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Milen Ruskov: In die Natur geworfen - Traduki

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Aber der Kukuruz hat sich ausgebreitet, viele haben begonnen, ihn auszusäen, sie haben<br />

ihn jedem Blick freigegeben.<br />

Alle sahen Arif an, Zihni Efendi Kuskunović sah kurz zu mir und lächelte. Mevlija zupfte<br />

ihr blaues Kopftuch zurecht und sah verstohlen zu ihrem Schwiegervater Arif Humo, sie<br />

war wütend und traurig zugleich. Ich erinnere mich, als wäre es heute Morgen gewesen,<br />

als <strong>die</strong> Dichterin Pavlović in unserem Hof plötzlich mit gewöhnlichen Worten aus Mevlija<br />

sprach, ohne Harmonie und Wohlklang! Es war in dem Moment, als mein Vater Salko <strong>die</strong><br />

Hofschwelle überschritt, mit Alkohol in der länglichen Kupferflasche und im Magen,<br />

angetrunken, beschmutzt, angepinkelt.<br />

Mevlija kam hoch und blieb unter der Pappel stehen und befahl Salko, auf der Stelle auf<br />

<strong>die</strong> Gasse zurückzukehren, sich zu waschen und nüchtern zu werden! Alles habe ich<br />

gesehen und im Gedächtnis behalten, neun Jahre war ich alt, ich stand neben der<br />

Feuerstelle (wo wir jeden Spätherbst Feigenmus backen), ich dachte, alles wäre nur ein<br />

Spiel, in dem Salko einen Ibrik in der Hand hielt und Mevlija es ihm nicht erlaubte, und<br />

immer so im Kreis.<br />

Aber es war kein Spiel, es gab kein Lachen! Salko Humo wollte das dritte Mal<br />

hereinkommen, aber da packte ihn Mevlija Pavlović an der Brust und warf ihn hinaus und<br />

begleitete ihn mit Worten (ich schäme mich, dass ich, ein Absolvent der Zarigrader<br />

Medressen, Mevlijas Worte so wiedergebe, wie sie sie gesagt hat):<br />

– Schämen sollst du dich, du und deine Humos bis ins neunte Glied! Schämen solltet ihr<br />

euch, als ihr Christen wart und als ihr Muslime wurdet! Ihr habt nie etwas getaugt, kein<br />

einziger Glaube hat euch erzogen, keine einzige heilige Botschaft hat euch berührt! Ich<br />

seid ein Beispiel für Gottes Verzweiflung über <strong>die</strong>ses Land. Ihr habt niemals fromm<br />

geheult. Ihr habt nie ein Herz gehabt, das von Gottes Gnade angerührt worden wäre!<br />

Und wie sollte sie euch auch anrühren, wenn ihr vorher Heiden wart und jetzt Heiden<br />

seid, eine Schande für Kreuz und Halbmond, man weiß nicht, für wen mehr, ein Jammer<br />

aller Jammer!<br />

Ich fürchtete mich an <strong>die</strong>sem Abend, als sie in unserem Hof über den Kukuruz<br />

diskutierten, Furcht erfasste mich, den Knaben, der damals für immer von der Kindheit<br />

getrennt wurde, dass <strong>die</strong> Dichterin Pavlović aus Mevlija sprechen würde, dass sie ihren<br />

Schwiegervater Hadschi Arif angreifen würde. Aber Mevlija stand leise auf, trat zu mir,<br />

fasste mich an der Hand und sagte:<br />

– Skender, erzähl den ehrenwerten Menschen etwas über <strong>die</strong> Heilkräuter, das, was du im<br />

vergangenen Monat gelernt hast.<br />

Ich kam unter dem dicken Pappelstamm hervor, trat in <strong>die</strong> goldhelle Strähne des<br />

Mondlichts, stellte mich vor alle hin und begann:<br />

– Päonie, vielblättriger Blütenkranz, blüht im Mai und Juni; Spitzwegerich, lanzettförmige<br />

Blätter, wächst an Wegen, blüht von April bis Oktober; Heidelbeere, wächst bis hinauf ins<br />

Gebirge, gut als Arznei im August und Oktober; Schlehdorn, blüht von April bis Mai, seine<br />

Früchte sind erst gut, wenn sie starken Frost bekommen haben; Schlangenkraut,<br />

leuchtend blaue Blüten, blüht von April bis August an Zäunen und Hecken; Königskerze,<br />

zweijährige Staude mit filzigen Blättern, zitronengelben Blüten, wächst auf Schutthalden,<br />

manchmal auch an verlassenen Kirchen und Moscheen ... Mutter, soll ich noch?<br />

– Noch, Skender!<br />

– Kalmus, wächst an stehenden Gewässern, blüht im Juni, manchmal im Juli, wenn das<br />

Jahr sich verspätet (und bei uns kommt es selten zur Zeit), meldet sich der Kalmus mit<br />

starkem Duft und bitterem Geschmack; Quecke, sie liebt Hänge und Brachland, von wo<br />

sie in Gärten und Höfe umgepflanzt wird, domestiziert hält sie nicht lange, sie blüht von<br />

Juli bis August, ihre Wurzel ist gut gegen <strong>die</strong> Pest (wenn man sie den Unglücklichen<br />

rechtzeitig eingibt); Nelkenwurz, blüht von Juni bis September, an Zäunen, feuchten<br />

Wäldern und vergessenem Buschwerk; Brunnenkresse, wächst gern an klaren Quellen,<br />

Bächen und Teichen, kriecht mit ihren Stengeln und schwimmt auf dem Wasser, blüht in<br />

kleinen weißen Blütentrauben, im Frühjahr überdauert es als saftige Pflanze; Minze,<br />

Enes Karić Seite 8

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