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Leistungsmessung, Fehlerkorrektur und das Bild des Lehrers im ...

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<strong>Leistungsmessung</strong>, <strong>Fehlerkorrektur</strong> <strong>und</strong> <strong>das</strong> <strong>Bild</strong> <strong>des</strong> <strong>Lehrers</strong><br />

<strong>im</strong> Diskurs der Fernstudieneinheiten Deutsch als<br />

Fremdsprache<br />

Dörthe Uphoff<br />

Zusammenfassung: Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit dem <strong>Bild</strong> <strong>des</strong> <strong>Lehrers</strong> in den<br />

Fernstudieneinheiten 10 <strong>und</strong> 19 („Probleme der <strong>Leistungsmessung</strong>“ <strong>und</strong> „Fehler <strong>und</strong> <strong>Fehlerkorrektur</strong>“).<br />

Ausgehend von den Titelbildern wird dabei in diskursanalytischem Sinne untersucht, wie best<strong>im</strong>mte<br />

Handlungsweisen <strong>und</strong> Einstellungen der Lehrer in den betreffenden Einheiten dargestellt <strong>und</strong> bewertet<br />

werden.<br />

Stichwörter: Deutsch als Fremdsprache, Lehrerqualifizierung, Diskursanalyse<br />

1. Einleitung<br />

Man kann sicherlich behaupten, <strong>das</strong>s die „Fernstudieneinheiten Deutsch als<br />

Fremdsprache“ eine ganze Generation von DaF-Lehrern geprägt haben, auch in<br />

Brasilien. Neben dem Fernstudienkurs, der vom Goethe-Institut Salvador in<br />

Zusammenarbeit mit der Universidade Federal da Bahia (UFBA) in diesem Jahr schon<br />

in der dritten Auflage angeboten wird, finden die Fernstudieneinheiten (FSE) auch in<br />

vielen anderen Aus- <strong>und</strong> Fortbildungskontexten hierzulande großen Einsatz. Auf dem 8.<br />

Brasilianischen Deutschlehrerkongress <strong>im</strong> Juli 2011 in Belo Horizonte konnte man nun<br />

auf dem Semiplenarvortrag von Frau Karin Ende erfahren, <strong>das</strong>s in der Zentrale <strong>des</strong><br />

Goethe-Instituts ein neues Fort- <strong>und</strong> Weiterbildungsprogramm entwickelt wird <strong>und</strong> <strong>das</strong>s<br />

die uns bekannten FSE damit allmählich zu einem Auslaufmodell werden. Auch auf der<br />

Internetseite <strong>des</strong> Langenscheidt-Verlages wird dieses neue, „Deutsch lehren lernen“<br />

genannte Programm schon angekündigt (siehe LANGENSCHEIDT 2011). In dieser<br />

Situation erscheint es mir sinnvoll, die FSE mit ihrer sehr charakteristischen<br />

Diskursstruktur (siehe Kap. 3) einmal von einem anderen Blickwinkel aus zu<br />

beleuchten <strong>und</strong> die in ihnen zum Ausdruck kommenden Lehrerbilder zu untersuchen.<br />

Schon seit längerem fallen mir be<strong>im</strong> Lesen der FSE die zum Teil ungewöhnlichen<br />

Darstellungen <strong>des</strong> <strong>Lehrers</strong> <strong>und</strong> seiner Handlungsweisen auf den Titelbildern auf. So ist<br />

z.B. auf dem Titelfoto von FSE 29 („Gruppenarbeit <strong>und</strong> innere Differenzierung“;<br />

SCHWERDTFEGER 2001) eine ziemlich „normale“ Unterrichtsszene zu sehen, in der<br />

ein Lehrer mit einer Schülergruppe spricht. In FSE 21 („Phonetik lehren <strong>und</strong> lernen“;<br />

DIELING/HIRSCHFELD 2000) jedoch findet man die gezeichnete Darstellung eines<br />

<strong>Lehrers</strong> in der Rolle eines Dirigenten oder Chorleiters <strong>und</strong> auf dem Deckblatt von FSE


23 („Lernerautonomie <strong>und</strong> Lernstrategien“; BIMMEL/RAMPILLON 2000) wird eine<br />

erwachsene Person gezeigt, die mit strenger Miene einem kleinen Jungen zu verstehen<br />

gibt, <strong>das</strong>s dieser innerhalb der Umrandung eines Sandkastens spielen soll, obwohl der<br />

Sand außerhalb dieser Umgrenzung genauso aussieht <strong>und</strong> ebenfalls zum Spielen einlädt.<br />

