ist zwischen der Betrachtung des Gemäldes und<br />

der des Spiegels - im heutigen Verständnis also zwischen Kunstwerk und kunsthand-<br />

werklichem Dekorationsstück. 139 Dabei bekräftigt die Ambivalenz, die bezüglich dieses Gegen-<br />

stands auf der Theke letztlich bleibt, diesen Punkt noch zusätzlich.<br />

Als das bestimmende Kriterium bei der Beurteilung auch der Malerei scheint die äußer-<br />

liche Schönheit zu gelten, nicht inhaltliche Qualitäten oder die ernsthafte Auseinanderset-<br />

zung und geistreiche Umsetzung von Gedanken, Konzepten und Ideen. Somit wäre zumin-<br />

dest mit dieser Gruppe womöglich genau das als Ideal dargestellt, was Chodowiecki und Lich-<br />

tenberg später in ihrem Bilderpaar bzw. den dazugehörigen Texten zur Kunstkenntnis als die<br />

abzulehnende, affektierte Variante der Kunstbetrachtung gezeigt haben.<br />

137 ”Some critics (H. Adhémar, Camesasca, Saint-Paulien) have interpreted the crating of the portrait as a metaphor<br />

for the demise of the old politicalorder and the Style Louis XIV, but it must be remembered that this change<br />

took place over a long period of time, and was not necessarily coincident with the death of the Roi Soleil in 1715. R.<br />

Neuman: “Watteau’s... (siehe Anm. 132.). S. 154.<br />

138 Soweit ich es überblicke, ist das die einhellige Meinung in der Literatur. Und es gibt auch einige Indizien, die<br />

für diese Annahme sprechen. Zunächst finden sich noch weitere Spiegel, wenn auch größeren Formats, im gezeigten<br />

Raum, was Neuman darüberhinaus für “[…] consistent with the realities of the art trade […]” hält. (Ibid., S. 157.)<br />

Des weiteren steht es anscheinend außer Zweifel, daß “[…] mirrors ranked with paintings at the highest level of<br />

objets de luxe, fine articles that conferred upon their owners an aura of taste an aesthetic refinement.” (Ibid.) Und<br />

schließlich weist das ebenfalls auf der Theke stehende Kästchen mit Toilettenartikeln deutlich in diese Richtung.<br />

139 Spiegel waren allerdings zu jener Zeit auch extrem kostbar.<br />

124


BOUCHARD & GRAVIER IN ROM. Als Ladenschild könnte auch der folgende Blick in eine Buch-<br />

und Graphikhandlung gedient haben, an dessen trompe-l’oeil-Rahmen ein - ebenfalls ge-<br />

maltes - Stück Stoff(?) mit der Aufschrift »BOUCHARD & GRAVIER LIBRAIRES« befestigt ist<br />

(ABB. II 410). 140 Anders als bei Watteau wirkt es hier - wo sich übrigens nur Männer finden -,<br />

als sei ein Ort dargestellt, an dem man sich vor allem zu einem ernsthaften Gedankenaus-<br />

tausch trifft. In der Mitte stehen drei Mönche und diskutieren; wie die in verschiedene Rich-<br />

tungen weisenden Finger vermuten lassen, durchaus kontrovers. Ein weiterer Bruder sitzt<br />

allein und versunken in ein Buch(?) links hinter ihnen.<br />

Besonders hervorzuheben ist die zwanglose Atmosphäre. Leger auf die Theke gestützt und<br />

sehr vertraut unterhalten sich links zwei Männer über das zuoberst liegende einer Reihe von<br />

graphischen Blättern. Obschon sie hinter dem Tresen stehen, machen sie nicht den Eindruck,<br />

als seien sie Bedienstete; auch sonst wirkt der Tresen hier nicht wie eine eindeutige Grenze<br />

zwischen Personal und Kundschaft. Bei den drei Herren rechts, die sich engagiert mit der<br />

Darstellung einer Säule befassen, 141 scheint die Etiquette zugunsten der Sache ebenfalls ein<br />

wenig in den Hintergrund gerückt. In ähnlich lockeren und selbstvergessenen Körperhal-<br />

tungen, nah beieinander, sich gar beiläufig berührend, setzen sie sich über ihren Betrachtungs-<br />

gegenstand auseinander; dabei deutet der weisende Finger des Mannes hinter der Theke auf<br />

eine Argumentation anhand vorzeigbarer Fakten.<br />

»SPECTATORS at a PRINT-SHOP in S T . PAUL’s CHURCH YARD«. Das so betitelte Tiefdruck-Blatt eines<br />

Anonymus verspricht einen Blick auf das englische oder genauer das Londoner Publikum<br />

(ABB. II 420). 142 Ähnlich wie bei dem weiter oben besprochenen Bilderpaar von Chodowiecki<br />

werden hier zwei Typen von Kunstbetrachtern einander gegenübergestellt, diesmal allerdings<br />

ohne einer der Ausprägungen den Vorzug zu geben: sie werden beide leicht karikiert.<br />

Vor dem Hintergrund der nur ausschnitthaft wiedergegebenen Wand einer Graphik-<br />

handlung, an der 4 x 7 Drucke ganz unterschiedlicher Sujets, aber einheitlichen Formats ak-<br />

kurat aufgereiht sind, finden sich zwei Paare. Ganz links steht ein zierlich gebauter und<br />

modisch gekleideter Herr. Den Rücken zur Wand schaut er mit leicht gesenktem Kopf und<br />

140 Anonym. Öl auf Leinwand, 125 x 180 cm. ca. 1774 (jedenfalls nicht vor 1755 als Zeitpunkt der ‘Fusion’ von Bouchard<br />

und Gravier). Privatsammlung. Vgl. Grand Tour...(siehe Anm. 74). Kat. Nr. 75, S. 118. Dort wird aufgrund stilistischer<br />

Merkmale vorgeschlagen, ”[…] that this painting is most likely by British artist from the circle of Reynolds.”<br />

141 Jörg Garms hält es möglicherweise für die Trajanssäule Piranesis - dessen Radierfolgen teilweise von Bouchard<br />

und Gravier verlegt wurden -, und schlägt danach auch die Datierung auf um 1774 vor. Ibid.<br />

142 Radierung oder Kupferstich. “[…] printed for and sold by Carrington Bowles […] St. Paul’s Church Yard, London<br />

[…]”. 1774. Vgl. ein fast identisches Mezzotinto-Blatt (ABB. II 421/ 32,2 x 24,7 cm/ [Slg.] David Alexander) siehe<br />

auch Palaces of Art. Art Galleries in Britain 1790 - 1990. (Ausst. Kat. Dulwich Picture Gallery, London; The<br />

National Gallery of Scotland) [London, 1991.]. Kat. Nr. G1, S. 160.<br />

125


dem Anflug eines - verschämten? - Lächelns zu der gleichermaßen eleganten und feinglie-<br />

drigen Dame zu seiner Linken. Die hat sich zu ihm umgewendet, faßt ihn am Ellbogen und<br />

deutet mit dem Fächer in ihrer Rechten auf eines der ausgestellten Blätter hinter sich. Dieser<br />

Austausch könnte durchaus von einem amourösen (Sub-)Text begleitet sein, worauf neben<br />

dem Verhalten des Paares selbst auch der Hund mit dem aufgestellten Schwanz hinweisen<br />

könnte.<br />

In klarem Gegensatz zu diesem Paar sind die zwei Männer rechts gehalten. Als schwarze<br />

Rückenfigur ist der linke der beiden dargestellt, schlicht gekleidet und kräftig gebaut. Breit-<br />

beinig steht er da und stützt den linken Arm weitab vom Körper auf einen Stock, so als gelte<br />

es, möglichst viel Raum zu beanspruchen. Seine Rechte hält er - womöglich mit einer Seh-<br />

hilfe ‘bewaffnet’ - in Augenhöhe. Sein Begleiter, der ebenso einfach bekleidet ist und sich<br />

zudem durch recht grobe Gesichtszüge und eine Knollennase auszeichnet, hat ihm die Hand<br />

auf die Schulter gelegt und versucht, ihm etwas mitzuteilen oder ihn etwas zu fragen, doch<br />

der Angesprochene scheint weiterhin ganz und gar unbeirrt nach vorne zu schauen. Wäh-<br />

rend das elegante gemischte Paar es anscheinend an Ernst und Aufmerksamkeit für die<br />

Drucke fehlen läßt, mangelt es den beiden Herren eher an Feinsinnigkeit und Esprit.<br />

KUNSTAUKTIONEN. Der schon angesprochene Pariser Kunsthändler Gersaint verlagerte das<br />

Hauptgewicht seiner Geschäfte in den 30er Jahren von Gemälden auf dekorative Luxusgüter<br />

wie Porzellan, Lackarbeiten und auch - die aus den Sammlungsdarstellungen nahezu<br />

verschwundenen - Muscheln. 143 Seine Einkaufsreisen führten ihn häufig in die nördlichen<br />

Niederlande. Von dort<br />

“[…] Gersaint also imported two marketing tools - the public auction and the sale catalogue - that he<br />

raised to new levels of sophistication. He was the first, in France at least, to realize the potential of<br />

auctions, which he organized as a kind of public spectacle and which he promoted as events both<br />

instructive and amusing.” 144<br />

Dabei nutzte er, neben Zeitungsanzeigen und Flugblättern, die Auktionskataloge “[…] as his<br />

primary mode of publicity […]”. 145 Der Anklang, den sie fanden, dürfte allerdings weniger mit<br />

den Beschreibungen der zum Verkauf stehenden Stücke zu erklären sein als mit den ebenfalls<br />

darin enthaltenen Aufsätzen, wie beispielsweise Künstlerbiographien oder Anmerkungen<br />

zum praktischen Umgang mit Sammlungsstücken. 146 Insofern mag man McClellan zustim-<br />

143 Vgl. Andrew McClellan: “Watteau’s dealer...(siehe Anm. 134) S. 444/5.<br />

144 Ibid., S. 445.<br />

145 Ibid.<br />

146 Vgl. ibid., S. 439; 446; 448.<br />

126


men, wenn er in den Katalogen auch eine Fortführung von “[…] Watteau’s task of crafting an<br />

image of the dealer […]” sieht. 147 Anders als beim »Enseigne de Gersaint« aber wird<br />

vornehmlich versucht, dieses Ziel durch die Demonstration fachlicher Kompetenz zu er-<br />

reichen und nicht durch die konkrete bildliche Darstellung einer entsprechenden Szene oder<br />

eine damit transportierte Atmosphäre.<br />

Letzteren Weg beschreitet Gersaint allerdings noch zusätzlich in den Katalogen zur Loran-<br />

gère- und zur Fonspertuis-Auktion (1744 bzw. 1747) mit den - in beiden Fällen identischen -<br />

Frontispizen (ABB. II 430) nach einer Vorlage, die anscheinend von Vater und Sohn Charles-<br />

Nicholas Cochin stammt. 148 Darin wird indessen weder eine Auktionsszene gezeigt, noch ist<br />

es möglich, eine der Personen als Händler zu identifizieren. Bedenkt man, daß Auktionen zu<br />

dieser Zeit wohl nicht selten in jenen Räumen stattfanden, in denen die zum Verkauf stehen-<br />

de Sammlung bis dahin aufbewahrt wurde, könnte man diese Darstellung als eine Vorbesich-<br />

tigung deuten. Dafür spricht insbesondere der Zusammenhang, in dem sie publiziert wurde,<br />

und weniger das, was gezeigt wird.<br />

In einem ausschnitthaft wiedergegebenen Raum stehen bzw. sitzen sechs Herren um ei-<br />

nen kleinen Tisch und begutachten einzeln oder auch im Austausch miteinander eine Reihe<br />

von graphischen Arbeiten. Vorne auf dem Boden liegen neben einem Globus unbeachtet<br />

weitere lose Blätter und einige Mappen umher. Rechts hinter der Gruppe am Tisch finden<br />

sich zwei Paare, die sich mit den Gemälden an der Wand befassen. Die Szene hat eine At-<br />

mosphäre von Privatheit - zumindest dem Anschein nach fern von jeglicher merkantilen<br />

Ausrichtung -, die alle Personen wirken läßt, als seien sie durchaus mit Muße, Interesse und<br />

Verstand bei der Betrachtung der Kunstwerke. Damit dürfte den potentiellen Käufern eine<br />

mehr als annehmbare Identifikationsmöglichkeit geboten worden sein.<br />

Anders als dieses Blatt zeigt das Titelkupfer eines Verkaufskataloges von 1765 recht<br />

deutlich eine Auktion (ABB. II 440). 149 Wie zuvor könnte die Szene in einem Privathaushalt<br />

spielen, doch die Anwesenheit von Personen wie des Schreibers links am Tisch und des etwas<br />

rechts von der Mitte bereitstehenden Trägers 150 sprechen dafür, daß an diesem Ort eine mehr<br />

147 Ibid.<br />

148 Bei Koch findet sich eine Abbildung (Bibl. Nat., Paris) auf der unter dem eigentlichen Bild links “Cochin filius<br />

[…?]” und rechts “Cochin Se” zu lesen ist. G. F. Koch: Die Kunstausstellung... (siehe Anm. 125). ABB. 77. Der Vater<br />

lebte von 1688 bis 1754, der Sohn von 1715 bis 1790.<br />

149 In von Holsts Bildunterschrift zu diesem Blatt findet sich als weitere Angabe nur noch Paris und der Name<br />

Tallard (“[…] the Tallard auction in 1765 […]”). Niels von Holst: Creators, Collectors and Connoisseurs. The Anatomy<br />

of artistic Taste from Antiquity to the Present day. London, 1967. Abb. 195. Nicht nur einige Einrichtungsdetails<br />

(z. B. Stühle u. Vorhang) erinnern an das vorangegangene Frontispiz, sondern auch der stehende Mann vorne rechts<br />

am Stuhl, der dem Herrn im vorangegangenen Blatt der Cochins etwas links von der Mitte, hinter dem Tisch ähnelt.<br />

150 Er wird durch die über seinen Kopf hinausragenden Ausläufer seines Tragegestells als solcher ausgewiesen. Vgl.<br />

das »Enseigne de Gersaint« (ABB. II 400) und das im Zusammenhang damit erwähnte, François Bunel II zugeschriebene<br />

(siehe Anm. 135) Gemälde (ABB. II 401).<br />

127


oder weniger öffentliche Versteigerung stattfindet. Besonders hervorzuheben ist, daß lediglich<br />

ein Teil der Anwesenden - noch - mit Kunstwerken beschäftigt ist, während die Aufmerk-<br />

samkeit der Übrigen offensichtlich bereits auf das Ereignis der bevorstehenden Auktion ge-<br />

richtet ist.<br />

Deutlicher noch erscheint der Vorrang der Versteigerung vor der Betrachtung in Row-<br />

landsons Radierung »A Print Sale« von 1788 (ABB. 450). Der Auktionator und etwa zwei Dut-<br />

zend potentielle Käufer und Neugierige sitzen bzw. stehen jenseits eines recht provisorisch<br />

anmutenden Tisches, der einen Bogen beschreibend die gesamte Breite des Blattes ein-<br />

nimmt. 151 Diesseits befinden sich außer einem Schreiber an einem weiteren Tisch links und<br />

rechts zwei Bedienstete, die dem ‘Publikum’ zwei Stücke vorzeigen, die wohl - vielleicht gar<br />

zusammen - als nächstes zum Aufruf kommen werden. 152 Niemand interessiert sich auch<br />

nur ansatzweise für die Gemälde im Hintergrund. Allein das Geschehen am Tisch zählt,<br />

insbesondere natürlich die gerade zur letzten Begutachtung vorbeigetragenen Stücke, wobei<br />

das links gezeigte mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht als das rechts dargebotene. Aber auch<br />

diese Bilder kann im Moment wohl keiner der Besucher mit Muße als Kunstwerke betrach-<br />

ten. Sie werden lediglich taxiert, vielleicht in der Hoffnung, noch entscheidende Hinweise auf<br />

Wert oder Unwert zu entdecken.<br />

Im Unterschied zu den vorangegangenen Frontispizen, die wohl vornehmlich als Wer-<br />

beträger fungieren und der potentiellen Kundschaft schmeicheln sollten, wirken die Personen<br />

hier nicht wie sich über die Kunst austauschende Liebhaber, sondern eher als seien sie von<br />

profaneren Interessen geleitet, also etwa einem finanziellen Vorteil oder womöglich dem<br />

Wunsch, einen Konkurrenten ‘auszustechen’. Daneben mag der eine oder andere, und das<br />

könnte auch auf einige der Figuren im Titelkupfer von 1765 (ABB. II 440) zutreffen, allein der<br />

zu erwartenden Spannung des Auktionsgeschehens wegen gekommen sein. 153 Zu dem<br />

beschriebenen Eindruck der ‘Profanisierung’ trägt natürlich auch die Überzeichnung der ver-<br />

schiedenen Typen - nicht der Versteigerung als solcher - bei.<br />

STRASSENHÄNDLER. Unter den weiter oben zusammenfassend als Straßen- und Marktszenen<br />

des 17. Jahrhunderts erwähnten Beispielen war bereits eine Kirmesdarstellung von oder in<br />

151 Die Beschneidung durch die Bildränder und vor allem die Verteilung der sichtbaren Stützen läßt vermuten, daß<br />

er noch um einiges länger zu denken ist.<br />

152 Es verwundert ein wenig, daß der Auktionator den Hammer gehoben hat. Daß gleichzeitig zwei Stücke versteigert<br />

werden, ist wohl kaum anzunehmen; überhaupt sieht die Szene nicht nach einem Bietgefecht aus. Auch ist<br />

es eher unwahrscheinlich, daß diese beiden ganz unterschiedlichen Bilder ein lot bilden. Am plausibelsten erscheint<br />

mir die Erklärung, daß der Auktionator die Versteigerung des nächsten Stückes einleiten will.<br />

153 In einer Radierung nach Gabriel de Saint-Aubin (ABB. II 451) ist das vielleicht sogar beim Gros der Besucher<br />

der Fall.<br />

128


der Art des David Vinckboons (ABB. II 360 u. II 360a), in der sich auch Straßenhändler und<br />

insbesondere ein Marktstand mit Gemälden finden. Daran aber läßt sich kaum mehr als die<br />

Existenz einer solchen Ausprägung des Kunsthandels festmachen, da die am Angebot dieses<br />

Standes Interessierten, die nur in Rückenansicht wiedergegeben sind, in dem bunten Treiben<br />

und durch ihre geringe Größe unterzugehen drohen. 154<br />

Weitergehende Einsichten bietet die Radierung »Le Marchand de Village« (ABB. II 460)<br />

von Antoine Louis Romanet (1742 - nach 1810) nach einer Vorlage von J. C. Seekatz (1719 - 1768),<br />

die einen mit Drucken umherziehender Straßenhändler und seine Kundschaft zum Haupt-<br />

gegenstand macht. 155 Besonders bemerkenswert ist, daß hier zu einem der ersten Male Per-<br />

sonen niederen Standes, die zudem in einer ländlichen Gegend leben, als potentielle Käufer<br />

von Kunstwerken gezeigt werden. Darüberhinaus besehen sich Vater, Mutter und Kind die<br />

Drucke gemeinsam: der Mann ist es, der eines der Blätter hält, doch durch seinem Arm auf<br />

der Schulter der Frau wird sie einbezogen, und die Aufmerksamkeit des Kindes wird durch<br />

dessen Zeigegeste vorgeführt. Anders als die Magd in Metsus »Briefleserin« (ABB. I 550) 156 ,<br />

die eher zufällig vor einem Gemälde ihrer Herrschaft zu stehen kommt und es sich womög-<br />

lich nur aus Langeweile ansieht oder um die Neugier auf die Reaktion, die der Brief auslöst,<br />

zu verbergen, werden die einfachen Leute hier als Kunden des Bilderhändlers - aus eigenem<br />

Recht - dargestellt. Indessen steht zu bezweifeln, daß sie ihre Wahl nach ästhetisch-ken-<br />

nerschaftlichen Kriterien treffen werden. Man ist eher geneigt, ihnen eine inhaltlich moti-<br />

vierte Entscheidung zu unterstellen.<br />

Folgte man der Einschätzung Robert Isherwoods, 157 so ließe sich mit einem Stich von<br />

Charles-Nicholas Cochins d. J. (1715 - 1790) noch ein weiteres Beispiel anführen, in dem Perso-<br />

nen niederen Standes, diesmal aber offensichtlich Städter, als Kunden eines Bilderhändlers<br />

gezeigt werden. Doch bei Isherwoods »Engravings Seller« (ABB. II 470) 158 dürfte es sich eher<br />

um einen Prediger oder ähnliches handeln. So steht er erhöht auf einer von seinen Zuhörern<br />

154 Ein vergleichbares Beispiel aus dem 18. Jahrhundert ist eine Ansicht der Warschauer Miodowo-Straße von<br />

Bernardo Bellotto (nach 1775, Norodowe-Museum, Warschau./ ABB. II 461). Durch die Darstellung im Hintergrund<br />

entsteht in beiden Fällen eine gewisse Beiläufigkeit, die für die Normalität solcher Szenen zur wiedergegebenen<br />

Zeit spricht.<br />

155 Das scheint eher selten der Fall. Außer dem Titelblatt zu einer Stichfolge von Jacques Callot von um 1617 (ABB.<br />

II 462) und einem noch zu behandelnden Gemälde von J. P. Antigna aus dem 19. Jahrhundert (ABB. III 420) fanden<br />

sich bei der Recherche nur einige Beispiele, in denen umherziehende Bilderhändler ohne Kundschaft gezeigt werden:<br />

etwa eine Radierung von Simon Guillain von 1646 nach einer verlorenen Vorlage Annibale Carraccis aus den<br />

80er oder 90er Jahren des vorangegangenen Jahrhunderts (ABB. II 463) oder »Der Bilderhändler« von Ambrosius Gabler<br />

aus der Radierfolge »Ausruffende Personen in Nürnberg mit Prospecten der Stadt […]« (Nürnberg, 1789), wobei<br />

der Titel eher die Ansichten der Stadt in den Vordergrund zu rücken scheint (ABB. II 464).<br />

156 Vgl. Kapitel I, iv.<br />

157 Robert M. Isherwood: Farce and Fantasy. Popular Entertainment in Eighteenth-Century Paris. New York; Oxford,<br />

1986. S. 168, Abb. 16.<br />

158 Bibliotheque de l’Arsenal, ?, Estampes 202, No. 11.<br />

129


verdeckten Bühne und weist mit einem Zeigestock auf eines von mehreren Blättern einer<br />

Kreuzigungsfolge. Die Aufmerksamkeit des Publikums gilt vornehmlich der Person auf der<br />

Bühne und seiner Erzählung, die illustrierenden Graphiken interessieren sie nur am<br />

Rande. 159 Zum Vergleich kann man etwa auf die Darstellung eines Bänkelsängers von Chodowiecki<br />

verweisen (ABB. II 480). 160<br />

- iii -<br />

AUSSTELLUNGEN<br />

Erste Formen autonomer Ausstellungen lokalisiert Georg Friedrich Koch in Italien. 161 In<br />

diesem Zusammenhang führt er drei Ausprägungen an: 1. “Die Atelierausstellung und die<br />

Vorführung einzelner Werke in der Öffentlichkeit”, 162 letzteres etwa bevor sie “[…] den Weg<br />

nach außerhalb zu einem fremden Auftraggeber antreten […] “ sollten; 163 2. jene Ausstel-<br />

lungen, die - teils von langer Hand geplant und regelmäßig, teils aber auch eher spontan - an<br />

besonderen, meist kirchlichen Festtagen auf Straßen und Plätzen stattfanden 164 und bei denen<br />

neben den von den Künstlern geschaffenen Dekorationen auch Werke verschiedenster Gen-<br />

res aus deren Atelierproduktion und sogar aus den Privatsammlungen von Bürgern zu sehen<br />

waren - darunter auch Stücke von längst verstorbenen Meistern; 165 und 3. die Ausstellungen<br />

der Akademien in Rom und Florenz, die seit dem späten 16. Jahrhundert, wenn auch<br />

anscheinend nicht regelmäßig und mit weniger Anklang als die meisten Festtagsveranstal-<br />

159 Daß sie kaum auf die Darstellungen schauen, hängt womöglich damit zusammen, daß ihnen das Sujet hinlänglich<br />

bekannt sind.<br />

160 »Verbesserung der Sitten« von 1786. Vgl. auch “Bänkelgesang und Moritat” (Ausst. Kat. Staatsgalerie Stuttgart).<br />

Stuttgart, 1975. Kat. Nr. 43.<br />

161 Georg Friedrich Koch: Die Kunstausstellung... (siehe Anm. 125). S. 87.<br />

162 Ibid., S. 96. Das früheste Beispiel, das er nennt, ist Leonardo, der “[…] 1501 den Karton der «Anna Selbdritt» in<br />

einem nicht näher bezeichneten Raume […]” ausstellte (S. 97). Als Vorstufen zu diesem Phänomen beschreibt er den<br />

Künstlerwettbewerb (S. 91ff) und den Künstlerwettstreit (S. 93ff). Zumindest für das 17. Jahrhundert räumt er ein,<br />

daß das Atelier auch außerhalb Italiens “[…] Treffpunkt und Diskussionsort für Kenner, Sammler und Künstler […]”<br />

gewesen sei, er fügt jedoch hinzu: “Die besondere Öffentlichkeitsfunktion, die dieser Ort […] durch die beabsichtigte<br />

Schaustellung bestimmter Werke erhält, findet sich offenbar ausschließlich in Italien.” Ibid., S. 99.<br />

163 Ibid., S. 97.<br />

164 Entscheidend begünstigt wurde eine derartige Entwicklung in Italien sicher durch gute Wetterverhältnisse, mit<br />

denen man nördlich der Alpen nur bedingt rechnen konnte.<br />

165 Ibid., S. 100 - 116. Koch nennt einzelne Beispiele aus dem späten 15. und aus dem 16. Jahrhundert, doch erst im folgenden<br />

Centennium “[…] häufen sich die Nachrichten über Ausstellungen von Gemälden und Skulpturen anläßlich<br />

besonderer Festtage.” Ibid., S. 103. Die frühesten bildlichen Darstellungen, die Koch zeigt, stammen jedoch erst aus<br />

dem 18. Jahrhundert. Ibid., S. XLVIf. Interessant an derartigen Präsentationen ist vor allem, daß sie wohl tatsächlich<br />

jeder, egal welchen Standes, besichtigen konnte. Während sich in Canalettos Gemälde von 1735 vor allem<br />

Personen gehobeneren Standes finden (ABB. II 510), nimmt in einem Stich Michele Marieschis (1710 - 1744), der<br />

ebenfalls die Ausstellung vor der Scuola di S. Rocco zeigt, die Darstellung auch des einfachsten Volkes einen breiteren<br />

Raum ein; so schildert er etwa zwei auf dem Boden sitzende Krüppel(?) und eine Person, die einen Korb auf<br />

ihrem Kopf trägt (ABB. II 520).<br />

130


tungen, abgehalten wurden. 166<br />

Die führende Rolle in der weiteren Entwicklung des Ausstellungswesens ist Frankreich<br />

oder genauer Paris zuzurechnen. 1648 wurde dort die »Académie Royale de Peinture et Sculp-<br />

ture« gegründet, die sich, abgesehen von dem Umstand, daß es sich um eine offiziell dem<br />

König unterstellte Institution handelte, deutlich an den italienischen Vorbildern orien-<br />

tierte. 167 Die Idee einer repräsentativen Ausstellung von Werken der Akademiemitglieder<br />

allerdings wurde erst 15 Jahre später in die Satzung aufgenommen und auch das führte erst<br />

mit einiger Verzögerung zu entsprechenden Veranstaltungen, die dann bis 1673 alle zwei Jah-<br />

re stattfanden. 168 Das Gros der Mitglieder beteiligte sich jedoch nur widerwillig daran. Vor<br />

allem das dürfte der Grund dafür gewesen sein, daß außer zwei sehr erfolgreichen Versuchen<br />

1699 und 1704 und einem ernüchternden Folgeereignis 1706 bis weit ins 18. Jahrhundert keine<br />

Akademieausstellungen mehr in Paris ausgerichtet wurden. 169<br />

Nach einigen “[…] Wiederbelebungsversuche[n] des Artikels 25 der Statuten von 1663<br />

[…]” 170 seit den 20er Jahren wird erstmals 1737 und von da an regelmäßig 171 der Salon - wie<br />

diese Veranstaltung nach ihrem Ausrichtungsort, dem Salon Carré, bald kurz heißt - abge-<br />

halten; diese Entwicklung wird nicht zuletzt durch die wachsende Beliebtheit der Festtagsaus-<br />

stellungen auf der Place Dauphine, an denen auch Mitglieder der Akademie teilnahmen,<br />

befördert worden sein. 172 Koch spricht von “[…] einem bunten, vergnügungsreichen [gesellschaftlichen]<br />

Leben, das nun durch die Salons der Akademie wieder um ein sensationelles<br />

Ereignis bereichert wird.” 173 Der Erfolg, der von nun an zu verzeichnen war, dürfte insbe-<br />

166 Ibid., S. 116 - 121. Koch verweist auf die Statuti sanzionati del Fedeli vom 23. 8. 1607, in denen unter anderem<br />

festgelegt wird, daß die Akademie am Lukastag für jedermann zugänglich ist. Ibid., S. 118.<br />

167 Koch verweist (mit Bezug auf Nikolaus Pevsner: Academies of Art. Past and Present. Cambridge, 1940. S. 86.)<br />

auf die Einleitung der neuen Statuten von 1655, in der man sich auch explizit auf die römische Lukasakademie bezieht.<br />

G. F. Koch: Die Kunstausstellung... (siehe Anm. 125). S. 124.<br />

168 Nach Koch ist es nicht ganz sicher, ob 1675 noch eine Ausstellung abgehalten wurde. Ibid., S. 128. Crow schließt<br />

das explizit aus. Th. E. Crow: Painters and Public Life in Eighteenth-Century Paris. New Haven; London, 1985. S.<br />

35.<br />

169 G. F. Koch: Die Kunstausstellung... (siehe Anm. 125). S. 128/9 und S. 137. Koch erwähnt eine Veranstaltung im<br />

Jahre 1681, deren kümmerliche Bestückung mit Ausstellungsstükken Colbert dazu veranlaßt haben soll, sie sogleich<br />

wieder abbauen zu lassen. Ibid., S. 128.<br />

170 Ibid., S. 137. Vgl. auch S. 138f.<br />

171 ”[…] bis auf zwei Ausfälle 1744 und 1749 […]” Ibid., S. 140. Zunächst findet sie jährlich statt, dann von 1751 an<br />

nur noch alle zwei Jahre. Koch sieht das, ebenso wie die Einsetzung einer Jury 1748, als eine Folge der wachsenden<br />

Unmutsäußerungen des Publikums und der Kritik über das sinkende Niveau der Veranstaltungen. Ibid., S. 140f u. 173.<br />

172 Dazu vgl. ibid., S. 170f. “Ein Verbot der Teilnahme für die Akademiker wurde erst mit der Wiederaufnahme der<br />

Akademieausstellungen 1737 wirksam. Die Dauphine-Ausstellungen werden eingeschränkt, um dann seit 1759 neben<br />

den Veranstaltungen der Akademie und der Zunft als «Exposition de la Jeunesse», als eine juryfreie Sezession der<br />

jungen Künstlerschaft, wieder aufzuleben […].” Ibid. Zu den Ausstellungen an Corpus Christi auf der Place Dauphine<br />

vgl. außerdem Th. E. Crow: Painters and Public Life ... (siehe Anm. 168). S. 82 - 88.<br />

Eine Zeichnung von Gaspard Duché de Vancy von 1783 vermittelt einen vagen Eindruck von einer dieser späteren Veranstaltungen<br />

- die eigentliche Ausstellung ist im verschatteten Hintergrund nur angedeutet, im Vordergrund sieht<br />

man zwei elegante Damen, deren Aufmerksamkeit der Auseinandersetzung zweier Hunde gilt (ABB. II 491).<br />

173 Ibid., S. 140.<br />

131


sondere auf die Zulassung einer breiten Öffentlichkeit - bei freiem Eintritt - 174 und die<br />

entstehende Kunstkritik zurückzuführen sein. 175 Diese beiden verstärkten gegenseitig ihren<br />

Einfluß und bildeten gewissermaßen eine Allianz, der sich die Akademie völlig unvermutet<br />

gegenübersah und die keineswegs bereit war, die Werke der Mitglieder dieser bislang weitgehend<br />

unangefochtenen Instanz in Sachen Kunst ohne weiteres anzuerkennen. 176<br />

Angespornt durch das Pariser Vorbild verbreitete sich das Akademie- und das damit ver-<br />

bundene Ausstellungswesen, wenn auch mit einigen Akzentverschiebungen, in Europa; ein<br />

vergleichbarer übernationaler Erfolg aber war meist nicht zu verzeichnen. 177 Bildliche Darstel-<br />

lungen derartiger Veranstaltungen bleiben indessen weitgehend auf Frankreich und England,<br />

genauer auf Paris und London, beschränkt. 178<br />

DER ‘SALON’ VON 1699. Die Pariser Akademieausstellung von 1699, die erstmals im Louvre -<br />

zunächst in der Grande Galerie - abgehalten wurde, war wie bereits erwähnt ein besonders<br />

herausragendes Ereignis, “[…] in fact”, so schreibt Crow, “[it] so eclipsed its predecessors that,<br />

throughout the eighteenth century, it would be remembered as the very first of its kind.” 179<br />

Immerhin drei Darstellungen dieses ‘Salons’ sind bekannt. Dabei handelt es sich allerdings<br />

nicht um repräsentative Gemälde, die etwa im Auftrag der Akademie entstanden wären, son-<br />

dern um Stiche, die in verschiedenen Almanachen zum Jahr 1699 publiziert wurden und mit<br />

denen in erster Linie wohl das vielbeachtete gesellschaftliche Ereignis eben als ein solches<br />

174 Es ist unklar, wie sich das Publikum der Salons zusammensetzte. Immerhin wurde niemand durch ein Eintrittsgeld<br />

am Besuch gehindert. In den Darstellungen sind keine Personen der unteren Klassen auszumachen. Und im Bezug<br />

auf die zeitgenössische Literatur schreibt Crow: “For the most part, the concrete character of the crowd is never<br />

attended to at all.” Th. E. Crow: Painters and Public Life ... (siehe Anm. 168). S. 19. Er zitiert allerdings einige Texte<br />

aus den 70er und 80er Jahren, aus denen ersichtlich wird, daß sich spätestens seit jener Zeit auch einfachstes Volk<br />

an den Salonspektakeln erfreute. Ibid., S. 18 - 21. Darauf wird noch näher einzugehen sein.<br />

175 Zur Entstehung der Kunstkritik vgl. etwa: Albert Dresdner: Die Kunstkritik. Ihre Geschichte und Theorie.<br />

Erster Teil: Die Entstehung der Kunstkritik im Zusammenhang der Gesschichte des europäischen Kunstlebens. München,<br />

1915; Richard Wrigley: The Origins of French Art Criticism. From the Ancien Régime to the Restoration.<br />

Oxford, 1993; The Triumph of Art for the Public. The emerging Role of Exhibitions and Critics. Selected and edited<br />

by Elizabeth Gilmore Holt. New York, 1979.<br />

176 Vgl. Anm. 171.<br />

177 Zur ”[…] Ausbreitung des Akademischen Ausstellungswesens während des 18. Jahrhunderts in Europa” vgl. G. F.<br />

Koch: Die Kunstausstellung ... (siehe Anm. 125). S. 184 - 250.<br />

178 Koch schreibt dazu: “Neben den Pariser Bildberichten gehören die Londoner Ausstellungsbilder zu den wenigen<br />

ihrer Art, die das akademische Ausstellungsleben bildlich festgehalten haben.” Ibid., S. 212. Außer einem Gemälde<br />

und zwei Stichen, die Festtagsausstellungen vor der Scuola di San Rocco in Venedig zeigen und auf die noch<br />

einzugehen sein wird (ABB. II 510 - II 530.), führt Koch lediglich noch zwei deutsche Beispiele an. Es sind Ansichten<br />

von Ausstellungen der Augsburger Stadtakademie, die laut Koch durch den bescheidenen Rahmen, in dem sie<br />

stattfinden, “[…] die Zersplitterung der künstlerischen Kräfte und Institutionen [in Deutschland] zu lokal begrenzter<br />

Repräsentation und Wirksamkeit […]” deutlich machen. Ibid., S. 244. Das gilt insbesondere für die anonyme Federzeichnung<br />

(ABB. II 492), denn Th. Webers Stich von 1819, der die 1. Ausstellung von 1780 darstellt, (ABB. II 493)<br />

wirkt im Vergleich dazu wie eine geschönte Rückprojektion.<br />

179 T. E. Crow: Painters and Public Life ... (siehe Anm. 168). S. 37.<br />

132


festgehalten werden sollte.<br />

Auf zwei dieser drei Stiche soll hier näher eingegangen werden: der eine (ABB. II 490) 180 ist<br />

anonym, der andere (ABB. II 500) 181 stammt von A. Hadamarts. 182 Sie teilen eine Reihe von<br />

Gemeinsamkeiten. Beide zeigen, gefaßt von einer illusionistischen Ornamentalrahmung,<br />

einen sich weit in die Tiefe erstreckenden Blick in die Grande Galerie. 183 Die Bilder-im-Bild<br />

sind lediglich skizzenhaft wiedergegeben, wobei allerdings einige Kompositionen noch grob<br />

zu erkennen sind. Das sehr kleinfigurige und zahlreich vorhandene Personal ist gleichmäßig<br />

im Raum verteilt und in überschaubaren Gruppen von bis zu fünf Personen arrangiert. 184 Es<br />

besteht hauptsächlich aus Männern, doch, zumindest im Vordergrund, sind auch einige<br />

Frauen und sogar Kinder auszumachen - bei Hadamart fallen außerdem zwei Mönche etwas<br />

links von der Mitte auf. Die Gesichter sind meist nur vage angedeutet. Der Abstand zu den<br />

Gemälden ist teilweise beträchtlich, dennoch besteht kaum Zweifel daran, daß man vorrangig<br />

aus Interesse an ihnen gekommen ist, zu deutlich sind die ausladenden - bisweilen durch<br />

Fächer und Stöcke noch verstärkten - Zeigegesten auf die Werke an den Wänden. Außerdem<br />

wird in beiden Stichen vorne rechts ein Stück aus nächster Nähe in Augenschein genommen.<br />

Jeweils vorne links findet sich eine Szene, mit der der eher nüchternen ereignishaften<br />

Schilderung ein anekdotisch oder genrehaft anmutendes Moment hinzugefügt wird. Bei<br />

Hadamart sind es drei Bedienstete, die - noch? - mit der Hängung von Gemälden beschäftigt<br />

sind und durch die die übrigen Anwesenden womöglich als - privilegierte - Besucher einer<br />

Vorbesichtigung ausgewiesen werden. In dem anonymen Stich ist an dieser Stelle ein Mann<br />

zu Boden gestürzt. Er hat sich umgewendet und blickt ebenso wie die beiden Personen unmit-<br />

telbar hinter und neben ihm zu einem in Rükkenansicht gegebenen Mann, der, so ist man ge-<br />

neigt zu vermuten, sich bemüht, dem Andrang eines jenseits der Bildfläche zu denkenden<br />

Besucherstroms Einhalt zu gebieten. Es fällt auf, daß die bereits in der Grande Galerie befindli-<br />

180 »Exposition des Tableaux de Peintres de l’Academie dans la grande Galerie du Louvre depuis le 2. jusquau 22.<br />

Septembre 1699.« Der Almanach wurde von Langlois herausgegeben. Vgl. G. F. Koch: Die Kunstausstellung ... (siehe<br />

Anm. 125). S. 132, Anm. 313.<br />

181 »Exposition des Ouvrages de peinture et de sculpture par M. RS de l’Academie dans la Galerie du Louvre« . Der<br />

Almanch wurde von Langlois und Trouvain publiziert. Vgl. ibid.<br />

182 Die dritte Darstellung erwähnt Koch lediglich. Sie ist ihm bis auf eine Nennung bei Guiffrey unbekannt geblieben<br />

(J. Guiffrey: Collection des Livrets des anciennes expositions depuis 1673 jusqu’en 1800. 5 Bde. Paris, 1869 - 72. Bd.<br />

1. [Nr.] 2 , S. 5 - 6.). Der Titel setzt einen leicht anderen Akzent: »La grande gallerie du Louvre ornée de tableaux des<br />

plus fameux paintre (sic!) modernes pour la feste ST.-Louis par l’ordre de M. Mansart surintendant des bâtiments du<br />

Roi, de 2e jusqu’au 22 septembre 1699.«. Der Almanach wurde von G. u. F. Laudry herausgegeben. Vgl. G. F. Koch: Die<br />

Kunstausstellung ... (siehe Anm. 125). S. 131f, Anm. 312f.<br />

183 Deutlich verschieden sind indessen die Fensternischen dargestellt.<br />

184 Koch spricht von der “[…] überdimensionierten Räumlichkeit […]” der Ausstellung, die “[…] klein und emsig […]”<br />

vom Personal belebt wird. G. F. Koch: “Das Ausstellungsbild in der französischen Malerei und Graphik des 17. und<br />

18. Jahrhunderts”, in: Sitzungsberichte der kunstgeschichtlichen Gesellschaft zu Berlin. Nr. 4, 1955-56. S. 17 - 21. In<br />

Anbetracht dieses Aufsatztitels scheint es geboten, darauf hinzuweisen, daß die beiden hier abgebildeten<br />

Almanach-Illustrationen der Ausstellung von 1699 Kochs einzige Beispiele aus dem 17. Jahrhundert sind.<br />

133


chen Betrachter keine Notiz von diesem sicher nicht lautlosen Geschehen zu nehmen<br />

scheinen. Das spricht dafür, daß es sich nicht unbedingt um ein tatsächlich beobachtetes -<br />

wenn auch denkbares - Ereignis handelt, sondern eher um eine Szene, die gewissermaßen<br />

allein auf den realen Betrachter ausgerichtet ist, sei es als ein eher versteckter Hinweis auf das<br />

große Besucherinteresse oder sei es als bloße Auflockerung der Darstellung.<br />

FESTTAGSAUSSTELLUNGEN VOR DER SCUOLA DI SAN ROCCO IN VENEDIG. 185 Während das Haupt-<br />

augenmerk der vorangegangenen französischen Almanach -Illustrationen einer sozusagen<br />

zusammenfassenden Schilderung des ‘Salons’ von 1699 über seine gesamte Dauer hinweg gilt,<br />

konzentriert sich Canalettos Gemälde einer Festtagsausstellung vor der Scuola di San Rocco<br />

auf eine besondere Begebenheit anläßlich eben dieser Veranstaltung: den - prestigeträchtigen<br />

- Besuch des Dogen und seines Gefolges (ABB. II 510). 186 Im wiedergegebenen Moment gilt fast<br />

die gesamte Aufmerksamkeit dem hohen Besuch, lediglich einzelne Personen aus der<br />

Menschenmasse scheinen sich für die Gemälde im Hintergrund zu interessieren.<br />

Zu den wenigen italienischen Ausstellungsbildern gehören außerdem ein Stich von Mi-<br />

chele Marieschi (1656 - 1743) (ABB. II 520) und ein weiterer von Luca Carlevari(j)s (1663 - 1730)<br />

(ABB. II 530). 187 Sie zeigen ebenfalls Festtagsausstellungen vor der Scuola di San Rocco, aller-<br />

dings zu einem anderen Zeitpunkt wie ein Vergleich der jeweiligen Kirchenfassade, rechts<br />

bzw. in der Mitte hinten, mit der bei Canaletto nahelegt. Ähnlich wie in den Darstellungen<br />

des ‘Salons’ von 1699 zeigen zahlreiche Personen auf diesen beiden Blättern mit deutlichen<br />

Gesten auf die bzw. das ausgestellte Gemälde und bekunden so ihr Interesse daran. Allerdings<br />

sprechen die Bildunterschriften hier dafür, daß das Augenmerk dieser Stiche vorrangig auf<br />

die Architektur gerichtet ist, bei Carlevaris lautet sie: “Scuola di S. Rocco [dann kleiner darunter]<br />

Architettura di Sebastiano Serlio”, und bei Marieschi heißt es: “Edis Diui Rocchi facies rudis<br />

adhuc ex cocto latere, nec sectis marmoribus obducta: ad lævam[?] magnum sodalitium, eidem<br />

Sancto dicatum, et studio Sebastiano Serly constructum”. In diese Richtung weisen auch die<br />

gewählten Bildausschnitte und die damit verbundene geringe Größe des Personals, selbst im<br />

Vordergrund. Somit läßt der Umstand, daß in beiden Fällen der Tag der Festtagsausstellung<br />

gewählt wurde, in erster Linie darauf schließen, wie eng der Platz im zeitgenössichen<br />

Verständnis mit diesem alljährlichen Ereignis assoziiert war, allenfalls in zweiter Linie deutet<br />

er auf ein besonderes Interesse an der Ausstellung als solcher.<br />

185 Zu diesen Ausstellungen vgl. Francis Haskell und Michael Levey: “Art Exhibitions in 18th Century Venice”, in:<br />

Arte Veneta. ?/1958. (S. 179 - 185) S. 181 - 184.<br />

186 um 1735. National Gallery, London.<br />

187 Beide Museo Correr, Venedig.<br />

134


DIE SALONANSICHTEN DES GABRIEL DE SAINT-AUBIN. Nach dem Wiederaufleben der Pariser<br />

Akademieausstellung in den späten 30er Jahren dauerte es noch geraume Zeit bis diese<br />

Veranstaltungen auch als Gegenstand von Kunstwerken erneut Interesse fanden. Es ist ver-<br />

lockend anzunehmen - wenn auch letztlich wohl nicht zu belegen -, daß das Aufgreifen dieses<br />

Themas in einem Zusammenhang mit der Publikation 188 von La Font de Saint-Yennes »Refle-<br />

xions sur quelques causes de l’état présent de la peinture en France« 1747 und der sich in<br />

deren Folge entwickelnden Kunstkritik steht. 189 Zu denken wäre dabei zunächst schlicht an<br />

das Aufgreifen eines auch durch die Kritik und die Reaktionen darauf - ungeahnt - ‘populari-<br />

sierten’ Sujets, doch eine gezeichnete oder gemalte Erwiderung, die, gewissermaßen im Ge-<br />

genzug, das Ausstellungspublikum kritisch ins Visier nimmt, käme wohl ebenfalls in Fra-<br />

ge. 190<br />

Eine der wohl frühesten bekannten Darstellungen eines Salons nach 1737 ist eine lavierte<br />

Federzeichnung von Gabriel de Saint-Aubin (1724 - 1780) aus dem Jahr 1753 (ABB. II 540). 191<br />

Ähnlich wie die bereits besprochenen Beispiele von 1699 liefert dieses Blatt eine Schilderung<br />

des Salons als Gesamtereignis. Man erhält einen Eindruck von den Räumlichkeiten, der - mit<br />

dem ‘neuen’ Raum gewandelten - Präsentation der Kunstwerke 192 und dem herrschenden Pub-<br />

likumsandrang. Stärker aber als die Autoren jener Almanach-Illustrationen scheint Saint-<br />

Aubin an der Verschiedenheit der Besucher interessiert.<br />

Etwa die untere Hälfte des Blattes und damit der Vordergrund wird von dem in den Aus-<br />

stellungsraum mündenden Treppenaufgang eingenommen, der allein von Personal belebt<br />

wird; Gemälde finden sich nur an der Wand links, und selbst dort beginnt die Hängung erst<br />

oberhalb der Köpfe der Figuren. Hier wird jedoch bei aller Skizzenhaftigkeit keine lediglich als<br />

Staffage dienende homogene Menge dargestellt, sondern durchaus eine Ansammlung<br />

unterschiedlicher Typen: ungefähr in der Mitte beispielsweise, direkt am Geländer sind ein<br />

Herr mit einer Dame dicht hinter ihm und zwei junge Mädchen mit ihrer Begleiterin zielstre-<br />

188 Es handelte sich nicht um eine offizielle Publikation bei einem Verlag o. ä. La Font ließ die ca. 160 Seiten anonym<br />

drucken und “[…] ensure[d] its [the brochure’s] circulation by distributing it personally to his circle of friends.”<br />

(Bernadette Fort: “Voice of the Public: The Carnivalization of Salon Art in Prerevolutionary Pamphlets”, in:<br />

Eighteenth-Century Studies. Vol. 22, No 3, 1989. (S. 368 - 394) S. 369/70.) Dennoch löste diese gemeinhin als erste<br />

Salonkritik bezeichnete Schrift, die im Verhältnis zu ihren ‘Nachfolgern’ ausgesprochen moderat gehalten ist, beträchtliche<br />

Reaktionen aus.<br />

189 In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, daß der Salon nur bis 1751 jährlich, dann alle zwei Jahre,<br />

stattfand und daß 1749 keine Ausstellung stattfand, “[…] as an open protest against the new critical climate […]”<br />

(Th. E. Crow: Painters and Public Life ...(siehe Anm. 168). S. 8.). Somit lagen nur vier Veranstaltungen zwischen den<br />

»Reflexios...« und Saint-Aubins frühester Zeichnung von 1753 (de Saint-Yennes Text erschien vor dem Salon von<br />

1747 und hatte den des Vorjahres zum Gegenstand (vgl. ibid., S. 7)).<br />

190 Die früheren Darstellungen, die sich auf die Person La Font de Saint-Yennes selbst bezogen (ABB. II 542 u. II 543/<br />

wahrscheinlich von 1747 und kurz danach), waren zu dieser Zeit wohl schon nicht mehr allzu präsent.<br />

191 Slg. Veil-Picart, Paris. Vgl. auch eine Radierung nach dieser Zeichnung (ABB. II 541).<br />

192 Die Bildkompositionen sind indessen nicht zu erkennen.<br />

135


ig auf dem Weg nach oben in den Ausstellungsraum; ganz links und ganz rechts hingegen<br />

hat sich ein Paar bzw. eine Gruppe von drei Personen ein Stück abseits vom Strom der Auf-<br />

und Absteigenden aufgestellt, um, darauf deuten Haltung und Blickrichtung, die übrigen Be-<br />

sucher zu beobachten; ein besonders lohnendes Objekt dürfte dabei der ungewöhnlich auf-<br />

recht gehende Herr auf der Treppe links abgeben, dessen Aufmerksamkeit so vollständig von<br />

etwas oder jemandem oben im Saal eingenommen scheint, daß er - mit geradezu theatrali-<br />

scher Geste, den Kopf zurückgeworfen und seine Rechte ausgestreckt - denjenigen, die ihm<br />

gerade entgegenkommen, den Weg abschneidet.<br />

Es fällt auf, daß sich keine der Personen im bildbestimmenden Vordergrund unmittelbar<br />

mit einem Kunstwerk beschäftigt. Der Einwand, daß das allein eine Folge der herrschenden<br />

äußeren Umständen im Treppenaufgang sei - durch dessen Dunkel man gewissermaßen erst<br />

an das Licht der (wahren) Kunst gelangte - 193 greift nicht. Abgesehen davon, daß Saint-Aubin<br />

diese Ansicht und die Gewichtung von Aufgang und eigentlicher Ausstellung wohl selbst<br />

gewählt hat, setzt sich ein derartiges Verhalten auch oben im Saal rechts fort. Ein einzelner<br />

Herr schaut aus dem Fenster, andere Personen lehnen am Geländer und interessieren sich für<br />

die Mitbesucher. Lediglich in der schemenhaften Hintergrundmenge scheint die Aufmerk-<br />

samkeit einzelner auch Kunstwerken zu gelten.<br />

In diesem Zusammenhang bietet es sich an, zwei anonyme Darstellungen anzuführen, die<br />

den Salon ebenfalls über den Treppenaufgang ‘erschließen’, jedoch einen ganz anderen Ein-<br />

druck vermitteln. Die erste davon erschien 1753 in einer Publikation von Jacques Lacombe<br />

(ABB. II 550). 194 Das hochformatige Blatt zeigt ausschließlich einen Teil der Treppe, der Blick<br />

in den Saal fehlt. Vor der ‘Folie’ einiger kommender, gehender und auch Gemälde betrach-<br />

tender Personen redet ein eher kleiner Herr so energisch auf einen stattlichen jungen Mann<br />

ein, daß dieser, im Bestreben sich zu entziehen, bereits mit dem Rücken zur Wand steht und<br />

nun nur noch seinen Arm hat, um sich der fuchtelnden Rechten des erregten Alten zu er-<br />

wehren. Bemerkenswerterweise steht, obschon diese beiden im Moment keine Kunstwerke<br />

betrachten, kaum in Frage, daß ihr ‘Gespräch’ sich um ebensolche dreht. 195 Um das zu zeigen,<br />

193 Wie schlecht der Treppenaufgang angesehen war, zeigt eine Salonkritik, von der Wrigley berichtet (»Réponse<br />

à une lettre adressée à un partisan du bon goût, sur l’exposition des tableaux faite dans le grand Salon du Louvre le 28<br />

août 1755« ). Darin schlägt der Autor vor, “[…] that, in order to alleviate what was considered to be an excessive proportion<br />

of portraits, these inherently inferior exhibits be hung at the bottom of the staircase […]”. Richard Wrigley:<br />

The Origins of French Art Criticism... (siehe Anm. 175). S. 60.<br />

194 Crow bezeichnet sie in seiner Bildüberschrift als “Charles-Nicolas Cochin(?), A Critic at the Salon of 1753.<br />

Frontispiece to Jacques Lacombe, Le Salon, 1753. Etching” (Th. E. Crow: Painters and Public Life ...(siehe Anm. 168).<br />

S. 8.). Bei P. Dorbec bleibt zwar der Name des Autoren und das Jahr, doch er nennt einen anderen Titel: »Lettre... sur<br />

l’exposition des tableaux du Louvre«. Prosper Dorbec: “La peinture française de 1750 a 1820, jugée par le factum, la<br />

chanson et la caricature”, in: Gazette des Beaux-Arts. 56/ 1914/ I. (S. 69ff u. 136ff) S. 72.<br />

195 Dorbec schreibt mit Bezug auf den Text Lacombes, ihn teilweise zitierend: “«Un de nos vénérables» - c’est le<br />

terme employé par la brochure - […]”, der den “[…] alerte visiteur […]” anhält und “[…] commence à lui débiter sa<br />

diatribe: «Il n’est plus de talent. On néglige trop la nature... etc.»”. Ibid.<br />

136


eicht hier neben dem Hintergrund vor dem die Szene spielt, die Lupe in der Linken des kau-<br />

zigen Alten.<br />

Das zweite Blatt gibt einen ausschnitthaften Blick in den Salon von 1765 wieder (ABB. II<br />

560). 196 Die Besucher scheinen fast ausnahmslos mit den ausgestellten Werken beschäftigt. Sie<br />

stehen meist dicht vor ihrem jeweiligen Betrachtungsgegenstand, weisen, sofern sie weiter<br />

entfernt sind, mit deutlichen Gesten darauf oder versuchen gerade im Livret, dem zu er-<br />

werbenden kleinen Katalog zum Salon, einige Informationen (dazu) zu finden. Selbst die Per-<br />

sonen auf der Treppe, die hier nur knapp ein Viertel des Hochformats einnimmt, haben sich<br />

bereits umgewendet, um endlich einen ersten Blick auf die Werke im Saal werfen zu können.<br />

Drei weitere Salonansichten fertigte Saint-Aubin von der Veranstaltung des Jahres 1757 an.<br />

Zwei davon beschränken sich jeweils auf eine Ecke des Ausstellungssaales und erzeugen so<br />

den Eindruck eines kleineren und eher privaten Rahmens. Die Zeichnung aus der Pariser<br />

Sammlung Fleury (ABB. II 570) zeigt an zentraler Stelle, vor einer Wand mit nur sehr vage<br />

angdeuteten Gemälden das aufsehenerregende Rezeptionsstück des Bildhauers Pierre-Phi-<br />

lippe Mignot, 197 eine lebensgroße schlafende Venus auf ihrem Lager. Anders als in seiner<br />

Zeichnung von 1753 zeigt Saint-Aubin hier deutlich im Vordergrund Besucher als Betrachter.<br />

Allerdings stellt sich bei einem Objekt wie der Venus die Frage, ob solch eine effektvolle<br />

Nacktheit, zumal in dieser Größe, nicht bisweilen der Rezeption des Stückes als Kunstwerk<br />

im Wege steht. Ein eindeutig sexuelles Interesse, wie etwa bei Rowlandson (ABB. II 280), führt<br />

Saint-Aubin sicher nicht vor, aufmerken aber läßt einen doch der junge Mann mit dem Drei-<br />

spitz unter dem Arm, rechts von der Mitte: während die Person zu seiner Rechten, die sich<br />

ihm zuwendet und auf den Kopf der Skulptur weisend zu ihm spricht - wobei der ver-<br />

bleibende Abstand zwischen ihnen auf eine nur wenig gedämpfte Stimme schließen läßt -,<br />

schaut er nur (geflissentlich? beschämt?) vor sich nach unten und deutet auf ein Detail der<br />

Liege der Venus, dessen Relevanz nicht ersichtlich ist.<br />

Auch in der zweiten Ansicht des Salons von 1757 (ABB. II 580) 198 sind im Vordergrund, ein<br />

wenig dominierender gar als im zuvor angeführten Beispiel, Besucher als Betrachter<br />

geschildert. Einige Einschränkungen aber, selbst wenn anderer Art, sind hier ebenfalls zu<br />

machen. Zunächst ist da die Gruppe dreier Damen vor dem Amor rechts von der Mitte. Zwei-<br />

fellos ist ihr momentanes Gesprächsthema von dieser Skulptur ‘inspiriert’, ebenso sicher<br />

jedoch scheint es ihnen dabei nicht um deren künstlerische Qualitäten zu gehen. Während<br />

die Rückenfigur in ihrer Mitte sich den Putto anscheinend mit lautstarkem Entzücken be-<br />

196 Cabinet des Estampes, Bibliotheque Nationale, Paris.<br />

197 Vgl. G. F. Koch: Die Kunstausstellung... (siehe Anm. 125). S. 144. Er spricht von einem “Salonschlager”.<br />

198 Gouache, Aquarell. Privatsammlung, London.<br />

137


sieht, wenden sich die beiden Damen links und rechts mit zu den Lippen erhobenem Zeige-<br />

finger zu ihr um, sei es nun, um sie - durchaus mit Wohlwollen - zur Stille zu ermahnen,<br />

oder sei es, um die Geste Amors amüsiert nachzuahmen. Zudem stören diese drei mit ihrem<br />

Verhalten die Aufmerksamkeit fast aller weiteren Personen in der rechten Bildhälfte.<br />

Bei den zwei Herren direkt neben ihnen führt das so weit, daß diese sich anscheinend<br />

mitten in der Konversation von ihren eigentlichen Begleiterinnen abgewendet haben, dafür<br />

zumindest sprechen die Blickrichtung der verlassenen Damen hinter ihnen und die aus dem<br />

Bild weisende Geste der rechten der beiden. Auch die restlichen Besucher in dieser Bildhälfte<br />

schauen - eher neugierig als erbost - in Richtung der Quelle der Ablenkung; einzig der Herr in<br />

Rückenansicht ganz rechts scheint ungestört anderweitig interessiert.<br />

Ebenfalls unbehelligt von diesen ‘Ereignissen’ ist das Personal, das links von der Mitte<br />

positioniert ist. Das sind zunächst zwei Mönche, die sich durch ihre recht ärmliche Kleidung,<br />

vor allem aber durch ihre unverkennbare Ergriffenheit angesichts eines hoch oben über ihren<br />

Köpfen, außerhalb der Zeichnung zu vermutenden Ausstellungsstückes auszeichnen. Dabei<br />

gleicht ihre Ergriffenheit der des kleinen Mädchens vor ihnen, das ganz fasziniert ist von der<br />

Erscheinung der beiden Brüder und versucht eine der drei ‘Unruhestifterinnen’ auf sie auf-<br />

merksam zu machen. Somit sind auch sie trotz ihrer fraglosen Ernsthaftigkeit wohl nicht als<br />

prototypische Kunstbetracher zu verstehen. Dafür kommen allenfalls noch die beiden Herren<br />

ganz links neben den Mönchen in Frage, doch auch sie bleiben wie der bereits erwähnte Mann<br />

in Rückenansicht ganz rechts lediglich Randfiguren.<br />

Im Gegensatz zu der Ausschnitthaftigkeit der beiden vorangegangenen Beispiele zeigt<br />

Saint-Aubin in seiner dritten Zeichnung des Salons von 1757 einen Blick, der wieder den<br />

Eindruck eines großen Ausstellungssaals vermittelt (ABB. II 590). 199 Anders als zuvor stellt er<br />

hier in Vorder- und Hintergrund Besucher dar, die wohl uneingeschränkt als interessierte<br />

Kunstbetrachter zu beschreiben sind. Gleichzeitig aber wirkt es, als sei sein besonderes<br />

Interesse am Personal verblaßt und sozusagen im Gegenzug das am Deckengemälde erwacht.<br />

Denn das nimmt nicht nur viel Platz in dem extremen Hochformat ein, sondern wird, wie<br />

zumindest der Vergleich mit einem anonymen Stich aus der Mitte des Jahrhunderts nahelegt<br />

(ABB. II 600), 200 extrem dynamisiert und scheint gar in den ‘realen’ Raum überzugreifen.<br />

Hier deutet sich bereits an, was Saint-Aubin in gesteigerter Form in seiner Darstellung des<br />

Salons von 1767 vorführen wird (ABB. II 610). 201 Dort thronen Apollo und die Musen, Licht<br />

und wohl auch Erkenntnis bringend, am Deckenfirmament und wachen - unbemerkt von<br />

199 Hier eine nach der Zeichnung angefertigte Radierung von L. Gauchard.<br />

200 »Vue perspective du Sallon de l’Académie Royale de Peinture au Louvre à Paris«. Cabinet des Estampes,<br />

Bibliotheque Nationale, Paris.<br />

201 Lavierte Federzeichnung. Slg. Arthur Veil-Picard, Paris.<br />

138


den Besuchern - über die Ausstellung, 202 während die Betrachterfiguren, die wesentlich klei-<br />

ner geworden sind, 203 drohen, in der breit geschilderten, auf ein ornamentales Ganzes hin<br />

komponierten Präsentation der Ausstellungsstücke unterzugehen. 204<br />

DIE AUSSTELLUNGEN DER LONDONER ROYAL ACADEMY IM BILD. Nach einer “episodenreiche[n]<br />

Vorgeschichte”, 205 die in den 20er Jahren beginnt und in deren Verlauf auch schon einige<br />

Ausstellungen zu verzeichnen sind, “[…] nimmt «The Royal Academy of Arts in London, for<br />

the purpose of cultivating and improving the Arts of Painting, Sculpture and Architecture»<br />

[1769] den akademischen Lehrbetrieb auf.” 206 Anders als bei der Pariser Akademie gehört hier<br />

das Abhalten einer jährlichen Ausstellung grundlegend zum Organisationskonzept; das sieht<br />

auch vor, daß sich nicht nur die Mitglieder der Akademie, sondern alle Künstler “of distin-<br />

guished merit” der Öffentlichkeit präsentieren können. 207 Bereits 1769 stehen die entspre-<br />

chend ‘bespielten’ Räumlichkeiten - zunächst noch in (der) Pall Mall - 208 dem interessierten<br />

Publikum erstmals für einen Monat offen.<br />

Die wohl früheste Darstellung einer Veranstaltung aus dieser Reihe ist eine Radierung<br />

von Richard Earlom (1743 - 1822) nach einer Zeichnung von Charles Brandoin, die einen<br />

Blick in die Ausstellung des Jahres 1771 zeigt (ABB. II 620). 209 Aus dem Dunkel eines niedri-<br />

202 Hier ist auf eine Antwerpener Darstellung der Gildenkammer von Biset und Schubert von Ehrenberg zu verweisen<br />

(ABB. I 430), in der Apollo und einige weitere allegorische Figuren - ebenfalls unbemerkt von den übrigen Besuchern<br />

- erscheinen.<br />

203 Vgl. die Darstellung des Salons von 1765 (ABB. II 611), in der zwar die Decke nicht ausgeführt ist, das Personal<br />

aber schon in der feinteiligen Wiedergabe des Ausstellungsarrangements verschwindet.<br />

204 Koch meint dazu: “In dieser allegorischen Interpretation der Ausstellung, gewissermaßen eine «hommage á l’exposition»,<br />

wird der gesellschaftskultische Hintergrund des Salons angesprochen und in der Spannung zwischen Aktualitätsform<br />

und ihrer allegorisch-mythischen Verallgemeinerungg zum Ausdruck gebracht, in der sich zugleich<br />

auch der akademische Anspruch deutlich zu Schau stellt.” G. F. Koch: Die Kunstausstellung... (siehe Anm. 125). S.<br />

146.<br />

205 Ibid., S. 200. Koch geht auch genauer auf diese Vorgeschichte ein, S. 200 - 208.<br />

206 Ibid., S. 206. “It is an exception to the generality in that it was the outcome of private enterprise among artists,<br />

and, although it enjoyed royal patronage from the start (in fact, it owed its initial success to the keen interest of<br />

George III), it has never been subject to any state control, or had any subsidies or monopoly of exhibition.” Peter and<br />

Linda Murray: The Penguin Dictionary of Art and Artists. (7th edition) Harmondsworth, 1997. S. 3.<br />

207 Vgl. ibid., S. 207. In diesem Zusammenhang zitiert Koch (nach William Sandby: The History of the Royal Academy<br />

of Arts. (2 Bde.) London, 1862. Bd. I, S. 46 f.) aus einem Memorandum vom 28. November 1768 an George III.:<br />

“[…] the two principal objects we have in view are, the establishing [of?] a wellregulated school or Academy of<br />

Design, for the use of students in the Arts, and an Annual Exhibition, open to all artists of distinguished merit,<br />

where they may offer their performances to public inspection, and acquire that degree of reputation and encouragement<br />

which they shall [be?] deemed to deserve.»” G. F. Koch: Die Kunstausstellung... (siehe Anm. 125). S. 208.<br />

208 Von 1780 an fand die Ausstellung in William Chambers Neubau des Somerset House statt. Vgl. ibid., S. 208.<br />

Dieser William Chambers war anscheinend nicht identisch mit dem Zeichner der Townley’schen Antikensäle<br />

(ABB. II 223 u. II 224). Vgl. Grand Tour. The Lure of... (siehe Anm. 74). Kat. Nr. 213 u. 214., S. 258.<br />

209 »The Exhibition of the Royal Academy of Painting in the Year 1771. From an Original Drawing in the Posession<br />

of Robt. Sayer.« Mezzotinto, [42,5 x 55,9 cm]. Staatl. Kunstsammlungen, Weimar.<br />

139


geren Vorraums schaut man in das linke Kompartiment eines Oberlichtsaales. 210 Es fällt auf,<br />

daß die Bilder-im-Bild hier anders als in den vorangegangenen Ausstellungsdarstellungen<br />

ausgesprochen deutlich wiedergegeben sind. Dennoch scheint das Hauptaugenmerk auf die ab-<br />

wechslungsreich geschilderten Besucher gerichtet.<br />

Es sind um die 30 Personen, darunter auch Frauen und einige Kinder. Koch schreibt:<br />

“Kaum gibt es normale Menschen, jeder besitzt eine charakteristische Mißbildung als her-<br />

vorgehobenes Wesenssymptom, das die Hohlheit und Oberflächlichkeit, die Arroganz und<br />

die Einfalt der Besucher in ihrem Verhältnis zur Kunst betont.” 211 Dieser Äußerung ist in<br />

mehreren Punkten zu widersprechen. Zunächst weist eine ganze Reihe der Figuren offen-<br />

sichtlich keinerlei physiognomische Besonderheiten auf. Auch bei den übrigen kann man -<br />

mit zwei Ausnahmen vielleicht - 212 wohl nicht von “Mißbildung[en]” sprechen. Man muß<br />

allerdings einräumen, daß Teile des Personals in Mimik, Haltung oder Gebärde leicht über-<br />

zeichnet sind. Zu nennen wären hier beispielsweise der wohlbeleibte Geistliche(?) mit einer<br />

dickrandigen Brille etwa in der Mitte des Bildes, der mit zurückgeworfenem Kopf so steil nach<br />

oben guckt, daß man sich fragt, was er dort zu sehen vermag, oder der ein wenig ungelenk vor-<br />

gebeugte Herr ganz rechts, dessen Zopf seltsam vorwitzig nach oben geschwungen wirkt und<br />

dessen Degen(?) nicht seitlich, sondern zwischen seinen Beinen unter dem Rock hervorzuragen<br />

scheint. 213<br />

Auch was das Verhältnis der Besucher zur Kunst anbelangt, ist Kochs Position überzogen.<br />

Fraglos beschäftigen sich einige mehr mit anwesenden Personen als mit Ausstellungsstücken,<br />

wie etwa die Dame links von der Mitte, die ihren Fächer benutzt, um unbemerkt andere zu<br />

beobachten - 214 nicht ohne dabei ihrerseits zum ‘Objekt’ der zwei Herren hinter sich zu<br />

werden. Ebenso mag man den einen oder anderen mit Recht als oberflächlich oder einfältig be-<br />

zeichnen, ihm vielleicht auch ‘unanständige’ Motive unterstellen, 215 der prägende Eindruck<br />

210 Darauf, daß es sich nur um einen Teil des Ausstellungsraumes handelt, deutet neben dem sich nach rechts fortsetzenden<br />

Fensterfries auch der Umstand, daß die rechte Bilderwand nicht bis zur Decke reicht Außerdem wurden<br />

bei dieser Ausstellung anscheinend 136 Stücke gezeigt (vgl. G. F. Koch: Die Kunstausstellung... (siehe Anm. 125). S.<br />

208.), von denen hier aber allenfalls 50 bis 60 zu sehen sind.<br />

211 G. F. Koch: Die Kunstausstellung... (siehe Anm. 125). S. 212.<br />

212 Gemeint sind die recht klein und rundlich geratene Dame ein wenig rechts von der Mitte hinter der Bank und die<br />

Knollennase des zweiten Herren von links.<br />

213 Hier wäre eine sexuelle Anspielung denkbar, da sein Betrachtungsgegenstand aber jenseits der Bildfläche zu<br />

denken ist, gibt es keine weiteren Indizien dafür.<br />

214 Womöglich gilt ihre Aufmerksamkeit dem Herrn, der sein Monokel ans Auge hält - obschon man sich fragt, was<br />

er überhaupt anvisieren könnte. Da er das so demonstrativ tut, liegt es nahe zu vermuten, daß er um seine Beobachtung<br />

weiß und sich entsprechend präsentiert. Das könnte es dann auch die “[…] amorous activities of some of the visitors<br />

[…]” sein, von denen in einem Katalogtext zu dieser Darstellung die Rede ist. Vgl. Palaces of Art. Art Galleries<br />

in Britain ... (siehe Anm. 142). S. 123, Kat. Nr. D2. Auch Koch verweist ohne weitere Angaben darauf, daß dieses<br />

‘Paar’ “[…] in Gestalt und Pose […]” auf den Sündenfall an der Rückwand bezogen würde. G. F. Koch: Die Kunstausstellung<br />

...(siehe Anm. 125). S. 212.<br />

215 Für letzteres kommen eventuell zwei Herren an der Rückwand in Frage. Während der eine, hinter dem Geist<br />

140


jedoch bleibt, daß sich das Gros der Besucher ernsthaft - wenn auch damit nicht zwangsläufig<br />

kompetent - für die ausgestellten Werke oder den dazugehörigen Katalog(text) interessiert.<br />

Insgesamt ist in diesem Blatt wohl eher ein ‘Augenzwinkern’ als eine harrsche Kritik aus-<br />

zumachen<br />

Eine ganz untergeordnete Rolle spielt das Personal in einer Folge von drei Zeichnungen<br />

des Deutschen Johann Heinrich Ramberg (1763 - 1840) 216 , die die Londoner Akademieausstel-<br />

lung des Jahres 1784 - mittlerweile bereits im fünften Jahr im Somerset House - zum<br />

Gegenstand haben (ABB. II 630 - II 650). 217 In diesen beinahe menschenleeren Ansichten -<br />

zwischen einer und vier Personen finden sich darin - fungiert es wohl vornehmlich als Pro-<br />

portionsangabe oder als auflockerndes Beiwerk, auch wenn die Figuren dabei durchaus eine<br />

gewisse Variationsbreite aufweisen. Die Zeichnungen konzentrieren sich jeweils auf eine der<br />

behangenen Wände des Oberlichtsaals, sie dokumentieren die daran angebrachten Werke<br />

und deren Arrangement.<br />

Während man von den bisherigen Ausstellungsbildern zusammenfassend behaupten<br />

könnte, daß ihr Blick vorrangig auf das gesellschaftliche Ereignis gerichtet ist, müßte man bei<br />

Rambergs Blättern wohl davon sprechen, daß sie die dingliche Seite der Veranstaltung von<br />

1784 festhalten. 218 Koch meint allerdings in der Wiedergabe der Bilder-im-Bild einen parodie-<br />

renden Zug erkennen zu können, der “[…] den hohen Ernst der Kunst ins Ridiküle […] ver-<br />

wandle […] . Vor allem in den Bildnissen wird die Posierung übertrieben oder die Einfalt des<br />

Dargestellten hervorgekehrt. In den figürlichen Szenen neigt die erhabene Gefühlsäußerung<br />

und Bewegungsdramatik zum Grotesken.” 219 Diese Auffassung jedoch ist keineswegs zwin-<br />

gend. Zwar mag man, einmal in diese Richtung gedrängt, einräumen, daß zeichnerische<br />

Eigenheiten Rambergs in einzelnen Fällen auch so gedeutet werden könnten, aber um ein<br />

den Charakter der Zeichnungen grundlegend bestimmendes Element handelt es sich dabei<br />

nicht. Folgte man Koch, so ergäbe sich zudem wohl eine gewisse Diskrepanz zwischen der Ab-<br />

sicht, die ausgestellten Werke und vielleicht gar allgemeiner die Art von Kunst, für die sie ste-<br />

hen, zu karikieren, und der über drei Zeichnungen hin angelegten Bestandsaufnahme der<br />

Ausstellungsstücke, der in dieser Breite geradezu zwangsläufig die Spitze, die Pointierung<br />

lichen, eine »Venus mit Amor« direkt vor Augen hat, ist der Herr rechts von ihm anscheinend bemüht, den »Sündenfall«<br />

mit seinem Fernglas genauer zu ergründen.<br />

216 Der aus Hannover stammende Ramberg wurde 1781 - 1788 als Schützling George III. an der Royal Academy ausgebildet.<br />

217 Lavierte Federzeichnung. The British Museum, London.<br />

218 In diesem Zusammenhang bietet es sich, an auf die zwei bereits angeführte Radierfolgen von Feoli bzw. Ducros<br />

und Volpato zu verweisen, bei denen ein ähnlicher Schwerpunkt auszumachen ist. Vgl. ABB. II 160 - II 190 u.<br />

Kapitel II, i.<br />

219 G. F. Koch: Die Kunstausstellung ...(siehe Anm. 125). S. 213.<br />

141


fehlte, die man doch als ein grundlegendes Kriterium von Karikatur bezeichnen könnte. 220<br />

In einer späteren Zeichnung, die anläßlich der Ausstellung von 1787 entstand, schlägt<br />

Ramberg auf den ersten Blick den umgekehrten Weg ein (ABB. II 660). 221 Er beschränkt sich<br />

fast vollständig auf das Personal und reduziert die Ausstellungsstücke, und damit den eigent-<br />

lichen Grund für den Besuch, auf die schemenhafte Andeutung einiger weniger Rechtecke.<br />

Dabei ist hervorzuheben, daß es nicht um die Vermittlung eines allgemeinen Eindrucks vom<br />

- anonymen - Publikum geht, sondern, zumindest im Vordergrund, um das Festhalten eines<br />

prestigereichen Ereignisses, in diesem Fall des Besuchs des Prince of Wales mit einigem<br />

Gefolge; was hier insbesondere der repräsentativen Selbstdarstellung der Akademie gedient<br />

haben dürfte. 222<br />

Der Umstand aber, daß diese und eine zweite ähnliche Zeichnung Rambergs, die George<br />

III. und die königliche Familie in einer späteren Ausstellung portraitiert, von Pietro Antonio<br />

Martini (1739 - 1797) gestochen und dabei um die präsentierten Bilder ergänzt wurden (ABB. II<br />

