06.10.2013 Aufrufe

Heilende Gifte - Hana Mayer

Heilende Gifte - Hana Mayer

Heilende Gifte - Hana Mayer

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Heilende</strong> <strong>Gifte</strong><br />

<strong>Heilende</strong> <strong>Gifte</strong><br />

Facharbeit <strong>Hana</strong> <strong>Mayer</strong><br />

- 3 -


<strong>Heilende</strong> <strong>Gifte</strong><br />

Theophrast von Hohenheim<br />

genannt Paracelsus<br />

(1493 – 24-09.1541)<br />

Alle Ding´ sind Gift<br />

und nichts ohn´ Gift;<br />

allein die Dosis macht,<br />

das ein Ding kein Gift ist.<br />

- 4 -


<strong>Heilende</strong> <strong>Gifte</strong><br />

Thema: <strong>Heilende</strong> <strong>Gifte</strong><br />

Verfasser: <strong>Hana</strong> <strong>Mayer</strong><br />

Facharbeit<br />

Einrichtung: Staatlich anerkannte Berufsfachschule für<br />

Physiotherapie in Landshut<br />

Ausbildungsjahr: 2003 / 2006<br />

Betreuer: Silke Bruns (Physiotherapeutin)<br />

- 5 -


<strong>Heilende</strong> <strong>Gifte</strong><br />

1. Vorwort<br />

2. Historischer Überblick<br />

3. Gewinnung und Verarbeitung der Schlangengifte<br />

3.1 Gewinnung des Schlangengiftes „Melken“<br />

3.2 Verarbeitung des <strong>Gifte</strong>s<br />

3.3 Herstellung von Serum<br />

4. Chemie des Schlangengiftes<br />

4.1 Zusammensetzung<br />

4.2 Wirkungsgruppen<br />

4.2.1 Toxische Gruppe<br />

4.2.1.1 Neurotoxine<br />

4.2.1.2 Kardiotoxine<br />

4.2.1.3 Hämmorrhagine<br />

4.2.1.4 Hämolysine<br />

4.2.1.5 Thrombine<br />

4.2.1.6 Zytolysine<br />

4.2.2 Fermentative Gruppe<br />

- 6 -


<strong>Heilende</strong> <strong>Gifte</strong><br />

5. Einsatzmöglichkeiten und Einsatzgebiete von<br />

Schlangengift<br />

5.1 Schlangengift in der Homöopathie<br />

5.1.1 Schlangengift in der Geschichte der Homöopathie<br />

5.1.2 Verwendete <strong>Gifte</strong> im Vergleich und ihre Indikation<br />

5.1.3 Schlangenpräparate in der Homöopathie<br />

5.2 Reintoxin – Enzymtherapie nach Dr. Waldemar Diesing<br />

5.2.1 Wie alles begann<br />

5.2.2 Enzyme in der Reintoxin - Enzymtherapie<br />

5.2.3 Wirkungsprinzip der Reintoxin – Enzymtherapie<br />

5.2.4 Indikationen der Reintoxin - Enzymtherapie<br />

5.3 Schlangengift in der Schulmedizin<br />

5.3.1 Geschichte<br />

5.3.2 Verwendung der Schlangengifte in der Schulmedizin<br />

(Blutgerinnung, Hererkrankungen, Blutdrucksenker)<br />

5.3.3 Medikamente aus Schlangengift<br />

5.4 Neueste Erkenntnisse aus der Forschung von Nutzung<br />

der Schlangengifte in der Medizin<br />

6. Nachwort<br />

5.4.1 in der Krebstherapie<br />

5.4.2 in der Kardiologie<br />

- 7 -


<strong>Heilende</strong> <strong>Gifte</strong><br />

1. Vorwort<br />

Vor zwei Jahren sah ich eine Sendung über ein Krankenhaus in Texas, in dem<br />

überwiegend Patienten behandelt werden die von Giftschlangen<br />

(Klapperschlangen) gebissen wurden.<br />

Während der Sendung konnte man sehen welche Auswirkungen ein<br />

Schlangenbiss auf den Menschlichen Körper hat.<br />

Einige <strong>Gifte</strong> beeinflussten die Atmung, andere <strong>Gifte</strong> wiederum die Herzarbeit<br />

und die Reizübertragung in dem Nervensystem.<br />

Dieses Krankenhaus verfügt mittlerweile über eine eigene Schlangenfarm in<br />

der mehrere Klapperschlangenarten gehalten werden.<br />

Man erforscht hier die <strong>Gifte</strong> der verschiedenen Klapperschlangenarten um<br />

zum einen geeignete Gegengifte zu finden sowie die Möglichkeiten die <strong>Gifte</strong><br />

dieser Schlangen in der Medizin auch anderweitig zu nutzen.<br />

Zum Grossteil werden in dem Krankenhaus die Gegengifte zur akuten<br />

Behandlung nach einem Schlangenbiss schon selbst hergestellt.<br />

Bis zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht dass man Schlangengifte auch noch<br />

anderweitig als zur Serum Herstellung nutzen kann.<br />

Diese Facharbeit kann und soll keine Arzneimittellehre sein, zum einen<br />

möchte ich mit den Recherchen mein Wissen in dieser Hinsicht vertiefen und<br />

zum anderen möchte ich dem Leser einen kleinen Einblick in das Thema<br />

Schlangengift und seine Einsatzmöglichkeiten in der heutigen Medizin<br />

aufführen.<br />

2. Historischer Überblick<br />

Das zweispaltige Verhältnis vom Menschen zur Schlange ist seit<br />

Menschengedenken in zahllosen Mythen aller Völker beschrieben: als<br />

Furchteinflößende Riesenschlange, als listige Verführerin oder als Symbol des<br />

Heilens in Form des Äskulabstabes, um den sich zwei Schlangen winden und<br />

ihr Gift in eine Schale entleeren. Diese Vorstellung geht auf den<br />

prehelenischen Schlangengott Asklepios zurück, Sohn des Schlangengottes<br />

Apollon. Dem Mythos zufolge wurde der göttliche Arzt von dem heilkundigen<br />

Kentauren Chiron aufgezogen. Von Apollon erhielt er eine Schlange die ihn<br />

die Geheimnisse der Heilkunst einweihte. Er besaß zwei Schalen voller Blut<br />

der Medusa, einem furchterregenden Weiblichen Wesen mit Schlangenhaar,<br />

die ihm Zauberkräfte verlieh. Mit dem Blut der einen Schale konnte er töten<br />

mit dem anderen wiederbeleben. In der Schlange vereinigen sich die<br />

Vorstellungen der Menschen Tod und Leben. Seit dem Altertum versucht man<br />

sich die Wirkung des Schlangengiftes medizinisch nutzbar zu machen<br />

entweder wurde das Tier als ganzes eingelegt oder aber zerstückelt in eine<br />

Lösung gegeben mit der Absicht, dass das Tier sein Gift mit deren<br />

Eigenschaften in diese abgebe und so nutzbar gemacht werden könne. Noch<br />

Heute gibt es den „Vipernalkohol“ der in einigen ländlichen Gebieten als Relikt<br />

aus grauen Vorzeiten erhalten blieb. Auch der „Theriak“, ein berühmtes<br />

Mittelalterliches Allheilmittel brachte es als Universalgegengift und<br />

Verjüngungselixier zu erheblichen Ruhm.<br />

Der griechische Arzt Galenos führte im zweiten Jahrhundert nach Christus die<br />

