MeyerD_Diss.pdf
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2. Doppelbegabung im Expressionismus<br />
grammatik des Gesamtkunstwerks und das Streben nach einer universellen Gestaltung<br />
des Lebens, wie sie für die Romantik und für den Expressionismus essentiell<br />
war, scheinen insgesamt die Symbiose der Künste und daraus resultierend die<br />
Doppelbegabung sowie deren Ausleben besonders zu begünstigen. 29<br />
2.2. Der Expressionismus als übergreifende Bewegung<br />
Das Phänomen Expressionismus und seine Voraussetzungen<br />
Der Expressionismus war nun also eine Strömung, in der besonders viele künstlerische<br />
Doppelbegabungen in Erscheinung traten und diese Bewegung entscheidend<br />
mittrugen. Darum bot es sich an, gerade im Kontext dieser Zeit die Frage<br />
nach dem Phänomen der Doppelbegabung zu stellen. Doch was war das eigentlich<br />
für eine Bewegung? Welche Voraussetzungen und Ziele standen damit in<br />
Verbindung? Um bei den späteren Untersuchungen Künstler und Werk angemessen<br />
beurteilen zu können, ist eine kurze Betrachtung ihres politischen und sozialen<br />
Umfeldes unerlässlich.<br />
Expressionismus als Begriff ist eigentlich nur ein Notbehelf – eine Sammelbezeichnung<br />
für unterschiedlichste Vertreter der verschiedenen Künste, die unter<br />
dieser so genannten Stilepoche zusammengefasst werden. 30 Die Differenzen in<br />
Weltsicht, Ausdrucksform und Themenauswahl zwischen den deutschen Künstlern<br />
und vor allem auch zwischen den Autoren sind groß. Der Expressionismus<br />
lässt sich deshalb am treffendsten als eine „geistige europäische Strömung des frühen 20.<br />
Jahrhunderts“ 31 bezeichnen, die in Deutschland einen Umbruch in allen Künsten<br />
markiert. Der Begriff „Expressionismus“ wurde zuerst auf französische Maler<br />
angewendet, die man heute zwischen Fauvismus und Kubismus einordnet. 1912<br />
waren im Katalog der Sonderbund-Ausstellung all jene Künstler damit gemeint,<br />
die über Realismus und Impressionismus hinausgingen. Bis heute werden Künstler<br />
wie Vincent van Gogh (1853-1890), Edvard Munch (1863-1944) und James<br />
Ensor (1860-1949) in der Forschung teilweise als Vertreter einer ersten Phase des<br />
Expressionismus angesehen, von anderen dagegen als dessen Vorläufer eingestuft.<br />
In jedem Fall etablierte sich zumindest für die Bildende Kunst die bis heute gültige<br />
Auffassung, als Expressionisten jene Künstler zu bezeichnen, die „durch Verformung<br />
der sichtbaren Wirklichkeit ihre Gefühle oder Ideen in drastischer Weise bildlich“ 32 dar-<br />
29 Vgl. Schvey (1992), S. 77; Böttcher/Mittenzwei (Zwiegespräch, 1980), S. 10.<br />
30 Knapp (1979), S. 13.<br />
31 Hoffmann (1985), S. 99.<br />
32 Muller (1977), S. 6.