670 u. II 680), 223 spricht dafür, daß es sich um eine bereits im vorhinein geplante Kooperation<br />

zwischen Martini und Ramberg handelt, bei der der letztere eben nur für die Personen zu-<br />

ständig war. Damit aber wäre die Tatsache, daß er die Bilder-im-Bild nur vage angedeutet hat,<br />

kaum von Bedeutung, da sie wohl nicht mehr als eine aus künstlerischen oder inhaltlichen<br />

Erwägungen gefällte Entscheidung zu betrachten wäre.<br />

Auch in diesen Darstellungen sieht Koch eine deutliche Kritik formuliert. Er spricht vom<br />

Publikum, “[…] das im einzelnen durch karikierende Übertreibung der Typen und ihrer<br />

Verhaltensweisen vor den Bildern wieder in jener bei der frühen Ansicht von 1771 fest-<br />

gestellten entlarvenden Charakteristik kritisch geschildert wird.” 224 Erneut ist hier einzu-<br />

wenden, daß man zwar eine gewisse Überzeichnung im Hinblick auf Teile des Personals<br />

feststellen kann, der Gesamteindruck dadurch aber wohl wesentlich moderater beeinflußt<br />

wird als Koch behauptet.<br />

In seinem Text kommt Koch dann wenig später, anhand der hier vorgestellten Beispiele -<br />

und nur dieser -, zu der folgenden grundsätzlichen Einschätzung des englischen Ausstellungs-<br />

220 Auch Koch spricht von “[…] der Absicht, ein möglichst exaktes Abbild der Gesamtordnung und der einzelnen<br />

Werke zu vermitteln.” Vgl. ibid.<br />

221 Aquarellierte Federzeichnung. The British Museum, London.<br />

222 Hierzu vgl. auch den Canalettos Darstellung der Festagsausstellung vor der Scuola di San Rocco (ABB. II 510)<br />

und S. 123.<br />

223 »Der Prince of Wales besucht die Ausstellung der RA 1787«. 31,6 x 48,9 cm. Dulwich Picture Gallery, London.<br />

»George III. und die königliche Familie in der Ausstellung der RA«. Slg. P. u. D. Colnaghi & Co., London). Letztere<br />

zeigt anscheinend einen Besuch Georges im Jahr 1789, während die von Martini hinzugfügten Bilder-im-Bild in der<br />

Ausstellung von 1788 zu sehen waren. Vgl. G. F. Koch: Die Kunstausstellung ...(siehe Anm. 125). S. 214.<br />

224 Ibid., S. 213. In den Stichen Martinis dann würde das noch gesteigert durch den “[…] Kontrast zwischen der<br />

abwartenden Fülle der Bilderwände zu dem unruhigen Beieinander der Besucher.” Ibid.<br />

142


ildes: 225<br />

“Die in ihrem Inhalt offensichtliche Doppelzüngigkeit des englischen Ausstellungsbildes, es vom<br />

eigentlichen Ereignis hinweg als Sittenschilderung der politischen wie moralischen Kritik dienstbar<br />

zu machen, deutet neue Wege an […]. Im Bilde wird die Ausstellung zur Darbietung der zivilisatorischen<br />

Schwächen der menschlichen Gesellschaft und die Kunst selbst zu ihrem limonadenhaft<br />

dünnen Erzeugnis. Damit rührt sich als kritisches Moment jene tiefere Frage nach der Notwendigkeit<br />

der sittlichen und moralischen Erneuerung. Kunstkritik wird hier zugleich zur Menschheitsfrage.” 226<br />

Kochs Deutungen der einzelnen Bilder mochte man noch mit Einschränkungen zu-<br />

stimmen oder wenigstens eine Tendenz in die von ihm anvisierte Richtung nicht ganz<br />

ausschließen. So lange er mit Bezug auf konkrete Beispiele von einer Kritik am Verhalten der<br />

Besucher oder an Entwicklungen der Kunst sprach, konnte man seine Position zumindest in<br />

etwa nachvollziehen, wenn auch nur bedingt teilen. Mit seiner Behauptung aber, das<br />

englische Ausstellungsbild verhandle allgemein “zivilisatorische Schwächen”, oder der<br />

Gleichsetzung von Kunstkritik und Menschheitsfrage überstrapaziert er sein Ausgangs-<br />

material völlig. Selbst eines der wenigen weiteren englischen Beispiele des 18. Jahrhunderts,<br />

eine Sicht Rowlandsons auf die Ausstellung der Royal Academy (ABB. II 690), 227 in der das<br />

eindeutig im Vordergrund des Interesses stehende Personal weitaus deutlicher und vielleicht<br />

auch bösartiger karikiert wird, gäbe dergleichen wohl nicht her.<br />

DER PARISER SALON IN DEN DARSTELLUNGEN P. A. MARTINIS. Bereits zwei Jahre vor der an-<br />

geführten Zusammenarbeit mit J. H. Ramberg in London fertigte Pietro Antonio Martini eine<br />

Ansicht des Pariser Salons an. Der Titel dieses Stichs »Coup d’œil exact de l’arrangement des<br />

Peintures au Salon du Louvre, en 1785.« legt nahe, daß das Augenmerk insbesondere auf die<br />

Ausstellungsstücke und ihre Hängung gerichtet ist (ABB. II 700). 228 Die Darstellung indessen<br />

bestätigt diesen Schluß nicht. Auch das Personal ist ausgesprochen zahl- und abwechslungs-<br />

reich geschildert. In dem weitläufigen Saal finden sich Männer, Frauen und wenige Kinder,<br />

Einzelpersonen, Paare, kleinere und größere Gruppen. Man ist in die Lektüre - wahrschein-<br />

225 Bislang sind aber anscheinend tatsächlich kaum weitere Darstellungen einschlägig dokumentiert, sei es von den<br />

Ausstellungen der Royal Academy oder auch anderer Veranstaltungen.<br />

226 Ibid., S. 214/5.<br />

227 Die Reproduktion fand sich im Londoner Warburg Institite. Leider konnte ich in der angegebenen Quelle, Burlington<br />

Magazine June ‘76, weder die Abbildung noch weiterführende Informationen ausmachen, auch nicht in den<br />

anderen Heften desselben Jahres. So ist auch eine Datierung ins - sehr frühe - 19. Jahrhundert nicht auszuschließen,<br />

dessen große Kritik Koch im “englischen Ausstellungsbild[…]” bereits vorweggenommen sieht. Ibid.<br />

228 Cabinet des Estampes, Bibliotheque Nationale, Paris.<br />

Im Untertitel heißt es in kleinerer Type weiter:”Gravé de memoire, et terminé durant le temps de l’exposition”.<br />

Während der erste Teil auch Abweichungen von den tatsächlichen Gegebenheiten erlaubt und somit das “exact” im<br />

Titel ein wenig zurücknimmt, erzeugt der zweite Teil den diese Einschränkung relativierenden Eindruck, daß die<br />

Erinnerungen noch frisch und damit auch nah an den vorgefundenen Umständen waren.<br />

143


lich - des Katalogs vertieft, betrachtet die Gemälde aus nächster Nähe oder blickt bzw. deutet<br />

nur aus größerer Entfernung in deren Richtung. Auf diese Weise werden die meisten Ge-<br />

spräche - mal mehr, mal weniger konkret - in Verbindung mit ausgestellten Werken gebracht;<br />

zuweilen ist ein solcher Bezug allerdings auch nicht zu erkennen. Besonders bemerkenswert<br />

ist, wie seltsam unverbunden die Personen, Paare und Gruppen hier nebeneinanderstehen,<br />

sie wirken wie in sich geschlossene ‘Einheiten’, zwischen denen kaum ein Austausch zu er-<br />

warten ist.<br />

Ein ganz anderer Eindruck vom Publikum entsteht in Martinis Ansicht des Pariser Salons<br />

von 1787 (ABB. II 710). 229 Die verschiedenen Gruppen sind weniger deutlich voneinander se-<br />

pariert, die Übergänge sind fließend gestaltet und die Besucher zahlreicher. Im Vordergrund<br />

scheint zudem das Interesse an den Kunstwerken geringer. So sind dort kaum weisende<br />

Gesten auf die Schauwände auszumachen, und die Besucher sind verstärkt in die Richtung<br />

des realen Betrachters orientiert. Da es sich wohl nicht - wie in der Gemeinschaftsarbeit von<br />

Martini und Ramberg, die wahrscheinlich nur kurz zuvor entstanden war, - um Portraits<br />

identifizierbarer Persönlichkeiten handelt, könnte man zunächst annehmen, daß dort ein<br />

spezielles Ereignis zu erwarten steht, doch das wäre dann sicher, ebenso wie eventuelle<br />

wichtige Persönlichkeiten, im Titel des Blattes erwähnt, der aber lautet schlicht: »Exposition<br />

au Salon du Louvre en 1787«. 230<br />

Die beiden Stiche Martinis wirken trotz einiger anekdotischer Einsprengsel sehr nüchtern<br />

und sachlich. Das dürfte vor allem auf die große Zahl der Figuren und der Bilder-im-Bild zu-<br />

rückzuführen sein. Zudem scheinen Personal wie Kunstwerke mit einer durchgängig<br />

gleichbleibenden, eher verhaltenen Aufmerksamkeit behandelt, nichts und niemand sticht<br />

besonders hervor. Das fällt nicht nur im Vergleich mit den leichtfüßigen Überzeichnungen<br />

einiger der vorangegangenen englischen Beispiele auf, sondern auch mit den Darstellungen<br />

Saint-Aubins, seien es nun die auf wenige Typen konzentrierten Ausschnitte oder seien es<br />

seine vibrierenden und dynamischen Gesamtansichten.<br />

DAS AUSSTELLUNGSPUBLIKUMS IN ZEITGENÖSSISCHEN FRANZÖSISCHEN TEXTEN. Thomas<br />

Crow zufolge sind einigermaßen detaillierte Schilderungen des Ausstellungspublikums in<br />

Texten des 18. Jahrhunderts ausgesprochen selten. In seiner Studie »Painters and Public Life in<br />

Eighteenth-Century Paris« schreibt er im Zusammenhang mit einer Salonbesprechung von<br />

Louis de Carmontelle, es sei “[…] one of the rare instances - rare for Carmontelle and for any<br />

229 Graphische Sammlung, Kunsthalle, Hamburg.<br />

230 Auch von dem klein darüberstehenden »Lauda-Conatum«, dessen Bedeutung mir bisher verschlossen geblieben<br />

ist, ist in diesem Zusammenhang wohl kein weiterer Aufschluß zu erwarten.<br />

144


eighteenth-century writer - when the audience is described in some detail.” 231 Die wenigen<br />

vorhandenen Texte sind insofern von besonderem Interesse, als sich das Publikum, das sie be-<br />

schreiben, auf charakteristische Weise von dem in den bildlichen Darstellungen unterschei-<br />

det. In letzteren geht es meist relativ geregelt und entspannt zu, auch größere Besucherströme<br />

führen kaum zu Unruhe. Die Texte hingegen lassen mehrfach der Eindruck einer unüber-<br />

sichtlichen, sehr beengten, zuweilen geradezu bedrohlichen Personenfülle entstehen, die<br />

einer angemessen angeregten Atmosphäre zuwiderläuft. Eng damit verbunden ist ein zweiter<br />

Punkt, die Zusammensetzung des Publikums. Auch die, so legt ein Vergleich nahe, wird in<br />

den bildlichen Darstellungen ‘geschönt’. Denn anders als in den Texten sind in ihnen keine<br />

Vertreter des einfachen Volkes zu finden; zumindest keine, die - wie in einigen Bildbei-<br />

spielen des 19. Jahrhunderts - auch heute noch ganz offensichtlich als solche zu erkennen<br />

wären. 232<br />

Eine der wohl frühesten literarischen Äußerungen, in der, wenn auch nur beiläufig, ein<br />

solches Bild vom Publikum entsteht, stammt von 1741. In dem anonymen Text, der in Brief-<br />

form verfaßt ist, heißt es: “[…] the tumultuous waves of every sort of onlooker made me fear<br />

to block its progress by any prolonged examination of the pictures. It is best to give them a<br />

wide berth.” 233 In bezug auf die Überfülle an Besuchern ist die Stelle recht eindeutig, selbst<br />

wenn man eine gewisse Übertreibung einkalkuliert. Die Formulierung “waves of every sort<br />

of onlooker” aber ist, trotz der Verstärkung, daß man ihnen am besten aus dem Weg gehe -<br />

im zweiten Satz -, letztlich nicht eindeutig. Für eine entsprechend hochgestellte - oder auch<br />

nur eingebildete - Persönlichkeit wäre möglicherweise bereits die Anwesenheit einfacher<br />

231 Und wenig später schreibt Crow darüberhinaus zu: “[…] the contemporary literature as a whole. For the most<br />

part, the concrete character of the crowd is never attended to at all.” Th. E. Crow: Painters and Public Life ... (siehe<br />

Anm. 168). S. 19. Auch wenn er sich strenggenommen nur auf den Pariser Salon bezieht, legen die Wendungen “the contemporary<br />

literature as a whole” und “any eighteenth-century writer” nahe, daß er sich nicht allein auf die französische<br />

Literatur bezieht. Doch auch wenn er das tun sollte, wäre in Anbetracht der vergleichsweise moderaten Entwicklung<br />

des Ausstellungswesens und der dazugehörigen Literatur im übrigen Europa des 18. Jahrhunderts - mit<br />

Ausnahme Englands vielleicht - wohl allenfalls auf einzelne Texte mit entsprechenden Passagen zu hoffen.<br />

232 Es ist natürlich nicht auszuschließen, daß der eine oder andere von Zeitgenossen und ausgesprochenen Kennern<br />

als über seinen Stand ‘herausgeputzt’ identifiziert werden könnte.<br />

Das tatsächliche Publikum in London dürfte sich ähnlich wie in den entsprechenden bildlichen Darstellungen zusammengesetzt<br />

haben, denn in der Royal Academy erhob man im Gegensatzt zum Pariser Pendant ein Eintrittsgeld,<br />

und das nach Wrigley “[…] with the express intention of keeping out the riff-raff.” Richard Wrigley: The Origins<br />

of French Art Criticism ... (siehe. Anm. 175). S. 90. Vgl. auch G. F. Koch: Die Kunstausstellung ... (siehe Anm. 125).<br />

S. 209/10, Anm. 445.<br />

233 Anonym: “Lettre à Monsieur de Poiresson-Chamarande, Lieutenant-Général au baillage et siège présidial de<br />

Chaumont en Bassigny, au sujet des tableaux exposés auf Salon du Louvre”. Paris, September 1741. Deloynes no. 14, S.<br />

2. Zitiert in einer Übersetzung aus Th. E. Crow: Painters and Public Life ... (siehe Anm. 168). S.89. Es handelt sich um<br />

ein Stück aus der Sammlung Deloynes, die in der Pariser Nationalbibliothek aufbewahrt wird. Sie ist erschlossen<br />

durch George Duplessis: Catalogue de la collection de pièces sur les beaux-arts imprimées et manuscrites recueillie<br />

par Pierre-Jean Mariette, Charles-Nicholas Cochin et M. Deloynes, auditeur des comptes, et acquise récemment par<br />

le département des Estampes de la Bibliotheque nationale. Paris, 1881.<br />

145


Händler Grund genug für ein solches Urteil. 234<br />

Eine ähnliche Einschränkung dürfte auch für Charles Coypels »Dialogue de M. Coypel,<br />

premier peintre du Rois sur l’exposition de Tableaux dans le Sallon du Louvre en 1747«<br />

gelten, 235 bei dem zu beachten ist, daß er wohl in erster Linie als eine scharfe Zurückweisung<br />

von La Font de St.-Yennes - eigentlich noch sehr moderater - Salonkritik gedacht war. Coypel<br />

schreibt:<br />

“[…] this place can offer twenty publics of different tone and character in the course of a single day: a<br />

simple public at certain times, a prejudiced public, a flighty public, an envious public, a public slavish<br />

to fashion, which in order to judge wants to see everything and examine nothing. […] after having<br />

heard them all, you will have heard not a true public, but only the mob, and not at all that public on<br />

which we should rely […, i. e.] the knowing public that the mob hides in its midst and whose voice it<br />

smothers.” 236<br />

Das aber bedeutet wohl, daß letztlich jeder, der sich ‘anmaßt’, ein schlechtes Urteil über die<br />

von der Akademie als der höchsten Instanz in Sachen Kunst ausgestellten Werke abzugeben,<br />

Gefahr läuft, von Coypel dem Mob zugerechnet zu werden, und zwar unabhängig von seiner<br />

ständischen Zugehörigkeit. 237<br />

Eindeutiger, was die Zusammensetzung des Personals angeht, werden Texte aus den 70er<br />

und 80er Jahren. So heißt es 1777 in einem Text von Pidansat de Mairobert:<br />

“[…] on débouche par une sorte de trappe d’un escalier, quoique assez vaste, presque toujours engorgé;<br />

sorti de lutte pénible, on ne respire qu’en se trouvant plongé dans un gouffre de chaleur, dans un<br />

tourbillon de poussière, dans un air infect, qui, impregnés d’atmosphères diffèrentes d’individus<br />

d’espèce souvent malsaine, devroit à la longue produire la foudre ou engendrer la peste ... [On est]<br />

étourdi enfin par cette bourdissement continuelle semblable au mugissement des vagues d’une mer en<br />

courroux.[…] Là le savoyard coudoie impunément le cordon bleu; la poissarde en échange des parfums<br />

dont l’embaume la femme de qualité lui fait fréquemment plisser le nez pour se dérober à l’odeur forte<br />

du brandevin qu’elle lui envoie; l’artisan grossier, guidé par le seul instinct, jette une observation juste<br />

dont à cause de son énonce burlesque, le bel esprit inepte rit à côté de lui; tandis que l’artiste câché dans<br />

la foule en démêle le sens et la met à profit.” 238<br />

Auch wenn man ob der genüßlichen Überzeichnung, die zudem auf bekannte Muster<br />

zurückgreift, 239 sicher einige Abstriche machen muß, gibt es wohl kaum einen Grund daran<br />

zu zweifeln, daß diese Beschreibung die tatsächlichen Umstände einigermaßen getreu wider-<br />

234 Das Maß der Dinge dürfte hier die soziale Stellung des fiktiven Adressaten sein (vgl. Anm. 232).<br />

235 Auszug aus dem Mercure de France, November 1751. Deloynes no. 28 (vgl. Anm. 233.).<br />

236 Deloynes no. 28, S. 5 - 6. Zitiert in Crows Übersetzung, Th. E. Crow: Painters and Public Life ... (siehe Anm. 168).<br />

S. 10. Zur zeitgenössischen Diskussion über le public - seine Zusammsetzung, den Begriff als solchen etc. - vgl.<br />

Richard Wrigley: The Origins of French Art Criticism ... (siehe Anm. 175). S. 97 - 115.<br />

237 Mit ‘envious public’ sind wohl Maler und Bildhauer gemeint, wahrscheinlich solche deren Werke nicht ausgestellt<br />

sind, also Zunftmitglieder; die aber waren kaum einfach als Laien abzutun<br />

238 Pidansat de Mairobert: L’Espion anglois. (London, 1777). (cit. RUA 19 (1864), S. 185 - 186.) Zitiert nach Richard<br />

Wrigley: The Origins of French Art Criticism ... (siehe Anm. 175). S. 82 u. 88.<br />

239 ”The same topoi, such as that of the duchess rubbing shoulders with the savoyard, used earlier to describe the<br />

public at the fairs, were now reemployed to describe the amazing, and to many, offensive, social heterogeneity of<br />

the Salon public.” Bernadette Fort: “Voice of the Public... (siehe Anm. 188). S. 381.<br />

146


spiegelt. Dafür sprechen nicht zuletzt weitere vergleichbare Beispiele wie etwa der Eingangs<br />

nur erwähnte Text Carmontelles von 1785, in dem der Autor, um einiges nüchterner,<br />

schreibt:<br />

“The Salon opens and the crowd presses through the entrance; how its diversity and turbulence<br />

disturbs the spectator! This person here, moved by vanity, wants only to be the first to give his<br />

opinion; that one there, moved by boredom, searches only for a new spectacle. Here is one who treats<br />

pictures as simple items of commerce and concerns himself only to estimate the prices they will fetch;<br />

another hopes only that they will provide material for his idle chat. The amateur examines them<br />

with a passionate but troubled eye; the painter’s eye is penetrating but jealous; the vulgarian’s is<br />

comical but stupid. The inferior class of people, accustomed to adjusting its tastes to those of its<br />

masters, waits to hear a titled person before rendering its opinion. And wherever one looks, countless<br />

young clerks, merchants, and shop assistants in whom unchanging, tedious daily labour has inevitably<br />

extinguished all feeling for beauty: here nevertheless are the men whom every artist has<br />

endeavoured to please.” 240<br />

Außer Hinweisen auf die extreme Fülle von Besuchern und deren gemischte soziale<br />

Herkunft liefern diese Texte durch die Beschreibung unterschiedlicher Haltungen zu den<br />

Kunstwerken - die aus den bildlichen Darstellungen in solcher Differenziertheit kaum zu<br />

erschließen sind - auch ein deutliches und wenig vorteilhaftes Urteil über das Publikum, und<br />

zwar weitgehend in seiner Gesamtheit, ohne ständische Zuordnungen. Lediglich Coypel<br />

beschwört die Existenz eines ‘guten’ - wahrscheinlich hochrangigen - Publikums, wie klein<br />

auch immer es sein mag. Während diese Urteile indirekt, d. h. durch eine Aneinander-<br />

reihung konkreter, ganz offensichtlich abzulehnender Verhaltensmuster evoziert werden, die<br />

es dem Leser aber noch erlauben, sich innerlich von ihnen abzusetzen, spricht der folgende<br />

anonyme Text aus dem Jahr 1777 nur ganz allgemein von der Menge oder Masse, die bereits<br />

eine gewisse vom jeweils aktuellen Ereignis losgelöste Eigendynamik entwickelt hat:<br />

“The Salon, sir, attracts this year the same swelling crowd as is customary; but this is less for the sake<br />

of the masterpieces on display than as a result of routine inertia, and that excitement which the<br />

crowd senses in its own movements. The moment one enters the gallery, one finds cold and distracted<br />

spectators regarding one another rather than the works that enrich the Salon and that produce no<br />

sensation in their collective souls. It is rare when, out of this multitude of pictures, it is not one of the<br />

least that lifts the boredom of a frivolous people, fond only of novelty, whose restless curiosity has<br />

well earned the epithets burlesque and badaud.” 241<br />

Im Zusammenhang mit dem Bild der unteren sozialen Schichten in zeitgenössischen<br />

Schriften zum Salon ist noch auf eine bemerkenswerte Entwicklung hinzuweisen, die Berna-<br />

dette Fort beschreibt. Die Autorin beschäftigt sich vorrangig mit einem bislang weitgehend<br />

ignorierten Teil der Salonkritiken, den sie charakterisiert als<br />

“[…] a very curious hodge-podge of satiric verse, farces, parades, vaudevilles, popular songs, burlesque<br />

240 Louis de Carmontelle: Le Frondeur ou Dialogues sur le Sallon par l’auteur du Coup-de-patte et du Triumvirat.<br />

o.O, 1785. Deloynes no. 329 (vgl. Anm. 233), S. 19 - 20. Zitiert in Crows Übersetzung, Th. E. Crow: Painters and Public<br />

Life ... (siehe Anm. 168). S. 19.<br />

241 »Mémoires secrets«. 25. August, 1777. Zitiert in Crows Übersetzung, Th. E. Crow: Painters and Public Life ...<br />

(siehe Anm. 168). S. 18.<br />

147


scenes, and fantastic narratives, whose titles point to their apparent comic intent: […] Pique-Nique<br />

convenable à ceux qui fréquentent le Sallon, préparé par un aveugle [meine Hervorhebung] (1781,<br />

Del[oynes No.] 267) […] not to mention the ostentatiously derisive Ah! Ah! ou Relation véritable,<br />

intéressante, curieuse et remarquable de la conversation de Marie Jeanne la Bouquetière et de Jérôme le<br />

Passeux, au Sallon du Louvre, en examinant les tableaux qui y sont exposés, recueillie et mise au jour<br />

par Mr. A. B. C. D. E. F. G. H. I. J. K. L. M. N. O. P. Q. R. S. T. U. V. W. X. Y. Z. etc., opticien des Quinze<br />

vingts. Nulle part et se trouve partout. (1787, Del. 386). 242<br />

Dabei betrachtet Fort die Wahl dieser literarischen Form nicht einfach als Bedienung eines<br />

entsprechenden Publikumsgeschmacks, sondern auch als mögliche Strategie, subversive<br />

Inhalte an der Zensur vorbei in Umlauf zu bringen. 243 Zunächst seien Vertreter der unteren<br />

Schichten zwar vor allem deshalb als Protagonisten in derartige Salonbesprechungen gelangt,<br />

weil ‘ihre’ bodenständigen und unbedarften Bemerkungen versprachen, die - tatsächlich wie<br />

die nur vermeintlich - gebildeteren Leser zu belustigen, 244 doch die Rolle des amüsanten<br />

Dummkopfs mit einfacher und zuweilen auch derber Ausdrucksweise habe dann bei einigen<br />

Autoren einen Wandel erfahren:<br />

“But textual strategies often divulge a hidden concordance between the critic’s own evaluation of the<br />

paintings (or his serious double’s) and the unwashed and unrefined judgment of the vulgar. […] More<br />

often yet, and more significantly, the vulgar observer’s opinion is explicitly legitimized and vindicated<br />

by those very agents who started out laughing at his judgment. […] Imperceptibly, the vulgar<br />

comes in these tracts to be used as a touchstone of the »truth« or effectiveness of a painting.” 245<br />

So heißt es beispielsweise in Merciers »Tableau de Paris« : “Eh bien! ce peuple qui n’a au-<br />

cune connoissance en peinture, va par instinct au tableau le plus frappant, le plus vrai; il ne<br />

manque pas. C’est qu’il est juge de la vérité, du trait naturel, et tous ces tableaux sont faits pour<br />

242 Bernadette Fort: “Voice of the Public... (siehe Anm. 188). S. 372. (Die Angaben “Del. 267” und “Del. 386”<br />

beziehen sich auf die Herkunft der Texte aus der bereits erwähnten Sammlung Deloynes (vgl. Anm. 233).) Der Besuch<br />

im Salon werde in diesen Texten - die weitaus zahlreicher zu sein scheinen als die, zumindest stilistisch, ernsthafte(re)n<br />

Kritiken - “[…] generally represented as light-weight social amusement, quickly enjoyed between an evening<br />

at Rugieri’s an another at the Variétés amusantes, or as an alternative to a tea-party, a dance at Vauxhall, or<br />

a look at the launching of the montgolfière.” Ibid., S. 373.<br />

243 Ibid., S. 371 - 374. Zur offiziellen Haltung zu solchen Texten vgl. auch Th. E. Crow: Painters and Public Life ...<br />

(siehe Anm. 168). S. 8 - 11. Zur Situation der Literatur, ihrer Verbreitung und der Zensur im Frankreich des 18. Jh.s<br />

siehe außerdem etwa Robert Darnton: The Forbidden Best-Sellers of Pre-Revolutionary France. New York, 1995;<br />

ders.: “Public Opinion and Communication Networks in Eighteenth-Century Paris”, www.indiana.edu/ ~ahr/<br />

darnton. (2001. 56 S.); The "Mémoires secrets" and the Culture of Publicity in Eighteenth-Century France. Hrsg. v.<br />

Jeremy D. Popkin und Bernadette Fort. Oxford, 1998.<br />

244 Fort spricht in diesem Zusammenhang von “[…] the considerable ambivalence, if not downright contempt and distrust<br />

of even the most advanced or »liberal-minded« thinkers of the period towards that unpredictable, fickle, uneducated,<br />

and oppressed mass called le peuple.” Bernadette Fort: “Voice of the Public... (siehe Anm. 188). S. 390.<br />

245 Ibid., S. 390 - 391. Als mögliche Quelle nennt sie neben der naheliegenden “[…] Rousseauist ideology of nature,<br />

which gives primacy to instinctual, untutored judgment formed in direct and daily contact with nature and<br />

uncorrupted by books, masters, fashion, or snobbery […]”(S. 391), auch einige ältere Überlegungen, die ausgerechnet<br />

aus dem Umkreis der Akademie stammen: “In order to shield their works from the arbitration of specialists with<br />

narrow definitions of artistic merit, seventeenth-century theorists of painting had invoked universal categories of<br />

judgment such as bon sens, goût, sentiment.”(S. 392) Insbesondere auf du Bos geht sie ein, dem sie “[…] one of the most<br />

detailed theories of the public […]” und eine “[…] théorie de l’ignorant which legitimized popular sentiment as an<br />

instance of esthetic judgment […]” zuschreibt. Ibid.<br />

148


être jugés en dernier ressort par l’œil du public […]”. 246 Allerdings ist man geneigt, solchen<br />

Texten eine weitgehend idealistische, die Realität verklärende Sicht der Dinge zu unterstellen.<br />

Letzlich zu beweisen ist das sicher nicht, doch werden solche Zweifel immerhin genährt von<br />

einem der wenigen in diesem Zusammenhang relevanten, und dennoch von literarischen<br />

‘Zwängen’ und kunsttheoretischen Überzeugungen unbeeinflußten Zeugnisse des 18. Jahr-<br />

hunderts. Gemeint ist ein Vernehmungsprotokoll aus dem Jahr 1791, von dem Wrigley<br />

berichtet. Es hält die Aussage eines garçon boulanger namens Jacques Battin fest, der im Zuge<br />

der Ermittlungen zu einigen - wie es scheint keineswegs seltenen - Taschendiebstälen im<br />

Salon vernommen wurde. Battin, so faßt Wrigley es zusammen, gab an, “that he had visited<br />

the Salon four times, but when asked if this was because he was a ‘connoisseur en tableaux’,<br />

he replied that it was a result of having nothing to do and the bad weather.” 247<br />

- iv -<br />

RESÜMEE<br />

Wie schon zu Beginn des Kapitels festgestellt, sind die Darstellungen von Kunstbetrachtern<br />

im 18. Jahrhundert breiter gefächert als zuvor. Das gilt sowohl im Hinblick auf ihre Herkunft -<br />

Paris, London und Rom 248 sind die neuen ‘Hochburgen’ -, als auch bezüglich der Art der ge-<br />

zeigten Orte und Institutionen der Rezeption von Kunst. Außer Schilderungen von fiktiven<br />

und tatsächlich existierenden Sammlungen finden sich jetzt auch - unzweifelhaft als solche<br />

zu erkennende - Bilder von Kunsthandlungen, von Auktionen und Straßenhändlern, sowie<br />

von den sich immer weiter verbreitenden Ausstellungen. In den Darstellungen spiegelt sich<br />

also u. a. die in diesem Jahrhundert um sich greifende Ver-Öffentlichung von Kunst wider;<br />

wenn auch anscheinend bisweilen idealisiert hinsichtlich der sozialen Zusammensetzung des<br />

Publikums, 249 wie etwa ein Vergleich mit Texten zum Pariser Salon nahelegt. Man ist ver-<br />

sucht, hier einen Zusammenhang mit dem Umstand zu sehen, daß das Motiv des Kunstbe-<br />

246 Louis-Sébastien Mercier: Le Tableau de Paris. 12 Bände. Amsterdam, 1782 - 88. Bd. V, S. S. 319. Zitiert n.<br />

Bernadette Fort: “Voice of of the Public... (siehe Anm. 188). S. 392/3.<br />

247 Richard Wrigley: The Origins of French Art Criticism ... (siehe Anm. 175). S. 91. Der Salon, darauf gilt es hier<br />

noch einmal zu hinzuweisen, war aufgrund des freien Eintritts wohl einer der wenigen öffentlichen Orte in Paris -<br />

wenn nicht der einzige -, die bei schlechtem Wetter nicht nur eine Zuflucht, sondern auch eine Freizeitbeschäftigung<br />

boten.<br />

In Zolas »L’Assommoir« von 1877 geht eine Hochzeitsgesellschaft aus genau diesen Gründen in den Louvre und<br />

verirrt sich (siehe unten).<br />

248 Was Rom oder allgemeiner Italien angeht, so ist allerdings anzumerken, daß es hier anscheinend vor allem<br />

ausländische Maler und Zeichner sind, die sich mit dem Motiv des Kunstbetrachters beschäftigen.<br />

249 Wohl nur eine eingehende kostümkundliche Untersuchung könnte in diesem Punkt größere Klarheit bringen.<br />

149


trachters jetzt überwiegend im Medium der Graphik behandelt wird, 250 in dem man nicht nur<br />

schneller - sprich sehr zeitnah, etwa an einer Ausstellung -, sondern auch billiger und in<br />

größeren Auflagen, und somit für ein breiteres Publikum produzieren konnte.<br />

Bei einem Vergleich mit den Beispielen des 17. Jahrhunderts entsteht der Eindruck, als<br />

gerate die Gewichtung zwischen dem Personal und den Bildern-im-Bild - oder allgemeiner<br />

den präsentierten Objekten, vorrangig Kunstwerken - im 18. Jahrhundert in Bewegung. Kam<br />

diesen beiden Elementen in den gemalten Galerien Antwerpens meist in etwa die gleiche<br />

Wichtigkeit zu, so verschiebt sie sich nun häufiger; mal in die eine, mal in die andere<br />

Richtung, 251 insgesamt aber wohl überwiegend zugunsten des Personals.<br />

Darin manifestiert sich womöglich ein zu Teilen gewandeltes Interesse an den Besuchern.<br />

Die drei Typen, von denen am Ende des ersten Kapitels die Rede war, finden sich in ähnlicher<br />

Form auch weiterhin: vorbildhafte Kunstbetrachter - wobei es nun allerdings weniger um<br />

wissenschaftliche oder religiöse Erkenntnis als um kennerschaftliche Aspekte zu gehen<br />

scheint -, desweiteren portraitierte Personen, die in erster Linie repräsentativ auf den realen<br />

Betrachter ausgerichtet sind, und solche, die anscheinend eine eher beiläufige Beschäftigung<br />

mit den Kunstwerken pflegen. Hinzu kommen mit den neuen Orten und Institutionen der<br />

Kunstbetrachtung natürlich auch neue soziale Schichten und Motive - etwa die einfache<br />

Familie vor den Drucken des ambulanten Dorfhändlers oder die eher verschlagenen Geschäftemacher<br />

bei einer Auktion. 252<br />

Darüberhinaus aber, und das dürfte entscheidend sein, richtet sich das Interesse in der zwei-<br />

ten Hälfte des Jahrhunderts mehr und mehr auf die Eigenheiten sowie die individuellen Ver-<br />

haltensweisen und Vorlieben der dargestellten Charaktere. 253 Das gilt keineswegs nur für jene<br />

Darstellungen, die unter der Rubrik “Konzentration auf das Personal” besprochen wurden<br />

und in denen der Betrachterstandpunkt relativ nah an die - zahlenmäßig meist stark redu-<br />

zierten - Akteure herangerückt ist. So entsteht in der Zusammenschau das Bild einer deutlich<br />

gesteigerten Vielgestaltigkeit des Publikums.<br />

Im Gegensatz dazu scheinen die individuellen Züge der wiedergegebenen Kunstwerke<br />

eher zu verblassen. Im vorangegangenen Jahrhundert wurden vor allem die Bilder-im-Bild,<br />

seien es Kopien oder ‘Erfindungen’ in der besonderen Art der jeweiligen Künstler, zumeist<br />

mit größter Akkuratesse geschildert, galt es doch nicht nur die Kompositionen, sondern zu-<br />

250 Das gilt insbesondere für die neueren Orte der Kunstbetrachtung, aber es gibt, wie gesehen, durchaus auch eine<br />

Reihe von Sammlungsdarstellungen in der Graphik (vgl. etwa ABB. II 160ff. u. ABB. II 280ff.).<br />

251 Vgl. etwa ABB. II 131 bis II 150, II 240, II 400 oder II 540 auf der einen und ABB. II 160ff. II 610f. oder II 630ff auf<br />

der anderen Seite.<br />

252 Vgl. ABB. II 460 bzw. II 450.<br />

253 Das geschieht häufig, aber keineswegs ausschließlich in einer deutlich pointierenden, bisweilen gar karikierenden<br />

Form. Vgl. etwa ABB. II 140, II 250, II 290, II 420, II 540f, II 580 oder II 620.<br />

150


dem die typische Manier der Maler zu imitieren. 254 Damit demonstrierte man sicher nicht<br />

zuletzt die eigene handwerkliche Meisterschaft und Anverwandlungsfähigkeit. Im 18. Jahr-<br />

hundert hingegen ist die Darstellung von Kunstwerken häufig reduziert auf mal mehr, mal<br />

weniger skizzenhafte Kompositionsangaben, teilweise gar auf bloße Rahmenformen. Das<br />

geschieht vornehmlich, aber nicht ausschließlich in der Graphik. 255 Abgesehen davon finden<br />

sich auch Bilder-im-Bild, die recht genau ausgearbeitet sind, doch zuweilen tendieren diese<br />

dann dazu, in einer gewissen Gleichförmigkeit des Gesamtarrangements unterzugehen. 256 Sie<br />

sind dann eher ein nüchtern aufzählender Katalog als ein die Essenz erfassendes - oder auch<br />

erst erschaffendes - ‘Portrait’ einer Sammlung oder einer Ausstellung.<br />

Im Zusammenhang mit den Darstellungen des 17. Jahrhunderts hat man meist den<br />

Eindruck, als gehe es in erster Linie darum, das Idealbild einer Sammlung und oft auch des<br />

Umgangs mit ihr vorzuführen. Im Vordergrund steht das exemplum. Die Beispiele des 18.<br />

Jahrhunderts wirken im Unterschied dazu deskriptiver, eher so, als sei ihr Ziel die Wieder-<br />

gabe eines bestimmten Ereignisses, das Festhalten eines Zustands - einer Ausstellung, einer<br />

Sammlung - oder aber die Schilderung des Typischen - im Gegensatz zu zum Vorbildhaften -,<br />

sowie gelegentlich auch des Besonderen und Skurrilen.<br />

254 Das ist indessen sicher nicht allein auf die ‘realistische’ Tradition der niederländischen Malerei jener Zeit<br />

zurückzuführen, über die man damit ja offensichtlich um einiges hinausging.<br />

255 Vgl. etwa Watteaus »Enseigne de Gersaint« (ABB. II 400).<br />

256 Vgl. etwa ABB. II 20 - II 60, II 90, II 100, II 630ff oder II 680.<br />

151


Kapitel III<br />

Das 19. Jahrhundert


Im vorangegangenen Kapitel ließen sich drei Orte oder Institutionen der Kunstbetrachtung<br />

sinnvoll unterscheiden. In diesem letzten nun, das die Entwicklung des Betrachtermotivs im<br />

19. Jahrhundert zum Gegenstand hat, sind es vier. Zu Privatsammlung, Kunsthandlung und<br />

Ausstellung kommt das Museum hinzu. Es stellt den wohl letzten großen Schritt der Ver-Öf-<br />

fentlichung von Kunst dar, zumindest nach der spätestens seit der französischen Revolution<br />

Verbreitung findenden Idee des Museums als Volksbildungsstätte. 1<br />

Die Privatsammlungen, insbesondere die des Adels, waren meist sehr exklusiven Kreisen<br />

vorbehalten, zu denen neben dem Umfeld des jeweiligen Besitzers auch Künstler, Kenner, Ge-<br />

lehrte und interessierte ‘Touristen’ gehörten, sofern sie über ein gewisses Ansehen verfügten<br />

- sei es fachlich, sei es gesellschaftlich - oder aber ein akzeptables Empfehlungsschreiben vor-<br />

weisen konnten. 2 Beim Kunsthandel dürfte die entscheidende ‘Zugangsvorraussetzung’ die<br />

tatsächliche oder vermeintliche - und zumindest theoretisch von der gesellschaftlichen Repu-<br />

tation unabhängige - Kaufkraft des Interessenten gewesen sein. Allerdings boten Straßen-<br />

händler, Marktstände oder zur Straße geöffnete Ladenlokale, wie z. B. das Gersaints, auch dem<br />

einfachen Volk die Möglichkeit, Kunstwerke in Augenschein zu nehmen oder vielleicht gar<br />

zu erwerben. Ausstellungen schließlich waren offiziell wohl meist öffentliche Veranstaltun-<br />

gen. Tatsächlich aber traf das anscnd nur auf die Pariser Salons und die Festtagsausstellungen<br />

auf frei zugänglichen Plätzen zu, da das Erheben eines Eintrittsgeldes in vielen anderen Fällen<br />

große Teile der Öffentlichkeit faktisch ausschloß. Zudem dürfte der Anlaß vor allem eine<br />

Selbstdarstellung der Künstler oder der Akademie gewesen sein.<br />

Auch beim öffentlichen Museum, wie es sich weitgehend erst seit der französischen Revo-<br />

lution entwickelte, wird der Aspekt der Repräsentation eine Rolle gespielt haben. Die ent-<br />

scheidende Idee aber bestand darin, einen Ort zu schaffen, der nicht nur die Bedürfnisse von<br />

bereits Interessierten und Kennern zu stillen versprach, sondern auch geeignet war, uner-<br />

fahrene Besucher an Kunst heranzuführen und, so dachte man anscheinend, auch zu ‘besse-<br />

ren’ Menschen zu machen. 3 Bevor jedoch die Darstellungen des öffentlichen Museums näher<br />

1 Sicher finden sich schon vorher Sammlungen, die als Museum bezeichnet wurden, aber um öffentliche Einrichtungen<br />

im Sinne einer Zugänglichkeit für jedermann, ohne Ansehen der Person dürfte es sich nur selten gehandelt<br />

haben (vgl. unten).<br />

In einigen Fällen schließt sich der Kreis zur Privatsammlung auch wieder, denn so manche Schilderung, etwa von<br />

Staatsakten, scheint das jeweilige - öffentliche - Museum wie den Privatbesitz des gastgebenden Oberhaupts zu inszenieren.<br />

2 Eine Ausnahme könnten nach Liebenwein (vgl. Kap 1, S. 23) die Sammlungen in den römischen Kardinalsgärten<br />

sein; obschon auch da die Frage bleibt, ob tatsächlich jedem Zutritt gewährt wurde und ob sich diese Besucher -<br />

neben dem Garten - auch alle für die Kunstwerke als solche interessierten.<br />

3 ”Le désir d’être utile aux industriels et aux ouvriers tout autant qu’aux artistes ne saurait justifier à lui seul tant<br />

de zèle au service des musées. Derrière cette volonté perce une préoccupation profonde, rarement inconsciente: celle<br />

de «moraliser» la societé.” (meine Hervorhebung) Chantal Georgel: “Le musée, lieu d’enseignement, d’instruction et<br />

d’édification”, in: La Jeunesse Des Musées. Les musée de France au XIXe siècle. (Ausst.-Kat. Musée d’Orsay, Paris)<br />

155


ins Blickfeld gerückt werden, soll zunächst auf die weitere Entwicklung der bildlichen Ver-<br />

dichtungen des Kunstbetrachtermotivs an jenen Orten, an denen es schon im 18. Jahrhundert<br />

zu finden war, eingegangen werden.<br />

- i -<br />

DAS AUSSTELLUNGSBILD<br />

ERSTE ANSICHTEN DES NACHREVOLUTIONÄREN SALONS. Auch nach der Revolution von 1789<br />

fand der Pariser Salon regelmäßig statt. 4 Zwar wurde die Académie Royale de Peinture et<br />

Sculpture wie die anderen königlichen Akademien am 8. August 1793 aufgelöst, doch die 1790<br />

von David gegründete und im Juli 1793 vom Konvent offiziell bestätigte Commune Générale<br />

des Arts hatte die Organisation der Ausstellung eben dieses Jahres - zweifellos schon vor der<br />

Auflösung der Akademie - übernommen und konnte die Veranstaltung am 10. August, dem<br />

ersten Jahrestag der Festsetzung der königlichen Familie, eröffnen. 5 Die entscheidenden<br />

Änderungen für den Salon bestanden wohl darin, daß ihn nun alle Künstler - Franzosen oder<br />

Ausländer, organisiert oder nicht - als Forum für ihre Werke nutzen konnten und daß er<br />

jährlich stattfinden sollte. 6 Die Zahl der gezeigten Stücke wuchs sprunghaft an und die Qua-<br />

lität litt. 7 So wurde 1798 eine Auswahljury eingesetzt, aber wegen zahlreicher Proteste schon<br />

im Folgejahr wieder abgeschafft. 8<br />

Zu den wohl frühesten Darstellungen des Pariser Salons nach der Revolution gehören<br />

sechs Blätter von Antoine-Maxime Monsaldy (1768 - 1816) und G. Devisme, an denen im Ver-<br />

gleich mit den vorangegangenen Beispielen ganz unmittelbar die neumodische Kleidung der<br />

Paris, 1994. (S. 58 - 70) S. 66. Und Hochreiter schreibt - bezugnehmend auf eine Denkschrift von Schinkel und Waagen:<br />

“Die Befriedigung dieses Bildungsanspruchs hob nicht in erster Linie auf den Erwerb historischer Kenntnisse<br />

ab, sondern zielte auf ästhetische Erbauung des Betrachters, der sich via Kunst zum verfeinerten, moralischen Individuum<br />

bilden sollte.” (meine Hervorhebung) Walter Hochreiter: Vom Musentempel zum Lernort. Zur Sozialgeschichte<br />

Deutscher Museen 1800 - 1914. Darmstadt, 1994. S. 34.<br />

4 Sogar der Salon des Jahres 1789 selbst scheint abgehalten worden zu sein. Zur hier nur skizzierten Entwicklung<br />

des Salons und der Akademie in der Zeit nach 1789 vgl. The Triumph of Art for the Public. The emerging Role of Exhibitions<br />

and Critics. Selected and edited by Elizabeth Gilmore Holt. New York, 1979. S. 39 - 45 und Patricia<br />

Mainardi: The end of the Salon: art and the state in the early Third Republic. Cambridge u.a., 1993.<br />

5 Erst im Oktober 1795 wurde das Institut de France gegründet, das die bereits aufgelösten Akademien in veränderter<br />

Form ‘weiterführte’.<br />

6 Zur schwelenden Auseinandersetzung zwischen den ‘ent-privilegierten’ Akademikern und den Nichtakademikern<br />

vgl. Patricia Mainardi: The end of the Salon... (siehe Anm. 4). S. 16 - 33. Dieser Streit manifestierte sich auch<br />

immer wieder an der Frage, ob der Salon jährlich oder nur alle zwei Jahre oder gar noch seltener ausgerichtet<br />

werden sollte (dort findet sich auch eine Tabelle, der zu entnehmen ist, in welchen Jahren der Salon tatsächlich<br />

abgehalten wurde). Den Akademikern, so scheint es fast, konnte es kaum selten genug sein - durch eine jährlich Veranstaltung,<br />

so argumentierten sie, verkäme der Salon zu einem Bazar.<br />

7 Waren es 1789 noch 423 Werke (von 88 Künstlern), so waren es 1793 schon 1462.<br />

8 Auch danach wurde mehrfach der Versuch gemacht, wieder eine Jury einzusetzen. Auf Dauer aber konnte sich anscheinend<br />

keine von ihnen halten. Vgl. Kunstschrift (Den Haag). 3/1995. S. 13.<br />

156


Besucher auffällt, insbesondere die Zylinder der Herren. Zwei der Drucke zeigen den Salon<br />

des Jahres 1800 (ABB. III 10 u. III 20), die übrigen vier einen Blick in die Ausstellung von 1801<br />

(ABB. III 30 - III 60). 9 Die Tatsache, daß es sich - ähnlich wie bei Rambergs Zeichnungen der<br />

Royal-Academy-Ausstellung von 1784 - jeweils um mehrere Teilansichten ein und derselben<br />

Veranstaltung handelt, spricht dafür, daß die Druckfolgen als nüchterne und getreue Wieder-<br />

gaben der äußeren Umstände gedacht waren. Das bekräftigen neben den deutlich erkennbaren<br />

Bildern-im-Bild auch die sachlich beschreibenden Bildunterschriften - die, bis auf die Jahres-<br />

zahlen, in beiden Folgen identisch sind -: »Vue des Ouvrages de Peinture. Exposés au Muse-<br />

um Central des Arts en l’An VIII [bzw. IX], de la R. F.«.<br />

Im Gegensatz zu den Titeln weicht die Art der Darstellung in den beiden Jahren beträcht-<br />

lich voneinander ab. Die zwei Blätter von 1800 erinnern an Martinis Schilderung von 1787<br />

(ABB. II 710). Der Saal, von dem hier allerdings nicht drei, sondern zweimal zwei Wände<br />

gezeigt werden, wirkt deutlich überdimensioniert. Der Betrachterstandpunkt ist relativ weit<br />

vom ‘Geschehen’ entfernt, man sieht außer dem Personal und den Ausstellungsstücken auch<br />

einen guten Teil der leeren Wände oberhalb der Gemälde. 10 Die Besucherfiguren sind recht<br />

klein und ausgesprochen zahlreich, aber dennoch mit erkennbarer Abwechslung bezüglich<br />

Haltung, Gebärde, Geschlecht und Altersgruppe ausgeführt. Trotz dieser Differenziertheit<br />

jedoch entsteht hier stärker als bei Martini der Eindruck einer gleichförmigen Menge. Der<br />

Grund dafür dürfte vor allem in der weniger starken Aufsicht liegen. Sie hat zur Folge, daß<br />

das Personal nur noch einen sehr schmalen Streifen am unteren Bildrand einnimmt und die<br />

hinteren Reihen bis auf Köpfe bzw. Hüte von den vorderen verdeckt werden. Zudem neigen<br />

die durchaus auszumachenden Abstände zwischen den verschiedenen Gruppen in dieser<br />

Perspektive gleichsam dazu zu schrumpfen.<br />

Ganz anders sind die vier Stiche von 1801 angelegt (ABB. III 30 - III 60). Jedes der deutlich<br />

zeichnerischer ausgeführten Blätter konzentriert sich auf das Arrangement der Ausstellungs-<br />

stücke an einer Wand. 11 Der reale Betrachter ist näher an die Szenerie herangerückt, die<br />

unbehängte Fläche oberhalb der Gemälde ist nur ansatzweise sichtbar. Der Saal wirkt kleiner.<br />

Der hervorstechendste Unterschied aber ist das drastisch reduzierte Personal. Im Ausstel-<br />

lungsraum finden sich - recht bemüht verteilt - nur einige Einzelpersonen und kleinere Grup-<br />

pen. Lediglich in einer der vier Darstellungen sieht man in einem Durchblick einen relativ<br />

dichtgedrängten Pulk von Leuten auf dem Weg in den Saal im Vordergrund. Trotz einiger -<br />

9 Bibliotheque Nationale, Paris.<br />

10 Diese Art der Präsentation verwundert insofern, als man die Gemälde - nicht nur laut Martinis Ansichten - bei<br />

früheren Salons trotz einer erheblich kleineren Zahl von Werken noch um einiges höher gehängt hatte.<br />

11 Darüberhinaus ist ein kleines Stück der jeweils angrenzenden Wände zu sehen. Die als Konsequenz davon<br />

doppelt wiedergegebenen Gemälde erlauben es, die genaue Abfolge der Wände zu bestimmen.<br />

157


teilweise recht theatralischer - Zeige- bzw. Diskussionsgesten und genrehafter Einschübe, wie<br />

z. B. der ‘Auseinandersetzung’ eines Hundes mit seinem Herrn, wirkt das Personal recht steif<br />

und statisch. Die einzelnen Gruppen erscheinen in sich noch einigermaßen überzeugend,<br />

untereinander aber seltsam unverbunden; man meint, ihnen ihre Herkunft aus den verschie-<br />

densten - etwa im Skizzen- oder Vorlagenbuch des Künstlers gesammelten - Zusammenhän-<br />

gen anzusehen. Selbst vor den ausgestellten Bildern, dem eigentlichen Grund ihres<br />

Kommens, so ist man geneigt, Koch zuzustimmen, “[…] bewegen sie [die Besucher] sich fremd<br />

[…]”. 12<br />

»DIE ÖFFENTLICHKEIT BESIEHT SICH DAVIDS GEMÄLDE DER KRÖNUNG VON NAPOLEON UND<br />

JOSEPHINE«. So oder ähnlich ist eine aquarellierte Zeichnung von Louis-Léopold Boilly (1761 -<br />

1845) zu betiteln, die in der Woodner-Collection aufbewahrt wird (ABB. III 70). 13 Wie bei den<br />

Blättern von Monsaldy und Devisme aus dem Jahr 1800 (ABB. III 10 u. III 20) liegt der<br />

Betrachterstandpunkt in etwa auf einer Höhe mit den dargestellten Personen, der Abstand zu<br />

ihnen jedoch ist kleiner geworden, wenn auch in Form eines Bodenstreifens noch deutlich<br />

sichtbar vorhanden. So sind auch hier die hinteren Besucherreihen zu großen Teilen auf<br />

Köpfe und Hüte reduziert. Die vorderen aber sind um einiges differenzierter ausgeführt. Die<br />

Gesichtszüge etwa erscheinen individueller, allerdings keinesfalls portraithaft. Erst auf den<br />

zweiten Blick fällt auf, daß in dieser Zeichnung zu einem der ersten Male, selbst wenn nur im<br />

Mittelgrund - links -, auch einige Vertreter des einfacheren Volks als Besucher in einem Ausstellungszusammenhang<br />

klar zu erkennen sind. 14<br />

Das Gros des dichtgedrängten Personals scheint sich lebhaft für das Ausstellungstück zu<br />

interessieren. Sofern sie nicht in dessen Richtung schauen, sind sie zumeist in Gespräche<br />

verwickelt, die sich, wie Gesten und Blicke einzelner aus der jeweiligen Gruppe nahelegen,<br />

auf das Gemälde beziehen. Eine Ausnahme stellt möglicherweise ein Paar etwas links von der<br />

Mitte dar, beide sind - ebenso wie anscheinend zwei Neugierige rechts bzw. links hinter ihnen<br />

- mit einem Blatt in ihren Händen beschäftigt, das nicht genauer zu erkennen ist. Allerdings<br />

12 G. F. Koch. Die Kunstausstellung. Ihre Geschichte von den Anfängen bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts.<br />

Berlin, 1967. S. 182.<br />

13 59,4 x 80,3 cm. Collection Dian and Andrea Woodner, New York. A. C. Danto datiert die Zeichnung auf um 1810.<br />

Andererseits aber fand die Präsentation, die sie zeigt, seinen Angaben nach bereits 1808 statt. Wenn es sich jedoch,<br />

wie das ‘um’ (“c. 1810”) vermuten läßt, nicht um eine gesicherte Datierung handelt, fragt man sich, warum er annimmt,<br />

die Zeichnung sei erst zwei Jahre nach dem Ereignis, das sie thematisiert, entstanden. Arthur C. Danto:<br />

Mark Tansey. Visions and Revisions. New York, 1992. S. 6 u. 7. Vgl. auch das Gemälde nach dieser Zeichnung (ABB.<br />

III 71).<br />

14 In einem der vier Stiche von Monsaldy und Devisme aus dem Jahr 1801 (ABB. III 30) stehen links zwei Männer<br />

mit Dreispitz und ein Frau mit einem sehr kurzen Kleid, die wahrscheinlich ebenfalls dem einfachen Volk zuzurechnen<br />

sind.<br />

158


könnte dieses Papier auch einen Bezug zu dem dargestellten Ereignis oder dem Gemälde<br />

Davids haben, ähnlich wie vielleicht das Buch des Offiziers ganz links, der recht offensichtlich<br />

Informationen aus dem mitgebrachten Band mit dem präsentierten Werk vergleicht. 15<br />

Danto schreibt zu dieser Zeichnung: “Boilly’s drawing is about a picture in the simplest<br />

way a picture can be about a picture: it shows us, clearly, what a picture looked like. It is about a<br />

picture only in the sense that it shows the picture, as it would show a window or a door, as<br />

something visually there […]”. 16 Ganz so simpel aber, wie Danto behauptet, verhält es sich<br />

nicht. Boillys Zeich-nung geht deutlich über die visuelle Schilderung eines Gemäldes hinaus.<br />

Außer dem Stück selbst zeigt sie eben auch, wie es in dem nüchternen Saal in Szene gesetzt<br />

wird: als monumentaler Solitär, unverdeckt plaziert oberhalb der Köpfe des ausgesprochen<br />

zahlreichen Publikums, das anscheinend allein dieses Werkes wegen gekommen ist. Zudem<br />

fällt auf, daß das Personal um einiges differenzierter ausgearbeitet ist als das Bild-im-Bild, 17<br />

was dafür spricht, daß das Interesse Boillys vorrangig den Besuchern galt.<br />

Davids Gemälde dient indessen keineswegs als bloße, austauschbare Folie für deren ‘Auf-<br />

tritt’, sondern ist durchaus selbst von Bedeutung, wie allein der bereits angedeutete Umstand<br />

belegt, daß hier, im Gegensatz zu den vorangegangenen Ausstellungsbildern, die Präsentation<br />

eines einzelnen und damit ganz außerordentlich hervorgehobenen Kunstwerks wieder-<br />

gegeben wird. 18 Wichtig in diesem Zusammenhang ist, daß die Bedeutung, die diesem Ge-<br />

mälde zugemessen wird, neben seinem künstlerischen Wert und dem Ansehen des Malers<br />

auch auf das darin festgehaltene politische Ereignis zurückzuführen ist.<br />

Die Ausstellung, wie Boilly sie zeigt, zielt nicht allein darauf ab, den Besuchern ein Werk<br />

des Künstlers David vorzuführen, sondern auch und wohl vor allem darauf, sie auf diese<br />

Weise noch nachträglich dem darin als historisch besonders bedeutend propagierten Akt der<br />

Krönung beiwohnen zu lassen. Durch die große Besuchermenge und deren lebhaftes Interesse<br />

demonstriert und verstärkt die Zeichnung zudem die repräsentative Funktion des<br />

ausgestellten Gemäldes.<br />

15 Es könnte sich bei dem Buch etwa um einen Jahres-Almanach handeln, in dem die Krönung geschildert wird. Die<br />

hatte bereits 1804 stattgefunden, also, nach Danto, vier Jahre vor der ersten öffentlichen Präsentation des Gemäldes.<br />

Vgl. Anm. 13.<br />

16 A. C. Danto: Mark Tansey... (siehe Anm. 13). S. 7.<br />

17 So ist es auch nicht recht nachzuvollziehen, wenn Danto davon spricht, “[…] that the crowd within the picture<br />

of Napoleon crowning himself in the Cathedral of Notre-Dame seems to spill out into the Grande Galerie of the<br />

Louvre […]” (ibid.), zu deutlich sind diese Bereiche voneinander abgegrenzt - auch durch Hängung und Rahmung des<br />

Bildes-im-Bild. Vgl. ABB. III 730 als ein in dieser Hinsicht tatsächlich überzeugendes Beispiel.<br />

18 Selbst falls es sich nicht um die Ausstellung eines einzelnen Gemäldes handeln sollte - wofür es keine konkreten<br />

Anhaltspunkte gibt - bleibt der Umstand, daß anders als bislang zumindest kein weiteres Stück in seiner näheren<br />

Umgebung plaziert ist.<br />

159


INGRES ZEICHNET DEN SALON. Mit dem Pseudonym “Regni”, einem leicht verstümmelten<br />

Anagramm seines Nachnamens, signierte Jean-Auguste-Dominique Ingres (1780 - 1867) eine<br />

Zeichnung des Salons von 1824, die man allein von der Anschauung her wohl nicht un-<br />

bedingt in Zusammenhang mit seinem Œuvre bringen würde (ABB. III 80). 19 Das ausge-<br />

sprochen skizzenhaft angelegte Blatt zeigt lediglich einen Ausschnitt einer Wand des Ausstel-<br />

lungssaales. Nur vier Gemälde sind etwas genauer zu erkennen, fünf weitere sind angedeutet,<br />

werden jedoch vom Bildrand überschnitten oder von Personal verdeckt.<br />

Abgesehen von einigen Gestalten im Durchblick rechts finden sich im Vordergrund zirka<br />

zwanzig Besucher, vornehmlich in Rücken- und Seitenansicht. Sie stehen relativ gleich-<br />

mäßig verteilt entlang einer Balustrade vor den Gemälden. Dem Personal scheint mehr<br />

Aufmerksamkeit gewidmet als den Bildern-im-Bild. Es ist detaillierter, aber gleichwohl noch<br />

skizzenhaft ausgeführt. So werden nicht nur Varianten der Haartracht und der Kleidung ge-<br />

schildert, sondern auch einige Körperhaltungen amüsant überzeichnet - etwa der hoch-<br />

fliegende Zopf des Herrn in der Mitte, der sich anscheinend gerade übermäßig rasant nach<br />

vorne beugt, oder der seltsam steif nach oben schauende Mann mit dem Katalog ein wenig<br />

weiter links. Indessen macht es nicht den Eindruck, als ginge es hier, auch nicht indirekt, um<br />

eine ernsthafte Kritik an der inneren Haltung des Publikums zu den Kunstwerken. Es wirkt<br />

eher wie die wohlwollende Schilderung einiger Eigenheiten.<br />

Bei Aulanier wird mit »Le vœu de Louis XIII au Salon de 1824« ein Titel für die Zeichnung<br />

angegeben, der zunächst ein wenig seltsam wirkt. 20 Grund dafür ist die Diskrepanz zwischen<br />

den nur grob angedeuteten Bildern-im-Bild, von denen keines durch seine Plazierung oder<br />

auch ein stärkeres Interesse der Besucher hervorgehoben ist, und der im Zusammenhang<br />

damit scheinbar unangebrachten Konkretheit des Titels, der nun doch eines der vier gleicher-<br />

maßen abbrevierten Stücke besonders herausstellt. Bei genauerer Betrachtung erkennt man<br />

allerdings, daß eines dieser Bilder-im-Bild, das rechte, unten am Rahmen beschriftet ist:<br />

“[L.(?)] Vœu L. XIII”. Das aber deutet daraufhin, daß der bei Aulanier angegebene Titel, selbst<br />

wenn er erst nachträglich entstanden sein sollte, der ursprünglichen Intention des Zeichners<br />

folgt. Tatsächlich handelt es sich bei dem betitelten Stück um ein Gemälde von Ingres selbst,<br />

das beim Salon von 1824 weithin beachtet wurde.<br />

Somit könnte man annehmen, daß Ingres zunächst schlicht daran gelegen war, grob fest-<br />

zuhalten, wie und wo sein Werk in der Ausstellung plaziert war, 21 sich dann aber auch für die<br />

19 Cabinet des Dessin, Musée du Louvre, Paris; RF. 3.534.<br />

20 Histoire du Palais et du Musée du Louvre (? Bände. Bd. ?): Le Salon Carré. Préface de G. Salles. Texte par Christiane<br />

Aulanier (od. als Autorin??). Paris, 19??. Abb. 44.<br />

21 In diesem Zusammenhang ist auf ein Gemälde von François-Joseph Heim hinzuweisen, das zeigt, wie Karl X. am<br />

Ende des Salons von 1824 die Auszeichnungen verleiht und die Akademie wieder zur Repräsentation des Königs<br />

dient (ABB. III 81) - ebenso wie das Sujet von Ingres Salonbeitrag ein deutliches Zeichen für den Erfolg der Restaura<br />

160


Besucher und ihr Verhalten interessierte und Gefallen daran fand, einige ihrer Eigenheiten<br />

leicht pointiert wiederzugeben. 22<br />

THE BRITISH INSTITUTION. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts bemühten sich in London ver-<br />

schiedene Gruppierungen, weitere Ausstellungsveranstaltungen neben jenen der Royal Aca-<br />

demy zu etablieren. 23 Eine der wichtigsten und erfolgreichsten dieser Vereinigungen war die<br />

1805 gegründete British Institution for Promoting the Fine Arts - so die vollständige Be-<br />

zeichnung. 24 Ihr Ziel bestand insbesondere darin, die vernachlässigte zeitgenössische Histo-<br />

rienmalerei zu befördern. 25 Zu diesem Zweck wurden nicht nur Ausstellungen abgehalten,<br />

sondern auch Preisgelder ausgesetzt und eine Studiengalerie alter Meister eingerichtet, für die<br />

die Mitglieder leihweise Stücke aus ihren Sammlungen zur Verfügung stellten, “[…] damit<br />

Studenten danach kopieren könnten.” 26 Künstler waren, zumindest solange sie diese Pro-<br />

fession noch ausübten, gemäß einer Auflage des Königs von den führenden Positionen in der<br />

British Institution ausgeschlossen - nicht zuletzt wohl wegen einiger anhaltender und bis-<br />

weilen lähmender Auseinandersetzungen innerhalb der Akademie. 27 Die entscheidenden<br />

Funktionen hatten Kenner und Sammler inne.<br />

So entstanden fast unweigerlich Rivalitäten zwischen der Royal Academy und der British<br />

Institution bzw. deren jeweiligen Vertretern. “Die Spannungen zwischen Künstlern und Ken-<br />

nern erreichte[n] 1815 ihren Höhepunkt, als die British Institution eine Ausstellungs-Reihe<br />

mit Gemälden alter Meister begann.” 28 Darin sah man auf seiten der Akademie ein klares An-<br />

tion. Es fällt auf, daß sich das Salonstück Ingres bei Heim in anderer Umgebung befindet als in der besprochenen<br />

Zeichnung. Zwar sind anscheinend zumindest noch zwei weitere Bilder-im-Bild der Zeichnung Ingres, die beiden<br />

Hochformate links, auch bei Heim auszumachen, aber eben an anderen Positionen. Hat also einer der beiden die<br />

Werke ein wenig umarrangiert? Oder sollte dieser Aufwand womöglich für die Preisverleihung getrieben worden<br />

sein?<br />

22 Es scheint gar, als seien die Personen direkt vor Ingres Gemälde, ebenso wie jene im Durchblick rechts, weniger<br />

markant dargestellt, eher beiläufig und noch ohne besonderes Interesse, Staffage eben.<br />

23 Diese kurze Darstellung der British Institution folgt weitgehend einem Aufsatz Peter Funnels: “Die Londoner<br />

Kunstwelt und ihre Institutionen”, in: Metropole London. Macht und Glanz einer Weltstadt. (Ausst. Kat./ Villa Hügel,<br />

Essen) Recklinghausen, 1992. (S. 155 - 166) S. 157 - 162.<br />

24 Andere waren die British School, die aber bald scheiterte, oder etwa Zusammenschlüsse von Künstlern, deren<br />

Techniken “[…] von der Akademie nur ein niedriger Status zugebilligt wurde - Radierern und Aquarellmalern […]”<br />

(ibid., S. 157). Vgl. etwa George Scharfs Darstellung einer Ausstellung der New Society of Painters in Water Colours<br />

von 1834 (ABB. III 91).<br />

25 Sollte die tatsächliche Themenwahl in ihren Verteilungsverhältnissen auch nur annäherungsweise der in George<br />

Scharfs Aquarell der Ausstellung der Royal Academy von 1828 entsprochen haben (ABB. III 92), war eine solche<br />

Initiative auch dringend notwendig: bei Scharf hängen an den Wänden, wie es scheint, fast ausschließlich Portraits.<br />

26 Peter Funnel: “Die Londoner Kunstwelt und ... (siehe Anm. 23). S. 158.<br />

27 Vgl. ibid., S. 157 u. 158 und Palaces of Art. Art Galleries in Britain 1790 - 1990. (Ausst. Kat. Dulwich Picture Gallery,<br />

London; The National Gallery of Scotland) [London, 1991.]. S. 130.<br />

28 Peter Funnel: “Die Londoner Kunstwelt und ... (siehe Anm. 23). S. 161.<br />

161


zeichen dafür, daß die British Institution eines ihrer wichtigsten Prinzipien, die Förderung<br />

der zeitgenössischen britischen Kunst, vernachlässigte. 29 Anonym wurde zu dieser Veranstal-<br />

tung gar ein satirischer »Catalogue Raisonnée of the Pictures Now Exhibiting in Pall Mall« in<br />

Umlauf gebracht, bestehend “[…] vor allem aus Parodien auf die in der Ausstellung gezeigten<br />

Bilder und auf den Geschmack und die Kenntnisse der Direktoren […]”, 30 die zudem auch<br />

verbal als arrogant, überheblich und dergleichen mehr beschimpft wurden. Dem Erfolg tat das<br />

keinen Abbruch, und die British Institution richtete auch weiterhin Ausstellungen mit Werken<br />

alter Meister aus. 31<br />

Die Darstellung einer entsprechenden Veranstaltung des Folgejahres 1816 von den<br />

Brüdern James (1784 - 1847) und F. P. (1788 - 1860) Stephanoff 32 scheint in keinem näheren Zusam-<br />

menhang mit den beschriebenen Reaktionen aus den Reihen der Künstlerschaft zu stehen.<br />

Für eine Erwiderung der British Institution, selbst für eine inoffizielle, wäre das Aquarell<br />

wohl zu klein und zu wenig repräsentativ (ABB. III 90). 33 Zwar ist nicht auszuschließen, daß<br />

eine größere Ausführung wenigstens geplant war, doch würde man bei der Selbstdarstellung<br />

einer solchen Gesellschaft und des Öffentlichkeitswertes ihrer Veranstaltungen auch ein<br />

Publikum erwarten, das deutlicher enthusiasmiert ist als das gezeigte. 34<br />

Ebensowenig würde das Blatt als eine Fortführung der harschen Kritik des Catalogue Rai-<br />

sonnée überzeugen. Die Bilder-im-Bild werden in keiner Weise persifliert. Das Gros der<br />

Kompositionen ist gut zu erkennen und ihren Meistern zuzuordnen; 35 das gilt selbst für die -<br />

im Verhältnis zahlreicheren - perspektivisch verkürzten Gemälde an den Seitenwänden.<br />

Auch die lockere Hängung, die weit entfernt ist von der Gedrängtheit der Akademieausstel-<br />

lungen, erscheint vorbildlich. Allenfalls in der Schilderung der Besucher könnte man eine -<br />

jedoch sehr moderate - Kritik an deren Verhalten sehen. Zwar scheint sich das Gros von<br />

29 Der Grund dafür muß wohl der Umstand gewesen sein, daß diese Ausstellung anders als die Studiengalerie nicht<br />

allein der Weiterbildung der jungen Künstler diente, sondern an die gesamte Öffentlichkeit gerichtet war; es ist anzumerken,<br />

daß die British Institution von der ersten Ausstellung an ein Eintrittsgeld erhob, durch das die “lower orders”<br />

faktisch ausgeschlossen waren. Vgl. Palaces of Art... (siehe Anm. 27). S. 131.<br />

30 Peter Funnel: “Die Londoner Kunstwelt und ... (siehe Anm. 23). S. 161. Sonino gibt für diesen Katalog allerdings<br />

erst das Jahr 1816 an. Vgl. Annalisa Scarpa Sonino: Cabinet d’Amateur. Le Grandi Collezioni d’Arte nei Dipinti dal<br />

XVII al XIX Secolo. Mailand, 1992. S. 163.<br />

31 Allerdings konnte die Royal Academy viele Jahre später triumphieren - wenn es denn zu diesem Zeitpunkt<br />

überhaupt noch so empfunden wurde: “The British Institution continued its exhibitions until 1867, when its lease<br />

expired and its functions were assumed by the Royal Academy.” Palaces of Art... (siehe Anm. 27). S. 131.<br />

32 Von James Stephanoff stammen auch eine ganze Reihe von Museumsdarstellungen.<br />

33 1817. Bleistift, Aquarell mit Weißhöhungen, 21 x 29 cm. Board of the Trustees of the Victoria and Albert Museum,<br />

London. Der Ausstellungsraum und die Bilder-im-Bild stammen von James, das Personal vom Jüngeren der Brüder.<br />

Vgl. ibid., Kat. Nr. D 13, S. 132.<br />

34 Auch eine ‘hausinterne’ <strong>Dokument</strong>ation der im Jahr 1816 fest installierten Gasbeleuchtung (ibid., S. 131) - falls<br />

es sich an der Decke überhaupt um jene handelt - dürfte nicht der Anlaß sein, da sonst wohl deren Qualitäten vorgeführt<br />

würden. Die Szene jedoch scheint von Tageslicht erhellt zu sein.<br />

35 Es finden sich etwa Murillo, Claude Lorrain und Titian.<br />

162


ihnen mit den gezeigten Gemälden zu beschäftigen, ihr tatsächliches Interesse daran jedoch<br />

wirkt eher beiläufig und matt. Es sind ungewöhnlich viele sitzende Personen auf unregel-<br />

mäßig im Raum verteilten Stühlen auszumachen. Einige von ihnen befinden sich zudem in<br />

verdrehten Körperhaltungen, da ‘ihre’ Sitzmöbel recht ungünstig im Bezug auf die anvi-<br />

sierten Gemälde ausgerichtet sind. Andere, auch unter den Stehenden, betrachten die Stücke<br />

nur aus großer Entfernung. Offensichtlich reicht das Interesse für die Werke nicht dazu aus,<br />

aufzustehen, sich dem jeweiligen Bild zu nähern oder wenigstens seinen Stuhl in eine<br />

bessere Position zu bringen.<br />

Während im Aquarell der Brüder Stephanoff deutlich der öffentliche Charakter der British<br />

Institution zum Ausdruck kommt, wirkt dieselbe Raumfolge in einem Gemälde von John<br />

Scarlett Davis (1804 - 1845) aus dem Jahr 1829 wie eine Privatsammlung (ABB. III 100). 36 Ein<br />

direkter Vergleich der beiden Stücke legt nahe, den Grund für den veränderten Eindruck bei<br />

Davis in dem kleineren Bildausschnitt und der im Verhältnis geringeren Zahl von Besu-<br />

chern zu sehen. Nimmt man jedoch noch eine dritte Darstellung hinzu, ist dieser Schluß<br />

wohl nicht zu halten. Gemeint ist ein - eher genrehaftes - Gemälde Alfred Joseph Woolmers<br />

(1805 - 1892), das die Räumlichkeiten der Gesellschaft während einer Ausstellung des Jahres<br />

1833 zeigt (ABB. III 110). 37 Das weist ebenfalls die besagten Eigenschaften auf, doch eine<br />

ähnlich private Atmosphäre wird dadurch nicht erzeugt. Entscheidend für den Eindruck bei<br />

Davis dürfte also wohl noch etwas anderes sein: erstens die auf dem Boden stehenden Ge-<br />

mälde, die während des normalen Publikumsverkehrs dort wohl kaum zu finden gewesen<br />

wären und somit die anwesenden Personen als privilegiert vorführen, und zweitens die por-<br />

traithafte Schilderung der Besucher.<br />

Und in der Tat handelt es sich um reale Personen. Es sind der Kunstliebhaber John Scan-<br />

drett Hartford mit Frau und einer seiner Töchter im Mittelgrund und die Maler Benjamin<br />

West und Thomas James Northcote im Vordergrund. In ihrem Artikel zu diesem Bild be-<br />

schreibt Sonino Hartford nicht nur als prominenten Sammler, 38 sondern auch als “[…] una<br />

figura prestigio nella Bristol Institution for the Promotion of Literature, associazione di pro-<br />

vincia, ma dagli intenti paralleli a quelli dell’Instituzione londinese […]”, 39 und hebt damit<br />

wohl auf einen besonderen Bezug Hartfords zur British Institution ab. Darüberhinaus sieht<br />

36 Öl auf Leinwand, 113 x 142 cm. Yale Center for British Art, Paul Mellon Foundation, New Haven, Inv.-Nr.<br />

B1981.25.212.<br />

37 Öl auf Leinwand, 71,6 x 92,1 cm. Yale Center for British Art, Paul Mellon Foundation, New Haven, Inv.-Nr.<br />

B1981.25.694. Vgl. etwa Metropole London ... (siehe Anm. 23.). Kat.-Nr. 383; A. Scarpa Sonino: Cabinet d’Amateur<br />