Was sollen diese <strong>Bild</strong>er den Lesern der FSE vermitteln, <strong>und</strong> was für ein Bezug besteht<br />

zwischen den Titelbildern <strong>und</strong> den methodisch-didaktischen Ausführungen <strong>im</strong> Innern<br />

der FSE? Von diesen Fragen ausgehend habe ich in meinem Kurzbeitrag auf dem 8.<br />

Deutschlehrerkongress die Lehrerdarstellungen in FSE 10 („Probleme der<br />

<strong>Leistungsmessung</strong>“; BOLTON 1996) <strong>und</strong> 19 („Fehler <strong>und</strong> <strong>Fehlerkorrektur</strong>“; KLEPPIN<br />

1997) untersucht, auf deren Titelbildern auch ein Lehrer bzw. <strong>des</strong>sen Arbeitsweise zu<br />

erkennen ist. Die wichtigsten Ergebnisse dieser Analysen werde ich <strong>im</strong> 5. <strong>und</strong> 6. Kapitel<br />

dieses Artikels vorstellen. Beginnen möchte ich jedoch mit ein paar allgemeinen<br />

Einschätzungen zum Thema Lehrerqualifizierung (Kapitel 2), einer kurzen<br />

Beschreibung der FSE (Kapitel 3) <strong>und</strong> ein paar Worten zur Diskursanalyse, die den<br />

theoretischen Rahmen meiner Untersuchung bildet (Kapitel 4).<br />

2. Lehrerqualifizierung <strong>im</strong> Bereich DaF<br />

Seit geraumer Zeit wird über <strong>das</strong> Qualifikationsprofil von Fremdsprachenlehrern<br />

diskutiert. In vielen Ländern der Welt gilt ihr Ausbildungsstand als unzureichend oder<br />

zumin<strong>des</strong>t als verbesserungsbedürftig, was auf verschiedene Faktoren zurückgeführt<br />

werden kann. So findet die Gr<strong>und</strong>ausbildung oft innerhalb philologischer Hochschul-<br />

studiengänge statt, die wenig an der Unterrrichtspraxis orientiert sind <strong>und</strong> sich mehr mit<br />

den theoretischen Fragestellungen der Sprachwissenschaft <strong>und</strong> Literatur befassen. Auch<br />

erweist sich der Lehrberuf in vielen Ländern als nicht sehr attraktiv, zumal in<br />

finanzieller Hinsicht, so <strong>das</strong>s nicht wenige Lehramtsabsolventen sich anderen<br />

Berufssparten zuwenden <strong>und</strong> offene Stellen an <strong>Bild</strong>ungseinrichtungen statt<strong>des</strong>sen mit<br />

Lehrkräften ohne fachspezifische Ausbildung besetzt werden müssen. Hinzu kommt<br />

noch, <strong>das</strong>s dem Aufbau der Sprachkompetenz <strong>im</strong> Curriculum oft ein großer Platz<br />

eingeräumt wird, weil viele Studierende als Nullanfänger ihr Studium beginnen,<br />

besonders wenn die betreffende Sprache in einem Land nicht oder nur wenig an Schulen<br />

unterrichtet wird. Auch aus diesem Gr<strong>und</strong> werden fachdidaktische Inhalte oft<br />

zwangsläufig an den Rand gedrängt.


All diese Aspekte treffen sicher – in kleinerem oder größerem Umfang – auch auf<br />

die Qualifizierung von DaF-Lehrern in Brasilien zu. So schreibt z.B. Soethe (2010:<br />

1625), <strong>das</strong>s Fremdsprachenlehrer hierzulande „nicht selten einen mangelhaften<br />

Ausbildungsstand auf[weisen], auch unzulängliche Sprachkenntnisse“. Sartringen<br />

(2001: 1448) wiederum rechnet mit nur „r<strong>und</strong> 400 fachlich hochrangig ausgebildeten<br />

DaF-Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrer[n] [...] von insgesamt 1.500 in ganz Brasilien“.<br />

Im Zuge dieser Situation, die <strong>im</strong> internationalen Rahmen zu sehen ist <strong>und</strong> von der<br />

Brasilien nur einen Ausschnitt darstellt, wurde Ende der 80er Jahre <strong>das</strong><br />

„Fernstudienangebot Deutsch als Fremdsprache“ ins Leben gerufen mit dem Ziel, die<br />

Fort- <strong>und</strong> Weiterbildung von DaF-Lehrkräften weltweit zu fördern (siehe<br />