Schlange in die abendländische Medizin ein. er wollte durch den Zusatz von<br />

Schlangengiften eine Immunität gegenüber <strong>Gifte</strong>n im allgemeinen erreichen<br />

und erhoffte sich, dadurch die der zugeschriebenen Eigenschaften wie<br />

- 8 -


<strong>Heilende</strong> <strong>Gifte</strong><br />

Weißheit, Unverwundbarkeit, Regenerationskraft und ewiges Leben nutzbar<br />

zu machen und auf Menschen zu übertragen.<br />

Rezepturen von Medikamenten aus Schlangen und deren <strong>Gifte</strong> kommen aus<br />

Indien, Arabien, China, dem antiken Ägypten und Griechenland. Die<br />

ayurvedische Medizin verwendete Präparate aus zu Pulver getrocknetem<br />

Kobragift, das nach homöopatischem Prinzip in Höchstverdünnung bei<br />

Fieberanfällen in die Nasenschleimhäute gerieben worden ist. Mit der Ächtung<br />

der Schlange wurden diese Kenntnisse im christlichen Abendland<br />

ausgelöscht. Erst die moderne Arzneimittelforschung hat sich wieder der<br />

Schlangengifte angenommen, und zwar nicht nur zur Herstellung von<br />

Antiseren.<br />

3. Gewinnung und Verarbeitung der Schlangengifte<br />

3.1 Gewinnung des Schlangengiftes „Melken“<br />

Die Gewinnung des Schlangengiftes findet in den Schlangenfarmen statt. Hier<br />

bekommen die Schlangen ihr Gift abgezapft, das heißt sie werden gemolken.<br />

Die Flüssigkeit wird durch Massieren der Giftdrüse oder durch elektrische<br />

Reizung gewonnen. Pro Melkung einer Schlange werden ca. 50 – 100 mg Gift<br />

gewonnen. Zwischen zwei Melkaktionen sollte eine Regenerationsphase (von<br />

ca. 3 Wochen) eingehalten werden.<br />

Nach dem Melken wird die flüssige Substanz getrocknet und kristallisiert.<br />

Übrig bleibt das Rohgift, je nach Schlangenart sogar wertvoller als Gold.<br />

3.2 Verarbeitung des <strong>Gifte</strong>s<br />

- 9 -<br />

Abb.1<br />

Das beim Melken gewonnene Gift wird aufgereinigt, das heißt das man<br />

bestimmte Komponenten herausholt die dann in hoch gereinigter Form dem<br />

menschlichen Körper zugeführt werden.<br />

3.3 Herstellung von Serum<br />

Beim herstellen eines Serums wird eine kleine Menge Gift einem Pferd<br />

injiziert, dessen Blut daraufhin spezielle weiße Blutkörperchen bildet. Nach<br />

etwa einem Monat werden dem Pferd 6 Liter Blut abgezapft und aus den<br />

Abwehrstoffen wird der Impfstoff – Antiserum – hergestellt.


<strong>Heilende</strong> <strong>Gifte</strong><br />

Folgend ein Beispiel über die Gewinnung und Verarbeitung des<br />

Schlangengiftes – Batroxorbin aus einem Gespräch mit Michael Janssen,<br />

dem Vizedirektor von Pentapharm.<br />

(Batroxorbin – Gift der Südamerikanischen Lanzenotter, der „Bothrops atrox“<br />

und der „Bothrops moojeni“ mit dem man sich seit über 50 Jahren bei<br />

„Pentapharm“ beschäftigt.)<br />

Abb. 2 Abb.3<br />

Wenn man positive Schlangengiftwirkung erzielen möchte im menschlichen<br />

Körper, dann muss man diese <strong>Gifte</strong> natürlich aufreinigen, also man muss<br />

bestimmte Komponenten rausholen, die dann in hoch gereinigter Form dem<br />

menschlichen Körper zugeführt werden. Und wie Sie wissen, entfalten<br />

natürlich Schlangengifte einige Aktionen gegenüber dem<br />

Blutgerinnungssystem, d.h. sie bewirken, dass entweder die Blutgerinnung<br />

beschleunigt wird oder eben verlangsamt wird. Und da gibt es auch ein<br />

Wirkprinzip, das wir hier aus diesen Bothrops atrox und Bothrops moojeni<br />

isolieren, das Batroxobin. Wir haben in Brasilien ein sehr großes<br />

Serpentarium, da halten wir jetzt etwa 10’000 Schlangen dieser Art und da<br />

können wir das Rohgift gewinnen, bringen das dann hier in die Schweiz und<br />

arbeiten es hier auf.<br />

Angeliefert wird das Rohgift aus Brasilien gefriergetrocknet. Das Batroxobin,<br />

welches man hier in Basel aus dem Rohgift isoliert, wird eingesetzt, um<br />

Thrombosen zu verhindern oder zu therapieren, aber es kann auch dazu<br />

eingesetzt werden, Blutungen im menschlichen Körper zu stoppen.<br />

Abgewogen werden muss das Rohgift – gut geschützt – unter der so<br />

genannten "Kapelle". Der feine Staub der sich beim Abfüllen entwickelt, darf<br />

nicht eingeatmet werden.<br />

Zuerst muss das Rohgift in einem Puffer aufgelöst werden.<br />

Anschließend wird es in verschiedenen Separationstechniken in die einzelnen<br />

Bestandteile aufgetrennt.<br />

Denn man will ja nur den einen Bestandteil: Das Batroxobin, das<br />

anschließend bei verschiedensten Pharma-Konzernen zu «Defibrase», einem<br />

Blutverdünner oder zu «Reptilase», einem Blutstiller verarbeitet wird. Bei<br />

Batroxobin ist «Pentapharm» weltweit der absolute Marktleader, trotz der<br />

erstaunlich geringen Mengen, die verarbeitet werden.<br />

Wir benötigen pro Jahr einige Kilogramm Schlangengift. Rohes, getrocknetes<br />

- 10 -


<strong>Heilende</strong> <strong>Gifte</strong><br />

Schlangengift. Das mag nach wenig klingen, aber wenn Sie sich vorstellen,<br />

dass pro einzelner Melkung einer Schlange ca. 50- 100 Milligramm, also 50<br />

bis 100 Tausendstel eines Gramms nur gewonnen werden, dann können Sie<br />

sich natürlich vorstellen, dass Sie eine große Zahl von Schlangen pro Jahr<br />

melken müssen, um tatsächlich ein Kilogramm zu bekommen.<br />

Ist das Batroxobin einmal extrahiert, wird es hier im Sterilraum in einer Lösung<br />