... (siehe Anm. 30). S. 163 u. 165.<br />

38 “La sua collezione a Blaise Castle […] era famosa e richissima soprattutto di opere religiose di antichi maestri<br />

italiani […]”. Ibid., S. 165.<br />

39 Ibid.<br />

163


sie ihn aufgrund der Ausrichtung des Ehepaares auf den Betrachter und des Blicks, den die<br />

beiden jenem zuwerfen, als möglichen Auftraggeber des Gemäldes. Das erscheint durchaus<br />

plausibel, doch verwundert es ein wenig, daß der Platz im Vordergrund den Malern über-<br />

lassen bleibt - allerdings mag es sich dabei auch um eine Geste der Bescheidenheit handeln,<br />

die dem Kunstfreund gut zu Gesicht steht.<br />

Im Zusammenhang mit dieser Gruppe vorne links ist auf einige bedeutsame Umstände<br />

hinzuweisen. Es beginnt, wenn man so will, damit, daß das Gemälde, das den Gesprächs-<br />

gegenstand der beiden Herren bildet und auf diese Weise hervorgehoben wird, wohl als<br />

einziges der Bilder-im-Bild nicht in der Ausstellung von 1829 zu sehen war. 40 Es ist das Selbst-<br />

portrait eines der angesehensten Künstler Englands in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts<br />

und zugleich des ersten Präsidenten der Royal Academy, Sir Joshua Reynolds. Etwas Ähn-<br />

liches wie für dieses Bild gilt für den seitlich davon stehenden Benjamin West, auch seine<br />

Anwesenheit bei der Ausstellung von 1829 ist zwangsläufig eine ‘Erfindung’, da er schon 1820<br />

gestorben war. Doch es handelt sich nicht allein um ein fiktives Zusammentreffen zweier pro-<br />

minenter Maler vor dem Selbstportrait eines großen Vertreters ihrer Zunft. 41 Denn beide Be-<br />

trachter standen jeweils in einer besonderen Beziehung zu dem Portraitierten: Northcote war<br />

sein bevorzugter Schüler und West sein direkter Nachfolger im Amt des Akademieprä-<br />

sidenten, sie personifizieren seine Leistungen und ‘Nachwirkungen’ im Künstlerischen bzw.<br />

im Institutionellen. Diese hervorgehoben im Vordergrund plazierte Gruppe dürfte also als<br />

Ausdruck der großen Wertschätzung zu verstehen sein, die der Auftraggeber für Reynolds<br />

und dessen Wirken empfand.<br />

Es bleibt allerdings die Frage, wie bedeutsam angesichts der - zumindest einige Jahre zuvor<br />

noch großen - Spannungen zwischen British Institution und Royal Academy die Tatsache ist,<br />

daß hier in einer Ausstellung der ersteren außer dem auswärtigen Hartford als Sammler nur<br />

Vertreter der Künstler und sogar Präsidenten der ‘rivalisierenden’ Akademie dargestellt<br />

werden. 42 Man könnte immerhin vermuten, daß hierin auch eine Parteinahme für die aus<br />

den Entscheidungsgremien der British Institution ausgeschlossenen Produzenten zu sehen<br />

ist.<br />

40 Vgl. ibid. Auch ansonsten, so merkt Sonino dort an, entspricht die Hängung in Davis Gemälde nicht ganz der der<br />

tatsächlichen Ausstellung. Quelle dafür dürften der Katalog oder Besprechungen der Veranstaltung sein, die<br />

indessen lediglich die Hängung bei der Eröffnung festhalten. Bei einer frühen Vorbesichtigung, für die die umherstehenden<br />

Stücke ein Indiz sein könnten, mag das Arrangement noch ein wenig anders gewesen sein<br />

41 Dabei ist zu betonen, daß das Selbstportrait natürlich gleichermaßen Beispiel für seine künstlerische Meisterschaft<br />

wie Vergegenwärtigung seiner Person ist.<br />

42 Außer Reynolds im Bild-im-Bild und West als Besucher ist, wie Sonino anmerkt, indirekt noch ein dritter Akademiepräsident<br />

‘vertreten’: West ist dargestellt nach einem Portrait von seinem Nachfolger im Amt Thomas Lawrence<br />

(1769 - 1830). Vgl. Annalisa Scarpa Sonino: Cabinet d’Amateur ... (siehe Anm. 30). S. 164 u. 165). Zumindest<br />

Lawrence hatte sich früher deutlich über die in seinen Augen arrogante und anmaßende Haltung der Direktoren der<br />

British Institution geäußert. Vgl. Peter Funnel: “Die Londoner Kunstwelt und ... (siehe Anm. 23). S. 160.<br />

164


Ganz unabhängig aber von der konkreten Interpretation der Szene vorne links ist fest-<br />

zuhalten, daß sie durch ihre Bedeutungsgeladenheit, die zudem insbesondere vom Gegen-<br />

stand eines - nur fiktiv anwesenden - Bildes-im-Bild gespeist wird, auf die früheren Antwer-<br />

pener Darstellungen verweist.<br />

Im Unterschied zum Gros der Ausstellungsbilder ist Davis’ Gemälde weder eine vorrangig<br />

dokumentarische, noch eine genrehafte oder karikaturistisch überzeichnete Schilderung eines<br />

entsprechenden Ereignisses. Auch handelt es sich wohl nicht um so etwas wie eine Selbst-<br />

darstellung der ausstellenden Institution mit einem möglichst prestigeträchtigen Besucher.<br />

Nach dem bisherigen Stand erscheint es plausibel, von einem bescheiden repräsentativen Por-<br />

trait Hartfords mit Anhang auszugehen, in dem die Verbundenheit des Sammlers mit den<br />

beiden herausragenden Kunstinstitutionen Londons und seine besondere Wertschätzung für<br />

Reynolds - gleichermaßen als Maler und als Akademiepräsident - zum Ausdruck kommt.<br />

FRANÇOIS AUGUSTE BIARD: EINE DARSTELLUNG DES SALONS ‘IN EIGENER SACHE’. François Au-<br />

guste Biard (1798 - 1882) war nicht nur am Hofe Louis-Philippes - insbesondere als Portraitist -<br />

sehr angesehen, sondern auch beim breiten Publikum ausgesprochen beliebt. Die offensicht-<br />

liche Gefälligkeit seiner Malerei reizte eine ganze Reihe von schreibenden und zeichnenden<br />

Kritikern zu entsprechenden Kommentaren.<br />

“By the late 1830s, the popularity of Biard’s anecdotal paintings was conspicuous and noted with<br />

irony by many critics including Théophile Thoré, who complained that Delacroix’s exhibits at the<br />

Salon were ignored while the public flocked to Biard’s. The caricaturist Traviès published a<br />

lithograph depicting L’Enthousiasme impossible à décrire devant le tableau de M. Biard in 1842; and<br />

in 1847, Le Charivari satirized the amusement produced by Biard’s paintings.” 43<br />

Das folgende, selbst teilweise überzeichnende Gemälde Biards aus dem Jahr 1847 dürfte zu-<br />

mindest auch als persönliche Entgegnung des Malers auf solche Kritik motiviert sein (ABB. III<br />

120). 44<br />

Es zeigt einen Blick in den Salon am Ende eines Ausstellungstages. Darauf deuten zusam-<br />

men mit Titeln wie »”On ferme!”« oder »Quatre Heures au Salon«, unter denen es ‘fir-<br />

miert’, 45 die vier uniformierten Wärter links, die anscheinend gerade verkünden, daß die<br />

43 [Auktionskatalog, Sotheby’s New York: February 28, 1990. 19th century European paintings, drawings and<br />

sculpture.]. Los 37. (S.?). Als weitere Kritiker, die sich in den Jahren 1846 und 1847 über Biard ausließen, werden<br />

dort - ohne genauere Angaben bezugnehmend auf Äußerungen Lucy MacClintocks - Mantz, Pillet, Guillot und Baudelaire<br />

genannt.<br />

44 Öl auf Leinwand, 46 x 59,7 cm. Es stand am 28. Feb. 1990 bei einer Auktion von Sotheby’s New York (Lot 37) zum<br />

Verkauf.<br />

45 Unter dem ersten Titel wurde dieses Gemälde oder eine größere, im Musée du Louvre aufbewahrte Variante<br />

(ABB. III 121) im Salon von 1847 ausgestellt. Vgl. [Auktionskatalog, Sotheby’s New York: February 28, 1990. 19th<br />

century European paintings, drawings and sculpture.]. Los 37. Was die Maße der Variante betrifft, so finden sich wi<br />

165


Öffnungszeit nahezu abgelaufen ist und man bald schließen werde. 46 Der Umstand, daß alle<br />

vier das gleichermaßen aus vollem Halse schreiend tun, obschon sie sich nur unwesentlich<br />

voneinander entfernt durch den Raum bewegen, verleiht dieser Sicht auf den Salon darüber-<br />

hinaus einen grotesken ‘Grundton’, zumal die übrigen Anwesenden keinerlei Notiz von den<br />

doch wohl als recht durchdringend zu denkenden Rufen zu nehmen scheinen - einzig bei der<br />

zweiten Person von links, der Frau mit dem gelblichen Hut, könnte man die in etwa auf<br />

Höhe ihrer Ohren befindliche linke Hand als Hinweis auf die unangenehme Lautstärke der<br />

Aufforderungen ansehen. 47<br />

Von den ausgestellten Werken ist kaum eines genauer geschildert, nicht einmal das große,<br />

mit ‘Biard’ signierte Gemälde 48 an der Wand rechts ist allzu deutlich zu erkennen. Allerdings<br />

gilt eben diesem die, wenn auch ganz unterschiedlich gelagerte, Aufmerksamkeit der Mehr-<br />

heit der Besucher. Es geht also auch hier offensichtlich nicht um die katalogartige <strong>Dokument</strong>a-<br />

tion einer bestimmten Salonveranstaltung, sondern um einen kritischen Blick auf typische<br />

Verhaltensweisen des Publikums oder genauer diverser Gruppen der Pariser ‘Kunstszene’ vor<br />

einem Stück Biards. 49<br />

Vorne rechts auf einen Sims gestützt hat sich Kanzler Pasquier vorgebeugt, um sich just<br />

jenen Teil dieses Bildes-im-Bild genauer zu besehen, auf dem sich die bereits erwähnte<br />

Signatur findet. Damit wird die Autorschaft des Gemäldes, um das sich hier sozusagen alles<br />

dreht, ganz besonders hervorgehoben. Zur Linken Pasquiers hat sich, ähnlich nah, aber mit<br />

dem Rücken zu dem Biard, ein bislang nicht identifizierter Herr in Positur gestellt. Mit einem<br />

nervösen Lächeln blickt er in die Richtung der Dame in dem kostbaren Hermelinumhang -<br />

einer d’Orleans 50 , also einer Person aus dem näheren Umfeld des Königs - und ihrer Be-<br />

gleiterin, die im Schatten der ersteren nahezu verschwindet. Es macht den Eindruck, als er-<br />

warte er ein Urteil der Damen zu dem Werk, mit dem er auf irgendeine Weise verbunden<br />

scheint: vorstellbar wäre, daß er das Stück oder auch ‘nur’ grundsätzlich den Maler gelobt,<br />

vielleicht gar eine Kaufabsicht geäußert hat. 51 Die besagte Unsicherheit in seinem Lächeln<br />

dersprüchliche Angaben: im genannten Auktionskatalog ist die Rede von 22,5 x 26,5 inch (ca. 57,1 x 67,3 cm), unter<br />

einer Reproduktion in der Witt Library London sind es 215,1 x 137,5 cm - wobei ein einfacher Umrechnungsfehler<br />

nicht in Frage kommt.<br />

46 Einer von ihnen, die vierte Person von links, hantiert noch mit seiner Taschenuhr. Womöglich ist er im Begriff,<br />

sie wieder einzustecken.<br />

47 In der Louvre-Variante (ABB. III 121) sind es gar sechs lauthals schreiende Wärter. Auch dort nimmt niemand<br />

Notiz von ihnen bis auf eine ältere Dame in der Mitte, die vor lauter Schreck in Ohnmacht zu fallen droht. Lediglich<br />

bei dem Herr in Schwarz weiter rechts, der eifrig eine Zeitung(?) studiert, verweist ein unbenutztes Hörrohr in<br />

seiner Linken auf einen Grund für die weitgehend ausbleibende Wirkung der Rufe.<br />

48 Vgl. [Auktionskatalog] 19th Century European Paintings, Drawings and Sculpture. Sotheby’s New York: February<br />

28, 1990. Lot 37.<br />

49 So verwundert es nicht, daß die Vertreter des einfachen Volkes auch hier ausgeblendet bleiben.<br />

50 Ibid.<br />

51 In der ungleich größeren Variante des Louvre (ABB. III 121/ 215,1 x 137,5 cm) befindet sich, wenn auch ganz an<br />

166


könnte indessen auch zurückzuführen sein auf die dicht vor ihm herumfuchtelnden Arme<br />

einiger vehement diskutierenden Kritiker, auf die noch einzugehen sein wird. Zur Gruppe<br />

der aristokratischen Liebhaber und Sammler ist - 52 abgesehen von dem kleinen Mädchen<br />

vorne in der Mitte - wohl auch der bärtige Herr mit Zylinder unmittelbar bei den erwähnten<br />

Damen zu rechnen. 53 Auffordernd schaut er am realen Betrachter vorbei zu einer Person oder<br />

Gruppe, die außerhalb des Bildfeldes zu denken ist. Es ist nicht recht zu sagen, worauf er mit<br />

dem Daumen seiner - ansonsten zur Faust geballten - Rechten deutet: auf das Werk Biards,<br />

den davor in Positur gestellten Herrn oder auf die lautstark sich äußernden Kritiker hinter<br />

sich. Außer Théophile Gautier und wahrscheinlich Charles Baudelaire, die sich sehr heftig<br />

über das Bild ereifern - wobei Biard sie geradezu wie ungezogene Kinder darstellt - 54 finden<br />

sich in diesem Kreis auch, sehr viel ruhiger diskutierend und damit ernsthafter wirkend, der<br />

bärtige Théophile Thoré und Honoré Balzac. 55 Uneins über das Gemälde sind auch die beiden<br />

“[…] hautes fonctionnaires of the art world […]” in der Mitte des Bildes. 56 Philippe de Chenne-<br />

vières hat sich bereits, die Hände in den Hosentaschen, abgewendet, während der bei ihm<br />

eingehakte und ihn anscheinend zurückhaltende Charles Blanc das Stück noch recht<br />

interessiert betrachtet. Ganz links schließlich steht der Maler selbst und beobachtet über die<br />

linke Schulter hinweg und scheinbar als Außenstehender die Szenerie, 57 die sich vor seinem<br />

Gemälde entsponnen hat. 58<br />

Biard wirft in diesem Gemälde einen amüsierten Blick auf den Salon und einige expo-<br />

nierte Vertreter der Pariser ‘Kunstszene’ - oder genauer des nur rezipierenden Teils davon, d.<br />

h. der Laien. Als unmittelbar im Bild Kritisierter zeigt er sich dabei anders als seine ‘Vor-<br />

gänger’ deutlich parteiisch. Indessen lamentiert er nicht über das Publikum im allgemeinen,<br />

sondern präsentiert sich im Gegenteil unbeeindruckt, selbstbewußt und keineswegs uneitel.<br />

ders positioniert, ein Herr unter den Besuchern, der diesem hier sehr ähnlich sieht und innerhalb der Bilderzählung<br />

offensichtlich das Model für die Hauptfigur des prominentesten Bildes-im-Bild war. Möglicherweise soll es gar ein<br />

Portrait sein.<br />

52 Ibid.<br />

53 Vielleicht handelt es sich um den Prince de Joinville. Ibid.<br />

54 Bei der entsprechenden Gruppe in der Louvre-Variante (ABB. III 121) meint man, zumindest bei der Person ganz<br />

links mit dem in den Nacken geworfenen Kopf, noch ein Moment selbstinszenatorischer Exzentrik ausmachen zu<br />

können.<br />

55 Ibid.<br />

56 Ibid.<br />

57 Ebenfalls als außenstehende Beobachterin ist womöglich die Comtesse de Boigne, die fünfte Person von links,<br />

gedacht, die nicht nur Kammerfrau, sondern auch “professional memoirist” war. Vgl. ibid.<br />

58 Wenn man so will, wird das Ganze von ihm und seinem Ausstellungsstück gerahmt.<br />

167


DAUMIERS SALONKARIKATUREN. Im Werk Honoré Daumiers (1808 - 1879) ist eine Vielzahl von<br />

Arbeiten auszumachen, in denen ein Blick auf das Personal des Pariser Ausstellungslebens,<br />

meist wohl des Salons geworfen wird; immer wieder taucht dieses Sujet auf, von den 1830er<br />

Jahren an bis 1870. 59 Um ein dokumentarisches Festhalten bestimmter Veranstaltungen und<br />

Ausstellungsstücke ist es Daumier dabei allerdings nicht zu tun. Die Räumlichkeiten werden<br />

nur sehr ausschnitthaft wiedergegeben und allenfalls bei einzelnen Bildern-im-Bild sind<br />

außer den Rahmen noch vage einige Figuren in Umrissen zu erkennen. Ganz offensichtlich<br />

wird damit, ebenso wie mit den bisweilen eingefügten Staffagefiguren, lediglich ein<br />

entsprechender Hintergrund, sprich eine Ausstellungssituation, skizziert für jene Personen,<br />

denen das eigentliche Augenmerk der Darstellungen gilt.<br />

Diese Hauptszenen beschränken sich meist auf zwei bis fünf Akteure. Sie sind oft als<br />

Halbfiguren gegeben, so daß man der Szene recht unmittelbar ‘beiwohnt’. Besonders hervorzu-<br />

heben ist, daß in Daumiers Karikaturen, wie auch in denen einiger Zeitgenossen, als ‘Hand-<br />

lungsträger’ außer den Laien mehrfach die die Ausstellung besuchenden Künstler ins Visier<br />

geraten. Die sind laut den Darstellungen aber offensichtlich weniger gekommen, um die Wer-<br />

ke ihrer Kollegen zu sehen, sondern eher in der Hoffnung, zu erleben, wie die eigenen Stücke<br />

Begeisterung beim Publikum auslösen.<br />

So zum Beispiel in einigen Salonkarikaturen, die in den Jahren 1864 und 1865 in Le<br />

Charivari erscheinen - die meisten unter dem Authentizität versprechenden Titel “Croquis<br />

pris au Salon par Daumier”. 60 Dort werden etwa zwei typische Bourgeois, mit Zylinder und<br />

hochgebundenem Kragen, gezeigt, die sich über ein Ausstellungsstück lustig machen, wäh-<br />

rend der Maler neben ihnen steht und sie sichtlich verletzt anstarrt (ABB. III 130). 61 In der soge-<br />

nannten Legende, also der Bildunterschrift, heißt es: “LE VISITEUR _ Oh! pour le coup voilà<br />

une composition qui est réelement insensée! .. et quelle couleur!” Dabei erweckt das breite<br />

Grinsen der beiden Besucher den Eindruck, als legten sie es ganz gezielt darauf an, den Künst-<br />

ler durch ihren Spott zu treffen. Von dem aber kommt nur eine schwache, wenn überhaupt<br />

59 Anette Wohlgemuth spricht allgemein von einem “[…] bemerkenswerten Aufschwung der Salonberichte in Karikaturform,<br />

vor allem seit Ende der vierziger Jahre […].” In diesem Zusammenhang ist allerdings anzumerken, daß<br />

nur einige davon die Besucher in den Vordergrund stellen, ein Großteil nimmt die ausgestellten Werke in Visier.<br />

“Mit der wachsenden Bedeutungslosigkeit des Salons nach 1870”, so fährt Wohlgemuth fort, ”verlieren auch die auf<br />

diesen bezogenen Karikaturen an Beliebtheit […]”. A. Wohlgemuth: Hororé Daumier - Kunst im Spielgel der<br />

Karikatur von 1830 - 1870. (Diss. Münster, 1994) Frankfurt a. M. u.a., 1996. S.162. Vgl. auch ihre Grafik auf S. 378,<br />

die das Verhältnis von Daumiers Kunstkarikaturen zur Gesamtzahl seiner in Le Charivari publizierten Karikaturen<br />

veranschaulicht.<br />

Außer Daumier sind auch Nadar, Bertall und insbesondere Cham als die bekanntesten Autoren von Salonkarikaturen<br />

zu nennen. Vgl. auch Marie-Louise Buchinger-Früh: Karikatur als Kunstkritik. Kunst und Künstler in der Salonkarikatur<br />

des »Charivari« zwischen 1850 und 1870. (Diss. Tübingen, 1987). Frankfurt a. M. u. a., 1989.<br />

60 Zu diesen Stücken vgl. auch Honoré Daumier, 1808 - 1879: Bildwitz und Zeitkritik. Sammlung Horn. (Ausst.-<br />

Kat. Münster; Bonn). Münster; Bonn, 1978. Kat.-Nr. 314 - 327.<br />

61 Le Charivari vom 30. 5. 1864.<br />

168


laut ausgesprochene Entgegnung: 62 “L’ARTISTE _ Crétin de bourgeois va!”<br />

Auch in einem weiteren Beispiel kommt die Künstlerseite nicht unbedingt gut davon. Be-<br />

tont beiläufig steht ein Maler auf einen Sims gestützt neben seinem Gemälde, um unver-<br />

fälscht zu erfahren, wie die Reaktionen sind (ABB. III 140). 63 Sein Gesicht verrät sogleich, wie<br />

beleidigt und verärgert er über das Amüsement ist, das ein Pärchen angesichts seines Werkes<br />

an den Tag legt. 64 Die Bildunterschrift bekräftigt das und ‘unterstellt’ 65 ihm darüberhinaus<br />

neben mangelnder Souveränität auch einen - zumindest in der ersten Erregung - nicht gerade<br />

herausragenden ‘Geistreichtum’: “_ Les Crétins! ... on leur peint un tableau religieux et ils<br />

rient ... il n’ont même pas la religion de l’art! ...”. 66 Da das Bild nicht die gewünschte Wirkung<br />

erzielt, kann das aus der Sicht des Künstlers wohl nur an der Dummheit der Rezipienten<br />

liegen.<br />

Ebensowenig schmeichelhaft allerdings ist das Bild, das Daumier vom Laienpublikum,<br />

dessen Kunstverständnis und Haltung zu den Werken zeichnet - wie ja auch schon dem<br />

ersten Beispiel zu entnehmen war. Im Skulpturensaal des Salons etwa sitzen zwei Herren<br />

erschöpft oder auch nur gelangweilt auf einer Bank, mit dem Rücken zu den durchaus be-<br />

achteten Ausstellungsstücken im Hintergrund (ABB. III 150). 67 Einer von ihnen ist eingenickt,<br />

der andere gähnt mit weit aufgerissenem Mund. Der Text lautet: “_ Moi ce que j’aime dans la<br />

salle de sculpture, c’est qu’on est toujours sûr d’y trouver un banc pour s’asseoir! ...” und<br />

bringt die - spätestens nach längerem Durchstreifen der Ausstellung verschobenen -<br />

Prioritäten einiger Besucher zur Sprache. 68<br />

In einem anderen Beispiel haben sich zwei Frauen von einer Reihe von Aktdarstellungen<br />

62 Daran läßt die Darstellung ernsthaft zweifeln.<br />

63 Le Charivari vom 1. 6. 1865.<br />

64 Wohlgemuth zitiert im Zusammenhang mit solch einer Reaktion des Publikums zu Recht aus Zolas »L’Œuvre«,<br />

obschon es dort noch um einiges extremer zugeht als in Daumiers Ansichten: “Am Eingang klang das Gelächter noch<br />

zurückhaltend, wurde lauter, je weiter man kam. Im dritten Saal erstickten es die Frauen schon nicht mehr mit ihren<br />

Taschentüchern, die Männer hielten sich den Bauch, um sich Erleichterung zu verschaffen. Diese ansteckende<br />

Heiterkeit einer Menge, die gekommen war, um ihren Spaß zu haben, die in Erregung geriet wegen nichts losplatzte,<br />

wurde durch die schönen Sachen ebenso ausgelöst wie durch die abscheulichen.” Emile Zola: Das Werk. Hrsg. v. ?<br />

Schober. o.O., o.J. S. 195.<br />

65 Anscheinend stammten die Bildunterschriften zu Daumiers Karikaturen nicht von ihm selbst. Auf die<br />

“Problematik der Legenden Daumiers” geht Wohlgemuth ausführlich ein. Anette Wohlgemuth: Honoré Daumier ...<br />

(siehe Anm. 59). S. 35 - 40.<br />

66 Wohlgemuth verweist darauf, daß die Wahl eines religösen Sujets, die jedoch nur aus der Legende hervorgeht,<br />

bereits eine Anbiederung des Künstlers bedeuten könnte, da die Staatsaufträge dieser Zeit vornehmlich für solche<br />

Themen vergeben wurden. Ibid. S. 172, Anm. 104.<br />

67 Le Charivari vom 13. 6. 1864.<br />

68 Indirekt mag man daraus auch auf einen relativ schwachen Andrang im Skulpturensaal schließen. Dazu vgl.<br />

auch eine Lithographie Daumiers aus Le Charivari (22. Juli 1857); mit der Bildunterschrift “Triste contenance de la<br />

Sculpture placée au milieu de la Peinture” zeigt sie eine von den zahlreichen Besuchern völlig ignorierte einzelne<br />

Skulptur im Gemäldesaal (ABB. III 151).<br />

169


abgewendet (ABB. III 160). 69 Der Bildunterschrift zufolge sind es eher Neid und Unzufrie-<br />

denheit als Prüderie, die dazu geführt haben: “_ Cette année encore des Vénus....toujours des<br />

Vénus!... comme s’il y avait les femmes faites comme ça!...”. Der entscheidende Punkt aber ist,<br />

daß die künstlerische Qualität der Werke in ihren Überlegungen oder, so wahrscheinlich die<br />

Unterstellung, grundsätzlich in ihrem Verständnis nicht die geringste Rolle spielt. Allerdings<br />

muß man sich auch bei den vor den Gemälden verbleibenden Besuchern fragen, ob die besag-<br />

te Kategorie nicht ebenfalls durch den Gegenstand, wenn auch unter anderen Vorzeichen, in<br />

den Hintergrund gedrängt wird. 70<br />

Der kritische Blick Daumiers gilt aber nicht nur den Besuchern, seien es nun Laien oder<br />

Künstler, und ihrem Verhalten, sondern bisweilen auch den äußeren Umständen der Aus-<br />

stellung. Unter dem Titel »Le Public du Salon« erschien 1852 eine Darstellung, die ein dichtes<br />

Gedränge im Salon zeigt (ABB. III 170). 71 Gut drei Viertel des Blattes sind ‘vollgepackt’ mit<br />

Männern, Frauen und Kindern, ein zusammengewürfelter Pulk von Menschen, die nicht<br />

viel gemeinsam haben. Es wirkt, als könne man sich nur mit großer Mühe durch die Menge<br />

bewegen, würde eher von ihr bewegt. Eine ungestörte und ernsthafte Betrachtung der Kunst-<br />

werke scheint völlig unmöglich. Jedoch ist das dargestellte Gedränge, das in diesem Ausmaß<br />

den eigentlichen Sinn der Ausstellung zunichte macht, wohl in erster Linie ein sozusagen<br />

hausgemachtes Problem. Es ist nicht die Folge eines so enormen und anhaltenden<br />

Publikumsinteresses - das ja trotz der Nachteile in gewisser Weise erfreulich gewesen wäre -,<br />

sondern hat seinen Grund in der 1850/1 eingeführten Praxis, an einigen Tagen ein Eintritts-<br />

geld zu erheben, “[…] the number increasing in subsequent Salons.” 72 Das zumindest legt der<br />

erste Satz der Bildunterschrift nahe: “Un jour l’on ne paye pas.” 73 Laut Mainardi wurden diese<br />

Umstände von Kritikern der Zeit mehrfach bemängelt,<br />

”[…] mobs came on Sunday, the only free day, while during the week the Salon was relatively deserted.<br />

Because of the admission fee, critics charged, the public now tried to see the entire Salon in one<br />

long exhausting visit; previously one came repeatedly with fresh attention and progessively refined<br />

taste.” 74<br />

69 Le Charivari vom 10. 5. 1864.<br />

70 Hierzu vgl. etwa eine Karikatur von Pif (Le Charivari vom 23. Mai 1880), in deren Bildunterschrift einer der<br />

zwei jungen Soldaten einen Aufseher im Salon höflich fragt, wo denn die nackten Damen zu finden seien (ABB. III<br />

161).<br />

71 Le Charivari vom 17. 5. 1852.<br />

72 Patricia Mainardi: “The Eviction of the Salon from the Louvre”, in: Gazette des Beaux-Arts. T. 112/1988. (S. 31 -<br />

40) S. 35. Zu den Eintrittsgeldern und den von Jahr zu Jahr wechselnden Bestimmungen diesbezüglich vgl. Anette<br />

Wohlgemuth: Honoré Daumier... (siehe Anm. 59). S. 158.<br />

73 Im zweiten Teil, der die unangenehme Temperatur anspricht, wird die Situation der Enge nochmals verschärft:<br />

“Vingt-cinq degrés de chaleur.”<br />

74 Ibid. S. 37. Zudem führt sie eine entsprechende Darstellung von Gustave Doré an, »La foule du dimanche à<br />

l’Exposition« (ABB. III 171), publiziert in Le Journal pour rire vom 27 Juli 1855.<br />

170


Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, daß ein großer Teil der Personen in Daumiers<br />

Bild so wirkt, als hätten sie durchaus die Mittel, das an den anderen Tagen verlangte Eintritts-<br />

geld zu bezahlen. Das aber bedeutete wohl, daß hier neben der Kritik an den äußeren Umständen<br />

auch eine am Publikum oder zumindest einem Teil davon formuliert wäre. 75<br />

Bei den angeführten Beispielen ist, wie bei einer ganzen Reihe von Karika-turen aus Le<br />

Charivari oder anderen Zeitungen und Zeitschriften, ein deutlicher Niveauunterschied<br />

zwischen den Darstellungen und den Legenden auszumachen. Während die Bilder im Ver-<br />

hältnis eher zurückhaltend sind, noch Raum für Interpretationen lassen und durch ihre Am-<br />

bivalenz anregen, sind die dazugehörigen Texte meist eindeutig und recht grob, bisweilen<br />

platt. Das könnte zumindest bei einigen der hier angeführten Fälle auch darauf zurückzuführen<br />

sein, daß sie nicht von Daumier selbst stammen. 76<br />

Außer in den für Zeitungen und Zeitschriften angefertigten Karikaturen finden sich Be-<br />

trachterfiguren bei Daumier auch in einer ganzen Reihe von Einzelblättern. Der Großteil<br />

davon zeigt Personen in anscheinend privatem Umfeld, 77 doch es gibt wenigstens zwei Blät-<br />

ter, die eher wirken, als stellten sie eine öffentliche Präsentation von Kunstwerken dar (ABB.<br />

III 180 u. III 190). 78 Diese beiden Zeichnungen nun werfen einen ausgesprochen wohlwollen-<br />

den Blick auf die Ausstellungsbesucher. Sie machen den Eindruck, als beschäftigten sie sich<br />

mit Muße, Interesse und Verständnis mit den Kunstwerken. Wie auch bei den erwähnten<br />

Darstellungen der Kenner und Liebhaber im privaten Umfeld könnte man vermuten,<br />

Daumier beschreibe hier sein Idealbild des Kunstbetrachters.<br />

Besonders deutlich wird der Unterschied zwischen den Zeichnungen und den zur Pub-<br />

likation im Massenmedium Zeitung oder Zeitschrift erstellten Bildern bei einem Vergleich<br />

des Clevelander Stückes (ABB. III 180) mit einem Holzstich, der in Verbindung mit einem<br />

Artikel - genauer einer Folge davon - über das Auktionshaus Hôtel des Commissaires-<br />

priseurs in Le Monde Illustré erschien (ABB. III 200). 79 Die beiden Darstellungen weisen -<br />

75 Wenige Tage zuvor zeigte ein Blatt eine bourgeoise Kleinfamilie, die draußen vor dem Salon mit großem Erschrecken<br />

feststellt, daß an diesem Tag 5 Franc pro Person zu entrichten sind, und sich deshalb entschließt am folgenden,<br />

offensichtlich eintrittsfreien Tag wiederzukommen (ABB. III 172). “LE JEUDI - Ah! bigrrre!... nous reviendrons<br />

demain!...” In Le Charivari vom 6. 5. 1852. D. 2296. Anette Wohlgemuth: Honoré Daumier... (siehe Anm. 59).<br />

S. 281.<br />

76 Vgl. Anm. 65.<br />

77 Auf diese Beispiele wird noch einzugehen sein.<br />

78 »Les amateurs de peinture« Aquarell über Kohle, Crayon Conté (Bütten), 26,2 x 19,3 cm. D. P. Allen Fund,<br />

Cleveland Museum of Art, Inv.-Nr. 27.208. »Les amateurs de tableaux«: Feder, schwarze Tinte, graue u. braune Lavierung<br />

über Kohle (Vélin), 49,3 x 39,2 cm. The Art Institute of Chicago (Gift of Mrs. Regenstein), Inv.-Nr. 1968.1.<br />

“Durch sein Wasserzeichen ist dieses Blatt auf 1869 oder später datiert.” Colta Ives u. a.: Honoré Daumier. Zeichnungen.(Ausst.-Kat.<br />

Frankfurt a. M.; New York) Stuttgart, 1992. Kat.-Nr. 71.<br />

79 22,5 x 16 cm. Le Monde Illustré vom 18. April 1863. Vgl. ibid., S. 165.<br />

In der einigermaßen plausiblen Verbindung dieses Blattes mit dem Clevelander Stück könnte man auch einen Hinweis<br />

darauf sehen, daß letzteres tatsächlich eine Ausstellungssituation, genauer eine Vorbesichtigung zeigt.<br />

171


wenn auch spiegelverkehrt zueinander - eine Reihe von Übereinstimmungen auf: den Blick<br />

in den Saal, die grobe Raumaufteilung, das Möbel(?) mit dem bzw. den daran angelehnten<br />

Gemälden im Vordergrund und den vorgebeugten Oberkörper eines Herrn ebendort. Die Be-<br />

schäftigung mit den Werken aber scheint bei den vier Hauptpersonen des Stichs von einer<br />

anderen Qualität. Den Besuchern in der aquarellierten Zeichnung ist man geneigt, ein in-<br />

teresseloses Wohlgefallen zu attestieren - das sich zudem auf verschiedene Stücke beziehen<br />

dürfte. Indessen würde man den ‘gestochenen’ Herren eher unterstellen, daß ihre einem ein-<br />

zigen Gemälde geltende Aufmerksamkeit durchaus zweckgerichtet ist.<br />

Dieser Eindruck entsteht hauptsächlich durch den Mann mit Lupe. Während sich sein<br />

gezeichnetes Pendant nur vorsichtig, die Arme dicht am Körper, seinem Betrachtungsge-<br />

genstand annähert, stützt er sich ganz unbekümmert - die Beine leger gekreuzt - unmittelbar<br />

vor dem anvisierten Gemälde auf, um es genauestens mit seiner Sehhilfe besehen und wohl<br />

taxieren zu können; wobei man seinen zusammengekniffenen Mund als Hinweis auf eine<br />

gewisse Skepsis oder Unentschiedenheit deuten mag. Hinzu kommt, daß das Interesse der<br />

neben und hinter ihm stehenden Personen demselben Gemälde gilt; vielleicht wollen sie<br />

selbst auch einen genaueren Blick auf das Stück werfen, am Urteil des - tatsächlichen oder ver-<br />

meintlichen - Fachmanns in Aktion aber sind sie sicher ebenso brennend interessiert, wenn<br />

nicht gar einzig daran. Eine humoristische Note bekommt der Stich durch das Auftreten des -<br />

im Bezug auf die Zeichnung hinzugefügten vierten - Mannes ganz rechts, seine Körper-<br />

haltung läßt zusammen mit dem aufstehenden Mund deutliche Zweifel, zumindest, an sei-<br />

nem Kunst-verstand aufkommen.<br />

“KUNSTBESCHOUWING” BEI ARTI. Im Jahr 1839 wurde in Amsterdam die Maatschappij Arti et<br />

Amicitiae gegründet, 80 in der sich etwa Maler, Zeichner, Bildhauer und Architekten zu-<br />

sammenschlossen. Ihr Ziel war es, durch gemeinsame Aktivitäten Aufmerksamkeit auf sich<br />

zu ziehen und ihre gesellschaftliche Position zu stärken - so erscheint es nur konsequent, daß<br />

auch Kunstliebhaber als Mitglieder zugelassen waren. Offensichtlich sahen die Künstler ihre<br />

Belange in der wirtschaftlich äußerst angespannten Situation nach 1830, also nach der Wie-<br />

derabspaltung der südlichen Niederlande, 81 nicht ausreichend vertreten, weder durch die<br />

vierte Abteilung des Koninklijk Instituut noch durch die königliche Akademie - deren fünf<br />

Direktoren bezeichnenderweise zu den Gründungsmitgliedern von Arti, wie die Vereinigung<br />

80 Diese kurze Darstellung von Arti folgt Judikje Kiers u. a.: een eeuw Apart. Het Rijksmuseum en de Nederlandse<br />

schilderkunst in de 19de eeuw. Amsterdam, 1993. S. 21 - 29.<br />

81 Hierzu vgl. auch Michael North: Geschichte der Niederlande. München 1997. S. 80 - 83.<br />

172


kurz genannt wurde, gehörten. “Al snel groeide Arti uit tot een invloedrijk instituut […]”, 82 so<br />

bewarben sich auch Künstler, die nicht in Amsterdam lebten, als Mitglieder, das Königspaar<br />

übernahm 1841 die Schirmherrschaft und in Den Haag wurde 1847 mit Pulchri Studio eine<br />

Gesellschaft ins Leben gerufen, die sich an dem erfolgreichen Amsterdamer Vorbild orien-<br />

tierte.<br />

Neben der bekannten Form der Ausstellung (“tentoonstelling”), wie sie etwa ein Gemälde<br />

Tetar van Elvens zeigt (ABB. III 210), 83 hielt man bei Arti auch sogenannte “kunstbeschou-<br />

wingen” ab, die wohl eine Besonderheit darstellen dürften. Dabei kamen Künstler mit einer<br />

Auswahl - wie es scheint vornehmlich kleinformatiger, weil leicht handhabbarer - Werke in<br />

den Räumen der Gesellschaft am Amsterdamer Rokin zusammen, um sie einander, aber<br />

ebenso auch interessierten Besuchern vorzuführen und zu erläutern. 84<br />

Im Vergleich mit herkömmlichen Ausstellungen, so ist anzunehmen, hatte diese Art der<br />

Präsentation, bei der die Künstler - wenigstens bisweilen - auch verbal Stellung zu ihren Wer-<br />

ken bezogen und auf Fragen Interessierter antworteten, einen wesentlich privateren Cha-<br />

rakter, ähnlich vielleicht dem eines Atelierbesuchs.<br />

Eine solche Veranstaltung von Arti ist in einer recht sachlich und dokumentarisch wirken-<br />

den Radierung J. de Mares wiedergegeben (ABB. III 220). 85 Innen und außen an einer langen,<br />

u-förmigen Tafel verteilt finden sich, teils stehend, teils sitzend, zahlreiche Männer und<br />

Frauen. 86 Bei künstlicher Beleuchtung besehen sie sich, meist in kleineren Gruppen von zwei<br />

bis drei Personen, die ausliegenden Werke. Dabei ist interessanterweise oft nicht genau zu<br />

sagen, wer Künstler und wer Laie ist - ganz im Unterschied etwa zu Daumiers Karikaturen.<br />

Die Beschäftigung mit der Kunst und der ernsthafte Austausch darüber stehen deutlich im<br />

Vordergrund, gesellschaftliches Geplänkel oder persönliche Eitelkeiten tauchen allenfalls am<br />

Rande auf. Diese Atmosphäre dürfte insbesondere durch den wohl sehr exklusiven Kreis von<br />

Künstlern und Kunstliebhabern zustande kommen - auch wenn er nicht allein auf Mitglieder<br />

82 Judikje Kiers u. a.: een eeuw Apart... (siehe Anm. 80). S. 28.<br />

83 J. B. Tetar van Elven (1805 - 1889), »Willem III. und der Prinz von Oranien besuchen Arti«, 1860. In dieser repräsentativen<br />

Darstellung ist nahezu alles auf die hochrangigen Besucher ausgerichtet, die die Ausstellung - wohl für<br />

beide Seiten prestigeträchtig - beehren. Links bzw. rechts bilden sie ein Zentrum der Aufmerksamkeit, während die<br />

Kunstwerke, zumindest im Moment, nur von untergeordneter Bedeutung, und darüberhinaus auch für den realen Betrachter<br />

nicht allzu gut zu erkennen sind,<br />

84 Vgl. Judikje Kiers u. a.: een eeuw Apart... (siehe Anm. 80). S. 28.<br />

85 Um 1851, nach einer Zeichnung von Charles Rochussen. Die Bildunterschrift im Katalog een eeuw apart (siehe<br />

Anm. 80) lautet: “Een kunstbeschouwing met dames in de kunstzaal van Arti in 1851” (ibid., S. 29) und vermittelt den<br />

Anschein als sei die Anwesenheit von Frauen eher ungewöhnlich. Es ist allerdings nicht klar, von wann dieser<br />

‘Titel’ stammt, womöglich ist er erst nachträglich für den besagten Katalog geprägt worden.<br />

86 In der Darstellung erscheint die Anwesenheit der Damen ganz selbstverständlich. In dem Titel hingegen, der<br />

sich in dem bereits erwähnten Katalog »een eeuw Apart« findet, ist das nicht unbedingt der Fall, denn der lautet:<br />

»Een kunstbeschouwing met dames in de kunstzaal van Arti in 1851«. Die entscheidende Frage dabei ist, woher oder<br />

wichtiger wohl aus welcher Zeit dieser Titel stammt. Vgl. Judikje Kiers u. a.: een eeuw Apart... (siehe Anm. 80). S.<br />

29.<br />

173


eschränkt gewesen sein wird, da das den Zielen der Vereinigung widersprochen hätte. Dieses<br />

Blatt wirkt trotz seines nüchtern sachlichen Eindrucks nicht, als sei es rein dokumentarisch<br />

gedacht, ein repräsentatives Moment - wenn auch eher zurückhaltend, aber damit vielleicht<br />

gerade recht für jene, die angesprochen werden sollten - scheint durchaus auszumachen zu<br />

sein.<br />

DIE ROYAL ACADEMY IN LONDON. Beschließen sollen diesen Abschnitt über die Ausstellungs-<br />

bilder im 19. Jahrhundert zwei Gemälde, die jeweils einen Blick auf das entsprechende - an-<br />

scheinend unbeirrt jährlich stattfindende - Großereignis der Royal Academy festhalten.<br />

George Bernard O’Neills (1828 - 1917) »Public Opinion« (ABB. III 230) 87 entstand um das Jahr<br />

1863. Es zeigt keine weiträumige Ansicht, sondern lediglich einen kleinen Teil des Saales der<br />

Londoner Akademie. Von den in der Ausstellung präsentierten Kompositionen sind nur<br />

einige wenige in Umrissen angedeutet und darüberhinaus meist vom Bildrand oder dem<br />

Personal überschnitten. Das Augenmerk O’Neills konzentriert sich deutlich auf die Betrachter-<br />

figuren, eine - wohl als typisch zu verstehende - Ansammlung von Personen beiderlei Ge-<br />

schlechts und mehrerer Altersstufen. Sie alle stehen dichtgedrängt vor einem Gemälde, das<br />

durch ein davor angebrachtes Geländer als “picture of the year” ausgewiesen ist. In seiner<br />

perspektivischen Verkürzung ist es noch schlechter zu erkennen als die Stücke an der Rück-<br />

wand, so daß der reale Betrachter trotz seiner Nähe zu den die Szene bevölkernden Halbfi-<br />

guren unweigerlich ausgeschlossen bleibt. 88 Bei genauerem Hinsehen stellt man zudem fest,<br />

daß man gleichsam noch ein oder zwei Schritte herantreten müßte, um sich ‘wirklich’ inmit-<br />

ten der gezeigten Gruppe 89 zu befinden. Der reale Betrachter ist Außenstehender und seine<br />

Aufmerksamkeit kann er sinnvollerweise nur auf die Besucher richten.<br />

Die verhalten sich auf geradezu übertriebene Weise mustergültig. Zunächst erscheinen sie<br />

fast ausnahmslos sichtlich angetan von den Ausstellungsstücken, insbesondere natürlich<br />

vom “picture of the year”. Eine Reihe von ihnen lächelt, ja strahlt gar angesichts seiner. 90<br />

Dabei drängt sich jedoch der Verdacht auf, daß diese Reaktion weniger mit den malerischen<br />

Qualitäten als vielmehr mit der Bilderzählung zu tun hat; 91 hierin mag man vielleicht gar<br />

87 1863, Öl auf Leinwand, 53,4 cm x 78,7 cm. City Art Gallery, Leeds.<br />

88 Halbfiguren und die damit einhergehende Nähe zu den Betrachtern finden sich im Zusammenhang mit dem<br />

hier behandelten Sujet recht selten. Zu nennen wären hier außer einigen Beispielen Daumiers (ABB. III 130 u. III<br />

140) etwa Adriaan de Lelie , Joseph Wright of Derby und Henry Robert Morland (ABB. II 240 - II 260).<br />

89 Wobei ‘Gruppe’ insofern mißverständlich sein mag, als in der Fiktion des Bildes sicher ein rein zufälliges Zusammentreffen<br />

vor dem Gemälde gemeint ist.<br />

90 Womöglich ist das auch ein Grund dafür, daß man es nicht erkennen kann, denn so kann es zumindest keine durch<br />

das Verhalten der gemalten Betrachter geweckten Erwartungen zerstören.<br />

91 Das steht durchaus in Einklang mit einer Aussage Christopher Woods über das viktorianische Kunstpublikum:<br />

174


eine - wenn auch nur wohlwollend formulierte - Kritik sehen. 92 Ganz sachlich hingegen<br />

wirkt der Herr mit Zylinder und Brille hinten links, der sich anscheinend zuerst, vielleicht<br />

aber auch ausschließlich, im Katalog oder einer Ausstellungsbesprechung über das ‘Highlight’<br />

der Ausstellung informiert. 93 Die Dame zu seiner Rechten ist offensichtlich ebensowenig von<br />

der Euphorie des Gros’ erfaßt, sie schaut sehr ernst, vielleicht ergriffen und ist wohl, wie auch<br />

ihre Blickrichtung andeutet, mit einem anderen Gemälde beschäftigt.<br />

Vorne rechts wird der jüngste Besucher auf vorbildliche Weise von seiner Mutter oder<br />

Kinderfrau mittels einer Lektüre an das prominente Stück und somit allgemein an die Kunst<br />

herangeführt. Das ein wenig ältere Mädchen in der Mitte folgt dieser Unterweisung aus ei-<br />

genem Antrieb artig und interessiert. Der in Rückenansicht dargestellte Junge weiter links<br />

schließlich scheint noch ein Stück weiter fortgeschritten, denn er zeigt eine gewisse Eigenstän-<br />

digkeit, indem er mit dem Katalog oder einer Zeitung in seiner Hand in Richtung des Bildes<br />

deutet und sich - gestützt auf soeben Gelesenes? - vielleicht gar dazu äußert. 94<br />

Zumindest einer aber, der Mann hinten rechts in der Ecke, der mit seinem andersartigen<br />

Hut an die Künstlerfiguren bei Daumier erinnert, fällt heraus aus der Gruppe der begeisterten<br />

oder ergriffenen Besucher. Mit sehr ernster, fast grimmiger Miene schaut er wahrscheinlich<br />

zu dem Herrn mit dem hellen Zylinder neben sich, von dem nicht genau zu sagen ist, worauf<br />

er seinen Blick gerichtet hat. Dabei ist nicht zu entscheiden, ob der - mögliche - Künstler nun<br />

angespannt auf die Reaktion seines Gegenübers, eventuell gar auf eine konkrete Kaufentschei-<br />

dung wartet oder ihn nur aus Verachtung für dessen schlechten Geschmack herablassend an-<br />

sieht.<br />

Auch in William Powell Friths (1819 - 1909) »A Private View at the Royal Academy in 1881«<br />

gilt die Aufmerksamkeit in erster Linie dem Personal (ABB. III 240). 95 Selbst wenn die Bilder-<br />

im-Bild, wie ihre relative Detailliertheit nahelegt, einen höheren Stellenwert genießen als bei<br />

O’Neill, bilden sie letztlich doch nur eine Kulisse für die Akteure. Im Gegensatz zum vorange-<br />

gangenen Beispiel handelt es sich hier nicht um eine kleine Ansammlung anonymer Ausstel-<br />

“The Victorian narrative picture had taught the public to read pictures like novels. The same standards of morality,<br />

propriety and sentimentality were applied to pictures as to novels […]”. In diesen Zusammenhang berichtet<br />

Wood auch von einer bezeichnenden Anekdote (leider ohne genauere Quellenangabe): ”Henry James watched two ladies<br />

at the Academy studying a Marcus Stone with intense interest and furrowed brows; at last one of them whispered<br />

triumphantly, ‘her mother was a widow’; they then moved on, happy at having solved the problem.” Chr.<br />

Wood: Victorian Panorama. Paintings of Victorian Life. London, 1976. S. 202.<br />

92 Vgl. Palaces of Art... (siehe Anm. 27). Kat. Nr. D 10, S. 129.<br />

93 Auch das, sprich die vorgeführte “[…] reliance of the Victorian art-audience on catalogues […]”, scheinen manche<br />

Zeitgenossen empfunden zu haben “[…] as satire, though not of a very forceful type […]. Ibid.<br />

94 Dabei ist allerdings nicht klar, wem sein Hinweis und eventuell seine Äußerungen gelten könnten. Dem strahlend<br />

auf das Gemälde weisenden Knaben rechts jenseits des Geländers? Aber dazu müßte der Kopf der Rückenfigur<br />

wohl weiter nach rechts gewendet sein.<br />

95 102,9 cm x 195,6 cm. Slg. Christopher Pope, Esq.<br />

175


lungsbesucher, sondern um einen wesentlich größeren und, laut Titel, 96 sehr exklusiven<br />

Kreis von geladenen Personen aus der Londoner Gesellschaft, die vielfach als Prominente zu<br />

identifizieren sind. 97 Darüberhinaus bleibt in Friths weitläufiger Raumansicht auch ein deut-<br />

licherer, nicht zu übersehender Abstand zu den - hier zugleich wieder ganzfigurigen -<br />

Besuchern gewahrt.<br />

Dieses ausgesuchte Publikum besteht mehrheitlich aus Männern, doch es finden sich auch<br />

eine ganze Reihe von Frauen - die zudem prominent plaziert sind - und immerhin zwei<br />

Kinder. Der bestimmende Eindruck ist einer von Ernsthaftigkeit und Verhaltenheit. Es ist<br />

kaum ein lächelndes Gesicht auszumachen und überhaupt scheinen Mimik und Gestik, mo-<br />

derat formuliert, stark reduziert. 98 Selbst jene Figuren, die einander offensichtlich im Ge-<br />

spräch zugewandt sind, erscheinen distanziert - wenn auch nicht unhöflich - und geradezu<br />

wortlos. Insgesamt wirkt das Personal recht steif und seltsam gleichmütig, 99 es mutet vielfach<br />

an, als seien die Personen repräsentativen Einzel- oder Gruppenportraits entnommen. 100<br />

Im Zusammenhang mit dem eigentlichen Anlaß ihres Kommens fällt auf, daß sich nur we-<br />

nige der Dargestellten einigermaßen eindeutig mit Ausstellungsstücken beschäftigen. Einzig<br />

die beiden Herren vorne rechts stehen direkt vor einem Gemälde und begutachten es. Da<br />

ungewöhnlicherweise auch keinerlei zeigende Gesten auszumachen sind, bleiben bei den rest-<br />

lichen Besuchern allenfalls die Blickrichtungen, um sie wenigstens vage mit einigen Kunst-<br />

werken in Verbindung bringen zu können. Möglich erscheint das etwa bei dem anscheinend<br />

von Verehrerinnen umstandenen Oscar Wilde, rechts von der Mitte, und bei dem Herrn<br />

links, sowie der Dame rechts hinter dem Autor.<br />

Eine Vielzahl der Personen jedoch fixiert weit entfernte Punkte jenseits der Bildfläche.<br />

96 Dort ist ja die Rede von “a private view”.<br />

97 ”Verschiedene bedeutende Persönlichkeiten des politischen, wissensschaflichen und künstlerischen Lebens sind<br />

zugegen: der Staatsmann Gladstone; der Dichter Browning und Huxley, der Biologe; die Maler Leighton und Millais<br />

und viele andere Berühmtheiten.” Aleksa Celebonovic: Bürgerlicher Realismus. Meisterwerke der Salonmalerei.<br />

Berlin, 1974. S. 14. Bei Wood finden sich noch Namen wie Oscar Wilde, Anthony Trollope, du Maurier, John Bright,<br />

Lily Langtry, Lady Londsdale und Baroness Burdett-Coutts. Vgl. Chr. Wood: Victorian Panorama... (siehe Anm.<br />

91). S. 201.<br />

98 Eine der wenigen Ausnahmen ist wohl die auch nur sehr dezent sich ‘bewegende’ Rechte des offensichtlich nach<br />

den richtigen Worten suchenden Oscar Wilde, vorne, mit der Blume am Revers.<br />

99 Dieser Eindruck drängt sich umso deutlicher auf, wenn man liest, was Christopher Wood über die Zeit um die<br />

Eröffnung der Ausstellung der Royal Acedemy als einem der wichtigen gesellschaftlichen Ereignisse Londons<br />

schreibt: “The merits of ‘the pictures of the year’ were hotly discussed in the press and at dinner parties. On the Sunday<br />

before the Academy opening, well-known artists would throw open their studios to friends, aquaintances and<br />

critics, providing them with a priviledged preview of the year’s picture [meine Hervorhebungen]”. Ibid.<br />

100 In der Tat arbeitete Frith mit “[…] the painstaiking, academic methods of the historical painter, posing models<br />

for every figure, making sketches for every group, using photography to help with backgrounds, an also sometimes<br />

with figures.” Doch auch wenn das nach Woods Auffassung zur Folge hatte, daß “[…] his big pictures have a curiously<br />

static, immobile appearance, as if all the figures were suddenly frozen into an immense tableau […]” (Ibid. S.<br />

12.), sind die Figuren in vielen seiner Gemälde, wie z. B. »The Railway Station«, durchaus in Bewegungen festgehalten.<br />

Somit dürfte die hier vorgefundene ‘Steifheit’ des Personals wohl Absicht und nicht Unvermögen des Maler<br />

sein.<br />

176


Nur wenige von ihnen schauen so weit nach oben, daß wohl einzig Gemälde in den oberen<br />

Wandregionen als ‘Ziel’ in Frage kommen. Bei den übrigen könnte es auch ein sich anbahnen-<br />

des Ereignis, wie beispielsweise eine Rede, sein, das ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen<br />

beginnt. Für eine solche Annahme spricht, daß mehrere Personen aus verschiedenen Richtun-<br />

gen einen Punkt deutlich links vom realen Betrachter anzuvisieren scheinen. Die Erwartung<br />

eines anstehenden Ereignisses könnte zudem wohl auch den Eindruck der Verhaltenheit und<br />

des mangelnden oder nur beiläufigen Interesses für die Ausstellungsstücke erklären.<br />

Allerdings finden sich in Friths Autobiographie einige nachträglich formulierte ‘Deu-<br />

tungen’, die zu der Behauptung geführt haben, das Gemälde sei “Intended as a work of satire<br />

[… that] illustrates the role of the Academy as social arena.” 101 Bei Christopher Wood heißt es -<br />

ebenfalls mit Bezug auf die Äußerungen des Malers - ein wenig vorsichtiger: “Frith’s purpose<br />

in painting this collection of Victorian celebrities viewing the Academy exhibition was ‘to hit<br />

the folly of listening to self-elected critics in matters of taste, whether in dress or art’, and also<br />

to record ‘for posterity the aesthetic craze as regards dress’.” 102<br />

Sieht man jedoch von der seltsamen, insbesondere da aus der Feder eines Künstlers stam-<br />

menden Gleichsetzung von Kunst und Kleidung ab, liefern diese Zitate wohl nur sehr be-<br />

grenzt Einsichten über das Bild in seiner Gesamtheit. Sicher, es dokumentiert Eigenheiten der<br />

Mode jener Jahre, doch tut das letztlich jedes Bild, das Zeitgenossen in typischer Kleidung dar-<br />

stellt. Von der Empfindung eines ‘aesthetic craze’, die ja nicht durch entsprechende Reaktio-<br />

nen im Bild selbst angedeutet ist, wäre heute ohne zusätzliche Quellen wahrscheinlich nichts<br />

geblieben. 103 Was den ersten Gedanken Friths betrifft, so ist zu betonen, daß außer Oscar Wilde<br />

kein weiterer Kritiker dargestellt ist. 104 Und entgegen der auf Wilde gemünzten Formulierung<br />

des Malers “[…] a well-known apostle of the beautiful, with a herd of eager worshippers<br />

surrounding him […]”, 105 sind es höchstens drei, wahrscheinlich nur zwei Frauen und ein<br />

Kind, die Wildes Ausführungen folgen. 106 Eine weitere Äußerung Friths bezieht sich auf die<br />

101 Palaces of Art... (siehe Anm. 27). Kat. Nr. D 11, S. 129.<br />

102 Chr. Wood: Victorian Panorama... (siehe Anm. 91). S. 200 [in Abbildungsunterschrift]. Leider zitiert er ohne genauere<br />

Angaben, in Palaces of Art aber wird u. a. der erste Teil der ersten Passage identisch zitiert, mit einer<br />

Seitenangabe W. P Frith: My Autobiography and Reminiscences. [o. Ort], 1887. [Bd.] II, S. 256ff. Vgl. Palaces of<br />

Art... (siehe Anm. 27). Kat. Nr. D 11, S. 129.<br />

103 Diese Haltung zur modernen Kleidung war nach Wood keineswegs eine Eigenheit Friths. Vgl. Chr. Wood:<br />

Victorian Panorama... (siehe Anm. 91). S. 12.<br />

104 Vgl. ibid. S. 201/2. Wood verweist an anderer Stelle darauf, daß Friths Gemälde beim Publikum sehr beliebt<br />

waren, bei Kritikern und Malerkollegen aber meist auf Ablehnung stießen. Vgl. ibid. S. 11.<br />

105 W. P Frith: My Autobiography and Reminiscences. [o. Ort], 1887. [Bd.] II, S. 256ff. Zitiert nach Palaces of Art...<br />

(siehe Anm. 27). Kat. Nr. D 11, S. 129.<br />

106 In Palaces of Art heißt es, Wilde würde zusätzlich beobachtet “[…] with apparent hostility by a group of artists<br />

clustered to his right.” Ibid. Von diesen vier Herren - warum Malern? sind sie identifiziert? - sehen allenfalls<br />

die beiden vorderen in Richtung Wildes, meiner Ansicht nach ist es ebensogut möglich, daß sie an dem Kritiker und<br />

seinen Verehrerinnen vorbei zu jenem erwähnten Punkt links vom realen Betrachter schauen. Was ihre innere Hal<br />

177


zwei Frauen und das Kind vorne links, er bezeichnet sie als “[…] a familiy of pure aesthetes ab-<br />

sorbed in affected study of the pictures […]”. 107 Selbst wenn man dem im wohl entscheidenden<br />

Punkt beipflichtete und das Verhalten dieser drei als aufgesetzt, affektiert oder gar vorgespie-<br />

gelt auffasste, würde das doch wiederum nur eine kleine Gruppe und nicht das gesamte<br />

Personal betreffen.<br />

Man kann sicher geteilter Meinung darüber sein, inwieweit Friths nachträgliche ‘Deu-<br />

tungen’ zu einzelnen Figurengruppen im Vergleich mit dem Bild überzeugen, als Grundlage<br />

aber für die Behauptung, das Gemälde sei als eine Satire intendiert, sind sie gänzlich unzu-<br />

reichend.<br />

- ii -<br />

KUNSTHANDEL<br />

Wie schon im 18. so finden sich auch im 19. Jahrhundert drei Grundtypen von Darstellungen<br />

des Kunsthandels: jene von genuinen Kunsthandlungen, jene von Auktionen und jene von<br />

Straßenhändlern.<br />

KUNSTHANDLUNGEN. Im Jahr 1809 veröffentlichte der in London ansäßige Graphikhändler<br />

und Verleger Rudolph Ackermann 108 die erste Ausgabe des »Repository of Arts, Literature,<br />

Commerce, Manufacturers, Fashions and Politics«, 109 eines monatlich erscheinenden Maga-<br />

zins, das - zunächst noch auf beide Geschlechter ausgerichtet - in seinen Texten ein recht brei-<br />

tes Spektrum an Themen abdeckte, wie “[…] Politik, Landwirtschaft, Medizin, Erfindungen,<br />

Anekdoten, Sport, Poesie, Musik, Ausstellungen, Theater, Bücher, Naturgeschichte und Wet-<br />

ter.” 110 Die Hefte enthielten darüberhinaus “[…] in der Regel sechs […] meist farbige […] Tafeln:<br />

zwei zur Mode, eine zu wechselnden Themen, eine Darstellung von Manufakturen, eine<br />

Ansicht sowie schließlich ein [sic!] ‘allegorischer Holzschnitt’ mit drei bis vier angehefteten<br />

tung anbetrifft, so würde man diese beiden wohl nicht eben als freundlich dreinblickend bezeichnen, doch es scheint<br />

übertrieben sie einer “apparent hostility” zu bezichtigen, im Bezug auf die zwei hinter ihnen gar völlig aus der Luft<br />

gegriffen.<br />

107 W. P Frith: My Autobiography and Reminiscences. [o. Ort], 1887. [Bd.] II, S. 256ff. Zitiert nach Palaces of Art...<br />

(siehe Anm. 27). Kat. Nr. D 11, S. 129.<br />

108 Zu dessen weiteren Tätigkeiten und Veröffentlichungen vgl. Simon Jervis: “Rudolph Ackermann”, in: Metropole<br />

London. Macht und Glanz einer Weltstadt, 1800 - 1840. (Ausst.-Kat. Villa Hügel, Essen) Recklinghausen, 1992. S. 97<br />

- 109.<br />

109 Zu etwaigen Vorläufern in England und auf dem Kontinent vgl. ibid. S. 98f u. 108.<br />

110 Ibid. S. 105. Dort heißt es weiter: “Etwa seit 1816 richtete sich das Magazin immer ausschließlicher an weibliche<br />

Leser, und dabei traten leichte Romane und Kunst-Beiträge an die Stelle der ernsteren Themen.” Auf dem Frontispiz<br />

von 1823 lautet der Titel auch nur noch »The Repository of Arts, Literature, Fashion &c.«, vgl. ibid. S. 104.<br />

178


Stoffmustern […]”. 111 Damit ist für die folgende Darstellung ein ‘Umfeld’ angedeutet, bei dem<br />

es naheliegt anzunehmen, daß der Kunst vor allem eine modisch-dekorative Rolle zukam.<br />

In der ersten Nummer des besagten Magazins wurden - abweichend vom späteren Schema<br />

- die Verkaufsräume von fünf ausgesuchten Londoner Händlern für Artikel des gehobenen<br />

Bedarfs abgebildet. Dabei verwundert es kaum, daß eines dieser Bilder auch Ackermann’s<br />

Repository of Arts zeigt(ABB. III 250), 112 also das Geschäft des Verlegers der neuen Zeitschrift,<br />

das zudem ganz offensichtlich - wohl mit dem Ziel einer gegenseitigen Beförderung - für<br />

deren Titel Pate gestanden hatte. Angesichts der beschriebenen Umstände ist man geneigt, der<br />

Radierung nicht zuletzt auch einen Werbe-Effekt zu unterstellen.<br />

Umso mehr erstaunt es, wie nüchtern und unspektakulär die Schilderung insgesamt aus-<br />

fällt. Zwar wirkt das in einem sehr breiten Querformat dargestellte Ladenlokal mit dem üp-<br />

pigen und sehr modernen Lichteinfall von oben und der unverstellten Fläche in der Mitte<br />

trotz einer gewissen Angebotsfülle hell, übersichtlich und einladend, doch keines der offe-<br />

rierten Stücke und auch keine der Personen sticht in irgendeiner Weise hervor. Die Waren<br />

sind nur kursorisch wiedergegeben und vermitteln lediglich einen Eindruck von Varietät<br />

und Reichhaltigkeit, ohne jegliche Anzeichen für Stücke von Besonderheit.<br />

Gleichermaßen unauffällig ist das einzeln oder in kleinen Gruppen im Raum verteilte<br />

Personal, das in der Kleidung detaillierter ausgearbeitet ist als in den Gesichtszügen. Die Kun-<br />

den erscheinen grundsätzlich interessiert, doch sie zeigen keinerlei Gesten, die auf eine spe-<br />

zielle Begeisterung für eines der Stücke hinweisen würden. Die Angestellten wirken höflich,<br />

bemüht und geschäftig. Alles geht seinen gewohnten und gänzlich unaufgeregten Gang.<br />

Man fühlt sich eher an die sachlichen Zeichnungen Salomon de Brays (ABB. II 370 u. II<br />

380) erinnert als an Watteaus »Enseigne de Gersaint« (ABB. II 400), das den anzusprechenden<br />

potentiellen Kunden - zumindest auch - eine Bühne versprach. Und doch sträubt man sich,<br />

dem Blatt einen rein dokumentarischen Charakter zuzuschreiben, insbesondere wohl auf-<br />

grund des Kontextes, in dem es publiziert wurde. Denkbar wäre aber vielleicht auch, daß mit<br />

der Zurückhaltung und Unaufdringlichkeit nicht nur dieser Darstellung 113 eben jenem Ein-<br />

druck, es handele sich bei solchen Illustrationen einzig um Werbung, begegnet werden sollte.<br />

In Rahmen der Kunsthandlungen soll auch auf ein Aquarell aus dem Jahr 1825 einge-<br />

gangen werden, das einen Messestand mit Graphiken zeigt (ABB. III 260). 114 Es handelt sich<br />

111 Ibid. S. 105.<br />

112 Diese Darstellung fand sich anscheinend auch auf Ackermanns ‘Trade Card’ (vgl. Palaces of Art... (siehe Anm.<br />

27). S. 161, Kat.-Nr. G5): A. Ch. Pugin (1762 - 1832) und Thomas Rowlandson. 1809. Kolorierte Radierung, 14 x 24,5<br />

cm. Trustees of the British Museum (Heal Collection), London.<br />

113 Vgl. etwa eine Darstellung der Bibliothek in den Räumen von Ackermanns Repository of Arts (ABB. III 251), die<br />

1813 in Ackermann’s Repository of Arts, … veröffentlicht wurde.<br />

114 »Die Kupferstiche« . Stadtgeschichtliches Museum Leipzig (ehemals Museum für Geschichte der Stadt Leip<br />

179


um eine von mehreren Darstellungen des Malers Georg Emanuel Opiz (1775 - 1841), die das<br />

Treiben der Besucher aus aller Herren Länder während der Leipziger Messe zum Gegenstand<br />

haben. 115 Das hochformatige Bild zeigt den Blick auf ein hohes Bogenportal und in ein da-<br />

durch erschlossenes Gewölbe unbestimmter Tiefe. An den beiden Pfeilern, einem Türflügel<br />

und einem Teil der sichtbaren Wand, links in dem überwölbten Raum, sind dicht neben- und<br />

übereinander zahlreiche Stiche angebracht. Ähnlich wie in der Radierung von Ackermann’s<br />

Repository sind die feilgebotenen Stücke nur vage angedeutet, im Unterschied aber zu jenem<br />

englischen Beispiel kommt dem Personal hier unverkennbar eine tragende Rolle zu. 116 Seiner<br />

- weitaus lebendigeren - Schilderung gilt nahezu die gesamte Aufmerksamkeit.<br />

Es finden sich Männer und Frauen, Erwachsene und Kinder. Zudem lassen sich Personen<br />

verschiedener gesellschaftlicher Schichten unterscheiden. Vorne links stehen seltsam dicht<br />

nebeneinander aufgereiht und mit dem Rücken zum Betrachter unterschiedliche Vertreter<br />

der ‘besseren’ Gesellschaft: mit auffälligen Hüten zwei Damen, die sich einen der Stiche am<br />

Bogenpfeiler besehen, hinter ihnen ein Mädchen und ein Junge, die in dieser Reihe nahezu<br />

untergehen, dann ein Herr mit Zylinder, ein Akademiker (?) und ein Offizier, die alle - glei-<br />

chermaßen aufrecht und erhobenen Hauptes - einen Punkt innerhalb des Schauraumes anzu-<br />

visieren scheinen, und schließlich zwei ebenso elegant wie leicht gekleidete junge Frauen, die<br />

sich für die beiden Herren vor ihnen interessieren, die wohl eine kleine verbale Auseinan-<br />

dersetzung haben.<br />

Für diese beiden Herren oder auch für die Damen interessiert sich ebenfalls eine Gruppe<br />

von Männern weiter rechts. Nur einer dieser vier nimmt keine Notiz von diesem Ereignis<br />

und begutachtet weiterhin den ihm vorgehaltenen Gegenstand, die übrigen aber scheinen ein<br />

wenig frech oder gar herausfordernd zu grinsen. Dieses Verhalten sowie einige Details wie die<br />

Kappe des Linken oder der Umstand, daß der Rechte seine Hand in der Hosentasche trägt, le-<br />

gen es nahe, diese Gruppe - mit besagter Ausnahme vielleicht - für Vertreter eines niedri-<br />

geren Standes zu halten.<br />

Zum einfacheren Volk, wenngleich geziemlicheren Benehmens, dürften auch der junge<br />

Mann und die zwei Kinder zu rechnen sein, die sich so sehr für die Stiche an dem rechten Bo-<br />

genpfeiler interessieren. Diese Zuordnung mag ebenso für den älteren Mann mit Brille und<br />

Zylinder hinter ihnen gelten, doch sein sichtlich unelegant getragener Hut ist wohl in erster<br />

zig).<br />

115 Zur selben Zeit veröffentlichte Opiz unter dem Titel »Die Leipziger Messe« drei Serien von je sechs kolorierten<br />

Kupferstichen. “Daneben verkaufte Opiz ständig Aquarelle, also Einzelblätter, zu diesem Thema.” Rose-Marie<br />

Frenzel: Leipzig - Historische Messeszenen. (Faltblatt mit farbigen Reproduktionen, Museum für Geschichte der<br />

Stadt Leipzig/ ISBN: 3-7492-0200-1) Leipzig, 1987.<br />

116 Insofern erscheint der Titel »Die Kupferstiche« recht irreführend und wohl nur im Zusammenhang mit den anderen<br />

»Leipziger Meßszenen« einigermaßen sinnvoll.<br />

180


Linie ein Zeichen für eine selbstvergessene und uneitle Betrachtung von Kunst. Das ist ein<br />

Verhalten, das hier eigentlich nur Randfiguren 117 - explizit auch solche niedrigerer sozialer<br />

Schichten - an den Tag legen, während es jenen, die im Mittelpunkt stehen, offensichtlich ‘ab-<br />

geht’. Die scheinen sich lediglich bedingt für die Stiche zu interessieren.<br />

Zwar treffen an diesem Messestand verschiedene gesellschaftliche Schichten aufeinander,<br />

doch es entsteht keineswegs der Eindruck einer ‘Durchmischung’ - nicht einmal als Folge<br />

eines alles überwältigenden Interesses für die Kunstwerke. Die Sphären bleiben letztlich ge-<br />

trennt.<br />

Deutlicher noch ist das der Fall in einer Radierung Adolphe Martials (1828 - 1883), die einen<br />

Blick auf das Gebäude der Pariser Kunsthandlung Cadart & Louquet - zugleich wohl noch Ver-<br />

lag und Druckwerkstatt - zeigt (ABB. III 270). 118 Die Auslagen im Vordergrund besehen sich<br />

allein die jungen und eleganten Herrschaften, und erst vor den beiden Schaufenstern weiter<br />

hinten, rechts, finden sich, auch durch architektonische Gliederungselemente abgesetzt, Per-<br />

sonen von niedrigerem Status.<br />

Im folgenden Gemälde von Thomas P. Hall hingegen sind nicht nur Vertreter mehrerer<br />

Altersstufen, sondern auch und vor allem verschiedenster Schichten in der Betrachtung eines<br />

Kunstwerks - ‘auf’s Lieblichste’ - geeint (ABB. III 280): 119 ganz vorne stehen zwei staunende<br />

Kinder, ein Straßenjunge mit eher sehnsuchtsvollem Blick und eine kaum weniger gebannte<br />

Bedienstete oder einfache Hausfrau mit einem Krug; dahinter eine elegante Dame, ebenfalls<br />

angetan, jedoch mit ein wenig mehr Abstand, deren ältere Begleiterin, die ihr recht skeptisch<br />

über die Schulter schaut, und ein Herr mit Zylinder, der das Gemälde durch seine Sehhilfe<br />

eher sachlich begutachtet; dann schließlich mit einer Pfeife in seiner Linken ein Hafenarbeiter<br />

oder ähnliches, 120 der sich zu einem weiteren Mann umwendet, wohl um ihm, wie die<br />

weisende Geste seiner Rechten andeutet, seine Beobachtungen zu dem Gemälde mitzuteilen.<br />

Hall bedient sich in diesem Bild eines ebenso einfachen wie effektvollen Mittels. Er ge-<br />

währt dem realen Betrachter einen Blick aus dem Inneren einer Kunsthandlung heraus, an<br />

den Auslagen vorbei, direkt in die Gesichter einer Gruppe von Personen, 121 die sich, wohl<br />

weitgehend zufällig, vor dem Schaufenster zusammengefunden haben und sich alle für ein<br />

117 Dazu zählen auch einige bislang noch nicht erwähnte Besucher, von denen lediglich die interessiert schauenden<br />

Köpfe im Mittelgrund auszumachen sind.<br />

118 1865.<br />

Des weiteren hatte hier offensichtlich auch die Direction Générale de la Société des Aqua-Fortistes, der 1862 gegründeten<br />

Gesellschaft der Malerradierer, ihren Sitz.<br />

119 1867. Leinwand, 63,5 x 76,2 cm. Alex Jackson, Esq.<br />

120 Das legt seine Kopfbedeckung nahe, die auch für längeres Arbeiten im Regen geeignet ist.<br />

121 Zusammen mit der Konzentration auf eine kleine Gruppe von Betrachtern - im Gegensatz etwa zu den gut gefüllten<br />

Ausstellungssälen mit einigen als Repräsentationsfiguren ins Bild gesetzten prominenten Besuchern (vgl. z. B.<br />

ABB. II 620) - ist diese Art der Komposition zwar nicht einzigartig, aber doch erstaunlich selten.<br />

181


und dasselbe Gemälde interessieren - von dem natürlich nur Rahmen und Rückwand wie-<br />

dergegeben sind. 122 Man schaut ihnen hier nicht über die Schulter und wird gewissermaßen<br />

Teil der Gruppe oder sieht ihnen, mehr als Außenstehender, von der Seite zu. Man tritt<br />

ihnen, und damit wie immer auch Spiegelungen des eigenen Tuns, tatsächlich gegenüber<br />

und kann die Regung jedes einzelnen genau und ungeniert studieren. Dabei aber geht es<br />

wohl kaum darum, verschiedene Betrachtertypen vorzuführen. Das bestimmende Moment<br />

scheint vielmehr die Formulierung einer - zumindest für das heutige Auge - durchaus bis ins<br />

Kitschige abdriftenden sozialromantischen Wunschvorstellung; ein Eindruck, der durch den<br />

Titel nochmals erheblich gesteigert wird: »One touch of nature makes the whole world<br />

kin«. 123<br />

Im Zusammenhang mit den beiden vorangegangenen Beispielen fällt auf, daß das Auf-<br />

einandertreffen der verschiedenen sozialen Schichten - unabhängig davon, ob es tatsächlich<br />

zu einer ‘Durchmischung’ kommt - nicht in den Kunsthandlungen stattfindet, sondern<br />

draußen vor den Schaufenstern, also im öffentlichen Raum. 124 Das Bild hingegen, das von<br />

den Geschäftsräumen gezeichnet wird, ist - zumindest weitgehend - ein anderes; das mag<br />

unter anderem damit zusammenhängen, daß es um den Ruf von Kunsthändlern nach wie<br />

vor nicht allzu gut bestellt war, auch wenn es zweifellos gewichtige Ausnahmen gab. 125<br />

In der neuen Denman Tripp Galerie in der Pariser Rue de Provence etwa, wie sie ein Stich<br />

von 1883 zeigt (ABB. III 290), 126 scheint eine derartige Begegnung verschiedener gesell-<br />