SCHMIDJELL 2004: 10). Im folgenden sollen ein paar Eigenschaften der FSE, die als<br />

zentrales Instrument dieses Angebots gelten, genauer besprochen werden.<br />

3. Die Fernstudieneinheiten<br />

Die FSE werden vom Goethe-Institut München <strong>und</strong> der Universität Kassel unter<br />

Beteiligung <strong>des</strong> DAAD <strong>und</strong> der ZfA herausgegeben (siehe LANGENSCHEIDT 2011).<br />

Der erste, <strong>im</strong>mer noch erhältliche Band („Grammatik lehren <strong>und</strong> lernen“) erschien<br />

bereits <strong>im</strong> Jahre 1991, <strong>und</strong> erst vor wenigen Wochen ist wieder eine Neubearbeitung<br />

einer FSE (Bd. 18 „Deutschunterricht planen“) auf den Markt gekommen. Insgesamt<br />

werden zur Zeit 25 FSE <strong>im</strong> Sort<strong>im</strong>ent <strong>des</strong> Langenscheidt-Verlages geführt (ibid.; Stand<br />

25.10.2011), weitere Einheiten sind <strong>im</strong> Laufe der letzten zwei Jahrzehnte entstanden,<br />

heute jedoch nicht mehr erhältlich.<br />

Die FSE sind darauf ausgerichtet, ein möglichst breites Spektrum methodisch-<br />

didaktischer Fragestellungen <strong>des</strong> DaF-Unterrichts abzudecken, <strong>und</strong> werden von<br />

ausgewiesenen, oft auch über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannten Expertinnen<br />

<strong>und</strong> Experten verfasst.<br />

Charakteristisch für die Serie ist ihre einheitliche Diskursstruktur. Als<br />

Selbstlerntexte konzipiert sind die FSE nach induktiven Prinzipien aufgebaut <strong>und</strong> stark<br />

aufgabengesteuert (siehe SCHMIDJELL 2004: 10). Ausgehend von der eigenen<br />

Lehrerfahrung werden die Leser mit Theorie <strong>und</strong> Anwendung fachdidaktischer<br />

Teilaspekte vertraut gemacht <strong>und</strong> dabei <strong>im</strong>mer wieder zur Reflexion über die eigene<br />

Unterrichtspraxis angeregt. In einem quasi fingierten Dialog zwischen Autor <strong>und</strong> Leser,<br />

in dem nur der Redeanteil <strong>des</strong> Autors gegenwärtig ist, während die St<strong>im</strong>me <strong>des</strong> Lesers


durch die Leerzeilen in den Aufgaben nur angedeutet wird, spricht der Autor (oder <strong>das</strong><br />

Autorenteam) die Leser <strong>im</strong>mer wieder direkt an, was für meine Untersuchung zum<br />

Lehrerbild in den FSE von großer Bedeutung war. Trotz dieses relativ straff umrissenen<br />

Diskursformats ist jedoch zu beobachten, <strong>das</strong>s die Autoren der FSE die Möglichkeit zur<br />

unmittelbaren Anrede ihrer Leserschaft in unterschiedlichem Maße nutzen.<br />

4. Theoretischer Hintergr<strong>und</strong>: die Diskursanalyse<br />

Aufgr<strong>und</strong> der <strong>im</strong> Rahmen dieses Artikels gebotenen Kürze können die von mir<br />

herangezogenen theoretischen Bezugsgrößen hier leider nur sehr kurz skizziert werden.<br />

Insgesamt ist der Blickwinkel, von dem aus ich die beiden FSE betrachte, in<br />

beträchtlichem Maße von Gr<strong>und</strong>annahmen der (französischen) Diskursanalyse geprägt,<br />

die unter anderem auf Michel Foucault zurückgeht <strong>und</strong> hierzulande in den<br />

Geisteswissenschaften derzeit stark diskutiert wird. 1 Die Diskursanalyse beschäftigt sich<br />

vornehmlich mit der Frage, wie Sinnzusammenhänge produziert werden <strong>und</strong> unter<br />

welchen Bedingungen sie entstehen. Ein Diskurs kann dabei, um eine deutschsprachige<br />

Definition zu nennen, nach Gardt (2007) folgendermaßen beschrieben werden:<br />

Ein Diskurs ist die Auseinandersetzung mit einem Thema,<br />

die sich in Äußerungen <strong>und</strong> Texten der unterschiedlichsten Art niederschlägt,<br />

von mehr oder weniger großen gesellschaftlichen Gruppen getragen wird,<br />

<strong>das</strong> Wissen <strong>und</strong> die Einstellungen dieser Gruppen zu dem betreffenden Thema sowohl<br />

spiegelt<br />

als auch aktiv prägt <strong>und</strong> dadurch handlungsleitend für die zukünftige Gestaltung der<br />

gesellschaftlichen Wirklichkeit in Bezug auf dieses Thema wirkt (GARDT, 2007: 30).<br />