weiterverarbeitet.<br />

Wichtig ist, dass das gewonnene Batroxobin eine möglichst homogene<br />

Struktur aufweist: Nicht jede Melkung bringt ein absolut identisches<br />

Schlangengift, nicht immer ist deshalb das gewonnene Batroxobin absolut<br />

identisch, beim Gerinnungstest muss es allerdings – plus minus 2 Sekunden –<br />

in 17 Sekunden, wie dasjenige links im Bild, gerinnen.<br />

Batroxobin ist heute nicht nur ein unverzichtbarer, äusserst hilfreicher<br />

therapeutischer Wirkstoff, Batroxobin, was hier so ganz locker auf dem<br />

Backofenblech aus dem Gefriertrockner kommt ist auch äusserst wertvoll.<br />

Das fertig gestellte Batroxobin wird deshalb auch nicht bei der «Pentapharm»<br />

selbst gelagert, sondern kommt in verschiedenste Banksafes im In- und<br />

Ausland.<br />

«Pentapharm» liefert aber auch Schlangengift-Bestandteile für Diagnostika<br />

und entwickelt auch selbst Diagnosetests zu Problemen bei der<br />

Blutgerinnung.<br />

Mit dem so genannten «APC - Test», wo eine Komponente aus dem Gift der<br />

Kettenviper zum Einsatz kommt, kann man im Blutplasma von Patienten<br />

feststellen, ob aufgrund einer bekannten genetischen Veränderung ein<br />

erhöhtes Thromboserisiko besteht.<br />

Schnell und zuverlässig sieht man so bei diesem Test, dass die untere der<br />

zwei hier getesteten Proben einen Wert aufweist, der klar auf diese<br />

genetische Mutation schließen lässt.<br />

Mehrere Dutzend verschiedene Schlangengiftkomponenten von<br />

verschiedensten Schlangen werden schon heute in der pharmazeutischen<br />

Industrie zu diagnostischen Hilfsmitteln oder therapeutischen Heilmitteln<br />

verarbeitet.<br />

Produkte mit Schlangengiftkomponenten werden heute nicht nur im Bereich<br />

der Blutgerinnung eingesetzt. Sie kommen auch in der Neurobiologie oder<br />

z.B. auch in der Krebsforschung zum Einsatz.<br />

Da sind sicherlich eine große Anzahl von Schlangengiften heutzutage<br />

untersucht und charakterisiert, aber wenn Sie sich vorstellen, dass natürlich<br />

jedes dieser Schlangengifte aus zig Dutzenden von Komponenten besteht,<br />

kann man sicher sagen: Das stellt nach wie vor eine Quelle für neue<br />

Substanzen dar, die man einfach noch nicht kennt.<br />

Auch aus der nordafrikanischen Hornviper, so ist anzunehmen, wird man<br />

eines Tages mit großer Wahrscheinlichkeit noch weitere interessante<br />

Schlangengift-Komponenten isolieren können.<br />

Gift macht die Schlangen zwar gefährlich, aber es birgt in Zukunft noch ein<br />

großes heilendes Potenzial.<br />

- 11 -


<strong>Heilende</strong> <strong>Gifte</strong><br />

4. Chemie des Schlangengiftes<br />

4.1 Zusammensetzung<br />

Beim Schlangengift handelt es sich eigentlich um Speichel. Es wird in<br />

besonderen Speicheldrüsen produziert und dient dem Tier in erster Linie zum<br />

Beutefang und zur Verteidigung. Dass Schlangengift zu über 90 Prozent aus<br />

Proteinen besteht, wurde bereits 1834 entdeckt. In der Tat liegt eine Mischung<br />

aus hunderten und in einigen Fällen tausenden verschiedne Enzyme und<br />

Proteinbestandteile vor. Schlangengifte enthalten besonders hohe Anteile von<br />

hydrolytischen Enzymen, daher eine Mischung aus Polypeptiden, Nukleasen,<br />

Peptidasen und anderen Enzymen, die zum Verdau der Beute dienen. Viele<br />

dieser Proteine sind harmlos, einige davon sind jedoch Toxine, die von Art zu<br />

Art verschieden sind. Auf diese Unterschiede lassen sich die sehr<br />

unterschiedlichen Unterschiede von Schlangenbissen zurückführen.<br />

4.2 Wirkungsgruppen<br />

4.2.1 toxische Gruppe<br />

4.2.2 fermentative Gruppe<br />

4.2.1 toxische Gruppe<br />

Dazu gehören Neurotoxine, Koaguline, Hämorrhagine.<br />

Ferner Substanzen, welche die Funktion des Skeletts und der glatten<br />

Muskulatur, sowie des Herzens beeinflussen die Kardiotoxine.<br />

4.2.1.1 Neurotoxine<br />

Diese haben eine curarartige Wirkung auf das Zentralnervensystem; sie<br />

blockieren die Tätigkeit der Überträgersubstanzen und damit die<br />

neuromuskuläre Reizübertragung an den Synapsen, die als besondere<br />

Strukturen an den Nerven enden die Berührungsstellen zwischen<br />

miteinander zusammen geschalteten Nervenzellen oder zwischen<br />

Nervenzellen und Muskel – oder Drüsenzellen darstellen.<br />

- 12 -<br />

Abb. 4


<strong>Heilende</strong> <strong>Gifte</strong><br />

Wenn die Nervenzelle an der Freigabe von Acetycholin gehindert wird,<br />

kann überhaupt kein Reiz mehr an den Muskel weiter geleitet werden.<br />

<strong>Gifte</strong> die sich mit dieser Wirkung an die Membran der Nervenzelle haften,<br />

heißen ß-Neurotoxine.<br />

Sie wirken lähmend: z.B. Taipoxin des Australischen Taipans.<br />

4.2.1.2 Kardiotoxine<br />

Sie schädigen das Herz, indem sie die Membrandurchlässigkeit für Ionen<br />

aller Art erhöhen, wodurch die Fähigkeit der Reizbarkeit, Beispielweise<br />

durch Acetylcholin, verloren geht.<br />

Die Kardiotoxine führen nicht nur zum Herzstillstand, sondern lösen auch<br />

die roten Blutkörperchen auf.<br />

4.2.1.3 Hämorrhagine<br />

Diese machen Blutgefäßwände porrös und verursachen damit starke<br />

Blutergüsse.<br />

4.2.1.4 Hämolysine<br />

Sie lösen die roten Blutkörperchen auf.<br />

Andere Elemente die sich im Gift finden, führen zu einer Gerinnungsstörung<br />

des Blutes.<br />

4.2.1.5 Thrombine<br />

Haben Gerinnungen in den Blutgefässen zur Folge<br />

4.2.1.6 Zytolysine<br />

Diese führen eine Auflösung der Körpergewebe und der weißen<br />

Blutkörperchen herbei.<br />

Substanzklasse Beispiel Wirkungsmechanismus<br />

a-Neurotoxine a-Bungarotoxin,<br />

Kobratoxin<br />

- 13 -<br />

Blockieren die neuromuskuläre<br />

Transmission durch Besetzung des<br />

cholinergen Rezeptors auf den<br />

Skelettmuskeln<br />

k-Toxine k-Toxin Blockieren cholinerge Rezeptoren<br />

ß-Neurotoxine ß-Bungarotoxin,<br />

Krotoxin,<br />

Taipoxin<br />

Dendrotoxine Dendrotoxin,<br />

Toxin I und K<br />

Kardiotoxine y-Toxin,<br />

Kardiotoxin,<br />

Blockieren die neuromuskuläre<br />

Transmission durch Verhinderung der<br />

Freisetzung von Acetylcholin. Evtl.<br />

Interaktion mit Kplus-Kanälen<br />

Erhöhung der Freisetzung von<br />

Acetylcholin<br />

Störung des Aufbau der<br />

Plasmamembran einiger Zellen (bspw.