122 So kann jeder für sich spekulieren, was für ein Bild eine derartige Wirkung haben könnte.<br />

123 Im Zusammenhang mit diesem Titel drängt sich eine Äußerung von Thomas Greenwood auf: “I have watched<br />

minutely the faces of visitors at many an Art Gallery or Museum, especially in the evening, and the faces of the working<br />

class have provided a study in physiognomy so gratifying that I never now enter a Museum without giving<br />

some attention to the faces of hte visitos as well as to the objects in the Museum. How the eyes light up at some picture,<br />

where the ‘one touch of nature makes the whole world kin’ [meine Hervorhebung], and I have more than once<br />

seen a wife with a pale careworn face cling more closely to the arm of her husband as some picture of child life was<br />

being looked at […]”. (Th. Greenwood: Museums and Art Galleries. [?], 1888. S. 173f, zit. n. K. Hudson: Social History<br />

of Museums. What the Visitors Thought. London u. a., 1975. S. 61.) Es ist zwar nicht auszuschließen, daß Greenwood<br />

Halls Gemälde zitiert, wahrscheinlicher aber dürfte sein, daß sich schon Hall auf ein geläufiges literarisches<br />

Zitat bezog. Doch ist die Passage auch insofern interessant, als in ihr offensichtlich die von einem Kunstwerk<br />

ausgelöste affektive Ergriffenheit das Maß der Dinge ist und nicht das indirektere kennerschaftliche Erkennen von<br />

künstlerischen Qualitäten.<br />

124 Während es für die einen vielleicht nur eine Möglichkeit war, sich unbehelligt von allzu eifrigen Verkäufern einige<br />

Stücke anzuschauen, war der Blick in die Schaufenster für andere, die Schwellenangst oder gar explizit eine<br />

Einlaßkontrolle daran hinderte, die Geschäftsräume zu betreten, womöglich die einzige Gelegenheiten, überhaupt<br />

einen Eindruck vom Angebot einer Kunsthandlung zu bekommen.<br />

Hier liegt es nahe auf Karin Orchard zu verweisen, die davon berichtet, daß man in Londoner ‘printshops’, die<br />

durchaus Angebote für eine einfachere Klientel hatten, bisweilen eine - wenn auch niedrige - Eintrittsgebühr zu entrichten<br />

hatte, um Ausstellungen in den Verkaufsräumen zu besichtigen. Es stellt sich schon die Frage, ob das nicht<br />

auch geschah, um wenigstens einige mißliebige ‘Interessenten’ fernzuhalten. Vgl. K. Orchard: “Das revolutionäre<br />

Jahrzehnt: Zerrbild”, in: Europa 1789. Aufklärung - Verklärung - Verfall. Hrsg. v. W. Hofmann. (Ausst.-Kat.<br />

Hamburg, 1989) Köln; Hamburg, 1989. S. 307.<br />

125 “Dealers were not highly regarded, and they seem to have been a rough crew, with the exception of Agnews,<br />

Gambart, Flatou, and few others.” Christopher Wood: Victorian Panorama... (siehe Anm. 91.). S. 203.<br />

126 Signiert unten links mit “H. Toussaint”, eine weitere Signatur unten rechts ist nur teilweise auszumachen.<br />

182


schaftlicher Schichten undenkbar. Hier ist offensichtlich alles vorrangig auf die Vermittlung<br />

von Exklusivität und Eleganz hin angelegt. Die Bilder-im-Bild sind dabei allenfalls zweit-<br />

rangig, sie werden lediglich angedeutet und, was noch bezeichnender ist, vielfach von Leuch-<br />

tern, Pflanzwerk oder schwungvoll drapierten Stoffbahnen verdeckt. Selbst die Spiegelungen<br />

im edlen und gepflegten Fußboden sind bisweilen detailreicher ausgearbeitet. Das im eigent-<br />

lichen Sinne des Wortes gutbetuchte Personal beschäftigt sich aufmerksam - soweit die aus-<br />

druckslosen Gesichter eine solche ‘Charakterisierung’ erlauben - mit den Ausstellungsstücken<br />

oder ruht sich aus. Die locker und beiläufig im Raum verteilten Figuren sind zur ‘Belebung’<br />

der gediegenen Leere zweifellos unerläßlich, doch mehr als bloße Staffage sind sie nicht.<br />

Exklusiver noch stellt der Architekt Edward Salomons die neuen Londoner Geschäfts-<br />

räume seines Auftraggebers, des Kunsthändlers William Agnew, dar: sehr großzügig dimen-<br />

sioniert und relativ leer - mit freien Flächen am Boden und einer sehr lockeren Hängung an<br />

den Wänden (ABB. III 300). 127 Elizabeth Wright betont zu Recht: “[…] this apartment has the ap-<br />

pearance not of a commercial establishment but of an Aesthetic drawing-room, […] the fur-<br />

niture is eclectic and carefully chosen to suggest [jedoch nur für eine entsprechend gebildete<br />

Klientel] profound historical reference.” 128 Auch die übrige, immobile Inneneinrichtung, in<br />

deren akkurater Wiedergabe sich sicher nicht zuletzt der Stolz des Architekten spiegelt, ist<br />

überaus aufwendig und edel.<br />

Abgesehen davon präsentiert sich der Hausherr, ähnlich wie es in einer Reihe früherer<br />

Sammlungsportraits geschieht, selbstbewußt an zentraler Stelle, hier ganz aufrecht ein wenig<br />

links von der Mitte, und schaut den Betrachter aus dem Bild heraus mit klarem Blick direkt<br />

an; dabei mag die ungewöhnliche Pose, die er einnimmt, auf gewisse Eigenheiten Agnews<br />

deuten. 129 Auch die Dame am Tisch rechts wäre wohl zumindest ebensogut in den Räumen<br />

einer Privatsammlung wie einer Kunsthandlung anzutreffen. So bleiben lediglich einige De-<br />

tails, die auch innerhalb der Darstellung darauf schließen lassen, daß Verkaufsräume wieder-<br />

gegeben sind: der Umstand, daß weder der im Aufbruch begriffene Herr links zur Tür begleitet<br />

noch der kommende dort empfangen wird, der unveränderlich breite und gänzlich türlose<br />

Durchgang vom Eingangsbereich zum Hauptraum und womöglich auch der auf dem Kopf<br />

belassene Hut des sitzenden Herrn unmittelbar vor Agnews. Bis auf den Hausherrn ist das<br />

sparsame Personal auch hier lediglich austauschbare, sozusagen blutleere Staffage. Das Ver-<br />

halten der Besucher scheint kaum von Belang und wirkt in keiner Weise exemplarisch, we-<br />

Bibliothèque nationale, Paris.<br />

127 Um 1880. Aquarellfarbe, Bleistift und Tinte. 31, 1 x 58,7 cm. Agnew’s.<br />

128 Es handelt sich aber eindeutig um die Geschäftsräume: “[…] William is shown in the principal ground floor<br />

room at the new premises.” E. Wright in Palaces of Art... (siehe Anm. 27). S. 164, Kat.-Nr. G 12.<br />

129 Seine Unterarme ruhen auf der Rückenlehne eines im Moment nur auf zwei von vier Beinen stehenden Stuhles,<br />

zudem stützt er womöglich noch ein Knie auf die Sitzfläche.<br />

183


der im Guten, noch im Schlechten.<br />

Bei Darstellungen in der Art der letzten beiden Beispiele stellt sich die Frage, ob sie nicht<br />

als Versuch der Händler zu deuten sind, ihre Geschäfte in Zeiten einer zunehmenden Ver-<br />

Öffentlichung und Popularisierung von Kunst in Ausstellungen und Museen sozusagen als<br />

Refugien einer ‘exklusiven Öffentlichkeit’ in Sachen Kunst zu positionieren. 130 In diese<br />

Richtung weist auch eine zeitgenössische Äußerung in La Vie parisienne:<br />

“Figurez-vous, à deux pas du boulevard de la Madeleine, au temple recueilli, une galerie luxueuse,<br />

s’annoçant par de grands escaliers et de hauts vestibules, avec bustes antiques, fleurs rares, tapis<br />

moelleux. Sur les dalles recouvertes de pourpre, un va-et-vient de toilettes parisiennes complètent ce<br />

décor à la fois le plus parisien et le plus artistique qu’on puisse voir. Avant d’entrer, on se sent pris<br />

d’indulgence, presque de respect pour ce qu’on va voir. Toute idée vulgaire ou hostile disparait [meine<br />

Hervorhebung] 131 rien qu’à soulever ce grand rideau de velours sur cette vaste galerie tapissée d’étoffe<br />

rouge, où les cadres scintillent, où les couleurs éclatant harmonieuses et chaudes sur ce fond calculé si à<br />

point. Savez-vous rien de plus odieux, expositions banales du Palais de l’industrie, que ces arcatures de<br />

ferailles, ces lambeaux de lustrine verte et ces odeurs de crotin qui ravalent tout ce qui a le malheur d’y<br />

être exposé?” 132<br />

Der Umstand, daß die Bilder-im-Bild in den angeführten Darstellungen zur Nebensache<br />

werden, erscheint angesichts des - in Verkaufsräumen unvermeidlichen - Warencharakters<br />

der Kunstwerke und des immer wieder wechselnden Angebots, durch das sich ein gutes Ge-<br />

schäft unter anderem auszeichnet, sogar von einer gewissen Stringenz, denn die vage ange-<br />

deuteten Stücke bieten eine Projektionsfläche für die Wünsche und Vorstellungen der<br />

umworbenen Kunden.<br />

AUKTIONEN. Für das 18. Jahrhundert konnten hier lediglich sechs 133 Darstellungen von<br />

Kunstauktionen angeführt werden. Für das 19. Jahrhundert hingegen ist die Zahl deutlich<br />

höher. Dennoch ist der Versuchung zu widerstehen, aus der Menge der gefundenen Darstel-<br />

lungen des Motivs allzu unmittelbare Rückschlüsse auf dessen tatsächliche Häufigkeit in den<br />

fraglichen Zeiten zu ziehen. Zu ungewiß ist, wieviel überhaupt überdauert hat und welchen<br />

Teil man davon wiederum - bislang - hat ausmachen können. Im Zusammenhang mit dem<br />

hier zunächst so naheliegenden Vergleich ist noch zusätzlich zu bedenken, daß ein Gutteil<br />

130 In diese Richtung weist auch eine zeitgenössischen Äußerung: ”<br />

Natürlich waren auch einige Privatsammlungen einem ausgesuchten Publikum zugänglich, doch war das eine souveräne<br />

Entscheidung des Besitzers, die jederzeit widerrufen werden konnte. Im Gegensatz dazu muß man für eine Kunsthandlung<br />

wohl zumindest ein gewisses Maß an Öffentlichkeit - als integralen ‘Bestandteil’ - voraussetzen.<br />

131 Mainardi führt zu dieser Stelle aus: “[…] what had really disappeared were the hostile and vulgar classes. It<br />

was no longer desirable or even possible to imagine the peaceful intermingling of social classes on the common ground<br />

of art […]”. Patricia Mainardi: The end of the Salon... (siehe Anm. 4). S. 139.<br />

132 ”La Nouvelle Salle d’Exposition de la rue de Sèze” in: La Vie parisienne. 25. Februar 1882, S. 119 (siehe auch<br />

ABB. III 301).<br />

133 Strenggenommen sind es sogar nur fünf, doch eine davon wurde in den Katalogen zu zwei verschiedenen<br />

Auktionen als Frontispiz verwendet (vgl. Kap. 2).<br />

184


der Beispiele des 19. Jahrhunderts aus den relativ weit verbreiteten und mehrfach überlie-<br />

ferten illustrierten Zeitschriften stammt, während immerhin drei der sechs Beispiele des vor-<br />

angegangenen Kapitels ‘nur’ in Auktionskatalogen veröffentlicht wurden, in einer Publika-<br />

tionsform also, die in wesentlich kleineren Auflagen für eine deutlich exklusivere Klientel erschienen<br />

sein dürfte und deren Sichtung und Bearbeitung allenfalls begonnen scheint. 134<br />

Indessen deutet der Umstand, daß das Motiv der Kunstauktion relativ gleichmäßig über die<br />

zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts verteilt in den besagten Zeitschriften - und zudem in ein-<br />

zelnen graphischen Blättern - dargestellt wurde, zumindest auf ein beständiges Interesse auch<br />

breiter gefächerter Schichten der Gesellschaft der Zeit an diesem Thema. 135<br />

Ähnlich wie in den Beispielen des 18. steht auch in jenen des 19. Jahrhunderts die Schil-<br />

derung des - weitgehend männlichen - 136 Personals im Vordergrund. Gemessen an ihm wir-<br />

ken die Kunstwerke, als seien sie lediglich von untergeordneter Bedeutung. Zwar sind sie<br />

zweifellos der eigentliche Anlaß der wiedergegebenen Veranstaltungen, doch in den Darstel-<br />

lungen liefern sie meist nurmehr das entsprechende Ambiente für das Ereignis der Auktion.<br />

Dieser Eindruck entsteht etwa durch eine nur geringe Anzahl von wiedergegebenen Kunst-<br />

werken oder durch den Umstand, daß bei den ‘Bildern-im-Bild’ oft nicht einmal mehr eine<br />

grobe Bildanlage auszumachen ist - 137 ganz zu schweigen von so etwas wie der Nachahmung<br />

der Manier anderer Meister in den gemalten Galerien aus dem Antwerpen des 17. Jahr-<br />

hunderts. Und natürlich trägt auch das Verhalten des Personals dazu bei.<br />

In »A Sale at Christie’s« etwa (ABB. III 310), einem Holzstich nach einer Vorlage von Tho-<br />

mas W. Wilson (1851 - ?), 138 sind die Reihen der teils sitzenden, teils stehenden Besucher deut-<br />

lich auf den Auktionator auf seinem kanzelartigen Möbel ausgerichtet, obschon im Moment<br />

134 Mit anderen Worten: hier könnten noch einige Darstellungen auftauchen.<br />

Mit dieser anderen Klientel hängt es möglicherweise auch zusammen, daß sich die Beispiele des 19. Jahrhunderts<br />

insgesamt durch einen stärker öffentlichen Charakter auszeichnen.<br />

135 Was Fischer, Haefs und Mix über die Verbreitung von Zeitschriften im Deutschland des 18. Jahrhunderts schreiben,<br />

dürfte in noch verstärkter Form auch für das 19. Jahrhundert - und keineswegs allein für Deutschland - gelten.<br />

Sie betonen “[…] den wichtigen Beitrag, den Institutionen wie Lesegesellschaften und Journalbibliotheken für die<br />

Verbreitung von Zeitschriften und die Popularisierung der damit verbundenen regelmäßigen, »extensiven« Lektüre<br />

geleistet haben. […] In jedem Fall - ob Lesegesellschaft oder Privatbezug - ist davon auszugehen, daß die einzelnen<br />

Hefte von Zeitschriften jeweils mehrere Leser gefunden haben; die Auflagenhöhe gibt also nur bedingt Auskunft<br />

über das tatsächliche Ausmaß der Rezeption.” E. Fischer; W. Haefs; Y.-G. Mix: “Aufklärung, Öffentlichkeit und<br />

Medienkultur in Deutschland im 18. Jahrhundert”, in: Von Almanach bis Zeitung. Ein Handbuch der Medien in<br />

Deutschland 1700 - 1800. Hrsg. v. dens. München, 1999. (S. 9 - 23) S. 18<br />

136 In den Darstellungen anderer Orte der Kunst erscheinen Frauen häufiger und auch selbstverständlicher.<br />

137 Vgl. ABB. III 310, III 311 u. III 370 - von “Bildern-im-Bild” kann man hier wohl nur bedingt sprechen. Ebenso finden<br />

sich Beispiele, in denen lediglich die Rückseite der zum Verkauf stehenden Gemälde dargestellt ist (ABB. III<br />

312, III 313 u. III 320).<br />

Sicher mag die Idee einer freien Projektionsfläche für die Wünsche der potentiellen Kunden hier bisweilen gleichfalls<br />

ein Grund sein. Doch im Zusammenhang mit den auch als Werbung zu verstehenden Darstellungen von Kunsthandlungen<br />

erscheint diese Vermutung um einiges plausibler.<br />

138 21,5 x 30.5 cm. Außer Wilson ist noch ein zweiter Name lesbar: R. Taylor; ein reproduzierender Holzschneider<br />

dieses Namens war um 1870 bis 1900 als für »The Illustrated London News« tätig.<br />

185


offensichtlich nicht gesteigert wird. Man unterhält sich, macht sich Notizen, liest im Katalog<br />

oder beobachtet andere Besucher. 139 Sicher, hier hängen keinerlei Bilder an den Wänden, die<br />

die Aufmerksamkeit auf sich ziehen könnten, doch immerhin wird unweit des Auktionators<br />

gerade ein Gemälde vorgeführt, bei dem es sich um die unmittelbar zur Versteigerung an-<br />

stehende Losnummer handeln dürfte. 140 Direktes Interesse für dieses Stück jedoch zeigt le-<br />

diglich ein einzelner Herr. Das mag damit zu erklären sein, daß sich zumindest jene, die ernst-<br />

haft auf Erwerbungen bedacht sind, bereits bei einer Vorbesichtigung mit den Angeboten ver-<br />

traut gemacht haben und sich weitgehend im Klaren darüber sind, bei welchen Stükken sie<br />

wie hoch zu steigern bereit sind. 141 Womöglich liegt es aber auch daran, daß einige Besucher<br />

eigentlich nur gekommen sind, um die Auktionsatmosphäre und ein spannendes Bietgefecht<br />

mitzuerleben. Dennoch bleibt dieser Umstand auffällig und bemerkenswert. 142<br />

In einer weiteren Zeitungsillustration, die »Eine Auction im Hôtel Drouot in Paris« zeigt,<br />

wird dem zum Verkauf stehenden Stück immerhin ein wenig mehr Interesse entgegenge-<br />

bracht (ABB. III 320), 143 doch das Gros der Anwesenden ist sowohl dem Gemälde wie auch<br />

seiner - hier zudem bereits begonnenen - 144 Versteigerung gegenüber sichtlich indifferent.<br />

Insbesondere die prominent im Vordergrund, zugleich aber leicht abseits des ‘eigentlichen’ Ge-<br />

schehens plazierten Damen und Herren, die recht leger auf ihren - nahezu demonstrativ - un-<br />

einheitlich ausgerichteten Stühlen sitzen, wirken gänzlich unbeeindruckt von der laufenden<br />

Auktion. Natürlich ist nicht zu sagen, worum sich ihre Gespräche drehen, aber zumindest bei<br />

den beiden Frauen ist man eher geneigt, von einem Thema weitab der angebotenen Kunstwerke,<br />

ihrer Qualitäten oder Preise auszugehen. 145<br />

Im Gegensatz dazu zeigt der in einer englischen Zeitschrift publizierte Holzstich »A Picture<br />

Sale in Paris« ein Publikum, dessen Aufmerksamkeit fast vollständig auf das Auktions-<br />

geschehen gerichtet ist (ABB. III 330). 146 Allerdings stellt sich die Frage, ob das nicht vorrangig<br />

darauf zurückzuführen ist, daß sich ein Herr etwa in der Mitte am unteren Bildrand erhoben<br />

139 Vielleicht als potentielle Rivalen.<br />

140 Auch auf die jenseits der Bildfläche zu denkenden Wände, die behängt gewesen sein mögen, schauen allenfalls<br />

einzelne Besucher.<br />

141 Zudem ist es durchaus denkbar, daß die Demonstration von Desinteresse bisweilen taktischen Erwägungen<br />

hinsichtlich der Versteigerung geschuldet ist.<br />

142 Vgl. auch ABB. III 311, Illustration in einer Ausgabe von »The Graphic« aus dem Jahr 1897. Zwar schauen dort<br />

ein paar Personen mehr zu dem aufgerufenen Stück, doch bleibt das Interesse, zumindest für diese Losnummer, sehr<br />

gering. Und auch hier kann als Erklärung nicht angeführt werden, daß die Auktion bereits begonnen hätte; sonst<br />

würde dem Auktionator wohl zumindest ein wenig mehr Aufmerksamkeit entgegengebracht.<br />

143 E. Wasgottse, Michel Lévy. Holzstich, 27,5 x 38 cm. Erschienen 1887 in: Neue Illustrirte Zeitung, Nr. 49.<br />

144 Das zumindest legen die Posen des Schreibers und des Auktionators nahe.<br />

145 Für sie scheint das Auktionshaus momentan eher ein Treffpunkt, ein Ort für die private Begegnung in der Öffentlichkeit,<br />

für Tratsch und möglicherweise auch ‘Turteleien’.<br />

146 27,5 x 40,5 cm. Erschienen 1872 in einer Ausgabe von The Illustrated London News.<br />

186


und mit großer Geste zu Wort gemeldet hat, vielleicht mit einem Einspruch gegen die Be-<br />

wertung des Bildes oder auch nur mit einem extremen Gebot. Im Moment jedenfalls ist es sei-<br />

ne offensichtlich sehr ungewöhnliche Äußerung, die die Menge beschäftigt, sie ernst bis<br />

entsetzt innehalten läßt. 147 Ein Herr, vorne links, hat die Hände noch zum Beifall erhoben,<br />

während sein Gesicht schon verrät, daß ihm gar nicht mehr danach zumute ist. Andere<br />

schauen in die Auktionsbroschüre oder auf das von einem Helfer hochgehaltene Gemälde, so<br />

als wollten sie sich des Gegenstands vergewissern, von dem gerade die Rede ist, oder das<br />

besagte Stück angesichts der neuen ‘Umstände’ zumindest nochmals genauer besehen. Die<br />

meisten aber interessieren sich für jenen Mann, der die Irritation hervorgerufen hat. Zwei-<br />

fellos führt dieser anonyme Stich ein Auktionspublikum von großer Aufmerksamkeit vor,<br />

nur gilt die eben nicht oder allenfalls mittelbar der Kunst.<br />

Indessen finden sich durchaus auch Beispiele, in denen sich weite Teile der Besucher<br />

ausgesprochen eifrig mit den angebotenen Stücken beschäftigen. So etwa in einem kolorierten<br />

Holzstich mit dem Titel »Berliner Bilder: Eine Versteigerung in Lepke’s Kunstauctionshaus«<br />

(ABB. III 340), 148 in dem sich das Publikum nahezu geschlossen für das soeben präsentierte<br />

Gemälde, offensichtlich die nächste Losnummer, interessiert. Ähnlich breite Auf-<br />

merksamkeit zeigen auch die Besucher eines »Picture Sale at Messrs. Christie and Manson’s,<br />

King-Street, St.-James’s.« (ABB. III 350). 149 Allerdings richtet sie sich in diesem Beispiel nicht<br />

so konzentriert auf ein einzelnes Stück, sondern auf verschiedene der zum Verkauf ste-<br />

henden Bilder, die teils mit Nummern versehen an den Wänden hängen, teils aber auch am<br />

Boden stehen und, wie es vorne links zu sehen ist, zur genauen Begutachtung in die Hand ge-<br />

nommen werden. Der erhöht auf seinem kanzelartigen Möbel stehende Auktionator ist dabei<br />

wohl als ein Hinweis darauf zu verstehen, daß es sich nicht um einen gesonderten Vorbesich-<br />

tigungstermin handelt, sondern daß Besichtigung und Versteigerung hier in ein und demselben<br />

Raum unmittelbar aufeinander folgen. 150<br />

147 Eine vergleichbare Szene, allerdings deutlich karikiert, zeigt anscheinend auch eine der Radierungen, in denen<br />

Thomas Rowlandson die Erlebnisse seiner erfolgreichen Figur Doctor Syntax schildert: »Doctor Syntax at an Auction«<br />

von 1820 (ABB. III 331).<br />

148 W. Zehme (1859 - ?); A. Weber. 35,5 x 51,5 cm. Wobei der erste Teil des Titels darauf deutet, daß es sich hier -<br />

zumindest in der Anlage - nur um eine von mehreren Darstellungen handelt, die typische Szenen aus allen erdenklichen<br />

Bereichen der Großstadt Berlin zeigen, nicht nur aus der Kunstwelt - wenn auch wahrscheinlich vornehmlich<br />

aus solchen Bereichen, in denen die gehobene Gesellschaft sich ‘zuhause’ fühlte.<br />

149 Edmond Morin; Henry Duff Linton (1815 - 1899). Holzstich, 40,5 x 27,5 cm. Erschienen 1856 in einer Ausgabe von<br />

The Illustrated London News.<br />

150 Explizite Vorbesichtigungsdarstellungen scheinen eher selten. Allerdings mag das auch daran liegen, daß sie<br />

ohne eine entsprechende Betitelung oder andere Zusatzinformationen oft nicht von ‘normalen’ Ausstellungen zu unterscheiden<br />

sind. Zu nennen wären hier etwa: Daumiers »Une Salle de l’Hôtel Drouot, Un Jour d’Exposition« (ABB.<br />

III 351); »Bei der Vorbesichtigung« (ABB. III 352), wobei der Umstand, daß es in der Allgemeine[n] Moden-Zeitung<br />

erschien, wie auch die farbliche Hervorhebung der Besucherinnen deutlich macht, daß es hier eigentlich nur um<br />

das Personal bzw. seine modische Bekleidung geht; und schließlich der Holzstich »Hôtel Drouot de Berlin« (ABB.<br />

III 353), in dem an der Darstellung einer Auktion in Trompe-l’œil-Manier unter anderem auch ein Blatt mit der<br />

187


Diese letzte Annahme dürfte auch auf die zwei nächsten Beispiele zutreffen, die beide in<br />

den 1860er Jahren in französischen Zeitschriften erschienen. Das frühere »Une Salle de<br />

l’Hôtel des Ventes; Rue Drouot« (ABB. III 360) 151 zeichnet sich vor allem durch ein ziemliches<br />

Durcheinander in der ausgesprochen großen Besuchermenge aus. Dicht an dicht steht, sitzt<br />

oder hockt man da und beguckt sich aus nächster Nähe die im Raum verteilten Auktions-<br />

stücke, ein Sammelsurium von Dingen unterschiedlichster Art. Man tauscht sich aus, meist<br />

eher diskret, bisweilen aber auch ungeniert über mehrere Köpfe hinweg. Manche sinnen in<br />

dieser lebhaften Atmosphäre auch nur still vor sich hin, andere sind offensichtlich gelang-<br />

weilt, so als warteten sie allein auf den Beginn der Versteigerung.<br />

In »Une Vente des Tableaux, A l’Hôtel des Commissaires-Priseurs« (ABB. III 370) 152 hin-<br />

gegen geht es auf den ersten Blick geordneter zu. Die Besucher sind ebenso wie die angebo-<br />

tenen Stücke weniger zahlreich und anstelle einer gänzlich disparaten Auswahl von Gegen-<br />

ständen stehen diesmal - wieder - ausschließlich Gemälde zum Verkauf. Zudem rekrutiert<br />

sich das Publikum - und hier mag es Zusammenhänge mit der Art des Angebots geben - an-<br />

scheinend aus etwas besseren Kreisen als das des vorangegangenen Beispiels, zumindest wir-<br />

ken die Personen insgesamt gepflegter, die Gesten und ‘Bewegungen’ nicht so breit und aus-<br />

ladend. Mit dem Gedränge jedoch vor dem in der Mitte präsentierten Gemälde findet sich<br />

auch eine Szene, wie man sie eher in dem vorherigen Stich erwartet hätte. In dieser Men-<br />

schentraube scheint jeder begierig, möglichst nah an das Bild heranzukommen und einen ge-<br />

nauen Blick darauf werfen zu können. Zwar macht sich dabei niemand grober Rüpelhaftig-<br />

keiten schuldig, doch offensichtlich nimmt auch keiner allzu große Rücksicht auf die jeweils<br />

nebenstehenden Personen. 153<br />

Im Zusammenhang mit solchen Szenen stellt sich die grundsätzliche Frage, mit was für<br />

einer Einstellung, mit welchem Ziel Auktionsbesucher den angebotenen Kunstwerken ent-<br />

gegentreten. 154 Zu beantworten ist das letztlich allenfalls für das einzelne Beispiel, doch wird<br />

man im Kontext einer unmittelbar bevorstehenden Versteigerung wohl nur in Ausnahme-<br />

Schilderung einer Vorbesichtigung befestigt ist. Hier ist darauf hinzuweisen, daß dieser letzte Stich offensichtlich<br />

eine - weitere (ABB. III 340) - Versteigerung im Kunstauktionshaus Lepke zeigt (vgl. die durch eine kreisrunde Rahmung<br />

abgesetzte Fassadenansicht oben links), aber unter dem genannten Titel 1895 in der deutschen Zeitschrift Der<br />

Sammler erschien. Es scheint also, daß das Hôtel des Ventes in der Pariser Rue Drouot in seiner Kurzform Hôtel<br />

Drouot zeitweise (auch? oder nur?) in Deutschland als Gattungsbegriff für Auktionshäuser verwendet wurde.<br />

151 Gustave Doré (1832 - 1883); Henry Duff Linton (wahrscheinlich nur als ausführender Stecher). Holzstich, 28 x 38<br />

cm. Erschienen 1866 in einer Ausgabe von Le Journal Illustré.<br />

152 M. A. Texier; Charles Maurand. Holzstich, 19,5 x 26,5 cm. Erschienen 1868 in einer Ausgabe von L’Univers Illustré.<br />

153 Ganz zu schweigen davon, daß sie eine vornehme - oder auch nur sachliche - Zurückhaltung an den Tag legten,<br />

wie es etwa die Besucher bei der »Versteigerung in Lepke’s Kunstauctionshaus« (ABB. III 340) trotz aller unvermeidlichen<br />

Nähe tun.<br />

154 Und bei einigen der Personen, die einen deutlichen Abstand zu diser Szene halten, fragt man sich, ob ihre Blicke<br />

mehr dem Gemälde oder dem Gedränge davor gelten.<br />

188


fällen von einem vorrangig ästhetisch motivierten Schauen ausgehen können. Dafür spricht<br />

zunächst schlicht die fehlende Muße der Situation. Abgesehen davon jedoch dürfte in diesem<br />

Moment, zumindest für ernsthafte und einigermaßen erfahrene Bieter, klar der finanzielle<br />

Wert oder Unwert eines Stückes im Vordergrund stehen; wobei der natürlich auch, aber eben<br />

nicht nur von dessen ästhetischen Qualitäten bestimmt wird. 155 Die Auktion gewinnt eine<br />

Eigendynamik, die ihrerseits das Handeln der Akteure beeinflussen kann. Während es bei<br />

einer expliziten Vorbesichtigung durchaus vorstellbar ist, daß es den Besuchern trotz einer<br />

schon bestehenden Kaufabsicht in erster Linie darum geht, sich etwa an den malerischen Qua-<br />

litäten eines Stückes oder auch an der eigenen Ergriffenheit durch die dargestellte Szene zu<br />

erfreuen, erscheint diese Idee eines mehr oder weniger interesselosen Wohlgefallens mit der<br />

des akuten - bisweilen geradezu fiebrigen - Auktionsgeschehens nur schwer in Einklang zu<br />

bringen.<br />

Ein besonders eindrückliches Beispiel dafür ist das Titelblatt der Illustrated London News<br />

vom 27. April 1872. Dieses Hochformat zeigt nicht, wie man aufgrund der lapidar verall-<br />

gemeinernden Bildunterschrift »A Picture Sale in London« zunächst annehmen könnte, eine<br />

Totale in einen nicht näher zu bestimmenden Auktionssaal, sondern konzentriert sich auf<br />

einen Ausschnitt, eine Ansammlung von Interessenten unmittelbar vor einem Gemälde -<br />

wohl der nächsten Losnummer -, das ein unscheinbarer Angestellter soeben rechts, von einer<br />

erhöhten Position aus vorführt (ABB. III 380). 156 Unter den Augen des Auktionators finden<br />

sich hier zirka zwanzig Männer dicht an dicht. Einige einzelne schauen tatsächlich auf das<br />

gerade präsentierte Stück. Über ihre Haltung, ihre Beweggründe jedoch ist allenfalls zu<br />

spekulieren. Manche von ihnen sind allerdings für eine ernsthafte Betrachtung schlicht zu<br />

weit entfernt, vielleicht versuchen sie so nur, ihre Einschätzung nochmals zu überprüfen.<br />

Ohnehin sind für den Eindruck des Stichs weniger diese Besucher bestimmend als jene, die<br />

zu zweit oder zu dritt beieinanderstehen und sich so geschäftig und teilweise angespannt gesti-<br />

kulierend austauschen. Auch bei jenen drehen sich die Gedanken zweifellos um das angebo-<br />

tene Gemälde, wie Ausrichtung, weisende Gesten und selbst einige Blicke belegen. Doch<br />

wenigstens ebenso wichtig, wenn nicht wichtiger bei ihren Überlegungen, scheinen die<br />

Informationen zu sein, die sie der Auktionsbroschüre entnehmen. 157 In jeder der Gruppen ist<br />

zumindest ein Exemplar davon vorhanden und, was entscheidender ist, unmittelbar einbezo-<br />

gen in die Diskussion. 158 Hier wird zweifellos keine Konversation gehalten über inhaltliche<br />

155 Daneben werden Kriterien wie Alter, Seltenheit, momentane Gefragtheit und Ansehen des Künstlers eine entsprechende<br />

Rolle spielen.<br />

156 Monogrammist A. H. 40,5 x 27 cm.<br />

157 Um was sollte es sich wohl sonst bei den so zahlreich auszumachenden und im Format identischen Heften handeln?<br />

158 Zudem sind anscheinend auch bei zwei der Einzelpersonen Exemplare zu finden.<br />

189


Fragen, Ideen und Assoziationen angesichts des vorgeführten Gemäldes. In diesen Gesprä-<br />

chen, die zwar nicht heimlich ablaufen, aber doch so, daß nicht jeder gleich alles - oder eben<br />

nur Bestimmtes - mithört, geht es offenbar um preisrelevante Fakten, Gerüchte und<br />

Spekulationen, um Dinge wie die Echtheit des Stückes, das Marktpotential des Malers oder<br />

den Kreis ernsthafter Interessenten, sprich möglicher Konkurrenten. 159<br />

Neben solchen weitgehend reportagehaften Darstellungen von Auktionen als Teil der<br />

charakteristischen Ereignisse des gesellschaftlichen Lebens in der Großstadt finden sich er-<br />

wartungsgemäß auch einige Karikaturen, die in diesem Umfeld angesiedelt sind. 160 Ebenso<br />

wie in den bereits angeführten Beispielen steht in ihnen die Schilderung des Personals im<br />

Vordergrund, während die Bilder-im-Bild meist lediglich dazu dienen, den Ort der Handlung<br />

zu skizzieren. Die Auktion scheint in erster Linie schlicht eine weitere Gelegenheit zu bieten,<br />

menschliche Eigenheiten und Schwächen vorzuführen und zu verdeutlichen.<br />

Einigermaßen zurückhaltend geschieht das in zwei Darstellungen Rowlandsons aus dem<br />

ersten Jahrzehnt des Jahrhunderts (ABB. III 390 u. III 400). 161 Er zeigt ernsthaft Interessierte,<br />

Gerissene, Eingebildete, Unaufmerksame und Überforderte, ‘turtelnde’ Pärchen, die nur Au-<br />

gen füreinander haben, und lüsterne Herren, denen nackte Tatsachen wichtiger zu sein<br />

scheinen als malerische Qualitäten. Ähnlich wie bei Daumier 162 wirkt sein Blick dabei relativ<br />

wohlwollend.<br />

Deutlich spitzer hingegen, zuweilen bis ins Groteske gesteigert zeichnet Gustave Doré die<br />

Akteure in einem Holzstich von 1861: ein fratzenhaft aufgerissenes Maul, weitausholende<br />

Gesten, Wut, Geschrei, Pöbeleien, ein kleffender Köter neben Mißmut, Langeweile, ungeniert<br />

sich flezenden Besuchern sowie taktischen(?) Mauscheleien (ABB. III 410). 163 Hier scheinen<br />

nicht nur die einzelnen Personen, sondern auch die Auktion als solche ins Visier geraten zu<br />

sein.<br />

159 Für diese Sichtweise sprechen nicht zuletzt auch einige sehr ernsthafte bis mürrische Gesichter und skeptische<br />

Blicke aus den Augenwinkeln.<br />

160 Allerdings sind es, zumindest bisher, weniger als man bei einem solchen Sujet im 19. Jahrhundert angenommen<br />

hätte.<br />

161 »Auktion bei Christie’s« (Lavierte oder aquarellierte Feder-?)Zeichnung. Um 1805. Slg. Christie’s. »Christie’s<br />

Auction Room«. J. Bluck nach Th. Rowlandson und A. Pugin. Aquatintaradierung, 24,8 x 29,2 cm. Ackermann’s Repository<br />

of Arts, 1 Feb. 1808.<br />

162 Vgl. etwa ABB. III 313 u. III 401.<br />

163 »Une Vente A L’Encan«. 27 x 30 cm. Erschienen in Le Journal Pour Rire.<br />

190


STRASSENHÄNDLER. Eine gänzlich andersartige ‘Klientel’ schließlich findet sich, ähnlich wie<br />

schon im vorangegangenen Jahrhundert, 164 in Darstellungen von Straßenhändlern. 165 In<br />

einem Gemälde von Jean-Pierre Alexandre Antigna (1817 - 1878) etwa, das offensichtlich in<br />

einer ländlichen Umgebung angesiedelt ist, steht »Un marchand d’images« vor mehreren<br />

bäuerlich gekleideten Kindern und einer jungen Frau mit einem Kleinkind auf dem Arm<br />

(ABB. III 420). 166 Während Händler anscheinend versucht, die Aufmerksamkeit weiterer Per-<br />

sonen jenseits der Bildfläche zu wecken - dafür sprechen seine erhobene Linke, der geöffnete<br />

Mund und insbesondere sein Blick vorbei an der Gruppe unmittelbar vor sich -, hält er ein<br />

Bündel von Drucken so in seiner rechten Hand, daß die junge Frau und die Kinder sich das<br />

momentan aufgeschlagene Blatt genau anschauen können. Sie wirken dabei durchaus eifrig<br />

und interessiert, doch ist man geneigt, ihnen eine gewisse Naivität in der Betrachtung zu unterstellen.<br />

Das liegt in erster Linie wohl daran, daß es sich weitgehend um Kinder handelt, 167<br />

aber auch die junge Frau fügt sich in dieses Bild. Bei ihr, deren Züge man als einzige deutlich<br />

erkennen kann, sorgt der Gesichtsausdruck dafür. 168 Stumm und mit weit geöffneten Augen<br />

schaut sie, scheint ganz und gar eingenommen von dem Blatt oder besser dem darauf<br />

dargestellten Geschehen. Entscheidend ist, daß künstlerische Qualitäten offenbar nicht die ge-<br />

ringste Rolle für sie spielen.<br />

Das dürfte in ähnlicher Weise auch auf die Betrachter in Paul Legrands »Devant ‘Le Rêve’«<br />

zutreffen (ABB. III 430). 169 Vor einer recht einfachen Bude aus Holz, einem Kiosk, an dem<br />

neben Zeitungen auch eine Reihe von Drucken feilgeboten werden, steht eine Gruppe von<br />

Kindern: sechs Jungen im Alter von vielleicht 9 - 13 Jahren und wahrscheinlich ein Mädchen<br />

von höchstens sechs, alle wie es scheint ohne erwachsene Begleitperson. Ihre Aufmerk-<br />

samkeit gilt einem relativ großformatigen Stich nach dem zu jener Zeit berühmten »Rêve«<br />

von Edouard Detaille (1848 - 1912), “[…] une icône du nouveau catéchisme laïc et patriotique […].,<br />

où des soldats français, sur un champs de bataille, rêvent de la gloire qui les attend.” 170 Voll<br />

uneingschränkter Bewunderung, so macht es den Eindruck, schauen die Kinder empor zur<br />

der geschilderten Szene und träumen mit den Soldaten. Die Naivität ihres Blickes, der ihnen<br />

164 Vgl. ABB. II 460 u. II 464.<br />

165 Sofern überhaupt eine Klientel auftaucht und nicht allein der »Bilderhändler« dargestellt wird, wie beispielsweise<br />

in einem Blatt der Holzschnittfolge »An Alphabeth« von William Nicholsons aus dem Jahr 1898 (ABB. III<br />

421).<br />

166 Um 1862. Öl auf Leinwand, 143 x 113 cm. Musée des Beaux-Arts, Bordeaux, Inv.-Nr. BxE 623.<br />

167 Soziale Herkunft und der damit verbundene Bildungsstand dürften bei ihnen noch kaum ins Gewicht fallen.<br />

168 Eine vergleichbare Personenkonstellation mit dem entsprechenden Eindruck einer naiven oder, positiver<br />

formuliert, unverbildeten Haltung findet sich auch bei einigen Betrachtern in Th. P. Halls bereits angeführen Gemälde»One<br />

Touch of Nature makes the whole World Kin« von 1867 (ABB. III 280).<br />

169 Um 1897. Musée des Beaux-Arts, Nantes.<br />

170 Vgl. Pierre Georgel; Anne-Marie Lecoq: La Peinture dans la Peinture. Paris, 1987. S. 224.<br />

191


keinerlei kritischen Abstand zu dem Dargestellten - geschweige denn ein Nachdenken über<br />

Dinge wie dessen künstlerische Gestaltung - erlaubt, wird rechts überdeutlich vorgeführt.<br />

Denn dort steht, ganz und gar unbeachtet von den Kindern, ein Opfer des Krieges, ein Vete-<br />

ran mit einem Holzbein, der in die Lektüre einer Zeitung vertieft ist.<br />

Während vor den Schaufenstern von Kunsthandlungen und in den Auktionssälen ein<br />

Aufeinandertreffen verschiedener gesellschaftlicher Sphären, wenn auch kaum eine richtige<br />

Durchmischung, geschildert wird, scheinen die Strassenhändler in den Darstellungen einzig<br />

von den unteren sozialen Schichten ‘frequentiert’ zu werden.<br />

- iii -<br />

SAMMLUNGSDARSTELLUNGEN<br />

Wenigstens drei Arten von Sammlungsdarstellungen lassen sich im 19. Jahrhundert unter-<br />

scheiden: 171 zunächst Ansichten fiktiver Sammlungen, wie sie in ähnlicher Form etwa von<br />

Bretschneider oder Pannini und natürlich auch von den Antwerpener Malern des 17. Jahr-<br />

hunderts bekannt sind, 172 dann Schilderungen tatsächlich existierender Privatsammlungen -<br />

173 mal mehr, mal weniger wahrheitsgetreu -, und schließlich Darstellungen, bei denen die<br />

Wiedergabe der Sammlungsstücke eher in den Hintergrund tritt zugunsten einer Konzentra-<br />

tion auf meist ganz und gar in die Betrachtung versunkene Einzelpersonen, Paare oder<br />

kleinere Gruppen. 174<br />

FIKTIVE SAMMLUNGEN. Im Jahr 1825 erwarb General Sir John Murray eine gemalte Galerie des<br />

Antwerpeners Gonzales Coques. Einige Zeit später betraute er den Niederländer Pieter<br />

Christoffel Wonder (1780 - 1852) - den er selbst auf seiner »Tour in Holland in the Year<br />

MDCCCXIX« dazu hatte bewegen können, sich in London zu versuchen - 175 mit der Aufgabe,<br />

171 Abgesehen von einem späten Gemälde de Lelies (ABB. II 230), das bereits im Zusammenhang mit dessen Stücken<br />

aus dem 18. Jahrhunderts besprochen wurde, haben sich für die ersten beiden Arten bislang bemerkenswerterweise<br />

nur Beispiele aus England gefunden.<br />

172 Vgl. etwa ABB. II 10 - II 70, II 110 u. II 120 oder auch I 320 - I 350.<br />

173 Hier könnte man Teniers Gemälde der Sammlung des Erzherzogs Leopold-Wilhelm ( etwa ABB. I 360 - II 410)<br />

oder Samomon KleinersDarstellungen der Großen Galerie im Schloß Weißenstein (ABB. II 90) als Vorläufer, wenn<br />

auch sicher nicht als direkte Vorbilder, anführen.<br />

174 Als vergleichbare frühere Beispiele wären hier etwa George Morland (ABB. II 250) oder Daniel Chodowiecki<br />

(ABB. II 290 u. II 300) zu nennen.<br />

175 Wenn auch noch einige Jahre vergingen bis der Utrechter Maler 1823 sich - für einige Jahre - in London niederließ.<br />

192


eine passende zeitgenössische Version dieses Motivs zu entwerfen. 176 Die zugrundeliegende<br />

Idee bestand nun allerdings nicht darin, Sir John mit seiner Sammlung und womöglich einer<br />

Reihe prestigereicher Besucher zu inszenieren, sondern darin, verschiedene angesehene<br />

»Patrons and Lovers of Art« (ABB. III 440) - 177 wie das Bild bisweilen betitelt wird - 178<br />

gemeinsam in einer imaginären Galerie darzustellen, 179 an deren Wänden sich ausgesuchte<br />

Stücke unter anderem aus den Sammlungen der Portraitierten finden - 180 ”[…] quasi a testimo-<br />

nianza di una armonica communione di interessi.” 181 Murray erwartete von Wonder ein Ge-<br />

mälde, so heißt es kurz zuvor in dem Text Soninos, “[…] che riprendesse lo spirito dei cabinets<br />

d’amateur com’erano concepiti fin dalle prime esperienze fiamminghe, come una riunione di<br />

uomini di cultura, non come effetiva immagine di una collezione reale, ma come sublimazio-<br />

ne di questa.” 182 Im Unterschied allerdings zum Gros der Antwerpener Vorläufer - und dieser<br />

Aspekt trägt zweifellos bestimmend zu deren‘spirito’ bei - fehlen jegliche Hinweise auf<br />

Interessensgebiete außerhalb von Malerei und Bildhauerei. 183 Auch allegorische Anspielun-<br />

gen durch die Bilder-im-Bild scheint man nicht im Sinn gehabt zu haben, 184 das entschei-<br />

dende Auswahlkriterium für die Werke, so macht es den Eindruck, war der Rang der Meister<br />

bzw. des einzelnen Stückes. 185<br />

176 Vgl. Annalisa Scarpa Sonino: Cabinet d’Amateur ... (siehe Anm. 30). S. 156. 1827 starb Murray, doch seine Witwe<br />

erhielt den Auftrag aufrecht.<br />

177 1830. Öl auf Leinwand, 167,5 x 220 cm. Privatbesitz, England.<br />

178 Vgl. Metropole London ... (siehe Anm. 23.). S. 159. Eigentlich ist das wohl nur der Titel, unter dem vier vorbereitende<br />

Studien in Öl der Londoner National Portrait Gallery geführt werden (ABB. III 441 - III 444), doch er<br />

erscheint um einiges griffiger als etwa der nüchtern beschreibende »Interno di una Galleria Immaginaria con Ritratti«<br />

bei Sonino. Annalisa Scarpa Sonino: Cabinet d’Amateur ... (siehe Anm. 30). S. 156 u. 159 (Bildunterschrift).<br />

179 Seltsamerweise ist “[…] uno dei più grandi collezionisti de tempo […]” (ibid., S. 160), der Marquess of Stafford,<br />

Duke of Sutherland, nur indirekt anwesend, über ein Bild-im-Bild, sein Portrait von der Hand des Malers Thomas<br />

Phillips von 1805. Zwar war diese Form der Darstellung für Tote durchaus geläufig (vgl. etwa J. Scarlett Davis<br />

gleichzeitiges Gemälde der British Institution (ABB. III 100) oder auch Mario Praz: Conversation Pieces. A Survey<br />

of the Informal Group Portrait in Europe and America. London, 1972.), doch Stafford weilte zu diesem Zeitpunkt<br />

noch unter den Lebenden.<br />

180 Es handelt sich weitgehend um alte Meister Italiens, Spaniens und beider Teile der Niederlande; bei Sonino<br />

sind die meisten Gemälde identifiziert und viele auch den jeweiligen Besitzern zu jener Zeit zugeordnet. A. Scarpa<br />

Sonino: Cabinet d’Amateur ... (siehe Anm. 30). S. 158 - 160.<br />

181 Ibid., S. 156.<br />

182 Und Sonino fährt fort: “Il resultato avrebbe dovuto essere la versione tutta inglese del tema […]”. Ibid. Was<br />

jedoch in diesem Fall das spezifisch Englische sein soll(te), führt sie leider nicht näher aus.<br />

183 Wobei man ja in einigen Bereichen durchaus auch seine Zeitgenossenschaft hätte demonstrieren können: denkbar<br />

wäre vielleicht ein Modell zu John Daltons Atomtheorie gewesen (Ders.:»A New System of Chemical Philosophy«<br />

Bd. I London, 1808 und Bd. II, London 1810.), eine Versuchsanordnung zu Hans Christian Oersteds Elektromagnetismus<br />

(Ders.: »Experimeta circa Effectum Conflictus Electrici in Acum Magneticam« Kopenhagen, 1820.) oder auch<br />

einfach ein paar Fossilien als Hinweis auf William Smiths »A Geological Map of England and Wales with Part of<br />

Scotland« 15 Blätter, London, 1815.<br />

184 Ganz zu schweigen von allegorischem Personal.<br />

185 Und man ertappt sich bei der Frage, ob womöglich auch einige der Personen ihre Anwesenheit vornehmlich<br />

einem besonderen Stück aus ihrer Sammlung verdanken.<br />

193


Das - weitgehend idenitifizierte - 186 Personal in diesem Idealbild einer Sammlung ist in<br />

mehreren, untereinander recht isoliert wirkenden Gruppen im Raum verteilt. Innerhalb der<br />

jeweiligen Gruppe unterhält man sich, doch geschieht das auf seltsam nüchterne und zu-<br />

rückhaltende Weise, in der mimisch wie gestisch keinerlei Enthusiasmus zum Ausdruck<br />

kommt. Auch ist es nicht in allen Fällen eindeutig, ob überhaupt ein Kunstwerk den Ge-<br />

genstand des Gesprächs bildet. Des weiteren fällt auf, daß sich die Aufmerksamkeit der Besu-<br />

cher, mit Ausnahme vielleicht der beiden Männer im Durchgang links, nicht auf die Stücke<br />

an den Wänden richtet, sondern allenfalls auf solche, die auf einer Staffelei oder am Boden<br />

stehen oder die lose in einer Mappe aufbewahrt werden. 187 Innerhalb der Bilderzählung aber<br />

sind das Werke, deren ‘eigentlicher’ Platz jenseits der Bildfläche, womöglich auch außerhalb<br />

der dargestellten Sammlung, zu denken ist, die eventuell angekauft werden sollen oder die<br />

nur noch nicht in das Wandarrangement integriert worden sind. 188<br />

Die Person des Auftraggebers wird nur dezent hervorgehoben. Mit Stock und Zylinder - so<br />

als gelte es herauszustreichen, daß er keinesfalls der Hausherr dieser fiktiven Sammlung ist -<br />

189 190<br />

steht er in der Gruppe vorne links vor Tizians »Bacchus und Ariadne«. In seiner Körper-<br />

haltung wirkt er eher bescheiden, doch betonen die ihn umstehenden Personen durch ihr Ver-<br />

halten seine Bedeutung. Während er, im Vollprofil mit leicht gesenktem Kopf, das an der<br />

Wand lehnende Gemälde betrachtet, blicken die beiden Sammler vor ihm - halb kniend<br />

George Watson Taylor und stehend Reverend William Holwell-Carr - mehr oder weniger zu<br />

ihm empor und warten, wie es scheint, gespannt auf sein Urteil. Und Wonder, den eine<br />

Pallette als Maler kennzeichnet, 191 lenkt die durch seinen Blick aus dem Bild gewonnene<br />

Aufmerksamkeit des realen Betrachter zumindest teilweise auf Murray um, indem er buch-<br />

stäblich hinter ihm zurücksteht und lediglich aus dessen ‘Schatten’ heraus den Betrachter an-<br />

186 Vgl. etwa A. Scarpa Sonino: Cabinet d’Amateur ... (siehe Anm. 30). S. 158 - 160. Die zwei männlichen Personen<br />

in dem hohen, in die Tiefe führenden Durchgang links und der Herr ganz rechts konnten, zumindest bislang, nicht<br />

identifiziert werden.<br />

187 Ganz ähnlich, daran sei erinnert, wie beim Gros der Antwerpener Galeriebilder.<br />

188 Denn schließlich sind an sichtbaren Wänden keine Lücken auszumachen. Die Staffelei in der Mitte allerdings<br />

könnte ebensogut als Mittel zur Hervorhebung - auch auf unbestimmte Dauer - eines besonderen Stückes gedacht sein,<br />

nicht nur als ein praktisches Möbel, um einzelne Werke ohne große Umstände und mit Muße aus der Nähe betrachten<br />

zu können.<br />

Zur Staffelei als vorrangig modischem Dekorationsgegenstand vgl. Christa Pieske: “Atelierlook im bürgerlichen<br />

Salon” in: Bildende Kunst und Lebenswelten. Festschrift für Hans Wille. Hrsg. v. U. Schumacher. Hamm, [um1989].<br />

S. 181 - 185; ihre Überlegungen beziehen sich jedoch strenggenommen nur auf den deutschen Raum in der zweiten<br />

Hälfte des 19. Jahrhunderts.<br />

189 Dennoch findet sich unter einer Reproduktion des Gemäldes in der Londoner Witt Library der zumindest mißverständliche<br />

Titel »The Art Gallery of Sir John Murray«.<br />

190 Bemerkenswerterweise gehörte dieses Gemälde anscheinend seit 1826 der National Gallery - was wohl auch für<br />

die Wellingonbüste (aber schon seit 1824) direkt daneben gilt. Vgl. A. Scarpa Sonino: Cabinet d’Amateur ... (siehe<br />

Anm. 30). S. 158,<br />

191 Außer Wonder findet sich mit Sir David Wilkie noch ein zweiter Maler, allerdings ohne ein Attribut dieser<br />

Tätigkeit - er ist der mittlere der drei Herren bei der Staffelei.<br />

194


schaut.<br />

Nur wenige Jahre zuvor entstand W. F. Witheringtons (1785 - 1865) »A Modern Picture Gal-<br />

lery« (ABB. III 450). 192 Ähnlich wie in Wonders Bild sind hier die Werke mehrerer Besitzer in<br />

einer fiktiven Galerie versammelt, wobei Witherington den imaginären Charakter der<br />

Schilderung durch einen nicht vollständig beiseite gezogenen Vorhang rechts hervorhebt. 193<br />

An den Wänden der sichtlich schlichter gehaltenen Räumlichkeiten hängen anders als im<br />

vorangegagenen Beispiel allerdings nicht Gemälde alter Meister aus den verschiedensten Län-<br />

dern, sondern weitgehend solche von zeitgenössischen britischen Künstlern. Obschon das<br />

zweifellos Ausdruck aktueller Anliegen ist, 194 wird damit wohl auch bewußt auf die frühen<br />

Antwerpener Galerien angespielt, in denen ja eine ähnliche Präferenz für einheimische<br />

Künstler demonstriert wurde. Dafür zumindest sprechen einige weitere Anklänge an die flä-<br />

mischen Vorläufer, so vor allem das raumgreifende, recht ungeordnete Stilleben mit Globus<br />

und Laute, vorne links, 195 außerdem rechts die Gemälde an und auf dem Stuhl, 196 die Tiere 197<br />

und nochmals einige wie beiläufig auf dem Boden liegende Gegenstände am unteren Bild-<br />

rand. Zusammen wirkt das wie eine Unterstützung und Legitimation des aktuellen An-<br />

liegens, eben eines Plädoyers für zeitgenössische Werke von einheimischen Malern, durch<br />

eine Verankerung in einer als vorbildlich geltenden Vergangenheit.<br />

Indessen scheint das Personal in einer gewissen Diskrepanz zu dieser Stoßrichtung zu<br />

stehen. Denn im Moment beschäftigt sich keine der vier - zumindest bislang nicht iden-<br />

tifizierten - Personen 198 eindeutig mit einem Kunstwerk. Die einzelne Dame links schaut<br />

192 1824. Öl auf Leinwand, 69,4 x 90,4 cm. Bambridge Collection, Wimpole Hall (The National Trust).<br />

193 Dieses Motiv findet sich in ganz ähnlicher Form bereits in Panninis Galerie für Kardinal Valenti Gonzaga<br />

(ABB. II 100).<br />

194 ”[…] the attempt by a group of determined apologists, led by Leicester and supported by such propangandists as<br />

William Carey and Haydon, to turn British collectors away from their dogged enthusiasm for Old Masters towards<br />

a form of collecting both patriotic and beneficial to the national economy, was at its height in the 1820s.” Palaces of<br />

Art... (siehe Anm. 27). S. 79. (Kat.Nr. A 20.). Zu nennen wäre in diesem Zusammenhang natürlich auch die British<br />

Institution, die ja die zeitgenössischen Historienmalerei zu fördern suchte - allerdings auch mit Ausstellungen alter<br />

Meister (s. o., S. 7ff., vgl. ebenfalls Peter Funnel: “Die Londoner Kunstwelt und ihre Institutionen”, in: Metropole<br />

London... (siehe Anm. 23). (S. 155 - 166) S. 158 - 163). Bezeichnenderweise wurde Witheringtons Bild auch als Ansicht<br />

Sammlung des besagten SirJohn Leicester bzw. der Räume der British Institution gedeutet - […] neither of<br />

which it resembles […]” (Palaces of Art... (siehe Anm. 27). S. 78). Vgl. etwa mit Scarlett Davis Ansicht der British<br />

Institution (ABB. III 100), einzige Ähnlichkeit ist das Vorhandensein einer Enfilade.<br />

195 Der Kaminsims mit dem großformatigen Gemälde darüber (links von dem genannten Stilleben) erinnert ebenfalls<br />

an die Antwerpener Vorläufer, selbst wenn es dort auch ein Buffet sein konnte, durch das ein besonderes Bild,<br />

zusätzlich zur zentralen Position innerhalb des Raumes oder zumindest an einer Wand, hervorgehoben wurde (Vgl.<br />

etwa ABB. I 140 oder I 330).<br />

196 Gemeint ist hier nicht das, was in den Gemälden dargestellt ist, sondern der Umstand, daß der - zudem an jene<br />

aus den Antwerpener Vorbildern erinnernde - Stuhl als Ersatz für eine Staffelei verwendet wird. (Vgl. etwa ABB. I<br />

170 u. I 210)<br />

197 Eine schwarze Katze, die in den flämischen Beispielen allerdings nicht oder nur selten auftaucht, und womöglich<br />

ein Hund unter dem Stuhl der Dame rechts - diese Identifizierung würde auch den Buckel und den aufgestellten<br />

Schwanz der Katze erklären.<br />

198 Und man würde ihm wohl auch nur bedingt Portraitcharakter zugestehen.<br />

195


wohl in Gedanken vor sich hin, vielleicht auch hinüber zu der Dreiergruppe vor dem Durch-<br />

gang. Der Herr mit Hut wendet sich der bei ihm sitzenden Dame zu, während er in Richtung<br />

des stillebenartigen Arrangements vorne links weist. Auf welchen dieser Gegenstände sich<br />

allerdings seine Ausführungen und ihr Interesse genau beziehen, ist nicht zu entscheiden. Im-<br />

merhin finden sich darunter auch zwei Gemälde, sodaß diese beiden zumindest als Kunstbe-<br />

trachter in Frage kommen; doch ist anzumerken, daß diese Bilder-im-Bild für eine detaillierte<br />

Betrachtung ihrerseits wohl ein wenig weit entfernt und nur mäßig beleuchtet sind. Der<br />

unbeachtete Mann hinter diesem Paar schließlich hält zwar ein - nicht einsehbares - Blatt in<br />

seinen Händen, bei dem es sich um eine Zeichnung oder einen Stich handeln könnte, doch<br />

hat er seinen Kopf zu jenen beiden Herrschaften rechts vor sich gedreht. Ihnen und ihrem<br />

Gespräch dürfte also seine Aufmerksamkeit gelten, wobei es fraglich ist, ob auch er den nicht<br />

genau zu bestimmenden Gegenstand sehen kann, um den es ihnen offenbar gerade geht. 199<br />

Die umherstehenden bzw. -liegenden Gegenstände, die Möbel und die Tiere in ihrer<br />

scheinbar beiläufigen oder zufälligen Verteilung im Raum erzeugen zusammen mit der<br />

kleinen Zahl von Personen den Charakter eines recht privaten Treffens. Dazu trägt auch der<br />

Umstand bei, daß der Herr mit Hut ein wenig rechts von der Mitte und die Dame im Sessel<br />

neben ihm anscheinend in ‘strassentauglicher’ Kleidung, also wohl als Besucher von außen,<br />

dargestellt sind, während der Herr hinter ihnen und die leger sitzende Dame ganz links eher<br />

so wirken, als befänden sie sich hier an einem wenigstens angestammten Ort. Der Eindruck<br />

einer Privatsammlung will sich indessen nicht so ganz einstellen angesichts der Raumhöhe<br />

und der in der Mitte angedeuteten Folge von wenigstens zwei weiteren Galerieräumen.<br />

ANSICHTEN TATSÄCHLICH EXISTIERENDER PRIVATSAMMLUNGEN. Bei den Sammlungsdarstel-<br />

lungen des 18. Jahrhunderts waren - in variierender Gewichtung - zwei Schwerpunkte aus-<br />

zumachen: das Personal und die Kunstwerke. In jenen zwei Blättern aus Salomon Kleiners<br />

Stichfolge zu Schloß Weißenstein etwa, die die große Galerie zeigen (ABB. II 90), 200 ging es<br />

vorrangig um eine katalogartige <strong>Dokument</strong>ation der Bestände und wohl auch ihres Arrange-<br />

ments an den Wänden. Indessen rückte Bénigne Gagneraux in seiner Schilderung des Be-<br />

suchs von Papst Pius VI. mit Gustav III. von Schweden im Museum Pio-Clementino dem<br />

Anlaß entsprechend das Personal in den Vordergrund (ABB. II 150). 201 Und mit Zoffanys<br />

»Tribuna« ist schließlich ein Exempel anzuführen, in dem sich die beiden Elemente in etwa<br />

199 Es wirkt so, als verdecke der Herr mit Hut ihm größtenteils die Sicht.<br />

200 Vgl. auch S. 85f.<br />

201 Vgl. auch S. 97f.<br />

196


die Waage halten (ABB. II 130). 202<br />

Das Bild nun, das sich aus den vorliegenden Beispielen des 19. Jahrhunderts ergibt, unter-<br />

scheidet sich deutlich davon. 203 Sowohl das Personal wie auch die Sammlung haben hier<br />

erheblich an Bedeutung verloren. Stolze Besitzer und prominente Gäste sucht man verge-<br />

bens, meist finden sich nurmehr anonyme Staffagefiguren zur Belebung der Ansicht oder als<br />

Maßstabsangabe im Mittel- oder Hintergrund. Das Hauptaugenmerk liegt aber eben auch nicht<br />

mehr auf den Sammlungsstücken. Man hat den Eindruck, als sei der Sammlungsraum in seiner<br />

Gesamtheit zum Gegenstand der Aufmerksamkeit geworden. 204<br />

Schon aus der Zeit um 1806/7 stammt »Sir J. F. Leicester’s Picture Gallery, Hill Street, Lon-<br />

don« von Thomas Jackson (ABB. III 460), 205 eine Ansicht der neu gestalteten Galerie im erst<br />

1805 erworbenen Stadthaus des besagten John Leicester. 206 Neben der ungewohnt lockeren -<br />

symmetrischen - Hängung und der zu jener Zeit hochmodernen Beleuchtung von oben sticht<br />

hier im Vergleich mit den früheren Darstellungen vor allem die große Tiefenerstreckung des<br />

geschilderten Raumes ins Auge - die sich übrigens ganz ähnlich auch in den folgenden Bei-<br />

spielen wiederfindet.<br />

Eine solche Raumtiefe aber führt dazu, daß der Großteil der Bilder-im-Bild, der nämlich,<br />

der sich an den Seitenwänden findet, lediglich in starker Verkürzung wiedergegeben ist und<br />

daß jene an der Rückwand aufgrund der großen Entfernung nur sehr klein abgebildet sind.<br />

Schon daran mag man ablesen, daß sie, unabhängig vom Grad ihrer Ausarbeitung, an Be-<br />

deutung verloren haben. Sie sind zu ‘Randerscheinungen’ geworden. Dieser Effekt wird in<br />

Jacksons Komposition zudem durch die in erster Linie auf eine stimmungsvolle Atmosphäre<br />

ausgerichtete Lichtführung verstärkt. 207 Und die wenigen Betrachterfiguren, klein, weit ent-<br />

fernt an der Rückwand, setzen dem durch ihre Aufmerksamkeit für eines der Gemälde letzt-<br />

lich auch nichts entgegen, geschweige denn, daß sie auf ein über die bloße Staffage hinausgehendes<br />

Interesse am Personal deuteten. 208<br />

Über diese untergeordnete Rolle kommt das Personal auch in den übrigen Beispielen nur<br />

202 Vgl. auch S. 94ff.<br />

203 Lediglich das bislang einzige nicht-englische Beispiel, de Lelies »Portrait des Josephus Augustinus Brentano«<br />

(ABB. II 230), das bereits im vorangegangen Kapitel besprochen wurde, fügt sich nicht in dieses Bild.<br />

204 Bei S.C. Halls »Great Hall at Charlecote« (ABB. III 461) scheint allein der Kontext, in dem es publiziert wurde<br />

diesen Eindruck zu bestätigen, es war Teil von Halls »The Baronial Halls and Picturesque Edifices of England«.<br />

o.O., 1848.<br />

205 Aquarell, 43,2 x 71cm. <strong>University</strong> of Manchester (Tabley House Collection).<br />

206 Er hatte eine weitere Galerie auf seinem Landsitz Tabley House in Cheshire (ABB. III 463).<br />

207 Vgl. in dieser Hinsicht auch James Stephanoffs Blick in die »Cartoon Gallery at Hampton Court« (ABB. III<br />

462/ ca. 1815. Aquarell, 19,9 x 25,4 cm. HM The Queen.), John Scarlett Davis Ansicht der Galerie in Thitrlestane<br />

House (ABB. III 490) und John Nashs »Van Dyck Room, Windsor Castle« (ABB. III 480) .<br />

208 In John Chessell Bucklers Aquarell von Leicesters »Picture Gallery at Tabley House« (1809/ABB. III 463) wird<br />

konsequenterweise ganz auf die Hinzufügung von Figuren verzichtet.<br />

197


teilweise hinaus. In »The Picture Gallery at Somerly« von James Digman Wingfield und<br />

Joseph Rubens Powell etwa wird ein ähnlich weit entferntes Paar im Hintergrund durch<br />

mehrere Kinder und Kleinkinder im Vordergrund ergänzt, die der Schilderung wohl zusätzlich<br />

eine Atmosphäre von Privatheit verleihen sollen (ABB. III 470). 209<br />

Eine vergleichbar beiläufige, genrehafte Auflockerung findet man in Joseph Nashs »Van<br />

Dyck Room, Windsor Castle« (ABB. III 480) 210 mit dem einzelnen Herrn links hinten und der<br />

kleinen Gruppe rechts, jenseits des Kamins, einem Kopisten wahrscheinlich, der sich gerade<br />

mit einem interessierten Paar unterhält. Die offensichtlich ebenfalls anonymen Damen und<br />

Herren weiter vorne hingegen, die sich mit den Van Dycks an der Wand beschäftigen, schei-<br />

nen vor allem den exklusiven gesellschaftlichen Charakter eines solchen Sammlungsbesuchs<br />

in royaler Umgebung zu unterstreichen; immerhin kann man hier den Eindruck gewinnen,<br />

daß dem Personal in etwa die gleiche Aufmerksamkeit zuteil wird wie dem Raum und den<br />

präsentierten Bildern. 211<br />

Zwei Gemälde von John Scarlett Davis schließlich machen deutlich, daß nicht einmal der<br />

Umstand, daß das Personal portraithafte Züge annimmt oder gar mit Bestimmtheit zu iden-<br />

tifizieren ist, zwangsläufig dazu führt, daß die Personen aus einer vorrangig dienenden Funk-<br />

tion, wie sie eigentlich Staffagefiguren einnehmen, heraustreten und tatsächlich ‘Eigenstän-<br />

digkeit’ gewinnen. Das frühere der Beispiele zeigt in einem Galerieraum auf Thirlestane<br />

House zwei Damen (ABB. III 490). 212 Die eine der beiden sitzt, wobei ihr Körper ins Halbprofil<br />

gewendet, ihr Gesicht aber in Frontalansicht wiedergegeben ist. Wie es scheint, schaut sie sich<br />

eher beiläufig ein für den realen Betrachter nicht einsehbares Gemälde an; bemerkenswer-<br />

terweise ist auch ihre Sicht auf dieses Stück nicht unbedingt ideal, und das, obschon es sich -<br />

Rücken an Rücken mit einem weiteren Gemälde - auf einem offensichtlich beweglichen<br />

Ständer befindet. 213 Die zweite Dame ist anscheinend gerade im Begriff, sich zu der ersten zu<br />

setzen, der sie zwar mit dem Körper, nicht aber mit dem Gesicht zugewendet ist. Ihre Auf-<br />

209 1866. Öl auf Leinwand, 38 x 49 cm. Privatsammlung.<br />

Bedeutsam erscheint hier der Umstand, daß der Sammler, der Earl of Normanton, den Galerieraum mit der Beleuchtung<br />

von oben selbst entworfen hatte, und folglich mit der gezeigten Galerie sein Werk festgehalten wird - daher<br />

wohl auch der breite Raum, den die Deckengestaltung einnimmt. (Vgl. Palaces of Art... (siehe Anm. 27). S. 138,<br />

Kat.-Nr. E4.) Eine vorrangig auf die Atmosphäre ausgerichtete Lichtführung wie in anderen Beispielen hätte somit<br />

wohl kaum sein Gefallen gefunden, da das seinen Bemühungen um möglichst gleichmäßiges und wenig verfälschendes<br />

Licht nicht widergespiegelt hätte.<br />

210 1846. Watercolour and bodycolour, 32,5 x 47,9 cm. HM The Queen.<br />

211 Zum Vergleich siehe auch das Personal James Stephanoffs »Cartoon Gallery at Hampton Court« (ABB. III 462),<br />

das ähnlich wie in Jacksons Darstellung der Londoner Leicester-Galerie nahezu im Hintergrund verschwindet<br />

(ABB. III 460).<br />

212 1830. Öl auf Leinwand, 80 x 105 cm. Oscar and Peter Johnson Ltd., London.<br />

213 Unabhängig von einem solchen Möbel, das übrigens bislang in keinem weiteren Bild auzumachen war, bestünde<br />

theoretisch natürlich die Möglichkeit, einfach den Stuhl in eine günstigere Position zu rücken.<br />

198


merksamkeit gilt weder der bereits Sitzenden, noch dem besagten Kunstwerk, 214 sondern<br />

einem tollenden Hündchen vorne links, das durch einen ebendort auf den Boden treffenden<br />

Lichtschein besonders hervorgehoben wird.<br />

Dieses Spiel mit den Blickachsen und der gegenläufigen Ausrichtung der Körper, wie auch<br />

die Hinwendung der Figuren zum realen Betracher - wohlgemerkt ohne ihn anzuschauen -<br />

zeugt sicher von einem größeren Interesse an den Personen als in den zuvor genannten<br />

Beispielen, und dennoch entsteht auch hier nicht der Eindruck, als seien sie der Hauptge-<br />

genstand. Diese Einschätzung stützen zwei Titel, unter denen Abbildungen dieses Gemäldes<br />

publiziert sind und die - in erster Linie oder gar ausschließlich - auf eine topographische Be-<br />

stimmung des gezeigten Ortes abzielen: 215 bei Haskell firmiert das Bild unter »Thirlestane<br />

House, Cheltenham, with pictures from Lord Northwick’s collection« 216 und bei Sonino unter<br />

»L’Interno di Thirlestane House«. 217 Im eigentlichen Text zu diesem Gemälde formuliert Soni-<br />

no es zudem noch einmal klarer: 218 “[…] il ritratto delle due donne diviene un delicato pretesto<br />

[meine Hervorhebung] per documentare la dovizia di una collezione […]”. 219<br />

Ein weiteres bemerkenswertes Wort in diesem kurzen Zitat ist “dovizia”: man mag zwar<br />

darüber streiten, wie angebracht es ist, dieses Wort - das soviel bedeutet wie ‘besonderer Reich-<br />

tum’ oder gar ‘Überfülle’ - angesichts des wiedergegebenen Sammlungsraumes zu verwen-<br />

den, 220 doch viel entscheidender an diesem Einschub vor “collezione” ist, daß er einer Unsi-<br />

cherheit bezüglich der Frage Ausdruck zu verleihen scheint, ob hier tatsächlich die genaue<br />

<strong>Dokument</strong>ation der angesammelten Werke im Vordergrund steht. Damit aber ist man wieder<br />

bei dem bereits beschriebenen Eindruck angelangt, daß das Augenmerk bei diesen Beispielen<br />

auf dem Sammlungsraum in seiner Gesamtheit liegt und nicht speziell auf den dargestellten<br />

Kunstwerken oder dem Personal. Erreicht wird diese Wirkung wohl durch die vorrangig auf<br />

Atmosphäre ausgerichtete Lichtführung, bei der einige der Bilder-im-Bild von den extremen<br />

Lichtfeldern sozusagen rücksichtslos zerteilt werden oder ein eigentlich nebensächlicher ‘Ak-<br />

teur’ wie der Hund so stark hervorgehoben wird.<br />

In dem zweiten erwähnten Gemälde von Davis ist das Personal nicht nur prominenter<br />

214 Obschon sie im Bezug darauf deutlich besser positioniert ist.<br />

215 Dabei ist es relativ unerheblich, ob sie auf den Maler bzw. den Auftraggeber zurückgehen oder erst auf die Autoren<br />

unserer Zeit.<br />

216 Francis Haskell: Rediscoveries in Art. Some Aspects of Taste, Fashion and Collecting in England and France.<br />

(First publ. 1976) Oxford, 1980. ABB. 53.<br />

217 Annalisa Scarpa Sonino: Cabinet d’Amateur ... (siehe Anm. 30). S. 161.<br />

218 Und zudem sicher ganz bewußt, was auf die Fromulierung des Titels, der ja auch übernommen sein kann, nicht<br />

unbedingt zutreffen muß.<br />

219 Ibid.<br />

220 Es gibt zahlreiche Beispiele, auf die das sehr viel eher zutreffen würde - auch unter den in Soninos Buch angeführten.<br />

Vgl. Annalisa Scarpa Sonino: Cabinet d’Amateur ... (siehe Anm. 30).<br />

199


plaziert, nämlich vorne links, sondern zudem klar identifiziert, es handelt sich um Mary und<br />

Arthur, die Kinder des Auftraggebers und Besitzers der gezeigten Bibliothek Benjamin God-<br />

frey Windus (ABB. III 500). 221 Das Mädchen hat sich links auf einem Sitzkissen am Kamin<br />

niedergelassen und schaut mit ernsthaftem Gesicht in ein aufgeschlagenes Buch oder eine<br />

Mappe auf ihren Knien. Ihr Bruder interessiert sich ebenfalls für die darin enthaltenen ganz-<br />

seitigen Darstellungen, doch steht er so, daß er sie nur auf dem Kopf oder zumindest verdreht<br />

sehen kann.<br />

Trotz der gesteigerten Portraithaftigkeit dieser Schilderung allerdings ist das Personal auch<br />

hier wohl nicht als der zentrale Punkt der Aufmerksamkeit zu bezeichnen. Ähnlich wie beim<br />

vorangegangenen Bild verweist darauf auch ein Titel, unter dem sich das Aquarell in der Lite-<br />

ratur findet und in dem lediglich der gezeigte Ort benannt wird: »Die Bibliothek in Totten-<br />

ham«. 222 Die Kinder beleben die Ansicht, sie vermitteln den Eindruck eines privaten Einblicks<br />

und zugleich zeugen sie sicher vom väterlichen Stolz auf den kunstbeflissenen Nach-<br />

wuchs, 223 doch eine Präsenz, die beispielsweise an die der Portraitierten in Scarlett Davis<br />

Ansicht der British Institution von 1829 heranreicht (ABB. III 100), erlangen sie nicht.<br />

Auch die einzelnen Bilder-im-Bild scheinen nur von untergeordnetem Interesse. Das gilt<br />

gleichermaßen für die Graphiken, die sich die Kinder anschauen, wie für die Gemälde an den<br />

Wänden und auf den Stühlen. Bei den Gemälden liegt das wohl weitgehend - wieder (siehe<br />

oben) - an der Tiefenerstreckung des Raumes und den damit einhergehenden Folgen. Hinzu<br />

kommt aber noch eine nur wenig detailgenaue Schilderung, 224 die auch die Blätter in dem<br />

