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Verwaltungsgerichtliches Verfahren - Bayerische Verwaltungsschule

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Kompetenz. Wissen. Erfolg.<br />

Verwaltungsgerichtsbarkeit<br />

n Widerspruchsverfahren<br />

n Widerspruchsbescheid<br />

n Klagearten<br />

n Klageverfahren<br />

n Gerichtliche Entscheidungen<br />

n Vorläufiger Rechtsschutz<br />

n Rechtsmittel<br />

n Exkurse zur Sozialgerichtsbarkeit<br />

Günter Hilg BAND 5


Ersteller<br />

Dr. Günter Hilg<br />

Abteilungsdirektor a. D., zuletzt tätig beim Bezirk Oberbayern<br />

Gegenreferent<br />

Ivo Moll<br />

Präsident des <strong>Bayerische</strong>n Verwaltungsgerichts Augsburg<br />

Mitglied des <strong>Bayerische</strong>n Verfassungsgerichtshofs<br />

Impressum<br />

Rechtsstand:<br />

15. Oktober 2010<br />

Herausgeber:<br />

<strong>Bayerische</strong> <strong>Verwaltungsschule</strong> (BVS), Ridlerstraße 75, 80339 München,<br />

Telefon 089/54057-0, info@bvs.de, www.bvs.de<br />

Konzept / Satz:<br />

Michael Bauer, BVS München – FIBO Lichtsatz GmbH, Unterhaching<br />

Ersteller / Impressum<br />

© 2010 BVS<br />

Jede Art der Vervielfältigung ohne schriftliche Genehmigung der BVS außerhalb der<br />

engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist gemäß § 106 Urheberrechtsgesetz<br />

verboten und kann strafrechtlich verfolgt werden.<br />

Bezugsquelle: Dieses Lehrbuch erscheint im Rahmen der Neuen Reihe der BVS.<br />

Weitere Information zu den Schriften der BVS und ein Bestellformular finden Sie im<br />

Internet unter www.bvs.de/schriften<br />

3


4<br />

Vorbemerkung<br />

Vorbemerkung<br />

Ein effektiver Rechtsschutz des Bürgers gegen das Handeln der Verwaltung<br />

zählt zu den unabdingbaren Voraussetzungen des modernen Rechtsstaates.<br />

Dementsprechend zählt das Verwaltungsprozessrecht zu den<br />

Kernmaterien des öffentlichen Rechts. Wegen des Aufbaus der meisten<br />

öffentlich-rechtlichen Fälle bietet es zudem das Grundgerüst der Methodik<br />

der Fallbearbeitung und verbindet so die einzelnen Teilgebiete des<br />

Verwaltungsrechts.<br />

Das Lehrbuch vermittelt schwerpunktmäßig einen Überblick über die<br />

Verwaltungsgerichtsbarkeit. Da das Widerspruchsverfahren in Bayern<br />

wegen Art. 15 AGVwGO derzeit erheblich an Bedeutung verloren hat –<br />

so ist in den meisten Rechtsgebieten wie dem Baurecht ein Widerspruch<br />

nicht mehr statthaft –, wird das Klageverfahren und der vorläufige Rechtsschutz<br />

vor dem Verwaltungsgericht besonders eingehend erörtert. Die<br />

Vertreter der Ausgangsbehörden einschließlich der Kommunen sind nunmehr<br />

in erster Linie gefordert. Die Vorbereitung und der Ablauf einer<br />

mündlichen Verhandlung sowie die ergehenden gerichtlichen Entscheidungen<br />

werden ausführlich dargestellt. Da jedoch das Widerspruchsverfahren<br />

nach wie vor für das Sozialrecht von großer Bedeutung ist, erfolgen<br />

Exkurse zur Sozialgerichtsbarkeit.<br />

Die vielen Beispiele nehmen – außer dem Bau-, Gewerbe- und Sicherheitsrecht<br />

– vor allem auf das Kommunalrecht mit Kommunalabgabenrecht<br />

und das Beamtenrecht (BeamtStG, BayBG n. F.) Bezug. Neben den<br />

in Bayern noch geltenden beamtenrechtlichen Vorschriften wie BBesG<br />

oder LbV wird auch auf das am 1. Januar 2011 in Kraft tretende Gesetz<br />

zum Neuen Dienstrecht in Bayern vom 05.08.2010 (GVBl S. 410), insbesondere<br />

auf das Leistungslaufbahngesetz hingewiesen. Es gibt allerdings<br />

Überlegungen, das Inkrafttreten des Gesetzes wegen der Haushaltslage<br />

um zwei Jahre zu verschieben; sicher ist: „Bayern spart an seinen Beamten“<br />

(siehe SZ vom 28.09.2010).<br />

Das Buch orientiert sich am Ablauf der prüfungsrelevanten Schritte bei<br />

der verwaltungsprozessualen Fallbearbeitung. Übersichten und Muster<br />

dienen der Veranschaulichung sowie praktische Beispiele zum besseren<br />

Verständnis des Lehrstoffs. In den Fußnoten finden sich Hinweise auf<br />

Literatur und Rechtsprechung sowie aktuelle Entscheidungen und Ereignisse,<br />

ferner zusätzliche Erläuterungen.<br />

Kontrollfragen am Ende sachlich zusammenhängender Erörterungen ermöglichen<br />

die Überprüfung des Gelernten. Die zugehörigen Antworten<br />

befinden sich im Anhang.


Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />

Inhalt .......................................................... 5<br />

Abkürzungen ..................................................... 12<br />

Schrifttumshinweise ............................................... 16<br />

Erstes Kapitel:<br />

Verwaltungsgerichtsbarkeit – Einführung .......................... 19<br />

1 Grundlagen und Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit . . . . . . 19<br />

1.1 Bindung und Kontrolle der Verwaltung ............................ 19<br />

1.2 Wesen der Verwaltungsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20<br />

1.3 Geschichtliche Entwicklung .................................... 20<br />

1.4 Aktuelle Probleme der Verwaltungsgerichtsbarkeit .................. 22<br />

2 Rechtsquellen und Vollzugsvorschriften ......................... 25<br />

Zweites Kapitel:<br />

Gerichtsverfassung, Verwaltungsrechtsweg, Klagearten und<br />

Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />

1 Aufbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit (§§ 1 bis 39) . . . . . . . . . . . . . . 27<br />

1.1 Gliederung der Verwaltungsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />

1.2 Dreistufigkeit des verwaltungsgerichtlichen <strong>Verfahren</strong>s ............... 27<br />

1.3 Zusammensetzung der Verwaltungsgerichte ....................... 28<br />

1.3.1 Verwaltungsgerichte .......................................... 28<br />

1.3.2 <strong>Bayerische</strong>r Verwaltungsgerichtshof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29<br />

1.3.3 Bundesverwaltungsgericht ..................................... 29<br />

1.4 Richter, Ausschließung und Ablehnung von Gerichtspersonen . . . . . . . . . 30<br />

1.4.1 Rechtsstellung der Richter ..................................... 30<br />

1.4.2 Ausschließung und Ablehnung von Gerichtspersonen ................ 30<br />

1.5 Geschäftsstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />

1.6 Vertreter des öffentlichen Interesses und<br />

Vertreter des Freistaates Bayern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />

1.7 Exkurs: Aufbau der Sozialgerichtsbarkeit .......................... 34<br />

Kontrollfragen ............................................... 35<br />

2 Zulässigkeit des Verwaltungsrechtsweges (§ 40) .................. 36<br />

2.1 Begriff des Rechtsweges ...................................... 36<br />

2.2 Verwaltungsrechtsweg ........................................ 36<br />

2.2.1 Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges in allen öffentlich-rechtlichen<br />

Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />

Inhalt<br />

5


6<br />

Inhalt<br />

2.2.2 Ausdrückliche Zuweisung in die Zuständigkeit eines anderen Gerichts ... 41<br />

2.3 Verwaltungsrechtsweg und Verwaltungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46<br />

2.3.1 Organisatorische und personelle Trennung der Verwaltungsgerichte<br />

von den Verwaltungsbehörden .................................. 46<br />

2.3.2 Rechtsschutz im Verwaltungsverfahren ........................... 46<br />

2.4 Verwaltungsrechtsweg und Klagearten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49<br />

2.5 Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges und Verweisung . . 51<br />

2.6 Exkurs: Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit ....................... 52<br />

Kontrollfragen ............................................... 53<br />

3 Klagearten (§§ 42, 43, 113) .................................... 54<br />

3.1 Gestaltungsklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55<br />

3.1.1 Die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1) .............................. 55<br />

3.1.2 Die allgemeine Gestaltungsklage ................................ 76<br />

3.2 Leistungsklagen ............................................. 77<br />

3.2.1 Die Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage und<br />

Untätigkeitsklage (§ 42 Abs. 1) .................................. 77<br />

3.2.2 Die allgemeine Leistungsklage .................................. 80<br />

3.3 Feststellungsklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84<br />

3.3.1 Die allgemeine Feststellungsklage (§ 43) .......................... 84<br />

3.3.2 Die Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4) . . . . . . . . . . . . . 86<br />

3.4 Exkurs: Klagearten nach dem Sozialgerichtsgesetz .................. 89<br />

Kontrollfragen ............................................... 90<br />

4 Sachliche und örtliche Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte<br />

(§§ 45 bis 53) ............................................... 91<br />

4.1 Allgemeines ................................................ 91<br />

4.2 Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91<br />

4.2.1 Sachliche Zuständigkeit (§ 45) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91<br />

4.2.2 Örtliche Zuständigkeit (§ 52) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92<br />

