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Pieper, Rezension Bd. 8.1 - Josef Pieper Arbeitsstelle

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Prof. Dr. Manfred Gerwing, <strong>Pieper</strong>-<strong>Rezension</strong> in: Wissenschaft und Weisheit 70<br />

(2007) 151 – 153.<br />

<strong>Pieper</strong>, <strong>Josef</strong>: Miszellen. Register und Gesamtbibliographie. Hrsg. von Berthold<br />

Wald. Felix Meiner Verlag Hamburg 2005 , VII, 414 S., Leinen (= <strong>Josef</strong> <strong>Pieper</strong>.<br />

Werke in acht Bänden <strong>Bd</strong>. <strong>8.1</strong>).<br />

Auch der achte Band der „<strong>Josef</strong> <strong>Pieper</strong>. Werke“ besteht aus zwei Bänden. Der erste<br />

von ihnen (<strong>Bd</strong>. <strong>8.1</strong>) liegt jetzt vor, der zweite wird, laut Verlagsankündigung, erst im<br />

nächsten Jahr erscheinen. Der hier zu besprechende Band enthält insgesamt 48<br />

Miszellen, also kleinere Arbeiten des Autors, die in verschiedenen wissenschaftlichen<br />

Publikationsorganen erschienen sind. Sie umfassen einen Zeitraum von über fünfzig<br />

Jahren: der älteste Beitrag stammt mitten aus dem Krieg, aus dem Jahre 1942, und<br />

ist bezeichnenderweise überschrieben mit „Ritterlichkeit als soldatische Haltung“<br />

(235 – 241), der jüngste Artikel erschien 1996, ein Jahr vor <strong>Pieper</strong>s Tod, und<br />

thematisiert in geradezu mystischer Dichte das „innere Wort“ (104 – 107). Die<br />

einzelnen Beiträge sind fünf Themenfeldern zugeordnet, die den inhaltlichen<br />

Schwerpunkten der Werkausgabe korrespondieren: Ein erster Akzent bildet die<br />

antike Philosophie, hier kurz und bündig überschrieben mit „Platon“ (1 – 28).<br />

Darunter finden sich vier schmale Beiträge, die es aber in sich haben. Es geht um die<br />

Frage nach der Wahrheitsfindung. Hier wird dem Dialog, das Gespräch im Sinne<br />

Platons eine exzeptionelle Bedeutung zugesprochen („Das Gespräch als Ort der<br />

Wahrheit“, 1 – 5), ebenso den platonischen Mythen („Über die Wahrheit der<br />

platonischen Mythen“, 6 – 13) sowie dem „Einfall“, der „göttlichen Inspiration“<br />

(„Gottgeschickte Entrückung. Eine Platon-Interpretation“, 14 – 28). Einen größeren<br />

Themenschwerpunkt bildet das zweite Kapitel, überschrieben mit „Scholastik“ (29 –<br />

107). Wer auch nur ein wenig von <strong>Josef</strong> <strong>Pieper</strong> gelesen hat, wird sich nicht wundern,<br />

dass von den acht hier abgedruckten Beiträgen sieben Thomas von Aquin ins<br />

Zentrum des Interesses rücken. Deutlich wird hier noch einmal auf den Punkt<br />

gebracht, was <strong>Pieper</strong> an Thomas schätzt und warum er die Lektüre dieses<br />

mittelalterlichen Bettelmönches gerade heute für unentbehrlich, ja – im wahrsten<br />

Sinne des Wortes - für notwendig hält („Kurze Auskunft über Thomas von Aquin“, 40<br />

– 43; „Thomas von Aquin“, 83 – 103; „Aktualität der Scholastik. Ein Rückblick“, 73 -<br />

-82). Dabei geht es ihm um Wissenschaft und Weisheit („Thomas von Aquin als<br />

Lehrer“, 29 – 39; „Über den Geist des Streitgesprächs“, 56 - 65) um Welt-Wissen und<br />

Gottes-Glauben, um „fides et ratio“ („Das Zeugnis des Thomas von Aquin“, 66 – 72;


„Inneres Wort“, 104 – 107). Zwischendurch plötzlich „Boethius-Gedichte, übersetzt<br />

von Konrad Weiß“ (44 – 55). Auch dieser Essay eine schriftstellerische<br />

Meisterleistung: spannend geschrieben, voller Information und so weitreichender wie<br />

tiefschürfender gedanklicher Kombination. Boethius, wer kennt ihn noch? Und doch<br />

sind seine Wortprägungen in aller Munde: „Prinzip“, „universal“, „Spekulation“,<br />

„Akzidens“, „definieren“, „Subjekt“, alles Wörter, die auf ihn zurückverweisen, auf ihn,<br />

diesen „Römer am germanischen Fürstenhof“, diesen „Griechen im christlichen<br />

Bezirk“, diesen „katholischen Christ im Dienst eines arianischen, also ketzerischen<br />

Regimes“ (45).<br />

Der dritte thematische Schwerpunkt des Buches ist betitelt mit „Philosophie“ (109 –<br />

234). Die diesem Kapitel zugeordneten 17 Miszellen stehen äußerlich wie innerlich<br />

im Zentrum der Publikation. Hier wird gefragt, was überhaupt Philosophie sei und ob<br />

es etwa eine „nicht-christliche Philosophie“ geben könne. Auch wird gefragt, wodurch<br />

sich Philosophie von Theologie unterscheide, wo der Unterschied liege<br />

philosophischer Theologie und theologischer Philosophie? Deutlich wird in diesen<br />