Band auf dem Schoß des Mädchens auszeichnet. Ganz anders hingegen ist es bei den Büc-<br />

herstapeln vorne links, denn hier entsteht zunächst der Eindruck einer sehr genauen Wieder-<br />

gabe. 225 Man mag einwenden, daß dergleichen im Zusammenhang mit der Darstellung einer<br />

Bibliothek durchaus angebracht sei, doch auch Nebensächliches wie die Muster der Fußboden-<br />

fliesen oder die Unregelmäßigkeiten in der Steinverkleidung am Kamin wirken zumindest<br />

auf den ersten Blick recht aufwendig nachempfunden. So ist man geneigt zu vermuten, daß<br />

das Ziel dieser seltsamen Verteilung der Aufmerksamkeit gewissermaßen darin besteht, einer<br />

allzu starken Fokussierung auf die Bilder-im-Bild oder auch die Kinder entgegenzuwirken.<br />

Weitere ‘Randerscheinungen’ schließlich wie die Schattenzone vorne links oder das vorne<br />

221 1835. Aquarell mit Gummi arabicum, 29,9 x 55,7 cm. Trustees of the British Museum, London, Inv.-Nr. 1984-1-21-<br />

9.<br />

222 Metropole London ... (siehe Anm. 23.). Kat.-Nr. 226, S. 354 u. 358.<br />

223 Und vielleicht sollen sie gar Vorbild für eine zeitige Hinführung zur Kunst sein.<br />

224 Das gilt für die Bilder wie für die Rahmen und liegt somit wohl nicht unbedingt an der Malweise der wiedergegebenen<br />

Bilder.<br />

Bemerkenswerterweise gestaltet Davis den Durchblick - in der Mitte der Rückwand - in einen weiteren Raum in<br />

vergleichbarer Manier und Farbigkeit.<br />

225 Dieser Eindruck allerdings wird dadurch gebrochen, daß weder Autoren noch Titel auszumachen sind.<br />

200


echts ins Bild ragenden Stück Stoff, das von einem Kleid stammen könnte und damit die<br />

Anwesenheit einer weiteren - weiblichen - Person im Raum verraten würde, 226 zeugen von<br />

Davis Gespür für stimmungsvolle, bisweilen gar ganze Geschichten andeutende Details;<br />

versteckter und doch in gewisser Weise klarer als mit der Kinderszene geht er hier über eine<br />

nüchterne Bestandsaufnahme des Raumes hinaus.<br />

KONZENTRATION AUF DAS PERSONAL. Zum Abschluß der Darstellungen von Privatsamm-<br />

lungen ist noch auf eine Reihe von Bildern einzugehen, die sich dadurch auszeichnen, daß<br />

sie sich auf eine reduzierte Zahl von Figuren konzentrieren, meist Einzelpersonen oder<br />

Paare, 227 die tief in die Betrachtung von Kunstwerken versunken sind; bemerkenswerterweise<br />

werden in solchen Zusammenhängen fast ausschließlich Männer gezeigt. 228 Damit einher<br />

geht beim Gros der Beispiele eine stark ausschnitthafte Wiedergabe der Räume und eine nur<br />

andeutende Schilderung der einzelnen Sammlungsstücke. 229 Wie schon im vorangegangenen<br />

Kapitel sind diese Szenen - im Sinne der hier verfolgten Aufteilung - oft nicht mit<br />

Bestimmtheit einem der Orte oder einer der ‘Institutionen’ der Kunstbetrachtung zuzuord-<br />

nen. Aufgrund der intimen Atmosphäre aber erscheint der Kontext der Privatsammlung<br />

meist der plausibelste. 230<br />

In James Stephanoffs »The Connoisseur« von 1817 (ABB. III 510) 231 lassen die hohen und<br />

weitläufigen Räumlichkeiten zusammen mit dem von oben einfallenden Tageslicht zunächst<br />

noch eher an eine öffentliche Präsentation von Kunst denken, 232 aber schon die Art, wie hier<br />

einige der antiken Vasen, Reliefs und Skulpturen ‘herumstehen’ oder an die Durch-<br />

gangslaibung links gelehnt sind, deuten auf ein privates Umfeld, 233 ganz zu schweigen von<br />

dem titelgebenden Kenner, der, den Kopf in die Linke gestützt, vollständig in seine Lektüre<br />

226 Denkbar wäre auch ein wehender Vorhang und damit eine geöffnete Tür, vielleicht ein versteckter Hinweis auf<br />

einen Garten.<br />

227 Denkbar wären auch kleiner Gruppen, wie sie im 18. Jahrhundert bei Wright of Derby (ABB. II 260), Rowlandson<br />

(ABB. II 280) oder Zoffany (ABB. II 140) zu finden waren.<br />

228 Eine der wenigen mir bekannten Ausnahmen ist Adriaan de Lelies »Les met den Hoekkijker« von 1814 (ABB. II<br />

240)<br />

229 In einigen Beispielen sind die Personen identifizierbar und die Räume und Gegenstände liefern ein weitgehend<br />

getreues Abbild einer existierenden Sammlung, in anderen sind Personal wie auch Sammlung fiktiv.<br />

230 Wenn auch Ausstellung und Museum weitgehend auszuschließen sind, so könnte in einigen Fällen womöglich<br />

doch eine Kunsthandlung gemeint sein.<br />

231 Aquarell, Tempera, 51 x 70 cm. Privatslg., London (Sotheby’s 13/7/1987)<br />

232 Tatsächlich befanden sich die gezeigten Sammlungsstücke - “[…] almost exclusively from the collections of Charles<br />

Townley an Sir William Hamilton […]” - im British Museum, auch die Räumlichkeiten mögen daran angelehnt<br />

sein, das vorgeführte Arrangement aber gab es, auch ohne den Tisch, wohl nie. Jenkins formuliert es so: “The Connoisseur<br />

shows a selective cross-section of the contents of the Townley Gallery condensed into a single remarkable<br />

cabinet of curiosities.” Ian Jenkins: „James Stephanoff and the British Museum“, in: Apollo. 121. March 1985. S. 174<br />

– 181. Vgl. auch Stephanoffs »An Apartment containing...« (ABB. III 650), auf das noch einzugehen sein wird.<br />

233 Zu nennen wären hier wohl auch der zu seinen Füßen liegende Hund und der Teppich(?), der das Ornament des<br />

eigentlichen Bodenbelags weitgehend verdeckt, es sozusagen ‚ignoriert’.<br />

201


vertieft an einem Schreibtisch im Zentrum des Bildes sitzt. 234 Nun mag man einwenden, daß<br />

es sich bei dieser Person, da sie liest, nicht um einen Kunstbetrachter handelt, doch in der ge-<br />

zeigten Umgebung und angesichts des Titels erscheint es kaum vorstellbar, daß der gerade<br />

gelesene Text nicht in Zusammenhang mit einem der versammelten Stücke steht.<br />

Eine zwingendere Verbindung zwischen Lektüre und Betrachtungsgegenstand führt<br />

William Daniels in einem Gemälde vor, das den Liverpooler Sammler Joseph Mayer in sei-<br />

ner ‘Schatzkammer’ zeigt (ABB. III 520): 235 der in einem aufwendig geschnitzten Stuhl<br />

sitzende Hausherr betrachtet mit größter Aufmerksamkeit einen kleinen Pokal in seiner<br />

Rechten, während er in der anderen Hand ein Büchlein hält, in dem er eine Seite mit seinem<br />

Zeigefinger markiert. 236 Dieses Detail ist wohl weniger ein Hinweis auf die Belesenheit Mayers<br />

als auf die Tiefe seines Interesses, nicht nur für den Pokal, sondern grundsätzlich für die<br />

Stücke der Sammlung. Auch ansonsten entsteht nicht der Eindruck, als ließe Mayer sich in<br />

erster Linie als der stolze Besitzer der ihn umgebenden Schätze zeigen, zu sehr gehen die ein-<br />

zelnen Stücke in dem dämmerigen Licht unter und zu wenig repräsentativ ist dafür wohl der<br />

gewählte Raumausschnitt wie auch die leichte, Privatheit andeutende Unordnung 237 . Mit<br />

diesem - vermeintlich intimen - Einblick wird die vorbildliche Haltung des Portraitierten, die<br />

Ernsthaftigkeit seines Interesses und die Gründlichkeit seiner Beschäftigung mit den Dingen<br />

inszeniert; 238 die wiedergegebenen Sammlungsstücke dienen dabei wohl vorrangig dazu, das<br />

Spektrum seiner Liebhabereien exemplarisch vorzuführen.<br />

Letzteres dürfte ebenfalls auf das folgende Beispiel zutreffen, selbst wenn die Gewichtung<br />

ein wenig verschoben scheint zugunsten der Sammlungsgegenstände. 239 Das Bild zeigt den<br />

234 In diesem Zusammenhang ist auch Stephanoffs »The Virtuoso« (ABB. III 511) zu nennen, in dem die einzelne<br />

Person allerdings ein wenig in den Hintergrund gerückt ist und der Charakter des Privaten abgemildert ist. Es wirkt<br />

eher so als habe sich jemand vorübergehend in einem Museumssaal installiert.<br />

235 Ca. 1840. Walker Art Gallery, Liverpool.<br />

236 Eine Lithographie von ca. 1818 mit dem ironisch gemeinten Titel »Le Connaisseur« führt vor (ABB. III 521), daß<br />

zusätzlich zu den Büchern allerdings auch noch ein gewisses Maß an Verstand notwendig ist. Mit einem dicken Buch<br />

unter seinem Arm steht ein lächerlich gekleideter Mann vor einem Gemälde auf einer Staffelei und betrachtet es<br />

durch eine Lupe. Sein mangelnder Durchblick wird gleich mehrfach demonstriert, zunächst durch eine Art Sonnenbrille<br />

vor seinen Augen, dann durch die offensichtlich falsche Beschriftung an einigen der Sammlungsstücke (etwa<br />

“Mur Cyclopean” an ein paar eher ‘mickrigen’ Steinen) und schließlich auch durch den Untertitel, in dem der Gezeigte<br />

angesichts des gerade begutachteten - wohl als dritt- oder viertklassig zu denkenden - Gemäldes sagt, es sei<br />

ein Raphael oder er kenne sich hier nicht aus. Dieser Narr wendet richtige Begriffe, die er Büchern entnommen hat,<br />

ohne Sinn und Verstand auf die Dinge an.<br />

237 Beachte etwa das Stilleben vorne rechts, die nachlässig unter dem Tisch abegelegte Mappe mit Graphiken und<br />

den einen Handschuh auf dem Boden.<br />

238 Der schlafende Hund mag sich dabei durchaus auf das traditionelle Gelehrtenattribut beziehen, er ist aber<br />

wohl vor allem ein Zeichen für die Ruhe und die Muße des gezeigten Moments.<br />

239 Womöglich auch deshalb, weil zumindest einige darunter sind, die gerade erst im Begriff waren, sich als solche<br />

- wieder - zu etablieren. Gemeint sind zum einen die mittelalterlichen Stücke, für die sich in Frankreich - im Vergleich<br />

zu England - erst relativ spät ein Interesse entwickelte, und zum anderen die Waffen und Rüstungen, die hier<br />

neben den Kunstwerken präsentiert werden. Vgl.Clive Wainwright: The Romantic Interior. The British Collector<br />

at Home, 1750 - 1850. New Haven; London, 1989. S. 10ff.<br />

202


überaus eifrigen Sammler Alexandre du Sommerard (ABB. III 530), 240 seinen Zeitgenossen ins-<br />

besondere bekannt durch die Veröffentlichung »Les Arts au Moyen Age« 241 und durch das<br />

dem Verfall nahe Hôtel de Cluny, in das er seine ‘wuchernde’ Sammlung mittelalterlicher Antiquitäten<br />

auslagerte und in dem er sie auch der Öffentlichkeit präsentierte. 242<br />

Ein wenig links von der Mitte sitzt du Sommerard, in seiner linken Hand hält er eine klei-<br />

ne Plastik, auf die er mit dem anscheinend soeben abgenommenen Zwicker in seiner Rechten<br />

deutet. Er hat sich leicht umgewendet und schaut empor zu einem ebenso langhaarigen wie<br />

vollbärtigen Besucher in einem schwarzen Mantel. Dabei wirkt die Miene du Sommerards<br />

bedrückt oder mitleidig, so als habe er seinem Gast eine unerfreuliche Mitteilung zu machen.<br />

Die aber kann sich ob der weisenden Gesten der beiden Akteure wohl nur auf das Stück in der<br />

Hand des Hausherrn beziehen, sei es, daß er dessen Kauf ablehnt, oder sei es, daß seine Be-<br />

gutachtung eine erhoffte gute Einschätzung der Plastik nicht bestätigen kann.<br />

Entscheidend aber ist, daß du Sommerard hier als Kenner in Sachen Kunst dargestellt<br />

wird. Er hat, so legt der Zwicker nahe, das fragliche Stück en detail besehen und fällt nun auf-<br />

grund dieser Betrachtung sein Urteil. Man könnte hierin vielleicht auch den Versuch sehen,<br />

dem wenig schmeichelhaften öffentlichen Bild von seiner Person und seinen Bemühungen<br />

zu begegnen, das etwa in Balzacs »Vetter Pons« zum Ausdruck kommt, wenn du Sommerard<br />

dort als “[…] der Fürst des sogenannten Bric-à-Brac […]” bezeichnet wird. 243<br />

Wie im Zusammenhang mit den Salondarstellungen bereits erwähnt, finden sich auch in<br />

Daumiers Werk mehrere Blätter, die Einzelpersonen oder Paare bei der Beschäftigung mit<br />

Kunstwerken in einem - wahrscheinlich - privaten Umfeld zeigen. Anders als bei seinen<br />

240 Dieses Bild findet sich als Abb. 6 bei Wainwright (ibid. S. 11). Einen Maler nennt Wainwright nicht, ebensowenig<br />

Technik, Träger und Größe. Datiert wird das Bild im Text auf 1825, in der unmittelbar nebenstehenden Bildunterschrift<br />

aber heißt es: “Du Sommerard in his study with a fellow collector in the early 1830s, rue de Menars,<br />

Paris (A. Du Sommerard, Les Arts au Moyen Age ..., 1838 - 46)”, wobei ansonsten in den Klammern der Aufbewahrungsort<br />

bzw. die Publikation angegeben ist, der die jeweilige Abbildung entnommen wurde. Zu erklären wären diese<br />

Ungereimtheiten vielleicht damit, daß es ein sowohl Gemälde als auch einen Nachstich gibt. Sollte tatsächlich in<br />

jedem Exemplar (wie viele gibt es?) die abgebildete kolorierte Fassung enthalten sein, blieben immer noch die unterschiedlichen<br />

Datierungen zu klären.<br />

241 “[…] five magisterial folios devoted to his collection […]”, Clive Wainwright: The Romantic Interior... (siehe<br />

Anm. 239.). S. 13.<br />

242 ”Son «cabinet» devint rapidement une des attractions de Paris, et l’hôtel de Cluny, où pendant dix ans défilèrent<br />

amateurs, littérateurs et artistes, fut un des foyers où s’alimenta la ferveur médiéviste des romantiques.” Francis<br />

Salet and Geneviève Souchal: Le Musée de Cluny. Paris, 1972. S. 18.<br />

243 Honoré de Balzac: Vetter Pons. (Deutsch von O. Flake) Zürich, 1981. S. 19.<br />

Ähnliches findet sich auch bei dem Engländer Thomas Raikes, der 1834 anläßlich seines Besuches im Hôtel de<br />

Cluny schreibt: “Every broker’s shop in Paris seems to have been ransacked for the remnants of worm-eaten furniture,<br />

to complete the collection with which this old Gothic building is literally stuffed[…]”. Th. Raikes: A Portion<br />

of the Journal Kept by T. Raikes, Esq., from 1831 to 1847. ?, 1856. I, 249. (zit. n. Clive Wainwright: The Romantic Interior...<br />

(siehe Anm. 239.). S. 12.). Und auch bei den bereits angeführten Salet und Souchal heißt es: “Gravures et<br />

tableaux anciens permettent d’imaginer dans quel désordre pittoresque se présentait alors la collection Du Sommerard.<br />

C’est le goût romantique qui avait présidé au rassemblement des objets. Il s’agissait d’évoquer l’histoire<br />

bien que de mettre en valeur l’œuvre d’art.” F. Salet and G. Souchal: Le Musée de Cluny. Paris, 1972. S. 18.<br />

203


Bildern zum Thema der Betrachtung von Kunst in der Öffentlichkeit - die allerdings auch,<br />

daran ist zu erinnern, für satirische Zeitschriften entstanden - schildert Daumier die ebenfalls<br />

anonymen Figuren in diesen Beispielen ausgesprochen wohlwollend. Sie lassen sich nicht<br />

von äußeren Umständen oder ihrer körperlichen Befindlichkeit ablenken, und ihre Aufmerk-<br />

samkeit scheint sich ausschließlich auf künstlerische Aspekte zu beziehen. Sie sind offensicht-<br />

lich alle mit großem Interesse, mit Ernsthaftigkeit und Muße bei der Sache.<br />

In »Un Amateur« (ABB. III 540) 244 hat sich ein einzelner Herr bequem in einem Sessel zu-<br />

rückgelehnt, die Hände im Schoß und die Beine übereinandergeschlagen, besieht er eine Sta-<br />

tuette der »Venus von Milo«, die vor einer dicht mit Gemälden behängten Wand auf einem<br />

Tisch steht. Seine Körperhaltung und sein Gesichtsausdruck deuten auf eine sehr entspannte<br />

Situation. Man hat nicht den Eindruck, als werde nur ein kurzer, abschätzender Blick ge-<br />

worfen, sondern als nehme sich hier ein tatsächlicher Kunstliebhaber die Zeit, ein einzelnes<br />

Stück genau zu betrachten und sich - sei es zum ersten Mal oder erneut - an dessen Qualitäten<br />

zu erfreuen.<br />

Eine vergleichbare Haltung dürfte Daumier auch in »L’Amateur d’Estampes« festgehalten<br />

haben (ABB. III 550) 245 , allerdings ist die Konzentration auf den Betrachter, und wohl ebenso<br />

die Intimität des Einblicks, in diesem Beispiel noch gesteigert: man ist näher an die gezeigte<br />

Einzelperson herangerückt - gerade so, als sitze man an einem Tisch mit ihr - und die Be-<br />

leuchtung ist um einiges spärlicher, allerdings wird dieser Umstand auch einer effektvolleren<br />

Akzentuierung geschuldet sein. Vor dem Hintergrund einer im Dunkel nur angedeuteten<br />

Wand mit mehreren Gemälden sitzt ein Mann an besagtem Tisch und beschäftigt sich mit<br />

einigen Graphiken. Während er im Begriff ist, der Mappe vor sich ein Blatt zu entnehmen<br />

oder auch hinzuzufügen, ist seine Aufmerksamkeit auf eines von mehreren nur vage skiz-<br />

zierten Stücken rechts von sich auf dem Tisch gerichtet. Dabei sind seine Züge gelöst und fast<br />

meint man, ein leises Lächeln umspiele seinen Mund. Er scheint mit Ruhe, Ernst und<br />

Zufriedenheit bei der Sache.<br />

Im Zusammenhang mit diesem Blatt ist nahezu zwangsläufig ein weiteres Beispiel von<br />

Daumier zu erwähnen, das große bildliche Übereinstimmungen aufweist. Es firmiert unter<br />

dem Titel »Deux Amateurs d’Estampes« (ABB. III 560). 246 Die kleineren Veränderungen an<br />

den Gegenständen auf dem Tisch oder an der Lichtführung fallen nicht ins Gewicht.<br />

Entscheidend ist neben der hinzugekommenen Person der deutlich gewandelte Eindruck, den<br />

der sozusagen schon bekannte Grafikfreund vermittelt. Hier erscheint er nicht mehr ent-<br />

244 Um 1860. Feder und Tinte, Aquarell, Crayon Conté, Gouache über schwarzer Kreide auf Vélin, 43,8 x 35,5 cm.<br />

Metropolitan Museum, New York, H. O. Havemeyer Collection; Inv. Nr. 29.100.200.<br />

245 (Crayon, pen and watercolour,) 18,9 x 23,5 cm. Museum Boymans van Beuningen, Rotterdam.<br />

246 Aquarell und Tinte, 18 x 24 cm. Slg. O. Reinhart, Winterthur.<br />

204


spannt, sondern eher bemüht, so als ginge es weniger um das eigene Gefallen an den Blättern<br />

als vielmehr darum, daß sie die zweite Person, der sie offensichtlich vorgeführt werden,<br />

überzeugen. Es ist als schaue der eine mit den zumindest in seiner Vorstellung kritischen,<br />

vielleicht gar skeptischen Augen des anderen. 247<br />

Eine ähnlich ernsthafte und konzentrierte Stimmung wie in diesen Beispielen findet sich<br />

auch in einigen zeitgenössischen Texten. So schreibt etwa Johan Baptist Bertram über Goethes<br />

Studium - so muß man es wohl nennen - 248 der Sammlung Boisserée im Jahr 1814: 249<br />

“Jeden Tag […] war er morgens um acht Uhr im Bildersaal und wich nicht von der Stelle, bis zur<br />

Mittagszeit […]. Er betrachtete die Bilder nicht, wie sie eins neben dem anderen an der Wand hingen;<br />

er ließ sich immer nur eins, abgesondert von den anderen, auf die Staffelei stellen und studierte es,<br />

indem er es behaglich genoß und seine Schönheiten, unverkümmert durch fremdartige Eindrücke von<br />

außen, sei es der Bilder oder der Menschenwelt, in sich aufnahm. Er verhielt sich dabei still, bis er<br />

des Gesehenen, seines Inhalts und seiner tieferen Beziehung Herr zu sein glaubte […]. In jenen<br />

geweihten Augenblicken, wo er vor den Bildern saß, ließ Goethe sich nur ungern durch Besuche stören<br />

[…] und suchte sich ihrer auf irgendeine zulässige Art zu entledigen.” 250<br />

Auch das, was Gustav Friedrich Waagen von seinen Besuch in der Sammlung Lord<br />

Cowpers berichtet, deutet auf eine ausgesprochen intensive und mußevolle Beschäftigung<br />

mit der Kunst; bemerkenswerterweise kommt auch er auf mögliche - und schon leidlich<br />

erfahrene - Störungen solcher gelehrsamen Versenkungen zu sprechen, die den bildlichen<br />

Darstellungen offenbar fremd sind:<br />

„I passed here six happy hours in quiet solitude. The solemn silence was interrupted only by the humming<br />

of innumerable bees, which fluttered round the flowering plants which, in the greatest<br />

luxuriance, adorn the windows. It is only when so left to oneself, that by degrees, penetrating into the<br />

spirit of works of art, one can discover all their peculiar beauties. But when, as often happens in<br />

England, and, as I shall doubtless again experience, an impatient housekeeper rattles with her keys,<br />

one cannot of course be in the proper frame of mind, but must look at everything superficially, and<br />

with internal vexation.“ 251<br />

247 Vgl. im Gegensatz dazu ein weiteres Blatt Daumiers (ABB. III 561), in dem die legere Haltung des offenbar<br />

Vorführenden für deutlich mehr Souveränität gegenüber dem Urteil des anderen spricht.<br />

248 Trotz mancher Parallelen - und auch wenn man aufgrund des Umstands, daß nicht Goethe selbst, sondern ein<br />

Außenstehender die Begebenheiten schildert, eine gewisse ‘Ernüchterung’ in Rechnung stellen möchte - dürfte es<br />

sich kaum um eines jener romantisch-schwärmerischen “Galerieerlebnisse” gehandelt haben, denen Klaus Herding<br />

nachgeht in seinem Aufsatz “»... Woran meine ganze Seele Wonne gesogen ...« Das Galerieerlebnis - eine verlorene<br />

Dimension der Kunstgeschichte?” (in: Kunst und Kunsttheorie. 1400 - 1900. Hrsg. v. Peter Ganz u.a. (Wolfenbütteler<br />

Forschungen; Bd. 48.) Wiesbaden, 1991. S. 257 - 285.). “Wer ein solches Erlebnis hat, ist mit dem Gefühl und nicht<br />

mit jenem distanzierenden Verstand bei der Sache, der Diderots kalkulierte Kunstträume begleitet hatte.” Ibid., S.<br />

259. Und zu Goethe heißt es bei Herding gar ganz explizit: “Der unerbittlich lernende Goethe beschreibt im Grunde<br />

kein einziges Galerieerlebnis. Ibid., S. 265.<br />

249 Bertram selbst war Mitbesitzer jener Sammlung.<br />

250 So schildert Bertram etwa auch, wie Goethe Frau von Humboldt, “[…] die nicht gekommen war, Bilder anzuschauen,<br />

sondern in dem großen Mann einen alten Bekannten zu begrüßen und mit ihm zu plaudern,[…]” hinauskomplimetiert.”<br />

Goethes Gespräche ohne die Gespräche mit Eckermann. Hrsg. v. F. Freiherr von Biedermann. Wiesbaden,<br />

1957. S. 317. (Zitiert nach Wolfgang Kemp “Die Kunst des Schweigens”, in: Laokoon und kein Ende: der Wettstreit<br />

der Künste. Thomas Koebner (Hrsg.). München, 1989. (S. 96 - 119) S. 106 u. 108.)<br />

251 Zit. n. Kenneth Hudson: A Social History of Museums (siehe Anm. 123). S. 29.<br />

205


Den Betrachtern in den angeführten Bildern, wie auch in den beiden Zitaten, ist man<br />

geneigt ein wahrhaftiges Interesse zu unterstellen, ein vorbildhaftes Interesse, das tatsächlich<br />

nur der Kunst gilt, das frei ist von Dingen wie persönlichen Eitelkeiten oder pekuniären<br />

Überlegungen, 252 eine sozusagen reine Freude an der Schönheit, an der Qualität der Werke. 253<br />

Doch mit Balzacs fiktionalem »Cousin Pons« findet sich auch eine Figur, deren Haltung<br />

diesem - in gewisser Weise naiven - Bild zuwiderläuft, auch wenn man dabei wohl einige<br />

Übertreibungen abrechnen muß:<br />

“Zwischen Pons und Sauvageot [einem berühmten Sammler] bestand eine gewisse Ähnlichkeit. Sauvageot,<br />

der wie Pons Musiker war und über kein großes Vermögen verfügte, ging auf die gleich Weise vor, mit<br />

denselben Mitteln, mit derselben Liebe zur Kunst und demselben Haß gegen die Reichen, die sich berühmte<br />

Kabinette anlegen, um den Händlern geschickte Konkurrenz zu machen. Ganz wie sein<br />

Nebenbuhler, sein Nacheiferer, sein Gegenspieler empfand Pons vor diesen Meisterwerken der Hand,<br />

diesen Wundern der Arbeit eine unersättliche, habsüchtige Gier, die Liebe des Liebhabers zu seiner<br />

Geliebten, und die Hammerschläge, mit denen in den Sälen der Rue des Jeûneurs die Versteigerungsbeamten<br />

die Stücke zusprachen, erschienen ihm schlimmste Majestätsbeleidigung. Er besaß sein Museum,<br />

um es zu jeder Stunde zu genießen, denn die Seelen, die zur Bewunderung der großen Werke geschaffen<br />

sind, verfügen über die hohe Tugend der echten Liebe: sie fühlen heute genau soviel Freude wie<br />

gestern, sie werden nie müde, und die Meisterwerke bleiben ja zum Glück ewig jung.” 254<br />

Balzacs Protagonist ist zweifellos ein großer Kunstliebhaber, doch nachahmenswert ist er in<br />

seiner Leidenschaft offensichtlich nicht, nimmt sie doch bisweilen krankhafte Züge an oder<br />

wird zumindest von verwerflichen Regungen wie Habsucht, Rivalitätsdenken, Neid und<br />

Mißgunst begleitet. Hinzu kommt noch sein - anscheinend aber nur in diesem Zusammen-<br />

hang vorhandener - Geiz, der ihn die Liebe zu den Werken nur erfahren läßt, wenn er sie<br />

deutlich unter Wert erstanden hat. 255<br />

“Der alte Musiker teile die Meinung Chenavards, des gelehrten Sammlers wertvoller Kupferstiche,<br />

daß man beim Anblick eines Ruysdael, Hobbema, Holbein, Raffael, Murillo, Greuze, Sebastian del<br />

Piombo, Giorgione, Albrecht Dürer nur dann Vergnügen empfinden konnte, wenn das Blatt nur fünfzig<br />

Franken gekostet habe.<br />

Pons lehnte jede Erwerbung ab, die mehr als hundert Franken kostete; und damit er eine Arbeit mit<br />

fünfzig bezahlte, mußte sie dreitausend wert sein. Der schönste Gegenstand der Welt existierte nicht<br />

mehr für ihn, wenn er dreihundert Franken kostete.” 256<br />

252 Ausführlichst wird eine solche Haltung in Adalbert Stifters »Der Nachsommer« vorgeführt. Seine Figuren sind,<br />

nicht nur im Hinblick auf ihre Beschäftigung mit der Kunst, unermüdlich, bedachtsam, gewissenhaft und - auf<br />

geradezu penetrante Weise - vorbildlich.<br />

253 Im letztgenannten Beispiel Daumiers (ABB. III 560) allerdings trifft das wohl zumindest auf einen der beiden<br />

Herren nicht zu.<br />

254 Honoré de Balzac: Vetter Pons. (siehe Anm. 243). S. 19f.<br />

255 In Stifters schon erwähntem »Nachsommer« hingegen geht der Gastgeber, eigentlich der Lehrmeister, des<br />

Helden gar so weit, erneut nach Italien zu reisen, um dem Verkäufer einer Skulptur, die, wie sich mittlerweile herausgestellt<br />

hat, nur mit Gips ummantelt war, tatsächlich aber aus Marmor ist und darüberhinaus aus antiken Zeiten<br />

zu stammen scheint, die Gelegenheit zu geben, einen der neuen Sachlage angemessenen Preis zu fordern. Adalbert<br />

Stifter: Der Nachsommer. Frankfurt a. M., 1982. S. 358ff.<br />

256 Ibid., S. 17f.<br />

206


- iv -<br />

MUSEUMSDARSTELLUNGEN<br />

Zum Abschluß dieses letzten Kapitels sollen nun die Darstellungen des Museums ins Blick-<br />

feld gerückt werden. Das Museum, so wie es heute gemeinhin verstanden wird, 257 also als<br />

öffentlicher Ort der Präsentation von Kunst - oder auch von Objekten anderer Interessens-<br />

gebiete -, der im Prinzip jedermann ohne Ansehen der Person zugänglich ist, findet erst in der<br />

Folge der französischen Revolution langsam weitere Verbreitung. 258 Zuvor gab es lediglich<br />

einzelne Sammlungen, die tatsächlich für das breite Publikum geöffnet waren. Der Deutsche<br />

Zacharias Conrad von Uffenbach etwa schreibt im Bericht über seine Reisen, die ihn im Jahr<br />

1710 auch nach England führten:<br />

“On 23 August we wished to go to the Ashmolean Museum, but it was market day and all sorts of<br />

country-folk, men and women, were up there (for the leges that hang upon the door parum honeste &<br />

liberaliter allow everyone to go in). So as we could have seen nothing well for the crowd, we went<br />

down-stairs again and saved it for another day.” 259<br />

Auch der Einlaß in die seit 1781 im Oberen Belvedere befindliche Gemäldegalerie des aufge-<br />

klärten Habsburgers Joseph II wurde zunächst anscheinend recht großzügig gehandhabt, sie<br />

war<br />

“[…] Montag, Mittwoch und Freitag allgemein zugänglich, allerdings »nur mit gesäuberten Schuhen«,<br />

257 Zum Begriff des Museums und seines Bedeutungswandels vgl. Paula Findlen: “The Museum: Its Classical Etymology<br />

an Renaissance Genealogy”, in: Journal of the History of Collections. 1 (1989), no. 1. S. 59 - 78. Dort heißt es<br />

etwa: “The constellation of terms used to describe collection by the late sixteenth century created a unified conceptual<br />

sphere that fully demonstrated the museum’s role in the public and private realms. By now ‘study’ connotes<br />

a room for private study with ‘museum’ as its public counterpart. Yet the polarization of these two categories has<br />

evolved only in the nineteenth and twentieth centuries, as the images of ‘public’ and ‘private’ have also become<br />

fixed opposites. Conversely, as discussed earlier, it was only in the fifteenth and sixteenth centuries that the social<br />

and philosophical purposes of museum and studio were conjoined; it remained for the seventeenth and eighteenth<br />

centuries to begin the process of extraction that ultimately set the two words apart.” Ibid., S. 69f.<br />

258 In bezug auf Deutschland schreibt Hochreiter gar: “Ende des 19. Jahrhunderts ließen sich erstmals [meine Hervorhebung]<br />

ausgedehntere Bemühungen konstatieren, die Museen auch der Arbeiterschaft und den Unterschichten<br />

zugänglich zu machen, die davor im Publikum stark unterrepräsentiert waren.” Walter Hochreiter: Vom Musentempel<br />

zum Lernort... (siehe Anm. 3). S. 191.<br />

259 Zwar heißt es schon in der zitierten Passage “men and women”, doch daß es so ungewöhnlich ist, auch letztere<br />

an einem solchen Ort anzutreffen, wird erst durch die Bemerkung “[…] even women are allowed up here for a sixpence<br />

[…]” richtig deutlich. Und im Zusammenhang mit den Besuchern der Bodleian Library wird er garadezu verächtlich,<br />

er spricht von “[…] peasants and women-folk, who gaze at the library as a cow might gaze at a new gate<br />

with such a noise an trampling of feet that others are much disturbed.” Oxford in 1710. Hrsg. v. W. H. und W. J. C.<br />

Quarrel. Oxford, 1928. S. 2 - 3, 24 u. 31. Zit. n. Paula Findlen: “The Museum ... (siehe Anm. 257). S. 72.<br />

Elias Ashmole vermachte 1677 seine Sammlung, die wohl größtenteils aus der an ihn übergegangenen Tradescant-<br />

Sammlung bestand, an die <strong>University</strong> of Oxford mit der Auflage, daß ein entsprechendes Gebäude für deren Unterbringung<br />

und Präsentation errichtet würde. Götz-Tilman Mellinghoff: “Zur Entstehung und Eigenart des bürgerlichen<br />

Museums in England”, in: Das kunst- und kulturgeschichtliche Museum im 19. Jahrhundert. Vorträge des Symposions<br />

im Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg. Hrsg. v. Bernward Deneke u. R. Kahsnitz. München, 1977. (S. 82 - 98)<br />

S. 83. Dort ist auch ein wörtliches Zitat aus Uffenbachs Text zu finden: es würde “[…]»jedermann ..., auch Weibsleute<br />

vor sechs Pence hinauf gelassen werden, die hin und her lauffen, alles angreifen und sich von dem Sub-Custode<br />

nichts abwehren lassen«.” Z. C. von Uffenbach: Herrn Zacharias Conrad von Uffenbachs Merkwürdige Reisen durch<br />

Niedersachsen, Holland und Engelland. Bd. 3. Ulm; Memmingen, 1753/54. S. 121 - 129.<br />

207


Stöcke und Degen mußten abgelegt werden, Kinder waren nicht zugelassen; an Regentagen blieb die<br />

Galerie geschlossen! [Jedoch:] Schon 1813 wurde die Zahl der Öffnungstage auf zwei beschränkt und<br />

Eintrittskarten eingeführt, weil »die willkürliche Zulassung der allergeringsten Volksklasse von der<br />

Straße dadurch vermindert wird, welche für Kunst- und wissenschaftliche Sammlungen nicht geeignet<br />

sind, und den gebildeten Ständen des Publikums wird der Genuß der Galerie soviel angenehmer<br />

werden, der nur bei geräuschloser Betrachtung der Kunstwerke stattfinden kann. Tagwerker und Kellnerburschen,<br />

Wäscher- und Kuchelmenscher mit ihren Galanen sowie die gemeinsten Weiber mit halbnackten<br />

Kindern gingen aus und ein. Kindergeschrei und Unreinlichkeiten beleidigen öfter die Sinne<br />

der Anwesenden«.” 260<br />

Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts waren durchaus mehrere Sammlungen einer breiteren<br />

Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden, 261 doch in der Praxis war das, anders als in den<br />

beiden angeführten Beispielen, offensichtlich meist nicht gleichbedeutend mit ‘offen-für-<br />

jedermann’. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein wurde zumindest das einfache Volk, wenn<br />

auch insgesamt mit schwindender Häufigkeit, 262 durch entsprechende Maßnahmen fernge-<br />

halten: hohe Eintrittsgelder, willkürlich auslegbare Anforderungen an das äußere Erschei-<br />

nungsbild der Besucher oder Öffnungszeiten, die es der arbeitenden Bevölkerung nahezu un-<br />

möglich machten, diese - vermeintlich öffentlichen - Sammlungen aufzusuchen. 263 Deutlich<br />

260 Wilfried Seipel: “Zur Geschichte des Kunsthistorischen Museums Wiens”, in: Die Nation und ihre Museen.<br />

Hrsg. v. Marie-Louise von Plessen (f. d. Deutsche Hist. Mus.). Frankfurt a. M; New York, 1992. (S. 55 - 68) S. 60/1<br />

(ohne Quellenangabe d. offenbar zeitgen. Zitats).<br />

Interessanterweise waren es ausgerechnet die Künstler, die gegen die Einführung des freien Eintritts zur Belvedere-<br />

Galerie heftig protestierten. Vgl. Niels von Holst: Creators, Collectors an Connoisseurs. The Anatomy of Artistic<br />

Taste from Antiquity to the Present Day. London, 1967. S. 205.<br />

261 Diese Entwicklung wird häufig als Folge der Aufklärung angesehen. So gänzlich altruistisch aber ist die Motivation<br />

wohl nicht immer gewesen. Im Zusammenhang mit der Umwandlung deutscher Fürstensammlungen in ‘öffentliche’<br />

Museen spricht Grasskamp von einem “Bestechungsgeschenk”. “Gegen die Emanzipationsbestrebungen des Bürgertums<br />

konnte der Adel ökonomische oder politische Legitimationsansprüche nicht glaubwürdig geltend machen,<br />

die Museen dienten daher dem Zweck, das Feudalsystem dadurch zu legitimieren, daß die Fürsten als diejenigen in<br />

Erscheinung traten, denen die Gesellschaft ihre kulturellen Güter zu verdanken hatte.” Und zwei Seiten später<br />

heißt es: ”Die deutschen Fürsten hatten offenbar mehr aus der französischen Revolution gelernt als das deutsche<br />

Bürgertum: sie machten den bürgerlichen Intellektuellen ihre Kunstsammlungen zugänglich, bevor diese auf die Idee<br />

kommen konnten, dies zu verlangen.” Walter Grasskamp: Museumsgründer und Museumsstürmer. Zur Sozialgeschichte<br />

des Kunstmuseums. München, 1981. S. 37 bzw. 39. Interessant ist in diesem Zusammanhang auch eine zeitgenössische<br />

Äußerung Jacques- Henri Meisters, Baron Grimms Nachfolger bei der Correspondence Littéraire, bezüglich<br />

des vorrevolutionären Museumsprojektes des Comte d’Angiviller: „Who knows if this museum, competed to perfection,<br />

might not have saved the monarchy, by providing a more imposing idea of its power and vision, by calming<br />

anxious spirits, and by dramatizing the benefits of the Old Regime.“ J.-H. Meister: Souvenirs de mon dernier voyage<br />

à Paris (1795). Paris, 1910. Zitiert in der Übersetzung von Andrew McClellan, in ders.: Inventing the Louvre. Art Politics,<br />

and the Origins of the Modern Museum in Eighteenth-Century Paris. Cambridge, MA, 1994. S. 8.<br />

Bemerkenswert und sehr bezeichnend ist hier auch, daß die Geschmacksbildung gerade des einfachen Volkes bisweilen<br />

als Wirtschaftsfaktor gesehen wurde. So heißt es 1832 in einem Bericht vor dem Britischen Parlament zur<br />

Situation der französichen Seidenfakrikation: “[–] their national education is undoubtedly much more friendly to<br />

the production of works of art than that of England; almost all the genius that exists among our labouring population<br />

is buried and barren, while in France it is productive.” Report from the Select Committee on the Silk Trade.<br />

London 1832. Testimony of John Bowring, LL.D. S. 538, § 8826. Zitiert nach Ingeborg Cleve: “Der Louvre als Tempel<br />

des Geschmacks. Französiche Museumspolitik um 1800 zwischen kultureller und ökonomischer Hegemonie”, in: Die<br />

Erfindung des Museums: Anfänge der bürgerlichen Museumsidee in der Französischen Revolution. Hrsg. v. Gottfried<br />

Fliedl. Wien, 1996. (S. 26 - 64) S. 53.<br />

262 Das einschränkende ‘insgesamt’ erscheint deshalb notwendig, weil das soeben angeführte Wiener Beispiel nicht<br />

der einzige Fall gewesen ist, in dem auf eine eher liberale Zugangspolitik eine restriktivere Phase folgte; mit<br />

Berlin ist unten ein weiteres Beispiel angeführt.<br />

263 Als ein Beispiel sei hier Dresden genannt: ”Bis zur ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts hatten nur die kurfürstliche<br />

Familie, der Hofstaat und wenige Auserwählte das Recht[?] , die Werke der Galerie zu besichtigen. Selbst<br />

208


estriktiver noch waren etwa die Zugangsbedingungen für das mit öffentlichen Geldern finanzierte<br />

British Museum. 264<br />

“When the Museum was first opened, in 1759, the Trustees published a list of ‘Statutes and Rules<br />

relating to the inspection an use of the British Museum’. These laid down, among other things, that<br />

‘such studious and curious persons’ as might wish to see the collection must first make a written<br />

application to the Porter, giving their occupation, name and address. They then had to call at some later<br />

date for their tickets, which entitled them to a visit the following day. This procedure was likely<br />

to take at least two weeks, and the investigation into credentials could last as long as several months.<br />

Not more than ten tickets were to be issued for each hour of admittance and nobody was allowed to<br />

look at anything without being closely attended by a member of the staff. Each group had to march<br />

through all the departments, with a bell to ring them from one department to another.” 265<br />

Völlig anders muten dagegen die Pläne für das Revolutionsmuseum im Louvre an - ein<br />

außerordentlich prominentes Beispiel, das wohl bei keiner der nachfolgenden Gründungen<br />

einfach ignoriert werden konnte. 1792 schreibt der mit dem Museumsprojekt betraute<br />

Minister des Inneren Jean-Marie Roland de Platière in einem Brief an Jacques Louis David -<br />

auf dessen Initiative und nachhaltigen Einsatz es letztlich zurückzuführen ist “[…] , daß die<br />

Zerstörung und Privatisierung der Kunstsammlungen [in den revolutionären Wirren] ein Ende<br />

nahm und der Aufbau der Revolutionsmuseen in Angriff genommen wurde […]”: 266<br />

“Dieses Museum muß die Fremden anziehen und ihre Aufmerksamkeit fesseln, den Sinn für die schönen<br />

Künste nähren, die Kunstfreunde ergötzen und den Künstlern als Schule dienen. Es muß für alle offen<br />

sein, und jeder soll seine Staffelei vor jedwedem Gemälde oder vor dieser oder jener Statue aufstellen<br />

Winckelmann kostete es viel Mühe, sich Zutritt zu verschaffen. Seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bekamen<br />

auch ausländische Reisende und Fremde gegen «gutes Trinkgeld» die Möglichkeit, die Galerie zu besuchen. In<br />

dieser Zeit wurden auch die ersten Kataloge - dem Bildungsbedürfnis «Oberer Klassen» entsprechend - zunächst in<br />

französischer Sprache gedruckt (1765). Und noch um die Mitte d. 19. Jh.s war dem einfachen Volk, den Bauern, Handwerkern<br />

und Arbeitern, der Zugang zu den Kunstschätzen verwehrt, denn eine Bekanntmachung von 1839 verwies<br />

darauf, daß die Galerie nur werktags von 9 bis 1 Uhr für «anständig Gekleidete» geöffnet sei. […] Zwei Jahrzehnte<br />

vorher hieß es im «Sach- und Ortsverzeichnis der Königlich-Sächsischen Gemäldegalerie zu Dresden» (1819):<br />

«Denn ob zwar die königliche Galerie als eine nicht ganz öffentliche Anstalt dem Publikum nicht unbedingt offen<br />

steht, sondern der Vorschrift gemäß, nur in Begleitung eines Inspectors der Genuß der Beschauung derselben gestattet<br />

ist, so ist es doch höheren Orts den Inspectoren nie untersagt worden, gebildeten Fremden und hiesigen Kunstfreunden,<br />

jederzeit, wenn die Galerie eröffnet ist, den Eingang und Genuß, unter denen am Eingang aufgestellten und<br />

zu befolgenden Verordnungen zu erlauben.»” (meine Hervorhebungen) Gemäldegalerie Alte Meister Dresden. Katalog<br />

der ausgest. Werke. (3. Aufl.) Dresden, 1983. S. 8. Vgl. auch Artikel 2 des Règlement für das Dijoner Museum<br />

aus dem Jahr 1847 (ABB. III 571), in dem es u. a. heißt: “L’entrée en sera refusée aux individus dont la tenue ne serait<br />

pas décente.” Gegen Ende des 19. Jahrhunderts noch wurde der Arbeiter Carl Fischer, dessen Autobiographie 1904 erschien,<br />

nicht in das Berliner Alte Museum eingelassen, weil er kein Vorhemd und keinen Hut trug. Vgl. Irene Geismeier:<br />

“Besucheranalyse in der Frühzeit der Museen”, in: Kunstwissenschaftliche Beiträge: Beilage zur Bildenden<br />

Kunst 5 (1981). (S. 4- 5) S. 5.<br />

264 Hudson hält es allerdings für wahrscheinlich: “[…] that the general would have been better treated than it<br />

actually was if Parliament had not left the Museum so chronically short of money.” Kenneth Hudson: A Social<br />

History of Museums... (siehe Anm. 123). S. 10.<br />

265 Ibid., S. 9. Vgl. auch Alma S. Wittlin: The Museum. Its History and its Tasks in Education. London, 1949. S. 113f.<br />

Sie bezieht sich auf die “[…] official »Rules and Acts« concerning the admission of »Strangers and Artists«, of 1808<br />

[…]”; daraus zitiert sie in ihrem Text lediglich eine Phrase aus zwei Wörtern, die jedoch sehr bezeichnend erscheint<br />

für die Haltung, die den Einlassuchenden entgegengebracht wurde: ausgehändigt wurden die Tickets “[…] to every<br />

individual found to be »not exceptionable«.” (meine Hervorhebung) Ibid.<br />

266 Walter Grasskamp: Museumsgründer und Museumsstürmer... (siehe Anm. 261). S. 21. Er verweist auch auf eine<br />

Publikation, in der sich einige der Reden von David und Henri Grégoire in dieser Sache finden: Von Brutus zu Marat.<br />

Kunst im Nationalkonvent 1789 - 1795. Hrsg. v. Katharina Scheinfuß. Dresden, 1973.<br />

209


und nach Belieben zeichnen, malen oder modellieren können. Dieses Monument wird ein nationales<br />

sein, und es wird niemanden geben, der nicht das Recht hat, es zu nutzen.” 267<br />

Kämpferischer und stärker auf die Bildung des Volkes ausgerichtet sind die Formulie-<br />

rungen, mit denen Vicq d’Azyr und Dom Poirier die Aufgaben und Möglichkeiten der neuen<br />

Institution zu umreißen versuchen; bemerkenswerterweise tun sie das in der Einleitung zu<br />

einer Schrift mit dem überaus nüchternen Titel »Instruction sur la manière d’inventorier et<br />

de conserver, dans toute l’étendue de la République, tous les objets qui peuvent servir aux<br />

arts, aux sciences et à l’enseignement.« :<br />

”Das Volk wird nicht vergessen, daß die Vernunft sich durch eine solide und wahre Bildung stärkt.<br />

Die Bildung, die ihm zugänglich gemacht worden ist, ist für es schon zum wirksamsten Mittel der<br />

Erneuerung und des Ruhms geworden; sie hat ihm einen Hebel von ungeheurer Kraft in die Hand<br />

gegeben, dessen es sich bedient, um die Völker sich erheben zu lassen, um die Throne ins Wanken zu<br />

bringen und auf immer die Monumente des Irrtums umzustoßen.[…]<br />

Niemals hat sich den Nationen ein großartigeres Schauspiel geboten. All diese Objekte, die man vom<br />

Volk fernhielt oder die man ihm nur zeigte, um es in Erstaunen zu versetzen und mit Respekt zu<br />

erfüllen, alle diese Reichtümer gehören ihm. Künftig werden sie der Volksbildung dienen; sie werden<br />

dazu dienen, philosophische Gesetzgeber, aufgeklärte Beamte, gebildete Landwirte und Künstler heranzubilden,<br />

Künstler, deren Genie ein großes Volk nicht vergeblich gebietet, seine Erfolge würdig zu<br />

feiern […].” 268<br />

In der Praxis allerdings blieb man selbst hier ein wenig hinter dem Programm zurück. Was<br />

den Zugang betraf, gewährte man etwa den Künstlern Privilegien: für sie waren die ersten<br />

fünf Tage der zehntägigen Woche des Revolutionskalenders reserviert, während sich das<br />

normale Publikum mit den letzten drei begnügen mußte; die restlichen zwei Tage waren für<br />

Instandhaltungsarbeiten angesetzt. 269 Darüberhinaus galten diese Regelungen anscheinend<br />

nicht gleichermaßen für die Kenner, zumindest nicht für die weitgereisten, “[…]they were al-<br />

lowed into the museum on days when it was closed to the general French public.” 270 Dem Zu-<br />

spruch der einheimischen Besucher haben diese Umstände jedoch offenbar keinen Abbruch<br />

getan, so spricht Klein etwa von einer “[…] derartige[n] allgemeine[n] Anziehungskraft, daß<br />

267 Le Moniteur, Band XIV, No. 296, 22. Oktober 1792. S. 263. Zitiert nach André Desvallées “Konvergenzen und<br />

Divergenzen am Ursprung der französischen Museen”, in: Die Erfindung des Museums... (siehe Anm. 261). (S. 65 - 130)<br />

S. 91.<br />

268 Instruction... Paris, 1794. Zitiert in der Übersetzung von André Desvallées “Konvergenzen und Divergenzen...<br />

(siehe Anm. 267). S. 91f. Desvallées bezieht sich dabei auf Bernard Deloche und Jean-Michel Léniaud: La Culture<br />

des sans-culotte. Paris, 1989. S. 175 bzw. 177.<br />

269 Vgl. Debora J. Meijers: “Het ‘encyclopedische’ museum van de achtiende eeuw”, in: Verzamelen. Van Rariteitenkabinet<br />

tot Kunstmuseum. Redactie Ellinoor Bergvelt et al. Heerlen, 1993. (S. 205 - 244) S. 215.<br />

270 Andrew McClellan: “The Museum and its Public in Eighteenth-Century France”, in: Genesis of the Art Museum in<br />

the 18th Century. Papers given at a Symposium in the Nationalmuseum Stockholm, June 26, 1992, in Cooperation<br />

with the Royal Acedemy of Letters, History and Antiquities. Hrsg. v. Per Bjurström. Stockholm, 1993. (S. 61 - 80) S.<br />

76.<br />

Er spricht zwar nur von “connoisseurs”, doch es wird wohl im Prinzip für jeden Touristen gegolten haben. Im ersten<br />

Artikel des Règlement für das Dijoner Museum (ABB. III 571) heißt es zum Beispiel: “Le Musée est ouvert au public,<br />

de midi à deux heures, tous le dimanches, excepté ceux des mois de septembre et d’octobre, ainsi que les jours de fêtes<br />

légales.<br />

Les étrangers pourront le visiter tous les jours sur l’exhibition de leurs passe-ports.”<br />

210


sogar die Prostituierten ihre Standplätze zum Louvre hin verlegten!” 271<br />

Die Art und Weise allerdings, wie ein Teil der neuen ‘Klientel’ den Louvre nutzte, stieß<br />

bei den Verantwortlichen nicht auf Zustimmung; mit Bezug auf die Sitzungsprotokolle der<br />

Louvreverwaltung des Jahres 1794 berichtet McClellan von der Einführung einiger “[…] regula-<br />

tions concerning behaviour in and around the museum, against drunkenness in the gallery<br />

and prostitution in the courtyard […].” 272 Derartige Formen der ‘Nutzung’ wird so mancher<br />

Zeitgenosse wohl als eine Entweihung des Ortes empfunden haben. Eher harmlos nehmen<br />

sich daneben die Anweisungen - und die damit indirekt angegebenen Verstöße - aus, die in<br />

den Artikeln 3 bis 5 des »Règlement sur la police intérieure du Musée de Tableaux et de Sculp-<br />

tures de la ville de Dijon« von 1847 festgehalten sind:<br />

“Art. 3. Il ne pourra y être introduit de chiens, même tenus en laisse.<br />

Art. 4. Les bâtons, cannes, parapluies et paquets, seron déposés au bureau à ce destiné, situé à l’entrée.<br />

Art. 5. Il est expressement défendu de toucher les tableaux, statues, et autres objets composant les<br />

collections.” 273<br />

Auch was die neue Institution als Instrument der Volksbildung anbelangt, blieb man<br />

hinter dem Programm zurück. Zum einen, so formuliert es etwa McClellan, waren die “[…]<br />

pedagogic strategies […]” des Museums weiterhin dazu angetan, “[…] to privilege the bourgeois<br />

amateur. The debates of the 1790s about how to hang the Grand Gallery meant nothing to and<br />

were not intended for the sans-culotte.” 274 Zum anderen hatte man das Publikum zum Teil<br />

wohl einfach überschätzt, wie eine Begebenheit aus der Frühzeit der Revolutionsmuseen na-<br />

helegt:<br />

“In 1795, for example, in order to underline the act of appropriation, the museum used wall labels to<br />

indicate the provenance of works seized from émigrés. But, according to one account, some visitors<br />

completely missed the point: confused by the labels, they mistook busts of Plato and Alexander the<br />

Great for the Duc de Brissac and the Prince de Condé. The idea backfired because it had been assumed<br />

that anyone could tell the bust of an ancient Greek from one of a French aristocrat simply by the look<br />

of it.” 275<br />

271 Hans-Joachim Klein: Museum und Öffentlichkeit. Fakten und Daten, Motive und Barrieren. Berlin, 1981. S. 19.<br />

272 Andrew McClellan: “The Museum and its Public in ... (siehe Anm 270). S. 75.<br />

273 Vgl. ABB. III 571 Bezüglich des Hundeverbots ist hier noch einmal daran zu erinnern, daß diese Tiere in den Darstellungen<br />

von Privatsammlungen, vor allem des 17. Jahrhunderts, sehr beliebt waren.<br />

Im Zusammenhang mit der handgreiflichen Art der Betrachtung zitiert Sherman einen Bericht aus dem Jahr 1818,<br />

in dem es heißt, daß einige der in dieser Hinsicht zurechtgewiesenen Besucher nicht das geringste Verständnis dafür<br />

hatten und sich beschwerten oder die Aufsicht gar bedrohten. “To combat these problems […] many [museums] installed<br />

hefty iron barriers to keep visitors away from the works of art.” Daniel J. Sherman: Worthy Monuments.<br />

Art and the Politics of Culture in Nineteenth-Century France. Cambridge, MA; London, 1989. S. 118. Solche Absperrungen<br />

finden sich auch in einer Vielzahl von Darstellungen.<br />

274 Andrew McClellan: Inventing the Louvre... (siehe Anm. 261). S. 10. Und er fährt fort: “There were no “popular<br />

arts” at the Louvre, and even the types of painting that had proven popular whith the person in the street at the regular<br />

art exhibitions in the Salon - genre scenes and landscape - were condemned during the Terror.”<br />

275 Ibid., S. 9/10.<br />

211


Die allgemeine Zugänglichkeit eines Museums sagt indessen - selbst wenn sie mit der ernst-<br />

haften Absicht verbunden ist, die Sammlungsstücke für ein breites Publikum ansprechend<br />

und lehrreich zu präsentieren - noch nichts darüber, von wem dieses Angebot tatsächlich<br />

genutzt wird. Zwar finden sich, wie gezeigt, einige Quellen, aus denen zu entnehmen ist, daß<br />

auch die unteren sozialen Schichten die gegebenen Möglichkeiten bisweilen in Anspruch nah-<br />

men, doch wie groß ihr Anteil an der Besucherzahl war und inwieweit es zu einer Durch-<br />

mischung mit gehobeneren Ständen kam, bleibt unklar. In der Literatur zur Entwicklung des<br />

Museums gibt es dazu bislang kaum konkrete Aussagen, doch implizit entsteht meist der<br />

Eindruck, als sei der Anteil des einfachen Volks - abgesehen vielleicht von der Zeit um 1800<br />

in Frankreich - eher klein gewesen.<br />

Besonders aufmerken läßt deshalb ein kurzer Aufsatz von Irene Geismeier, selbst wenn sie<br />

darin, anders als der Titel »Besucheranalyse in der Frühzeit der Museen« hoffen läßt, nicht<br />

die Ergebnisse einer breiter angelegten Untersuchung darlegt, sondern lediglich einige Äuße-<br />

rungen zum Publikumsaufkommen wiedergibt und kommentiert, die aus Verwaltungsbe-<br />

richten der königlichen Bildergalerie in Berlin aus der Zeit zwischen 1835 und 1876 stam-<br />

men. 276 Dort heißt es im Jahr 1835: “[…] die Ruhe und der Anstand […]” seien “[…] in keiner<br />

Weise gestört worden […], obwohl alle Klassen und Stände gleichmäßig zugelassen werden<br />

[…]”. 277 Auch diese Formulierung läßt die Frage nach der tatsächlichen Zusammensetzung des<br />

Publikums noch offen. Sie scheint eher auf Befürchtungen zu antworten, die wohl im Vor-<br />

hinein bestanden; darauf deutet auch der direkt folgende Satz: “Und so hat sich die großartige<br />

Liberalität, mit welcher die Sammlungen des Königlichen Museums dem Publikum geöffnet<br />

werden, ebenso gerechtfertigt als belohnt erwiesen.” 278 1841 wird es um einiges konkreter und<br />

darüberhinaus auch recht überraschend: “Der Besuch der Galerie hat sich im Ganzen eher ver-<br />

mehrt als vermindert, die fast überwiegende Anzahl bilden noch die unteren Stände [meine<br />

Hervorhebung], allmählich aber beginnt auch die studierende Jugend und das Militair sich<br />

fleißiger einzufinden.” 279 1842 steigt die Besucherzahl “[…] infolge der neueröffneten Eisen-<br />

bahnlinien nicht unbeträchtlich […]. Besonders sind mehr Besucher aus den mittleren Stän-<br />

den wahrgenommen worden, als dies bisher der Fall gewesen ist.” 280 In den 50er Jahren heißt<br />

es dann mehrfach, daß sich das Publikum insbesondere während der Wintermonate vor al-<br />

lem aus den unteren sozialen Schichten rekrutiere, es ist etwa die Rede von “[…] den arbei-<br />

276 So möchte sie ihren Text auch “[…] nur als eine Art »mikrosoziologische[] Spurensicherung« verstanden wissen<br />

[…]”. I. Geismeier: “Besucheranalyse... (siehe Anm. 263) S. 4.<br />

277 Zit. n. Irene Geismeier: “Besucheranalyse ... (siehe Anm. 263). S. 4.<br />

278 Dito.<br />

279 Dito.<br />

280 Dito.<br />

212


tenden Klassen beiderlei Geschlechts […]” oder “[…] den untersten Volksklassen, namentlich<br />

von Fabrikarbeitern […]”. 281<br />

Unklar bleibt allerdings, wann Vertreter dieser Gruppen das Museum aufgesucht haben<br />

sollen. Denn die “[…] Berliner Sammlungen waren bis in die siebziger Jahre von Montag bis<br />

Samstag in turnusmäßigem Wechsel geöffnet, was bedeutete, daß die Gemäldegalerie und die<br />

Skulpturensammlung zweimal wöchentlich, von 10 bis 17 Uhr im Sommer, von 11 bis 15<br />

Uhr im Winter, zugänglich waren.” Sonntags “[…], an dem Tag also, an dem viele Angehörige<br />

des «sog. großen Publikums» vielleicht nicht arbeiten mußten, […]” waren sie geschlossen. 282<br />

Es kann sich bei den besagten Besuchern also wohl nur um - zumindest zeitweise - arbeitslose<br />

Personen gehandelt haben.<br />

Daran schließt sich die Frage an, ob bei ihnen ein Interesse an den Sammlungsstücken<br />

bestand oder ob es es nur darum ging, die Zeit irgendwie ‘kostengünstig’ und geschützt tot-<br />

zuschlagen. Da der genannte Personenkreis den Angaben nach vor allem im Winter ins Mu-<br />

seum kam, liegt es nahe, die niedrigen Außentemperaturen als zusätzlichen Grund in Be-<br />

tracht zu ziehen. Julius Meyer, der Nachfolger des eher liberalen Gustav Waagen, 283 hielt letz-<br />

teres offensichtlich für das einzig mögliche Motiv, in seinem Bericht von 1876 wird zudem<br />

deutlich, wie sehr er jenen Teil des Publikums verachtete:<br />

281 Dito.<br />

“Was den Besuch der Galerie anlangt, so läßt sich über die Quantität nicht klagen [...] Allein die<br />

Zusammensetzung des Publikum läßt mehr als zu wünschen übrig und nimmt sogar öfters einen<br />

bedenklichen Charakter an, namentlich während des Winters. Ein Teil der untersten Classe des<br />

Pöbels - der in keiner anderen großen Stadt so schlimme Elemente auszuweisen haben soll als hier -,<br />

den man nur als arbeitsloses und arbeitsscheues Gesindel bezeichnen kann, scheint insbesondere die<br />

Galerie als bequemes Schutzmittel gegen Kälte und Obdachlosigkeit sich erwählt zu haben. Einmal<br />

in die Galerie zugelassen, sind diese Leute schwer zu entfernen. Die Diener wissen keinen rechten<br />

Grund, haben auch nicht die gehörige Energie, das Vagabundentum, das stundenlang auf den Sitzbänken<br />

verweilt, hinauszuweisen. Doch das rechte Mittel gegen das Zudrängen solcher Elemente wäre<br />

gewiß das Aufstellen von Schutzleuten, welche für die bloßen Vagabunden einen geschärften Blick<br />

haben und mit der Autorität der gefürchteten öffentlichen Macht ihrer Herr zu werden imstande sind.<br />

Über den besonderen Übelstand, daß durch diese unsauberen Individuen das gute Publikum [...] sehr unangehem<br />

berührt wird, ja nicht selten von dem Besuch abgehalten wird, habe ich in diesem Jahr noch<br />

mehr Klagen hören müssen als früher.” 284<br />

282 James J. Sheehan: Geschichte der deutschen Kunstmuseen. Von der fürstlichen Kunstkammer zur modernen Sammlung.<br />

München, 2002. S. 178.<br />

283 Zu seiner Zeit, so schreibt Geismeier, “[…] wird die Analyse der Besucherfrequenz sachlich und wertfrei vorgenommen,<br />

die Anwesenheit von Angehörigen der unteren Volksschichten zuweilen sogar wohlwollend vermerkt. Sie<br />

wird als Beweis der bei der Gründung des Museums ausgerufenen demokratischen Bildungsideale gedacht.” Irene<br />

Geismeier: “Besucheranalyse ... (siehe Anm. 263). S. 5. Vgl. aber auch Sheehan, dort heißt es: “Selbst Waagen hatte<br />

ungeachtet seiner erklärten volksaufklärerischen Auffassungen Angst, daß die falsche Art von Besuchern die<br />

Schätze eines Museums beschädigen könnten. 1853 warnte er die Briten davor, in ihrer neuen Nationalgalerie kleine<br />

Kinder und ungepflegte Erwachsene zuzulassen, nicht nur weil solche Menschen andere Besucher belästigen würden<br />

(insbesondere durch ihre Körpergerüche), sondern auch wegen des Schadens, der den Gemälden durch «die Ausdünstungen<br />

jeder großen Zahl von Menschen» zugefügt würde.” James J. Sheehan: Geschichte der deutschen Kunstmuseen...<br />

(siehe Anm. 282.). S. 180.<br />

284 Zitiert nach Irene Geismeier: “Besucheranalyse ... (siehe Anm. 263). S. 4f.<br />

213


Nur wenig später wird seine Stoßrichtung vollends ersichtlich: “Geradezu triumphierend”, so<br />

beschreibt es Geismeier, “wird der Diebstahl eines Gemäldes der “Kirchenmadonna” des Jan<br />

van Eyck im Jahre 1877 als Folge dieser verpönten liberalen Zulassung des “Pöbels” ins<br />

Museum erklärt. Dringlich wird die Fernhaltung der Unterschichten nicht nur von dem<br />

besseren Publikum, sondern am besten überhaupt vom Museum gefordert.” 285<br />

Natürlich sind aus diesem Berliner Beispiel keine weiterreichenden Schlüsse zu ziehen,<br />

doch es läßt hoffen, daß vergleichbare Berichte auch in anderen Häusern, vielleicht gar an-<br />

deren Ländern, verfaßt wurden und erhalten sind, anhand derer es möglich würde, im Rah-<br />

men einer entsprechenden Forschungsarbeit die Entwicklung der Zusammensetzung des Mu-<br />

seumspublikums früherer Zeiten genauer nachzuzeichnen.<br />

Die bildlichen Darstellungen des Museums liefern in dieser Hinsicht nur begrenzt Auf-<br />

schluß. Denn allein der Umstand, daß in einer Darstellung keine Vertreter der unteren so-<br />

zialen Schichten auszumachen sind, ist selbstverständlich kein zwingender Beleg dafür, daß<br />

ihresgleichen das gezeigte Museum grundsätzlich nicht besuchte oder nicht besuchen durfte.<br />

Ein Grund dafür könnte - neben entsprechenden (Ideal-)Vorstellungen des Malers oder seiner<br />

Auftraggeber bzw. potentiellen Abnehmer - auch schlicht sein, daß diese Gesellschaftsgrup-<br />

pen, wie zumindest eines der folgenden Beispiele nahelegt, 286 für den heutigen Betrachter<br />

nicht immer ohne weiteres zu erkennen sind. Andererseits aber würde man den umgekehr-<br />

ten Fall, daß also Vertreter des einfachen Volkes in einem Museum dargestellt sind, wohl als<br />

ein starkes Indiz dafür betrachten, daß dergleichen auch in der zeitgenössischen Realität<br />

geschah - selbst wenn das wiedergegebene Zahlenverhältnis der Stände zueinander durchaus<br />

von letzterer abweichen mag.<br />

INNENANSICHTEN DES LOUVRE VON HUBERT ROBERT. Im Zusammenhang mit Hubert Roberts<br />

(1733 – 1808) über 50 Louvre-Ansichten ist zunächst auf seine besondere Bindung an den Ort<br />

und die dort bewahrten Kunstschätze hinzuweisen. Im Jahr 1778 wird Robert zum Garde Gé-<br />

néral des Tableaux du Roi in Paris - 287 d. h. im Louvre -, auch wenn das vorrangig ein Mittel<br />

für d’Angiviller, den Directeur Général des Bâtiments, gewesen zu sein scheint, um Robert zu<br />

285 Ibid., S. 5.<br />

286 Gemeint ist eine Illustration zu Zolas Roman »L’Assommoir« (ABB. III 740).<br />

287 Im Juni teilt d’Angiviller dem Premier Peintre Pierre seine Entscheidung mit, „d’accorder à la fois la fonction de<br />

Garde de Tableaux du Roi et un logement au Louvre.” Le Louvre d’Hubert Robert. Hrsg.v. Marie-Catherine Sahut.<br />

Paris, 1979. S. 11. Und schon im April führte er ihn ein in einem “[…] comité chargé d’étudier l’aménagement de la<br />

Grande Galerie, probablement en qualité de représentant, avec le sculpteur Pajou, de l’Académie de Peinture et de<br />

Sculpture.” Ibid., S. 6.<br />

214


gegebener Zeit schnell zum Garde du Muséum machen zu können. 288 Dieses Amt übernimmt<br />

er im Juni 1784 289 und bekleidet es wahrscheinlich bis 1792. 290 In die im September 1792 von<br />

der Assemblée Constituante beschlossene Kommission zur Organisation des Muséum Natio-<br />

nal 291 wird er anders als sein früherer Mitarbeiter, der Maler Nicholas-René Jollain, 292 nicht<br />

berufen. Auch zu der dieses erste Gremium ersetzenden Commission du Muséum National,<br />

die kurz nach seiner achtmonatigen Haft 1793/94 bestellt wird, gehört er nicht. Doch in dem<br />

bereits 1795 nachfolgenden Conservatoire wird er schließlich Mitglied und bleibt bis 1802 in<br />

dieser Funktion tätig. Darüberhinaus hatte er seit 1778 seine Wohnung und seit spätestens<br />

1779 auch sein Atelier im Louvre; 293 beides behielt er mehr als 20 Jahre. 294<br />

Bei Roberts Innenansichten des Louvre kann man zum einen unterscheiden zwischen<br />

jenen der verschiedenen Antikensäle und jenen der Grande Galerie und zum anderen zwi-<br />

schen den fiktiven Ansichten – Vorschlägen zur Gestaltung der Räume oder Visionen einer<br />

dem Zahn der Zeit anheimgefallenen, ruinösen Grande Galerie - und den, zumindest weit-<br />

gehend, realen Schilderungen.<br />

Zu den letzteren zählt ein kleines Gemälde, das den Zustand der Grande Galerie um 1795<br />

festhält (ABB. III 570). 295 Es gibt einen Blick in die Tiefe dieses Raumes wieder. Bilder-im-Bild<br />

sind im Hintergrund kaum auszumachen und in ihrer Verkürzung an den Seitenwänden<br />

sind sie auch im Mittelgrund nur schemenhaft als Rahmen zu erkennen. Lediglich vorne<br />

rechts sind die Kompositionen einiger weniger Stücke vage angedeutet. Auch das weithin im<br />

Raum verteilte Personal ist recht skizzenhaft und dennoch weiter vorne durchaus varianten-<br />

reich ausgearbeitet: drei junge Zeichner in der ersten Fensternische links, daneben ein Mann<br />

mit Stock und Hut vor einem gerahmten Gemälde auf einer Staffelei, eine Gruppe aus Frau-<br />

en und Kindern etwa in der Mitte an Giovanni da Bolognas »Merkur«, in einigem Abstand<br />

rechts dahinter ein Kopist, halb verdeckt hinter seiner Leinwand sitzend, mitsamt einem Be-<br />

obachter und schließlich ganz vorne rechts eine leicht vorgebeugt gehende Frau mit einer<br />

288 Ibid., S. 7 u. 11.<br />

289 Genaueres zu den Umständen der Ernennung zu diesem Zeitpunkt, zu Roberts Aufgaben etc. siehe ibid., S. 6ff.<br />

290 ”On ne sait quand Robert a fini d’exercer sa fonction de Garde de Muséum. Les registres de correspondance cessent<br />

avec l’année 1791 ; il est probable que Robert a continué plus ou moins son activité jusqu’à la chute de la royauté.”<br />

Ibid., S. 9.<br />

291 Im Titel des Kataloges zur Eröffnung 1793 ist allerdings von „Muséum français“ die Rede (vgl. ibid., S. 36) und in<br />

einer Publikation von 1797 vom „Musée Central des Arts“ (vgl. ibid., S. 56, Anm. 32). Seit 1803 dann firmiert es unter<br />

“Musée Napoléon” (vgl. ibid., S. 50).<br />

292 Er wurde nur wenige Monate nach Robert ebenfalls zum Garde de Muséum ernannt, „...pour seconder Robert.“<br />

Ibid., S. 7.<br />

293 Erstere unter der Grande Galerie und letzteres zwischen Cour Carrée und Rue de Rivoli - “[…] rez-de-chaussée du<br />

Vieux-Louvre“. Ibid., S. 11 u. 12.<br />

294 ”Mais bientôt Napoléon expulsa les artistes du Louvre par mesure de sécurité : dès le Consulat ils furent chassés<br />

des ateliers de la Cour Carrée et en 1806 on chassa jusqu’aux habitants des Galeries du Louvre.“ Ibid., S. 13.<br />

295 Leinwand, 37 x 41 cm. Musée du Louvre, Paris. Zu dieser Datierung ibid., S. 36, No. 87.<br />

215


großen Mappe unter ihrem Arm.<br />

Ganz ähnlich geht Robert auch bei einem Gemälde etwa gleichen Formats vor, das die<br />

Grande Galerie etwa zwischen 1801 und 1805 zeigt (ABB. III 580). 296 Lediglich einige bauliche<br />

und präsentationstechnische Veränderungen sind auszumachen, außerdem wirkt der Raum<br />

noch um einiges tiefer und das - gleichermaßen interessierte - Personal vielleicht ein wenig<br />

lockerer verteilt.<br />

Deutlich anders hingegen schildert er die meisten Antikensäle, z. B. die Salle des Saison<br />

des Musée des Antiques im Louvre (ABB. III 590). 297 Der Raum ist ausschnitthafter wiederge-<br />

geben. Man hat den Eindruck, näher an das Geschehen herangerückt zu sein. Die ausgestell-<br />

ten Skulpturen sind deutlicher ausgearbeitet als die Stücke - Malerei wie Plastik - in den bei-<br />

den vorangegangenen Ansichten. Sie wirken präsenter, als sei den einzelnen Stücken größere<br />

Bedeutung beigemessen, als ginge es vorrangig um eine relativ genaue Wiedergabe der Bestän-<br />

de und ihres Arrangements im Raum. Darüberhinaus erscheinen auch die - weniger<br />

zahlreichen - Besucher malerisch differenzierter, so sind zumindest bei den beiden Figuren<br />

im Vordergrund die Gesichtszüge genauer zu erkennen.<br />

Zu den oben erwähnten fiktiven Ansichten gehören zwei Vorschläge für die Umge-<br />

staltung der Grande Galerie, wobei die Öffnung der Decke und damit die viel diskutierte Be-<br />

leuchtung von oben im Vordergrund stand. Das frühere der beiden Gemälde und wohl über-<br />

haupt Roberts früheste Formulierung seiner Vorstellungen für das »Projet d'Aménagement<br />

de la Grande Galerie« wird bisweilen schon in das Jahr 1789 datiert (ABB. III 600). 298 Es zeigt,<br />

wie für den genannten Zweck kaum anders zu erwarten, eine Totale in die Tiefe dieses<br />

Raums, dessen ohnehin recht grob skizzierte Konturen sich zum Fluchtpunkt hin mehr und<br />

mehr in einem diffusen Hellgrau verlieren. Die Skulpturen und Gemälde sind größtenteils<br />

nur vage angedeutet und allenfalls einige der großformatigen Werke weiter vorne erlauben<br />

es, die jeweilige Vorlage zu bestimmen. Auch das Personal ist nur wenig ausgearbeitet,<br />

gleichwohl zeichnet es sich durch einen großen Abwechslungsreichtum aus und wirkt -<br />

zumindest für das heutige Auge - weitgehend recht elegant gekleidet; da es sich um einen Vor-<br />

schlag für die bauliche Umgestaltung des Louvre handelt, liegt es nahe, davon auszugehen,<br />

daß Robert versuchte, die gezeigten Besucher den Vorstellungen der verantwortlichen Ent-<br />

scheidungsträger entsprechen zu lassen. Besonders erwähnenswert ist die Gruppe von Orien-<br />

talen vorne rechts, und zwar nicht aufgrund der exotischen Note, die sie in das Bild bringen,<br />

296 Leinwand, 36,5 x 46 cm. Musée du Louvre, Paris. Zu dieser zeitlichen Einordnung siehe ibid., S. 39f, No. 94.<br />

297 1802 -1803. Leinwand, 38 x 46 cm. Musée du Louvre, Paris, R. F. 1964-35. Zur Datierung ibid., S. 47f, No. 136. Vgl.<br />

etwa auch das frühere (1797 - 1800) »La Rotonde d’Anne Autriche« (ABB. III 591/ dazu ibid., S. 45f, No. 127.)<br />

298 Öl auf Leinwand. Musée du Louvre, Paris, R. F. 1952-15. Zur Problematik der Datierung siehe ibid., S. 25ff, No.<br />

54.<br />

216


sondern weil sie deutlich machen, wie weit das Interesse für diesen Ort und sein Ansehen rei-<br />

chen sollten. 299 Bis auf wenige Ausnahmen macht das Personal den Eindruck, als gelte seine<br />