5. Das <strong>Bild</strong> <strong>des</strong> <strong>Lehrers</strong> in Fernstudieneinheit 10 („Probleme der<br />

<strong>Leistungsmessung</strong>“)<br />

Das Titelbild von FSE 10 zeigt die Karikatur „Chancengleichheit“ von Hans<br />

Traxler, welche zum ersten Mal in den 70er Jahren <strong>im</strong> Kontext der <strong>Bild</strong>ungsreformen 2<br />

in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland veröffentlicht wurde. Sie befasst sich in kritisch-<br />

ironischer Form mit dem großen Einfluss der sozialen Herkunft auf die schulische<br />

1 Siehe für einen meiner Ansicht nach hilfreichen Überblick über die Gr<strong>und</strong>annahmen der Diskursanalyse,<br />

in Abgrenzung zu anderen sprachwissenschaftlichen Theorien, POSSENTI 2004.<br />

2 Ich danke Werner Schreiber für seinen Hinweis zum Entstehungskontext <strong>des</strong> Cartoons.


Laufbahn von Kindern in Deutschland, den man bis heute mit verschiedenen<br />

bildungspolitischen Maßnahmen einzudämmen versucht:<br />

Abbildung 1: Titelbild FSE 10, in der Sprechblase zu lesen: „Zum Ziele einer gerechten<br />

Auslese lautet die Prüfungsaufgabe für Sie alle gleich: Klettern Sie auf den Baum!“<br />

Die Karikatur stammt also aus einem für <strong>das</strong> weltweite Publikum der Serie<br />

wahrscheinlich nicht <strong>im</strong>mer leicht zu identifizierenden Kontext <strong>und</strong> steht, wie <strong>im</strong><br />

folgenden noch zu sehen ist, ziemlich unverb<strong>und</strong>en zum eigentlichen Inhalt der FSE.<br />

Dennoch wirkt der Cartoon natürlich auch auf solche Leser, die ihn nicht mit dieser<br />

spezifischen innenpolitischen Debatte in Verbindung bringen können, denn er behandelt<br />

sozusagen ein pädagogisches Gr<strong>und</strong>dilemma: Ein Lehrer möchte gerecht sein <strong>und</strong><br />

behandelt <strong>des</strong>halb alle seine Schüler gleich, lässt dabei jedoch unbeachtet, mit welch<br />

unterschiedlichen Ausgangsvoraussetzungen die Lerner in den Unterricht kommen. So<br />

sind es vermutlich auch diese zwei Aspekte – der Wunsch nach Gerechtigkeit <strong>und</strong> <strong>das</strong><br />

Problem der Heterogenität –, die über <strong>das</strong> Titelbild hinaus dem aufmerksamen Leser <strong>im</strong><br />

Gedächtnis bleiben.<br />

Tatsächlich wird <strong>das</strong> Thema der Heterogenität auch <strong>im</strong> Textinnern der FSE<br />

aufgegriffen. Es bezieht sich dort allerdings nicht auf die Lernenden selbst, sondern auf<br />

die Lernziele <strong>und</strong> Lerninhalte <strong>des</strong> DaF-Unterrichts, die in engem Zusammenhang mit<br />

der Ausarbeitung von Prüfungen stehen. „Unterschiedliche Lernziele <strong>und</strong> entsprechende<br />

Unterrichtsmethoden erfordern auch entsprechende Tests“, erklärt die Autorin Sibylle<br />

Bolton (1996: 13) <strong>und</strong> führt damit in <strong>das</strong> Gütekriterium der Validität bei<br />

Prüfungsinstrumenten ein (ibid.: 17).


