Der Torpedo im Starnberger See - Abtauchen
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Der Torpedo im Starnberger See - Abtauchen
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<strong>Der</strong> <strong>Torpedo</strong> <strong>im</strong> <strong>Starnberger</strong> <strong>See</strong>
Für die Dokumentation und die Bergung eine Leiche habe ich 2003 mehrere Tauchgänge <strong>im</strong> nördlichen Teil des<br />
<strong>Starnberger</strong> <strong>See</strong>s durchgeführt. Nahe dem Fundort war mir ein großer, zylindrischer Gegenstand in einer Tiefe von etwa<br />
25 Metern aufgefallen. Bei einem weiteren Tauchgang hatte ich dann davon einige Photos gemacht. Die Sichtverhältnisse<br />
waren nicht besonders gut und der von mir auf 2 m Länge und 50 cm <strong>im</strong> Durchmesser geschätzte "Gegenstand" war<br />
stark sed<strong>im</strong>entiert. Trotzdem waren einige brauchbare Details auf den Photos zu erkennen. Aufgrund der mechanisch<br />
aufwendigen Fertigung und anderer Besonderheiten war eine "klassische" Bombe oder Luftmine auszuschließen, zudem<br />
waren Reste einer roten Lackierung und so etwas wie ein Typenschild zu erkennen. Für einen Abwurftank eines<br />
Flugzeugs war er zu massiv gearbeitet, auch die Form war anders. Die Bilder zeigten Details, die dafür sprachen, das das<br />
"Ding" etwas mit druckdichten Verbindungen zu tun haben müsste, meine ersten Vermutung ging deshalb damals in die<br />
Richtung Gastank oder alter Druckkessel. Die Bilder landeten in einem "WasAuchImmer" Ordner. Wer öfter in den<br />
Bayrischen <strong>See</strong>n in der Nähe von bewohnten Gebieten taucht, weis, wie viel an verschiedenstem Schrott aus den letzten<br />
Jahrhunderten <strong>im</strong> <strong>See</strong> versenkt wurde. <strong>See</strong>schlachten wurden dagegen keine auf dem <strong>Starnberger</strong> <strong>See</strong> ausgefochten,<br />
der erste Verdacht, es könnte sich um den Teil eines <strong>Torpedo</strong>s, präziser den Gefechtskopf handeln, kam daher erst <strong>im</strong><br />
Sommer 2008 auf. Ich hatte ein Gespräch mit Oliver Meise, der sich auf historische<br />
Forschung zur Marine spezialisert hat. Bei einem Treffen in Bayern tauschten wir<br />
uns über unsere aktuellen und alten Forschungsprojekte aus. Ich hatte ihm dabei<br />
auch von der Leichenbergung und in diesem Zusammenhang auch von dem<br />
seltsamen, unbekannten Fund erzählt. Nachdem ich ihm einige Details<br />
beschrieben hatte, kam die Antwort: Vielleicht ist es ja ein Segment eines<br />
<strong>Torpedo</strong>s, diese haben eine ähnliche Form und einen Durchmesser von 53 cm.<br />
Auch die Details, die auf druckdichte Verbindungen hindeuteten, wären somit<br />
geklärt. Oli schickte mir darauf technische Zeichnungen, und tatsächlich, viele<br />
Details konnten <strong>im</strong> Abgleich mit den Photos den Verdacht erhärten: Wie auch<br />
<strong>im</strong>mer das in den Wirren des 2. Weltkriegs geschehen sein mag, ein <strong>Torpedo</strong>teil<br />
hat sich in den <strong>Starnberger</strong> <strong>See</strong> verirrt. Die rote Farbe würde auf einen vermutlich<br />
ungefährlichen Übungstorpedo hinweisen, von Tests <strong>im</strong> <strong>Starnberger</strong> <strong>See</strong> war aber<br />
nichts bekannt. Ein scharfer <strong>Torpedo</strong> dieses Typs könnte in seinem Gefechtskopf<br />
jedoch bis zu 300 kg Sprengstoff haben und diese Sprengkraft stellt natürlich eine<br />