4.3 Zuständigkeit des Bayer. Verwaltungsgerichtshofes (BayVGH) . . . . . . . . . 93<br />

4.4 Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) . . . . . . . . . . . . . 94<br />

4.5 Verweisung bei örtlicher oder/und sachlicher Unzuständigkeit . . . . . . . . . 95<br />

4.6 Exkurs: Sachliche und örtliche Zuständigkeit der Sozialgerichte . . . . . . . . 96<br />

Drittes Kapitel:<br />

<strong>Verwaltungsgerichtliches</strong> <strong>Verfahren</strong> .............................. 97<br />

1 Allgemeine <strong>Verfahren</strong>svorschriften (§§ 54 bis 67 a) . . . . . . . . . . . . . . . 97<br />

1.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97<br />

1.2 Allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97<br />

1.2.1 Bedeutung der Sachentscheidungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . 97


1.2.2 Bestehen der deutschen Gerichtsbarkeit .......................... 98<br />

1.2.3 Beteiligteneigenschaft (§ 63) und Beteiligungsfähigkeit (§ 61) . . . . . . . . . 99<br />

1.2.4 Prozessfähigkeit (§ 62) ........................................ 103<br />

1.2.5 Prozessbevollmächtigte und Beistände (§ 67) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104<br />

1.2.6 Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105<br />

1.3 Zustellungen, Fristen und Rechtsbehelfsbelehrung .................. 106<br />

1.3.1 Zustellungen (§ 56) ........................................... 106<br />

1.3.2 Fristen (§ 57) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107<br />

1.3.3 Rechtsbehelfsbelehrung (§ 58) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108<br />

1.3.4 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 60). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109<br />

1.4 Exkurs: Allgemeine <strong>Verfahren</strong>svorschriften nach dem Sozialgerichtsgesetz 110<br />

Kontrollfragen ............................................... 111<br />

2 Besondere Vorschriften für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen:<br />

Das Vorverfahren in Form des Widerspruchsverfahrens<br />

(§§ 68 bis 80 b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112<br />

2.1 Grundlagen ................................................. 112<br />

2.1.1 Das Widerspruchsverfahren als Sachentscheidungsvoraussetzung . . . . . 112<br />

2.1.2 Ausschließlichkeit des Widerspruchsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113<br />

2.1.3 Vorverfahren und Verwaltungsverfahren ........................... 114<br />

2.1.4 Sinn und Zweck des Widerspruchsverfahrens ...................... 116<br />

2.1.5 Ablauf des Widerspruchsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117<br />

2.1.6 Anspruch auf Durchführung des Widerspruchsverfahrens ............. 118<br />

2.1.7 Wirkungen der Erhebung des Widerspruchs ....................... 119<br />

2.2 Überblick über die Zulässigkeit und Begründetheit des Widerspruchs . . . 120<br />

2.3 Die Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Widerspruchs im Einzelnen .... 122<br />

2.3.1 Zulässigkeit des Verwaltungsrechtsweges (§ 40) .................... 122<br />

2.3.2 Statthaftigkeit des Widerspruchs (§§ 68, 42 Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . 124<br />

2.4 Exkurs: Neuregelung des Widerspruchsverfahrens in Bayern<br />

gem. Art. 15 AGVwGO ........................................ 127<br />

1. Einschlägige Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127<br />

2. Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127<br />

3. Grundsatz: generelle Abschaffung des Widerspruchsverfahrens .... 127<br />

4. Fakultatives Widerspruchsverfahren .......................... 127<br />

4.1 Kommunalabgabenrecht ................................... 128<br />

4.2 Landwirtschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128<br />

4.3 Schulrecht .............................................. 128<br />

4.4 Sozialrecht .............................................. 129<br />

4.5 Beamtenrecht ........................................... 129<br />

4.6 Personenbezogene Prüfungsentscheidungen ................... 130<br />

5. Obligatorisches Widerspruchsverfahren bei mehreren Adressaten . . 130<br />

Inhalt<br />

7


8<br />

Inhalt<br />

2.3.3 Beteiligungsfähigkeit des Widerspruchsführers<br />

(Art. 79 Halbsatz 2 i. V. m. Art. 11 BayVwVfG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135<br />

2.3.4 Handlungsfähigkeit des Widerspruchsführers<br />

(Art. 79 Halbsatz 2 i. V. m. Art. 12 BayVwVfG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135<br />

2.3.5 Nachweis der Vertretungsmacht<br />

(Art. 79 Halbsatz 2 i. V. m. Art. 14 BayVwVfG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136<br />

2.3.6 Schriftform und notwendiger Inhalt des Widerspruchs (§ 70) . . . . . . . . . . 137<br />

2.3.7 Einhaltung der Widerspruchsfrist (§ 70) ........................... 138<br />

2.3.8 Widerspruchsbefugnis (§ 42 Abs. 2 analog) ........................ 143<br />

2.3.9 Widerspruchsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144<br />

2.3.10 Fehlender Rechtsbehelfsverzicht ................................ 145<br />

2.3.11 Keine Zurücknahme des Widerspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146<br />

2.4 Zuständigkeit der Widerspruchsbehörde (§ 73 Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . . . 147<br />

2.4.1 Zuständigkeit der nächsthöheren Behörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147<br />

2.4.2 Widerspruchsbehörde bei Entscheidungen von Mittelbehörden ........ 148<br />

2.4.3 Widerspruchsbehörde in Selbstverwaltungsangelegenheiten .......... 149<br />

2.4.4 <strong>Verfahren</strong>shandlungen der Widerspruchsbehörde ................... 156<br />

2.4.5 <strong>Verfahren</strong>sgrundsätze ......................................... 158<br />

2.5 Begründetheit des Widerspruchs ................................ 159<br />

2.5.1 Der Anfechtungswiderspruch ................................... 159<br />

2.5.2 Der Verpflichtungswiderspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169<br />

2.6 Zusammenfassendes Beispiel zur Zulässigkeit und Begründetheit<br />

eines Widerspruchs (Gutachten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171<br />

2.7 Bescheide im Widerspruchsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175<br />

2.7.1 Abhilfe und Abhilfebescheid .................................... 175<br />

2.7.2 Entscheidungsbefugnisse der Widerspruchsbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . 178<br />

2.7.3 Abfassung von Widerspruchsbescheiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182<br />

2.8 Exkurs: Das Vorverfahren in Form des Widerspruchsverfahrens nach<br />

dem Sozialgerichtsgesetz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196<br />

Kontrollfragen ............................................... 198<br />

3 <strong>Verfahren</strong> im ersten Rechtszug (§§ 81 bis 106) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199<br />

3.1 Ordnungsgemäße Klageerhebung ............................... 199<br />

3.1.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199<br />

3.1.2 Form der Klage (§ 81) ......................................... 199<br />

3.1.3 Inhalt der Klage (§ 82) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201<br />

3.1.4 Zustellung der Klage (§ 85) ..................................... 204<br />

3.1.5 Klagefrist (§§ 74, 75) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205<br />

3.2 Folgen der Klageerhebung ..................................... 207<br />

3.2.1 Rechtshängigkeit (§ 90) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207<br />

3.2.2 Aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage (§ 80 Abs. 1) . . . . . . . . . . 208<br />

3.3 Klageänderung, Klagerücknahme, Klageverzicht und Widerklage . . . . . . . 209


3.3.1 Klageänderung (§ 91) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209<br />

3.3.2 Klagerücknahme (§ 92) ........................................ 209<br />

3.3.3 Klageverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210<br />

3.3.4 Widerklage (§ 89) ............................................ 210<br />

3.4 <strong>Verfahren</strong> bis zur mündlichen Verhandlung ......................... 210<br />

3.4.1 Vorbereitendes <strong>Verfahren</strong> (§ 87) ................................. 210<br />

3.4.2 Sachverhaltsermittlung ........................................ 211<br />

3.4.3 Akteneinsicht (§ 100) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212<br />

3.4.4 Ladung zur mündlichen Verhandlung (§§ 101, 102) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213<br />

3.4.5 Aussetzung (§ 94), Unterbrechung und Ruhen des <strong>Verfahren</strong>s . . . . . . . . . 213<br />

3.4.6 Verbindung und Trennung von <strong>Verfahren</strong> und Ansprüchen (§ 93) ........ 215<br />

3.5 Mündliche Verhandlung (§ 101) .................................. 215<br />

3.5.1 Grundsatz der Mündlichkeit .................................... 215<br />

3.5.2 Öffentlichkeit der mündlichen Verhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216<br />