Bolton favorisiert in ihren Ausführungen ganz klar die kommunikative Didaktik,<br />

geht jedoch davon aus, <strong>das</strong>s zumin<strong>des</strong>t ein Teil ihrer Leser noch in der audiolingualen<br />

Methode verhaftet sind. So formuliert sie an ihre Leserschaft:<br />

Möglicherweise haben Sie zu einer Zeit Deutsch gelernt, in der die audiolinguale<br />

Methode die vorherrschende Unterrichtsmethode für Fremdsprachen war. (BOLTON<br />

1996: 9)<br />

Trotzdem scheint die Autorin vorauszusetzen, <strong>das</strong>s ihre Leser gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

kommunikativen Unterricht machen möchten, worauf die Klammersetzung in<br />

folgendem Zitat auf subtile Weise hindeutet:<br />

Wichtig ist nur, daß Sie am Ende <strong>des</strong> Kurses zu allen Lernzielen Ihres<br />

(kommunikativen) Unterrichts Tests gemacht haben, um wirklich ein umfassen<strong>des</strong> <strong>Bild</strong><br />

über die Leistungen Ihrer Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler zu erhalten. (BOLTON 1996: 19)<br />

Die Tatsache, <strong>das</strong>s Grammatik- <strong>und</strong> Wortschatztests eher mit einem audiolingual<br />

ausgerichteten Unterricht in Einklang stehen, in der kommunikativen Didaktik jedoch<br />

keine hinreichenden Bewertungsinstrumente darstellen, n<strong>im</strong>mt <strong>im</strong> folgenden großen<br />

Platz in Boltons Argumentation ein. Die Autorin (ibid.: 20, 117) betont, <strong>das</strong>s diese Art<br />

von Tests zwar durchaus sinnvoll sein kann, aber nicht über die kommunikativen<br />

Fertigkeiten der Lernenden informiert <strong>und</strong> somit auch keine kommunikativen Lernziele<br />

abprüft. Bolton erwartet allerdings, <strong>das</strong>s ihre Leser dennoch an dieser Prüfungsform<br />

festhalten möchten:<br />

Im Unterricht jedoch werden Sie – wie die meisten Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrer – nicht<br />

darauf verzichten wollen, von Zeit zu Zeit zu überprüfen, ob best<strong>im</strong>mte, meist neu<br />

eingeführte linguistische Elemente oder der „neue“ Wortschatz (der letzten oder der<br />

letzten zwei, drei Lektionen) genügend beherrscht werden. (BOLTON 1996: 117)<br />

Die Aussagen der Autorin müssen sicherlich <strong>im</strong> geschichtlichen Kontext der<br />

kommunikativen Wende <strong>im</strong> Fremdsprachenunterricht betrachtet werden. In diesem<br />

Zusammenhang war es auch dem Goethe-Institut, als Mitherausgeber <strong>des</strong> Fernstudien-<br />

angebots, ein Anliegen, den DaF-Unterricht weltweit zu modernisieren. So ist z.B. in<br />

den „Vermittlungstheoretischen Thesen <strong>und</strong> Empfehlungen“ aus dem Jahre 1998 zum<br />

Thema Fort- <strong>und</strong> Weiterbildung von Fremdsprachenlehrern zu lesen:<br />

Vielerorts unterrichten Lehrkräfte ohne hinreichende Ausbildung. Vor diesem<br />

Hintergr<strong>und</strong> gehört die vermittlungsmethodisch orientierte Fort- <strong>und</strong> Weiterbildung zu<br />

den vordringlichen Aufgaben. Eine solche Fort- <strong>und</strong> Weiterbildung muß be<strong>im</strong><br />

Methodenrepertoire <strong>und</strong> den realen Unterrichtsbedingungen der Betroffenen ansetzen<br />

<strong>und</strong> sie zur Reflexion der eigenen Lehr- <strong>und</strong> Lernpraxis <strong>im</strong> Lichte neuerer bewährter<br />

Konzepte befähigen. (BEIRAT ‚DEUTSCH ALS FREMDSPRACHE‘ DES GOETHE-<br />

INSTITUTS 1998: 14)


Genau diesen Weg beschreitet Bolton (1996) in ihrer FSE, indem sie bei ihren<br />

Lesern eine audiolingual geprägte Praxis der <strong>Leistungsmessung</strong> vermutet <strong>und</strong> darauf<br />

aufbauend in die Eigenschaften kommunikativ orientierter Lernfortschrittstests einführt.<br />

Für <strong>das</strong> Zielpublikum der Serie ergibt sich dabei <strong>das</strong> <strong>Bild</strong> eines <strong>Lehrers</strong>, der<br />

eventuell noch nach einer überholten Methode unterrichtet <strong>und</strong> <strong>des</strong>halb mit neuen<br />

didaktischen Handwerkszeugen, auch <strong>im</strong> Bereich der <strong>Leistungsmessung</strong>, vertraut<br />

gemacht werden muss, um den modernen didaktisch-methodischen Anforderungen<br />

gerecht zu werden. Es ist interessant zu beobachten, wie <strong>das</strong> Motiv der Gerechtigkeit,<br />