<strong>Heilende</strong> <strong>Gifte</strong><br />

Zytotxin Herzmuskelfaserzellen) und dadurch<br />

Induktion einer Zelllyse. Herzstillstand.<br />

Myotoxine Myotoxin-a, Interaktion mit einem<br />

Krotamin, spannungsabhängigen Na-Kanal;<br />

Phospholipase<br />

A2<br />

lösen Muskeldegeneration aus.<br />

Hämorrhagine Mukrotoxine A, Induzieren Veränderungen der<br />

HT1, HT2 Gefäßwand und lösen dadurch<br />

schwere Blutungen aus.<br />

4.2.2 Fermentative Gruppe<br />

In diese Gruppe gehören: Acetylcholin-Esterase, Proteasen, Peptidasen,<br />

Phospholipase-A, Hyluronidasen, I-Aminosäure-Oxidase, Co-Ferment,<br />

Phosphatase, Opho-ATP-ase, DPN-spaltendes Ferment, nur um einige zu<br />

nennen. Man weiß heute, dass jedes Schlangengift zwischen 35 und 50<br />

Enzymarten aufweist, die noch nicht einmal alle bekannt sind. Außerdem ist<br />

die Zusammensetzung der Schlangengifte total verschieden und darum auch<br />

die Mengenverhältnisse der wirksamen Komponenten.<br />

5. Einsatzmöglichkeiten und Einsatzgebiete von<br />

Schlangengift<br />

5.1 Schlangengift in der Homöopathie<br />

5.1.1 Schlangengift in der Geschichte der Homöopathie<br />

Die Grundlage der Homöopathie schuf S. Hahnemann (1755 - 1843) mit<br />

seinem Werk "Organon der Heilkunst". Richtlinien und Grundprinzipien seiner<br />

Methode führte er in Form von 291 Paragraphen aus.<br />

Hahnemann postulierte drei Grundprinzipien der Homöopathie :<br />

• "Simila similibus curentur", was bedeutet: Ähnliches möge durch Ähnliches<br />

geheilt werden,<br />

• Arzneimittelprüfungen an gesunden Menschen, dazu die Ergebnisse aus<br />

Pharmakologie, Toxikologie und die Erfahrungen an Kranken,<br />

• Potenzierung einer Arznei, ein Verfahren zur Minimierung der Arzneidosis<br />

und der Steigerung der Wirksamkeit.<br />

Hahnemann erkannte, dass die Potenzierung eine Kraft ist, um in den Mitteln<br />

bisher nicht erkannte Kräfte zu wecken und zu steigern. Er kam zu dem<br />

Schluss, dass die Verabreichung potenzierter Arzneimittel die schonendste Art<br />

war, um einen Organismus wieder ins Gleichgewicht zu bringen.<br />

1781 wurde von Dr. Fontana erstmals eine wissenschaftliche Arbeit über<br />

Schlangengifte veröffentlicht. Es war aber Dr. Constantin Hering (1800-1880),<br />

- 14 -


<strong>Heilende</strong> <strong>Gifte</strong><br />

der 1827 während seines Aufenthaltes in Surinam (1827-1833) die <strong>Gifte</strong> von<br />

Lachesis, Crotals, Vipera berus, Vipera Redil und Naja tripudians eingehend<br />

untersuchte. Von dort berichtete er freudig: "Endlich hatte ich denn das<br />

Vergnügen den 28. Juli 1828 des Mittags eine, durch den kühnen Jäger zwar<br />

halb erschlagene, aber doch noch brauchbare, große, wirklich grässliche<br />

Giftschlange zu erhalten. Es war Trigonocephalus Lachesis ... Ich machte<br />

sogleich anhält ihr das Gift abzunehmen ... Ich hielt nun ein Papier mit einem<br />

hohlen Häufchen Milchzucker zum Empfange bereit, und fing so endlich das<br />

Tröpfchen auf. Zehn solche Tröpfchen habe ich auf hundert Gran Milchzucker<br />

gebracht und damit sogleich verrieben eine Stunde lang. Davon aber zehn<br />

Gran wieder mit hundert, um die Verdünnung von etwa Hundertteilen zu<br />

erhalten, ... mit dem 1/100 habe ich einige Versuche gemacht". 7<br />

Seinen ersten Selbstversuch machte Hering jedoch unfreiwillig: Beim<br />

Verreiben der Gifttropfen in Milchzucker atmete er nämlich den giftgetränkten<br />

Staub ein. Schon kurze Zeit später litt er bereits unter Halsschmerzen, denen<br />

schließlich die viel zitierten psychischen Leitsymptome wie Eifersucht,<br />

Argwohn und Redseligkeit folgten. Er unternahm viele weitere<br />

Arzneiprüfungen, zum Teil mit gerade noch toxischen Dosen, an sich selbst<br />

wie auch an 17 Mitprüfern und fasste die Ergebnisse schließlich zusammen.<br />

Mit den Ergebnissen und der Veröffentlichung seiner Forschungsarbeit<br />

Wirkung des Schlangengiftes zum ärztlichen Gebrauche vergleichend<br />

zusammengestellt (1837) kam der Durchbruch für die Anwendung von<br />

Schlangengiften in der Homöopathie.<br />

Als Schlangengifte aus dem frischen Giftdrüsensekret homöopathisch<br />

(potenziert) zubereitet wurden, erwiesen sie sich bald als heilkräftig, zum<br />