3.5.3 Gang der mündlichen Verhandlung (§§ 103 bis 105) .................. 216<br />

3.6 Exkurs: <strong>Verfahren</strong> im ersten Rechtszug nach dem Sozialgerichtsgesetz . . 221<br />

Kontrollfragen ............................................... 221<br />

4 Gerichtliche Entscheidungen (§§ 107 bis 122) .................... 222<br />

4.1 Entscheidungszwang ......................................... 222<br />

4.2 Urteilsfällung (§ 112) .......................................... 222<br />

4.2.1 Formeller Urteilsinhalt (§ 117) ................................... 222<br />

4.2.2 Erlass des Urteils (§ 116) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224<br />

4.3 Arten der Urteile (§§ 107, 109, 110, 111) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224<br />

4.4 <strong>Verfahren</strong>sgrundsätze und Grundsätze der Urteilsfindung ............. 225<br />

4.4.1 Verfügungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226<br />

4.4.2 Untersuchungsgrundsatz oder Inquisitionsmaxime (§ 86 Abs. 1) . . . . . . . 226<br />

4.4.3 Wahrung des rechtlichen Gehörs ................................ 226<br />

4.4.4 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1) . . . . . 227<br />

4.4.5 Gerichtliche Kontrolle und administrativer Entscheidungsspielraum (§ 114) 227<br />

4.4.6 Änderungen der Sach- und Rechtslage während des<br />

verwaltungsgerichtlichen <strong>Verfahren</strong>s . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228<br />

4.4.7 Neues Vorbringen des Klägers .................................. 229<br />

4.4.8 Heilung von formellen Mängeln ................................. 229<br />

4.4.9 Nachschieben von Gründen .................................... 231<br />

4.5 Inhalt eines klagestattgebenden Urteils ........................... 231<br />

4.5.1 Urteil bei Anfechtungsklage (§ 113 Abs. 1) ......................... 231<br />

4.5.2 Urteil bei Verpflichtungsklage (§ 113 Abs. 5) ........................ 235<br />

4.5.3 Urteil bei der allgemeinen Leistungsklage und der allgemeinen<br />

Feststellungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237<br />

4.5.4 Passivlegitimation ............................................ 237<br />

Inhalt<br />

9


10<br />

Inhalt<br />

4.6 Inhalt eines klageabweisenden Urteils ............................ 237<br />

4.7 Vorläufige Vollstreckbarkeit (§ 167) ............................... 238<br />

4.8 Rechtskraft des Urteils ........................................ 238<br />

4.8.1 Formelle Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238<br />

4.8.2 Materielle Rechtskraft (§ 121) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238<br />

4.9 Beispiel für ein Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240<br />

4.10 Gerichtsbescheide (§ 84) ...................................... 248<br />

4.11 Beschlüsse (§ 122) ........................................... 248<br />

4.12 Exkurs: Gerichtliche Entscheidungen nach dem Sozialgerichtsgesetz . . . 249<br />

Kontrollfragen ............................................... 249<br />

5 Vorläufiger Rechtsschutz (§§ 80 bis 80 b, § 123) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250<br />

5.1 Notwendigkeit und Arten des vorläufigen Rechtsschutzes . . . . . . . . . . . . 250<br />

5.2 Das <strong>Verfahren</strong> nach § 80. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251<br />

5.2.1 Aufschiebende Wirkung (Suspensiveffekt) ......................... 251<br />

5.2.2 Gesetzlicher Ausschluss der aufschiebenden Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . 253<br />

5.2.3 Behördlicher Ausschluss der aufschiebenden Wirkung ............... 254<br />

5.2.4 Aussetzung der Vollziehung durch die Widerspruchsbehörde und<br />

die Ausgangsbehörde ......................................... 257<br />

5.2.5 Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung<br />

durch das Gericht ............................................ 258<br />

5.3 Das <strong>Verfahren</strong> auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 123) ........ 262<br />

5.3.1 Arten der einstweiligen Anordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262<br />

5.3.2 Anwendungsbereich der einstweiligen Anordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263<br />

5.3.3 <strong>Verfahren</strong>, Zulässigkeit und Begründetheit ......................... 264<br />

5.3.4 Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266<br />

5.4 Zusammenfassendes Beispiel –<br />

§ 123 oder § 80 Abs. 5: das ist die Frage! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266<br />

5.5 Exkurs: Vorläufiger Rechtsschutz nach dem Sozialgerichtsgesetz ....... 268<br />

Kontrollfragen ............................................... 269<br />

6 Abstrakte Normenkontrolle (§ 47) .............................. 270<br />

6.1 Zweck der Normenkontrolle .................................... 270<br />

6.2 Zulässigkeit des Normenkontrollantrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270<br />

6.2.1 Prüfungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270<br />

6.2.2 Gerichtsbarkeit des Oberverwaltungsgerichts (BayVGH) .............. 271<br />

6.2.3 Antragserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272<br />

6.2.4 Antragsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272<br />

6.3 Begründetheit des Normenkontrollantrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273<br />

6.3.1 Antragsgegner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273<br />

6.3.2 Umfang der Nachprüfung ...................................... 273<br />

6.4 Entscheidung ............................................... 275


Viertes Kapitel:<br />

Rechtsmittel, Anhörungsrüge, Wiederaufnahme des <strong>Verfahren</strong>s,<br />

Kosten und Vollstreckung (Überblick) ............................. 276<br />

1 Rechtsmittel, Anhörungsrüge und Wiederaufnahme des <strong>Verfahren</strong>s<br />

(§§ 124 bis 153) ............................................. 276<br />

1.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276<br />

1.2 Die Berufung (§§ 124 bis 130 b) ................................. 277<br />

1.2.1 Zulässigkeit der Berufung ...................................... 277<br />

1.2.2 Berufungsverzicht und -rücknahme, Klagerücknahme ................ 278<br />

1.2.3 <strong>Verfahren</strong> vor dem Berufungsgericht ............................. 279<br />

1.3 Die Revision (§§ 132 bis 144) ................................... 280<br />

1.3.1 Statthaftigkeit der Revision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280<br />

1.3.2 Ordnungsgemäße Revisionseinlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280<br />

1.3.3 Revisionsverzicht, -rücknahme, Klagerücknahme, Anschlussrevision . . . . 281<br />

1.3.4 Revisionsverfahren ........................................... 282<br />

1.3.5 Revisionsentscheidung (§ 144) .................................. 282<br />

1.4 Die Beschwerde (§§ 146 bis 152) ................................ 284<br />

1.4.1 Statthaftigkeit der Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284<br />

1.4.2 Ordnungsgemäße Beschwerdeeinlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284<br />

1.4.3 Beschwerdeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285<br />

1.4.4 Keine aufschiebende Wirkung der Beschwerde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285<br />

1.4.5 Fällung des Beschwerdebeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285<br />

1.5 Wiederaufnahme des <strong>Verfahren</strong>s (§ 153) .......................... 286<br />

1.6 Exkurs: Rechtsmittel nach dem Sozialgerichtsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . 287<br />

2 Kosten und Vollstreckung (§§ 154 bis 172) ....................... 289<br />

2.1 Kosten (§§ 154 bis 166) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289<br />

2.1.1 Arten der Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289<br />

2.1.2 Festsetzung der <strong>Verfahren</strong>skosten ............................... 291<br />

2.1.3 Kostentragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291<br />

2.2 Vollstreckung (§§ 167 bis 172) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293<br />

2.2.1 Voraussetzungen der Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293<br />

2.2.2 Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293<br />

2.2.3 Besondere Arten der Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293<br />

2.2.4 Zwangsgeld gegen Behörden (§ 172) ............................. 294<br />

2.3 Exkurs: Kosten und Vollstreckung nach dem Sozialgerichtsgesetz . . . . . . 294<br />

Antworten zu den Kontrollfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295<br />

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304<br />

Inhalt<br />

11


1 Allgemeine <strong>Verfahren</strong>svorschriften<br />

(§§ 54 bis 67 a)<br />

1.1 Überblick<br />

<strong>Verwaltungsgerichtliches</strong> <strong>Verfahren</strong> 3<br />

Die Vorschriften des 7. Abschnitts der VwGO gelten für jedes verwaltungsgerichtliche<br />

<strong>Verfahren</strong> (also z. B. für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen als auch für einstweilige<br />

Anordnungen). Sie gelten auch – soweit nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist<br />

(z. B. in § 67 Abs. 4) – für jede Instanz, also vor den Verwaltungsgerichten, dem BayVGH<br />

und dem BVerwG.<br />

Außer den im 7. Abschnitt der VwGO enthaltenen allgemeinen Vorschriften für das <strong>Verfahren</strong><br />

vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit sind gemäß § 173 Satz 1 das<br />