Artikeln noch einmal, dass es <strong>Pieper</strong> nicht so sehr um Philosophie im Sinne einer<br />

rsitären (Fach-)disziplin zu tun ist (ein solches Verständnis von Philosophie hält er<br />

ohnehin für ein großes Missverständnis). Vielmehr geht es <strong>Pieper</strong> um das<br />

Philosophieren, noch genauer: um den Philosophierenden selbst. Wer philosophiert,<br />

sucht die „Gesamtheit dessen, was begegnet“ zu bedenken. Dieses Bedenken<br />

geschieht, wie ausdrücklich hinzugefügt wird, nicht irgendwie, sondern als<br />

„Bedenkung auf die letztgründige Bedeutung hin“ (203). Auch legt <strong>Pieper</strong> Wert<br />

darauf, genau zu klären, was hier unter „Gesamtheit“ und „Begegnen“ zu verstehen<br />

sei. Wenn er in diesem Zusammenhang z. B. von „Gesamtheit“ redet, dann will<br />

<strong>Pieper</strong> damit keineswegs behaupten, dass es sich nur dann um „Philosophie“ und<br />

„Philosophieren“ handele, sofern jedes Mal „das Ganze der Welt und des Daseins<br />

formell zum Gegenstand gemacht wird; wohl aber heißt es, dass der jeweilige,<br />

möglicherweise höchst konkrete Fragegegenstand vor dem Horizont der<br />

Gesamtwirklichkeit in den Blick zu nehmen und dass er zu betrachten sei unter<br />

jedem möglichen Aspekt (wobei es durchaus noch offen sein kann, was ein<br />

‚möglicher Aspekt’ ist)“ (203 f.).


Die Philosophie, die sich um Seinstreue bemüht, liefert die Voraussetzung für das,<br />

was <strong>Pieper</strong> unter „Tugend“ versteht. Das vierte Kapitel bietet hier mit seinen<br />

insgesamt neun Aufsätzen guten Einblick in das, worum <strong>Pieper</strong> sich zeitlebens<br />

bemühte: um die vier Kardinal- und die drei Göttlichen Tugenden: Auch hier geht es<br />

ihm nie nur um Historie, sondern um die Aktualität der vielfach verspotteten „virtutes“<br />

(bes. 287 – 306). Zuletzt nimmt er sich die Liebe vor. Sein Traktat „Über die Liebe“<br />

gehört zweifellos zum Besten, was <strong>Pieper</strong> jemals geschrieben hat. Wenn er hier in<br />

einem Aufsatz der Frage nachgeht, ob es in hiesiger Existenz überhaupt selbstlose<br />

Liebe gebe, zeigt es sich exemplarisch, dass bei allem, was <strong>Pieper</strong> schreibt, der<br />

konkrete, leibhaftige, nach Glück suchende Mensch in Augenschein genommen wird<br />

(„Alles Glück ist Liebesglück. Selbstlosigkeit und / oder Glücksverlangen in der<br />

Liebe“, 339 – 356). Mit Recht schließt also der Band mit einem Kapitel, das die<br />

„menschliche Existenz“ thematisiert. Hier sind es noch einmal zehn brillant verfasste<br />

Aufsätze, die über „Privateigentum“ und „Einfachheit“, die „Personwürde“, die<br />

menschlichen Grundrechte und das Naturrecht, die menschliche Freiheit und den<br />

Freiheitsmissbrauch reflektieren (357 – 414). Sie alle haben, so zeigt es sich,<br />

„irgendwie“ mit dem zu tun, wonach alle Menschen verlangen, mit dem Glück. Was<br />

aber heißt „Glück“? „Alles zu haben, was man will“, wie zunächst geradezu mit<br />

entwaffnender Schlichtheit, wenngleich im Rekurs auf Augustinus geantwortet wird.<br />

Aber was will der Mensch letztlich wirklich? Und was ist unter „haben“ zu verstehen?<br />

Ist es ein Haben, das dem „Sein“ entgegensteht, das Sein womöglich ausschließt,<br />

wie Erich Fromm meint? Bereits in der Überschrift wird die Antwort angedeutet: „Was<br />

heißt Glück? Erfüllung im Schauen“ (397 – 414).<br />

Im Unterschied zu allen übrigen Bänden der Werkausgabe finden sich<br />

bedauerlicherweise keinerlei erklärende Hinweise des Herausgebers, weder zur<br />

Auswahl der Texte, noch zur „ratio edendi“. Offensichtlich soll damit die Einheit mit<br />

dem Folgeband demonstriert werden. Auf diesen Band 8.2 darf man in der Tat<br />

gespannt sein. Enthält er doch - laut Verlagsankündigung - eine<br />

Gesamtbibliographie, ein Personen- und Sachregister sowie eine CD-Rom<br />

sämtlicher Texte der Ausgabe mit querverlinktem Personen- und Sachregister. Das<br />

rasche Erstellen und Auffinden von Begriffskombinationen wird ermöglicht. Die<br />

wissenschaftliche, systematische Durchdringung der opera omnia des <strong>Josef</strong> <strong>Pieper</strong>,<br />

hier und da schon probiert, kann dann erst richtig beginnen. Wer sich allerdings erst


einmal einen Überblick über das Gesamtwerk <strong>Pieper</strong>s verschaffen und überhaupt in<br />

sein Denken eingeführt werden will, der sollte nicht zu Band 1, sondern zum<br />

vorliegenden Band <strong>8.1</strong> der Werkausgabe greifen. Er wird hier – bei völliger<br />

Zurückhaltung des Editors - bestens bedient.<br />

Manfred Gerwing

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