Beispiel bei Virusinfektionen. Homöopathisch zubereitete Schlangengifte<br />

zeigten starken Bezug zu Herz, Blut und Nervensystem.<br />

In diesem Zusammenhang wurde häufig diskutiert, ob es nicht sinnvoller sei,<br />

die Schlangengifte grundsätzlich zu injizieren, anstatt sie oral zu verabreichen,<br />

denn dies hätte eine größere Ähnlichkeit mit dem Schlangenbiss. Es zeigte<br />

sich jedoch, das homöopathisch zubereitete Schlangenmittel oral verabreicht<br />

eine tief greifende Wirkung besitzen und dass deshalb weitestgehend auf<br />

Injektionen durchaus verzichtet werden kann.<br />

5.1.2 Verwendete <strong>Gifte</strong> im Vergleich und ihre Indikation<br />

Bothrops lanceolatus (Lanzenotter; Crotalinae; trop. Asien u. Amerika):<br />

Abb. 5<br />

Das Gift der Lanzenotter wirkt insbesondere auf Blut und Gefäße. Ein Biss<br />

führt zu Schmerzen, Ödem und Blutung; Eiterung, Nekrosen und Gangräne<br />

sind weitere Folgen. Das Bothrops - Gift zeichnet sich durch den Gehalt<br />

koagulierender Enzyme aus; daher die Neigung zu Thrombosen und Embolien<br />

mit nachfolgender Lähmung.<br />

Die homöopathischen Indikationen, z.B. Sprachstörungen oder Lähmungen<br />

nach Schlaganfall, sowie Gangräne leiten sich aus der Giftwirkung ab.<br />

- 15 -


<strong>Heilende</strong> <strong>Gifte</strong><br />

Gebräuchlich sind mittlere Potenzen.<br />

Crotalus horridus (Klapperschlange; Crotalinae; Nordamerika):<br />

Abb. 6<br />

Humboldt verwendete das Crotalus-Gift noch zur Gelbfieberprophylaxe; es ruft<br />

gelbfieberähnliche Symptome hervor.<br />

Das Crotalus-Gift führt v.a. zu Blutgerinnungsstörungen.<br />

Homöopathische Indikationen wie z.B. Hämorrhagien ("Blutungen aus allen<br />

Körperöffnungen") leiten sich aus der Giftwirkung ab.<br />

Gebräuchlich sind mittlere Potenzen.<br />

Elaps corallinus (Korallenotter; Viperidae; Südamerika):<br />

Abb. 7<br />

Im Elaps - Gift überwiegen Hämotoxine; Es wirkt bevorzugt auf die Lungen, wo<br />

es Kältegefühl und blutigen Auswurf verursacht.<br />

Zu den homöopathischen Indikationen zählen Mischinfektionen mit oder ohne<br />

Lungenbeteiligung.<br />

Gebräuchlich sind mittlere Potenzen.<br />

Lachesis muta (Buschmeister; Viperidae; Mittel- und Südamerika):<br />

Abb. 8<br />

Im Lachesis - Gift dominieren Hämotoxine und Neurotoxine sowie stark<br />

wirksame Enzyme, die proteolytische, koagulierende und Zellauflösende<br />

Eigenschaften besitzen. Die Giftwirkung konzentriert sich auf Blut und Nerven.<br />

Lachesis wird in der Homöopathie vielfältig gebraucht,<br />

z.B. bei: a) Allergien, bakteriellen oder viralen Infekten sowie bei septischen<br />

Fiebern. b) Blutgerinnungsstörungen c) Venenleiden d) Manischen<br />

Erregungszuständen. Lachesis ist in allen Potenzen gebräuchlich.<br />

- 16 -


<strong>Heilende</strong> <strong>Gifte</strong><br />

Naja tripudians (Kobra; Elapidae; Indien und China):<br />

Abb. 9<br />

Das Gift der Brillenschlange konzentriert seine Wirkung besonders auf den<br />

Herzmuskel, den es erst erregt und später lähmt. Dies ist auf ein curareähnlich<br />

wirkendes Cardiotoxin zurückzuführen, das noch in Verdünnungen von 1:400<br />

zu Herzstillstand führen kann. Außerdem fand man im Kobragift<br />

blutdrucksenkende Substanzen.<br />

Zu den homöopathischen Indikationen zählen daher Herzleiden wie z.B.<br />

postinfektiöse Klappenfehler, Rhythmusstörungen, Blutdruckschwankungen<br />

oder Angina pectoris. Gebräuchlich sind vor allem mittlere Potenzen.<br />

Vipera berus (Kreuzotter; Viperidae; Europa):<br />

Abb. 10<br />

Im Gift der Kreuzotter dominieren Hämotoxine, Neurotoxine und proteolytische<br />

Enzyme. Die Giftwirkung konzentriert sich auf die Gefäße. Durch den Biss<br />

kommt es zu Ödemen, Blutgerinnungsstörungen, Schädigung der<br />

Gefäßwände (u.a. Venen). Viel beschrieben sind heftige Schmerzen am<br />

gebissenen Glied, die noch nach Jahren periodisch wiederkehren und bspw.<br />

durch Wetterwechsel ausgelöst werden. Auch Kachexie und Neigung zu<br />

Apoplex zählen zu den Bissfolgen.<br />

Zu den homöopathischen Indikationen gehören Venenleiden wie Krampfadern,<br />

Unterschenkelgeschwüre, Neigung zu Venenentzündung und Thrombose. Das<br />

Mittel findet jedoch auch nach Schlaganfall Anwendung. Gebräuchlich sind<br />

mittlere Potenzen.<br />

- 17 -


<strong>Heilende</strong> <strong>Gifte</strong><br />

5.1.3 Schlangenpräparate in der Homöopathie<br />

Abwehrsteigerung, Allergien und Virusinfekte<br />

Apo - Infekt spag.<br />

Vorbeugung und Behandlung bakterieller und viraler Infekte wie z.B. Masern,<br />