GVG und die ZPO entsprechend anzuwenden, soweit die VwGO keine <strong>Verfahren</strong>sbestimmungen<br />

enthält und die grundsätzlichen Unterschiede zwischen dem verwaltungsgerichtlichen<br />

<strong>Verfahren</strong> und dem <strong>Verfahren</strong> nach der ZPO das nicht ausschließen, insbesondere<br />

der Untersuchungsgrundsatz des § 86 Abs. 1; unanwendbar sind z. B. die<br />

Vorschriften über die Zurückweisung verspäteten Vorbringens (§ 296 ZPO; siehe dagegen<br />

§ 87 b VwGO) oder das Versäumnisverfahren (§§ 330 ff. ZPO). Außerdem sind in<br />

einer Reihe von Bestimmungen der VwGO die anzuwendenden Vorschriften der ZPO<br />

noch ausdrücklich angeführt (z. B. § 54: Ausschließung von Gerichtspersonen, § 55:<br />

Öffentlichkeit, Sitzungspolizei, Gerichtssprache, Beratung und Abstimmung, § 57<br />

Abs. 2: Fristen).<br />

1.2 Allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzungen<br />

Die §§ 54 ff. enthalten eine Reihe von Vorschriften, die sich mit den bei allen Klagearten<br />

zu beachtenden allgemeinen Sachentscheidungsvoraussetzungen beschäftigen.<br />

1.2.1 Bedeutung der Sachentscheidungsvoraussetzungen<br />

Wie jeder andere Rechtsbehelf kann auch eine Klage nur dann zum Erfolg führen, wenn<br />

sie zulässig und begründet ist. Aus diesem Grund prüft das Gericht von Amts wegen<br />

zunächst ihre Zulässigkeit. Das betrifft alle formellen Voraussetzungen, die erfüllt sein<br />

müssen, damit eine Entscheidung in der Sache selbst ergehen kann. Wegen dieser<br />

Charakterisierung spricht man insoweit vielfach von Sachentscheidungs- beziehungsweise<br />

von Sachbescheidungsvoraussetzungen. Sie müssen aber erst am Schluss der<br />

letzten mündlichen Verhandlung vorliegen. Bis zu diesem Zeitpunkt kann eine Heilung<br />

– beispielsweise durch Nachholung der fehlenden Handlung – erfolgen. Sind alle<br />

Voraussetzungen gegeben, überprüft das Gericht nunmehr die Begründetheit der Klage.<br />

Andernfalls ist der Rechtsbehelf unzulässig.<br />

Innerhalb der Sachentscheidungsvoraussetzungen bedarf es einer Differenzierung zwischen<br />

allgemeinen und besonderen Erfordernissen. Allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzungen<br />

gelten für alle Klagearten. Im Gegensatz dazu statuieren besondere<br />

Sachentscheidungsvoraussetzungen für einzelne Rechtsbehelfe zusätzliche spezifische<br />

Anforderungen.<br />

Allgemeine<br />

<strong>Verfahren</strong>svorschriften<br />

Allgemeine und<br />

besondere Sachentscheidungsvoraussetzungen<br />

97


98<br />

3<br />

Allgemeine Sach-<br />

entscheidungsvoraus-<br />

setzungen<br />

Entscheidend der<br />

konkrete Fall<br />

Deutsche<br />

Gerichtsbarkeit<br />

<strong>Verwaltungsgerichtliches</strong> <strong>Verfahren</strong><br />

Allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzungen<br />

Zusätzlich: Zusätzlich:<br />

besondere Sachentscheidungsvoraussetzungen besondere Sachentscheidungsvoraussetzungen<br />

z. B. für die Anfechtungsklage (§ 42, §§ 68 ff.) z. B. für die allgemeine Feststellungsklage (§ 43)<br />

Dem Gesetz lässt sich eine Vielzahl von allgemeinen Erfordernissen entnehmen 1) :<br />

0(1) Bestehen der deutschen Gerichtsbarkeit (1.2.2)<br />

0(2) Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs (vgl. oben S. 36 ff.)<br />

0(3) Sachliche Zuständigkeit des Gerichts (vgl. oben S. 91 f.)<br />

0(4) Örtliche Zuständigkeit des Gerichts (vgl. oben S. 92 f.)<br />

0(5) Beteiligtenfähigkeit (1.2.3)<br />

0(6) Prozessfähigkeit (1.2.4)<br />

0(7) Legitimation des Vertreters (1.2.5)<br />

0(8) Förmliche Ordnungsmäßigkeit der Klageerhebung (vgl. unten S. 199 ff.)<br />

0(9) Fehlen einer rechtskräftigen Entscheidung in der gleichen Sache<br />

(vgl. unten S. 238 ff.)<br />

(10) Fehlen einer anderweitigen Rechtshängigkeit (vgl. unten S. 207 f.)<br />

(11) Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis (1.2.6)<br />

Die hier vorgeschlagene Reihenfolge ist nicht zwingend, weshalb Abweichungen zulässig<br />

sind. Zudem bedarf nicht jede Voraussetzung im konkreten Fall einer näheren<br />

Erörterung. Vielmehr sind längere Ausführungen nur bei den Erfordernissen angebracht,<br />

deren Vorliegen zweifelhaft erscheint 2) .<br />

1.2.2 Bestehen der deutschen Gerichtsbarkeit 3)<br />

Bei der Frage nach der deutschen Gerichtsbarkeit handelt es sich um eine Sachentscheidungsvoraussetzung,<br />

die jedes deutsche Gericht bei seiner Entscheidungsfindung<br />

beachten muss. Wie weit die deutsche Gerichtsbarkeit reicht, bestimmt sich nach allgemeinem<br />

oder speziellem Völkerrecht, das durch nationales deutsches Recht anerkannt<br />

(siehe Art. 25, 59 Abs. 2 GG), gegebenenfalls ergänzt wird.<br />

In räumlicher Hinsicht erstreckt sich die deutsche Gerichtsbarkeit auf das Staatsgebiet<br />

der Bundesrepublik Deutschland einschließlich des Erdreichs darunter und des<br />

Luftraums darüber, das Küstenmeer und die deutschen Flugzeuge und Schiffe unter<br />

deutscher Flagge, solange sie nicht in fremdem Hoheitsgebiet sind 3a) .<br />

1) Rangfolge nach Schmitt Glaeser/Horn, Rdnr. 31; zu den Sachentscheidungsvoraussetzungen siehe auch Hufen, § 10;<br />

Lehmann, S. 196 ff. (spricht von allgemeinen Prozessvoraussetzungen); Rennert in: Eyermann vor § 40, Rdnr. 1 (spricht<br />

von allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen); Reichold in: Thomas/Putzo, ZPO, vor § 253, Rdnr. 15 (spricht von allgemeinen<br />

Prozessvoraussetzungen).<br />

2) Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Vorbem. vor § 40, Rdnr. 18, Klein, apf 2010, 83 mit Fn. 3.<br />

3) Vgl. Hufen, § 11, Rdnrn. 1 ff; Rennert in: Eyermann, vor § 40, Rdnrn. 2 ff.; Kopp/Schenke, VwGO, § 1, Rdnrn. 24 ff.; Reimer<br />

in: Posser/Wolff, § 40, Rdnrn. 9 ff.<br />

3a) Vgl. Rennert in: Eyermann, vor § 40, Rdnr. 3; zur völkerrechtlichen Abgrenzung der staatlichen Souveränitätsbereiche in<br />

räumlicher Hinsicht siehe Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht. Theorie und Praxis, 3. Aufl. 1984, S. 634 ff.


<strong>Verwaltungsgerichtliches</strong> <strong>Verfahren</strong> 3<br />

In persönlicher Hinsicht unterliegt grundsätzlich jedermann der deutschen Gerichtsbarkeit.<br />

Doch sehen Völkerrecht und ergänzendes nationales Recht für bestimmte Personengruppen<br />

Immunitäten vor. Die in §§ 18 und 19 GVG (§ 173 Satz 1 VwGO) angesprochene<br />

Immunität der Mitglieder, Mitarbeiter und Angehörigen der diplomatischen<br />

und konsularischen Vertretungen in Deutschland besteht teilweise nur hinsichtlich ihrer<br />

amtlichen Tätigkeit 3b) .<br />

Aus Anlass des Honecker-Besuchs 1984 wurde § 20 Abs. 1 GVG erlassen. Staatsoberhäupter<br />

genießen schon nach allgemeinem Völkerrecht absolute, fremde Regierungsmitglieder<br />

relative Immunität bezüglich ihrer Amtshandlungen (siehe § 20 Abs. 2<br />

GVG) 3c) .<br />

Zunehmende Bedeutung erlangt die Beschränkung deutscher Gerichtsbarkeit aufgrund<br />

europarechtlicher Bindungen. Behörden der Europäischen Union unterliegen ausschließlich<br />

der Gerichtsbarkeit des EuGH und des EuG erster Instanz. Der Verwaltungsrechtsweg<br />

ist damit nicht eröffnet 3d) .<br />

Vollziehen deutsche Behörden dagegen Gemeischaftsrecht, ist der Rechtsweg zu<br />

den deutschen Gerichten selbst dann gegeben, wenn im Rechtsstreit die Gültigkeit von<br />

