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1. Lösung_LH München_Phase I_Ziel AL II

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Übungsaufgaben<br />

Einführungslehrgang – Verwaltung<br />

für die <strong>LH</strong> <strong>München</strong> - <strong>Ziel</strong> <strong>AL</strong> <strong>II</strong><br />

I. <strong>Phase</strong> 2009<br />

Anleitung zur <strong>Lösung</strong> – Aufgabe I.1<br />

Hausarbeit<br />

Allgemeine Rechtskunde<br />

I.<br />

Zu <strong>1.</strong>:<br />

Unter einer Rechtsquelle versteht man die Entstehungsursache der Rechtsnorm (in der Regel ein<br />

hoheitlicher menschlicher Willensakt) und zugleich die durch die Entstehungsursache gekennzeichnete<br />

Erscheinungsform des Rechts (geschriebenes oder ungeschriebenes Recht). Aus<br />

Rechtquellen entspringen Rechtssätze, also abstrakt-generelle Regelungen (Regelungen für eine<br />

unbestimmte Vielzahl von Fällen gegenüber einer unbestimmten Vielzahl von Personen) mit Außenwirkung.<br />

Zu 2.:<br />

Das BauGB und die RSV sind Bundesrecht; sie sind im BGBl veröffentlicht worden (vgl. Art. 82<br />

Abs. 1 GG).<br />

Das BayVwVfG ist Landesrecht; es ist im GVBl veröffentlicht worden (vgl. Art. 76 Abs.1 BV).<br />

Zu 3.:<br />

Gesetz im formellen Sinn ist jeder in einem verfassungsmäßigen förmlichen Gesetzgebungsverfahren<br />

zustande gekommene Willensakt der Gesetzgebungsorgane.<br />

Das BauGB hat der Bundestag in einem förmlichen Gesetzgebungsverfahren nach dem GG (vgl.<br />

Art. 70 ff. GG), das BayVwVfG der Landtag in einem förmlichen Gesetzgebungsverfahren nach der<br />

BV (vgl. Art. 70 ff. BV) erlassen; beide sind somit formelle Gesetze.<br />

Die RSV ist nicht von der Legislative, sondern von der Exekutive, dem Bundesministerium für Gesundheit<br />

und Soziale Sicherung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen und<br />

dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit erlassen worden. Die RSV ist somit kein formelles<br />

Gesetz.<br />

Ein Gesetz im materiellen Sinn ist jede abstrakt-generelle Regelung mit Außenwirkung.<br />

Beispielsweise regelt die RSV Inhalt und Aufbau der Regelsätze (§§ 2,3 RSV), das BayVwVfG den<br />

Begriff des Verwaltungsakts (Art. 35 Satz 1 BayVwVfG) und das BauGB die Zulässigkeit von Vorhaben<br />

im Außenbereich (§ 35 BauGB). Allesamt enthalten somit Regelungen, die losgelöst vom<br />

Einzelfall für jedermann verbindlich sind und sind damit Gesetze im materiellen Sinn.<br />

Zu 4.:<br />

Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung in Art. 20 Abs. 3 GG schreibt die Bindung der<br />

Exekutive an Gesetz und Recht vor; daher ist die RSV als Verordnung auf Bundesebene rangniedriger<br />

als das BauGB (formelles Bundesgesetz). Dass das gesamte Bundesrecht höherrangig ist als<br />

das gesamte Landesrecht, folgt aus Art. 31 GG, wonach Bundesrecht Landesrecht bricht. Deshalb<br />

ist die RSV ranghöher als das BayVwVfG.


