Abstellplätze im Strassenabstand - Bau-, Verkehrs

Abstellplätze im Strassenabstand
Heidi Wiestner, Fürsprecherin, Vorsteherin des Rechtsamtes der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion
Abstellplätze im Strassenabstand benötigen eine Ausnahmebewilligung nach Art. 81 Strassengesetz.
Das Ausnahmegesuch muss publiziert werden. Das geht häufig im Baubewilligungsverfahren
vergessen; dies wohl auch wegen einer missverständlichen Aussage im Protokoll
des KPG Seminars vom 25. März 2011 über Abstellplätze.
Ausnahmebewilligung statt Zustimmung
Nach dem bis Ende 2008 geltenden Strassenbaugesetz 1 genügte für den Bau von Parkplätzen
im Strassenabstand die Zustimmung der zuständigen Strassenaufsichtsbehörde, bei
Gemeindestrassen die Zustimmung der zuständige Stelle der Gemeinde, bei Kantonsstrassen
die Zustimmung des Tiefbauamtes des Kantons Bern. Eine Ausnahmebewilligung war
nicht nötig. 2 Mit dem neuen Strassengesetz (SG 3 ) wurde der Bau von Bauten und Anlagen
im Strassenabstand neu geregelt. Wie bisher gilt ein Strassenabstand von fünf Meter gegenüber
Kantonsstrassen und 3,60 Meter gegenüber Gemeindestrassen und Privatstrassen im
Gemeingebrauch. Das Instrument der Zustimmung wurde aber abgeschafft. Der Regierungsrat
hat stattdessen die Kompetenz erhalten, für bestimmte Bauten und Anlagen einen geringeren
Abstand festzulegen, was er in Art. 56-58 Strassenverordnung 4 für Einfriedungen,
Zäune und Strassenreklamen getan hat. Auch die Gemeinden können gegenüber Gemeindestrassen
und Privatstrassen im Gemeingebrauch andere Abstände vorschreiben (Art. 80
Abs. 1 SG und Art. 59 SV). Für Abstellplätze legt die SV keine geringeren Abstände fest; sie
müssen also gegenüber Kantonsstrassen 5 Meter Abstand einhalten und gegenüber Gemeindestrassen
und Privatstrassen im Gemeingebrauch 3,60 Meter, soweit die Gemeinde
nicht geringer Abstände festgelegt hat. Soll dieser Strassenabstand unterschritten werden,
so ist dafür eine Ausnahmenbewilligung der zuständigen Strassenaufsichtsbehörde nach
Art. 81 SG nötig.
Ausnahmebewilligung für Kleinbauten
Einzelne Abstellplätze gelten in der Regel als Kleinbauten und benötigen nur eine erleichterte
Ausnahmebewilligung nach Art. 81 Abs. 2 SG in Verbindung mit Art. 28 BauG 5 .
Gemäss Art. 28 Abs. 1 BauG kann die Erstellung kleiner und leicht entfernbarer Bauten und
Anlagen in Abweichung von Bauvorschriften, namentlich auch von Baulinien, auf Zusehen
hin bewilligt werden, wenn der Bauherr ein genügendes Interesse nachweist und weder öffentliche
noch nachbarliche Interessen beeinträchtigt werden und bei Bauten an Gewässern
oder Wald die dafür zuständige Behörde zugestimmt hat. Art. 28 BauG setzt ein genügendes
Interesse des Bauherrn voraus. Ein genügendes Interesse liegt dann vor, wenn die Einhaltung
der Vorschrift zu einer für die Bauherrschaft unzweckmässigen Lösung führen würde. 6
1 Gesetz vom 2. Februar 1964 über Bau und Unterhalt der Strassen (Strassenbaugesetz, SBG)
2 Aldo Zaugg/Peter Ludwig, Kommentar zum Baugesetz des Kantons Bern, 3. Aufl., Band I,
Bern 2007, Art. 12 N. 17; VGE 110.2009.280/281 vom 19.01.2010 E. 3.3
3 Strassengesetz vom 4. Juni 2008 (SG; BSG 732.11)
4 Strassenverordnung vom 29. Oktober 2008 (SV; BSG 732.111.1)
5 Baugesetz vom 9. Juni 1985 (BauG; BSG 721.0)
6 Aldo Zaugg/Peter Ludwig, Kommentar zum Baugesetz des Kantons Bern, 3. Aufl., Band I,
Bern 2007, Art. 28 N. 3