Gemeinschaftsrecht fraglich ist. Europarechtliche Normen können zwar nicht unmittelbar<br />

vor den deutschen Verwaltungsgerichten angegriffen werden, diese haben aber<br />

gem. Art. 267 AEUV (bisher Art. 234 EG) die Frage der Gültigkeit der Normen – sofern<br />

diese konkret entscheidungserheblich – dem EuGH zur Entscheidung vorzulegen (Vorabentscheidungsverfahren).<br />

Eine Vorlage an den EuGH scheidet lediglich dann aus,<br />

wenn die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass<br />

keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel an der zu treffenden Entscheidung<br />

bleibt 3e) .<br />

1.2.3 Beteiligteneigenschaft (§ 63) und Beteiligungsfähigkeit (§ 61)<br />

Anträge zum <strong>Verfahren</strong> und zur Sache können nur die Personen stellen, die in einer der<br />

in § 63 vorgesehenen <strong>Verfahren</strong>sfunktionen auftreten und damit die erforderliche Beteiligteneigenschaft<br />

besitzen. Zudem muss ihnen nach § 61 die Fähigkeit zustehen, an<br />

einem verwaltungsgerichtlichen <strong>Verfahren</strong> beteiligt zu sein.<br />

<strong>Verfahren</strong>sbeteiligte 4)<br />

Im Gegensatz zur ZPO, die vom Zweiparteienstreit ausgeht, vermeidet die VwGO den<br />

Begriff der Partei und verwendet stattdessen den umfassenderen Begriff des Beteiligten.<br />

Am verwaltungsgerichtlichen <strong>Verfahren</strong> sind nach § 63 neben dem Vertreter des<br />

öffentlichen Interesses der Kläger, der Beklagte und der Beigeladene beteiligt. Diese<br />

stehen grundsätzlich gleichrangig nebeneinander und sind vor dem Gericht alle gleichberechtigt;<br />

es stehen ihnen grundsätzlich die gleichen Rechte und Pflichten im <strong>Verfahren</strong><br />

zu.<br />

3b) Siehe das Wiener Übereinkommen über diplomatische bzw. konsularische Beziehungen; im Einzelnen hierzu: Verdross/<br />

Simma (Fn. 3 a), S. 565 ff., 583 ff. Ein Diplomat ist z. B. auch nicht verpflichtet, als Zeuge auszusagen, darf aber dazu<br />

eingeladen werden (S. 577).<br />

3c) Vgl. Rennert in: Eyermann, vor § 40, Rdnr. 4. – Die Überlegung, den Papst anlässlich seines Staatsbesuchs in England auf<br />

Einladung der Königin wegen der Missbrauchsvorwürfe in katholischen Einrichtungen verhaften zu lassen, ist zumindest<br />

als lächerlich zu bezeichnen (siehe Münchner Kirchenzeitung vom 25.04.2010, S. 2: Lächerlich). Zur völkerrechtlichen<br />

Stellung des Vatikans und des Heiligen Stuhls siehe Fabrizio Rossi, Der Vatikan. Politik und Organisation. 3. Aufl. 2005, S.<br />

18 ff., 24; siehe ferner Wunibald Müller, Sexueller Missbrauch und Kirche, in: Stimmen der Zeit, 228 (2010), S. 229 ff.<br />

3d) Vgl. Hufen, § 11, Rdnr. 3; Kopp/Schenke, VwGO, § 1, Rdnr. 28.<br />

3e) Vgl. Pietzner/Ronellenfitsch, § 5, Rdnr. 2.<br />

4) Vgl. Hufen, § 12; Pietzner/Ronellenfitsch, § 7; Kintz in: Posser/Wolff, § 63, Rdnr. 1.<br />

Beteiligteneigenschaft<br />

Beteiligungsfähigkeit<br />

Beteiligte<br />

99


100<br />

3<br />

Kläger und Beklagter<br />

<strong>Verwaltungsgerichtliches</strong> <strong>Verfahren</strong><br />

Beiladung<br />

Einfache Beiladung<br />

Notwendige Beiladung<br />

Beispiele<br />

Nachbar und Bauherr<br />

(1) Die Stellung als Kläger beziehungsweise Beklagter ist eine Folge der Klageerhebung<br />

und wird durch die Klage bestimmt. Ob es sich hierbei um den richtigen Kläger<br />

(Aktivlegitimation) und den richtigen Beklagten (Passivlegitimation) handelt, ist für die<br />

prozessuale Stellung als Kläger oder Beklagter unerheblich. Diese Frage bedarf erst bei<br />

der Begründetheit der Klage einer näheren Prüfung.<br />

(2) Mit der in § 65 geregelten Beiladung 5) gewährt das Gericht Dritten die Möglichkeit,<br />

zur Wahrung ihrer Interessen in einen zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit<br />

einzutreten. Das Instrument der Beiladung erleichtert durch die Verbreiterung der<br />

personellen Grundlagen eine allumfassende Untersuchung. Zugleich dient es der Vermeidung<br />

weiterer Rechtsstreitigkeiten. Im <strong>Verfahren</strong> kann sich der Beigeladene zur<br />

Sach- und Rechtslage äußern und innerhalb der von § 66 abgesteckten Grenzen selbstständig<br />

Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend machen. Folgerichtig erstreckt sich<br />

die Rechtskraftwirkung der Entscheidung gemäß § 121 auch auf den Beigeladenen,<br />

was neue Prozesse über den gleichen Streitgegenstand grundsätzlich ausschließt.<br />

Das Gesetz unterscheidet zwischen einfacher und notwendiger Beiladung. Nach § 65<br />

Abs. 1 erfolgt eine einfache Beiladung von Amts wegen oder auf Antrag. Sie steht im<br />

pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, kann deshalb weder von den Beteiligten des<br />

<strong>Verfahren</strong>s noch von demjenigen, der seine Beiladung erstrebt, erzwungen werden.<br />

Eine einfache Beiladung setzt voraus, dass die Entscheidung die rechtlichen Interessen<br />

der betreffenden Person berührt. Es genügt insoweit, dass das Unterliegen des Klägers<br />

oder des Beklagten die Rechtslage des Betroffenen verbessert oder verschlechtert 6) .<br />

Nach diesen Grundsätzen erscheint im Streit um einen Erschließungsbeitragsbescheid<br />

die Beiladung des Grundstücksverkäufers möglich, wenn dieser beim Verkauf die Zahlung<br />

aller Erschließungsbeiträge zugesichert hat.<br />

Im Gegensatz zur einfachen steht die notwendige Beiladung nicht im Ermessen des<br />

Gerichts. Sie muss nach § 65 Abs. 2 immer dann erfolgen, wenn an dem streitigen<br />

Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber<br />

nur einheitlich ergehen kann. Ob eine derartige einheitliche Entscheidung<br />

unabdingbar erscheint, richtet sich nach dem im Einzelfall anzuwendenden materiellen<br />

Recht. Es kommt darauf an, ob die Entscheidung Rechte des Dritten begründet, bestätigt,<br />

verändert oder aufhebt. Das gilt vor allem für Verwaltungsakte mit Doppel- oder<br />

Drittwirkung, die den Kläger belasten und zugleich einen Dritten begünstigen. Aus diesem<br />

Grund muss beispielsweise eine notwendige Beiladung erfolgen, wenn ein Nachbar<br />

die dem Bauherrn erteilte Baugenehmigung mit der Anfechtungsklage angreift und<br />

deren Aufhebung begehrt. In diesem Fall beseitigt ein stattgebendes Urteil zugleich die<br />

Genehmigung des Bauherrn 7) .<br />

1. Grundstückseigentümer Adam fordert die zuständige Bauaufsichtsbehörde auf, gegenüber<br />

seinem Nachbarn einzuschreiten und gem. Art. 76 Satz 1 BayBO eine Baubeseitigung anzuordnen.<br />

Er begründet sein Verlangen mit der Behauptung, dass das Bauvorhaben des N die<br />

gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen missachte und damit gegen nachbarschützende<br />

Vorschriften verstoße. Als die Behörde sich weigert, erhebt Adam Verpflichtungsklage. Muss<br />

der Nachbar an dem nachfolgenden Klageverfahren beteiligt werden?<br />

1. Der Nachbar erlangt durch die Beiladung die Stellung eines Beteiligten im Sinne des § 63 Nr. 3.<br />

Dabei handelt es sich gemäß § 65 Abs. 2 um eine notwendige Beiladung. Die erstrebte Baubeseitigungsverfügung<br />

zieht unmittelbare Wirkungen für die Rechtsstellung des Nachbarn nach<br />

5) Vgl. Hufen, § 12, Rdnrn. 3 ff.; Pietzner/Ronellenfitsch, § 7, Rdnrn. 5 ff.; Kintz in: Posser/Wolff, § 65, Rdnr. 1 (Die Beiladung<br />

ersetzt weitgehend die Funktion der Haupt- und Nebenintervention im Zivilprozess, siehe §§ 64 ff. ZPO).<br />

6) Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 65, Rdnrn. 7 ff.; Happ/Allesch/Geiger/Metschke/Hüttenbrink, S. 94 f.<br />

7) Vgl. Happ/Allesch/Geiger/Metschke/Hüttenbrink, S. 95. f.; Pietzner/Ronellenfitsch, § 7, Rdnr. 7 („prozessuale Schicksalsgemeinschaft“).


