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Um Himmels Willen Sein Leben im Kloster verbringen?

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<strong>Um</strong> <strong>H<strong>im</strong>mels</strong> <strong>Willen</strong><br />

<strong>Sein</strong> <strong>Leben</strong> <strong>im</strong> <strong>Kloster</strong> <strong>verbringen</strong>? Ordensleute berichten<br />

Ein <strong>Leben</strong> <strong>im</strong> Orden ist für viele<br />

Menschen schwer vorstellbar.<br />

Man denkt an Entsagung und<br />

strenge Disziplin hinter <strong>Kloster</strong>mauern.<br />

Vorurteile gibt es viele. Was also bewegt<br />

Ordensleute, ihr <strong>Leben</strong> Gott zu<br />

weihen? Britta Ellerkamp sprach mit<br />

zwei Ordensschwestern und einem<br />

-bruder unterschiedlicher katholischer<br />

Gemeinschaften über das „Gehe<strong>im</strong>nis“<br />

ihrer Berufung und über Zukunftsperspektiven.<br />

Berufung, was ist das für Sie: Eine<br />

plötzliche Eingebung oder ein Gefühl,<br />

das sich langsam entwickelt?<br />

Schwester Pia: Jeder erlebt seine<br />

Berufung anders. Es gibt nicht „die“<br />

Berufung – und nicht <strong>im</strong>mer muss sie<br />

einen religiösen Hintergrund haben. Ein<br />

Arzt z. B. kann sich auch berufen<br />

fühlen, anderen Menschen zu helfen.<br />

Ich war <strong>im</strong>mer auf der Suche nach dem<br />

Sinn des <strong>Leben</strong>s. Zum Glauben hatte<br />

ich <strong>im</strong>mer einen Bezug, vielleicht weil<br />

ich aus einem katholischen Elternhaus<br />

komme. Es gab so etwas wie eine<br />

Sehnsucht nach Gott. Als ich dann zu<br />

Besuch <strong>im</strong> <strong>Kloster</strong> der Klarissen war,<br />

hatte ich die innere Gewissheit, dass<br />

ich „zu Hause“ war. Mein Wille und<br />

Gefühl haben übereingest<strong>im</strong>mt.<br />

Bruder Kamillus: Bei mir hat sich das<br />

langsam entwickelt, ich hatte anfangs<br />

Entscheidungsschwierigkeiten. Der<br />

Pfarrer meiner He<strong>im</strong>atgemeinde, der<br />

mich gut kannte, riet mir, einige Jahre<br />

zu warten. Vielleicht hatte er Sorge,<br />

dass ich als echter Karnevalist vorschnelle<br />

Entscheidungen treffe. Ein<br />

Besuch bei den Alexianern in Aachen<br />

hat mir gezeigt, dass ich bleiben wollte.<br />

Die Arbeit in einem aktiven Orden ist<br />

genau das Richtige für mich.<br />

Schwester Sabine: Ein <strong>Leben</strong> <strong>im</strong><br />

Orden? Das konnte ich mir früher nicht<br />

vorstellen. Aber es gab auch meine<br />

ständige Sehnsucht nach Erfüllung und<br />

Verwirklichung. Dann bei einer Jugendwallfahrt,<br />

wusste ich es. Ich lernte hier<br />

eine andere Kirche als die traditionelle<br />