Kleine und leicht entfernbare Bauten und Anlagen im Sinne von Art. 28 BauG sind solche,
deren Entfernung ohne grösseren Aufwand und erhebliche Nachteile möglich ist. Als klein
können Bauten gelten, die die Dimension gemäss Art. 12 Abs. 3 NBRD 7 nicht wesentlich
überschreiten (Grundfläche 60 m 2 , Höhe 4 m). Leicht entfernbar sind Bauten, die ohne besonderen
Aufwand beseitigt werden können, also nicht fest mit dem Boden verbunden sind,
oder deren Fundament nötigenfalls ohne Schwierigkeiten beseitigt oder ohne Nachteil im
Boden belassen werden kann. 8
Die „Erleichterung“ bei der Ausnahme nach Art. 81 Abs. 2 SG in Verbindung mit Art. 28
BauG besteht darin, dass keine besonderen Verhältnisse nachgewiesen werden müssen,
wie dies bei der Ausnahmebewilligung nach Art. 81 Abs. 1 SG und Art. 26 BauG nötig ist.
Publikation der Ausnahme
Baugesuche für Bauvorhaben, für die eine ordentliche Baubewilligung nach Art. 32a BauG
nötig ist, müssen publiziert werden. Die Veröffentlichung enthält die für das Bauvorhaben
beanspruchte Ausnahmen (Art. 26 Abs. 3 Bst. e BewD 9 ). Hier unterscheidet sich die Ausnahmebewilligung
für Kleinbauten nach Art. 81 Abs. 2 SG und Art. 28 BauG nicht von der
Ausnahmebewilligung nach Art. 81 Abs. 1 SG und Art. 26 BauG.
Eine Publikation ist nur dann nicht nötig, wenn ein Bauvorhaben im Verfahren der kleinen
Baubewilligung bewilligt werden kann, also die Voraussetzungen von Art. 27 BewD gegeben
sind. Bei Abstellplätzen ist das wohl selten der Fall. In der Regel werden sie zusammen mit
der Hauptbaute bewilligt und häufig stellen sich Fragen der Verkehrssicherheit.
Zuständigkeit für Erteilung der Ausnahmebewilligung
Die Ausnahmebewilligung nach Art. 81 SG erteilt die zuständige Strassenaufsichtsbehörde.
Bei Kantonsstrassen ist das das Tiefbauamt des Kantons Bern. Im koordinierten Verfahren
holt die Baubewilligungsbehörde den Amtsbericht des Tiefbauamtes ein. Bei Gemeindestrassen
erteilt die zuständige Stelle der Gemeinde die Ausnahmebewilligung. Im
koordinierten Verfahren holt die Baubewilligungsbehörde den Amtsbericht der zuständigen
Stelle der Gemeinde ein.
Ist eine kleine Gemeinde Baubewilligungsbehörde, so holt sie die Ausnahmebewilligung der
zuständigen Strassenaufsichtsbehörde ein und eröffnet diese zusammen mit dem Bauentscheid
(Art. 2a Abs. 2 i.V. mit Art. 39 Abs. 2 BauG). Ein Amtsbericht des Regierungsstatthalters
nach Art. 9 Abs. 4 BewD zur Ausnahme vom Strassenabstand gegenüber Gemeindestrassen
und Privatstrassen im Gemeingebrauch ist nicht nötig. Der Strassenabstand gegenüber
Gemeindestrassen wird zwar im Strassengesetz und damit einem kantonalen Erlass
geregelt. Dies aber nur subsidär, d.h. wenn und so lange die Gemeinde keine eigenen
Abstände festlegt (Art. 59 SV). Der Kanton hat kein übergeordnetes Interesse an der Kontrolle
von Ausnahmebewilligungen nach Art. 81 SG bei Gemeindestrassen und Privatstrassen
im Gemeingebrauch. Auch ein Amtsbericht des Regierungsstatthalters nach Art. 9 Abs. 4
BewD zur Ausnahme vom Strassenabstand gegenüber Kantonsstrassen entfällt. Die kantonalen
Interessen nimmt das Tiefbauamt wahr, das über die Ausnahme entscheidet.
7
Dekret vom 10. Februar 1970 über das Normalbaureglement (NBRD; BSG 723.13)
8
Aldo Zaugg/Peter Ludwig, Kommentar zum Baugesetz des Kantons Bern, 3. Aufl., Band I,
Bern 2007, Art. 28 N. 2
9
Dekret vom 22. März 1994 über das Baubewilligungsverfahren (Baubewilligungsdekret, BewD; BSG
725.1)

Lichtraumprofil
Auch wenn der Strassenabstand mit einer Ausnahmebewilligung unterschritten werden darf,
so haben Abstellplätze in jedem Fall das Lichtraumprofil, d.h. einen Abstand vom Fahrbahnrand
von 0,50 Meter, einzuhalten (Art. 83 Abs. 3 SG). Das neue Recht ist hier strenger als
das SBG: Nach diesem musste das Lichtraumprofil nur „in der Regel“ eingehalten werden
(Art. 68 Abs. 1 SBG).