<strong>Verwaltungsgerichtliches</strong> <strong>Verfahren</strong> 3<br />

sich, da sie zur Beseitigung von dessen Bauvorhaben führt. Folglich kann eine gerichtliche<br />

Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen 7a) .<br />

2. Wenn ein Landratsamt (als Staatsbehörde) die Erteilung der Baugenehmigung wegen Versagung<br />

des Einvernehmens einer kreisangehörigen Gemeinde (§ 36 Abs. 1 BauGB) abgelehnt<br />

hat, dann ist in dem gegen den Freistaat Bayern gerichteten verwaltungsgerichtlichen <strong>Verfahren</strong><br />

(§ 78 Abs. 1 Nr. 1) die Gemeinde notwendig beizuladen 8) , da die Entscheidung die Rechtsstellung<br />

der Gemeinde bestätigen oder aufheben kann.<br />

3. Bei der Klage eines Konkurrenten wegen Erteilung einer Genehmigung für den allgemeinen<br />

Güterfernverkehr ist der begünstigte Unternehmer nach § 65 Abs. 2 notwendig beizuladen, da<br />

ihn die begehrte Aufhebung der Genehmigung unmittelbar belastet 9) .<br />

(3) An einem verwaltungsgerichtlichen <strong>Verfahren</strong> muss nicht notwendigerweise nur ein<br />

Kläger und ein Beklagter beteiligt sein. Vielmehr können auch mehrere Personen als<br />

Kläger oder Beklagte auftreten 10) . Bei einer derartigen Konstellation werden die verschiedenen<br />

Klagen zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden, falls<br />

die Voraussetzungen des § 64 VwGO i. V. m. §§ 59 bis 63 ZPO gegeben sind. Erforderlich<br />

ist, dass mehrere Personen hinsichtlich des Streitgegenstandes in Rechtsgemeinschaft<br />

stehen oder aus demselben tatsächlichen oder rechtlichen Grund berechtigt<br />

oder verpflichtet sind oder wenigstens gleichartige und auf einem im Wesentlichen<br />

gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grunde beruhende Ansprüche oder Verpflichtungen<br />

den Gegenstand des Rechtsstreites bilden. Daher liegt eine einfache<br />

Streitgenossenschaft, auch subjektive Klagehäufung genannt, vor, wenn die Beteiligung<br />

von mehreren Personen auf der Kläger- oder Beklagtenseite für die Entscheidung<br />

der Sache nicht notwendig erscheint. Demgegenüber handelt es sich um eine notwendige<br />

Streitgenossenschaft, sofern das streitige Rechtsverhältnis gegenüber allen<br />

Streitgenossen nur einheitlich festgestellt werden kann.<br />

Fünf Gemeinderatsmitglieder der 4800 Einwohner zählenden Gemeinde Brunn verlangen vom<br />

ersten Bürgermeister gestützt auf Art. 46 Abs. 2 Satz 3 GO die Einberufung des Gemeinderats<br />

mit der Tagesordnung „Erweiterung des Kindergartens“. Ferner fordern sie, jedem von ihnen eine<br />

Abschrift des in öffentlicher Sitzung gefassten Gemeinderatsbeschlusses vom 09.05. betreffend<br />

Festsetzung der Aufwandsentschädigung des ersten Bürgermeisters zu erteilen. Da der erste<br />

Bürgermeister den gestellten Anträgen nicht nachkommt, erheben die fünf Gemeinderatsmitglieder<br />

Klage zum zuständigen VG. – Liegt seitens der Kläger eine einfache oder notwendige<br />

Streitgenossenschaft vor?<br />

Die Kläger sind – jeder für sich – beteiligten- und prozessfähig (§ 61 Nr. 1, § 62 Abs. 1 Nr. 1). Da<br />

der im Wege der allgemeinen Leistungsklage11) geltend gemachte Anspruch auf Einberufung des<br />

Gemeinderats den fünf Klägern, die zusammen ein Viertel der Gemeinderatsmitglieder darstellen<br />

(Art. 46 Abs. 2 Satz 3, Art. 31 Abs. 2 Satz 2 GO), nur gemeinsam zustehen kann, bilden sie insoweit<br />

eine notwendige Streitgenossenschaft (§ 64 VwGO i. V. m. § 62 ZPO). Demgegenüber liegt<br />

hinsichtlich des ebenfalls im Wege der allgemeinen Leistungsklage verfolgten Antrags auf Aushändigung<br />

der Beschlussabschriften lediglich eine einfache Streitgenossenschaft vor (§ 64 VwGO<br />

i. V. m. § 59 ZPO), da der entsprechende Anspruch nach Art. 54 Abs. 3 Satz 1 GO jedem Gemeinderatsmitglied<br />

einzeln zusteht.<br />

7a) Vgl. Kintz in: Posser/Wolff, § 65, Rdnr. 12.<br />

8) Vgl. Pietzner/Ronellenfitsch, § 7, Rdnr. 8; Hilg, APF 1988, 57/62. Kintz in: Posser/Wolff, § 65, Rdnr. 10.<br />

9) Vgl. BVerwG vom 02.09.1983, BayVBl 1984, 155; J. Schmidt in: Eyermann, § 65, Rdnr. 20.<br />

10) Vgl. Pietzner/Ronellenfitsch, § 7, Rdnrn. 2 ff. – Streitgenossenschaft und Beiladung – obgleich ähnlich – unterscheiden sich<br />

regelmäßig hinsichtlich der Interessenlage: Streitgenossen kämpfen auf einer Seite, während zwischen einem der Hauptbeteiligten<br />

und dem Beigeladenen ein Interessenwiderstreit besteht (vgl. J. Schmidt in: Eyermann, § 64, Rdnr. 1).<br />

11) Zur Klageart siehe oben S. 80 ff.<br />

Beispiele<br />

Gemeindliches<br />

Einvernehmen<br />

Konkurrentenklage<br />

Einfache<br />

Streitgenossenschaft<br />

Notwendige<br />

Streitgenossenschaft<br />

Beispiel<br />

Einberufung des<br />

Gemeinderats<br />

101


102<br />

3<br />

Beteiligungsfähigkeit<br />

Natürliche und<br />

juristische Personen<br />

Sonstige<br />

Vereinigungen<br />

<strong>Verwaltungsgerichtliches</strong> <strong>Verfahren</strong><br />

Behörden<br />

Behördenprinzip<br />

Beteiligungsfähigkeit (§ 61)<br />

Der Begriff Beteiligungsfähigkeit 11a) umschreibt die Fähigkeit, Subjekt eines Verwaltungsprozesses<br />

zu sein, das heißt, als Beteiligter im Sinne des § 63 an einem derartigen<br />

<strong>Verfahren</strong> teilnehmen zu können. Der Kreis der Beteiligungsfähigen wird in § 61<br />

abschließend geregelt, wobei das Gesetz erkennbar an die Rechtsfähigkeit anknüpft<br />

11b) .<br />

Nach § 61 Nr. 1 sind alle natürlichen und juristischen Personen fähig, am <strong>Verfahren</strong><br />

beteiligt zu sein, da sie die volle Rechtsfähigkeit besitzen. Gleichgültig ist dabei, ob es<br />

sich um juristische Personen des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts handelt.<br />

Über den Wortlaut des Gesetzes hinaus stellt die wohl herrschende Meinung den juristischen<br />

Personen im Sinne des § 61 Nr. 1 alle Einrichtungen und Vereinigungen gleich,<br />

denen Gesetz oder Gewohnheitsrecht die Fähigkeit zuerkennen, im eigenen Namen zu<br />

klagen oder verklagt zu werden 12) . Diese Vereinigungen besitzen eine den juristischen<br />

Personen weitgehend angenäherte Rechtsstellung. Praktische Relevanz haben in diesem<br />

Zusammenhang vor allem die Bestimmungen des Handelsgesetzbuches, die der<br />

offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft die Möglichkeit einräumen,<br />

im Rechtsverkehr eigenverantwortlich rechtlich zu handeln (§ 124; § 161 Abs. 2<br />

i. V. m. § 124 HGB).<br />

§ 61 Nr. 2 erweitert den Kreis der Beteiligungsfähigen um sonstige Vereinigungen,<br />

soweit ihnen ein Recht zustehen kann. Dabei muss es sich um nichtrechtsfähige Vereinigungen<br />

handeln, da andernfalls bereits § 61 Nr. 1 eingreift. Entscheidende Bedeutung<br />

kommt dem Umstand zu, dass das materielle Recht der Vereinigung bestimmte Rechte<br />

einräumt, die von der konkreten Streitigkeit berührt werden 13) . Verwiesen sei hier etwa<br />

auf § 2 Abs. 1 Satz 2 GastG. Danach kann eine Gaststättenerlaubnis auch nichtrechtsfähigen<br />