Zu 5.:<br />

Im Privatrecht, das jedermann berechtigt bzw. verpflichtet, werden die Rechtsbeziehungen der<br />

einzelnen Rechtssubjekte zueinander und zu ihrer Umwelt geregelt; Kennzeichen ist die Gleichordnung<br />

der einzelnen Rechtssubjekte.<br />

Das öffentliche Recht ist der Teil der Rechtsordnung, der die Rechtsverhältnisse regelt, die durch<br />

das Wirken der staatlichen Hoheitsgewalt bestimmt sind. Öffentliches Recht – das grundsätzlich<br />

durch ein Über- und Unterordnungsverhältnis gekennzeichnet ist – liegt immer dann vor, wenn<br />

notwendig mindestens ein Hoheitsträger gerade in seiner Eigenschaft als Hoheitsträger beteiligt<br />

ist.<br />

Beispielsweise regelt § 24 BauGB das allg. Vorkaufsrecht der Gemeinden. Darin zeigt sich die<br />

Unterordnung des Einzelnen unter das Gemeinwesen. Das BauGB gehört damit zum öffentlichen<br />

Recht.<br />

Die RSV unterwirft in § 3 Abs. 3 Ehegatten und Lebenspartner, die zusammen leben, der Regelung,<br />

dass sie nicht 100 % des Eckregelsatzes erhalten, sondern nur 90 %. Die RSV gehört daher<br />

ebenfalls zum öffentlichen Recht.<br />

Das BayVwVfG regelt in Art 80 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, dass der Widerspruchsführer die Kosten<br />

des Widerspruchsverfahrens zu tragen hat, wenn sein Widerspruch erfolglos geblieben ist; ihm<br />

wird somit die Kostenlast einseitig auferlegt. Ferner enthält das BayVwVfG z.B. Regelungen über<br />

die Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Verträge (vgl. Art. 54 ff. BayVwVfG). Da in diesen Verträgen<br />

öffentliche Aufgaben geregelt werden, handelt es sich trotz Gleichordnung um öffentliches Recht.<br />

Das BayVwVfG gehört damit ebenfalls zum öffentlichen Recht.<br />

Keine der genannten Rechtsquellen gehört somit zum Privatrecht; alle gehören zum öffentlichen<br />

Recht.<br />

Zu 6.:<br />

Durch Gerichtsurteil werden nur konkrete Einzelfälle geregelt. Sie wenden sich nur an die vor dem<br />

Gericht wegen einer bestimmten Streitigkeit stehenden Parteien. Die Judikative erlässt daher<br />

grundsätzlich keine Rechtsquellen. Es gibt jedoch Gerichtsentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts,<br />

der Landesverfassungsgerichte und der Oberverwaltungsgerichte (in Bayern: Bay.<br />

Verwaltungsgerichtshof), sog. Normenkontrollentscheidungen, die Rechtsquellen darstellen. Es<br />

handelt sich hierbei um Entscheidungen, durch welche die Rechtmäßigkeit einer Rechtsvorschrift<br />

bejaht oder verneint wird. Wird die Rechtmäßigkeit einer Rechtsvorschrift verneint, so ist sie ungültig.<br />

Logischerweise muss diese Entscheidung ebenso abstrakt-generell sein, wie die Rechtsvorschrift<br />

selbst.<br />

Zu 7.:<br />

Satzungen sind abgeleitete Rechtsquellen, wenn sie von juristischen Personen des öffentlichen<br />

Rechts auf Grund einer ihnen vom Staat verliehenen eigenen Rechtsetzungsgewalt (Satzungsbefugnis,<br />

Autonomie) zur Regelung ihrer eigenen (also nicht unmittelbar staatlicher) Angelegenheiten<br />

erlassen werden. Die Satzung des Vereins „Westheimer Kicker e.V.“ ist keine Rechtsquelle, weil<br />

der Verein als juristische Person des Privatrechts kein Hoheitsträger ist.<br />

<strong>II</strong>.<br />

Die Gemeinsamkeiten von Satzungen und Verordnungen bestehen darin, dass es sich jeweils um<br />

sog. abgeleitete Rechtssätze handelt, die von Organen der Exekutive erlassen werden.<br />