<strong>das</strong> auf dem Titelblatt der FSE angesprochen wird, hier in umgewandelter Form wieder<br />

auftaucht, <strong>und</strong> zwar als Anspruch <strong>des</strong> „Gerechtwerdens“, der von der kommunikativen<br />

Didaktik aus an die Leser/Lehrer gestellt wird.<br />

6. Das <strong>Bild</strong> <strong>des</strong> <strong>Lehrers</strong> in Fernstudieneinheit 19 („Fehler <strong>und</strong><br />

<strong>Fehlerkorrektur</strong>“)<br />

Im Vergleich zu FSE 10 weist <strong>das</strong> Titelbild von FSE 19 einen weitaus direkteren<br />

Bezug zum Thema <strong>des</strong> Ban<strong>des</strong> auf. Das Deckblatt zeigt eine korrigierte schriftliche<br />

Textproduktion, in der verschiedene Korrekturtechniken der Lehrperson sichtbar<br />

werden:<br />

Abbildung 2: Titelbild FSE 19, als Lehrerkommentar zu lesen:<br />

„Schreibe eine vernünftige Einladung ohne Fehler!“<br />

Der humorvoll-sarkastische Ton der Karikatur ist klar zu erkennen, denn sowohl der<br />

etwas derbe <strong>Bild</strong><strong>im</strong>puls für die Schreibaufgabe als auch <strong>das</strong> strenge, abweisende


Feedback der Lehrperson wirken überzeichnet. Das Titelbild kann dabei als negatives<br />

Beispiel für mehrere Aspekte der schriftlichen Korrektur gelten, die <strong>im</strong> weiteren Verlauf<br />

von Autorin Karin Kleppin genauer besprochen werden. So steht z.B. der unfre<strong>und</strong>liche<br />

Lehrerkommentar („Schreibe eine vernünftige Einladung ohne Fehler!“) in krassem<br />

Widerspruch zu den Empfehlungen <strong>im</strong> Textinnern, da er nicht über die genauen Mängel<br />

oder Defizite <strong>des</strong> Geschriebenen aufklärt <strong>und</strong> keinerlei Hinweise darüber gibt, wie der<br />

Lerner seine Leistung verbessern könnte (KLEPPIN 1997: 70). Außerdem enthält der<br />

Kommentar auch keinen positiven Vermerk zu einem gelungenen Teilaspekt <strong>des</strong><br />

Aufsatzes <strong>und</strong> entmutigt <strong>im</strong> Ganzen mit seiner barschen Formulierung den Lerner mehr,<br />

als <strong>das</strong>s er ihn zur Überarbeitung <strong>des</strong> Textes anregen würde. Auch die Art der<br />

Fehlermarkierung entspricht nicht den in der FSE gemachten Vorschlägen, da keine<br />

spezifischen Korrekturzeichen verwendet werden, die über die Art der Abweichung<br />

Auskunft geben <strong>und</strong> den Lerner damit bei der Selbstkorrektur unterstützen könnten<br />

(ibid.: 57).<br />

An verschiedenen Stellen der FSE wird betont, <strong>das</strong>s es verschiedene Korrekturtypen<br />

gibt <strong>und</strong> <strong>das</strong>s viele Fremdsprachenlehrer bei einem einmal gewählten <strong>und</strong> dann oft<br />

automatisierten Korrekturverhalten bleiben (KLEPPIN 1997: 75, 78, 95). Anliegen der<br />

Autorin ist es <strong>des</strong>halb, diese erstarrte Praxis aufzubrechen <strong>und</strong> die Leser dazu zu<br />

bewegen, <strong>das</strong> eigene Verhalten zu überdenken <strong>und</strong> gegebenenfalls zu verändern (ibid.:<br />

6). Ein besonderes Augenmerk legt Kleppin (ibid.: 110) dabei auf die Notwendigkeit,<br />

taktvoll <strong>und</strong> nicht übermäßig streng zu korrigieren. Laut Ansicht der Autorin sind es<br />

nämlich besonders DaF-Lehrer, die ein eher rigi<strong>des</strong> Korrekturverhalten an den Tag<br />

legen:<br />

Deutsch gilt als schwere Sprache, die aufgr<strong>und</strong> dieses Rufes häufig nicht gewählt wird.<br />

Viele Lehrer sind sich nicht bewusst, <strong>das</strong>s sie diesen Ruf weiterverbreiten, indem sie die<br />

<strong>Fehlerkorrektur</strong> meist strenger als Lehrer anderer Fremdsprachen handhaben.<br />