Vereinen erteilt werden. In dem auf die Erteilung der Erlaubnis gerichteten Klageverfahren<br />

besitzt ein derartiger Verein die Beteiligungsfähigkeit. Diese bezieht sich<br />

aber nur auf die Gaststättenerlaubnis. Dementsprechend führt nicht jede materielle<br />

Teilrechtsfähigkeit in irgendeinem Bereich zur vollen Beteiligungsfähigkeit auf allen Gebieten.<br />

Behörden sind durchweg Träger von Kompetenzen, nicht aber Inhaber von Rechten.<br />

Aus diesem Grund folgt ihre Beteiligungsfähigkeit im Regelfall nicht aus § 61 Nrn. 1<br />

und 2. Das in § 61 Nr. 3 festgelegte Behördenprinzip findet in Bayern keine Anwendung,<br />

da das Landesrecht von der dort normierten Ermächtigung keinen Gebrauch gemacht<br />

hat. Deshalb ist beispielsweise Beteiligter eines Anfechtungsverfahrens nicht die<br />

Behörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, sondern die juristische<br />

Person des öffentlichen Rechts, für die sie dabei tätig geworden ist (vgl. § 78 Abs. 1<br />

Nrn. 1 und 2 VwGO und Art. 11 Nr. 3 BayVwVfG).<br />

11a) Teilweise wird auch der Begriff „Beteiligtenfähigkeit“ verwendet (siehe Pietzner/Ronellenfitsch, § 7, Rdnr. 11).<br />

11b) Die Vorschrift entspricht weitgehend § 50 ZPO, der die Parteifähigkeit unmittelbar von der Rechtsfähigkeit abhängig<br />

macht, geht aber teilweise darüber hinaus.<br />

12) Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 61, Rdnr. 6; J. Schmidt in: Eyermann, § 61, Rdnr. 5.<br />

13) Vgl. J. Schmidt in: Eyermann, § 61, Rdnr. 9. – Vor allem in kommunalverfassungsrechtlichen Streitigkeiten (dazu oben<br />

S. 77) kommt es häufig zur Anwendung von § 61 Nr. 2; so bei der Klage einer Fraktion, des Gemeinderats usw. Im<br />

Übrigen muss im Fall des § 61 Nr. 2 das fragliche Recht („soweit“) der Vereinigung als solcher zustehen (vgl. Happ/<br />

Allesch/Geiger/Metschke/Hüttenbrink, S. 104; Pietzner/Ronellenfitsch, § 7, Rdnrn. 11 ff.; Kintz in: Posser/Wolff, § 61<br />

Rdnr. 9).


1.2.4 Prozessfähigkeit 14) (§ 62)<br />

<strong>Verwaltungsgerichtliches</strong> <strong>Verfahren</strong> 3<br />

Aus der Beteiligungsfähigkeit resultiert nicht automatisch die Befugnis, selbstständig<br />

<strong>Verfahren</strong>shandlungen vorzunehmen. Insoweit gewinnt die in § 62 geregelte Prozessfähigkeit<br />

an Bedeutung. Sie umschreibt die Fähigkeit, <strong>Verfahren</strong>shandlungen selbst<br />

vornehmen zu können oder durch einen selbst gewählten Bevollmächtigten vornehmen<br />

zu lassen. Daneben erfasst sie auch die passive Prozessfähigkeit. Gegenüber<br />

einem Prozessunfähigen darf das Gericht keine <strong>Verfahren</strong>shandlungen vornehmen.<br />

Fehlt die Prozessfähigkeit, muss der gesetzliche Vertreter für den Prozessunfähigen<br />

handeln. Ansonsten ist die betreffende <strong>Verfahren</strong>shandlung als unzulässig zurückzuweisen,<br />

falls sie der gesetzliche Vertreter nicht nachträglich genehmigt.<br />

§ 62 Abs. 1 orientiert sich bei der Bestimmung der Prozessfähigkeit an den bürgerlichrechtlichen<br />

Vorschriften über die Geschäftsfähigkeit. Nach § 62 Nr. 1 sind alle nach<br />

bürgerlichem Recht Geschäftsfähigen zugleich prozessfähig. Dazu gehören gemäß<br />

§§ 2, 104 ff. BGB regelmäßig alle Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und<br />

damit volljährig sind.<br />

§ 62 Abs. 1 Nr. 2 erweitert den Kreis der Prozessfähigen auf natürliche Personen, die<br />

lediglich eine beschränkte Geschäftsfähigkeit im Sinne des § 106 BGB besitzen, soweit<br />

Vorschriften des bürgerlichen oder des öffentlichen Rechts den Minderjährigen<br />

hinsichtlich des konkreten <strong>Verfahren</strong>sgegenstandes als geschäftsfähig anerkennen.<br />

Derartige Bestimmungen finden sich in zahlreichen Gesetzen. Als Beispiele seien hier<br />

etwa die §§ 112 und 113 BGB genannt. Zu beachten ist jedoch, dass der Minderjährige<br />

nur im Rahmen dieser Vorschriften selbstständig handeln darf. Folglich erlangt er nur<br />

eine gegenständlich beschränkte Handlungsfreiheit.<br />

Für Vereinigungen sowie Behörden handeln ihre gesetzlichen Vertreter, Vorstände<br />

oder besonders Beauftragte (§ 62 Abs. 3).<br />

Der Freistaat Bayern als Beklagter wird nach § 3 Abs. 2 LABV grundsätzlich durch die<br />

Ausgangsbehörde vertreten, für die ein Behördenvertreter tätig wird. Eine Gemeinde<br />

wird durch den ersten Bürgermeister bzw. Oberbürgermeister (Art. 38 Abs. 1 GO), ein<br />

Landkreis durch den Landrat (Art. 35 Abs. 1 LKrO), ein Bezirk durch den Bezirkstagspräsidenten<br />

(Art. 33 a Abs. 1 BezO) und eine Verwaltungsgemeinschaft durch den Gemeinschaftsvorsitzenden<br />

vertreten (Art. 6 Abs. 4 Satz 1 VGemO i. V. m. Art. 36 Abs. 1 Satz 1<br />

KommZG).<br />

Der 16-jährige Peter Schmitt wurde mit Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters15) in den<br />

Vorbereitungsdienst für die Laufbahn des mittleren Dienstes16) eingestellt. Wegen mangelnder<br />

Leistungen wurde er gem. § 23 Abs. 4 BeamtStG, Art. 56 Abs. 2 BayBG17) aus dem Beamtenverhältnis<br />

auf Widerruf entlassen. – Kann Schmitt ohne Mitwirkung seines gesetzlichen Vertreters<br />

sofort Klage erheben?<br />

Der 16-jährige Peter Schmitt ist grundsätzlich prozessunfähig (§ 62 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, § 2 BGB),<br />

sodass seine (Anfechtungs-)Klage unzulässig wäre. Da Schmitt jedoch mit Zustimmung seines<br />

gesetzlichen Vertreters in den Vorbereitungsdienst eingstellt worden ist, kann er gegen die Entlassungsverfügung,<br />

die einen Verwaltungsakt darstellt, nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1<br />

Nr. 5, Satz 3 AGVwGO unmittelbar Klage erheben. Er ist gem. § 62 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m.<br />

§ 113 Abs. 1 BGB insoweit prozessfähig und kann daher ohne Mitwirkung seines gesetzlichen<br />

Vertreters tätig werden18) .<br />

14) Der Begriff der Prozessfähigkeit knüpft an den der Geschäftsfähigkeit (ebenso § 51 ZPO) an und ist in ihrem Wesen vergleichbar<br />

mit der Handlungsfähigkeit im Verwaltungsverfahren gem. Art. 12 BayVwVfG (vgl. Lehmann, S. 197).<br />

15) Gesetzliche Vertreter sind gem. § 1629 Abs. 1 Satz 2 BGB beide Eltern. Kläger bleibt aber das prozessunfähige Kind (vgl.<br />

Linhart, Schreiben, § 20, Rdnr. 95).<br />

16) Siehe Art. 32 BayBG, §§ 38, 39 LbV (ab 01.01.2011 gelten Art. 6, 7 und 8 LlbG; siehe Hilg, apf 2010, B 41 ff.).<br />