Satzungen und Verordnungen unterscheiden sich wie folgt voneinander:<br />

Satzungen werden aufgrund einer allgemeinen eigenen Rechtssetzungsgewalt (Satzungsautonomie)<br />

von nichtstaatlichen Stellen erlassen. Durch Satzungen regeln juristische Personen, denen<br />

ein Selbstverwaltungsrecht zusteht, ihre eigenen Angelegenheiten.<br />

Verordnungen werden demgegenüber aufgrund einer speziellen gesetzlichen Ermächtigung (Delegation)<br />

erlassen. Durch Verordnungen werden nicht eigene, sondern staatliche Angelegenheiten<br />

geregelt.<br />

Seite 2 von 5


<strong>II</strong>I.<br />

Zu <strong>1.</strong>:<br />

Ein Rechtssatz liegt vor, wenn eine Regelung allgemeinverbindlich ist und abstrakt-generell, also<br />

für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen und Personen gilt. So verhält es sich bei § 823 Abs. 1<br />

BGB. Vollständig ist eine Norm, wenn sie eingeteilt ist in Tatbestand und Rechtsfolge. Der Tatbestand<br />

ist die (abstrakte) Beschreibung der Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit die<br />

Rechtsfolge eintritt. Die Rechtsfolge ist die (abstrakte) Beschreibung dessen, was eintreten muss<br />

oder eintreten kann, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind. § 823 Abs. 1 BGB ist<br />

eine vollständige Rechtsvorschrift, denn wer widerrechtlich eines der in § 823 Abs. 1 BGB genannten<br />

Rechtsgüter eines anderen vorsätzlich oder fahrlässig verletzt (Tatbestand), ist dem anderen<br />

zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet (Rechtsfolge).<br />

Zu 2.:<br />

Manche Rechtssätze sind unabdingbar (zwingend), andere Rechtssätze lassen sich durch eine<br />

abweichende vertragliche Vereinbarung der Beteiligten „beiseite schieben“ (nachgiebiges Recht).<br />

Zwingendes Recht gilt stets dann, wenn der Schutz des Einzelnen oder wenn Gründe des öffentlichen<br />

Interesses die Beachtung bestimmter Rechtsvorschriften fordern.<br />

§ 823 Abs. 1 BGB ist dem nachgiebigen Recht (und nicht dem zwingenden Recht) zuzuordnen.<br />

Eine Abänderung durch die Beteiligten ist zulässig. Der Schutz des Einzelnen sowie Gründe des<br />

öffentlichen Interesses erfordern die Beachtung dieser Rechtsvorschrift entgegen dem Parteiwillen<br />

nicht.<br />

Zu 3.:<br />

Der Bearbeiter hat den Sachverhalt nicht unter die anzuwendende Rechtsvorschrift subsumiert.<br />

Unter Subsumtion versteht man die Unterordnung eines Sachverhalts unter den gesetzlichen Tatbestand<br />

einer Rechtsnorm mit dem <strong>Ziel</strong>, die Rechtsfolge festzustellen. Dazu ist der Tatbestand in<br />

seine einzelnen Merkmale (Tatbestandsmerkmale) zu zerlegen und dann festzustellen, ob sie für<br />

den Sachverhalt zutreffen. Der Bearbeiter der Klausur hat die einschlägige Norm lediglich (unvollständig)<br />

erwähnt und die Rechtsfolge angegeben. Es wäre aber seine Aufgabe gewesen, den<br />

Sachverhalt unter die einschlägige Norm unterzuordnen mit dem <strong>Ziel</strong>, die Rechtsfolge festzustellen.<br />

Zu 4.:<br />

Die Gemeinde Schlump könnte einen gesetzlichen Schadensersatzanspruch gegen Koller i.H.v.<br />

350 € wegen der beschädigten Türe nach § 823 Abs. 1 BGB haben.<br />

Dadurch dass Koller die Bürotüre zuschlug (haftungsbegründende Kausalität), ist eine Rechtsgutverletzung<br />

eingetreten, weil das Eigentum der Gemeinde, nämlich deren Bürotüre, beschädigt<br />

worden ist; der gläserne Türeinsatz ist in tausend Scherben zerbrochen. Dies geschah widerrechtlich,<br />

weil die (rechtmäßige) Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens natürlich keinen<br />

Rechtfertigungsgrund darstellt. Koller handelte auch fahrlässig, weil er die im Verkehr erforderliche<br />