gewisse Bedrohung dar. Die Gefährdung bestand aus meiner Sicht weniger für<br />
Taucher, da diese Stelle normalerweise sonst nie betaucht wird, ankernde Yachten<br />
könnten aber eventuell eine Explosion auslösen, die ursprünglich dazu best<strong>im</strong>mt<br />
war, große Fracht- oder Kriegsschiffe zu versenken. Ich habe daraufhin den Fund<br />
und den "<strong>Torpedo</strong>verdacht" bei der Polizei gemeldet und meine Photos zur Prüfung<br />
überlassen. Die Aufnahmen waren vor 5 Jahren bei schlechten Sichtverhaltnissen<br />
entstanden, und der Gefechtskopf stark sed<strong>im</strong>entiert. Die Photos zeigen die offene<br />
Rückwand des <strong>Torpedo</strong>segments, und Details der Oberseite.<br />
Technische Zeichnung des "Zaunkönig" T5 Gefechtskopfes Übersicht der Photos<br />
4. Blick auf den Zaunkönig<br />
1. Blick auf die offene Rückseite<br />
2. <strong>Der</strong> Pistolenschacht<br />
3. Verschraubung des Kopfes und Schild
Die erste Einschätzung der Behörden anhand meiner Photos st<strong>im</strong>mte mit meiner ersten Einschätzung von 2003 überein:<br />
"Vermutlich Mülle<strong>im</strong>er", also Schrott. Trotzdem bat mich der Polizeichef von Starnberg, gemeinsam mit dem Boot der<br />
Wasserschutzpolizei zur Fundstelle zu fahren und diese mit GPS einzumessen, um den Fund gegebenenfalls später weiter<br />
untersuchen zu lassen. Bei diesem Tauchgang haben wir nach 30 Minuten Suche die Stelle wiedergefunden. Zuerst<br />
wurden aus sicherer Entfernung bei diesmal besseren Sichtverhältnissen (und mit besserer Ausrüstung wie 2003) einige<br />
Photos und Videoaufnahmen (Marcus Thier) gemacht. Durch die Ausleuchtung mit mehreren Lampen konnte der<br />
Gefechtskopf diesmal <strong>im</strong> Ganzen aufgenommen werden. Auf diesen Bildern war zu erkennen: <strong>Der</strong> "Mülle<strong>im</strong>er" hat eine<br />
abgerundete Spitze an seinem anderen Ende. Nach den Aufnahmen habe ich mit dem Reel und einer Dekoboje unsere<br />
Position an die Wasserschutzpolizei <strong>im</strong> Boot "übermittelt". Kopien des dabei entstandenen Photo und Videomaterials<br />
wurden der Polizei übergeben und erneut begutachtet. Dieses Material in Kombination mit den Detailphotos aus 2003<br />
war eindeutig: Es ist ein <strong>Torpedo</strong>. Nach Einschätzung der Behörden könne es sich um einen Übungskopf mit einer<br />
Ladung von 20 kg Sprengstoff handeln. Ob er nun ungefährlich, nur "Übungs-scharf" (20 kg) oder Richtig scharf (300<br />
kg) war, konnte aber nicht mit Sicherheit best<strong>im</strong>mt werden, daher wurde beschlossen, den <strong>Torpedo</strong> aus<br />
Sicherheitsgründen unschädlich zu machen. Dies bedeutete eine aufwendige Sprengung vor Ort und Unterwasser. <strong>Der</strong><br />
Termin dazu wurde für den Mittwoch, 14.09.2008 festgelegt und ich wurde nachdrücklich gebeten, in den Tagen bis zur<br />
erfolgreichen Sprengung keine Informationen herauszugeben. Am Mittwoch morgen wurde dann der gesamte Bereich<br />
nördlich der Roseninsel für die Schiffart gesperrt, tauchen und Baden in diesem Bereich verboten. 200 Polizisten sperrten<br />
die öffentlich zugängigen Stege und Badegebiete. Wasserwacht, DLRG und ein Hubschrauber sicherten den <strong>See</strong>. Die<br />
Arbeiten begannen am morgen, doch konnten die zur Suche und Anbringung der Sprengladung eingesetzten Taucher bis<br />
zum Mittag den <strong>Torpedo</strong> nicht finden. Aus rechtlichen Gründen konnten diese Aufgaben nur durch spezielle<br />