kennen, das hat mich überwältigt. Es<br />

20<br />

ORDENTLICHES<br />

Zur Person:<br />

Bruder Kamillus (70) ist gelernter<br />

Einzelhandelskaufmann und trat<br />

1961 in den Alexianer-Orden<br />

ein. Hier erlernte er den<br />

Beruf des Krankenpflegers.<br />

Er war seither in fast allen<br />

Einrichtungen der Alexianer<br />

in Deutschland tätig. Seit<br />

rund zehn Jahren arbeitet er<br />

auf einer geschützten Station<br />

für psychisch kranke<br />

Menschen <strong>im</strong> Alexianer-<br />

Krankenhaus Aachen.<br />

war das erste Mal, dass ich einen Gott<br />

erlebte, der mich persönlich ansprach.<br />

Ich habe mich aus innerer Überzeugung<br />

entschieden, und bei Verbum Dei<br />

hat mich der <strong>Leben</strong>sstil der Gemeinschaft<br />

angesprochen.<br />

Das klösterliche <strong>Leben</strong> ist vielen<br />

Menschen suspekt. Sind die Gelübde<br />

der Armut, des Gehorsams<br />

und der Keuschheit noch zeitgemäß?<br />

Sr. Pia: Die Gelübde sind ein Gegenpol<br />

zur modernen Zeit. Wir sind bewusst<br />

nicht dem Zeitgeist verpflichtet und<br />

brauchen uns keinem Modediktat<br />

unterwerfen. Wir stehen nicht unter<br />

Druck und haben uns selbstverantwortlich<br />

entschieden, auf das Wort<br />

Gottes zu hören. Und zum Thema<br />

Keuschheit: Warum muss sich Sexualität<br />

<strong>im</strong>mer nur auf das Genitale beschränken?<br />

Sexualität <strong>im</strong> weiteren<br />

Sinne ist eine enorme schöpferische<br />

Kraft, die ich in meine Berufung einbringen<br />

kann.<br />

Sr. Sabine: Wir werden oft bemitleidet,<br />

weil wir keine Familie wie andere<br />

haben. Aber wir leben in familienähnlicher<br />

Gemeinschaft – und das <strong>im</strong><br />

Dialog, nicht <strong>im</strong> autoritären Gehorsam.<br />

Br. Kamillus: Das Gelübde macht frei.<br />

Im Evangelium heißt es: „Die Wahrheit<br />

wird euch frei machen.“ Die Menschen<br />

„draußen“ müssen oft gehorsamer<br />

sein als wir. Denken Sie mal an<br />

die ganzen Verpflichtungen, z. B. in<br />

einer Partnerschaft oder an der Arbeitsstelle.<br />

Die Zahl der Ordenseintritte ist in<br />

den letzten zehn Jahren stark<br />

zurückgegangen. Fühlen sich heute<br />

weniger Menschen berufen als<br />

früher?<br />

Br. Kamillus: Einerseits gibt es natürlich<br />

einen starken Geburtenrückgang. Andererseits<br />

hören die Menschen heute<br />

weniger auf das Wort Gottes.<br />

Sr. Sabine: Das sehe ich anders. Viele<br />

Menschen würden sich vielleicht<br />

berufen fühlen, aber es gibt zu wenig<br />

Räume, seinen Glauben zu leben. Wir<br />

brauchen mehr Menschen, die andere<br />

begeistern und Berufung wecken<br />

können.