Sorgfalt nicht beachtete (§ 276 Abs. 2 BGB), indem er die Türe mit zu großer Wucht zuschlug.<br />

Somit muss Koller der Gemeinde den daraus entstandenen Schaden, die Reparaturkosten i.H.v.<br />

350 € ersetzen (§§ 249 ff. BGB).<br />

Zu 5.:<br />

Die Streitigkeit über den Schadensersatzanspruch ist eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit die nach<br />

§ 13 GVG vor die ordentlichen Gerichte gehört. Bei einer Streitsumme von unter 350,- € ist nach<br />

§ 23 Nr. 1 GVG das Amtsgericht sachlich zuständig.<br />

Seite 3 von 5


IV.<br />

Recht im objektiven Sinn sind nicht nur ganze Gesetze, sondern auch dessen einzelne Vorschriften.<br />

Das subjektive Recht „entspringt“ dem objektiven Recht.<br />

Die Rechtsklarheit verlangt, dass Rechtsvorschriften möglichst klar und verständlich gefasst werden.<br />

Das Rückwirkungsverbot sichert, dass belastende Gesetze grundsätzlich nicht rückwirkend erlassen<br />

werden dürfen.<br />

Die ZPO ist Teil des öffentlichen Rechts.<br />

Das Strafrecht ist Teil des öffentlichen Rechts.<br />

Das BGB enthält weitgehend nachgiebiges Recht.<br />

§§ 104, 105 BGB sind zwingendes Recht.<br />

Kennzeichen des billigen Rechts sind unbestimmte Rechtsbegriffe.<br />

18. Lebensjahr“ ist ein bestimmter Rechtsbegriff.<br />

Vorrang des Gesetzes bedeutet „ kein Handeln gegen das Gesetz“.<br />

V.<br />

Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens nach § 47 VwGO vor dem Oberverwaltungsgericht<br />

(das nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 AGVwGO in Bayern die Bezeichnung „Bayerischer Verwaltungsgerichtshof“<br />

führt) können Satzungen, die nach den Vorschriften des BauGB erlassen worden sind,<br />

sowie Rechtsverordnungen auf Grund von § 246 Abs. 2 BauGB und andere im Range unter dem<br />

Landesgesetz stehende Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt, sein (vgl. § 47<br />

Abs. 1 VwGO, Art. 5 Satz 1 AGVwGO), bei deren Anwendung Streitigkeiten entstehen können, für<br />

die der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist (vgl. § 40 VwGO und den Passus „im Rahmen seiner<br />

Gerichtsbarkeit“ in § 47 Abs. 1 VwGO).<br />

Der Bebauungsplan der Gemeinde Schlump ist eine „Satzung, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuches<br />

erlassen worden ist“ (vgl. § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO und § 10 BauGB); er kann folglich<br />

Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens sein.<br />

Bei dem von der Gemeinde Schlump erlassenen Verbot ruhestörender Haus- und Gartenarbeiten<br />

handelt es sich um eine gemeindliche Verordnung im Sinne von Art. 14 BayImSchG. Solche Verordnungen<br />

sind Rechtsvorschriften im Range unter dem Landesgesetz (vgl. § 47 Abs. 1 Nr. 2<br />

VwGO), bei deren Anwendung Streitigkeiten entstehen können, für die der Verwaltungsrechtsweg<br />

gegeben ist. Da das Landesrecht dies nach Art. 5 Satz 1 AGVwGO auch so bestimmt, kann auch<br />

die Verordnung Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens nach § 47 VwGO sein.<br />

VI.<br />

Oft erweist sich die Subsumtion eines Sachverhaltes unter die einzelnen Tatbestandsmerkmale<br />

einer Rechtsnorm als schwierig. Dann muss das betreffende Tatbestandsmerkmal bzw. die Norm<br />

ausgelegt werden. <strong>Ziel</strong> der Auslegung ist, den Regelungsinhalt einer Norm, ihre Bedeutung und<br />