Aufmerksamkeit vorrangig den Ausstellungsstücken bzw. dem Austausch über sie, das trifft<br />

gleichermaßen zu auf die Personen an der - ungewöhnlich weit von der Wand entfernten -<br />

Absperrung, als auch auf jene, die weiter in der Mitte der Galerie stehen oder auch gehen.<br />

Eine weitere von Roberts fiktiven Ansichten wurde im Salon von 1796 unter dem Titel<br />

»Projet pour éclairer la Gallerie du Musée par la voûte et pour la diviser sans ôter la vue de la<br />

prolongation du local« der breiten Öffentlichkeit präsentiert (ABB. III 610). 300 Beim Vergleich<br />

mit dem vorangegangenen Beispiel fällt zunächst auf, wie viel detaillierter dieses jüngere<br />

Gemälde ausgearbeitet ist; das gilt sowohl für den Raum, als auch für die Bilder-im-Bild und<br />

das Personal. Ähnlich wie in jenem scheint das Interesse für die Kunst bei den Besuchern im<br />

Vordergrund zu stehen. Allerdings richtet es sich hier nicht allein auf die ausgestellten Wer-<br />

ke, sondern, mehrfach und an prominenter Stelle, auch auf die gerade erst im Entstehen<br />

begriffenen Arbeiten zweier Zeichner und eines Kopisten. 301 Anders als bei den früher er-<br />

wähnten Atelierbesuchen aber dürfte es beim Beobachten dieser Tätigkeiten weniger um ein<br />

Miterleben des schöpferischen Aktes gehen als um eine Art Schulung des Sehens im Ver-<br />

gleich der eigenen Wahrnehmung mit der des routinierten Künstlers, die in der schrittweisen<br />

Transformation der Vorlage in eine Zeichnung oder Kopie nachvollziehbar wird.<br />

In vier der fünf angeführten Beispiele Roberts finden sich Zeichner bzw. Kopisten, dar-<br />

überhinaus sind sie in diesen Bildern recht prominent positioniert und mehrfach vertreten.<br />

Diese, wie gesehen, auch für manchen zuschauenden Laien instruktive Form der Kunstan-<br />

eignung - die anscheinend grundsätzlich im Zusammenhang mit mehr oder weniger kanoni-<br />

schen Werken vorgeführt wird - 302 war in den vorangegangenen Darstellungen lediglich ver-<br />

einzelt auszumachen. 303 In ihrem verstärkten Auftreten in Roberts Louvreansichten der 90er<br />

Jahre und des ersten Jahrzehnts im 19. Jahrhundert kann man indessen wohl nicht nur eine<br />

Vorliebe des Malers, sondern zugleich die bildliche Formulierung eines der erklärten Ziele<br />

der neuen Museen sehen, die ja neben der allgemeinen Volksbildung auch den jungen Künst-<br />

lern bessere Studienmöglichkeiten bieten sollten.<br />

299 Vgl. die zitierte Stelle aus dem Brief des Ministers Roland an David.<br />

300 Leinwand, 112 x 143 cm. Musée du Louvre, Paris, R. F. 1975-10.<br />

301 Auch in den beiden zuerst angeführten Beispielen Roberts war das bereits zu beobachten, wenngleich diese<br />

Gruppen dort wohl nicht ganz so hervorgehoben waren wie hier.<br />

Bei dem Kopisten rechts vor Rafaels »Heiliger Familie« handelt es sich anscheinend um Robert selbst. Vgl. Le Louvre<br />

d’Hubert Robert... (siehe Anm. 287). S. 28, No. 58.<br />

302 Also antiken Skulpturen oder bei den Kopisten ‘wenigstens’ Altmeistern.<br />

303 Zu nennen wären hier Panninis »Roma Antica« (ABB. II 110), Zoffanys »Tribuna« (ABB. II 130), Feolis bzw.<br />

Ducros und Volpatos Ansichten des Museo Pio-Clementino (ABB. II 160 - II 190) und Chambers Darstellungen der<br />

Townley-Marbles.<br />

217


Im Zusammenhang mit den Revolutionsmuseen im Louvre aber, sozusagen den Prototy-<br />

pen des jedermann offenstehenden Museums, drängt sich besonders die Frage nach der<br />

ständischen Zusammensetzung des Publikums in den Darstellungen auf. Allein sie ist hier<br />

letztlich nicht zu beantworten, da dazu eine detaillierte Kenntnis der Kleidung aller sozialen<br />

Schichten, also der Kleiderordnung jener Zeit mitsamt ihren zahlreichen Wandlungen in<br />

diesen Umbruchjahren unerläßlich ist; die jedoch kann im Rahmen dieser Untersuchung<br />

nicht erarbeitet werden. 304 So bleibt hier - auch wenn etwa im ersten Robert’schen Beispiel<br />

(ABB. III 570) einige der Personen recht einfach gekleidet anmuten - zunächst nur das Fehlen<br />

unübersehbar ‘abgerissener’ Besucher festzuhalten, was aber ja keineswegs zwangläufig be-<br />

deutet, daß überhaupt keine Vertreter der unteren gesellschaftlichen Schichten dargestellt<br />

sind. In diesem Zusammenhang ist zudem zu bedenken, daß man sich womöglich auch in<br />

diesen Kreisen für einen solchen Besuch so weit wie möglich ‘in Schale warf’ - und wahr-<br />

scheinlich in seiner Herkunft für die meisten Zeitgenossen gleichwohl erkennbar blieb. 305 Als<br />

ein Indiz für die Anwesenheit von Vertretern weniger gehobener Schichten könnte man<br />

möglicherweise den Umstand deuten, daß einige der Zeichner, obschon sie recht elegant<br />

gekleidet wirken, auf dem Boden sitzend dargestellt sind, was jedoch wie ein für höher-<br />

gestellte Personen eher unwahrscheinliches Verhalten erscheint; vielleicht ist das aber auch<br />

in erster Linie dem Topos des von Konventionen freien Künstlers, den nichts als seine Kunst<br />

interessiert, geschuldet.<br />

EINE ZEICHNUNG VOM ERÖFFNUNGSTAG DES KONINKLIJK MUSEUM. Das anonyme Blatt zeigt<br />

den Blick in einen Gemäldesaal des von Louis Bonaparte gegründeten Koninklijk Museum,<br />

des heutigen Rijksmuseum in Amsterdam (ABB. III 620). 306 Allerdings ist es offensichtlich<br />

nicht das Ziel, einen Gesamteindruck dieses einen Raumes und der darin befindlichen Samm-<br />

lungsstücke mitsamt einigen Staffagefiguren festzuhalten. So ist lediglich eine Ecke des Saales<br />

wiedergegeben und von den Bildern-im-Bild sind nurmehr die Rahmen angedeutet. Das<br />

Interesse des Zeichners gilt vielmehr dem - ähnlich skizzenhaft festgehaltenen - Personal. Das<br />

besteht indessen nicht aus irgendwelchen höhergestellten, geladenen Gästen einer repräsen-<br />

tativen Eröffnungsfeier, sondern wohl schlicht aus den ersten regulären Besuchern des Mu-<br />

seums, die im Begriff sind, sich des Ortes - größtenteils recht ungestüm - zu bemächtigen.<br />

304 Als ein Beispiel für dieses Detailwissen mag hier ein Satz über einen Hut in einer von Roberts fiktiven<br />

Ansichten der Grande Galerie (ABB. III 600) dienen: “[…] chapeau «à l’anglaise» avec plumet de la femme au centre-droit,<br />

qui ne se porte qu’avant la Révolution ou après 1815.” Ibid., S. 26.<br />

305 Vgl. Zolas Roman »L’Assommoir«, auf den im Zusammenhang mit einer Illustration noch genauer einzugehen<br />

sein wird.<br />

306 Rijksmuseum, Amsterdam.<br />

218


Durch eine Türöffnung links von der Bildmitte stürmen sie regelrecht in den Raum - was<br />

eher auf eine Herkunft aus den sogenannten einfacheren gesellschaftlichen Schichten<br />

schließen läßt. Von diesem Pulk aber heben sich durch ihr Verhalten einige Personen ab, die<br />

sich bereits im Saal ‘installiert’ haben und seltsamerweise keine oder nur beiläufig Notiz von<br />

der einfallenden Menge zu nehmen scheinen: ein gemischtes Paar links, das irgendwohin jen-<br />

seits der Bildfläche schaut, ein Mann in Rückenansicht, der ebenso ungerührt ein Gemälde be-<br />

trachtet, und schließlich ein weiterer Mann neben diesem, der mit dem Rücken zu den Gemäl-<br />

den leger an eine Absperrung gelehnt steht und immerhin seinen Kopf leicht umgewendet<br />

hat, so als ließe ihn der Tumult wenigstens aufmerken. Für den Zeichner stehen offenbar die<br />

unterschiedlichen Arten und Weisen im Vordergrund, in denen diese neueröffnete In-<br />

stitution von der - breiten - Öffentlichkeit in Besitz genommen wird.<br />

ÖFFENTLICHES MUSEUM IN ‘PRIVATNUTZUNG’. Ein sehr exklusiver Kreis hingegen dürfte es<br />

sein, den Benjamin Zix (1772 - 1811) in seiner Federzeichnung »L’Empereur et l’Impératrice vi-<br />

sitant les Salles des Antiques« festgehalten hat (ABB. III 630). 307 Das Blatt zeigt Napoleon und<br />

Marie Louise im Laokoon-Saal des Louvre 308 , sie werden begleitet von einer Reihe anschei-<br />

nend nicht näher identifizierter Personen, bei denen es sich indessen wohl um Mitglieder des<br />

kaiserlichen Hofes oder auch andere hochgestellte Persönlichkeiten des Empire - und na-<br />

türlich einige ‘unvermeidliche’ dienstbare Geister - handelt. Dieser Besuch findet, wie es<br />

scheint, nicht nur unter Ausschluß der Öffentlichkeit, sondern auch zu eher ungewöhnlicher,<br />

d. h. nächtlicher Stunde statt. Das zumindest legt der Umstand nahe, daß keinerlei Lichtquelle<br />

auszumachen ist außer zwei an langen Stangen befestigten Scheinwerfern hinten links, die<br />

jeweils von einem Bediensteten gehalten werden. 309<br />

Ausgerichtet sind die Scheinwerfer auf die zentral in einer Nische an der Stirnwand<br />

aufgestellte Laokoongruppe, nach der auch der wiedergegebene Raum benannt ist. Bei diesem<br />

Stück nun handelt es sich nicht nur um ein Kunstwerk von ganz außerordentlichem Rang,<br />

sondern zudem um eines, das für Napoleons Erfolge als Feldherr steht - und man ist geneigt<br />

zu unterstellen, daß es hier vor allem um letzteren Aspekt geht -; denn der »Laokoon« war,<br />

wie der »Apollo Belvedere«, 1797 beim Frieden von Tolentino als ‘Kriegsentschädigung’<br />

307 Ca. 1810 (nach Hochzeit von Napoleon und Marie-Louise). Federzeichnung, braun laviert, 25,5 x 38,2 cm. Département<br />

des Arts Graphiques, Musée du Louvre, Paris, Inv.-Nr. 33.406.<br />

308 Der, wie bereits erwähnt, seit 1803 als Musée Napoléon firmierte.<br />

309 Natürlich wäre es auch möglich, daß man die Räume mit Bedacht abgedunkelt hat, um durch gezielte Beleuchtung<br />

einen besonderen - gerade im Zusammenhang mit Skulpturen mehrfach beschriebenen - Effekt zu erzielen. Vgl.<br />

Kap. II, i. Anm. 105.<br />

219


ausgehandelt worden. 310 Die Bedeutung dieser Skulptur in der Inszenierung der Zeichnung<br />

kommt darüberhinaus in der ein wenig seltsam anmutenden Verteilung des Personals zum<br />

Ausdruck: es ist so aufgestellt, daß gewissermaßen eine Schneise entsteht, die dem realen Be-<br />

trachter einen ganz und gar unverstellten Blick auf den »Laokoon« ermöglicht. Allerdings<br />

erlaubt es diese Schneise auch, das Kaiserpaar von den übrigen Besuchern abzuheben und es<br />

dennoch an einem ihm gebührenden, sprich im Hinblick auf den momentanen Betrach-<br />

tungsgegenstand in vorderster Reihe gelegenen Platz zu präsentieren; 311 so gelingt es we-<br />

nigstens teilweise der formal eher geringen Bedeutung der Napoleon und Marie Louise reprä-<br />

sentierenden Figuren, die lediglich im verlorenen Profil und zudem ihrer Position in der Tie-<br />

fe des Raums entsprechend klein dargestellt sind, entgegenzuwirken.<br />

Was die Aufmerksamkeit der Besucher für die Kunst anbelangt, so meint Hartau: “Fast an-<br />

dächtig steht die Gesellschaft vor »Laokoon«, dem ‘Höchsten in der Kunst’ (Winckel-<br />

mann).” 312 Das entspräche zweifellos auch der besondern Hervorhebung dieser Figuren-<br />

gruppe in der Zeichnung, aber das Verhalten des Bildpersonals ist damit nur unzureichend<br />

beschrieben. Es mag wohl angehen, die Haltung einzelner Personen als “fast andächtig” zu<br />

charakterisieren, doch kann man nicht behaupten, das gelte für alle oder auch nur den<br />

Großteil der Anwesenden. Zudem konzentriert sich das Interesse der hier versammelten Ge-<br />

sellschaft nicht auf einen Gegenstand. Einige schauen hierhin, andere dorthin, einige be-<br />

trachten still, andere unterhalten sich - und das, so scheint es, nicht unbedingt in allen Fällen<br />

nur über die ausgestellten Kunstwerke.<br />

Während es bei der bereits erwähnten Darstellung aus Le Monde Illustré vom 26. Juli 1873<br />

(ABB. III 640), die S. M. Nasser-Ed-Din in den Antikensälen des Louvre zeigt, so wirkt, als<br />

werde ein Termin des offiziellen Besuchsprogramms für den Staatsgast wiedergegeben, ent-<br />

steht bei dem Zix’schen Blatt eher der Eindruck, als handele es sich um eine - soweit am Hof<br />

möglich - inoffizielle Abendgesellschaft, in deren Verlauf Napoleon - vielleicht gar als Folge<br />

eines spontanen Einfalls - die Gäste in ‘seine’ Sammlung führt. 313<br />

310 In diesem Zusammenhang ist eine anonyme Radierung (ABB. III 631) zu nennen, in der Napoleon einigen Deputierten<br />

mit großer Geste den »Apollo« präsentiert - im Schatten dahinter ist auch der »Laokoon« zu erkennen. Daß<br />

es kaum die künstlerischen Qualitäten sind, um die die Gedanken der hier Anwesenden kreisen, dafür spricht neben<br />

dem Umstand, daß allenfalls einzelne der Personen die Skulptur anschauen, vor allem die Bildunterschrift: “Eh<br />

bien, Messieurs! _ deux millions!”<br />

311 Ein ähnliches Vorgehen findet sich auch in einer Darstellung aus Le Monde Illustré (vom 26. Juli 1873), die den -<br />

ebenfalls nächtlichen - Besuch eines Staatsgastes, M. Nasser-Ed-Din, in den Antikensälen des Louvre wiedergibt<br />

(ABB. III 640).<br />

312 Europa 1789. Aufklärung - Verklärung - Verfall. (Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle) Werner Hofmann (Hrsg.).<br />

Köln; Hamburg, 1989. S. 353f., Kat.-Nr. 482.<br />

313 Eine vergleichbare Haltung wird bereits im Mai 1799 in der republikanischen Zeitschrift La Décade philosophique<br />

auch einem einfachen Soldaten der napoleonischen Truppen unterstellt. Der Autor berichtet von einem Besuch<br />

in der Grand Galerie, bei dem er u. a. auf eine folgendermaßen beschriebene Gruppe traf: “[…] a young soldier<br />

escorting his father, his mother, and his sister, good village people who had never before left their community, an<br />

220


EIN IDEALISIERTER ANTIKENSAAL IM BRITISH MUSEUM. Im Jahr 1818 wurde in einer Ausstel-<br />

lung der Old Water Colour Society ein Gemälde von James Stephanoff (ABB. III 650) 314 unter<br />

»An Apartment containing the Phygalion, 315 and a Selection of the Elgin Marbles at the Bri-<br />

tish Museum, 1818« gezeigt. 316 Dieser Titel mutet zunächst ein wenig umständlich an. Doch<br />

letztlich beschreibt er nur relativ genau, was in dem Bild dargestellt ist, und das ist eben nicht<br />

einfach eine Ansicht jenes tatsächlich existierenden Saals im British Museum, die man dann<br />

vielleicht kurz als »Phigalian Room« hätte bezeichnen können. Denn ähnlich wie bei seinen<br />

weiter oben bereits angeführten Bildern »The Connoisseur« und »The Virtuoso« (ABB. 510 u.<br />

III 511) stellen die Räumlichkeiten und Sammlungsstücke, wie sie sich im Museum fanden,<br />

lediglich den Ausgangspunkt für Stephanoffs verdichtende und zumindest leicht überhö-<br />

hende Ansicht dar. 317 Er veränderte sowohl architektonische und präsentationstechnische Ge-<br />

gebenheiten, 318 als auch Auswahl und Arrangement der ausgestellten Werke, manche sind le-<br />

diglich umgestellt, manche verschwunden und manche sind aus anderen Räumen hinzu-<br />

gekommen. 319 Was im Zusammenhang mit Privatsammlungen zu beobachten war, 320 wird<br />

auch auf das Museum angewendet. 321<br />

Im Unterschied zu den genannten Vergleichsbeispielen wird in »An Apartment con-<br />

taining the Phygalion...« das Bild eines - zumindest weitgehend -öffentlich zugänglichen<br />

Sammlungsortes gezeichnet. Stephanoff zeigt hier keine Einzelperson, die versunken an<br />

einem Tisch sitzt und so den Eindruck einer eher privaten Situation entstehen lassen könnte,<br />

sondern eine Reihe von Besuchern, die sich in kleinen, voneinander unabhängigen Gruppen<br />

- allerdings wie es scheint etwa gleichen gesellschaftlichen Standes - über die präsentierten<br />

Werke austauschen oder gerade auf dem Weg in einen anderen Saal sind. Es sind kaum mehr<br />

als Staffagefiguren, durch die die Räume ein wenig belebt werden.<br />

wohl appearently had never seen paintings other than the sign of the local inn or the smoke-covered daub above<br />

the altar. These good people could never tell the difference between a Poussin and a Watteau, but they were all<br />

proud to be there; and the son, all the more proud to be leading them, seemed to be saying »it is I that conquered<br />

many of these pictures.«” La Décade philosophique. 10 prairial an VII, S. 434. Zitiert in der Übers. v. Andrew<br />

McClellan, in ders.: Inventing the Louvre... (siehe Anm. 261). S. 11.<br />

314 Aquarell, 20,5 x 25 cm. British Museum, London.<br />

315 Eher bekannt als „Phigalian Marbles“ aus dem Apollotempel im griechischen Bassae.<br />

316 Vgl. Ian Jenkins: “James Stephanoff and the British Museum” … (siehe Anm. 232 ). S. 175.<br />

317 Vgl. etwa die reiche Gestaltung der Decke des Elgin Room im zentralen Durchblick mit der Schlichtheit der<br />

tatsächlichen Konstruktion wie sie in einem Stich von ca. 1825 (Charles Heath nach Frederick Macenzie) festgehalten<br />

ist (ABB. III 651).<br />

318 Er kombiniert alte mit neuen Zuständen oder erfindet auch frei hinzu.<br />

319 Zu den Veränderungen im einzelnen siehe Ian Jenkins: „James Stephanoff... (siehe Anm. 232). S. 174 –177.<br />

320 Etwa bei Zoffany.<br />

321 In diesem Fall allerdings anscheinend nicht im Rahmen eines Auftrags oder gar eines architektonischen Wettbewerbs.<br />

221


AMERIKANER IM LOUVRE. Der Maler Samuel Finley Breeze Morse 322 (1791 - 1872) kam erstmals<br />

Anfang 1830 in den Pariser Louvre und nahm sich zwei Wochen, um die dort aufbewahrten<br />

Schätze ein wenig genauer zu studieren. 323 Bald darauf reiste er weiter nach Italien, wo er eine<br />

Reihe von Kopien für seine amerikanischen Auftraggeber anzufertigen gedachte, “[…] not<br />

only to learn the styles of masters whom he admired but also to complete a list of orders […]<br />

that partly financed his sojourn in Europe.” 324 Erst im Herbst 1831 verließ er Italien wieder<br />

und begab sich erneut nach Paris. In dem guten dreiviertel Jahr, das er diesmal blieb, machte<br />

er sich an wenigstens eine weitere Kopie 325 und - anscheinend ohne einen Auftrag - an eine<br />

Innenansicht des Louvre, 326 deren beachtliches Format von 273,3 x 187,3 cm schon allein verdeutlicht,<br />

daß es sich um weit mehr als eine Fingerübung handeln sollte (ABB. III 660). 327<br />

Morse zeigt einen Blick in den Salon Carré und die angrenzende Grande Galerie. Die letz-<br />

tere ist nurmehr kursorisch geschildert: das gilt gleichermaßen für die Architektur, die Aus-<br />

stellungsstücke und das Personal, einzig ein eleganter Herr, der unmittelbar an der Schwelle<br />

zum Salon Carré steht und seinen Blick bereits in denselben wirft, ist genauer und kon-<br />

trastreicher wiedergegeben. Durch ihn und die Frau mit Kind, 328 die von diesseits des Durch-<br />

gangs in den Saal jenseits schaut, werden die beiden Räume sozusagen miteinander ver-<br />

schränkt.<br />

Anders als in der Grande Galerie sind die Bilder-im-Bild und die Personen im Salon Carré<br />

mit größter Aufmerksamkeit und Akkuratesse dargestellt. 329 Indessen führt auch Morse keine<br />

authentische Hängung vor, sondern ein - nach seinen(?) Vorlieben zusammengestelltes -<br />

Arrangement aus Stücken, die sich zwar im Louvre, aber nicht unbedingt im vorne gezeigten<br />

Saal befanden. An dieser Auswahl will er offensichtlich seine Meisterschaft demonstrieren - 330<br />

322 Bekannt geworden ist er allerdings wohl weniger durch seine Gemälde als durch seine Erfindung des auch nach<br />

ihm benannten elektrischen Schreibtelegraphen.<br />

323 Vgl. David Tatham: “Samuel F. B. Morse’s Gallery of the Louvre: The Figures in the Foreground”, in: The American<br />

Art Journal. (13. Jg.) 1981/No. 4. (S. 38 - 48) S. 40.<br />

324 Ibid.<br />

325 Gemeint ist Rembrandts »Der Engel verläßt Tobias«, das er für seinen ebenfalls in Paris weilenden Freund, den<br />

Schriftsteller James Fenimore Cooper, kopierte. Vgl. ibid.<br />

326 ”Precisely when and how Morse decided to paint a gallery picture at the Louvre is not known […]”. Ibid., S. 41.<br />

Zudem schreibt Tatham: “Sometime during the progress of the Louvre [James Fenimore] Cooper gave Morse reason to<br />

think that he would buy the picture […]”. Ibid., S. 40.<br />

327 1831 - 1833. Öl auf Leinwand. Collection Syracuse <strong>University</strong> (Gift of Mrs. Allen Munroe and Francis Root).<br />

328 Nach Tatham ist es eine weitere […] function of these figures - a gentleman, a woman of common class, and a<br />

child - […] to suggest by the variety of their types the public nature of the museum.” David Tatham: “Samuel F. B.<br />

Morse’s Gallery of the Louvre ... (siehe Anm. 324). S. 46. Es stellt sich allerdings die Frage, ob die besagte Frau, bei<br />

der es sich um ein Kindermädchen handeln dürfte, sich aus eigenem Antrieb und aus Interesse an der Kunst zu dem<br />

Museumsbesuch entschlossen hat oder ob sie vorrangig in ihrer Funktion als Betreuerin hier ist - was ein Interesse<br />

allerdings auch nicht unbedingt ausschließen würde.<br />

329 Der Saal als solcher ist offensichtlich von untergeordneter Bedeutung.<br />

330 Und sich womöglich auch für weitere Kopien empfehlen. Wie gesagt das Gemälde entstand ohne einen Auftrag.<br />

Darüberhinaus spricht Tatham von einer “[…] tour of America that Morse envisioned for it.” David Tatham:<br />

222


im Großformat. Dazu paßt es, daß er sich selbst nicht nur irgendwo im Bild, sondern an<br />

ausgesprochen prominenter Stelle positioniert: er ist der entspannt vorgebeugte Herr im<br />

Vollprofil, der die in der Mitte am unteren Bildrand sitzende junge Dame gerade im Zeichnen<br />

unterweist. 331<br />

Unter den verbleibenden sieben Personen im vorderen Raum sind zudem drei weitere<br />

Kopisten, von denen zumindest eine ebenfalls Schülerin von Morse war, Susan Fenimore<br />

Cooper, die Tochter seines Freundes James. Sie sitzt hinten links vor einer Staffelei und ist be-<br />

müht ihren Eltern zu folgen, die sie beide gleichzeitig auf anscheinend unterschiedliche<br />

Dinge hinweisen wollen. 332 Die beiden übrigen “artists”, wie Morse sie bezeichnet, 333 sind wie<br />

auch die Zeichnerin, der er Ratschläge gibt, nicht identifiziert, lediglich “A tradition has ac-<br />

companied the painting that all four copyists are Americans […]”. 334 Damit aber hätte Morse<br />

‘seinen’ Salon Carré nahezu vollständig mit Amerikanern - vielleicht gar aus seinem<br />

direkten Umfeld - besetzt. Allein die Frau am Durchgang zur Grande Galerie und wahrschein-<br />

lich auch das Kind in ihrer Begleitung, die sich indessen schon anschicken, den Raum zu ver-<br />

lassen, wären dann Franzosen. 335 Tatham strapaziert diesen möglichen Umstand und das Bild<br />

insgesamt zu sehr, wenn er schreibt:<br />

“Morse filled the salon with Americans to represent emblematically his nation’s new found cultural<br />

maturity and the awesome responsibilities that maturity entails. These Americans are to be the<br />

inheritors of the values of Western civilization that underlie the works of art arrayed above them.<br />

The plastic arts of the New World (Morse), attended by the literary arts (Cooper), are received, unpretentiously<br />

and without ceremony as befits Americans, by the Old World in its grandest citadel of<br />

high culture. […] The Americans have come to study what remains of the past greatness of Europe, and<br />

Morse shows this to be a serious business; his figures study, teach, learn, and, if we judge Cooper’s<br />

gesture correctly, pontificate with great earnestness. A decade earlier the notion that America could<br />

be on speaking terms of any kind with the major schools of Europe would have found few adherents,<br />

but with the emergence of Cooper to international acclaim, and the appearance of other figures of<br />

somewhat lesser achievement in the American arts, there was now cause for at least modest pride in<br />

the level of national accomplishment. Morse’s Louvre is an important expression of that historical<br />

moment when confidence in the worth of American culture first seemed widely defensible.” 336<br />

Die implizierte Haltung mag durchaus der einer Vielzahl der zu jener Zeit nach Europa<br />

reisenden Amerikaner entsprochen haben, 337 doch das Gemälde von Morse gibt dergleichen<br />

“Samuel F. B. Morse’s Gallery of the Louvre ... (siehe Anm. 324). S. 40.<br />

331 Bei Tatham heißt es dazu: “[…] his notably informal manner of instruction would have identified him clearly<br />

enough as an American in the art world of the 1830s.” Ibid., S. 44.<br />

332 Zumindest deuten sie in verschiedene Richtungen.<br />

333 Vgl. ibid., S. 38 u. 40.<br />

334 Ibid., S. 44. Zu Spekulationen über deren Identität siehe ebenfalls dort.<br />

335 Das allerdings aufgrund der hohen nordfranzösichen Kopfbedeckung der Frau auf so unübersehbare Weise, daß<br />

man kaum umhinkommt, sie als folkloristische Einlage oder als Alibi-Einheimische zu verstehen.<br />

336 David Tatham: “Samuel F. B. Morse’s Gallery of the Louvre ... (siehe Anm. 324). S. 46.<br />

337 Vgl. in diesem Zusammenhang Horst Kruses Analyse - u.a. - dreier amerikanischer Romane, allerdings erst aus<br />

der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, “[…]representative examples for the reception of the [museum] motif in<br />

America […]”. Als Vertreter der sogenannten international novel seien sie “[…] written with the express purpose of<br />

223


nicht her. 338 Immerhin räumt Tatham ein: “In his brief catalogue essay, Morse says none of<br />

these things”, versucht aber sogleich das zu relativieren, wenn er fortfährt, “or anything else<br />

that goes beyond superficial description of what can be seen in the painting.” 339<br />

Im Zusammenhang mit diesem Bild ist noch auf ein Gemälde von John Scarlett Davis<br />

hinzuweisen (ABB. III 670), 340 das Morse als Vorbild gedient haben könnte. 341 Es ist auf 1831<br />

datiert, dürfte also etwa gleichzeitig mit dem seinen entstanden sein, 342 und zeigt ebenfalls<br />

eine Ansicht des Salon Careé mit der angrenzenden Grande Galerie. Fraglos finden sich einige<br />

Unterschiede. So ist beispielsweise der Durchblick in die Galerie ein wenig höher und breiter<br />

angelegt, die bei den Bildern-im-Bild wurde eine andere Auswahl getroffen und das Personal<br />

im vorderen Raum ist weniger zahlreich. Doch der Umstand, daß die beiden Gemälde von<br />

nur leicht gegeneinander versetzten Standpunkten ausgehen, deutet zusammen mit dem<br />

Erscheinen einer Frau mit Kind links am Durchgang vom vorderen in den hinteren Raum<br />

auf mehr als eine zufällige Ähnlichkeit. Da Davis schon vor seiner Reise nach Paris<br />

Ansichten von Sammlungs- bzw. Ausstellungsräumen 343 gemalt und wohl auch vor Morse<br />

mit seinem Bild begonnen hatte, 344 ist eher anzunehmen, daß der Amerikaner sich an dem<br />

Briten orientierte.<br />

»DIE DRESDENER GEMÄLDEGALERIE IM STALLGEBÄUDE«. Einen Blick in die recht nüchterne, frü-<br />

here ‘Behausung’ der Dresdener Gemäldegalerie 345 gibt eine anonyme Tuschzeichnung aus<br />

analyzing and defining America and the American character vis-à-vis Europe an its characteristic institutions<br />

[…]”. Dabei werde das Museum beispielsweise in Hawthornes »Marble Faun« zu “[…] the epitome of European history<br />

and corruptness, the American visitor, on the other hand, […] the epitome of nature and the natural.” H. Kruse:<br />

“The Museum Motif in English and American Fiction of the Nineteenth Century”. Amerikastudien-American Studies.<br />

Jg. 31, 1986, H.1. (S. 71 - 79) S. 77ff. Sehr bezeichnend erscheint in diesem Zusammenhang - neben einer Reihe<br />

von Szenen - der Titel »The Innocents Abroad« von Twains Verdichtung seiner Europareise. Mark Twain: The Innocents<br />

Abroad or The New Pilgrims Progress. Being Some Account Of The Steamship Quaker City’s Pleasure Excursion<br />

To Europe And The Holy Land; With Descriptions Of Countires, Nations, Incidents And Adventures, As They<br />

Appeared To The Author. New York u. a., 1966.<br />

338 Selbst dann nicht, wenn die Personen eindeutig als Amerikaner zu identifizieren wären.<br />

339 Ibid.<br />

340 Öl auf Leinwand, 115 x 144,3 cm. O. & P. Johnson Ltd., London.<br />

341 Vgl. Anm. 327 (das erste Zitat).<br />

342 Davis blieb etwa ein Jahr in Paris. Vgl. A. Scarpa Sonino: Cabinet d’Amateur ... (siehe Anm. 30). S. 161.<br />

343 Vgl. seine Ansicht der British Institution (1829/ ABB. III 100) und »Thirlestane House« (1830/ ABB. III 490).<br />

Als spätere Beispiele wären »The Long Gallery of the Uffizi« (1834/ ABB. III 671) von und das Aquarell »Die Bibliothek<br />

in Tottenham« (1835/ ABB. III 500) zu nennen.<br />

344 Der Auftrag von Lord Farnborough, der Davis nach Paris führte, stammte von 1830 und das Bild ist auf 1831<br />

datiert (vgl. A. Scarpa Sonino: Cabinet d’Amateur ... (siehe Anm. 30). S. 161.). Morse kam aber erst im Herbst 1831<br />

wieder nach Paris (vgl. David Tatham: “Samuel F. B. Morse’s Gallery of the Louvre ... (siehe Anm. 324). S. 40).<br />

345 Zu diesem Zweck wurde von 1722 an bis zum Bezug von Sempers Neubau (um 1854) das Stallgebäude im Jüdenhof<br />

genutzt; mit Ausnahme einiger unruhiger Jahre (seit 1759), in denen die Sammlung nach Königstein sicherheitshalber<br />

ausgelagert war.<br />

224


der Zeit um 1830 wieder (ABB. III 680). 346 Bei diesem Blatt drängt sich die Frage auf, in welcher<br />

Absicht es entstanden ist. Um eine Bestandsaufnahme kann es kaum gegangen sein, zu sche-<br />

menhaft sind die flächigen ‘Kompositionsangaben’ an den Wänden, 347 selbst wenn sie teil-<br />

weise für eine Identifizierung des jeweiligen Vorbildes ausreichen. Das Interesse an den Be-<br />

suchern in Mittel- und Hintergrund scheint trotz eines genrehaften Anflugs - ein ungewöhn-<br />

lich leger in dem Sessel links sitzender, fast liegender Herr - nicht besonders ausgeprägt.<br />

Und auch das junge Paar mit Kind im Vordergrund rechts wirkt eher unscheinbar. Durch<br />

ihre Position und ihre Ausrichtung jedoch sind diese drei Personen ein wenig hervorge-<br />

hoben, sie befinden sich unmittelbar am unteren Bildrand, sind entsprechend groß und dif-<br />

ferenzierter ausgearbeitet als die übrigen Besucher, und zudem stehen sie dem realen Betrach-<br />

ter frontal gegenüber. Ihre Blicke indessen bleiben innerhalb der Bilderzählung. Der Mann,<br />

mit leicht zerzaustem Haar, hält in seiner Rechten einen aufgeschlagenen Oktav-Band und<br />

schaut melancholisch-versunken vor sich hin, vielleicht auch in Richtung eines Werkes<br />

jenseits der Bildfläche - in jedem Fall aber vorbei am realen Betrachter. Die Frau, die bei ihm<br />

eingehakt ist, tut es ihm in etwa gleich. Das Kind schließlich sieht mit einer unbestimmt nach<br />

links weisenden Geste zu den Erwachsenen empor, jedoch offensichtlich ohne im Moment<br />

Beachtung zu finden.<br />

Angesichts der sonderbaren Diskrepanz zwischen der Dreiergruppe und dem Rest des<br />

Bildes mag man darüber spekulieren, ob dieses Blatt beispielsweise als Vorentwurf für eine<br />

Gemälde, vielleicht ein Portrait, gedacht war, in dem dann womöglich auch den Bildern-im-<br />

Bild mehr Aufmerksamkeit zuteil geworden wäre. Bislang aber bleibt einem lediglich die<br />

Zeichnung. Und darin scheinen der so ‘weitläufig’ geschilderte Gemäldesaal und die Figuren<br />

im Mittel- und Hintergrund nurmehr die Kulisse, das Ambiente zu liefern für die drei<br />

Galeriebesucher im Vordergrund, die in ihrem zurückhaltenden - biedermeierlich blassen -<br />

Auftreten 348 und, was das Paar angeht, auch in ihrer interessierten, doch zugleich stillen Be-<br />

trachterhaltung 349 wohl doch als vorbildhaft zu verstehen sind. 350 In diesem Zusammenhang<br />

Somit handelt es sich hier wohl auch um jenen Ort, der als Kulisse zu denken ist für den 1799 im Athenaeum, der<br />

Zeitschrift der Gebrüder Schlegel, publizierten Text August Wilhelm Schlegels und seiner damaligen Frau Caroline<br />

»Die Gemählde.«. (August Wilhelm Schlegel: “Die Gemählde. Ein Gespräch von W.”, in: Athenaeum. Eine Zeitschrift<br />

von August Wilhelm und Friedrich Schlegel. (Zweiten Bandes Erstes Stück. Berlin, 1799. S. 39 - 151.) [Reprint]<br />

Hrsg. v. Bernhard Sorg. 2 Bde. Dortmund, 1989. Bd. 1, S. 415 - 527.) Im Verlauf dieser Unterhaltung zwischen<br />

einer Frau und zwei Männern, einem Maler und einem Dichter, werden verschiedene Haltungen zur Kunst oder Arten<br />

des Umgangs mit ihr diskutiert. Dazu vgl. beispielsweise R. Trautwein: Die Geschichte der Kunstbetrachtung. Von<br />

der Norm zu Freiheit des Blicks. Köln, 1997. S. 289 - 296.<br />

346 Kupferstichkabinett, Dresden.<br />

347 Hinzu kommen noch die Verkürzung an den Seitenwänden und das weitgehende ‘Verschwinden’ der Stücke in den<br />

Schattenzonen links.<br />

348 Womöglich ist der so leger dahingestreckte Herr links auch als Gegenbild, als Ausnahme von der - ansonsten eingehaltenen<br />

- Regel anzusehen und die weisende Geste des Jungen könnte sich auf ihn beziehen.<br />

349 Dazu vgl. Wolfgang Kemps Aufsatz “Die Kunst des Schweigens” (siehe Anm. 250), in dem - anhand von deutschsprachigen<br />

Texten aus dem späten 18. und frühen 19. Jahrhundert - dieses bürgerliche Ideal u. a. als Abgrenzung von<br />

225


wirkt es nur konsequent, daß ihr Betrachtungsgegenstand nicht im Bild gezeigt wird und<br />

selbst die aufgeschlagene Seite in dem Oktav-Band, die auf ihn verweisen könnte, leer bleibt.<br />

EIN MUSEUM IM KIRCHENRAUM. Im nachrevolutionären Frankreich war der kirchliche Besitz<br />

verstaatlicht. Die Gotteshäuser wurden zwar weiterhin größtenteils gemäß ihrer ursprüng-<br />

lichen Bestimmung genutzt, doch einige waren auch zu Museen umfunktioniert. 351 Eines<br />

davon zeigt Joseph Dauphins Gemälde »Le Musée des Beaux-Arts de Marseille, dans la cha-<br />

pelle des bernardines« (ABB. III 690). 352 Der Blick in dem Hochformat führt zwischen zwei<br />

rahmenden Säulen hindurch und über eine querstehende Bank hinweg in einen eher dämm-<br />

rigen Bereich im Mittelgrund und durch weitere Rahmungen in zwei links bzw. rechts nach<br />

hinten angrenzende, helle Raumteile unterschiedlicher Höhe.<br />

Im Vergleich mit dem vorangegangenen Beispiel ist die Gewichtung von Raum, Kunst-<br />

werken und Personal eine ganz andere. Der Raum ist durch die starken Hell-Dunkel-Kon-<br />

traste sehr stimmungsvoll in Szene gesetzt, zudem detailreicher und insgesamt aufwendiger<br />

ausgeführt. 353 Die Bilder-im-Bild sind um einiges differenzierter ausgearbeitet, jedoch geht es<br />

auch Dauphin offensichtlich nicht darum die präsentierten Werke möglichst genau wiederzu-<br />

geben, denn sie werden mehrfach verdeckt, überschnitten oder verschwinden in der Dunkel-<br />

heit bzw. ‘hinter’ den Lichtreflexen auf ihren glänzenden Oberflächen. Durch solche Details<br />

entsteht andererseits aber ein Eindruck von besonderer Authentizität bezüglich der vorgeführ-<br />

ten Gegebenheiten. 354 Beim Personal schließlich gilt es zu unterscheiden: die Figuren im Hin-<br />

einer affektiert empfundenen Adelskultur diskutiert wird. Vgl. auch Chodowieckis »Kunstkenntnis« (ABB. II 310 u.<br />

II 320).<br />

350 Die Absperrung vor den Gemälden läßt allerdings vermuten, daß hier auch mit einem ganz anders gearteten Verhalten<br />

- von zudem zahlreicheren Besuchern - gerechnet wurde.<br />

351 Schon am 2. Dezember 1790 schlug L. G. Brequigny, der Präsident der Denkmalkommission vor: “Es ist nicht<br />

schwer, in jeder größeren Stadt Räumlichkeiten zu finden. Man könnte unter den aufgelassenen Kirchen irgendeine<br />

auswählen, die als Museum dienen könnte und die sonst ohne jeden Nutzen wäre. Wenn man sie diesem Zweck widmen<br />

würde, hätte es einen doppelten Vorteil. Das Gebäude würde schon stehen, und es wären nicht viele Veränderungen<br />

vorszunehmen, um es seinem neuen Verwendungszweck anzupassen.” Procés-verbal de la Commission des Monuments.<br />

[o.O., o.J.] Bd. I. S. 266. Zitiert n. André Desvallées: “Konvergenzen und Divergenzen am Ursprung der Französischen<br />

Museen”, in: Die Erfindung des Museums... (siehe Anm 261). S. 114<br />

352 Um 1840. Öl auf Leinwand, 54 x 38 cm. Musée des Beaux-Arts, Marseille, Inv.Nr. D. 811.<br />

353 Zu nennen wären hier etwa die Kapitelle oder eine Seltsamkeit wie das große Stück Stoff vorne rechts, von dem<br />

nicht recht zu sagen ist, worauf er hinweisen könnte oder wie er - innerhalb der Bilderzählung - dorthin gekommen<br />

sein soll, so wie er um und über die Bank drapiert ist. Schwer einzuordnen ist auch der oben hängende Vorhang, von<br />

dem nur klar ist, daß er im Raum zu denken ist - er läuft hinter der Säule rechts entlang - und somit wohl kaum als<br />

Trompe-l’œil-Vorhang vor der gezeigten Szene in Frage kommt.<br />

354 Hier bietet es sich an, einen zeitgenössischen Kommentar zu zitieren: “Demandez à l’administration de la ville<br />

de Marseille pourquoi elle laisse dans une obscurité presque complète les salles de son musée […]. Il faut une patience<br />

d’ange et des yeux de lynx pour distinguer les tableaux qui y sont exposés.” L. de Pesquidoux: Voyage artistique en<br />

France. Paris, 1857. S. 299. (Zitiert nach Chantal Georgel: “Montrer, éclairer, présenter”, in: La Jeunesse Des Musées...<br />

(siehe Anm. 3). S. 189, 191.)<br />

Vgl. auch einen Blick in das ebenfalls in einer Kirche beheimatete Museum von Lille aus dem Jahr 1835 (ABB. III<br />

226


tergrund sind in beiden Bildern von ähnlich untergeordneter Bedeutung, der Vordergrund<br />

bei Dauphin ist menschenleer, doch die Personen im Mittelgrund sind - fast möchte man sa-<br />

gen, als Ausgleich dafür - mit größerer Aufmerksamkeit geschildert als in der Dresdener<br />

Zeichnung. Während in letzterer die Gruppe vorne rechts, also ein Teil des Personals, - wenn<br />

auch eher zurückhaltend - als Hauptgegenstand inszeniert ist, scheint bei Dauphin in der Zu-<br />

sammenschau keines der drei genannten Elemente besonders hervorgehoben. Allen kommt<br />

in etwa die gleiche Wichtigkeit zu.<br />

Unabhängig von dieser ausgeglichenen Gewichtung ist noch einmal genauer auf das Per-<br />

sonal einzugehen, besser gesagt auf die Frau mit dem Kleinkind links auf der Bank. Im<br />

Gegensatz zu den übrigen Besuchern fragt man sich bei ihr fast zwangsläufig, was sie ins Mu-<br />

seum führt. Denn mit einem so jungen Kind bei sich scheint es unmöglich, daß sie Ge-<br />

legenheit findet, sich ernsthaft mit den Kunstwerken auseinanderzusetzen. Sie wird allenfalls<br />

einige kurze Blicke werfen können, wenn ihr überhaupt der Sinn danach steht. Mögli-<br />

cherweise aber weiß sie im Moment auch nur nichts mit sich und dem Kind anzufangen und<br />

sucht in erster Linie einen ruhigen, geschützten und wetterunabhängien Ort, an dem sie sich<br />

ein wenig erholen, ‘sich lassen’ kann - mit dem Kind -, in der Hoffnung, daß ihr hier nicht<br />

‘die Decke auf den Kopf fällt’. Zumindest andeutungsweise wird das Museum mit dieser<br />

Szene als losgelöst von seiner eigentlichen Funktion der Kunstvermittlung vorgeführt, es<br />

entsteht der Eindruck, als würde es bisweilen nurmehr als Teil des öffentlichen Raums ge-<br />

nutzt.<br />

DER RAUM GEWINNT AN BEDEUTUNG. Aus der Zeit um 1861 stammt eine Ansicht des Salon<br />

Carré des in Paris arbeitenden Italieners Giuseppe Castiglione (1829 - 1906 /ABB. III 700). 355<br />

Ähnlich wie im vorangegangenen Beispiel erscheint darin die Gewichtung von Kunst-<br />

werken, Raum und Personal weitgehend ausgeglichen, keine dieser Komponenten wirkt be-<br />

sonders hervorgehoben. Die Gemälde sind recht differenziert ausformuliert, doch es mangelt<br />

ihnen an einer Präsenz, die die Aufmerksamkeit des realen Betrachters unmittelbar und vor-<br />

rangig für sie einnehmen könnte, wohl vornehmlich infolge ihrer Verkürzung an den Seiten-<br />

wänden bzw. der relativen Entfernung an der Rückwand; 356 hinzu kommt hier sicher noch<br />

die leichte Sogwirkung des zwar kleinen, aber hellen und gänzlich unverstellten Durchblicks<br />

691).<br />

355 Öl auf Leinwand, 69 x 103 cm. Musée du Louvre, Paris, RF 3734.<br />

356 Vgl. dazu die in diesem Kapitel besprochenen Darstellungen existierender Privatsammlungen, bei denen allerdings<br />

das Personal bisweilen völlig in den Hintergrund gerät (etwa ABB. III 460 ).<br />

227


in die hinten angrenzende, lichtdurchflutete Grande Galerie, 357 in der auch der Fluchtpunkt<br />

der Ansicht liegt.<br />

Der Raum verschwindet bei Castiglione nicht wie so häufig hinter den Bildern-im-Bild, 358<br />

sondern wird sozusagen verstärkt aus eigenem Recht vorgestellt. Das zeigt sich an ‘Kleinig-<br />

keiten’ wie einem Teil der Aufhängung jenes riesenformatigen Gemäldes links oder der<br />

Spiegelung des aus der Grande Galerie einfallenden Lichts am Boden, 359 insbesondere aber an<br />

der bemerkenswerten Breite und Detailliertheit, mit der die prunkvolle Decke geschildert<br />

wird; wobei allerdings festzuhalten ist, daß keineswegs der Eindruck entsteht, es ginge vor-<br />

rangig um eine <strong>Dokument</strong>ation der baulichen Veränderungen - 360 die in diesem Fall erst<br />

wenige Jahre zuvor verwirklicht worden waren. 361 Das größtenteils interessiert erscheinende<br />

Personal schließlich ist abwechslungsreich dargestellt, punktuell auch mit genrehafter, ja so-<br />

gar exotischer Ausprägung, 362 doch es entwickelt keinerlei individuelle Züge und kommt<br />

über die Staffage nicht hinaus.<br />

Im früheren wie auch im späteren Verlauf des 19. Jahrhunderts finden sich zahlreiche<br />

ähnliche Ansichten in Form von Gemälden 363 , Aquarellen 364 und Zeichnungen 365 , vornehm-<br />

lich aber Drucken; bei den letzteren ist noch zu unterscheiden zwischen eigenständigen Blät-<br />

tern 366 oder Folgen 367 und in Zeitschriften oder Bildbänden publizierten Illustrationen 368 . In<br />

357 Vgl. in diesem Zusammenhang den ‘trüben’ und verstellten Durchblick in den Saal vorne rechts.<br />

358 Vgl. etwa S.F.B. Morses Ansicht des Salon Carré (ABB. III 660) oder Zoffanys »Tribuna« (ABB. II 130).<br />

359 Oder auch der Spiegelung, wahrscheinlich eines Gemäldes, in der glänzend schwarzen Abdeckung des kapitalen<br />

Sitz(im-?)möbels in der Bildmitte.<br />

360 Das geschieht aber selbst bei Hubert Roberts Entwürfen für die Grande Galerie (ABB. III 600 u. III 610) nicht,<br />

obschon der architektonische Aspekt bei diesen Vorschlägen doch letztlich der entscheidende gewesen sein dürfte.<br />

361 “As early as 1850 the architect Jacques Félix Duban, in response to the new taste for luxury, embellished the<br />

Salon Carré with a large, gilt stucco dome; in imitation of the Tribuna in the Uffizi, there was an effort to turn the<br />

Salon Carré into a “Pantheon for masterpieces,” where busts of great artists, with cartouches giving their names,<br />

underlined this intention.” Germain Bazin: The Museum Age. Brüssel[, 1967]. S. 215.<br />

362 Letzteres träfe auf die beiden orientalisch anmutenden Herren rechts von der Mitte zu, die natürlich zugleich<br />

für die große internationale Anziehungskraft des Louvre stehen; als genrehaft hingegen könnte man die sie anscheinend<br />

beobachtende Dame zu ihrer Linken, ebenfalls in Blau und Rot, bezeichnen, und ebenso den leger an die Absperrung<br />

gelehnten Mann vorne links, der sich offensichtlich gerade mit einem der Museumswärter unterhält.<br />

363 Etwa ein Blick in Grande Galerie (um 1880) von Victor Duval (ABB. III 701) oder eine anonyme Ansicht des<br />

Musée du Luxembourg (um 1873/ABB. III 702).<br />

364 John Watkins »South Kensington Museum, Watercolour Galleries« (ABB. III 703/ heute bekannt als Victoria<br />

and Albert Museum (umbenannt 1899)); eine Folge von Ansichten der Antikensäle im Louvre von dem Architekten<br />

P.F.L. Fontaine (1762 - 1853) (ABB. III 704 - III 706).<br />

365 »Nouvelle Salle des Muses« des Architekten Charles Percier (1764 - 1838) (ABB. III 707); »The Landscape Picture<br />

Gallery« (ABB. III 708) aus E. M. Barrys »Designs for the Rebuilding of the National Gallery« (1866).<br />

366 Farblithographie des Salon Carré von A. Provost (ABB. III 709); Stich von Betrand und Froment -, die die »Salle<br />

de la Collection La Caze« (ABB. 711) um 1870 zeigt.<br />

367 Radierungen(?) von Antikensälen im Louvre, Normand fils zugeschrieben (ABB. III 712); eine Reihe von Innenansichten<br />

des Louvre gestochen von Cosson-Smeeton nach Entwürfen von Charles Fichot (ABB. III 713).<br />

368 Auguste Tilly »La nouvelle Salle des Etats« in L’Illustration vom 20 Oktober 1886 (ABB. III 714); »Galerie des<br />

Médicis, au Louvre« von Linton nach Bourdelin in Le Monde Illustré vom 19. Juni 1858 (ABB. III 715).<br />

Eine Ansicht der Grande Gallerie von Heath nach Robert Batty in »French Scenerey« (London, 1822) (ABB. III 716);<br />

228


diesen Beispielen mag mal die eine, mal die andere der drei genannten Komponenten ein<br />

leichtes Übergewicht bekommen, weitgehend aber halten sie sich die Waage. 369 Es vermittelt<br />

sich meist die Idee einer eher nüchternen Zustandsbeschreibung, eines unvoreingenommen<br />

sachlichen Blicks in den jeweils gezeigten Saal an einem beliebigen Tag.<br />

Vergleicht man diese Ansichten mit Darstellungen der vorangegangenen Jahrhunderte, so<br />

entsteht trotz der gleichmäßgigen Gewichtung in jedem einzelnen der Bilder insgesamt der<br />

Eindruck, daß der Raum in seiner architektonischen Gestaltung sozusagen der Gewinner der<br />

Entwicklung ist. Zwar übertrifft er die übrigen Komponenten nicht an Bedeutung, doch hat er<br />

merklich an Aufmerksamkeit hinzugewonnen. 370 Während er zuvor häufig hinter Kunstwer-<br />

ken und Personen ‘verschwand’, 371 wird er nun als eigenständige Komponente, bisweilen gar<br />

gleichen Ranges, vorgeführt. 372 Sofern es sich um Entwürfe für die bauliche Gestaltung eines<br />

Ausstellungsraums handelt, ist das kaum verwunderlich, 373 doch die besagte Veränderung<br />

beschränkt sich, wie gesehen, keineswegs allein auf solche Beispiele.<br />

DAS EINFACHERE VOLK IM MUSEUM. Im Zusammenhang mit Hubert Roberts Louvreansichten<br />

wurde bereits auf die Schwierigkeiten hingewiesen, auf die man trifft, wenn man versucht,<br />

den gesellschaftlichen Status der dargestellten Besucher genauer zu bestimmen. Denn fehlen<br />

solche Indizien, wie man sie fast nur in karikaturistischen Darstellungen findet, also etwa<br />

derbe Gesten oder zusätzliche Informationen - in der sogenannten Legende oder Bildunter-<br />

schrift - wie ein extremer Dialekt bzw. Kommentare der gezeigten Handlungsträger, die von<br />

kaum vorhandener Bildung oder völligem Unverständnis für das Wesen der Kunst zeu-<br />

gen, 374 bleibt einem als Anhaltspunkt für die soziale Einordnung der Figuren meist nurmehr<br />

deren Kleidung. Die aber unterliegt im Verlauf des 19. Jahrhunderts - insbesondere bei den<br />

eine Folge von Radierungen(?) von Hibon nach Christophe Civeton in Comte de Claracs »Musée de Sculpture Antique<br />

et Moderne« (Paris, 1826) (ABB. III 717); »Vue de la Grande Galerie« von G. Arnout, “Planche 25 d’un album<br />

sur Paris édité chez Goupil” (ABB. III 718)<br />

369 Als ein Beispiel wäre hier etwa eine der Ansichten der Antikensäle des Louvre von Fontaine zu nennen (ABB. III<br />

706), in der sich drei Damen im Vordergrund vor allem für einen männlichen Besucher zu interessieren scheinen - es<br />

verwundert nur ein wenig, daß ausgerechnet bei einem Architekten das Personal mehr ‘Gewicht’ bekommt, immerhin<br />

ist das nur in wenigen seiner Stücke der Fall.<br />

370 Natürlich findet sich auch im 19. Jahrhundert noch eine Reihe von Beispielen, bei denen das nicht der Fall ist.<br />

371 Vgl. etwa so prominente Beispiele wie van Haechts »Kunstkammer des Cornelis van der Geest« (ABB. I 240)<br />

oder Zoffanys »Tribuna« (ABB. II 130).<br />

372 Als frühere Beispiele, bei denen man das auch schon behaupten könnte, wären etwa die Ansichtsfolgen des<br />

Museo Pio-Clementino von Ducros und Volpato bzw. von Feoli nach Miccinelli (ABB. II 160 - II 190) zu nennen.<br />

373 Erstaunlich ist im Zusammenhang mit diesen Beispielen allerdings der Umstand, daß die Architektur nicht<br />

deutlich im Vordergrund steht.<br />

374 Vgl. eine Karikatur Daumiers (ABB. III 721) und ein Blatt von Charles Albert d’Amoux (“dit Bertall”) aus<br />

L’Illustration (20. Mai 1847): »Les impression de voyage de la famille Ballot au Musée [meine Hervorhebung; deutet<br />

wohl an, wie fern ihnen dieser Ort ist]« (ABB. III 722).<br />

229


Männern - einer Tendenz zur Egalisierung. 375 Für heutige Betrachter ist sie also ohne erhebliche<br />

Detailkenntnisse lediglich bedingt für den fraglichen Zweck nutzbar. 376<br />

Nur wenige Probleme in dieser Hinsicht bereitet ein Beispiel aus der illustrierten Zeit-<br />

schrift The Graphic vom 19. April 1873 (ABB. III 720), das wahrscheinlich einen Blick in das<br />

Bethnal Green Branch Museum zeigt; diese Einrichtung, die man im Juni 1872 in dem auch<br />

im Namen genannten Arbeiterviertel im Osten Londons eröffnet hatte, 377 war “[…] one of a<br />

number of museums that were to be planted in outer London for the benefit of the local popu-<br />

lation […] ”, wobei man letztere ansah als “[…] a ‘depraved’ citizenry in need of moral [meine<br />

Hervorhebung] education.” 378 So stammen zwar nicht alle, aber doch ein Gutteil der dargestellten<br />

Besucher unzweifelhaft aus den unteren sozialen Schichten. Zudem gehen sie nicht etwa in<br />

der Menge unter, 379 sondern sind ausnehmend prominent positioniert.<br />

Besonders auffällig sind die beiden eher skeptisch dreinblickenden Männer in der Bild-<br />

mitte mit ihren ausgebeulten, um nicht zu sagen lumpigen Kleidern. Ein wenig gepflegter<br />

sehen die Kinder und die Frauen rechts hinter ihnen aus. An der Vitrine links hingegen<br />

finden sich zwei gut betuchte Damen, von denen die vordere anscheinend bedrückt - ob der<br />

ärmlichen Besucher? - zu Boden schaut. Auch der aufrecht vor den Gemälden rechts ste-<br />

hende Herr im Mantel ist mit seiner nur durch eine Schnur gesicherten Sehhilfe kaum als<br />

einfacher Arbeiter anzusehen. Bei den beiden Personen vor ihm indessen fällt die Einschät-<br />

zung um einiges schwerer: das Kleid der Frau sowie Hut und Stock des Mannes erscheinen<br />

einigermaßen elegant - bei seinem Anzug vermag man das nicht recht zu entscheiden -, das<br />

Verhalten der beiden aber, also etwa seine ausgesprochen legere Haltung und sein neugieriger<br />

375 Erika Thiel spricht von einer »Demokratisierung des Schnittes«, die “[…] auf der Straße und im Berufsleben zu<br />

einer zuvor nicht gekannten Gleichheit in der Kleidung […] führte […]”. Erika Thiel: Geschichte des Kostüms. Die<br />

europäische Mode von den Anfängen bis zur Gegenwart. Berlin, 1997 (Lizenzausgabe Zweitausendeins Frankfurt a.<br />

M.). S. 333.<br />

376 Und selbst gutbetuchte Persönlichkeiten waren bisweilen anscheinend nicht ausreichend darüber informiert,<br />

was man wann zu tragen hatte. So berichtet Thiel - ohne genauere Angaben - von einer Schrift aus dem Jahr 1909 zu<br />

eben diesen Fragen: einer von mehreren Gründen für das Büchlein sei dem Verfasser nach eigenem Bekunden gewesen,<br />

daß ihm “[…] in einer absolut nicht zwanglosen Abendgesellschaft der Herr v. S., ebenfalls sonst ein prächtiger<br />

Mensch, weder vorbestraft noch erblich belastet, in Gehrock und braunen Stiefeln mit noch dazu verkehrt geknöpften<br />

Gamaschen begegnete […]”. Ibid., S. 340.<br />

377 Interessanterweise verwendete man für das Gebäude unter anderem den provisorischen Eisenskelettbau des<br />

South Kensington Museum (heute Victoria and Albert Museum), das eine neue massivere Behausung bekommen sollte.<br />

(Teile einer solchen Konstruktion sind auch deutlich im Bild auszumachen) Vgl. Gert Reising: “Bildung und Ausbildung<br />

im 19. Jahrhundert: Das Bethnal Green Branch Museum in London”, in: Das Museum. Lernort contra Musentempel.<br />

Hrsg. von Ellen Spickernagel und. Brigitte Walbe. Gießen, (2. Aufl.) 1976. (S. 43 - 51) S. 46/7.<br />

378 Palaces of Art... (siehe Anm. 27). S. 95/6. Es ist allerdings fraglich, ob die Beweggründe für die Einrichtung<br />

solcher Orte bei allen vorrangig altruistisch geprägt waren, denn gleichzeitig wurde auch diskutiert über “the<br />

power of culture to civilise and tame [meine Hervorhebung] the lower classes […,] to de-brutalise the poor through<br />

exposure to moral perfection, attained in paint and canvas.” Ibid. In diesem Zusammenhang vgl. auch Seth Koven:<br />

“The Whitechapel Picture Exhibitions and the Politics of Seeing”, in: Museum Culture. Histories - Discourses - Spectacles.<br />

Hrsg. v. Daniel J. Sherman u. Irit Rogoff. London, 1994. S. 22 - 48.<br />

379 Vgl. dazu Boillys »Die Öffentlichkeit besieht sich Davids Gemälde der Krönung von Napoleon und Josephine«<br />

(ABB. III 70)<br />

230


Blick zu ihr oder die Art wie sie ihren Kopf abstützt, ist wohl zumindest als ungezwungen zu<br />

beschreiben. Unabhängig davon jedoch, wie diese beiden Personen letztlich zu beurteilen<br />

sind, ist festzuhalten, daß die Besucher aus den unteren Schichten der Gesellschaft die<br />

Darstellung bestimmen und die Bildunterschrift bzw. der Titel »Art Connoisseurs at the East<br />

Side« somit bestenfalls als ironische Anspielung auf sie und ihr Verhältnis zu Kunst zu verstehen<br />

ist. 380<br />

Ähnlich prominent - und an seiner Kleidung weitgehend auch für heutige Augen gut<br />

erkennbar - ist das einfache Volk in einer Lithographie von 1878 inszeniert, die bei Mainardi -<br />

noch sehr neutral - als »The Sunday Public Visiting the Fine Arts Gallery on the Champ-de-<br />

Mars« betitelt ist (ABB. III 730). 381 Gezeigt wird darin ein stark ausschnitthafter Blick in einen<br />

Gemäldesaal. In der dargestellten Raumecke stehen eine Vielzahl von Personen relativ dicht<br />

beieinander. Sie interessieren sich anscheinend alle nur für ein einziges Gemälde, das die<br />

Gäste einer sehr ernsten oder gar traurigen Veranstaltung festhält, deren eigentlichen - histo-<br />

risch bedeutsamen? - Anlaß aber allenfalls mittelbar verrät. 382 Füreinander zeigen die Be-<br />

sucher keinerlei Aufmerksamkeit und so erstaunt es, wenn Mainardi ausgerechnet dieses<br />

Blatt als Beleg anführt für “[…] this new anxiety [der gehobenen Schichten] toward ‘the Sunday<br />

crowd,’ which came on the only free day.” 383 Das versucht sie folgendermaßen zu unter-<br />

mauern:<br />

“All the individuals shown here are caricatured members of social classes, from the working man and<br />

woman in the foreground, to the well-dressed bourgeois couple, even to the few top-hatted gentlemen<br />

in the rear, ominously buried by the lower orders. The military presence is overwhelming in this<br />

image, witnessing the necessity of keeping order in public places, of controlling the lower classes. This<br />

is an uncomfortable image, almost a menacing one […].” 384<br />

Man mag unter Umständen noch einräumen, daß das Personal teilweise ein wenig klischee-<br />

haft geschildert ist, doch karikiert ist es sicher nicht. Und tatsächlich sind in den hinteren<br />

Reihen einige Herren einzig an ihren Zylindern auszumachen, 385 aber es ist - vorsichtig<br />

formuliert - recht tendeziell in diesem Zusammenhang von “ominously buried by the lower<br />

orders” zu sprechen: erstens finden sich noch andere Personen aus den gehobenen Klassen -<br />

380 Sie machen eher den Eindruck, als wollten sie sich zunächst einmal ein Bild von diesem neuen Ort machen, die<br />

Ausstellungsstücke scheinen dabei noch eher nebensächlich zu sein.<br />

381 Bibliotheque Nationale, Paris. Vgl. Patricia Mainardi: The end of the Salon ... (siehe Anm. 4). S. 140.<br />

382 Wie in Boillys »Die Öffentlichkeit besieht sich Davids Gemälde der Krönung von Napoleon und Josephine«<br />

(ABB. III 70) vergrößern die Bildbetrachter gewissermaßen die Zahl der Zeugen des im Bild-im-Bild wiedergegebenen<br />

Ereignisses.<br />

383 Diese “anxiety” beschreibt sie zuvor folgendermaßen: ”[…] in the face of the social disorders of the century, culminating<br />

in the Paris Commune, it was increasingly problematic for members of the affluent class to mingle easily<br />

and unprotected with representatives of the lower orders.” Ibid., S. 139.<br />

384 Ibid.<br />

385 Hierin könnte man vielleicht gar einen karikaturistischen Anflug erkennen.<br />

231


auch im Vordergrund und ebenfalls vor jenem alle interessierenden Bild - 386 und zweitens<br />

werden die besagten Herren keineswegs nur von Vertretern der Unterschicht verdeckt, von<br />

denen sich im übrigen keiner irgendwie aggressiv gebärdet. Schließlich erscheint es völlig<br />

abwegig, angesichts dreier Soldaten im Publikum, deren Aufmerksamkeit sich zudem ganz<br />

offensichtlich ebenfalls nur auf das eine Gemälde richtet, zu behaupten, die militärische<br />

Präsenz in diesem Bild sei “overwhelming”. Es mag durchaus zutreffen, wenn Mainardi im<br />

Hinblick auf die Haltung - zumindest eines Teils - der ‘besseren’ Gesellschaft formuliert, “It<br />

was no longer desirable or even possible to imagine the peacful intermingling of social classes<br />

on the common ground of art […] ”, 387 doch an der von ihr angeführten Lithographie ist das<br />

nicht abzulesen.<br />

Soviel zu Museumsdarstellungen, in denen die unteren sozialen Schichten - oder zu-<br />

mindest ein Teil von ihnen - recht deutlich an ihrer Kleidung zu erkennen sind. Im Gegen-<br />

satz dazu begegnet man mit einer der Illustrationen von Henri Gervex zu Zolas Roman »L’As-<br />

sommoir« von 1878 einem Beispiel (ABB. III 740), 388 bei dem das anscheinend nicht der Fall<br />

ist und das somit - zumindest für das 19. Jahrhundert - die eingangs bereits angeschnittene<br />

Frage aufwirft, wie aussagekräftig die Kleidung des Bildpersonals im Hinblick auf deren gesell-<br />

schaftlichen Stand für den heutigen Betrachter ist. Solche Überlegungen allerdings ergeben<br />

sich nicht allein aus der Illustration, sondern erst im Vergleich mit dem entsprechenden Text,<br />

der eine soziale Einordnung liefert und darüberhinaus ganz konkret den Eindruck beschreibt,<br />

den die Personen in ihrem Auftreten auf ihre Umwelt machen; zunächst also - ein wenig aus-<br />

führlicher - zu Zolas Schilderungen.<br />

Die kleine Gesellschaft, die sich anläßlich der Hochzeit der Protagonisten, des Bauklemp-<br />

ners Coupeau und der Wäscherin Gervaise, zusammengefunden hat, beschließt bei einem<br />

kleinen Imbiß, anstelle der ursprünglich geplanten, aufgrund des schlechten Wetters aber<br />

leider unmöglich gewordenen Landpartie ins Museum zu gehen. Erst nach einigen abgelehn-<br />

ten Vorschlägen kommt als letzer ebendieser von Herrn Madinier:<br />

“Er lehnte mit auseinandergebreiteten Frackschößen am Schanktisch und wahrte seine<br />

Gewichtigkeit eines Arbeitgebers. Er spuckte ausgiebig und rollte seine großen Augen.<br />

»Mein Gott«, sagte er, »man könnte ja ins Museum gehen ...« […] »Da sind Antiquitäten, Bilder,<br />

Gemälde, ein Haufen Sachen. Es ist sehr lehrreich ... Vielleicht kennen Sie das nicht. Oh, das muß<br />

man zumindest einmal gesehen haben.«<br />

Die Hochzeitsgäste schauten sich an, fühlten einander auf den Zahn. Nein, Gervaise kannte das<br />

nicht, Frau Fauconnier, Boche und die anderen auch nicht. Coupeau glaubte eines Sonntags mal<br />

hingegangen zu sein, aber er erinnerte sich nicht mehr genau. Man zögerte jedoch, bis Frau Lorilleux,<br />

386 Selbst ein Zyliderträger steht direkt vor dem Gemälde, an dessen linker Seite.<br />

387 Ibid. Vgl. hierzu aber auch die angesprochene Diskussionen über die Kunst als Mittel, die unteren Schichten zu<br />

“zähmen” (siehe Anm 378).<br />

388 Der Roman wurde schon 1877 erstmals in Buchform veröffentlicht, doch die illustrierte Ausgabe, von der hier<br />

die Rede ist, stammt von 1878 (Marpon und Flammarion).<br />

232


auf die Madiniers Gewichtigkeit großen Eindruck machte, das Anerbieten schicklich und sehr anständig<br />

fand. Da man nun mal den Tag geopfert habe und angezogen sei [meine Hervorhebung], könne man<br />

ebensogut etwas der Bildung halber besichtigen. Alle stimmten zu.” 389<br />

Schon auf dem Weg ins Museum erregt die Gesellschaft in ihrem seltsamen Aufzug großes<br />

Aufsehen:<br />

“[…] zwei halbwüchsige Rüpel […] schrien […] wie beim Faschingsumzug, Spaziergänger eilten herbei,<br />

Kramladenbesitzer, die belustigt dreinschauten, stellten sich hinter ihren Schaufenstern auf die<br />

Zehenspitzen. Inmitten des Gewimmels der Menge bildeten die feierlich dahinwandelnden Paare auf<br />

dem grauen und nassen Untergrund des Boulevards grelle Flecke: Gervaises tiefblaues Kleid, Frau<br />

Fauconniers rohseidenes Kleid mit den aufgedruckten Blumen, Boches kanariengelbe Hose. Die<br />

Steifheit von Leuten im Sonntagsstaat verlieh Coupeaus glänzendem Gehrock und Herrn Madiniers<br />

eckigem Frack eine karnevalsmäßige Drolligkeit, während Frau Lorilleux’ schöne Toilette, Frau<br />

Lerats ausgefaserte Fransen und Fräulein Remanjous zerknitterte Röcke die Moden durcheinanderbrachten<br />

und das Plunderzeug des Armenluxus hintereinander vorüberschleppten. Aber vor allem die<br />

Hüte der Herren erregten Heiterkeit, alte aufbewahrte Hüte, die durch die Dunkelheit im Schrank<br />

ihre Farbe verloren hatten, mit komischen, hohen, ausgeweiteten, spitz zulaufenden Formen, ungewöhnlichen,<br />

aufgestülpten, flachen, zu breiten oder zu schmalen Krempen. […] Die Hochzeitsgesellschaft<br />

beschleunigte ihren Gang jedoch nicht, war gutmütig, freute sich, angeschaut zu werden, und<br />

hatte ihren Spaß an den Scherzen.” 390<br />

Auch im Louvre, wo Herr Madinier, als vermeintlich Kundiger, die Führung übernimmt,<br />

fallen sie auf, doch kommen dort zu ihrer merkwürdigen Garderobe noch die unbedarften<br />

Äußerungen und das ehrfürchtige und bisweilen zugleich ungenierte Verhalten hinzu. All<br />

das läßt sie zu einem Fremdkörper werden, durch den sich die anderen Besucher indessen<br />

nicht bedrängt fühlen, sondern der sie lediglich amüsiert. Die kleine Odyssee der Hochzeitsge-<br />

sellschaft durch den gewaltigen Bau beginnt unten, im assyrischen Museum, wo es ihnen<br />

überhaupt nicht gefällt:<br />

“Sie fanden das alles sehr häßlich. Heutzutage bearbeite man den Stein weitaus besser. Eine<br />

Inschrift in phönizischen Schriftzeichen verblüffte sie. Das war doch nicht möglich, dieses Geschreibsel<br />

hatte ja wohl nie jemand lesen können.<br />

Aber Herr Madinier, der mit Frau Lorilleux schon auf dem Treppenabsatz war, rief nach den anderen<br />

und schrie in die Gewölbe hinein: »Kommen Sie doch! das Zeug da ist ja nichts ... Im ersten Stock gibt’s<br />

was zu sehen.«<br />

Die strenge Kahlheit der Treppe machte sie ernst. Ein prächtiger Türhüter in roter Weste und goldbetreßter<br />

Livree, der sie auf dem Treppenabsatz zu erwarten schien, erhöhte ihre Aufregung. Ehrfurchtsvoll<br />

und so leise wie möglich gehend, betrachten sie die französische Galerie.<br />

Die Augen vom Gold der Rahmen erfüllt, gingen sie alsdann, ohne stehenzubleiben, die lange Flucht<br />

der kleinen Säle entlang und sahen die Bilder vorüberziehen, die zu zahlreich waren, als daß man sie<br />

genau hätte betrachten können. Eine Stunde vor jedem Bild hätte man gebraucht, wenn man sie hätte<br />

verstehen wollen. Wie viele Gemälde, verflixt noch mal! Das nahm ja kein Ende. Da mußte allerhand<br />

Geld drin stecken. Dann brachte Herr Madinier die am Ende jäh vor dem »Floß der Medusa« zum<br />

Stehen und erklärte ihnen, was es darstellte. Ergiffen, reglos, schwiegen alle. als man sich wieder in<br />

Gang setzte, faßte Boch das allgemeine Empfinden zusammen: das sei famos gemacht.<br />

In der Apollogalerie setzte besonders das Parkett die Gesellschaft in höchste Verwunderung, ein<br />

glänzendes Parkett, klar wie ein Spiegel, in dem sich die Füße der Sitzbänke widerspielgelten.<br />

Fräulein Remanjou schloß die Augen, weil sie auf Wasser zu gehen glaubte.[…]<br />

[…] Mit einer Handbewegung gebot er [Madinier] in der Mitte des Salon Carré Halt. Hier befänden<br />

389 Emile Zola: Der Totschläger. (Bd. aus Die Rougon-Macquart: Natur- und Sozialgeschichte einer Familie unter<br />

dem zweiten Kaiserreich. Hrsg. v. Rita Schober.) (4. Aufl.) Berlin, 1970. S. 94.<br />

390 Ibid., S. 96/7.<br />

233


sich nur Meisterwerke, murmelte er halblaut wie in einer Kirche. Man machte einen Rundgang durch<br />

den Salon. Gervaise fragte, was denn die »Hochzeit zu Kana« darstelle; es sei dumm, daß nicht auf<br />

den Rahmen geschrieben stünde, was die Bilder darstellten. Coupeau blieb vor der »Mona Lisa«<br />

stehen, bei der er eine Ähnlichkeit mit einer Tante von ihm entdeckte. Boche und Röstfleisch-Bibi<br />

feixten, während sie sich verstohlen die nackten Frauen zeigten. Besonders die Schenkel der Antiope<br />

riefen Ergriffenheit in ihnen hervor. Und ganz am Ende stand das Ehepaaar Gaudron - der Mann mit<br />

offenem Mund, die Frau mit den Händen auf dem Bauch [sie ist hochschwanger] - baff, gerührt und blöd<br />

vor der Madonna von Murillo.<br />

[…]<br />

Dann stürmte die Hochzeitsgesellschaft in die lange Galerie […] Schon wieder Gemälde, immerzu<br />

Gemälde, Heilige, Männer und Frauen mit Gesichtern, die man nicht verstand, ganz schwarze Landschaften,<br />

gelb gewordene Tiere, ein wildes Durcheinander von Menschen und Dingen, deren grelles<br />

Farbengetöse ihnen heftige Kopfschmerzen zu bereiten begann.<br />

Herr Madinier sprach nicht mehr, führte langsam den Zug, der ihm gordnet folgte, wobei sich alle<br />

den Hals verrenkten und nach oben blickten. Jahrhunderte der Kunst zogen an ihrer verblüfften Unwissenheit<br />

vorüber […] Was sie jedoch am meisten interessierte, waren immer noch die ungeniert malenden<br />

Kopisten mit ihren mitten unter den Leuten aufgestellten Staffeleien. Eine alte Dame, die auf<br />

eine große Leiter gestiegen war und mit einem Maurerpinsel über den zarten Himmel eines riesigen<br />

Ölgemäldes fuhr, beeindruckte sie besonders.<br />

Nach und nach jedoch mußte sich wohl das Gerücht verbreitet haben, daß eine Hochzeitsgesellschaft<br />

den Louvre besichtigte. Maler eilten herbei mit vor Lachen aufgerissenem Mund. Neugierige<br />

setzten sich schon vorher auf die Bänke, um dem Vorbeimarsch bequem beizuwohnen, während die<br />