Sr. Pia: Das st<strong>im</strong>mt. Auch die Orden<br />

müssen offen sein. Auch wenn unser<br />

Charisma das Gebet ist und wir als<br />

Orden zurückgezogen leben, sind uns<br />

Begegnungen mit anderen Menschen<br />

wichtig. Es gibt heute oft eine kritische<br />

Distanz zur Kirche, und es gibt für<br />

junge Menschen wenig Ermutigung,<br />

diesen Weg zu gehen.<br />

In Deutschland gibt es zurzeit rund<br />

28.000 Ordensfrauen, aber nur etwa<br />

5.000 Ordensmänner. Sind Frauen<br />

das stärkere Geschlecht?<br />

Br. Kamillus: Sie haben die Männer<br />

vergessen, die sich für das Weltpriestertum<br />

entscheiden.<br />

Sr. Pia: Trotzdem gibt es noch andere<br />

Gründe. Früher sind Frauen zum Teil<br />

auch ins <strong>Kloster</strong> gegangen, wenn sie<br />

sich nicht für Heirat und Kinder entschieden<br />

haben. Es waren oft Frauen,<br />

die „mehr“ <strong>im</strong> <strong>Leben</strong> wollten. Und<br />

eine soziale Ausbildung haben sie nur<br />

bekommen, wenn sie in einen Orden<br />

eintraten. Das schließt eine Berufung<br />

nicht aus. Frauen sollten in der Kirche<br />

gestärkt werden und mehr Verantwortung<br />

bekommen, auch bei Ordensentscheidungen.<br />

Trotz zunehmender Kirchenaustritte<br />

werden be<strong>im</strong> Weltjugendtag <strong>im</strong><br />

Sommer Millionen Besucher erwartet.<br />

Wie passt das zusammen?<br />

Sr. Sabine: Viele junge Leute sind auf<br />

der Suche nach Geborgenheit und<br />

Identität. Leider gehen <strong>im</strong>mer mehr<br />

Familien in die Brüche. Hier erleben<br />

Jugendliche Gemeinschaft, so etwas<br />

wie ein Gefühl von Familie.<br />

ORDENTLICHES<br />

Zur Person:<br />

Schwester Sabine (32) studierte Theologie und Englisch.<br />

Seit 1996 ist sie Missionarin in der Gemeinschaft<br />

„Verbum Dei“ in Senden (Münsterland). Exerzitien,<br />

Besinnungstage, geistliche Seminare und Jugendarbeit<br />

sind Schwerpunkte der familienähnlichen Gemeinschaft.<br />

Neben Geistlichen und Theologen (Missionarinnen und<br />

Missionaren) gehören auch missionarische Ehepaare zur<br />

Gemeinschaft. Zudem können sich auch Personen, die<br />

ein bürgerliches <strong>Leben</strong> führen, Verbum Dei anschließen.<br />

Zur Person:<br />

Schwester Pia (53) studierte<br />

Diplom-Pädagogik und trat<br />

1974 in den Orden der<br />

Klarissen-Kapuzinerinnen ein.<br />

Als Äbtissin lebt sie mit 22<br />

Schwestern <strong>im</strong> <strong>Kloster</strong> St. Klara<br />

in Senden. Das einfache <strong>Leben</strong><br />

und die Berufung zum Gebet<br />

sind bezeichnend für diesen<br />

kontemplativen (beschaulichen)<br />

Orden. Die Ordensgemeinschaft<br />

lebt von Almosen.<br />

Sr. Pia: Außerdem können die Jugendlichen<br />

ohne Scham über ihren Glauben<br />

und ihre Zweifel sprechen. Das können<br />

sie in der Schule nicht <strong>im</strong>mer. Das<br />

Angebot des Weltjugendtages ist groß,<br />

und die Jugendlichen können frei<br />

entscheiden, was ihnen wichtig ist.<br />

Der Wunsch nach Spiritualität und<br />

Selbstverwirklichung n<strong>im</strong>mt heute<br />

zu. Das Angebot ist groß: Exerzitien<br />

für gestresste Manager, Power-<br />

Yoga... Findet „Berufung“ auf<br />

anderen Ebenen statt?<br />

Sr. Pia: Nein, denn dabei suche ich<br />

nicht Gott, ein persönliches Du,<br />

sondern mich selbst. Andererseits:<br />

Gott ist überall und kann einen<br />

Menschen auch überall „erwischen“,<br />

solange er offen ist und Suchender<br />

bleibt.<br />

Br. Kamillus: Das Wort Selbstverwirklichung<br />

kann ich nicht leiden. Im<br />

Ordensleben geht es mehr um Selbstverleugnung.<br />

Ein Beispiel: Ich sitze<br />

gerade am Schreibtisch, und dann<br />

bekomme ich einen Anruf, dass ich auf<br />

der Station gebraucht werde. Die Büroarbeit<br />

kann dann liegen bleiben, der<br />

Kontakt mit den Menschen ist wichtiger.<br />

Sich auf das Wesentliche zu<br />

konzentrieren, das ist für mich Erfüllung.<br />

Sr. Sabine: Trotzdem finde ich es<br />

legit<strong>im</strong>, wenn Menschen ihre Spiritualität<br />

anders leben. Das zeigt ein<br />

großes Bedürfnis nach innerer Ruhe in<br />

einer hektischen Gesellschaft. Natürlich<br />

hat der Wunsch nach Wellness<br />

eine andere Motivation als die Berufung<br />

zu einem gottgeweihten <strong>Leben</strong>.<br />

Aber es geht nicht um eine Wertung.<br />

Eine Berufung ist allerdings mehr als<br />

Selbstverwirklichung. Sie ist das Hören<br />

auf Gott.<br />

21

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