(KLEPPIN 1997: 5)<br />

Auch nichtmuttersprachliche Lehrer, die aufgr<strong>und</strong> der weltweiten Ausrichtung <strong>des</strong><br />

Fernstudienangebots sicherlich <strong>das</strong> Zielpublikum der FSE stellen, korrigieren nach<br />

Einschätzung von Kleppin oft strenger:<br />

Man stellt <strong>im</strong>mer wieder fest, <strong>das</strong>s z.B. muttersprachliche Lehrer sehr viel toleranter<br />

<strong>und</strong> nachgiebiger korrigieren als andere. (ibid.: 21)<br />

Weiterhin gibt Kleppin zu bedenken, <strong>das</strong>s Korrekturen <strong>im</strong> Fremdsprachen-<br />

unterricht <strong>im</strong> Vergleich zum Muttersprachenerwerb wesentlich öfter mit Ermahnungen<br />

oder Zurechtweisungen verb<strong>und</strong>en sind <strong>und</strong> auch aus diesem Gr<strong>und</strong>e <strong>das</strong> Verhältnis<br />

zwischen Lehrer <strong>und</strong> Lerner belasten können:


Übrigens verschwinden auch be<strong>im</strong> Erstspracherwerb nicht alle Fehler von selbst. Die<br />

Mutter <strong>und</strong>/oder andere Bezugspersonen korrigieren oder geben häufig <strong>das</strong> richtige<br />

sprachliche Vorbild. Sie gehen dabei meist nur anders vor als viele Lehrer. Sie tadeln<br />

<strong>das</strong> Kind nämlich in der Regel nicht. (ibid.: 51)<br />

Zur Entschuldigung der Lehrer räumt die Autorin jedoch an anderer Stelle ein, <strong>das</strong>s<br />

nicht <strong>im</strong>mer eine vom Lerner als Tadel empf<strong>und</strong>ene Korrektur auch wirklich als solcher<br />

von der Lehrperson intendiert ist:<br />

Die Besprechung [eines Fehlers] kann humorvoll, ernst, kritisch oder verständnisvoll<br />

erfolgen – sie sollte nur nie bloßstellend wirken. Allerdings ist es <strong>im</strong>mer wieder ein<br />

Problem, <strong>das</strong>s Lernende teilweise etwas als bloßstellend <strong>und</strong> negativ empfinden, was<br />

der Lehrer manchmal gar nicht so gemeint hat. (ibid.: 71)<br />

Die rigide Korrekturhaltung wird dabei auch mit Rollenvorbildern aus der eigenen<br />

Schulzeit in Verbindung gebracht, wie folgende Abbildung zeigt, die Aufgabe 71 in<br />

FSE 19 als Illustration beigefügt ist (siehe KLEPPIN 1997: 71):<br />

Abbildung 3: Illustration zu Aufgabe 71 in FSE 19: „Denken Sie bitte an Ihre eigene<br />

Schulzeit zurück. Gibt es Besprechungen von korrigierten Arbeiten, die Ihnen besonders <strong>im</strong><br />

Gedächtnis geblieben sind? Wenn ja, warum erinnern Sie sich gerade an diese?“<br />

Insgesamt ergibt sich also für FSE 19 <strong>das</strong> <strong>Bild</strong> eines unsensiblen <strong>Lehrers</strong>, der in<br />

strenger Manier die Fehler der Lernenden markiert <strong>und</strong> dabei manchmal sogar in Kauf<br />

n<strong>im</strong>mt, seine Schüler bloßzustellen <strong>und</strong> zu verletzen. Sicherlich ist dies nicht der<br />

einzige Korrekturtyp, auf den <strong>im</strong> Laufe der FSE hingewiesen wird, er stellt jedoch jene<br />

Art von Lehrer dar, auf die in den Ausführungen der Autorin <strong>im</strong>mer wieder Bezug<br />

genommen wird, so <strong>das</strong>s eben dieses Lehrerbild am Ende die deutlichsten Konturen<br />

ann<strong>im</strong>mt.