Wärter mit zusammengekniffenen Lippen witzige Bemerkungen unterdrückten. Und die Hochzeitsgesellschaft,<br />

die schon müde war und ihre Ehrfurcht verlor, schlurfte mit ihren Nagelschuhen dahin,<br />

klapperte mit den Absätzen auf dem widerhallenden Parkett, mit dem Getrampel einer in heilloses<br />

Durcheinander geratenen Herde, die mitten in die kahle und andächtige Sauberkeit der Säle<br />

losgelassen war.” 391<br />

Schließlich verlaufen sie sich und Herr Madinier gerät in Rage, ja beschuldigt die Verwaltung<br />

gar, die Türen verlegt zu haben. “Ein Wärter mußte die Führung übernehmen und sie bis zu<br />

einer Tür bringen. Nachdem sie ihre Schirme an der Garderobe wieder in Empfang<br />

genommen hatten, atmeten sie dann auf dem Hof des Louvre auf.” 392<br />

So also schildert Zola diese einfache Hochzeitsgesellschaft und ihre Unbeholfenheit beim<br />

Besuch im Museum. Henri Gervex, von dem die Vorlage für die entsprechende Illustration<br />

stammt, zeigt die beschriebene Gruppe in der Grande Galerie, in jenem Saal des Louvre mit<br />

dem architektonisch höchsten Wiedererkennungswert. Die Bilder-im-Bild sind auf verschie-<br />

den große graue, gerahmte Flächen reduziert. Im Mittelgrund links ist ein Kopist auszu-<br />

machen, der ähnlich wie im Text auf einer großen Leiter vor einer Leinwand steht. 393 Rechts<br />

an der Absperrung lehnt mit dem Rücken zur Wand ein Maler, doch der scheint sich kei-<br />

neswegs über die Festtagsgesellschaft zu amüsieren oder sich auf andere Weise für sie zu inter-<br />

essieren. 394 Auch dem realen Betrachter sticht diese Gruppe, deren Mitglieder vornehmlich in<br />

391 Ibid., S. 98 - 100.<br />

392 Ibid., S. 102.<br />

393 Siehe oben, im vorletzten Absatz des Zitats. Ob es sich allerdings wie bei Zola um eine ältere Dame handelt, ist<br />

ob der Schemenhaftigkeit nicht zu entscheiden; ein herausragendes Interesse für diese Person von seiten der Hochzeitsgesellschaft<br />

ist jedenfalls nicht zu erkennen .<br />

394 So wie es recht deutlich in einer Darstellung von José Simont in L’Illustration (1904) geschieht (ABB. III 741), in<br />

der sich zwei elegante Damen über ein älteres, eher einfach gekleidetes Paar amüsieren, weil es angesichts der ausgestellten<br />

Werke verunsichert wirkt und sich wohl auch ein wenig deplaziert fühlt.<br />

234


Rücken- und Seitenansichten gegeben sind, nicht besonders ins Auge. Anders als bei Zola<br />

wirken sie nicht irgendwie fehl am Platz. Und auch ihre Kleidung erscheint nicht unbedingt<br />

auffällig, geschweige denn, daß man sie daran sogleich als Vertreter der unteren sozialen<br />

Schichten erkennen würde, lediglich das vom Bildrand beschnittene Paar vorne links macht<br />

in dieser Hinsicht einen eher ärmlichen Eindruck - der durch die groben Gesichtszüge bekräftigt<br />

wird. 395<br />

Eine solche Beurteilung der Darstellung kann nun entweder damit zu erklären sein, daß<br />

Gervex diesen grundlegenden Aspekt der Textvorlage nicht ausreichend herausgearbeitet<br />

hat, 396 oder, wie gesagt, schlicht daran, daß dem heutigen Betrachter die notwendigen Kennt-<br />

nisse fehlen. 397 Doch allein um diesen Punkt zu klären, bedürfte es eines fundierten Wissens<br />

über die Kleiderordnung im Frankreich oder genauer im Paris jener Zeit. Allerdings wird<br />

schon an Zolas Schilderung deutlich, daß es oft nur Details sind, die hier den Unterschied ma-<br />

chen: 398 “Aber vor allem die Hüte der Herren erregten Heiterkeit, alte aufbewahrte Hüte […]<br />

mit komischen, hohen, ausgeweiteten, spitz zulaufenden Formen, ungewöhnlichen, auf-<br />

gestülpten, flachen, zu breiten oder zu schmalen Krempen.” 399 Eine soziale Einordnung der<br />

Museumsbesucher oder allgemeiner der Kunstbetrachter in der Kunst muß also wohl -<br />

zumindest für das 19. Jahrhundert - vorerst auf einige ‘Extrembeispiele’ oder solche, zu denen<br />

zusätzliche Informationen vorhanden sind, beschränkt bleiben. 400<br />

EIN ORT DER FREIZEITGESTALTUNG. Aus dem Jahr 1880 stammt ein Gemälde von Charles An-<br />

grand (1854 - 1926), das einen Blick in das junge Musée des Beaux-Arts in Rouen zeigt (ABB. III<br />

750). 401 Die Bilder-im-Bild erhalten durch ihre kräftigen und kontrastreich gesetzen Farben<br />

395 Hier könnte man aufgrund ihres größeren Abstandes zu den übrigen Personen die Frage stellen, ob sie tatsächlich<br />

zu der besagten Gesellschaft gehören. Aber wieso sollten diese beiden, wenn das nicht der Fall wäre, eine doch relativ<br />

prominente Position einnehmen. Zudem findet sich bei Zola eine sehr passende Stelle: “Und ganz am Ende<br />

stand das Ehepaaar Gaudron - der Mann mit offenem Mund, die Frau mit den Händen auf dem Bauch - baff, gerührt<br />

und blöd vor der Madonna von Murillo.” (Ibid., S. 99) Den Umstand, daß diese Szene noch im Salon Carré angesiedelt<br />

ist und man die Frau eher für eine füllige Frau fortgeschrittenen Alters als für eine Schwangere halten mag,<br />

wird man wohl als Freiheit des Illustrators ansehen können.<br />

396 Wobei bereits für den Illustrator das Problem bestand, in bezug auf welche Zeit er die Garderobe der Hochzeitsgesellschaft<br />

veraltet zeigen sollte, die eigene Zeit oder die der Handlung, die etwa 25 Jahre früher angesiedelt<br />

ist. In Modefragen dürfte eine solche Spanne auch schon für das 19. Jahrhundert als sehr gewichtig bewertet werden.<br />

397 Und man muß sich fragen, ob diese Kenntnisse nicht bereits bei Erscheinen der illustrierten Ausgabe zumindest<br />

einigen Lesern fehlten, sofern Gervex seine Vorlage bezüglich der Kleidung historisch korrekt angelegt hat. Vgl.<br />

vorangegangene Anm.<br />

398 Und von denen man sich fragt, wie weit sie in den meist doch kleinformatigen Illustrationen wiederzugeben sind.<br />

399 Emile Zola: Der Totschläger...(siehe Anm. 390). S. 96.<br />

400 Ebenso verbieten sich Spekulationen darüber, wie häufig die unteren gesellschaftlichen Schichten in den Bildern<br />

auftauchen.<br />

401 Öl auf Leinwand, 114 x 154 cm. Musée des Beaux-Arts, Rouen, Inv.-Nr. 991.1.1.<br />

235


und durch die raumgreifenden Rahmen eine deutliche Präsenz. Obschon sie bei genauerem<br />

Hinsehen größtenteils recht skizzenhaft ausgeführt sind, wähnt man sich in die Lage versetzt,<br />

die entsprechenden Vorlagen - spätestens an Ort und Stelle - ohne weiteres zu benennen.<br />

Ein wenig detaillierter als die Bilder-im-Bild sind die Besucher im Mittelgrund angelegt, so<br />

haben sie beispielsweise - wenngleich keineswegs alle - zumindest eine Andeutung von Ge-<br />

sichtszügen. Nur ein kleiner Teil der Personen setzt sich explizit mit den ausgestellten<br />

Gemälden auseinander. Bei den übrigen erscheint das Interesse an der Kunst eher beiläufig,<br />

sie unterhalten sich ohne konkreten Bezug zu den Werken, ruhen sich aus, ‘bespielen’ Kin-<br />

der oder rufen sie zur Ordnung. Von einigen scheint das Museum hier - in gewisser Weise<br />

losgelöst von den ausgestellten Kunstwerken - einfach als ein angenehmer Ort angesehen<br />

und genutzt zu werden, an dem man die Freizeit verbringen kann; ähnlich vielleicht wie in<br />

einem Park, an dem man sich nur in seiner Gesamtheit erfreut, ohne die einzelnen Pflanzen<br />

genauer anzuschauen. 402<br />

Die Besonderheit an Angrands Gemälde aber ist ein Herr, womöglich der Maler selbst, der<br />

ganz vorne links - sichtlich differenzierter ausgeführt als das übrige Personal - vor einer<br />

Leinwand sitzt und den realen Betrachter anschaut. Den rechten Fuß leger auf die Staffelei ge-<br />

stellt, den Ellbogen auf das Knie und den Kopf auf die Finger der rechten Hand gestützt ist er<br />

in einer Haltung gezeigt, die zusammen mit dem leicht versonnenen Blick auf die Melancho-<br />

lia und somit auch auf den Topos des saturnischen Künstlers anspielt. Sein ausgestreckter<br />

linker Arm ruht auf der Rückenlehne eines Stuhls und schafft so eine engere Verbindung zu<br />

dem aufgeklappten Malkasten auf der Sitzfläche. Auf diesem Kasten dann liegen noch ein<br />

Malstock und eine Palette mit mehreren Pinseln und vor allem einem wilden Gewirr von<br />

Farb(klecks)en - ähnlich den Farbproben im Deckel des Malkastens.<br />

Neben der direkten - erhöhte Aufmerksamkeit evozierenden - ‘Ansprache’ durch den<br />

Blick des Maler und der zentralen Position seiner genannten Utensilien verweist auch deren<br />

unmißverständliche Ausrichtung auf den Betrachter 403 auf ihre Bedeutung. Hier wird man so-<br />

zusagen nochmals mit der Nase darauf gestoßen, daß das ganze Bild aus nichts als Farbe<br />

besteht, die der Maler ‘lediglich’ richtig zu verteilen weiß. 404 Was auf der Palette nur Farbe ist,<br />

wird durch die gekonnte Organisation zur Repräsentation einer anderen Wirklichkeit. An-<br />

ders als in den angeführten Gemälden des 17. Jahrhunderts - in denen es allerdings eher auf<br />

402 Im Gegensatz dazu interessieren sich die Männer, Frauen und Kinder in Karl Lovis Preussers Blick in die Dresdener<br />

Galerie fast durchgängig für die Gemälde (ABB. III 751). Geradezu mustergültig sind sie in ihrer Aufmerksamkeit,<br />

der leger angelehnt stehende Offizier ganz links und das gutsituierte Paar auf dem Rundsofa in der Mitte<br />

ebenso wie etwa Bruder und Schwester unten an der Treppe oder die Bäuerin in ihrer traditonellen Tracht, die dem<br />

Kopisten rechts über die Schulter schaut.<br />

403 Für die Arbeit an dem Bild auf der Staffelei wäre das ausgesprochen unpraktisch.<br />

404 Dennoch würde dieser Hinweis wohl von den meisten der dargestellten Besucher unbemerkt bleiben<br />

236


allegorische Weise geschieht - ist eine solche selbstreferentielle Anspielung auf das Medium<br />

der Malerei in der Malerei in den Beispielen des 18. und besonders des 19. Jahrhunderts nur<br />

ausgesprochen selten auszumachen. 405<br />

LIEBELEI IM MUSEUM. In Paul Bourgets Roman »Mensonges« von 1887 ist das Museum ledig-<br />

lich Mittel zum Zweck. Die Protagonistin verabredet sich mit ihrem Bewunderer im Louvre,<br />

“[…] feignant”, so heißt es in einer Zusammenfassung, “de s’y rendre régulièrement.” 406 Den<br />

Ort der Kunst, der Bildung und der Kultur weiß sie für ihre völlig andersartigen Ziele<br />

einzusetzen, er dient ihr nicht nur als vermeintlich neutraler, unverfänglicher Treffpunkt für<br />

das Rendez-vous - als “alibi culturel” - 407 , sondern auch als ideale Bühne für die Selbstinsze-<br />

nierung.<br />

“Devant les œuvres, elle sait d’instinct trouver les poses qui conviennent, témoignant du »goût<br />

esthétique le plus raffiné«, alors même qu’elle ne songe qu’au moyen d’amener son compagnon à lui déclarer<br />

sa flamme. […] Ignorant tout du musée, la femme du monde a su en jouer avec une surprenante<br />

aisance, pour en tirer le parti qui lui convenait.” 408<br />

So eindeutig wie in diesem Roman sind die Vorstellungen und Beweggründe der Muse-<br />

umsbesucher in bildlichen Darstellungen natürlich nicht einmal annäherungsweise geschil-<br />

dert, doch es finden sich im 19. Jahrhundert 409 durchaus auch Beispiele, in denen die Auf-<br />

merksamkeit der zentralen Personen im gezeigten Moment allenfalls beiläufig auf die Kunst<br />

und vorrangig auf die - oder eine - Person in ihrer unmittelbaren Nähe gerichtet ist. 410 Ge-<br />

meinsam ist diesen Darstellungen zudem, daß sie meist, wie auch die Szene in »Mensonges«,<br />

in relativ selten frequentierten Räumen ‘angesiedelt’ sind, also etwa in Antiken- oder Skulp-<br />

turensälen, in denen eher als in den Gemäldesälen auf eine gewisse Ungestörtheit gehofft<br />

werden kann. 411<br />

405 Abgesehen davon, daß man natürlich strenggenommen nahezu jedes Bild-im-Bild als solch eine Anspielung<br />

verstehen könnte.<br />

406 Luce Abélès: “Roman, musée”, in: La Jeunesse Des Musées... (siehe Anm. 3). (S. 316 - 325) S. 320.<br />

407 Ibid.<br />

408 Ibid.<br />

409 Allerdings, so scheint es, erst im letzten Viertel desselben.<br />

410 Schon im 17. Jahrhundert waren Beispiele auszumachen, in denen einige Galeriebesucher amouröse Interessen<br />

aneinander vermuten ließen: die gemalte Galerie von Hans III Jordaens und Cornelis de Baellieur in Salzburg (ABB.<br />

I 330), J. M. Bretschneiders Gemäldegalerie mit den drei Globen in Bamberg (ABB. II 20, vgl. S. 84) oder das vorne<br />

am Tisch lehnende Bild-im-Bild in Hieronymus Franckens sogenannter »Galerie des Jan Snellinck« (ABB, I 170).<br />

Für das 18. Jahrhundert ist von den hier besprochenen Beispielen in diesem Zusammenhang wohl nur die anonyme<br />

Radierung »Spectators at a Print-Shop in St. Pauls Church Yard« zu nennen (ABB. II 420).<br />

411 Vgl. dazu auch eine der besprochenen Salonkarikaturen Daumiers (ABB. III 150), in der u. a. das geringere<br />

Interesse des Publikums an Skulpturen thematisiert wird: in der Bildunterschrift heißt es: “_ Moi ce que j’aime dans<br />

la salle de sculpture, c’est qu’on est toujours sûr d’y trouver un banc pour s’asseoir! ...” (Le Charivari vom 13. 6. 1864.<br />

D. 3291; H. D. 1557.).<br />

237


In Jules Gassons »Au Louvre« etwa versucht ein Offizier anscheinend gerade, mit einer<br />

jungen Frau anzubändeln (ABB. III 760). 412 Wie seine betont lässig hinter sich weisende Zeige-<br />

geste mit dem Daumen vermuten läßt, macht er eine - womöglich ein wenig anzügliche -<br />

Bemerkung über die lebensgroße, antike ‘weibliche’ Aktskulptur, 413 an deren Absperrung die<br />

Frau steht. Obschon sie ihm den Rücken zugewandt hat, ist sie seinen Avancen gegenüber<br />

offensichtlich nicht abgeneigt, wie der leicht zu ihm gedrehte Kopf und ihr Gesichtsausdruck<br />

verraten. 414 Als Ausblick auf eine mögliche Zukunft könnte man das ältere Paar hinten links<br />

verstehen: während sie, bei ihm eingehakt, bereits - oder nach wie vor - von ihm abgewendet<br />

in Marschrichtung steht, interessiert er sich noch für die Qualitäten, nicht unbedingt nur die<br />

künstlerischen, des besagten Aktes.<br />

James Jacques Joseph Tissot (1836 - 1902) zeigt in »L’Esthétique« ein Paar, das sich offenbar<br />

schon etwas nähersteht (ABB. III 770). 415 Die beiden haben sich auf eine Sitzgelegenheit in<br />

einer ein wenig sichtgeschützten Fensternische zurückgezogen. Im Moment allerdings, so<br />

scheint es, sitzen sie nur stumm beieinander. Sie hat die Hände in den Schoß gelegt, den Kopf<br />

leicht zu ihm gedreht und sieht wie in Gedanken vor sich hin, vielleicht auch aus den Augen-<br />

winkeln zu ihm. Er schaut mit leerem Blick aus dem Bild, leicht vorgebeugt, den linken<br />

Ellbogen in die eine und das Kinn in die andere Hand gestützt, spielt sein kleiner Finger mit<br />

den Lippen. 416 Gründe für das Schweigen mögen natürlich Unstimmigkeiten zwischen den<br />

beiden sein oder Unsicherheiten darüber, wie man sich dem anderen gegenüber geben soll,<br />

doch ist hier wohl insbesondere die Gegenwart einer dritten Person, einer Malerin, in ihrer<br />

unmittelbaren Nähe in Betracht zu ziehen; 417 auch wenn es der offensichtlich einzig darum<br />

geht, die Büste rechts in der Nische in ihr Medium zu übersetzen, stört sie unweigerlich die<br />

Zweisamkeit des Paares. Der Titel des Bildes ist in diesem Zusammenhang wohl als ironische<br />

Anspielung auf die - zumindest momentan - gänzlich anders gearteten Interessen der beiden<br />

Hauptpersonen zu verstehen.<br />

In einem Aquarell von Paul Pujol schließlich ist ein Paar dargestellt, das gänzlich unge-<br />

stört von der Anwesenheit anderer Besucher an der Absperrung einer kolossalen antiken<br />

412 1880. Collection J.-J. Marquet de Vasselot.<br />

413 Es handelt sich wohl um eine Karyatidenfigur (mittlerweile ohne Kopf und Arme), auch wenn das offenbar keineswegs<br />

auf alle hier, in der Salle des Caryatides, aufgestellten Werke zutrifft.<br />

414 In einem Bild von Guillaume Larrue (ABB. III 761) hingegen wirkt die anscheinend ebenfalls angesprochene<br />

Dame sehr kühl und abweisend.<br />

415 ca. 1883 - 85. Museo de Arte de Ponce, Porto Rico (Brasilien), The Luis A. Ferre Foundation, Inc.<br />

416 Angesichts dieser Figuren erscheint es meiner Ansicht nach recht fragwürdig, wenn Luce Abélès (siehe Anm. 407)<br />

ausgerechnet dieses Bild im Zusammenhang mit der Museumsszene aus »Mensonges« (s. o.) anführt.<br />

417 Hier mag man etwa einwenden, daß sie ob ihrer sperrigen Utensilien kaum völlig unbemerkt auf den Plan<br />

getreten sein kann, sprich, daß das Paar in diesem Fall Zeit gehabt hätte sich zu entfernen, Doch auch dafür ließen<br />

sich wohl Erklärungen finden, z. B., daß die Malerin erst im nachhinein zu ihrem verwaisten Platz zurückgekehrt<br />

ist, oder, daß das Paar den rechten Augenblick zu gehen verpaßt hat.<br />

238


Schale in der Mitte der Rotonde d’Apollon des Louvre beieinandersteht (ABB. III 780). 418 Der<br />

Mann stützt sich leicht vorgebeugt auf das Geländer, die Beine hat er leger überkreuzt und<br />

seinen Aktenkoffer (?) oder auch Malkasten rechts von sich auf dem Boden abgestellt. Sein<br />

Blick dürfte geradeaus, in etwa auf den Sockel der Schale gerichtet sein, in jedem Fall aber<br />

schaut er nicht zu seiner Begleiterin, er schenkt ihr allenfalls Gehör. Sie steht dicht bei ihm.<br />

Mit dem Rücken an die Absperrung gelehnt hat sie den Kopf zu ihm gedreht und sieht ihn<br />

sehr ernst oder gar traurig an. In ihrer Rechten hält sie eine großformatige Tasche, was<br />

zusammen mit Gesichtsausdruck und Blickrichtung den Eindruck erweckt, als sie sei bereit zu<br />

gehen, warte aber doch noch auf ein Zeichen von ihm, daß sie bleiben solle.<br />

Anders als Bourget seiner Romanheldin mag man geneigt sein, den Hauptfiguren in<br />

diesen Beispielen zumindest ein Grundinteresse für die präsentierten Werke zu unterstellen,<br />

anzunehmen, daß das Museum ihnen nicht ausschließlich Vorwand ist. Indessen ist festzuhalten,<br />

daß der Musentempel hier - um einiges deutlicher als noch bei Joseph Dauphin - 419<br />

als losgelöst von der vorgesehenen Funktion der Kunstvermittlung, eben als Teil des öffent-<br />

lichen Raums gezeigt wird. Es ist ein Ort zum Kennenlernen, ein wetterunabhängiger Treff-<br />

punkt, der nicht nur ein erhebendes Ambiente bietet und notfalls Gesprächsstoff für Mo-<br />

mente unangenehmer Stille bereithält, sondern der darüberhinaus öffentlich 420 ist und<br />

gleichwohl eine gewisse Ruhe und Privatheit verspricht. 421<br />

VERGEGENWÄRTIGUNG. Eher im Einklang mit den Zielen eines Museums ist das Verhalten der<br />

Besucher im folgenden Gemälde von Edward R. Taylor (1838 - 1911) aus dem Jahr 1883 (ABB. III<br />

790). 422 In einem deutlich ausschnitthaft wiedergegebenen Bildersaal stehen zwei Matrosen<br />

anscheinend vor der Darstellung einer Seeschlacht, frontal, mit jeweils beiden Händen auf<br />

dem - offensichtlich überall vor den Schauwänden als Absperrung angebrachten - Geländer.<br />

Dabei ist ihr Blick allerdings nicht auf das Gemälde, sondern auf einen uniformierten Alten<br />

mit einem schlohweißem Bart gerichtet, der sie ansieht und, während seine Rechte auf das<br />

Bild weist, zu ihnen spricht. Es macht den Eindruck, als sei der Alte, der sich auf seinen Geh-<br />

stock stützt, ein Veteran, der den jungen Spunden von den früheren Zeiten erzählt. In diese<br />

418 1889. Privatsammlung.<br />

419 ABB. III 690.<br />

420 Das heißt zum einen öffentlich zugänglich und zum anderen Öffentlichkeit und damit sozusagen Schicklichkeit<br />

für ein Rendez-vous produzierend.<br />

421 Bezugnehmend auf Wilhelm von Bodes Biographie schreibt Sheehan, daß jener sich gegen abendliche Öffnungszeiten<br />

ausgesprochen habe, denn “[…] die einzigen Leute, die man am Abend erwarten konnte, waren, so meinte<br />

er, junge Liebende, die nach einem warmen und ruhigen Ort für ein Rendevous suchten.” James J. Sheehan: Geschichte<br />

der deutschen Kunstmuseen... (siehe Anm. 282). S. 181.<br />

422 Öl auf Leinwand, 79,3 x 121,8 cm. Birmingham City Museums and Art Gallery.<br />

239


Richtung deutet auch der Titel des Gemäldes: »‘Twas a famous Victory«, 423 der durch den<br />

ausgelassenen Anfangsvokal wohl als Auszug aus einer wörtlichen Rede gekennzeichnet ist<br />

und darüberhinaus nahelegt, daß es diesen Besuchern nicht um ästhetische oder künstleri-<br />

sche Qualitäten geht; für eine solche Motivation käme vielleicht der Mann im Durchblick in<br />

Frage, der sich einem großformatigen Portrait anscheinend gerade mit einer Sehhilfe nähert -<br />

das zumindest läßt die etwa auf die Höhe seiner Augen gehobene rechte Hand annehmen.<br />

Das Museum, so könnte man die genrehafte Szene im Vordergrund verstehen, wird hier als<br />

ein - zumindest in dieser Funktion auch angenommener - Ort der Vergegenwärtigung von<br />

Geschichte gezeigt. 424<br />

ÜBERMANNT. Eine, wenn man so will, ganz andere Form der Vergegenwärtigung, weitab von<br />

den Zielen der musealen Kunstvermittlung, führt Edouard-Antoine Marsal (1845 - ?) in<br />

»Satyre et Bacchante« vor (ABB. III 800). 425 In diesem Gemälde läßt sich ein einzelner, älterer<br />

Herr dazu hinreißen, die Büste einer Bacchantin nicht nur zu berühren, sondern gar zu küs-<br />

sen. 426 Allerdings geht er recht behutsam vor - jedenfalls nicht so ungestüm, wie es einen sei-<br />

ne Gleichsetzung mit einem Satyr im Titel annehmen lassen könnte: die Hände mit Stock, Zy-<br />

linder und Museumsführer(?) hinter seinem Rücken hat er sich in Schrittstellung leicht vor-<br />

gebeugt und schmiegt sich, die Lippen gespitzt, vorsichtig an die Wange der steinernen<br />

Schönen, ohne daß sie drohte, dabei von ihrem Podest gestoßen zu werden.<br />

Anders als bei Rowlandsons lüstern dreinblickenden »Kunstkennern« (ABB. II 280) oder<br />

den jungen Soldaten in einer Salonkarikatur von Pif (ABB. III 161), die von der Aufsicht wis-<br />

sen wollen, wo der Saal mit den nackten Damen ist, ist eine sexuelle Motivation bei diesem<br />

Herrn zumindest nicht so offensichtlich. Man könnte sich durchaus vorstellen, daß es bei-<br />

spielsweise die Erinnerung an eine alte Liebe ist, die ihn - sentimental - überkommen hat.<br />

Wie dem auch sei, seine offenbar auf gesellschaftliches Ansehen ausgerichtete Erscheinung<br />

läßt vermuten, daß er diesen Kuß im Nachhinein als ein wenig beschämend empfinden wird,<br />

spätestens wohl dann, wenn ihm klar wird, daß sein Tun nicht unbeobachtet geblieben ist.<br />

Hinten rechts nämlich befindet sich eine elegant gekleidete Frau, die ihren Kopf zu ihm um-<br />

gewendet hat. Sie amüsiert sich sichtlich - und man meint mit einem gewissen Wohlwollen -<br />

423 Sofern er denn vom Maler stammt, ansonsten bestätigt er immerhin den von mir beschriebenen Eindruck.<br />

424 Eine vergleichbare Szene zeigt Thomas Davidson in einem Gemälde mit vielsagenden Titel »England’s Pride<br />

and Glory« (ABB. III 791 (Ausschnitt)).<br />

425 1887. Öl auf Leinwand, 55 x 46 cm. Musée Paul Valéry, Sète (Don de l’auteur 1891).<br />

426 Ein ähnlicher Impuls mag wohl auch einigen der früher angefürten ‘Kunstbetrachter’ nicht ganz fremd sein, vom<br />

Gedanken zur Tat aber ist in den mir bekannten Darstellungen bislang keiner geschritten.<br />

240


427 über ihn, versucht jedoch anstandshalber das zu verbergen, indem sie ein aufgeschlagenes<br />

Büchlein vor ihren Mund hält. Indessen interessiert sich der in Rückenansicht wiederge-<br />

gebene Mann unmittelbar rechts von dieser Frau nur für die Gemälde an der Wand - dabei<br />

spricht der Umstand, daß sie ihn nicht auf den seltsamen Alten aufmerksam macht, ebenso<br />

wie seine zwar ordentliche, aber im Vergleich mit der ihren schlichte Kleidung dafür, daß sie<br />

sich nicht kennen und nur zufällig so nah beieinander stehen.<br />

Marsal beläßt es nun nicht dabei, diese genrehafte Szene vor dem Hintergrund einiger nur<br />

grob angedeuteter Kunstwerke vorzuführen. Er schildert diesen Hintergrund vielmehr mit<br />

einer gewissen Ausführlichkeit, nicht nur die Bilder-im-Bild, sondern auch ihre verschieden<br />

verzierten Rahmen und selbst einige Spiegelungen auf den Verglasungen der beiden Gra-<br />

phiken vorne links sind deutlich zu erkennen. Darin mag man die Eitelkeit des Malers sehen,<br />

der seine Fertigkeiten demonstriert, doch solche Detailliertheit steigert darüberhinaus den<br />

Eindruck der Authentizität der eigentlichen Handlung. Auch verortet sie letztere ein wenig<br />

genauer. Der - nur sehr ausschnitthaft dargestellte - Raum, wirkt als sei er Teil eines Hauses<br />

mit recht beschränkten Mitteln, 428 das zudem nur ‘lieblos’ geführt wird: dafür sprechen neben<br />

der allenfalls zweitrangigen Qualität der ausgestellten Kunstwerke - die allerdings erst durch<br />

eine akkurate Wiedergabe zutage treten kann - das ausgesprochen nachlässige Arrangement<br />

derselben, 429 die sehr schlichte Deckenkonstruktion sowie der Umstand, daß hier eine ein-<br />

fache Straßenbank und nicht ein elegantes Polstermöbel als Sitzgelegenheit dient. Marsal zeigt<br />

seinen ältlichen ‘Satyr’, so macht es den Eindruck, in einem recht trostlosen Museum in der<br />

Provinz, das wohl nie bessere Tage gesehen hat.<br />

- v -<br />

RESÜMEE<br />

Schon im 18. Jahrhundert war das Motiv des Kunstbetrachters durch sein gehäuftes Auf-<br />

tauchen im Zusammenhang mit dem Kunsthandel und vor allem mit Ausstellungen der<br />

‘exklusiven Öffentlichkeit’ der Privatsammlungen entwachsen. Zu diesen Orten und Insti-<br />

tutionen der Kunstbetrachtung kam nun im 19. Jahrhundert noch das als Volksbildungsstätte<br />

propagierte Museum hinzu. Dadurch erhielt die Ver-Öffentlichung von Kunst und - indirekt-<br />

427 So etwas wie Empörung ist jedenfalls nicht auszumachen.<br />

428 Daß es sich tatsächlich um ein Museum handelt, entnehme ich dem Ausstellungskatalog La Jeunesse des Musée<br />

((siehe Anm. 3). S. 349 u.373.), der dieses Gemälde im Kapitel “Le musée et ses visiteurs” anführt.<br />

429 Kleine Bilder hängen teilweise ganz oben oder zwei Gemälde ungefähr gleicher Breite, links hinten, sind nicht<br />

etwa mittig übereinander arrangiert, sondern so, daß sie genau die Rahmenbreite gegeneinander verschoben sind.<br />

241


auch das besagte Motiv nochmals einen beträchtlichen Schub. 430 Denn wie die Ausstellungen<br />

seit dem 18. Jahrhundert wurde dieses Angebot anscheinend von Personen aus allen Teilen<br />

der Bevölkerung genutzt - wenn auch wohl nicht überall und mit ganz unterschiedlichen<br />

Beweggründen und Interessen.<br />

Einigen zeitgenössischen Texten ist zu entnehmen, daß die Vertreter der unteren Schich-<br />

ten mehrfach Mißfallen erregten durch ‘unangemessenes’ Verhalten und bisweilen wohl<br />

durch ihre bloße Anwesenheit - zudem in unerwartet großer Zahl. 431 Das aber steht, ähnlich<br />

wie schon im vorangegangenen Kapitel, in einer gewissen Diskrepanz zu den bildlichen Dar-<br />

stellungen. In denen nämlich scheint das einfache Volk relativ selten aufzutauchen, ganz zu<br />

schweigen von Schilderungen eklatanten Mißverhaltens. 432 Zwar mag man von einer ge-<br />

wissen Übertreibung in einem Teil der Texte ausgehen, doch an der grundsätzlichen Aussage<br />

besteht wohl kaum ein Zweifel. So bleiben zwei Möglichkeiten: entweder das Publikum wird<br />

in den Darstellungen im Hinblick auf seine Zusammensetzung ‘geschönt’ oder für das<br />

heutige Auge sind die - womöglich ‘herausgeputzten’ - Personen aus den unteren Schichten<br />

nicht ohne weiteres als solche zu erkennen. Zu entscheiden aber ist das, wenn überhaupt, nur<br />

im Einzelfall und nicht ohne detaillierte Recherchen zu der jeweiligen, zeitlich und örtlich<br />

sehr beschränkt gültigen Kleiderordnung. 433<br />

Gleichwohl gewinnt man den Eindruck, daß das einfache Volk um einiges häufiger in<br />

Verbindung mit der Betrachtung von Kunstwerken gezeigt wird als noch im 18. Jahrhundert.<br />

Das Spektrum reicht von - mal mehr, mal weniger wohlwollend - karikierenden Darstellungen,<br />

434 über eher neutrale, die wohl weitgehend zu beobachtende Realität dokumentieren, 435<br />

bis hin zu solchen, die wie T. P. Halls »One Touch of Nature makes the whole World Kin« 436<br />

offensichtlich Idealzustände formulieren. 437<br />

Das Motiv des Kunstbetrachters findet sich im 19. Jahrhundert in der bisher wohl größten<br />

430 Selbst wenn die entsprechenden Zahlen für Frankreich sicher nicht ohne weiteres auf andere Länder zu<br />

übertragen sind, sei daran erinnert, daß dort aus der “quinzaine de musée” vom Anfang des Jahrhunderts an dessen<br />

Ende nahezu 600 geworden waren. Vgl. Chantal Georgel: “Premiers muséums, premiers hommes: la formation initiale<br />

des collections”, in: La Jeunesse Des Musées... (siehe Anm. 3). (S. 19 - 35) S. 19.<br />

431 So wurde in der Folge mancherorts versucht, diesen Teil des Publikums etwa durch die Erhebung eines Eintrittsgelds<br />

oder entsprechende Öffnungszeiten fernzuhalten.<br />

In diesem Zusammenhang mag man auch einige Ansichten von Kunsthandlungen als werbestrategische Bekenntnisse<br />

zur Exklusivität deuten (ABB. III 290 u. III 300).<br />

432 Marsals ‘Satyr’ ist zum einen wohl eine Ausnahme und zum anderen dürfte er zumindest dem gehobenen<br />

Mittelstand entstammen.<br />

433 Hierzu vgl. Anm. 304.<br />

434 Etwa ABB. III 721.<br />

435 Vgl. etwa ABB. III 720 u. III 730.<br />

436 ABB. III 280.<br />

437 Allerdings ist hier nochmals zu betonen, daß die gezeigte, einträchtige ständische Durchmischung sich draußen<br />

vor der Kunsthandlung abspielt, nicht in deren Inneren. Dort scheint man sich die Exklusivität erhalten zu wollen.<br />

242


Vielgestaltigkeit. Zu dem Umstand, daß die Maler und Zeichner nun in bezug auf die ge-<br />

sellschaftliche Zusammensetzung des Publikums weitgehend ‘aus dem Vollen schöpfen’<br />

können, kommt noch ihr weiterhin wachsendes Interesse am Besonderen, an den indivi-<br />

duellen oder gar skurrilen Verhaltensweisen, welche die Zeitgenossen bei der Beschäftigung<br />

mit Kunst bisweilen ‘an den Tag legen’. Das heißt auch, daß deutlicher als früher gezeigt wird,<br />

wie bei der Nutzung der Orte und Institutionen der Rezeption von Kunst ausgerechnet letz-<br />

tere teilweise nicht oder nur beiläufig beachtet wird. 438 Insbesondere das Museum ist hier zu<br />

nennen. Es erscheint mehrfach als eine Erweiterung des öffentlichen Raums: vergleichbar mit<br />

einem Park, dessen Atmosphäre man genießen kann, ohne sich ungedingt an den einzelnen<br />

Pflanzen zu erfreuen, ist es ein Ort zum Kennenlernen, ein Treffpunkt für Verliebte oder<br />

auch eine ‘Zufluchtstätte’ für Mütter mit Kindern. 439<br />

Repräsentativ auf den realen Betrachter ausgerichtete Portraits finden sich nur noch ver-<br />

einzelt - meist handelt es sich dann um prominente Besucher von Ausstellungen. 440 Zwar<br />

gibt es durchaus auch eine Reihe von Schilderungen stattlicher und tatsächlich existierender<br />

Sammlungsräume, doch die stolzen Besitzer sucht man darin vergeblich. 441 Vorbildlich<br />

agierende Kunstbetrachter sind zahlreich auszumachen, aber häufig gehen sie in der Gesamt-<br />

darstellung unter oder kommen über die Staffagefunktion nicht hinaus. Deutlich heraus-<br />

gehobene Identifikationsfiguren hingegen, die Idealverhalten demonstrieren sollen, werden<br />

eher selten vorgeführt. 442<br />

In ihrer Gesamtheit haben die Beispiele des 19. Jahrhunderts - dezidierter noch als die des<br />

18. - einen deskriptiven Charakter, im Unterschied zu einem präskriptiven oder überhöhend<br />

repräsentativen; der beobachtende Blick ist dabei allerdings nicht immer strikt sachlich und<br />

nüchtern, sondern neigt gelegentlich zu leichter, meist wohlwollender Überzeichnung und<br />

hat eine gewisse Vorliebe für das Merkwürdige und das Anekdotische.<br />

438 Immerhins fanden sich auch schon im 17. und 18. Jahrhundert Beispiele, in denen ein die Kunstbetrachtung<br />

begleitender amouröser Subtext vermutet werden konnte oder ein stark sexuell geprägtes Interesse an mancher<br />

Darstellung.<br />

439 Das ist es in gewisser Weise bei Zola auch für die weitgehend mittellose Hochzeitsgesellschaft, die aufgrund<br />

des schlechten Wetters doch lieber Abstand von der geplanten Landpartie macht und sich schließlich - erst nach<br />

längerem Überlegen und einigem Zureden - zu einen Besuch im Louvre entschließt. Emile Zola: Der Totschläger.<br />

(siehe Anm. 389). S. 94ff.<br />

440 Etwa ABB. III 210.<br />

441 Immerhin läßt sich der Kunsthändler William Agnews in der Ansicht seiner neuen Geschäfträume entsprechend<br />

wiedergeben (ABB. III 300).<br />

In diesem Zusammenhang ist nochmals darauf hinzuweisen, daß insbesondere in den Darstellungen von Privatsammlungen<br />

- wie auch in jenen von Museen - der Raum in seiner architektonischen Gestaltung enorm an Bedeutung<br />

gewinnt. Natürlich trat er auch schon zuvor bisweilen in Erscheinung, meist aber blieb er sozusagen unterhalb der<br />

Wahrnehmungsschwelle. Er wurde gewissermaßen von den beiden anderen Elementen, sprich dem Personal und den<br />

Kunstwerken, verdeckt. Erst jetzt schließt er auf und wird als eigenständige Komponente erkennbar.<br />

442 Etwa ABB. III 230 oder - zurückhaltender - III 550.<br />

243


SCHLUSS


Nach dieser ‘Grand Tour’ durch die Jahrhunderte läßt sich zum Bild des Kunst-betrachters<br />

zusammenfassend folgendes festhalten: Die ersten, noch sehr versprengten Darstellungen, die<br />

hier als solche von Kunstbetrachtern gedeutet wurden, stammen aus dem 15. Jahrhundert.<br />

Selbst wenn es tatsächlich keine entscheidend früheren Beispiele vergleichbarer Art gegeben<br />

haben sollte, ist wohl davon auszugehen, daß die - letztlich nur zu unterstellende - Haltung ei-<br />

nes ästhetischen Interesses an den betrachteten Werken ihre Anfänge bereits einige Zeit<br />

zuvor genommen hatte; denn sie wird kaum ohne eine gewisse Verbreitung als bildwürdig<br />

erachtet worden sein. Im 16. Jahrhundert taucht das Motiv zwar offenbar zahlreicher auf,<br />

doch kann man auch hier eigentlich nur von vereinzelten Beispielen sprechen.<br />

Erst im 17. Jahrhundert finden sich Darstellungen von Kunstbetrachtern in einer sichtlichen<br />

Häufung. Indessen bleiben sie bemerkenswerterweise weitgehend auf Antwerpen bzw. auf<br />

Künstler, die daher stammen oder dort ausgebildet wurden, beschränkt. 1 Zudem ist das Motiv<br />

fast ausschließlich in Schilderungen von privaten Kunstkammern - meist in einem offen-<br />

sichtlich gehobenen bürgerlichen Umfeld - auszumachen. Anders als man meinen könnte,<br />

handelt es sich bei den gemalten Galerien allerdings zunächst nicht um Ansichten damals be-<br />

stehender Sammlungen, sondern um Idealbilder einer auf Wissen und Erkenntnis ausge-<br />

richteten Beschäftigung mit den versammelten Gegenständen. Dabei wird, mal mehr, mal<br />

weniger deutlich, die Gottgefälligkeit derartigen Tuns veranschaulicht. Doch es ist zu betonen,<br />

daß die Bilder-im-Bild allein durch das Nebeneinander religöser und profaner Sujets, sowie<br />

verschiedener Gattungen sehr augenfällig ebenfalls ein kennerschaftliches Interesse an ihnen<br />

nahelegen.<br />

Ansichten tatsächlich existierender Sammlungen finden sich im 17. Jahrhundert nur re-<br />

lativ selten. In diesen verdichtenden und sicher meist idealisierenden ‘Portraits’ einzelner<br />

Galerieräume steht zweifellos die Repräsentation des stolzen Sammlers im Vordergrund, der<br />

nicht nur sein Vermögen, sondern auch und wohl vor allem seinen erlesenen Kunstge-<br />

schmack vorführt.<br />

Die Ernst- und Bedeutungshaftigkeit dieser ersten beiden Grundtypen von Galeriebildern<br />

wird in einem dritten, der anscheinend etwa in der zweiten Hälfte der 1630er Jahre erstmals<br />

auftaucht, ein wenig gebrochen. Es sind Beispiele, in denen die Personen den präsentierten<br />

Kunstwerken ein eher beiläufiges Interesse entgegenbringen. Die Beschäftigung mit den<br />

Sammlungsstücken wird von ihnen, so macht es den Eindruck, in erster Linie als eine - von<br />

1 Die bisher einzige Erklärung dafür ist ein besonderes Umfeld, ein geistiges und gesellschaftliches Klima, das in<br />

Antwerpen anscheinend herrschte. Dazu vgl. Kap. I, ii (S. 27).<br />

247


mehreren - Arten des Zeitvertreibs gesehen und nicht als ein Weg, zu Gelehrsamkeit und<br />

Erkenntnis zu gelangen.<br />

Im 18. Jahrhundert ergeben sich eine Reihe von Veränderungen für das Motiv des Kunst-<br />

betrachters. Zu den Darstellungen von - jetzt weitgehend tatsächlich bestehenden - Samm-<br />

lungen kommen verstärkt solche vom Kunsthandel 2 und von den immer zahlreicher wer-<br />

denden Ausstellungen hinzu. Damit einher geht eine deutliche geographische Verbreitung.<br />

Die wohl wichtigsten Orte in diesem Zusammenhang sind Paris, London und Rom. 3 Abge-<br />

sehen davon handelt es sich bei den Darstellungen, anders als noch im vorangegangenen Jahr-<br />

hundert, nicht mehr nur gelegentlich, sondern größtenteils um Graphiken. Vor allem in die-<br />

sem Medium wird das Motiv nun weiterentwickelt. So konnte man schneller, also zeitnah an<br />

den wiedergegebenen Ereignissen, und für ein breiteres Publikum produzieren. Dieser Um-<br />

stand dürfte neben den zahlreichen Salonkritiken mit beigetragen haben zu der erheblichen<br />

Popularität der Ausstellungen - zunächst insbesondere in Paris - und damit auch zu einem<br />

entscheidenden Schritt im Prozeß der Ver-Öffentlichung von Kunst. Bemerkenswerterweise<br />

allerdings wird ein wichtiges Moment dieser Entwicklung, sprich das Auftauchen von Ver-<br />

tretern der unteren Schichten in den einschlägigen Veranstaltungen, zwar in zeitgenössi-<br />

schen Texten zum Pariser Salon deutlich thematisiert, doch in entsprechenden bildlichen<br />

Darstellungen bleibt es anscheinend weitgehend unberücksichtigt.<br />

In Verbindung mit den genannten Veränderungen ist auch eine größere Vielgestaltigkeit<br />

der Beispiele zu verzeichnen. Das gilt vor allem hinsichtlich des Personals, denn die Bilder-<br />

im-Bild werden häufig nurmehr grob angedeutet. 4 Die Betrachter rekrutieren sich - gemessen<br />

an der Realität zwar, wie gesagt, wohl eher selten, aber immerhin - aus einem breiteren gesell-<br />

schaftlichen Spektrum: Patriziat und Adel werden bereichert um Vertreter der mittleren und<br />

bisweilen der unteren Schichten. Außer vorbildhaften Kunstliebhabern, stolzen Sammlern<br />

mit ihren womöglich prestigeträchtigen Gästen und Personen, denen es vornehmlich um<br />

eine lockere, aber gleichwohl gebildete Konversation zu gehen scheint, finden sich nun etwa<br />

auch einfältige Schaulustige oder verschlagene Geschäftemacher bei Austellungen bzw. Auk-<br />

tionen. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang das gesteigerte Interesse der Künstler<br />

für die Eigenheiten und individuellen Verhaltensweisen der dargestellten Charaktere; wobei<br />

die Schilderungen gelegentlich durchaus karikaturistische Züge annehmen können. Diese<br />

2 Ansichten von Kunsthandlungen mag es gelegentlich auch schon in Antwerpen gegeben haben, aber sie waren<br />

nicht oder zumindest nicht eindeutig von den Sammlungsdarstellungen zu unterscheiden.<br />

3 Wobei im Zusammenhang mit Rom oder allgemeiner Italien der Eindruck entsteht, als seien es vor allem<br />

ausländische Künstler, die sich des Motivs annehmen.<br />

4 Die Anverwandlungsfähigkeit des Malers an den Stil anderer Meister, die in den Antwerpener Beispielen des<br />

17. Jahrhunderts eine so große Rolle spielt, verliert offensichtlich stark an Bedeutung.<br />

248


veränderte Aufmerksamkeit ist besonders deutlich in Beispielen zu beobachten, in denen der<br />

Betrachterstandpunkt relativ nah an das Personal herangerückt ist, doch ist sie auch in An-<br />

sichten auszumachen, die - wie das Gros der Antwerpener Vorläufer - eine Totale der ge-<br />

schilderten Galerieräume zeigen. Einen Gegenpol schließlich zu dieser Fokussierung auf das<br />

Personal bilden einige Darstellungen mit reinen Staffagefiguren, die teilweise bis auf die<br />

Funktion der Maßstabsangabe reduziert sind - indessen befördern letztlich auch sie den Ein-<br />

druck einer größeren Variationsbreite.<br />

Verglichen mit den ‘Idealbildern’ des 17. Jahrhunderts ist in den Beispielen des darauffol-<br />

genden 18. Jahrhunderts in ihrer Gesamtheit ein stärker deskriptiver Charakter zu erkennen -<br />

wenn auch sicher kein im engeren Sinn dokumentarischer, denn hier wird durchaus zu-<br />

weilen pointiert, überzeichnet oder gar ‘geschönt’.<br />

Die beschriebenen Entwicklungen und Tendenzen finden im 19 Jahrhundert eine Fort-<br />

führung. Die Ver-Öffentlichung von Kunst wird nochmals erheblich vorangetrieben, 5 jetzt<br />

insbesondere durch die Idee des Museums als Volksbildungsstätte, die sich ausgehend vom<br />

nachrevolutionären Frankreich in Europa verbreitete. Zudem besteht, wie schon zuvor in<br />

Verbindung mit den Ausstellungen, hinsichtlich der Zusammensetzung des Publikums eine<br />

gewisse Diskrepanz zwischen Texten und Bildern: im Vergleich erscheint das einfache Volk<br />

in letzteren sichtlich unterrepräsentiert. Dennoch vermittelt sich insgesamt der Eindruck, daß<br />

Vertreter der unteren Schichten nun häufiger im Zusammenhang mit der Rezeption von<br />

Kunst auftauchen. Dadurch wird die Vielgestaltigkeit des Motivs ebenso gesteigert wie durch<br />

das offensichtlich weiterhin zunehmende Interesse der Künstler an den individuellen und<br />

gelegentlich unkonventionellen oder gar skurrilen Verhaltensweisen der zeitgenössischen Be-<br />

trachter oder allgemeiner Besucher - wobei sich die Ergebnisse auch hier bisweilen durch ein<br />

karikaturistisches oder ein anekdotisches Moment auszeichnen.<br />

In der Zusammenschau der Beispiele des 19. Jahrhunderts erscheint es so, als sei der<br />

deskriptive Charakter abermals intensiviert. Das mag zum Teil an der größeren Zahl von<br />

Buch- und vor allem Zeitungsillustrationen mit ihren deutlich reportagehaften Zügen liegen.<br />

Aber auch andere Faktoren dürften für diesen Eindruck mitverantwortlich sein, so etwa die<br />

sehr nüchternen Ansichten bestehender Sammlungen, in denen man die stolzen Besitzer<br />

meist vergeblich sucht, oder der Umstand, daß sich nur noch selten klar hervorgehobene<br />

Identifikationsfiguren finden, anhand derer tatsächlich Idealverhalten demonstriert wird.<br />

5 So wurden hier auch einige Anichten von sehr exklusiven Kunsthandlungen als Gegenentwurf zu diesen für<br />

manchen offenbar erschreckenden Veränderungen gedeutet.<br />

249


Zum Abschluß sei noch auf einige im Verlauf der Arbeit bereits teilweise angesprochene,<br />

offene Fragen hingewiesen. Zunächst ist das die nach der genaueren gesellschaftlichen Zusam-<br />

mensetzung des Personals in Darstellungen von Kunstbetrachtern, insbesondere in Ansich-<br />

ten von Ausstellungen und Museen. Um dazu Antworten zu liefern, sind umfangreiche<br />

kostümkundliche Recherchen notwendig, bei denen vor allem dem Umstand Rechnung<br />

getragen werden muß, daß eine Kleiderordnung örtlich und zeitlich nur sehr begrenzt gültig<br />

ist. 6 Unmittelbar daran anschließen ließe sich ein detaillierter Vergleich dieser Ergebnisse mit<br />

dem Bild des Publikums, das entsprechenden zeitgenössischen Texten zu entnehmen ist. Da-<br />

bei ist zu hoffen, daß neben literarischen Schilderungen verstärkt auch ähnliche “Besucher-<br />

analysen” - nachgewiesen und - einbezogen werden können, wie sie Geismeier aus Verwal-<br />

tungsberichten der königlichen Bildergalerie in Berlin für die Zeit zwischen 1835 und 1876 erschlossen<br />

hat. 7<br />

Naheliegend ist sicherlich auch die Frage nach der Entwicklung des Kunstbetrachtermotivs<br />

im 20. Jahrhundert. In der Malerei scheint es nur noch vereinzelt aufzutauchen. In der Gra-<br />

phik hingegen, d. h. vor allem in Karikaturen und später auch in Comics, 8 wird es mit einer<br />

gewissen Regelmäßigkeit aufgegriffen. Fündig wird man insbesondere auch in neueren<br />

Medien. In der Fotographie z. B. ist die Rezeption von Kunst ein sehr beständiges Sujet. 9 Hier<br />

finden sich nüchtern dokumentarische Aufnahmen sowie mehr oder weniger geistreiche<br />

Gag-Fotos, die amüsante formale oder inhaltliche Parallelen bzw. Gegensätze zwischen<br />

präsentierten Werken und einzelnen Betrachtern festhalten - etwa eine Nonne vor dem Ge-<br />

mälde eines nackten Jünglings. 10 Auch im Film begegnet man relativ häufig Besuchern von<br />

Sammlungen, Ausstellungen oder Museen. 11 Ähnlich wie im Zusammenhang mit der schö-<br />

nen Literatur allerdings ist zu bedenken, daß die fraglichen Szenen vorrangig im Dienst der Er-<br />

zählung stehen. Sie helfen die Personen zu charakterisieren oder die Handlung voranzu-<br />

6 In diesem Zusammenhang sei an ein Zitat aus Zolas »L’Assomoir« erinnert: “Aber vor allem die Hüte der Herren<br />

erregten Heiterkeit, alte aufbewahrte Hüte […] mit komischen, hohen, ausgeweiteten, spitz zulaufenden Formen,<br />

ungewöhnlichen, aufgestülpten, flachen, zu breiten oder zu schmalen Krempen.”Emile Zola: Der Totschläger...<br />

(siehe Anm. 390). S. 96.<br />

7 Irene Geismeier: “Besucheranalyse in der Frühzeit der Museen”, in: Kunstwissenschaftliche Beiträge: Beilage<br />

zur Bildenden Kunst 5 (1981). S. 4- 5.<br />

Nur von begrenzter Ergiebigkeit dürften Besucherbücher sein, da sie aufgrund der wohl geringen Alphabetisierung<br />

der unteren Schichten wahrscheinlich ein verfälschtes Bild zeichnen. Selbst wenn jemand für den täglichen Bedarf<br />

ausreichend lesen und schreiben konnte, heißt das noch nicht, daß er es wagt, sich oder seine Meinung in einem ausliegenden<br />

Besucherbuch zu verewigen.<br />

8 Sehr gerne wird hier die Rezeption von moderner Kunst in Szene gesetzt.<br />

9 Vgl. »Der beobachtete Betrachter« (Ausst., 1989: Mannheimer Kunstverein). Hrsg. v. Friedrich W. Kasten.<br />

Mannheim, 1989.<br />

10 Vgl. ibid. (ohne Seite oder Abbildungsnummer). Hans Peter Heinrichs, »Nonne betrachtet “Das Erwachen”«.<br />

11 Für eine erste hilfreiche Auswahl von Filmen - zudem mit einigen Szenenfotos - vgl. Richard Schönenbach: Bildende<br />

Kunst im Spielfilm: zur Präsentation von Kunst in einem Massenmedium des 20. Jahrhunderts. München, 2000.<br />

250


treiben. Die Betrachtung von Kunst wird oft eher beiläufig geschildert. So drehen sich Ge-<br />

spräche nicht unbedingt um die präsentierten Werke, sondern beispielsweise um Zwischen-<br />

menschliches. Oder ein intensiver Blick in Richtung eines Gemäldes entpuppt sich nach<br />

einem Schnitt als Versuch, die getroffenen Sicherheitsvorkehrungen im Vorfeld eines Dieb-<br />

stahls unauffällig zu inspizieren. Dennoch dürfte eine systematische Auswertung entspre-<br />

chender Szenen wohl sehr interessante Einsichten liefern - für sich allein genommen, aber<br />

auch im Vergleich mit den Ergebnissen dieser Arbeit. Abzuwarten bleibt schließlich, wie sich<br />

das Bild des Kunstbetrachters in den virtuellen Galerien des Cyberspace entwickeln wird.<br />

251


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Winner, Matthias: Die Quellen der Pictura-Allegorien in gemalten Bildergalerien des 17. Jahrhunderts zu<br />

Antwerpen. (Diss.) Köln, 1957. (TS) S. 97.<br />

Winner, Matthias: “Gemalte Kunsttheorie. Zu Gustave Courbets »Allégorie réelle« und der Tradition”, in:<br />

Jahrbuch der Berliner Museen. 4/1962. S.151 - 183.<br />

Wittlin, Alma S.: The Museum. Its History and its Tasks in Education. London, 1949.<br />

Wohlgemuth, Anette: Hororé Daumier - Kunst im Spielgel der Karikatur von 1830 - 1870. (Diss. Münster,<br />

1994) Frankfurt a. M. u.a., 1996.<br />

Wood, Christopher: Victorian Panorama. Paintings of Victorian Life. London, 1976.<br />

Wood, Jeremy: “Raphael Copies and Exemplary Picture Galleries in Mid Eighteenth-Century London”,<br />

in: Zeitschrift für Kunstgeschichte. 62/1999/H.3. S. 394 - 417.<br />

Wrigley, Richard: The Origins of French Art Criticism. From the Ancien Régime to the Restoration.<br />

Oxford, 1993.<br />

De zichtbare wereld. Schilderkunst uit de Gouden Eeuw in Hollands oudste stad. (Ausst., 1992: Dordrechts<br />

Museum). Dordrecht, 1992.<br />

Zöllner, Frank: “Leon Battista Albertis »De pictura«. Die kunsttheoretische und literarische Legitimierung<br />

von Affektübertragung und Kunstgenuss”, in: Georges-Bloch- Jahrbuch. Bd. 4. 1997. S. 23 - 39.<br />

Zola, Emile: Der Totschläger. (Bd. aus: Die Rougon-Macquart. Natur- und Sozialgeschichte einer Familie<br />

unter dem zweiten Kaiserreich. Hrsg. v. Rita Schober.) (4. Aufl.) Berlin, 1970.<br />

Zola, Emile: Das Werk.(Bd. aus: Die Rougon-Macquart. Natur- und Sozialgeschichte einer Familie unter<br />

dem Zweiten Kaiserreich) Hrsg. v. Rita Schober. München, 1976.<br />

Der Zugang zum Kunstwerk: Schatzkammer, Salon, Ausstellung, “Museum”. Bd. 4 der Akten des<br />

XXV. Internationalen Kongresses für Kunstgeschichte: Wien, 4.-10. Sept. 1983 / im Auftr. d. Österr.<br />

Nationalkomitees d. CIHA hrsg. von Hermann Fillitz u. Martina Pippal. Wien; Köln; Graz: 1986. S.<br />

37-41.<br />

Zühlke, Bärbel: Christine de Pizan in Text und Bild: zur Selbstdarstellung einer frühhumanistischen Intellektuellen.<br />

Stuttgart; Weimar, 1994.<br />

264


Lebenslauf<br />

Heinrich Silvester Johannes Becker<br />

deutscher Staatsangehöriger, ledig, 1 Kind<br />

- geboren am 08. 02. 1967 in Ulm/ Donau als viertes Kind des Dipl. Volkswirtes Dr. Gerhard<br />

Becker und seiner Frau Gertrud, geborene May<br />

- kath. Grundschule Jesuitenstraße von 1973 bis 1977<br />

- Kaiser-Karls-Gymnasium von 1977 bis 1986 (Abitur)<br />

- seit dem Wintersemester 1986/87 Student der <strong>RWTH</strong>-<strong>Aachen</strong> mit der Fächerkombination<br />

Kunstgeschichte, Baugeschichte, Anglistik (Direktpromotion)<br />

- studentische Hilfskraft in der Bibliothek des Anglistischen Instituts von Oktober 1987 bis<br />

Mai 1992 mit einer mehrmonatigen Unterbrechung während eines Auslandsaufenthalts<br />

(November 1988 - Juni 1989)<br />

- Praktika im Ludwig-Forum für Internationale Kunst (Juli 1991) und im Suermondt-<br />

Ludwig-Museum (April - Dezember 1993, zwei halbe Tage/Woche)<br />

- bezahlte Tätigkeit bei der Stadt <strong>Aachen</strong> im Rahmen des Umzugs des Suermondt-Ludwig-<br />

Museums in den Um- bzw. Neubau Wilhelmstr. (Juni, Juli 1994)<br />

- seit August 1994 Promotion mit mehreren Forschungsaufenthalten in Amsterdam (April,<br />

Mai 1995), London (Januar 1996) und München (März 1996)<br />

- seit Juni 1996 Vater einer Tochter


STUDIEN ZUR IKONOGRAPHIE DES KUNSTBETRACHTERS<br />

im 17., 18. und 19. Jahrhundert<br />

ABBILDUNGEN<br />

Von der Philosophischen Fakultät der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule <strong>Aachen</strong> zur<br />

Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Philosophie genehmigte Dissertation<br />

vorgelegt von<br />

Heinrich Silvester Johannes Becker<br />

aus<br />

Ulm/Donau<br />

Berichter:<br />

Universitätsprofessor Dr. phil. Andreas Beyer<br />

Universitätsprofessor Dr. phil. Theo Buck<br />

Professurvertreter Dr. phil. Alexander Markschies<br />

Tag der mündlichen Prüfung: 21. 01. 2005<br />

Diese Dissertation ist auf den Internetseiten der Hochschulbibliothek online verfügbar


ABB. E 10: Sandro Boticelli, »Portrait des<br />

Giovanni Medici«. Metropolitan Museum of Art,<br />

New York.


ABB. E 20: Simon Marmion, »Altar von Saint-Omer«. Rechter Flügel (Ausschnitt). 1453 - 59. Holz.<br />

Staatliche Museen-Preußischer Kulturbesitz (SMPK), Gemäldegalerie, Berlin.<br />

ABB. E 20a: Detail aus ABB. E 20.


ABB. E 20b: Detail aus ABB. E 20.<br />

ABB. E 30: Simon Marmion, »Altar von Saint-Omer«. Linker Flügel (Ausschnitt). 1453 - 59. Holz. Staatliche<br />

Museen-Preußischer Kulturbesitz (SMPK), Gemäldegalerie, Berlin.


ABB. E 30a: Detail aus ABB. E 30.


ABB. E 40: Cité-des-Dames-Werkstatt, »Christine betrachtet<br />

Malereien im Schloß Fortunas«. Kurz nach 1410. Bayrische<br />

Staatsbibliothek, München. Ms. gall. 11 [Christine de Pizan: Livre<br />

de la Mutacion de Fortune ], fol. 53.


ABB. E 45: Hans Burgkmair d.Ä., »Kaiser Maximilian in der Werkstatt des<br />

Künstlers«, Holzschnitt aus »Der Weißkuning« (1514 - 1516).<br />

22 x 19,7 cm.<br />

ABB. E 50: Pieter Brueghels d.Ä., »Maler und Kenner« Um 1565,<br />

Feder in Bister, 25 x 21,6 cm, Graphische Sammlung Albertina,<br />

Wien.


ABB. E 60: Giorgio Vasari, »Apelles und der Schuster«. Zwischen 1569 und 1573. Casa Vasari, Florenz.


ABB. E 61: Frans II Francken, »Apelles und der Schuster«.Um 1610 - 1615.<br />

Kupfer, 28,5 x 22 cm. Staatl. Kunstsammlungen, Schloß Wilhelmshöhe, Gemäldegalerie, Kassel,<br />

Inv.-Nr. GK 78.


ABB. E 70: Francisco da Hollanda, »Statue der<br />

Melpomene in Kardinal Riarios Palazzo S. Giorgio«. Ca.<br />

1539. Bibliothek des Escorial. ABB. E 80: Hendrick Goltzius, »Der Herkules Farnese«. Um 1592.<br />

Kupferstich, 41,8 x 30 cm. ca. 1592. Hamburger Kunsthalle,<br />

Inv.-Nr. 31151.


ABB. E 81: Hendrick Goltzius, »Trofei di Mario«.1591.<br />

Rötelzeichnung, 35,1 x 22 cm. Haarlem.


ABB. E 82: Hendrick Goltzius, »Opus Fidiae« (einer der Dioskuren auf dem Quirinal).<br />

1591. Ausgearbeitete Rötelzeichnung, 45 x 33 cm. Teylers Museum, Haarlem.


ABB. E 90: Hendrick III van Cleve, »Blick in den Belvederehof«. Um 1589. Öl auf Holz, 55,5 x 101,5 cm. Koninklijke Musea voor Schone<br />

Kunsten van België, Brüssel, Inv.-Nr. 6904.


ABB. E 90a: Detail aus ABB. E 90.


ABB. E 100: Hendrick III van Cleve, »Blick in die Gärten des Kardinal Cesi«. Holz, 61,5 x 107cm. Národni Galerie, Prag.


ABB. I 110: Frans II Francken, »Galerieinterieur mit diskutierenden Gelehrten«. 1612. Holz, 89,2 x 109,2 cm, Kunsthandel, de Jonckheere, Paris, 2001.


ABB. I 111: Frans II Francken, »Galerieinterieur mit diskutierenden Gelehrten, ânes iconoclastes und dem auferstandenen Christus«.<br />

Um 1610. Slg. P. de Lande-Long.


ABB. I 112: Frans II Francken, »Galerieinterieur mit diskutierenden Gelehrten«. Um 1610. Holz, 82 x 115 cm. Galleria Borghese, Rom, Inv.-Nr. 8002.


ABB. I 113: P. Breughel d.Ä. und P.P. Rubens , »Visus-Allegorie«. 1617. Museo del Prado, Madrid.


ABB. I 120: Anonym, »Ritratto del Museo di Ferrante Imperato«, nach einem Stich in Imperatos »Dell’Historia Naturale« (Neapel, 1599).<br />

Bibliothèque Nationale, Paris.


ABB. I 130: Frans II Francken, »Preziosenwand mit Ausblick in ein Maleratelier(?)«. Um 1610. Holz, 52 x 67 cm. Kunsthandel,<br />

G. de Salvatore, Dijon, 1961.


ABB. I 131: Frans II Francken, »Preziosenwand mit Ausblick in ein Maleratelier(?)«. Holz. 49,5 x 69,8 cm. Auktion<br />

Christie’s London, 14. 7. 1978.


ABB. I 140: Frans II Francken, »Galerieinterieur mit ânes iconoclastes im Ausblick«. Holz, 54 x 63cm. Bayerische Staatsgemäldesammlung, München,<br />

Inv.-Nr. 1988 (z. Zt.(?) Schloß Bayreuth).


ABB. I 150: Jan I Breughel (?), »Galerieinterieur«. Öl auf Leinwand, 74 x 107 cm.


ABB. I 151: Hieronymus III Francken, »Galerieinterieur mit ânes iconoclastes«. Holz, 52,5 x 74 cm. Auktion Christie’s<br />

London, 8. 7. 1977, Nr. 64.


ABB. I 152: Isaac Duchemin, »Der Eselen Kunstkammer«. 1612. Kupferstich,<br />

27,5 x 35,2 cm. Rijksprentenkabinett, Amsterdam, Inv.-Nr. H104.<br />

ABB. I 153: Anonym (variiert nach Cornelis Cort nach Primaticcio),<br />

»Götterversammlung im Olymp mit Pegasus und Eseln«. Kupferstich,<br />

Dm 48,1 cm. Graph. Samml. Wallraf-Richartz-Museum, Köln, Inv.-Nr. 35632.


ABB. I 160: Frans II Francken und David Teniers d.J., »Galerieinterieur mit ânes iconoclastes im Ausblick«. Vor<br />

1615 bzw. nach 1650. Holz, 58,5 x 79 cm. Courtauld Institute (Slg. Seilern), London, Inv.-Nr. 47.<br />

ABB. I 161: Frans II Francken, »Galerieinterieur mit ânes iconoclastes im Ausblick«. Öl auf Holz, 59 x 80 cm.<br />

Kunsthandel, Rafael Valls, London, 2000 (ehem. Slg. Charles de Beistegui).


ABB. I 162: Frans II Francken und David Teniers d.J., »Galerieinterieur mit einem Globus am<br />

Boden«.1630er Jahre bzw. frühe 1650er Jahre. Kupfer, 38,7 x 49,5 cm.<br />

Auktion Christie’s New York, 15. 1. 1985.


ABB. I 170: Hieronymus II Francken, sogenannte »Galerie des Jan Snellinck«. 1621. Holz, 94 x 124,7 cm. Musées Royaux de Beaux-Arts, Brüssel,<br />

Inv.-Nr. 2628.


ABB. I 170a: Detail aus ABB. I 170.


ABB. I 170b: Detail aus ABB. I 170.


ABB. I 171: Hieronymus II Francken, Vorzeichnung zur sogenannten »Galerie des Jan<br />

Snellinck«. British Museum, London.


ABB. I 172: Frans II Francken, »Gastmahl im Hause des Bürgermeisters Rockox«.1630 - 1635. Holz, 62,3 x 96,5cm. Bayerische<br />

Staatsgemäldesammlung, Alte Pinakothek, München, Inv.-Nr. 858.


ABB. I 173: Hieronymus II und Paul Vredeman de Vries, »Tanzgesellschaft«.<br />

Kunsthistorisches Museum, Wien, Inv.-Nr. 1050.<br />

ABB. I 174: Frans II Francken (und Hendrick van Steenwijck II?), »Interieur mit<br />

der Allegorie der Fünf Sinne«. Um 1617. Holz, 71,5 x 52 cm. (Kunsthandel?,)<br />

Galerie Bailly, Paris, 1986 (dort Dirk van Delen als Mitarbeiter).


ABB. I 175: Guillam van Haecht, »Galerieinterieur mit van Dycks mystischer Hochzeit der Hl. Katharina«. Holz, 73 x 104 cm.<br />

Privatsammlung.


ABB. I 180: Hieronymus II Francken, »Galerieinterieur«. Öl auf Holz, 93 x 114cm. Museo del Prado, Madrid, Inv.-Nr. 1405.


ABB. I 181: Cornelis de Baellieur(?), »Galerieinterieur«. Öl auf Holz, 110 x 180 cm. Palazzo Pitti, Florenz(?).


ABB. I 182: Ägidius Sadeler (nach Hans von <strong>Aachen</strong>), »Minerva führt die Malerei zu den freien<br />

Künsten«. Um 1598. Kupferstich. Wallraf-Richartz-Museum, Köln.


ABB. I 183: Hendrick Goltzius, »Die Kinder des Merkur«. Graphische<br />

Sammlung der Universität Leiden.


ABB. I 190: Hieronymus II Francken und Jan I Breughel(?), »Galerieinterieur mit dem erzherzöglichen Paar«. Um 1620. Öl auf Holz,<br />

94, 2 x 123,4cm. Walters Art Gallery, Baltimore, Inv.-Nr. 31.2010.


ABB. I 191: Hendrik Staben, sogenannter »Besuch in Rubens Atelier«. Öl auf Leinwand, 51 x 65 cm. Musées Royaux des Beaux-Arts de<br />

Belgique, Brüssel, Inv.-Nr. 4495.


ABB. I 192: Guillam van Haecht(?), »Galerieinterieur mit der Erzherzogin Isabella«. Ehemals Slg. Hardcastle, Hawkhurst, Kent.


ABB. I 200: Hieronymus II Francken, »Galerieinterieur«. Öl auf Holz, 56,5 x 76 cm. Sinebrychoff Art Museum, Helsinki, Inv.-Nr. 340.


ABB. I 210: Hieronymus II Francken, »Galerieinterieur«. Holz, 47,7 x 77,7 cm. Musées Royaux des<br />

Beaux-Arts, Brüssel, Inv.-Nr. 6853.


ABB. I 211: Pieter Neef(f)s d. Ä. und Frans II Francken, »Kircheninterieur bei Nacht«.Öl auf Holz, 51 x 73,8 cm.<br />

Kunsthandel, Johnny van Haeften, London, 1997.


ABB. I 220: Hieronymus Janssens, »Gemäldegalerie mit Tanzgesellschaft« (ca, 1660 - 1680) Öl auf Leinwand.<br />

Museum, Montargis.


ABB. I 221: Hieronymus Janssens(?), »Galerieinterieur«. (Reproduktion aus der Londoner Witt Library (unter Frans II Francken) -<br />

”Reproduced by permission of Mrs Meade-Fetherstonhaugh”)


ABB. I 230: Hans III Jordaens (?), »Galerieinterieur«. Um 1620. Öl auf Holz, 95, 9 x 123,5 cm. National Gallery, London, Inv.-Nr. 1287.


ABB. I 240: Guillam van Haecht, »Das Kunstkabinett des Cornelis van der Geest«. 1628. Holz, 100 x 130 cm. Het Rubenshuis,<br />

Antwerpen.


ABB. I 241: Frans II Francken, »Galerieinterieur mit Sebastian Leerse(?)«. 1628(?). Koninklijk Museum voor Schone Kunsten, Antwerpen, Inv.-Nr. 669.


ABB. I 242: Pieter Breughel d. Ä., »Temperantia«. Stich (aus der<br />

Folge der »Sieben Tugenden«). Slg. Zeitlin, Los Angeles.<br />

ABB. I 250: Frans II Francken, »Galerieinterieur mit Justus Lipsius«.<br />

1611 - 1615. Holz, 53 x 73 cm. Palais des Beaux-Arts, Brüssel.


ABB. I 260: Frans II Francken, »Galerieinterieur mit Justus Lipsius und Abraham Ortelius«. Um 1618. Holz,<br />

67,3 x 71,8 cm. Slg. P.A.B. Widener, Philadelphia.


ABB. I 270: Guillam van Haecht, »Galerie mit Alexander, Apelles und Kampaspe«. Holz, 105 x 149,5 cm.<br />

Mauritshuis, Den Haag.


ABB. I 271: Guillam van Haecht, »Galerie mit Alexander, Apelles und Kampaspe«. Holz,<br />

76 x 111 cm. Slg. Charles de Beistegui, Groussay<br />

ABB. I 280: Guillam van Haecht, »Galerieinterieur mit Joseph und dem Weib des Potiphar«.<br />

Holz, 51 x 70 cm. Auktion Lepke, Berlin, 11. u. 12. Juni 1936.


ABB. I 290: Frans II Francken, »Galerieinterieur mit sitzender Rückenfigur«. 1636. Kupfer, 47,5 x 58,3 cm. Hallwylska<br />

Museet, Stockholm, Inv.-Nr. B 69.<br />

ABB. I 291: Frans II Francken und Paul Vredeman de Vries, »Interieur mit fröhlicher<br />

Gesellschaft«. 1616. Holz, 57 x 80 cm.Musée des Arts Decoratif, Paris, Inv.-<br />

Nr. 17479 (dort unter B. van Bassen).


ABB. I 292: Willem van Herp, sogenanntes »Kabinett von Rubens«. Palazzo Pitti, Florenz (dort unter Cornelis de Baellieur).


ABB. I 300: Frans II Francken, »Galerieinterieur mit zwei Herren an einer reich gedeckten Tafel«. Slg. Mahieu, Brüssel.


ABB. I 310: Frans II Francken, »Galerieinterieur mit Pictura«. 1636. Holz, 93,5 x 123,3 cm. Kunsthandel, Johnny van Haeften, London, 2002<br />

(von 1979 - 2000 als Leihgabe in Berlin (SMPK)).


ABB. I 320: Hans III Jordaens und Cornelis de Baellieur, »Galerieinterieur«. Um 1630. Öl auf Holz, 86 x 120 cm. Kunsthistorisches Museum, Wien,<br />

Inv.-Nr. 716/964.


ABB. I 330: Hans III Jordaens und Cornelis de Baellieur, »Galerieinterieur«. Öl auf Holz, 115,5 x 147,5 cm. Residenz-Galerie, Salzburg,<br />

Inv.-Nr. 1116180007 (Slg. Schönborn-Buchheim).


ABB. I 340: Hans III Jordaens und Cornelis de Baellieur,.»Galerieinterieur«. Um 1637. Öl auf Leinwand, 93,5 x 123 cm. Louvre, Paris, Inv.-Nr. M.I. 699.


ABB. I 350: Hans III Jordaens und Cornelis de Baellieur, »Galerieinterieur«. 93,4 x 113,2 cm. Kunsthandel,<br />

Simon C. Dickinson Ltd., London, 1999.<br />

ABB. I 360: David Teniers d.J., »Die erzherzögliche Galerie in Brüssel«. 96 x 128 cm. (Schloß<br />

Schleißheim) Bayerische Staatsgemäldesammlungen,Münnchen, Inv.-Nr. 1840.


ABB. I 361: Gonzales Coques, »Portrait eines jungen Gelehrten und seiner Schwester«. 1640. Öl auf Holz, 41 x 59,5 cm.<br />

Gemäldegalerie Alte Meister, Kassel, Inv.-Nr. GK 151.


ABB. I 362: Titelblatt des »Theatrum<br />

Pictorium«. Brüssel, 1660.<br />

ABB. I 363: Herausgebeberblatt des<br />

»Theatrum Pictorium«. Brüssel, 1660 (nach<br />

einem Gemälde von Pieter Thys).<br />

ABB. I 364: nach David Teniers d. J.(?), »Blick in eine Galerie der erzherzöglichen Residenz in<br />

Brüssel«, aus »Theatrum Pictorium«. Brüssel, 1660.