Reichweite zu ermitteln. Die teleologische Auslegung ermittelt den Inhalt einer Norm aus ihrem<br />

Sinn und Zweck.<br />

Eine Differenzierung zwischen Verordnungen und Satzungen macht hier keinen Sinn. Eine extensive<br />

Auslegung nach teleologischer Interpretation ergibt somit, dass Art. 98 Satz 4 BV - abweichend<br />

von seinem Wortlaut - nach seinem Sinn und Zweck auch Satzungen erfasst.<br />

Nach anderer Ansicht ist Art. 98 Satz 4 BV nach seinem eindeutigen Wortlaut nicht auslegungsfähig.<br />

Somit liegt eine Gesetzeslücke vor. Gesetzeslücken können u.a. durch Analogie ausgefüllt<br />

werden. Bei der Gesetzesanalogie wird eine Rechtsnorm auf einen ähnlichen, von der Rechtsnorm<br />

nicht erfassten Sachverhalt angewendet. Dabei wird die Rechtsfolge von einem im Gesetz geregelten<br />

Tatbestand auf einen im Gesetz nicht geregelten Tatbestand, der dem geregelten ähnlich<br />

ist, übertragen.<br />

Da die in Art. 98 Satz 4 BV nicht geregelte Satzung der Verordnung ähnlich ist, gilt Art. 98 Satz 4<br />

BV nach a.A. analog auch für Satzungen.<br />

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V<strong>II</strong>.<br />

Bei der Frage der Rückwirkung ist zunächst zwischen begünstigenden und belastenden Rechtssätzen<br />

zu unterscheiden. Begünstigende Rechtssätze können grundsätzlich rückwirkend erlassen<br />

werden. Bei unechter Rückwirkung bzw. tatbestandlicher Anknüpfung (Einwirkung auf Tatbestände,<br />

die zwar aus der Vergangenheit kommen, aber noch nicht abgeschlossen sind) ist die Waagschale<br />

zugunsten des Gesetzgebers vorbelastet; sie ist somit grundsätzlich zulässig. Belastende<br />

Rechtssätze mit echter Rückwirkung (nachträgliches Einwirken auf Tatbestände, die bereits in der<br />

Vergangenheit abgeschlossen wurden) sind hingegen wegen Verstoßes gegen das aus dem<br />

Rechtsstaatsprinzip herzuleitende Gebot der Rechtssicherheit unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes<br />

grundsätzlich nichtig. Dieser Grundsatz gilt ausnahmslos im Strafrecht (Art. 103 Abs. 2<br />

GG) und im Ordnungswidrigkeitenrecht (§ 3 OWiG). Bei sonstigen belastenden Rechtssätzen ist<br />

eine echte Rückwirkung ausnahmsweise dann zulässig, wenn die Belastung für den Bürger voraussehbar<br />

war, die geltende Rechtslage unklar und verworren war, der Bürger sich nicht auf den<br />

von einer ungültigen Norm erzeugten Rechtsschein verlassen durfte, zwingende Gründe des Allgemeinwohls<br />

die Rückwirkung rechtfertigen oder die Belastung im Einzelnen unbedeutend ist.<br />

Die Gebührenbescheide für das abgenommene Wasser aus der gemeindlichen Versorgungsanlage<br />

enthalten eine sog. „echte“ Rückwirkung für die Zeit vom <strong>1.</strong><strong>1.</strong>2009 bis 13.7.2009, weil für diese<br />

Zeit die Abgabensatzung nur die niedrigere Gebühr von <strong>1.</strong>40 € pro Kubikmeter verbrauchten Wassers<br />

vorsah. Die Rückwirkung ist hier jedoch zulässig, denn die nichtige Rechtsnorm (Abgabensatzung)<br />

wird durch eine gültige ersetzt. Das Vertrauen der Bürger ist in diesem Falle nicht geschützt,<br />

weil bereits 2008 eine – wenn auch nichtige – Satzung mit den erhöhten Gebühren vorhanden war,<br />

die Wasserabnehmer also mit der Erhöhung rechnen mussten.<br />

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