Herpes, usw.; vergleiche auch Septonsil (Pekana).<br />

Horvitrigon<br />

Zur unspezifischen Abwehrsteigerung bei Allergien (z.B. Heuschnupfen) und<br />

bei Virusinfektionen (z.B. Herpes, Pfeiffer).<br />

Naja comp.<br />

Bei Entzündungen mit Neigung zu Sepsis sowie bei septischen Fiebern.<br />

Pascotox N<br />

Zur Prophylaxe und Therapie bei grippalen Infekten; bewährt ist die<br />

Stoßtherapie bei ersten Erkältungszeichen.<br />

Blutdruckregulierung und Herzkräftigung<br />

Cardinorma spag.<br />

Bei nervösen Herzbeschwerden, Rhythmusstörungen und Angina pectoris.<br />

Naja-Reintoxin<br />

Bei erhöhtem oder schwankendem Blutdruck.<br />

DCD-Herzsalbe<br />

Zur Verbesserung von Herzdurchblutung und -leistung, z.B. bei nervösen<br />

Herzbeschwerden und Angina pectoris.<br />

Wechseljahrsbeschwerden<br />

Ignatia comp.<br />

Bei vorwiegend psych. Beschwerden wie z.B. Verlustangst, depressive<br />

Verstimmung und Hysterie.<br />

Klimasorin<br />

Vegetativ-klimakt. Syndrom; Hitzewallungen, Schweißausbrüche,<br />

Stimmungsschwankungen.<br />

Melissa/Sepia comp.<br />

Bei vegetativ klimakt. Syndrom; Kreislaufstörungen mit Hitzewallung,<br />

Erschöpfung oder Schwindel sowie Reizbarkeit und Verstimmung.<br />

- 18 -


<strong>Heilende</strong> <strong>Gifte</strong><br />

5.2 Reintoxin – Enzymtherapie nach Dr. Waldemar Diesing<br />

5.2.1 Wie alles begann<br />

Im Jahre 1827 wurde Schlangengift von Dr. Constantin Hering systematisch<br />

erforscht und seitdem als homöopathische Arznei in verschiedenen<br />

Verdünnungen eingesetzt. Etwa um 1900 beginnen erstmals Enzyme eine<br />

Bedeutung in der Heilkunde zu gewinnen. Es fanden diesbezüglich eine Reihe<br />

von Experimenten statt, in denen mittels injizierbarer pflanzlicher<br />

Enzymextrakte Erkrankungen behandelt wurden.<br />

Erst ein Jahrhundert nach Herings Einführung von Schlangengiften in die<br />

Homöopathie gelang es schließlich (1937) Dr. Waldemar Diesing nach<br />

umfangreicher Forschung, die Schlangengifte von ihren Eiweißbrücken zu<br />

befreien (dem Lösungsfluidum der Giftdrüse), womit endlich der<br />

Gesamtkomplex der Schlangengiftenzyme der Heilkunde zur Verfügung stand;<br />

denn vordem enthielt das Rohgift 85 % Eiweiß, was einen therapeutischen<br />

Einsatz wegen der Gefahr allergischer Reaktionen unmöglich machte<br />

(Ausnahme: homöopathisch stark verdünnte Medikamente).<br />

Zitate aus einem Interview mit Dr. Waldemar Diesing:<br />

Dr. M.: Vielleicht sagen Sie an dieser Stelle ein paar grundsätzliche Worte<br />

über Enzyme!<br />

Dr. Diesing: Die Forschungsarbeiten der damaligen Zeit ergaben: Enzyme<br />

sind a priori Katalysatoren. Als solche können sie die Wirkung bzw.<br />

Wirksamkeit eines Naturstoffes aktivieren und beschleunigen. Sie sind aber<br />

nicht nur Katalysatoren, sondern haben in sich einen eigenen Wirkstoffkreis.<br />

In zahllosen klinischen Versuchen wurde festgestellt: mit Enzymen lassen sich<br />

echte Heilungen erzielen. Zu dem kleinen Kreis von Pharmakologen, der dies<br />

feststellte, gehörte ich selber. Angeregt durch meinen Lehrer Wieland, ging ich<br />

darüber hinaus an die Forschung der Schlangengifte heran. Ein Enzym ist ein<br />

sehr variables Objekt. Es hilft, es verschwindet nicht, es ändert nie seine<br />

Konsistenz, und wir haben dadurch einen Dauerwirkstoff, der zur<br />

Depotwirkung gelangt.<br />

Dr. M.: Wurde eigentlich bald versucht, mit Schlangengiften therapeutisch zu<br />

arbeiten?<br />

Dr. Diesing: Ja, in den 20er und 30er Jahren. Man gab aber bald wieder auf,<br />

weil sich zahllose allergische Erscheinungen zeigten. Dann hat man die <strong>Gifte</strong><br />

gereinigt und immer wieder gereinigt, doch es wurde immer noch nichts, bis<br />

man die Schlangengifte abschrieb.<br />

Inzwischen war ich aus russischer Gefangenschaft, wo ich übrigens<br />

Möglichkeiten zu weiteren Forschungsarbeiten hatte, zurückgekehrt und kam<br />

dann bei meinen weiteren Arbeiten, zu denen mir übrigens Nobelpreisträger<br />

Butenandt sein Labor zur Verfügung gestellt hatte, dahinter, daß der Abbau<br />

der Eiweißbrücke des Schlangengiftes zwar chemisch, physikalisch und<br />

- 19 -


<strong>Heilende</strong> <strong>Gifte</strong><br />

mechanisch möglich ist, dass aber dann der ganze Komplex, um den es mir ja<br />

für die Heilkunde ging, zerfällt. Und dann gelang es mir eines Tages durch<br />

einen so genannten fermentativen Abbau die Eiweißbrücke nur so weit<br />

abzubauen, dass etwa 1,8 bis 2 % der Brücke drin blieb. Und siehe da: der<br />

Schlangen-Enzymkomplex zerfiel nicht mehr. Jetzt hatte ich das Schlangengift<br />

als gesamten fermentativen Komplex, aber - bis auf diese wenigen Prozent -<br />

ohne Zusatz des störenden Eiweißes! Von dieser Reintoxin- Enzym-Therapie<br />

lässt sich heute sagen, dass sie zu 75% eine alleinige Heilmethode ist und zu<br />

25% ist sie dann noch fähig, andere Naturstoffe in ihrer Wirksamkeit<br />

hochgradig zu aktivieren. Um aber keine Verwechselung mit den<br />

Schlangengiften, welche die volle Eiweißbrücke noch besitzen, aufkommen zu<br />

lassen, spreche ich bei meinen Mitteln von Schlangen - Reintoxinen.<br />

5.2.2 Enzyme in der Reintoxin – Enzymtherapie<br />

Bei der Reintoxin - Therapie handelt es sich um eine reine Enzymtherapie!<br />

Enzyme (syn. Fermente, Proteine, sind in allen Zellen vorkommende<br />

hochmolekulare Eiweißkörper), die als Katalysatoren in lebenden Organen<br />

vorkommende Reaktionen beschleunigen. Ohne Enzyme ist ein geordneter<br />

Stoffwechsel und damit Leben nicht möglich. Ein Enzymdefekt tritt durch eine<br />

verminderte oder vollständig fehlende Aktivität eines Enzyms ein. Als Ursache<br />

ist meistens durch Mutation des entsprechenden Gens nur eine einzige<br />

Aminosäure verändert. Je nachdem welcher Stoffwechselschritt davon<br />

betroffen ist, führt dies zur volllständigen oder teilweisen Minderung der<br />

Zellfunktion und auch teilweise zur Anhäufung schädlicher Zwischenprodukte.<br />

Die vielfältigsten Krankheiten treten durch Enzymdefekte auf, bedingt durch<br />

einen hereditären (erblichen) Enzymdefekt des Glykogenabbaus, bzw.<br />

Glykogensynthese mit pathologisch gesteigerter Glykogenspeicherung in<br />

vielen Organen, besonders in der Leber, Nieren, Herz, Muskulatur und dem<br />

Zentralnervensystem (ZNS).<br />

Alle Schlangengifte enthalten etwa 35-50 verschiedene Enzymarten, wobei die<br />

Zusammensetzung der Enzyme sehr unterschiedlich ist, damit natürlich auch<br />

die jeweilige therapeutische Einsatzmöglichkeit, jedoch lässt sich eine grobe<br />