Arbeitstaucher ausgeführt werden, die Erfahrung mit militärischen Gerät und Sprengstoff haben. Diese Taucher hatten<br />
aber den Nachteil ihrer Arbeitstauchausrüstung: Schlauchgebunden und mit<br />
Helm. Das bedeutet in der Praxis <strong>im</strong> <strong>Starnberger</strong> <strong>See</strong>: Statt wie ein<br />
"Sporttaucher" 2-3 Meter über dem Grund zu tauchen um ohne Sed<strong>im</strong>ent<br />
aufzuwirbeln großflächig suchen zu können, "läuft" man mit dieser Ausrüstung<br />
mit seiner Schlauchversorgung durch den weichen Grund, begleitet von einer<br />
riesigen Sed<strong>im</strong>entwolke. Auf diese Weise kann man mehrmals 1 Meter neben<br />
dem <strong>Torpedo</strong> vorbeilaufen, ohne diesen dabei zu bemerken, die Suche könnte<br />
also noch lange dauern. Die Sprengung war aber für 15:00h, die<br />
Pressekonferenz für 17:00h geplant, und ich wurde von der Einsatzleitung<br />
gebeten, die Taucher vor Ort zu unterstützen, allerdings nur Überwasser vom<br />
Boot aus. <strong>Der</strong> <strong>See</strong>grund ist an dieser Stelle sehr eben und einheitlich, in der<br />
näheren Umgebung des <strong>Torpedo</strong>s gab es neben der Tiefe nur zwei unscheinbare<br />
Orientierungshilfen. Über die Sprechverbindung hatte ich dann versucht, bei<br />
einem Tauchgang den Taucher anhand dieser Punkte und seiner Beschreibung<br />
der gesichteten Gegenstände zum Fundort zu leiten. Bis zu Beginn der<br />
Pressekonferenz, sah es so aus, als währe der Einsatz gescheitert, der <strong>Torpedo</strong><br />
war <strong>im</strong>mer noch nicht nicht gefunden worden. Ich habe in Berg das Polizeiboot<br />
verlassen, und wollte mich gerade entfernen, um eine Pressekonferenz mit<br />
diesem Ergebnis nicht miterleben zu müssen. Dann kam endlich die für die<br />
Einsatzleitung und alle Beteiligten erlösende Nachricht: Er wurde nun endlich<br />
gefunden und eine Ladung mit 7,5 kg Explosivstoff soll nun am <strong>Torpedo</strong><br />
angebracht werden. Die Sprengung wurde nach einer weiteren Verschiebung für<br />
19:30h angekündigt. Unter diesen Bedingungen musste ich natürlich dann doch<br />
noch am <strong>See</strong> bleiben. Gegen 19:35h war es dann soweit: Das Polizeiboot ging<br />
auf Abstand, der Hubschrauber sicherte wieder den <strong>See</strong>. Erst wurden einige<br />
kleine Sprengungen ausgelöst, um möglichst viele Fische zu vertreiben. Dann<br />
folgte die eigentliche Explosion. <strong>Der</strong> Steg wackelt <strong>im</strong> 1,5 km entfernten Berg am<br />
Ostufer, eine Wassersäule steigt ca. 15m hoch aus dem <strong>See</strong>. Bei der<br />
eingesetzten Menge von 7,5 kg Sprengstoff und dieser Wassertiefe war gar<br />
keine sichtbare Wassersäule erwartet worden. Aufgrund der Höhe der<br />
Wassersäule wird daher angenommen, dass der <strong>Torpedo</strong>gefechtskopf scharf war<br />
und mit mindestens 20 kg Explosivstoff gefüllt war. Dies wurde mir heute auch<br />
von anderer Seite bestätigt, die Sprengkraft könnte demnach sogar noch<br />
deutlich höher gewesen sein. Das war das Ende der <strong>Torpedo</strong>s, wie er aber<br />
überhaupt in den <strong>See</strong> gekommen sein mag, bleibt vorläufig ungeklärt.<br />
Markierung des <strong>Torpedo</strong>s mit einer Boje<br />
Polizei und Taucher am Fundort<br />
Hubschrauber sichert den <strong>See</strong><br />
Die Wassersäule nach der Sprengung<br />
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Lino von Gartzen/abtauchen.com