7. Abschließende Bemerkungen<br />

Vor dem theoretischen Hinterg<strong>und</strong> der Diskursanalyse wurden in diesem Beitrag die<br />

in FSE 10 <strong>und</strong> 19 zum Ausdruck kommenden Lehrerbilder untersucht. Während in FSE<br />

10 vor allem die Vorstellung von einem Lehrer erkennbar wurde, der mit einem<br />

überholten Methodenrepertoire Evaluationen vorn<strong>im</strong>mt, stand in der Analyse von FSE<br />

19 <strong>das</strong> <strong>Bild</strong> eines strengen <strong>und</strong> zum Teil unnachsichtig korrigierenden <strong>Lehrers</strong> <strong>im</strong><br />

Vordergr<strong>und</strong>. In der Darstellung der Lehrperson werden also eher negative Aspekte<br />

betont, was besonders auch in der Wahl der Titelbilder Niederschlag findet.<br />

Es lohnt sich meiner Ansicht nach darüber nachzudenken, inwieweit eine solche<br />

Darstellung angebracht <strong>und</strong> zeitgemäß ist. In dem angekündigten neuen Fortbildungs-<br />

programm <strong>des</strong> Goethe-Instituts scheint man in dieser Hinsicht auf jeden Fall andere<br />

Wege zu gehen, wie in ein paar Unterrichtsmitschnitten zu sehen war, die den<br />

Teilnehmenden auf dem 8. Brasilianischen Deutschlehrerkongress dargeboten wurden.<br />

Dort zumin<strong>des</strong>t setzte man, <strong>im</strong> Sinne der best practice, bei guten Beispielen der<br />

Lehrpraxis an <strong>und</strong> arbeitete nicht mit negativen Lehrerbildern.<br />

8. Literaturverzeichnis<br />

BEIRAT ‚DEUTSCH ALS FREMDSPRACHE‘ DES GOETHE-INSTITUTS. Deutsch<br />

als Fremdsprache: 24 vermittlungstheoretische Thesen <strong>und</strong> Empfehlungen. Zeitschrift<br />

für den interkulturellen Fremdsprachenunterricht, v. 2, n. 3, 1998. <br />

(28.10.2011).<br />

BIMMEL, Peter; RAMPILLON, Ute. Lernerautonomie <strong>und</strong> Lernstrategien. Berlin et<br />

al.: Langenscheidt, 2000. (= FSE 23)<br />

BOLTON, Sybille. Probleme der <strong>Leistungsmessung</strong>. Lernfortschrittstests in der<br />

Gr<strong>und</strong>stufe. Berlin et al.: Langenscheidt, 1996. (= FSE 10)<br />

DIELING, Helga; HIRSCHFELD, Ursula. Phonetik lehren <strong>und</strong> lernen. Berlin et al.:<br />

Langenscheidt, 2000. (= FSE 21)<br />

GARDT, Andreas. „Diskursanalyse. Aktueller theoretischer Ort <strong>und</strong> methodische<br />

Möglichkeiten“. In: WARNKE, Ingo (org.). Diskurslinguistik nach Foucault. Theorie<br />

<strong>und</strong> Gegenstände. Berlin/New York: de Gruyter, 2007, p. 28-52.<br />

KLEPPIN, Karin. Fehler <strong>und</strong> <strong>Fehlerkorrektur</strong>. Berlin et al.: Langenscheidt, 1997. (=<br />

FSE 19)<br />

LANGENSCHEIDT. Das Fernstudienangebot Deutsch als Fremdsprache, 2011.<br />

(25.10.2011).


POSSENTI, Sírio. “Teoria do Discurso: um caso de múltiplas rupturas”. In:<br />

MUSSALIM, Fernanda; BENTES, Anna Christina. (orgs.). Introdução à lingüística:<br />

f<strong>und</strong>amentos epistemológicos, v. 3, São Paulo: Cortez, 2004, p. 353-392.<br />

SARTRINGEN, Kathrin. „Deutschunterricht <strong>und</strong> Germanistikstudium in Brasilien“. In:<br />

HELBIG, Gerhard et al. (orgs.). Deutsch als Fremdsprache. Ein internationales<br />

Handbuch, v. 2, Berlin/New York: de Gruyter, 2001, p. 1445-1449.<br />

SCHMIDJELL, Annegret. Das Fernstudienprojekt als Fortbildungskonzept:<br />

Möglichkeiten <strong>und</strong> Erfahrungen. Eine Handreichung. München: Goethe-Institut, 2004.<br />

SCHWERDTFEGER, Inge C. Gruppenarbeit <strong>und</strong> innere Differenzierung. Berlin et al.:<br />

Langenscheidt, 2001. (= FSE 29)<br />

SOETHE, Paulo. „Deutsch in Brasilien“. In: KRUMM, Hans-Jürgen et al. (orgs.).<br />

Deutsch als Fremd- <strong>und</strong> Zweitsprache. Ein internationales Handbuch, v. 2, Berlin/New<br />

York: de Gruyter, 2010, p. 1624-1627.

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