Klassifizierung vornehmen:<br />

Enzymkomplexe der Giftnattern (Colubriden):<br />

Kobra, oder auch Brillenschlange genannt (Naja tripudians)<br />

Korallenotter (Elaps corallinus)<br />

Enzymkomplexe der Vipern:<br />

Buschmeister (Lachesis)<br />

Puffotter (Bitis arietans)<br />

Mokassinschlange (Agkistrodon piscivorus)<br />

Sandviper<br />

Kettenviper (Vipera Russelli)<br />

Enzymkomplexe der Crotaliden:<br />

Klapperschlange (Crotalus terrificus)<br />

- 20 -


<strong>Heilende</strong> <strong>Gifte</strong><br />

5.2.3 Wirkungsprinzip der Reintoxin - Enzymtherapie<br />

Durch den Umstand, dass die <strong>Gifte</strong> sowohl tief in den Stoffwechsel als auch in<br />

die Prozesse des Nervensystems eingreifen, ist die Liste von Erkrankungen,<br />

die mit Schlangengiften behandelt werden können, sehr umfangreich und<br />

deutlich höher als oben beschrieben. Die meisten chronischen Erkrankungen<br />

lassen sich damit behandeln. Viele weitere Substanzen, die in den<br />

Schlangengiften enthalten sind, beeinflussen unter anderem die Muskulatur,<br />

den Skelettaufbau, die Herzfunktion sowie die vermehrte Bewegung der<br />

Leukozyten und können positiv auf Rheumatismus und<br />

Atemwegserkrankungen wirken.<br />

In der Reintoxin - Therapie werden gerade einmal ein hundertstel Milligramm<br />

des <strong>Gifte</strong>s verwendet.<br />

Den Patienten wird eine stark verdünnte Schlangengiftmischung injiziert oder<br />

es wird oral, in Form von Tropfen, eingenommen.<br />

Entzündungsherde in den Gelenken verschwinden durch die<br />

Muskelentspannende Wirkung und die Stärkung des Auto-Immunsystems<br />

durch das Toxin.<br />

Durch die starke Verdünnung des <strong>Gifte</strong>s sind Vergiftungen und unerwünschte<br />

Nebenwirkungen ausgeschlossen.<br />

Ein Behandlungsplan umfasst zehn bis zwölf Sitzungen.<br />

Abb. 11 Abb. 12<br />

5.2.4 Indikationen der Reintoxin - Enzymtherapie<br />

• Allergien<br />

• Asthma<br />

• Nerven- und Gehirnerkrankungen (Migräne, Multiple Sklerose, Morbus<br />

Alzheimer, Beinunruhe, Zustand nach Schlaganfall)<br />

• Kreislauf (Bluthochdruck, Durchblutungsstörungen, Gefäßverkalkung)<br />

• Magen-Darm-Erkrankungen<br />

• Entzündungen (Darm - Divertikulitis, Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa)<br />

• Rheuma (das Serum besteht aus den <strong>Gifte</strong>n von Kobra, Klapperschlange<br />

und Sandviper)<br />

• Neurodermitis<br />

- 21 -


<strong>Heilende</strong> <strong>Gifte</strong><br />

• Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes Mellitus und<br />

Fettstoffwechselstörungen<br />

• Allgemeine Revitalisierung<br />

• Potenzstörungen<br />

• Beschwerden der Wechseljahre<br />

5.3 Schlangengift in der Schulmedizin<br />

5.3.1 Geschichte<br />

Im Jahre 1908 machte der Amerikanische Arzt Self eine seltsame<br />

Beobachtung. Eine seiner Patienten litt seit über 10 Jahren an Epilepsie. Er<br />

wurde von einer Klapperschlange gebissen, überlebte und war ab sofort von<br />

der Epilepsie geheilt.<br />

Das gab einen Anstoß für die Erforschung der Schlangengifte zu Heilzwecken.<br />

Folgender Denkansatz, der auf Paracelsus zurückgeht, erwies sich als<br />

fruchtbar:<br />

So wie etwas das Gift des Fingerhuts (Digitalis) in großer Dosis durch<br />

Herzlähmung tötet, wohl dosiert jedoch ein unentbehrliches Heilmittel für<br />

Herzkranke ist, könnte es ähnlich auch mit Schlangengiften sein.<br />

Seit wenigen Jahrzehnten ist es erst möglich, genaue biochemische und<br />

pharmakologische Analysen durchzuführen, die genauen Aufschluss über<br />

einzelne Bestandteile der Schlangengifte und ihre Medizinische Nutzbarkeit<br />

geben. In der so genannten Schulmedizin werden Bestandteile von<br />

Schlangengiften zur Behandlung von Blutgerinseln und<br />

Blutdruckerkrankungen verwendet. Auch in der Diagnostik finden<br />

Schlangengifte ihren Einsatz. Bei der Behandlung von Virusinfektionen und<br />

Neurologischen Störungen ist seit längerer Zeit bekannt, das Schlangengifte<br />

hier mit großem Erfolg eingesetzt werden können.<br />

5.3.2 Verwendung der Schlangengifte in der Schulmedizin<br />

Die Verwendung der Schlangengifte in der Schulmedizin steht erst am Anfang.<br />

Dennoch konnten schon erste Erfolge verzeichnet werden.<br />

So wurde z.B. aus dem Gift der Südamerikanischen Lanzenotter eine<br />

Substanz gewonnen die, die Blutgerinnung fördert.<br />

Batroxibin heißt der Stoff, mit dem Wunden, die während Operationen<br />

entstehen, einfach und schnell gewissermaßen zugeklebt werden können.<br />

Vor der Operation entnimmt man dem Patienten etwas Blut und verdickt es mit<br />

der Schlangensubstanz. Während der Operation kann dann dieses gelartig<br />

veränderte auf offene Blutgefäße und andere Wunden aufgetragen, worauf<br />

das Blut verklumpt und die Wunde sofort verschließt.<br />

Genau das Gegenteil bewirkt das Gift der Malaysischen Grubenotter.<br />

Diese Schlange produziert als Gift eine Fibrinogen spaltendes Enzym, das die<br />

Gerinnung des Blutes und somit den natürlichen Wundverschluss unterbindet.<br />

- 22 -


<strong>Heilende</strong> <strong>Gifte</strong><br />

In geringen Konzentrationen kann das Schlangengift zur Therapie von<br />

Durchblutungsstörungen eingesetzt werden, Beispielweise bei Thrombosen.<br />

Auch in der Therapie von Herzerkrankungen werden Schlangengifte<br />

eingesetzt. Aus einem Gerinnungshemmenden Eiweiß im Gift einer<br />

Afrikanischen Viper entwickelten Pharmaforscher ende der 90er Jahre den<br />

Wirkstoff Tirobiban – den ersten Vertreter einer neuen Gruppe von<br />

Gerinnungshämmern mit dem Namen Glykoprotein – II b / IIIa – Antagonisten.<br />

Diese verhindern, das Blutblättchen verklumpen und Gefäße verstopfen; bei<br />

akuten Herzbeschwerden im Krankenhaus gegeben, mindern sie das Risiko<br />

eines Myokard Infarkts.<br />

Eine richtige Erfolgsgeschichte schrieben die Blutdrucksenker aus<br />

Schlangengift.<br />

Bei ihrer Entwicklung hatte der Zufall die Hände im Spiel. Als Forscher in den<br />

sechziger Jahren im Gift der brasilianischen Viper Bothrops jaracusa eine<br />

blutdrucksenkende Substanz entdeckten, ahnten sie nicht, dass sie soeben<br />

den Prototyp einer völlig neuen Substanzklasse isoliert hatten. Die so<br />

genannten ACE - Hemmer trieben die Behandlung von Herz-Kreislauf-<br />

Erkrankungen entscheidend voran. Sie blockieren das Angiotensin-Converting<br />

- Enzym (ACE), das den körpereigenen Botenstoff Angiotensin I in stark<br />

Blutdrucksteigerndes Angiotensin II umwandelt. Mit dem Wirkstoff Captopril<br />

kam 1981 der erste ACE - Hemmer auf den deutschen Markt. Es folgten<br />

Enalapril, Ramipril und einer Reihe weiterer Wirkstoffe mit der Endung »-pril«.<br />