ABB. I 370: David Teniers d.J., »Galerie des Erzherzogs Leopold Wilhelm in Brüssel«. 1653, Leinwand, 123 x 163 cm.<br />

Kunsthistorisches Museum, Wien, Inv.-Nr. 9008.


ABB. I 380: David Teniers d.J., »Galerie des Erzherzogs Leopold Wilhelm in Brüssel«. Leinwand, 93 x 127 cm. Bayerische<br />

Staatsgemäldesammlungen, München, Inv.-Nr. 1841.


ABB. I 390: David Teniers d.J., »Der Erzherzog Leopold Wilhelm in seiner Galerie mit dem Bischof Antonius Triest«. 1651. Leinwand,<br />

127 x 163 cm. Petworth House (Sussex), The National Trust (Lord Egremont Collection).


ABB. I 391: David Teniers d.J., »Der Erzherzog in seiner Galerie, u. a. mit Teniers und dem Kanonikus van der<br />

Baren«. Kunsthistorischen Museum, Wien.


ABB. I 400: David Teniers d.J., »Leopold Wilhelm in seiner Galerie, graphische Arbeiten betrachtend«. 1651. 96 x 129 cm.<br />

Musées Royaux des Beaux-Arts, Brüssel, Inv.-Nr. 2569.


ABB. I 410: David Teniers d.J., »Der Erzherzog Leopold Wilhelm in seiner Galerie in Brüssel«. Öl auf Kupfer, 106 x 129 cm. Museo del<br />

Prado, Madrid, Inv.-Nr. 1813.


ABB. I 420: David Teniers d.J., »Galerieinterieur mit dem Maler an einer Staffelei«. 1635. Holz, 54,6 x 77,5 cm. Privatsammlung.


ABB. I 421: Frans II Francken, »Preziosenwand«. Um 1615(?). Holz, 49 x 64 cm. Historisches Museum, Frankfurt a. M.,<br />

Inv.-Nr. B 621.


ABB. I 422: Frans II Francken, »Galerieinterieur mit diskutierenden Gelehrten und ânes<br />

iconoclastes«. Um 1615. Kupfer, 16 x 30 cm. Auktion Internationales Kunst- und<br />

Auktionshaus, Berlin, 21. 4. 1931, Nr. 446.


ABB. I 423: Anonym, »Galerieinterieur mit Pictura im Schoß Disengos schlafend«. Nach 1627. Kupfer(?), 56,5 x 82,2 cm. Auktion<br />

Christie’s New York, Sommer 1998 (ehem. Slg. Th. Mellon Evans).


ABB. I 424: Frans II Francken, »Preziosenwand«.1615(?). Holz, 67 x 78 cm.<br />

Slg. Charles de Beistegui, Groussay.<br />

ABB. I 439: Charles Emmanuel Biset, Wilhelm Schubert von Ehrenberg u.a., »Galerieinterieur mit Pictura, Apoll und<br />

Merkur«. 1666. Leinwand, 141 x 236 cm. (Schloß Schleißheim) Bayerische Staatgemäldesammlungen, München,<br />

Inv.-Nr. 896.


ABB. I 440: Gonzales Coques u. a., »Galerieinterieur für Jean van Baveghem«. 1683. Öl auf Holz, 55 x 110 cm.<br />

Royal Collection, Windsor Castle.


ABB. I 441: Gonzales Coques, »Galerieinterieur«.Um 1671. 127 x 210,5 cm. Mauritshuis, Den Haag, Inv.-Nr. 238.


ABB. I 450: Gillis van Tilborch, »Gruppenportrait in einer Galerie«. Ca. 1650 - 1675. Öl auf Leinwand,<br />

115 x 165 cm. (RKD).


ABB. I 451: Gillis van Tilborch, »Fünf Herren in einer Kunstkammer«. Spencer Museum of Art, <strong>University</strong> of Kansas, Lawrence.


ABB. I 460: Pieter Codde, »Kunstliebhaber in einem Atelier«. 1625 - 1630. Staatsgalerie Stuttgart.


ABB. I 470: Frans van Mieris d.Ä., »Der Kunstkenner im<br />

Atelier«. Um 1655. Gemäldegalerie, Dresden.<br />

ABB. I 480: Abraham Bosse, »Besucher in einer Stecher- und Radiererwerkstatt«. 1643. Radierung.


ABB. I 490: Abraham Bosse, »Besucher in einem Bildhaueratelier«. 1642. Radierung.


ABB. I 500: David Teniers d.J., »Maler an einer Staffelei in der Galerie des Erzherhogs<br />

Leopold Wilhelm«. Öl auf Leinwand, 96 x 125 cm. Bayerische Staatsgemäldesammlung, München,<br />

Inv.-Nr. 1819.


ABB. I 510: Gillis van Tilborch, »Galerieinterieur mit einem Portraitisten bei der Arbeit«. 98x 137 cm.<br />

Staten Museum for Kunst, Kopenhagen, Inv.-Nr. 292.


ABB. I 511: Frans II Francken(?), »Besuch im Maleratelier«. 54 x 69 cm. Privatsammlung, Bilbao.


ABB. I 512: Abraham Bosse, »Le noble Peintre«. Um 1635. Radierung. Musée des Beaux-Arts, Dijon.


ABB. I 520: Gerard Thomas: »Maleratelier«. Koninklijk Museum voor Schone Kunsten, Antwerpen.


ABB. I 521: Gerard Thomas, »Bildhaueratelier«. Koninklijk Museum voor Schone Kunsten, Antwerpen.


ABB. I 522: Gerard Thomas, »Galerie mit einem jungen Maler«. Rubenianum, Antwerpen.


ABB. I 523: Gerard Thomas, »Maleratelier«. Musées Royaux des Beaux-Arts, Brüssel.


ABB. I 530: Balthasar van den Bossche, »Maleratelier«. 1707.Auktion Christie’s London, 1966.


ABB. I 531: Balthasar van den Bossche, »Bildhaueratelier«. 1707. Auktion Christie’s London, 1966.


ABB. I 532: Dominicus Smout, »Maleratelier«. Leinwand, 64 x 79 cm. Sotheby’s Amsterdam,<br />

26. April 1977. Nr. 123.


ABB. I 533: Johann Georg Platzer, »Bildhaueratelier«. Öl auf Kupfer, 47 x 60 cm. Auktion (Nr. 652)<br />

Math. Lempertz, Köln, 21. Juni 1990. Nr. 117.


ABB. I 540: Rembrandt, »Der Sammler Abraham Francen«. Um 1656. Radierung, Kaltnadel,<br />

Grabstichel, 15,8 x 20,8 cm. Hamburger Kunsthalle, Inv.-Nr. 6035.<br />

ABB. I 541: Daniel Mijtens, »Bildnis des Earl of Arundel«<br />

Ca. 1616. Arundel Castle.


ABB. I 542: Robert Nanteuil; François Chauveau, »Kardinal Mazarin in der Galerie seines<br />

Stadthauses«. 1659. Kupferstich. Bibliothèque Nationale, Paris.


ABB. I 543: Rembrandt, »Aristoteles vor der Büste Homers«. 1653. Leinwand, 143,5 x 136,5 cm.<br />

Metropolitan Museum of Art, New York.


ABB. I 550: Gabriel Metsu, »Die Briefleserin«. Um 1664. Holz, 52,5 x 40,2 cm.<br />

National Gallery of Ireland, Dublin.<br />

ABB. I 560: François Chauveau, Frontispiz zu Georges de Scudéry: »Le Cabinet de<br />

M.R de Scudery«. Paris, 1646.


ABB. I 561: N. de Largillière, »Charles Le Brun«. Musée du Louvre, Paris.


ABB. I 570: M. Ogier(?), Frontispiz zu J. Spon: »Recherches curieuses<br />

D’Antiquité«. Lyon, 1683.


ABB. I 571: Claude Mellan, »Ein Maler präsentiert einer Prinzessin einige<br />

Gemälde«. Illustration aus Jean Barclay: »Argenis«. Paris, 1623.


ABB. II 10: Johann Michael Bretschneider, »Galerieinterieur mit Lautenistin«. Leinwand, 190 x 285 cm. Bayerische Staatsgemäldesammlungen,<br />

München, Inv.-Nr. 6224 (z. Zt. Neue Residenz, Bamberg).


ABB. II 11: A.F. Hampisch, »Galerieinterieur«. Leinwand, 80 x 101 cm. Nationalgalerie, Prag,<br />

Inv.-Nr. 17724.


ABB. II 12: Norbert Grund, »Galerieinterieur mit einem Hund auf einem Stuhl«. Leinwand, 29, 5 x 37,7 cm.<br />

Deutsche Barockgalerie, Städtische Kunstsammlungen, Augsburg, Inv.-Nr. 12446.


ABB. II 13: Umfeld Bretschneiders(?), »Galerie mit zentralem Durchblick auf eine Gartenanlage«. Gouache, 33 x 52,7 cm.<br />

(Reproduktion aus dem Warburg Institute, London. Bildunterschrift: “Picture Gallery of an Austrian Palace”)


ABB. II 20: Johann Michael Bretschneider, »Gemäldegalerie mit drei Globen«. 222 x 338 cm. Bayerische Staatsgemäldesammlungen,<br />

München, Inv.-Nr. 6223 (z. Zt. Neue Residenz, Bamberg).


ABB. II 30: Johann Michael Bretschneider, »Galerieinterieur«. 1702. 195, 1 x 342 cm. Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg,<br />

Inv.-Nr. Gm 603.


ABB. II 40: Johann Michael Bretschneider, »Galerieinterieur«. Leinwand, 109 x 174,5 cm. Jaromerice nad<br />

Rokytnou (Schloß), Inv.-Nr. 1269/710/61-Luka nad Jihlavou.<br />

ABB. II 50: Johann Michael Bretschneider, »Galerie mit einem tanzenden Paar und einer Musikkapelle«.<br />

Leinwand, 168 x 229,5 cm. Slg. Graf Brachetti Peretti, Rom.


ABB. II 60: Johann Michael Bretschneider, »Gemäldegalerie mit einem malenden Porträtisten«. Leinwand,<br />

146 x 191 cm. Slg. Graf Brachetti Peretti, Rom


ABB. II 70: Johann Michael Bretschneider, »Blick in die Galerie eines Fürsten«(?). Öl auf Leinwand, 103 x 144,5 cm. Schloß<br />

Rheydt, Inv.-Nr. M 32.


ABB. II 90: Johann Georg Pintz nach einer Zeichnung von Salomon Kleiner, »Prospect der Gallerie gegen den WohnZimmer« . 1728. Kupferstich. 23 x 43 cm. (Aus einer<br />

Folge von 20 Ansichten von Schoß Weißenstein, Pommersfelden)


ABB. II 100: Giovanni Paolo Pannini, »Galerieinterieur für Kardinal Silvio Valenti Gonzaga«. 1749. Leinwand, 198 x 267 cm.<br />

Wadsworth Atheneum, Hartford, Connecticut.


ABB. II 100a: Detail aus ABB. II 100.


ABB. II 100b: Detail aus ABB. II 100.


ABB. II 100c: Detail aus ABB. II 100.


ABB. II 101: Giovanni Paolo Pannini, »Galerieinterieur für Kardinal Silvio Valenti Gonzaga (Entwurf)«. Leinwand,<br />

48 x 64 cm. Musée des Beaux-Arts, Marseille, Inv.-Nr. 49.895-1-2.


ABB. II 102: ABB. II 101: Giovanni Paolo Pannini, »Galerieinterieur für Kardinal Silvio Valenti Gonzaga«. 1761. Leinwand,<br />

48 x 63 cm. Casita del Principe, El Escorial.


ABB. II 110: Giovanni Paolo Pannini, »Galerie mit Ansichten des antiken Rom«. Ca. 1755. Öl auf Leinwand, 186 x 227 cm.<br />

Staatsgalerie Stuttgart, Inv.-Nr. 3315.


ABB. II 111: Schnupftabakdose des Duc de Choiseul mit verschiedenen<br />

Interieuransichten. 1770. 7,94 x 6 x 3,65 cm.<br />

ABB. II 111a: Detailansicht von ABB. II 111.


ABB. II 111b: Detailansicht von ABB. II 111.<br />

ABB. II 112: Fächer mit einer Galeriedarstellung. Mitte 18. Jh. Sotheby’s,<br />

1969. (Reproduktion aus dem Warburg Institute, London.<br />

Bildunterschrift: “Louis XV Fan”)


ABB. II 120: Giovanni Paolo Pannini, »Galerie mit Ansichten des neuzeitlichen Roms«. 1757. Museum of Fine Arts, Boston.


ABB. II 121: Agostino Veneziano, »Akademie des Baccio Bandinelli«. 1531. Kupferstich. Graphische<br />

Sammlung, München.


ABB. II 130: Johan Zoffany, »Ansicht der Tribuna in den Uffizien«. 1772 - ca. 1778. Öl auf Leinwand, 123, 5 x 155 cm.<br />

The Royal Collection.


ABB. II 130a: Detail aus ABB. II 130.


ABB. II 131: Pompeo Batoni, »Bildnis von Thomas Dundas«. 1764.<br />

Öl auf Leinwand, 298 x 196,8 cm. Marquess of Zetland.


ABB. II 132: Giulio Pignatta, »Sir Andrew Fountaine mit Freunden in<br />

der Tribuna der Uffizien«. 1715. Öl auf Leinwand. Privatsammlung.<br />

ABB. II 140: Johan Zoffany, »Eine Gruppe von Kennern«. 85,1 x 105,4 cm. Christie’s, 19. 05. 1939<br />

(Connaught Sale/O’Hagan Collection). (Reproduktion aus der Witt Library, London)


ABB. II 150: Benigne Gagnereaux, »Pius VI begleitet Gustav III von Schweden bei einem Besuch im Museo Pio-<br />

Clementino«. 1786. Öl auf Leinwand, 165 x 262 cm. Nationalgalerie, Prag, Inv.-Nr. 09025.<br />

ABB. II 160: Vincenzo Feoli nach Francesco Miccinelli, »Galerie mit<br />

der ‘Cleopatra’«. Um 1795 publ. Radierung, 60 x 72 cm. Vatikanische<br />

Museen, Vatikanstaat, Inv.-Nr. 44360.


ABB. II 170: Vincenzo Feoli nach Francesco Miccinelli, »Vestibolo a Croce<br />

Greca«. Um 1795 publ. Radierung, 60 x 72 cm. Vatikanische Museen,<br />

Vatikanstaat, Inv.-Nr. 44362.<br />

ABB II 180: Louis Ducros und Giovanni Volpato, »Galerie mit der ‘Cleopatra’«. Ca. 1787 - 1792.<br />

Handkolorierte Umrißradierung, 52,6 x 75 cm. Bayerische Staatsbibliothek, München, Inv. Res.<br />

2Arch. 170m no. 7.


ABB. II 190: Louis Ducros und Giovanni Volpato, »Der Belvederehof mit der Laokoongruppe«.<br />

Ca. 1787 - 1792. Handkolorierte Umrißradierung, 51,5 x 72,2 cm. Bayerische Staatsbibliothek,<br />

München, Inv. Res. 2Arch. 170m no. 5.<br />

ABB. II 200: Jacques Sablet, »Die Stanza degli Animali«. Ca. 1786 - 1792. Tempera, 52 x 76 cm.<br />

Vatikanische Museen, Vatikanstaat, Inv.-Nr. 44699.


ABB. II 210: Adriaan de Lelie, »Die Galerie des Jan Gildemeester Jansz.« 1794/5. Öl auf Holz, 63,5 x 85,5 cm.<br />

Rijksmuseum Amsterdam, Inv.-Nr. A 4100.


ABB II 220: Adriaan de Lelie, »Die Galerie des Josephus Augustinus Brentano«. Ca. 1998. Öl auf Holz, 64,5 x 84,5 cm.<br />

Rijksmuseum, Amsterdam, Inv.-Nr. A 4122.


ABB. II 221: Jacob Maurer, »Gesellschaft von Kunstliebhabern bei C. Ploos van Amstel«. 1764. Öl auf Leinwand.<br />

Petworth House (The National Trust).


ABB. II 222: Johan Zoffany, »Charles Townleys Bibliothek«. 1781 - 1783. Öl auf Leinwand,<br />

127 x 99 cm. Townley Hall Art Gallery & Museums, Burnley Borough Council, London.


ABB. II 223: William Chambers, »Die Townley-Marbles in der Eingangshalle von Park Street<br />

7«. 1794. Aquarellierte Federzeichnung mit Gouache und Gummi Arabicum, 39 x 53 cm.<br />

British Museum, London, Inv.-Nr. PD 1995-5-6-9.<br />

ABB. II 224: William Chambers, »Die Townley-Marbles im ‘Dining Room’ von Park Street<br />

7«. 1794. Aquarellierte Federzeichnung mit Gouache und Gummi Arabicum, 39 x 53 cm.<br />

British Museum, London, Inv.-Nr. PD 1995-5-6-8.


ABB. II 230: Adriaan de Lelie, »Der Sammler Josephus Augustinus Brentano in<br />

seiner Galerie«. 1813. 285 x 160 cm. Stichting Brentano, Steun des Ouderdoms,<br />

Amsterdam.


ABB. II 240: Adriaan de Lelie, »Kunstbetrachtung mit dem Winkelokular«. 1814.<br />

Museum Willet-Holthuysen, Amsterdam.


ABB. II 250: Phillip Dawe nach Henry Robert Morland, »Kenner und müder<br />

Jüngling«. 1773 publ. Mezzotinto-Radierung, 50 x 35 cm. Lewis Walpole Library,<br />

Yale <strong>University</strong>. (Reproduktion aus der Witt Library, London)<br />

ABB. II 251: Joseph Wright of Derby(?), »Kenner und müder Jüngling«.<br />

Auktion Christie’s, 1969. (Reproduktion aus der Witt Library, London)


ABB. II 260: Joseph Wright of Derby, »Betrachtung (einer Kopie) des Borghese-Gladiators im Kerzenlicht«. Ca. 1765.<br />

Öl auf Leinwand, 101,6 x 121,9 cm. Privatbesitz.


ABB. II 261: Joseph Wright of Derby, »Ein junger Künstler(?) betrachtet eine hockende Venus bei Kerzenlicht«. Öl<br />

auf Leinwand, 47 x 52 cm. Ehemals Slg. Lord Aberdare.


ABB. II 270: Jean Grandjean, »A. Chr. Huiid deutet auf eine<br />

Restaurierung am Albani-Antinous«. 1780.<br />

Kreide, 53,5 x 40,5 cm. Rijksprentenkabinett, Amsterdam.<br />

ABB. II 280: Thomas Rowlandson, »Die Kunstkenner«.<br />

Um 1790.


ABB. II 290: Daniel Chodowiecki, »Der Gemählde-Liebhaber«. 1781 publ. als Teil der<br />

Folge »Steckenpferdreiterei«. Radierung.


ABB. II 300: Daniel Chodowiecki, »Der<br />

Kupferstich-Liebhaber«. 1781 publ. als Teil der<br />

Folge »Steckenpferdreiterei«. Radierung.<br />

ABB. II 310 und II 320: Daniel Chodowiecki, »Kunstkenntnis«. 1780 publ. als Teil der<br />

Folge »Natürliche und Affectierte Handlungen des Lebens«. Radierung.<br />

Kupferstichkabinett SMPK, Berlin.


ABB. II 330: Pieter van den Berge, »Besuch Eugens von Savoyen bei dem Amsterdamer<br />

Kunsthändler Jan Pietersz. Zomer«. Rote Kreide u. Pinsel, 23,5 x 40.5 cm. Rijksprentenkabinet,<br />

Rijksmuseum, Amsterdam, Inv.-Nr. A 4202.<br />

ABB. II 340: Eine Szene aus der »Pilgerfahrt eines<br />

Mönchs« aus den »Cantigas« von Alfons dem Weisen<br />

von Kastilien. Ca. 1280 - 1284 (Sevilla). Bibliolteca de<br />

San Lorenzo el Real, El Escorial, Cod. T. I. 1, fol. 17 r<br />

(Detail).


ABB. II 350: Konrad Witz, Detail aus »Die Hl. Katharina und die Hl.<br />

Magdalena«. Frauenhaus-Museum, Straßburg.<br />

ABB. II 360: David Vinckboons, »Kirmes«. Um 1608.<br />

Öl auf Holz, 115 x 141 cm. Herzog-Anton-Ulrich-<br />

Museum, Braunschweig.


ABB. II 360a: Detail aus ABB. II 360.<br />

ABB. II 361: (Art des) David Vinckboons, »Maifest«. Ehemals Slg. Loewenfeld,<br />

München.


ABB. II 362: Bartholomäus van Bassen(?) nach(?) Ägidius Sadeler, »Der Vladislav-Saal in<br />

Prag« (Detail). Kurz nach 1607. Holz, 50 x 70 cm. Martin-von-Wagner-Museum der Universtiät<br />

Würzburg, Inv.-Nr. F 276 (K 413).


ABB. II 370: Salomon de Bray, »Innenansicht einer Kunstund<br />

Buchhandlung«. 1628(?). Lavierte Federzeichnungen,<br />

7,6 x 7,6 cm. Rijksprentenkabinet, Rijksmuseum,<br />

Amsterdam, Inv.-Nr. A 290 .<br />

ABB. II 380: Salomon de Bray, »Innenansicht einer Kunstund<br />

Buchhandlung«. 1628(?). Lavierte Federzeichnungen,<br />

7,6 x 7,6 cm. Rijksprentenkabinet, Rijksmuseum,<br />

Amsterdam, Inv.-Nr. A 291.


ABB. II 390: Johann Samuel Mock, »Bauern-Wirtschaft mit Kunsthandlung und Theater« (aus einer<br />

Folge von 3 Blättern). 1710. Pinsel und Deckfarben, 59,3 x 92 cm.<br />

Kupferstichkabinett, Dresden, Inv.-Nr. C 5690.


ABB. II 390a: Detail aus ABB. II 390.


ABB. II 400: Jean Antoine Watteau, »Enseigne de Gersaint«. 1720/1. Öl auf Leinwand, 304 x 163 cm. Schloß Charlottenburg, Berlin.


ABB. II 401: François Bunel II (?) oder Gillis Mostaert(?), »Beschlagnahmung(?) von Kunstwerken«. Um 1590. Öl auf Holz, 28 x 46,5 cm.<br />

Mauritshuis, Den Haag.


ABB. II 410: Anonym. »Blick in die Buch- und Kunsthandlung Bouchard et Gravier in Rom«.<br />

Öl auf Leinwand, 125 x 180 cm. 1774(?). Privatsammlung.


ABB. II 420: Anonym (“Printed for and Sold by Carrington Bowles”),<br />

»Spectators at a Print-Shop in St. Paul’s Church Yard«.<br />

Slg. Licht, Berlin.<br />

ABB. II 421: Anonym (printed for Carrington Bowles),<br />

»Spectators at a Print-Shop in St. Paul’s Church Yard«.<br />

1774. Mezzotinto, 32,2 x 24,7 cm. Slg. David Alexander.


ABB. II 430: Vater und Sohn Charles-Nicholas Cochin(?), Frontispiz<br />

zum Auktionskatalog Quentin de Lorangère von 1744. Stich.<br />

Bibliothèque Nationale, Paris.<br />

ABB. II 440: Charles-Nicholas Cochin(?), Frontispiz zum<br />

Auktionskatalog Tallard 1765. Stich.


ABB. II 450: Thomas Rowlandson, »A Print Sale«. 1788. Radierung.


ABB. II 451: Delaunay nach Gabriel de Saint-Aubin, »Une Vente au XVIII. Siècle«.<br />

Radierung, 29 x 40 cm.<br />

ABB. II 460: A.L. Romanet nach J.C. Seekatz, »Dorfhändler«.<br />

1766(?). Radierung.


ABB. II 461: Bernardo Bellotto, Detail aus<br />

»Ansicht der Warschauer Miodowo-Straße«.<br />

Nach 1775. Norodowe-Museum, Warschau.<br />

ABB. II 463: Simon Guillan nach<br />

Annibale Carracci, »Straßenhändler«.<br />

1646. Radierung.<br />

ABB. II 462: Jacques Callot, »Graphikhändler«<br />

(Titelblatt zu 21 figürlichen Studien). Um 1617.<br />

Radierung.<br />

ABB. II 464: Ambrosius Gabler, »Der<br />

Bilderhändler« (aus: »Ausruffende Personen in<br />

Nürnberg mit Prospecten der Stadt...«). 1789.<br />

Radierung.


ABB. II 470: Charles-Nicholas(?) Cochins d.J., »Prediger(?)«. Bibliothèque de l’Arsenal, ?, Estampes 202, No. 11.


ABB. II 480: Daniel Chodowiecki, »Verbeßerung der Sitten«. 1786.<br />

ABB. II 490: Anonym, »Exposition des Tableaux de Peintres de l’Academie<br />

dans la grande Galerie du Louvre depuis le 2. jusquau 22 Septembre 1699«<br />

(aus einem bei Langlois publizierten Almanach).


ABB. II 491: Gaspard Duché de Vancy, »L’Exposition de la Jeunesse«. 1783. Graphite auf Papier, 21,3 x 27, 5 cm. Musée<br />

Carnavalet, Paris.


ABB. II 492: Anonym, »Ansicht einer Ausstellung in der Stadtakademie Augsburg«.<br />

Ende 18. Jh. Lavierte Federzeichnung. Graphisches Kabinett, Städtische<br />

Kunstsammlungen, Augsburg.<br />

ABB. II 493: Th. Weber, »Ansicht der 1. Ausstellung der Stadtakademie Augsburg 1780«.<br />

1819. Stich. Graphisches Kabinett, Städtische Kunstsammlungen, Augsburg.


ABB. II 500: A. Hadamart, »Exposition des Ouvrages de peinture et de sculpture par M.RS de l’Academie dans la Galerie du Louvre«.<br />

1700. Stich (aus einem bei Langlois und Trouvain publizierten Almanch). Bibliothèque Nationale, Paris.


ABB. II 510: Canaletto, »Der Doge besucht eine Ausstellung vor der Scuola die San Rocco«.<br />

1735 - 1737. National Gallery, London.<br />

ABB. II 520: Michele Marieschi, »Festtagsausstellung vor der Scuola di San Rocco«. Stich.<br />

Museo Correr, Venedig.


ABB. II 530: Luca Carlevari(j)s, »Festtagsausstellung vor der Scuola di San Rocco«. Stich.<br />

Museo Correr, Venedig.


ABB. II 540: Gabriel de Saint-Aubin, »Aufgang zum Salon Carré«. 1753. Lavierte Federzeichnung. Slg. Veil-Picard, Paris.


ABB. II 541: Gabriel de Saint-Aubin, »Aufgang zum Salon Carré«. 1753. Radierung.


ABB. II 542: Anonym, »La Font de Saint-Yenne«. Nach 1747. Radierung.<br />

Bibliothèque Nationale, Paris.<br />

ABB. II 543: Claude-Henri Watelet nach Portien, »La Font<br />

de Saint-Yenne«. Nach 1747. Radierung. Bibliothèque<br />

Nationale. Paris.


ABB. II 550: Charles-Nicolas Cochin(?), »Auf der Treppe zum<br />

Salon Carré« (Frontispiz zu Jacques Lacombes »Lettre... sur<br />

l’exposition des tableaux du Louvre«). 1753. Radierung.<br />

Bibliothèque Nationale. Paris.


ABB. II 560: Anonym, Blick in den Salon von 1765«. 1765(?). Cabinet des Estampes,<br />

Bibliothèque Nationale, Paris.


ABB. II 570: Gabriel de Saint-Aubin, »Die Venus von Mignot im Salon von 1757«. 1757.<br />

Lavierte Federzeichnung. Slg. Fleury, Paris.


ABB. II 580: Gabriel de Saint-Aubin, »Der Salon von 1757«. 1757. Gouache, Aquarell. Privatsammlung, London.


ABB. II 590: L. Gauchard nach Gabriel de<br />

Saint-Aubin, »Blick in den Salon von<br />

1757«. 1757(?). Radierung. Cabinet des<br />

Estampes, Bibliothèque Nationale, Paris.<br />

ABB. II 600: Anonym, »Vue perspective du Sallon de l’Acedémie Royale de Peinture au Louvre à<br />

Paris«. Mitte 18. Jh. Cabinet des Estampes, Bibliothèque Nationale, Paris.


ABB. II 610: Gabriel Saint-Aubin, »Der Salon von 1767«. 1767. Lavierte Federzeichnung. Slg. Veil-Picard, Paris.


ABB. II 611: Gabriel de Saint-Aubin, »Der Salon von 1765«. 1765. Graphit, Tinte und Aquarell auf Papier, 24 x 46, 7 cm.<br />

Musée du Louvre, Paris.


ABB. II 620: Richard Earlom nach C. Brandoin, »The Exhibition of the Royal Academy of Painting in the Year<br />

1771. From an Original Drawing in the Posession of Robt. Sayer.« Mezzotinto, [42,5 x 55,9 cm].<br />

Staatl. Kunstsammlungen, Weimar.


ABB. II 630: Johann Heinrich Ramberg, »Die Ausstellung der Royal Academy von 1784«. Lavierte<br />

Federzeichnung. The British Museum, London.<br />

ABB. II 640: Johann Heinrich Ramberg, »Die Ausstellung der Royal Academy von 1784«. Lavierte<br />

Federzeichnung. The British Museum, London.


ABB. II 650: Johann Heinrich Ramberg, »Die Ausstellung der Royal Academy von 1784«.<br />

Lavierte Federzeichnung. The British Museum, London.<br />

ABB. II 660: Johann Heinrich Ramberg, »Der Prince of Wales besichtigt die Ausstellung der Royal Academy<br />

von 1787 im Somerset House«. Aquarellierte Federzeichnung. The British Museum, London.


ABB. II 670: Pietro Antonio Martini nach Johann Heinrich Ramberg, »Der Prince of Wales besucht die Ausstellung der Royal<br />

Academy 1787«. Stich, 31,6 x 48,9 cm. Dulwich Picture Gallery, London.


ABB. II 680: Pietro Antonio Martini nach Johann Heinrich Ramberg, »George III. und die königliche Familie<br />

besuchen die Ausstellung der Royal Academy von 1789 im Somerset House«.<br />

Stich. Slg. P. u. D. Colnaghi & Co., London.<br />

ABB. II 690: Thomas Rowlandson, »Ausstellung der Royal Academy«<br />

(Reproduktion aus dem Warburg Institute, London).


ABB. II 700: Pietro Antonio Martini, »Coup d’œil exact de l’arrangement des Peintures au Salon du Louvre,<br />

en 1785.« Stich. Cabinet des Estampes, Bibliothèque Nationale, Paris.<br />

ABB. II 710: Pietro Antonio Martini, »Exposition au Salon du Louvre en 1787«. Stich. Graphische Sammlung,<br />

Kunsthalle, Hamburg.


ABB. III 10: Antoine-Maxime Monsaldy und G. Devisme, »Vue des Ouvrages de Peinture. Exposés au Museum Central des Arts en l’An<br />

VIII, de la R. F.« (Blatt 1). 1800(?). Stich. Bibliothèque Nationale, Paris.


ABB. III 20: Antoine-Maxime Monsaldy und G. Devisme, »Vue des Ouvrages de Peinture […]«. (Blatt 2). 1800(?). Stich.<br />

Bibliothèque Nationale, Paris.


ABB. III 30: Antoine-Maxime Monsaldy und G. Devisme, »Vue des Ouvrages de Peinture. Exposés au Museum<br />

Central des Arts en l’An IX, de la R. F.« (Blatt 1). 1801(?). Stich. Bibliothèque Nationale, Paris.<br />

ABB. III 40: Antoine-Maxime Monsaldy und G. Devisme, »Vue des Ouvrages de Peinture […]« (Blatt 2). 1801(?).<br />

Stich. Bibliothèque Nationale, Paris.


ABB. III 50: Antoine-Maxime Monsaldy und G. Devisme, »Vue des Ouvrages de Peinture<br />

[…]« (Blatt 3). 1801(?). Stich. Bibliothèque Nationale, Paris.<br />

ABB. III 60: Antoine-Maxime Monsaldy und G. Devisme, »Vue des Ouvrages de Peinture<br />

[…]« (Blatt 4). 1801(?). Stich. Bibliothèque Nationale, Paris.


ABB. III 70: Louis-Léopold Boilly, »Die Öffentlichkeit besieht sich Davids Gemälde der Krönung von Napoleon und Josephine«.<br />

Um 1810. Aquarellierte Zeichnung, 59,4 x 80,3 cm. Slg. Dian and Andrea Woodner, New York.


ABB. III 71: Louis-Léopold Boilly, »Die Öffentlichkeit besieht sich Davids Gemälde der Krönung von Napoleon und Josephine«.<br />

Privatsammlung.


ABB. III 80: Regni alias Jean-Auguste-Dominique Ingres, »Le Vœu de Louis XIII au Salon de 1824«. 1824.<br />

Zeichnung. Cabinet des Dessin, Musée du Louvre, Paris; RF. 3.534.


ABB. III 81: François-Joseph Heim, »Charles X. vergibt die Preisgelder am Ende des Salons von 1824«. Musée du Louvre, Paris, Inv.-Nr. 5313.


ABB. III 90: James und F. P. Stephanoff, »Ausstellung der British Institution im Jahr 1816«. 1817. Bleistift,<br />

Aquarell mit Weißhöhungen, 21 x 29 cm. Trustees of the Victoria and Albert Museum, London.<br />

ABB. III 91: George Scharf, »Ausstellung der New Society of Painters in Water Colours von 1834«.<br />

1834. Aquarell mit Gouache und Auskratzungen über Bleistift, 29, 6 x 36,9 cm. Trustees of the<br />

Victoria and Albert Museum, London, Inv.-Nr. 2979 - 1876.


ABB. III 92: George Scharf, »Ausstellung der Royal Academy von 1828«. Aquarell, 1828(?). 18,8 x 25,9 cm. Museum of London


ABB. III 100: John Scarlett Davis, »The British Institution«. 1829. Öl auf Leinwand, 113 x 142 cm.<br />

Yale Center for British Art, Paul Mellon Foundation, New Haven, Inv.-Nr. B 1981. 25. 212.


ABB. III 110: Alfred Joseph Woolmer, »The British Institution, Ausstellung Alter Meister im Sommer<br />

1832«. 1833.Öl auf Leinwand, 71,6 x 92,1 cm. Yale Center for British Art, Paul Mellon Foundation,<br />

New Haven, Inv.-Nr. B 1981. 25. 694.


ABB. III 120: François Auguste Biard, »On ferme!«. 1847. Öl auf Leinwand, 46 x 59,7 cm.<br />

Auktion Sotheby’s New York, 28. Feb. 1990 (Lot 37).


ABB. III 121: François Auguste Biard, »On ferme!«. 1847. [215,1 x 137,5 oder 57,1 x 67,3 cm?].<br />

Musée du Louvre, Paris.


ABB. III 130: Honoré Daumier, »Croquis pris au Salon: …<br />

Crétin de bourgois va!«. Le Charivari vom 30. 5. 1864.<br />

Lithographie. (D. 3294; H.D. 1559)<br />

ABB. III 140: Honoré Daumier, »Croquis pris Croquis pris<br />

a l’Exposition: - Les Crétin …«. Le Charivari vom 1. 6. 1865.<br />

Lithographie. (D. 3442; H. D. 1562)


ABB. III 150: Honoré Daumier, »Croquis pris a l’Exposition:<br />

Moi ce que j’aime …«. Le Charivari vom 30. 5. 1864.<br />

Lithographie. (D. 3294; H.D. 1559)<br />

ABB. III 151: Honoré Daumier, »Triste contenance de la<br />

Sculpture …«. Le Charivari vom 30. 5. 1864. Lithographie.<br />

(D. 3294; H.D. 1559)


ABB. III 160: Honoré Daumier, »Croquis pris au Salon:<br />

Cette année encore des Vénus …«. Le Charivari vom 10. 5.<br />

1864. Lithographie. (D. 3440; H. D. 1560)<br />

ABB. III 161: Pif, »Au Salon«. Le Charivari vom 23. Mai 1880.<br />

Lithographie(?).


ABB. III 170: Honoré Daumier, »Le Public du Salon«. Le Charivari vom 17. 5. 1852.<br />

Lithographie. (D. 2300; H. D. 2470)


ABB. III 171: Gustave Doré, »La foule du dimanche …«.<br />

Le Journal pour rire vom 27. 7. 1855.<br />

ABB. III 172: Honoré Daumier, »Entrée 5 Francs«.<br />

Le Charivari vom 6. 5. 1852. Lithographie, 26,6 x<br />

22,2 cm. (D. 2296)


ABB. III 180: Honoré Daumier, »Les amateurs de peinture«. Aquarell über Kohle, Crayon Conté<br />

(Bütten), 26,2 x 19,3 cm. D. P. Allen Fund, Cleveland Museum of Art, Inv.-Nr. 27. 208.


ABB. III 190: Honoré Daumier, »Les amateurs de tableaux«. 1869(?). Feder, schwarze Tinte, graue<br />

u. braune Lavierung über Kohle (Vélin), 49,3 x 39,2 cm. The Art Institute of Chicago (Gift of Mrs.<br />

Regenstein), Inv.-Nr. 1968. 1.


ABB. III 200: Honoré Daumier, »L’Hotel de Vente. L’Amateur«. Le<br />

Monde Illustré vom 18. 4. 1863. Holzstich, 22,5 x 16 cm.<br />

ABB. III 210: J. B. Tetar van Elven, »Willem III. und der Prinz von Oranien besuchen<br />

Arti«. 1860. Stichting Historische verzamelingen van het Huis Oranje-Nassau,<br />

Den Haag.


ABB. III 220: J. de Mare, nach einer Zeichnung von Charles Rochussen, »Een<br />

kunstbeschouwing met dames in de kunstzaal van Arti in 1851«. Um 1851.<br />

Radierung. Gemeentearchief, Amsterdam.<br />

ABB. III 230: George Bernard O’Neill, »Public Opinion«. 1863. Öl auf Leinwand, 53,4 cm x 78,7 cm.<br />

City Art Gallery, Leeds.


ABB. III 240: William Powell Friths, »A Private View at the Royal Academy in 1881«. 1881(?).<br />

102,9 cm x 195,6 cm. Slg. Christopher Pope, Esq.


ABB. III 250: A. Ch. Pugin und Thomas Rowlandson, »Ackermann’s Repository of Arts, Strand Nr. 101«. Ackermann’s Repository of Arts, Literature,<br />

Commerce, Manufacturers, Fashions and Politics, 1813 (erste Nummer). Museum of London.


ABB. III 251: Anonym(?), »Bibliothek in den Räumen von Ackermann’s Repository of Arts«.<br />

Ackermann’s Repository of Arts, … , 1813. Museum of London.<br />

ABB. III 260: Georg Emanuel Opiz, »Die Kupferstiche«.<br />

1825. Aquarell. Stadtgeschichtliches Museum Leipzig.


ABB. III 270: Adolphe Martial, »Die Kunsthandlung Cadart & Louquet in Paris«. 1865. Radierung.


ABB. III 280: Thomas P. Hall, »One touch of nature makes the whole world kin«. 1867.<br />

Leinwand, 63,5 x 76,2 cm. Slg. Alex Jackson, Esq.


ABB. III 290: H. Toussaint und ?, »Die neuen Geschäftsräume der Kunsthandlung Denman Tripp, Rue de<br />

Provence«. 1883. Stich. Bibliothèque Nationale, Paris.<br />

ABB. III 300: Edward Salomons, »Die neuen Geschäftsräume des Kunsthändlers William Agnew«.Um<br />

1880. Aquarellfarbe, Bleistift und Tinte. 31, 1 x 58,7 cm. Agnew’s.


ABB. III 301: Yves &(?) Berret(?), »La Nouvelle Salle d’Exposition de la Rue de Sèze«<br />

La Vie parisienne vom 25. 2. 1882. Bibliothèque Nationale, Paris.


ABB. III 310: R. Taylor nach Thomas W. Wilson, »A Sale at Christie’s«. Holzstich.<br />

ABB. III 311: Sydney Prior Hall, »A Great Picture Sale at Christie’s«. The Graphic, 1897.<br />

Holzstich, 30 x 40,5 cm.


ABB. III 312: Charles Maurand nach M. Mouchot, »Hotel des Ventes, Rue Drouot«. Kolorierter<br />

Holzstich, 16 x 23 cm.<br />

ABB. III 313: Honoré Daumier, »Bei der Kunstversteigerung«. Lithographie, Nachdruck, 30 x 39,5 cm.


ABB. III 320: E. Wasgottse und Michel Levy, »Auktion im Hotel Drouot in Paris«.<br />

Neue Illustrirte Zeitung, Nr. 49, 1887. Holzstich, 27,5 x 38 cm.<br />

ABB. III 330: Anonym, »A Picture Sale in Paris«. The Illustrated London News, 1872.<br />

Holzstich, 27, 5 x 40,5 cm.


ABB. III 331: Thomas Rowlandson, »Doctor Syntax at an Auction«. Publ. 1820 (bei Ackermann’s<br />

London). Altkolorierte Aquatintaradierung, 14,5 x 23 cm.<br />

ABB. III 340: Werner Zehme und A. Weber, »Berliner Bilder: Eine Versteigerung in Lepke’s<br />

Kunstauctionshaus«. Kolorierter Holzstich, 35,5 x 51,5 cm.


ABB. III 350: Edmond Morin und Henry Duff Linton, »Picture<br />

Sale at Messrs. Christie and Manson’s« The Illustrated London<br />

News, 1856. Holzstich, 40,5 x 27,5 cm.<br />

ABB. III 351: Charles Maurand nach Honoré Daumier, »Une Salle<br />

de l’Hotel Drouot, un Jour d’Exposition«. Holzstich, 25 x 17 cm.


ABB. III 352: H. Lefèvre und A. Goubaud, »Bei der Besichtigung«.<br />

Allgemeine Moden-Zeitung. Kolorierter Holzstich, 26,5 x 19,5 cm.<br />

ABB. III 353: Anonym, »Hotel Drouot de Berlin«. Der Sammler, 1895.<br />

Holzstich, 30 x 20,5 cm.


ABB. III 360: Henry Duff Linton nach Gustave Doré, »Une Salle de l’Hotel des Ventes; Rue Drouot«.<br />

Le Journal Illustré, 1866. Holzstich, 28 x 38 cm.<br />

ABB. III 370: M.A. Texier und Charles Maurand, »Une Vente de Tableaux, A l’Hotel des<br />

Commissaires-Priseurs«. L’Univers Illustré, 1868. Holzstich, 19,5 x 26,5 cm.


ABB. III 380: Monogrammist A.H, »A Picture Sale in<br />

London«. The Illustrated London News, 27. 4. 1872.


ABB. III 390: Thomas Rowlandson, »Auktion bei Christie’s«. Um 1805. (Lavierte oder aquarellierte)Federzeichnung.<br />

Slg. Christie’s.


ABB. III 400: J. Bluck nach Th. Rowlandson und A. Pugin, »Christie’s Auction Room«. Publ.<br />

1808 (bei Ackermann’s Repository of Arts). Aquatintaradierung, 24,8 x 29,2 cm. Christie’s.<br />

ABB. III 401: Charles Maurand nach Honoré Daumier, »L’Hotel<br />

des Commissaires-Priseurs, - L’Expert«. Holzstich, 24 x 18 cm.


ABB. III 410: Gustave Doré, »Une Vente a l’Encan«. Le Journal pour Rire,<br />

1861. Holzstich, 27 x 30 cm.


ABB III 420: Jean-Pierre A. Antigna, »Un marchand d’images«. Um 1862.<br />

Öl auf Leinwand, 143 x 113 cm. Musée des Beaux-Arts, Bordeaux, Inv.-<br />

Nr. BxE 623.


ABB. III 421: William Nicholson, »Der Bilderhändler«. 1898 (aus der Folge, »An Alphabeth«).<br />

Holzschnitt.


ABB. III 430: Paul Legrand, »Devant ‘Le Rêve’«. Um 1897. Musée des<br />

Beaux-Arts, Nantes.


ABB. III 440: Pieter Christoffel Wonder, »Patrons and Lovers of Art«. 1830. Öl auf Leinwand, 167,5 x 220 cm. Privatbesitz, England.


ABB. III 441: Pieter Christoffel Wonder, Studie zu »Patrons and Lovers<br />

of Art«. Öl auf Leinwand, 62,2 x 47 cm.<br />

National Gallery, London, Inv.-Nr. 792.<br />

ABB. III 442: Pieter Christoffel Wonder, Studie zu »Patrons<br />

and Lovers of Art«. Öl auf Leinwand, 54,9 x 48,3 cm.<br />

National Gallery, London, Inv.-Nr. 795.


ABB. III 443: Pieter Christoffel Wonder, Studie zu »Patrons and<br />

Lovers of Art«. Öl auf Leinwand, 61,3 x 47,5 cm.<br />

National Gallery, London, Inv.-Nr. 794.<br />

ABB. III 444: Pieter Christoffel Wonder, Studie zu »Patrons and Lovers<br />

of Art«. Öl auf Leinwand, 54,6 x 57,6 cm.<br />

National Gallery, London, Inv.-Nr. 793.


ABB. III 450: W. F. Witherington, »A Modern Picture Gallery«. 1824. Öl auf Leinwand, 69,4 x 90,4 cm.<br />

Bambridge Collection, Wimpole Hall (The National Trust).<br />

ABB. III 460: Thomas Jackson, »Sir J. F. Leicester’s Picture Gallery, Hill Street, London«. 1806/7. Aquarell,<br />

43,2 x 71cm. <strong>University</strong> of Manchester (Tabley House Collection).


ABB. III 461: S.C. Hall, »Great Hall at Charlecote«. Publ. 1848 (in der Folge »The Baronial Halls<br />

and Picturesque Edifices of England«).<br />

ABB. III 462: James Stephanoff, »Cartoon Gallery at Hampton Court«. Ca. 1815.<br />

Aquarell, 19,9 x 25,4 cm. HM The Queen.


ABB. III 463: John Chessell Buckler, »Picture Gallery at<br />

Tabley House«. 1809. Aquarell, 29,2 x 40,7 cm.<br />

<strong>University</strong> of Manchester (Tabley House Collection).<br />

ABB. III 470: James Digman Wingfield und Joseph Rubens Powell, »The Picture Gallery at Somerly«.<br />

1866. Öl auf Leinwand, 38 x 49 cm. Privatsammlung.


ABB. III 480: Joseph Nash, »Van Dyck Room, Windsor Castle«.1846. Watercolour and bodycolour, 32,5 x 47,9 cm.<br />

HM The Queen.


ABB. III 490: John Scarlett Davis, »Thirlestane House«. 1830. Öl auf Leinwand,<br />

80 x 105 cm. Oscar and Peter Johnson Ltd., London.


ABB. III 500: John Scarlett Davis, »Die Bibliothek von Benjamin Godfrey Windus mit dessen Kindern«. 1835. Aquarell mit<br />

Gummi arabicum, 29,9 x 55,7 cm. Trustees of the British Museum, London, Inv.-Nr. 1984-1-21-9.


ABB. III 510: James Stephanoff, »The Connoisseur«. 1817. Aquarell, Tempera, 51 x 70 cm.<br />

(Ehem. Privatslg., London) Auktion Sotheby’s, 13. 7. 1987.<br />

ABB. III 511: James Stephanoff, »The Virtuoso«. 1833 (ausgestellt). Aquarell,<br />

51 x 71,5 cm. British Museum, London.


ABB. III 520: William Daniels, »Joseph Mayer in seiner Sammlung«. 1840. Walker Art<br />

Gallery, Liverpool.<br />

ABB. III 521: Anonym(?), »Le Connaisseur«. Um 1818 Lithographie.


ABB. III 530: Anonym(?), »Alexandre du Sommerard«.


ABB. III 540: Honoré Daumier, »Un Amateur«. Um 1860. Feder und Tinte, Aquarell, Crayon Conté, Gouache über<br />

schwarzer Kreide auf Vélin, 43,8 x 35,5 cm. Metropolitan Museum, New York (H. O. Havemeyer Collection),<br />

Inv.-Nr. 29.100.200.


ABB. III 550: Honoré Daumier, »L’Amateur d’Estampes«. Kreide, Feder und Aquarell, 18,9 x 23,5 cm.<br />

Museum Boymans van Beuningen, Rotterdam.<br />

ABB. III 560: Honoré Daumier, »Deux Amateurs d’Estampes«. Aquarell<br />

und Tinte, 18 x 24 cm. Slg. O. Reinhart, Winterthur.


ABB. III 561: Honoré Daumier, »Les Amateurs d’Estampes«. Kreide, Feder und<br />

Aquarell, 35 x 32 cm. Victoria and Albert Museum, London.


ABB. III 570: Hubert Robert, »Die Grande Galerie um 1795«. Leinwand, 37 x 41 cm. Musée du Louvre, Paris.


ABB. III 571: »Réglement sur la Police intérieure du Musée de<br />

Tableaux et de Sculptures de la Ville de Dijon«. Dezember 1847.<br />

Archives municipale, Dijon.


ABB. III 580: Hubert Robert, »Die Grande Galerie etwa zwischen 1801 und 1805«. Leinwand, 36,5 x 46 cm. Musée<br />

du Louvre, Paris.


ABB. III 590: Hubert Robert, »Salle des Saison des Musée des Antiques«. 1802 - 1803. Leinwand, 38 x 46 cm.<br />

Musée du Louvre, Paris, R. F. 1964-35.


ABB. III 591: Hubert Robert, »La Rotonde d’Anne Autriche«. Ca. 1798 - 1800. Musée du Louvre, Paris,<br />

R.F. 1948 -37.


ABB. III 600: Hubert Robert, »Projet d'Aménagement de la Grande Galerie«. 1789(?). Öl auf Leinwand. Musée du Louvre, Paris,<br />

R. F. 1952-15.


ABB. III 610: Hubert Robert, »Projet pour éclairer la Gallerie du Musée par la voûte et pour la diviser sans ôter la vue de la<br />

prolongation du local«. 1796 (ausgestellt). Leinwand, 112 x 143 cm. Musée du Louvre, Paris, R. F. 1975-10.


ABB. III 620: Anonym, »Eröffnungstag des Koninklijk Museum« (heute Rijksmuseum).<br />

1808(?). Zeichnung. Rijksmuseum, Amsterdam.


ABB. III 630: Benjamin Zix, »L’Empereur et l’Impératrice visitant les Salles des Antiques«. Ca. 1810.<br />

Federzeichnung, braun laviert, 25,5 x 38,2 cm. Département des Arts Graphiques,<br />

Musée du Louvre, Paris, Inv.-Nr. 33.406.


ABB. III 631: Anonym, »Napoleon präsentiert den Deputierten den Apollo<br />

Belvedere«. Radierung mit Aquatinta. Bibliothèque Nationale, Paris.


ABB. III 640: A. Daudenarde nach F. Lix, »S. M. Nasser-Ed-Din in den Antikensälen des Louvre«.<br />

Le Monde Illustré vom 26. 7. 1873.


ABB. III 650: James Stephanoff, »An Apartment containing the Phygalion, and a Selection<br />

of the Elgin Marbles at the British Museum, 1818«. Aquarell, 20,5 x 25 cm.<br />

British Museum, London.<br />

ABB. III 651: Charles Heath nach Frederick Macenzie, »View of the temporary<br />

Elgin Room«. Publ. 1825 (in der Folge »Views of London«).


ABB. III 660: Samuel F.B. Morse, »Blick in den Salon Carré und die angrenzende Grande Galerie«. 1831 - 1833. Öl auf Leinwand,<br />

273,3 x 187,3 cm. Collection Syracuse <strong>University</strong> (Gift of Mrs. Allen Munroe and Francis Root).


ABB. III 670: John Scarlett Davis, »Blick in den Salon Carré und die angrenzende<br />

Grande Galerie«. 1831. Öl auf Leinwand, 115 x 144,3 cm. O. & P. Johnson Ltd., London.


ABB. III 671: John Scarlett Davis, »Die lange Galerie in den Uffizien«. 1834. Öl auf Leinwand, 107 x 141 cm.<br />

Auktion Sotheby’s London, 14. 11. 1993.


ABB. III 680: Anonym, »Die Dresdener Galerie im Stallgebäude«. Um 1830. Tuschzeichnung. Kupferstichkabinett, Dresden,<br />

Inv.-Nr. Sax rop II. 2 30.


ABB. III 690: Joseph Dauphin, »Das Musée des Beaux-Arts de Marseille in der Kirche<br />

der Bernardinerinnen« Um 1840. Öl auf Leinwand, 54 x 38 cm. Musée des Beaux-<br />

Arts, Marseille, Inv.Nr. D. 811.


ABB. III 691: Isidore Bonnier de Layens, »Das Musée de Lille in der Kirche des<br />

Franziskanerklosters«. Um 1835. Öl auf Leinwand, 84 x 65 cm. Musée des Beaux-<br />

Arts, Lille, Inv.-Nr. P 871.


ABB. III 700: Giuseppe Castiglione, »Blick in den Salon Carré«. 1861. Öl auf Leinwand, 69 x 103 cm. Musée du<br />

Louvre, Paris, RF 3734.


ABB. III 701: Victor Duval, »Blick in die Grande Galerie«. Um 1880. Öl auf Leinwand, 65 x 81 cm. Musée du<br />

Louvre, Paris, RF 1939-6.


ABB. III 702: Anonym, »Musée du Luxembourg«. Um 1873. Öl auf Leinwand,<br />

81 x 100 cm. Musée du Louvre, Paris.<br />

ABB. III 703: John Watkins, »Die Aquarell-Räume im South Kensington Museum« (heute Victoria and<br />

Albert Museum). Aquarell, 29 x 43 cm. Victoria and Albert Museum, London.


ABB. III 704: P.F.L. Fontaine, »Salle du Centaure mit Blick in die Salle des Saisons «. Aquarell.<br />

Bibliothèque Nationale, Paris.


ABB. III 705: P.F.L. Fontaine, »Salle des Empereurs und die Salle de la Rontonde«.<br />

Aquarell. Slg. Morel d’Arleux.


ABB. III 706: P.F.L. Fontaine, »Salle du Centaure mit Blick in die Salle des Romains «. Aquarell.<br />

Slg. Mme. Robert Meunié.


ABB. III 707: Charles Percier, »Die neue Salle des Muses«. Zeichnung. Musée du Louvre, Paris, Inv.-Nr. 32.298.


ABB. III 708: E. M. Barry, »The Landscape Picture Gallery« 1866 (einer von vier »Designs for the<br />

Rebuilding of the National Gallery«). Lavierte Federzeichnung. National Gallery, London.


ABB. III 709: A. Provost, »Salon Carré«. Farblithographie. Musée Carnavalet, Paris.


ABB. III 711: Bertrand und Froment, »Salle de la Collection La Caze«. 1870. Stich. Bibliothèque Nationale, Paris.


ABB. III 712: Normand d.J.(?), »Salle du Laocoon«. Stich. Bibliothèque Nationale, Paris.<br />

ABB. III 713: Cosson-Smeeton nach Fichot, »Nouvelles Galeries du Musée du Louvre«. L’Illustration vom 25.<br />

7. 1868. Stich.


ABB. III 714: Tilly, »La nouvelle Salle des Etats«. L’Illustration vom 30. 10. 1886. Stich.


ABB. III 715: Linton nach Bourdelin, »Galerie des Medici, au Louvre«. Le Monde Illustré vom 19. 6. 1858.<br />

Stich.<br />

ABB. III 716: Heath nach Batty, »Die Grande Galerie, 1819«. Publ. 1822 (in »French Scenery«,<br />

London). Stich.


ABB. III 717: Hibon nach Civeton, »Salle des Empereurs romains«. Publ. in Comte de<br />

Clarac, »Musée de Sculpture Antique et Moderne« (Bd. 1, Tafel 90).<br />

ABB. III 718: G. Arnout, »Die Grande Galerie«. (“Planche 25 d’un album sur Paris édité chez Goupil”). Musée<br />

Carnavalet, Paris.


ABB. III 720: Anonym, »Connoisseurs at the East Side«. The Graphic vom 19. 4. 1873.<br />

ABB. III 721: Honoré Daumier, »Croquis pris au Salon:<br />

Che cha une belle chaudronnerie! …«. Le Charivari vom<br />

7. 6. 1865. Lithographie. (D. 3444; H.D. 1564)


ABB. III 722: Charles Albert d’Arnoux (genannt Bertall), »Les impression de<br />

voyage de la famille Ballot au musée«. L’Illustration vom 20. 5. 1847.


ABB. III 730: Anonym, »The Sunday Public Visiting the Fine Arts Gallery on the Champ-de-Mars«. 1878.<br />

Lithographie. Bibliothèque Nationale, Paris.


ABB. III 740: Henri Gervex, »Die Hochzeitsgesellschaft<br />

im Louvre«. Publ. 1878 (als Illustration in E. Zolas<br />

»L’Assommoir«).


ABB. III 741: José Simont, »Au Salon d’Automne«. L’Illustration, 1904.


ABB. III 750: Charles Angrand »Musée des Beaux Arts, Rouen«. 1880. Öl auf Leinwand, 114 x 154 cm. Musée des Beaux-Arts, Rouen, Inv.-Nr. 991.1.1.


ABB. III 751: Karl Louis Preusser, »In der Dresdener Galerie«. 1881. Staatliche<br />

Kunstsammlungen, Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden.


ABB. III 760: Jules Gasson, »Au Louvre«. 1880. Slg. J.-J. Marquet de Vasselot.


ABB. III 761: Guillaume Larrue, »Vor der Sphinx in der Salle Égyptienne.«. Musée du Louvre, Paris, RF 3954.


ABB. III 770: James Jacques Joseph Tissot, »L’Esthétique«. Ca. 1883 - 85. Museo de<br />

Arte de Ponce, Porto Rico, Brasilien (The Luis A. Ferre Foundation, Inc.).


ABB. III 780: Paul Pujol, »Paar in der Rotonde d’Apollon«. 1889. Privatsammlung.


ABB. III 790: Edward R. Taylor, »‘Twas a famous Victory«. 1883. Öl auf Leinwand, 79,3 x 121,8 cm.<br />

Birmingham City Museums and Art Gallery.<br />

ABB. III 791: Thomas Davidson, »England’s Pride<br />

and Glory« (Ausschnitt). Öl auf Leinwand,<br />

91,5 x 71 cm.


ABB. III 800: Edouard-Antoine Marsal, »Satyre et Bacchante« 1887. Öl auf<br />

Leinwand, 55 x 46 cm. Musée Paul Valéry, Sète.


ABBILDUNGSNACHWEIS<br />

The Age of Rubens (Ausst., 1993: Museum of Fine Arts, Boston; Toledo Museum of Art). Peter C. Sutton (with the<br />

collaboration of Marjorie E. Wieseman et al.). Boston, 1993.<br />

I 361; I 430; I 500<br />

Albus, Anita: Paradies und Paradox. Wunderwerke aus fünf Jahrhunderten. Frankfurt a. M., 2002.<br />

I 260<br />

Arnold, Karl Heinz: Auktion in der Kunst. Frankfurt a. M., 1998.<br />

II 451; III 200; III 310; III 311; III 312; III 313; III 320; III 330; III 331; III 340; III 350; III 351; III 352; III 353; III 360;<br />

III 370; III 380; III 400; III 401; III 410;<br />

Asemissen, Hermann Ulrich; Schweikhart, Gunter: Malerei als Thema der Malerei. Berlin, 1994.<br />

I 182; I 460; I 470; II 121; II 340<br />

The Art Bulletin. Vol. LXIX, No. 3.<br />

II 580<br />

Auktionskataloge u. ä.:<br />

- Sotheby’s Amsterdam, April 1977.<br />

I 532<br />

- Sotheby’s New York. Feb. 1990.<br />

III 120<br />

- Lempertz, Köln. Juni 1990 (652. Math. Lempertz’sche Kunstversteigerung).<br />

I 533<br />

- Galerie Johnny van Haeften, London. [Katalog] “Ten” [1997].<br />

I 211<br />

- Galerie Johnny van Haeften, London. [Katalog] “Twelve” [2002].<br />

I 310<br />

Galerie Raffael Valls, London. Katalog 2001.<br />

I 161<br />

- Anzeige der Galerie Simon C. Dickinson (London) in einer Sonderpublikation zur TEFAF (The European Fine<br />

Arts Fair, Maastricht) 2000.<br />

I 350<br />

- Galerie de Jonckheere, Paris.Katalog Printemps-été 2000.<br />

I 110<br />

Barock in Dresden. Kunst und Kunstsammlungen unter der Regierung des Kurfürsten Friedrich August I. von<br />

Sachsen und Königs August II. von Polen genannt August der Starke 1694 - 1733 und des Kurfürsten Friedrich<br />

August II. von Sachsen und Königs August III. von Polen 1733 - 1763. Leipzig, 1986.<br />

II 390; II 390a<br />

Bazin, Germain: The Museum Age. Brüssel; London: o.J. [1967].<br />

E 90a; I 120; II 400; III 600; III 620<br />

Belting, Hans: Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst. Unveränderter Nachdr. d.<br />

2. Aufl. v. 1991. München, 1993.<br />

E 10<br />

Bober, Phyllis Pray; Rubinstein, Ruth: Renaissance Artists & Antique Sculpture. A Handbook of Sources. London;<br />

Oxford; New York, 1986.<br />

E 70<br />

Bredekamp, Horst: Antikensehnsucht und Maschienenglauben. Die Geschichte der Kunstkammer und die<br />

Zukunft der Kunstgeschichte. Berlin, 1993.<br />

I 541; I 542<br />

Von Bruegel bis Rubens. Das goldene Jahrhundert der fämischen Malerei. Hrsg. v. Ekkehard Mai u. Hans Vlieghe.<br />

(Ausst., 1992/1993: Wallraf-Richartz-Museum, Köln; Koninklijk Museum voor Schone Kunsten, Antwerpen;<br />

Kunsthistorisches Museum, Wien) Köln, 1992.<br />

I 360; I 380; I 391<br />

Gudrun Calov: Museen und Sammler des 19. Jahrhunderts in Deutschland. Zugleich Museumskunde 38/ 1969/ Heft<br />

1- 3. Berlin, 1969.<br />

III 680<br />

Crow, Thomas E.: Painters and Public Life in Eighteenth-Century Paris. New Haven; London, 1985.<br />

II 491; II 541; II 542; II 543; II 550<br />

Daniel Chodowiecki (1726 - 1801) - Zeichnungen und Druckgraphik. Bürgerliches Leben im 18. Jahrhundert.<br />

(Ausst., 1978: Städelsches Kunstinstitut u. Städelsche Galerie, Frankfurt a. M.) Frankfurt a. M., 1978.<br />

II 480<br />

Danto, Arthur C.: Mark Tansey. Visions and Revisions. New York, 1992.<br />

III 70


David Teniers, Jan Brueghel y Los Gabinetes de Pinturas.(Ausst., 1992: Museo del Prado, Madrid) Madrid, 1992.<br />

I 360; I 370; I 400; I 510; I 511<br />

de Coo, Jozef: “A medieval look at the Merode Annunciation” in: Zeitschrift für Kunstgeschichte.” Bd. 44/1981.<br />

S. 114 -132.<br />

E 40<br />

Denucé, J.: De Antwerpsche «Konstkamers». Inventarissen van kunstverzamelingen te Antwerpen in de 16e en 17e<br />

eeuwen. Antwerpen, 1932.<br />

I 441<br />

Dialog mit alten Meistern: Prager Kabinettmalerei 1690 - 1750 (Ausst., 1997: Herzog-Anton-Ulrich-Museum,<br />

Braunschweig). Braunschweig, 1997.<br />

II 11; II 12; II 20; II 30; II 40; II 50; II 60<br />

Donath, Adolph: Psychologie des Kunstsammelns. Berlin, 1911.<br />

III 390<br />

Egerton, Judy: Wright of Derby (Ausst., 1990: Tate Gallery, London; Grand Palais, Paris; Metropolitan Museum of<br />

Art, New York) London, 1990.<br />

II 260<br />

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6. Juni 1998, Nr. 129/ S. 41. Kunstmarkt.<br />

I 423<br />

Filipczak, Zirka Zaremba: Picturing Art in Antwerp 1550 - 1700. Princeton, N.J., 1987.<br />

I 170b; I 292; I 440; I 520; I 521; I 522; I 523; I 530; I 531; II 401<br />

Mayer, Rudolf: Gedruckte Kunst. Wesen - Wirkung - Wandel. Dresden, 1984.<br />

II 300; II 450; II 460; II 461; II 462; II 464; III 260; III 270; III 421<br />

Georgel, Pierre; Lecoq, Anne-Marie: La peinture dans la peinture. Paris, 1987.<br />

E 60; E 61; I 181; I 180; I 512; I 561; III 420; III 430<br />

Grand Tour. The Lure of Italy in the Eighteenth Century. Ed. by Andrew Wilton a. Ilaria Bignamini. (Ausst.-<br />

Kat. London; Rom) London, 1996.<br />

II 130II 131; II 132; II 150; II 160; II 170; II 180; II 190; II 200; II 222; II 223; II 224; II 270; II 410<br />

Das große Lexikon der Graphik. Künstler - Techniken - Hinweise für Sammler. Köln, 1989.<br />

E 45; E 50; III 540<br />

Grosshans, Rainald: “Simon Marmion: Das Retabel von Saint-Bertin zu Saint-Omer. Zur Rekonstruktion und Entstehungsgeschichte<br />

des Altars”, in: Jahrbuch der Berliner Museen. NF 33/1991. S. 63 - 98.<br />

E 20; E 20a; E 30; E 30a<br />

Härting, Ursula: Studien zur Kabinettbildmalerei des Frans Francken II. 1581 - 1642. Ein repräsentativer<br />

Werkkatalog. Hildesheim; Zürich; New York, 1983.<br />

I 151<br />

Härting Ursula: Frans Francken der Jüngere (1581 - 1642): Die Gemälde mit kritischem Œuvrekatalog. Freren,<br />

1989.<br />

I 111; I 130; I 162; I 172; I 173; I 174; I 210; I 250; I 291; I 300; I 421; I 422; I 424<br />

Härting, Ursula: “>doctrina et pietas


Isherwood, Robert M.: Farce and Fantasy. Popular Entertainment in Eighteenth-Century Paris. New York;<br />

Oxford, 1986.<br />

II 470<br />

Jenkins, Ian: “James Stephanoff and the British Museum”, in: Apollo. 121. March 1985. S. 174 – 181.<br />

III 511; III 651<br />

La Jeunesse des Musées. Les musées de France aux XIXe siècle. Sous la direction de Chantal Georgel (Ausst., 1994:<br />

Musée d’Orsay, Paris). Paris, 1994.<br />

III 571; III 591; III 690; III 691; III 700; III 701; III 702; III 722; III 740; III 750; III 800<br />

Kemp, Wolfgang: “Die Kunst des Schweigens”, in: Laokoon und kein Ende: der Wettstreit der Künste. Herausgegeben<br />

v. Thomas Koebner. München, 1989. S. 96 - 119.<br />

E 20a; II 310; II 320<br />

Kiene, Michael: “Giovanni Paolo Panninis Expertisen für Marchese Capponi und sein Galeriebild für Kardinal<br />

Valenti Gonzaga”, in: Römisches Jahrbuch der Bibliotheca Hertziana. 26/1990. S. 257 - 301.<br />

II 100; II 100a; II 100b; II 100c; II 101; II 102<br />

Kiers, Judikje u. a.: een eeuw Apart. Het Rijksmuseum en de Nederlandse schilderkunst in de 19de eeuw.<br />

Amsterdam, 1993.<br />

III 210; III 220<br />

Kleinstehn, Thomas: Der flüchtige Blick. Sehen und Identität in der Kultur der Neuzeit. Reinbeck bei Hamburg,<br />

1989.<br />

II 280<br />

Klessmann, Rüdiger: Gemäldegalerie Berlin. Gütersloh u.a., 1972.<br />

E 20b<br />

Klinge, Margret: David Teniers de Jonge. Schilderijen - Tekeningen. (Ausst., 1991: Koninklijk Museum voor<br />

Schone Kunsten, Antwerpen) Antwerpen, 1991.<br />

I 362; I 363; I 390; I 420<br />

Knoef, J.: “Adriaan de Lelie” in: Elsevier’s Maandschrift. 50/1940/No.11. S. 389 - 405.<br />

II 230; II 240<br />

Koch, Georg Friedrich: Die Kunstausstellung. Ihre Geschichte von den Anfängen bis zum Ausgang des 18.<br />

Jahrhunderts. Berlin, 1967.<br />

II 350; II 361; II 370; II 380; II 492; II 493; II 520; II 530; II 620; II 630; II 640; II 650; II660; II 700; II 710<br />

Kraamkamer van de Kunst. Ateliers en Academies. (Ausst., 1990: Rijksprentenkabinet, Amsterdam) in: Bulletin<br />

van het Rijksprentenkabinet - Rijksmuseum Amsterdam. No. 24.<br />

I 490<br />

Kunst aus Schloss Rheydt. Gemälde und Graphik aus dem 16. und 17. Jahrhundert. (Ausst., 1989: Schloss Bergh,<br />

‘s-Heerenberg; Museum Wasserburg Anholt, Isselburg). ‘S-Heerenberg, 1989.<br />

II 70<br />

Laurentius, Th. u.a.: Cornelis Ploos van Amstel, 1726 - 1798. Kustverzamelaar en prentuitgever. Assen, 1980.<br />

II 221<br />

Mainardi, Patricia: “The Eviction of the Salon from the Louvre”, in: Gazette des Beaux-Arts. T. 112/1988. S. 31 -<br />

40.<br />

III 171<br />

Mainardi, Patricia: The end of the Salon: art and the state in the early Third Republic. Cambridge u.a., 1993.<br />

III 161; III 290; III 301; III 730<br />

Mayor, A. Hyatt: Prints and People: a social history of printed pictures. Princeton (N.J.) u.a., 1971.<br />

I 364; I 480; II 463; II 680<br />

McClellan, Andrew: Inventing the Louvre. Art Politics, and the Origins of the Modern Museum in Eighteenth-<br />

Century Paris. Cambridge, MA, 1994.<br />

III 631<br />

Menschen im Museum. Eine Sammlung von Geschichten und Bildern. Gefunden u. hrsg. v. Christoph Stölzl.<br />

Berlin, 1997.<br />

III 791<br />

Metropole London. Macht und Glanz einer Weltstadt. (Ausst., 1992: Villa Hügel, Essen) Recklinghausen, 1992.<br />

III 91; III 110; III 251; III 440; III 500; III 650<br />

Milner, John: The studios of Paris: the capital of the late nineteenth century. New Haven [u. a.]. 1988.<br />

III 151<br />

Müller Hofstede, Justus: “ ‘Non Saturatur Visu’- Zur ‘Allegorie des Gesichts’ von Peter Paul Rubens und Jan<br />

Brueghel d.Ä.”, in: WORT und BILD in der niederländischen Kunst und Literatur des 16. und 17. Jahrunderts. Herausgegeben<br />

von Herman Vekeman und Justus Müller Hofstede. Erftstadt, 1984. S. 243 - 289.<br />

I 140<br />

Palaces of Art. Art Galleries in Britain 1790 - 1990. (Ausst., 1991/1992: Dulwich Picture Gallery, London; The<br />

National Gallery of Scotland, Edinburgh) [London, 1991.].<br />

II 421; II 670; III 90; III 92; III 230; III 250; III 300; III 450; III 460; III 462; III 463; III 470; III 703; III 708; III 770; III<br />

790


Pegasus und die Künste. (Ausst., 1995: Museum f. Kunst und Gewerbe, Hamburg) Hrsg. v. Claudia Brink u.<br />

Wilhelm Hornbostel. München, 1995.<br />

I 152; I 153; I 290<br />

Postkarten<br />

I 113; I 410; II 362a; II 510; III 751<br />

Rembrandt. Hundert Radierungen. Ausw. u. Bearb. Eckhard Schaar. (Ausst., 1987: Hamburger Kunsthalle)<br />

[Hamburg, 1987].<br />

I 540<br />

Reznicek, E. K. J.: Die Zeichnungen von Hendrick Goltzius. Mit einem beschreibenden Katalog. Utrecht, 1961<br />

E 80; E 81; E 82<br />

Schonath, Wilhelm: 250 Jahre Schloss Pommersfelden (1718 - 1968). (Ausst., 1968: [Pommersfelden?]) [?], 1968.<br />

II 90<br />

Schwartz, Gary: “Love in the Kunstkamer. Additions to the work of Guillam van Haecht (1593 - 1637)”, in:<br />

Tableau Fine Arts Magazine. 18/1996/Nr. 6. S. 43 - 52.<br />

I 175; I 240; I 270; I 271; I 280<br />

Schwartz, Gary: Rembrandt. Sämtliche Gemälde in Farbe. Darmstadt, 1987.<br />

I 543<br />

Sillevis, John: Van plint tot plafond. De presentatie van eigentijdse kunst in de negentiende eeuw. [Ort ?, Jahr?]<br />

III 741<br />

Sonino, Annalisa Scarpa: Cabinet D’Amateur. Le Grandi Collezioni d’Arte nei Dipiniti dal XVII al XIX Secolo.<br />

Mailand, 1992.<br />

I 112; I 170; I 171; I 180; I 190; I 191; I 200; I 230; I 241; I 330; I 340; II 110; II 120; II 210; III 100; III 441; III 442; III<br />

443; III 444; III 490; III 510; III 670<br />

Speth-Holterhoff, Simone: Les Peintres Flamands de Cabinet d’Amateur au XVIIE Siècle. Brüssel, 1957.<br />

I 170a; I 192<br />

Stoichita, Victor I.: Das selbstbewußte Bild: Vom Ursprung der Metamalerei. (Diss., Paris, 1989) München, 1998.<br />

I 550<br />

Stukenbrock, Christiane; Töpper, Barbara: Meisterwerke der Eurpäischen Malerei. Köln, 1999.<br />

II 360; II 360a<br />

Verzamelen. Van Rariteitenkabinet tot Kunstmuseum. Redactie Ellinoor Bergvelt et al. Heerlen, 1993.<br />

E 90; E 100; I 451; II 220; III 580; III 590<br />

Wainwright, Clive: The Romantic Interior. The British Collector at Home, 1750 - 1850. New Haven; London,<br />

1989.<br />

III 461; III 520; III 530<br />

Warburg Institute, London (Fotokopien; aus Katalogen u. Zeitschriften herausgelöste Abbildungen )<br />

I 570; II 13; II 112; III 720<br />

Watson, F. J. B.: The Choiseul Box. London u. a., 1963.<br />

II 111; II 111a; 111b<br />

Weber, Gregor J. M.: “Johann Michael Bretschneider, »Gemäldekabinett«: Malerei nach graphischen Vorlagen”,<br />

in: Rheydter Jahrbuch für Geschichte, Kunst und Heimatkunde. 20/1992. S. 89 - 107.<br />

II 10<br />

De wereld binnen handbereik: Nederlandse kunst- en rariteitenkabinetten , 1585 - 1735. Red.: Ellinoor Bergvelt<br />

en Renée Kistemaker. Zwolle, 1992.<br />

II 330<br />

Witt Library, London (Fotokopien; aus Katalogen u. Zeitschriften herausgelöste Abbildungen )<br />

I 131; I 221; II 140; II 250; II 251; II 261; II 690; III 480; III 550; III 560; III 671<br />

Wohlgemuth, Anette: Hororé Daumier - Kunst im Spielgel der Karikatur von 1830 - 1870. (Diss. Münster, 1994)<br />

Frankfurt a. M. u.a., 1996.<br />

III 172<br />

Wood, Christopher: Victorian Panorama. Paintings of Victorian Life. London, 1976.<br />

III 230; III 280<br />

Wrigley, Richard: The Origins of French Art Criticism. From the Ancien Régime to the Restoration. Oxford,<br />

1993.<br />

II 560; II 590; II 600<br />

Zauber der Medusa. Europäische Manierismen. (Ausst., 1987: Wiener Künstlerhaus/Ausst. d. Wiener Festwochen).<br />

Wissenschftl. Konzept u. Leitung Werner Hofmann. Wien 1987.<br />

I 320<br />

Der Zugang zum Kunstwerk: Schatzkammer, Salon, Ausstellung, “Museum”. Bd. 4 der Akten des XXV. Internationalen<br />

Kongresses für Kunstgeschichte: Wien, 4.-10. Sept. 1983 / im Auftr. d. Österr. Nationalkomitees d. CIHA<br />

hrsg. von Hermann Fillitz u. Martina Pippal. Wien; Köln; Graz: 1986. S. 37-41.<br />

I 560; I 571; III 521

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