Ursprünglich als Blutdrucksenker entwickelt, stellten die Gift-Abkömmlinge<br />

bald weitere Qualitäten unter Beweis: So helfen sie bei Herzschwäche und<br />

senken das Risiko, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden.<br />

Abb. 13<br />

5.3.3 Medikamente aus Schlangengift<br />

Epileptasid – Injektionslösung<br />

Enthält das Toxin der Waldklapperschlange<br />

Indikation:<br />

Traumatische und genuine Epilepsie<br />

Starke Migräneanfälle<br />

Viperici - forte-Salbe, Vipericin Liniment<br />

Enthalten Toxine der Hornviper, der Seitenwinderin, des Buschmeisters und<br />

der Kreuzotter.<br />

- 23 -


<strong>Heilende</strong> <strong>Gifte</strong><br />

Indikation:<br />

Rheumatische Beschwerden<br />

Periphere Durchblutungsstörungen<br />

Neuralgie<br />

Neurotidie<br />

Tendoragnitis<br />

Viperacutan (Emulsion)<br />

enthält Toxine der Horn- oder Sandotter<br />

Indikation:<br />

Rheuma<br />

Neuralgie<br />

Prellungen<br />

Quetschungen<br />

Viprasid (Injektionslösung)<br />

Enthält Toxine der Horn und Sandotter<br />

Indikation:<br />

Rheuma<br />

Neuralgie<br />

Schwere Arthritis<br />

Gelenentzündungen<br />

Myalgie<br />

„Cobratoxin Asid“ (Injektionslösung)<br />

Enthält Toxine der indischen Brillenschlange<br />

Indikation:<br />

Starke Schmerzen<br />

Gelenkentzündungen<br />

Asthma<br />

Arwin (Ampullen)<br />

Enthält Toxine der Malaysischen Grubenotter<br />

Indikation:<br />

Chronische und periphere Arterielle Durchblutungsstörungen<br />

- 24 -


<strong>Heilende</strong> <strong>Gifte</strong><br />

5.4 Neueste Erkenntnisse aus der Forschung von Nutzung der<br />

Schlangengifte in der Medizin<br />

5.4.1 in der Krebstherapie<br />

Zur Zeit wird in der Krebstherapieforschung das Protein Rhodocetin, eine<br />

Giftkomponente der Malaysischen Mokassin – Grubenotter, untersucht.<br />

Die Substanz wirkt gerinnungshemmend, in dem sie die Bindung von<br />

Thrombozyten an das Kollagen des Stützgewebes verhindert.<br />

In Versuchen mit Zellkulturen konnte gezeigt werden, das die Wanderung von<br />

Tumorzellen durch Kollagennetzwerke unter Einwirkung des Schlangengiftes<br />

deutlich verringert ist.<br />

Denn Tumorzellen besitzen wie andere Zellen auch auf ihrer Oberfläche<br />

Moleküle, so genannte Integrine, welche die Bindung am Stützgewebe<br />

ermöglichen. Rhodocetin bindet an diese Moleküle und verhindert so den<br />

Kontakt der Zelle zur umgebenden extrazellulären Matrix. Dieser Kontakt ist<br />

aber wichtig für das Passieren von Barrieren und das Wandern von Zellen, wie<br />

etwa bei der Wundheilung oder der Blutgerinnung.<br />

Dem invasiven Wachstum von Tumoren, die in andere Gewebe eindringen,<br />

könnte mit dem Schlangengift Einhalt geboten werden.<br />

5.4.2 in der Kardiologie<br />

Eines der tödlichsten Schlangengifte der Welt könnte bei der Bekämpfung von<br />

Herzversagen helfen.<br />

Es ist das Gift des Australischen Taipans.<br />

Australischen Forschern gelang es aktive Moleküle aus dem Taipan - Gift zu<br />

isolieren.<br />

Die Moleküle reduzieren die Belastung des Herzens.<br />

Zudem seien sie äusserst stabil, was sich für die Entwicklung neuer<br />

Medikamente sehr atraktiv mache.<br />

Die Wirkung des Taipan – Moleküls hält demnach über mehrere Tage an.<br />

Im menschlichen Körper würden ähnliche Moleküle erzeugt, die aber nur<br />

einige Stunden lang aktiv sind.<br />

Bis jetzt wurde die Wirkung von Taipan Molekülen nur an Versuchskaninchen<br />

im Labor getestet.<br />

Versuche an Menschlichen Freiwilligen könnten hoffentlich in einigen Jahren<br />

folgen.<br />

- 25 -


<strong>Heilende</strong> <strong>Gifte</strong><br />

6. Nachwort<br />

Die <strong>Gifte</strong> der rund 300 Giftschlangenarten der Erde bergen noch zahlreiche,<br />

möglicherweise medizinisch nutzbare „Rezepturen“.<br />

Es ist aber zu befürchten, das das Erbgut vieler vom Aussterben bedrohten<br />

Giftschlangen Spezies verloren geht, bevor wir die Rolle dieser Tiere im<br />

biologischen Gleichgewicht begreifen und bevor wir die Einzigartigen Wirkstoffe<br />

ihrer <strong>Gifte</strong> erkennen und zu nutzen verstehen.<br />

- 26 -


<strong>Heilende</strong> <strong>Gifte</strong><br />

Literaturverzeichnis<br />

1. Klaus Zimniok<br />

„Verzauberte Welt der Reptilien“<br />

Meyster Verlag<br />

München 1979<br />

2. Ludwig Trutnau<br />

„ Schlangen Band 2“<br />

Ulmer Verlag<br />

Stuttgart 1982<br />

3. Heiner Uber, Papu Pramod Mondhe<br />

„Weltschlangen, Schlangen Welten – Auf den Spuren eines<br />

Reptils durch Mythos und Magie“<br />

Frederking und Thaler<br />

München 2002<br />

4. Vratislav Hrdina, Ludek Jahodar, Zdenek Martinec, Vladimir<br />

Merca<br />

„Prirodni toxiny a jedy“<br />

Galen<br />

Praha 2004<br />

5. Trevor Stone, Gail Darlington<br />

„Leky, Drogy, Jedy“<br />

Academica<br />

Praha 2003<br />

6. Waldemar Diesing<br />

„Schlangen – Reintoxine und ihre Bedeutung für die<br />

Heilkunde“<br />

Bei Horvi – Chemie<br />

Georgensmünd 1993<br />

7. www.snakemed.de<br />

8. www.wissenschaft.de<br />

9. www.wikkipedia.de<br />

10. www.wernis-schlangenseite.de<br />

- 27 -

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!