17) Siehe Hilg, apf 2009, 161/162; Reich, BeamtStG, § 23, Rdnr. 28.<br />

18) Vgl. Hilg, apf 2004, 234/236 m. w. N.<br />

Prozessfähigkeit<br />

Geschäftsfähigkeit<br />

Beschränkte<br />

Geschäftsfähigkeit<br />

Vereinigungen,<br />

Behörden<br />

Freistaat Bayern als<br />

Beklagter<br />

Beispiel<br />

103


104<br />

3<br />

Selbstvertretung<br />

Bevollmächtigter<br />

Beistand<br />

Schriftliche Vollmacht<br />

Zustellungen<br />

Erlöschen der<br />

Vollmacht<br />

Vertretungszwang<br />

Behördenvertreter<br />

<strong>Verwaltungsgerichtliches</strong> <strong>Verfahren</strong><br />

1.2.5 Prozessbevollmächtigte und Beistände (§ 67) 19)<br />

<strong>Verfahren</strong> vor dem Verwaltungsgericht<br />

§ 67 Abs. 1 bringt den Grundsatz der Selbstvertretung zum Ausdruck. Danach besteht<br />

vor dem Verwaltungsgericht kein Vertretungszwang. Das bedeutet, dass die Beteiligten<br />

den Rechtsstreit selbst führen können. Sie können sich aber in jeder Lage des <strong>Verfahren</strong>s<br />

gem. § 67 Abs. 2 durch einen prozessfähigen Bevollmächtigten vertreten lassen.<br />

In der mündlichen Verhandlung können sie sich auch eines prozessfähigen Beistandes<br />

bedienen. Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des § 67 Abs. 2<br />

vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück (§ 67 Abs. 3 Satz 1).<br />

Die Vollmacht ist schriftlich zu erteilen (§ 67 Abs. 6 Satz 1). Die Schriftlichkeit ist wesentliches<br />

Formerfordernis. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen<br />

zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt (§ 67<br />

Abs. 6 Satz 4). Liegt keine Vollmacht vor und wird sie auch nicht nachgereicht, so ist die<br />

Klage durch Prozessurteil als unzulässig abzuweisen. Der vollmachtlose Vertreter hat<br />

die Kosten nach § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 89 Abs. 1 ZPO zu tragen 20) .<br />

Ist ein Bevollmächtigter bestellt, so sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts<br />

an ihn zu richten (§ 67 Abs. 6 Satz 5). Ein Verstoß hiergegen macht die Zustellung<br />

wirkungslos. Das ist von besonderer Bedeutung bei der Zustellung von Urteilen oder<br />

Beschlüssen, da bei Zustellung an den Beteiligten selbst, falls dieser einen Bevollmächtigten<br />

bestellt hat, die Rechtsmittelfrist nicht in Lauf gesetzt wird 21) .<br />

Die Vollmacht erlischt infolge Widerrufs erst mit dem Zugang der Anzeige gegenüber<br />

den Beteiligten und dem Gericht. Der Tod des Vertretenen hebt die Vollmacht nicht<br />

auf. Die §§ 80 bis 89 ZPO über die Prozessvollmacht sind entsprechend anzuwenden<br />

(§ 173 Satz 1).<br />

<strong>Verfahren</strong> vor dem BayVGH und dem BVerwG<br />

Vor dem BayVGH und dem BVerwG müssen sich die Beteiligten (§ 63) gem. § 67<br />

Abs. 4 Sätze 1 bis 3 durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Der Vertretungszwang,<br />

gegen den keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, fördert das<br />

rechtskundige Prozessieren und die Sachlichkeit des <strong>Verfahren</strong>s und dient damit der<br />

Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen und wirksamen Rechtspflege 21a) .<br />

Person des Behördenvertreters<br />

(1) Nach den bestehenden gesetzlichen Vorgaben überlässt es der Staat den Behörden<br />

weitgehend selbst, ob sie sich vor Gericht durch eigene Behördenvertreter oder durch<br />

Rechtsanwälte vertreten lassen wollen. Der Regelfall ist der Behördenvertreter, der<br />

mit der Angelegenheit befasst war und das gesamte verwaltungsgerichtliche <strong>Verfahren</strong><br />

für die Behörde begleitet. Dafür sprechen auch Kostenargumente, da die Beauftragung<br />

eines Rechtsanwalts je nach Streitwert nicht unerhebliche Gebühren nach sich<br />

19) § 67 ist durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsgesetzes neu gefasst und grundlegend geändert worden<br />

(vgl. Hartung in: Posser/Wolff, § 67, Überblick).<br />

20) Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 154, Rdnr. 3. Die Kostenpflicht, die im Urteil oder Beschluss ausgesprochen wird, ist nicht<br />

nur auf die Kosten des Rechtsstreits, sondern auch auf die dem Gegner infolge der Zulassung erwachsenen Kosten zu<br />

richten (vgl. Hüßtege in: Thomas/Putzo, ZPO, § 89, Rdnr. 5).<br />

21) Vgl. Hartung in: Posser/Wolff, § 67, Rdnr. 75.<br />

21a) Vgl. Hartung in: Posser/Wolff, § 67, Rdnr. 43.


<strong>Verwaltungsgerichtliches</strong> <strong>Verfahren</strong> 3<br />

ziehen kann. Im Falle des Unterliegens muss diese der Rechtsträger der Ausgangsbehörde<br />

tragen.<br />

(2) Vor dem Verwaltungsgericht bestehen hinsichtlich der Person des Behördenvertreters<br />

keine besonderen Beschränkungen. Mit der Vertretung kann jeder Beamte oder<br />

Angestellte beauftragt werden, der zum sachgemäßen Vortrag fähig ist. Demnach<br />

können beispielsweise sowohl Juristen als auch Beamte des gehobenen Dienstes oder<br />

vergleichbare Angestellte als Vertreter auftreten.<br />

Für die höheren Instanzen (BayVGH, BVerwG) gilt § 67 Abs. 4 Satz 4. Ein Unterschied<br />

besteht aber darin, dass vor dem BVerwG die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 genannten<br />

Personen und Organisationen ausgeschlossen sind (siehe § 67 Abs. 4 Satz 5) 21b) .<br />

1.2.6 Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis<br />

Während das besondere Rechtsschutzbedürfnis bei einzelnen Klagearten näher umschrieben<br />

wird (vgl. § 42 Abs. 2, § 43 Abs. 1, § 47 Abs. 2, § 113 Abs. 1 Satz 4), ist das<br />

allgemeine Rechtsschutzbedürfnis nirgendwo geregelt. Trotzdem ist allgemein anerkannt,<br />

dass für jede Klage und Antragstellung ein Rechtsschutzbedürfnis bestehen<br />

muss. Damit soll verhindert werden, dass jemand die Staatsgewalt (rechtsprechende<br />

Gewalt) missbräuchlich bemüht.<br />

Es lassen sich drei typische Fallgruppen unterscheiden, bei denen im Regelfall von dem<br />

Fehlen des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses auszugehen ist 22) .<br />

(1) Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn der Kläger sein mit der Klage verfolgtes Ziel<br />

auf einfachere Weise als durch Anrufung des Gerichts erreichen kann.<br />

Wenn z. B. eine Behörde die von einem Bürger geschuldete Leistung durch Verwaltungsakt<br />

festsetzen kann, dann ist ihr für eine Klage gegen den Bürger das Rechtsschutzbedürfnis<br />

grundsätzlich abzusprechen. Als Ausnahme von diesem Grundsatz ist<br />

in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Dienstherr einen Anspruch (z. B. auf Rückforderung<br />

zu viel gezahlter Bezüge, s. § 12 Abs. 2 BBesG) gegen einen Beamten<br />

sowohl durch Leistungsklage (vgl. § 54 Abs. 1 BeamtStG) als auch durch Verwaltungsakt<br />

(Leistungsbescheid) geltend machen kann 23) .<br />

Ausdrücklich nachgewiesen werden muss das Rechtsschutzbedürfnis insbesondere<br />

bei der sog. isolierten Anfechtungsklage, weil hier der Kläger seinem Klageziel mit der<br />

Verpflichtungsklage näher käme. Wenn z. B. eine Verwaltungsgemeinschaft fälschlicherweise<br />

anstelle einer Mitgliedsgemeinde über einen Antrag auf Befreiung vom Anschluss-<br />

und Benutzungszwang entscheidet (ist Angelegenheit des eigenen Wirkungskreises<br />

der Mitgliedsgemeinde, vgl. Art. 4 Abs. 2 VGemO), dann käme als richtige<br />

Klageart an sich die Verpflichtungsklage in Betracht. Wegen der fehlenden Zuständigkeit<br />

der Verwaltungsgemeinschaft (vgl. Art. 4 Abs. 1 VGemO) zur Entscheidung über<br />

den Befreiungsantrag ist hier die isolierte Anfechtungsklage zulässig, d. h. es wird nur<br />

die Aufhebung des ablehnenden Bescheids begehrt. Würde der Kläger dagegen auch<br />

21b) Zur Unterscheidung von Diplomjuristen im höheren Dienst und solchen im gehobenen Dienst siehe Hartung in: Posser/Wolff,<br />

§ 67, Rdnr. 59. Im Übrigen sollte die Juristenausbildung in Deutschland, die jedem Vergleich standhält, nicht<br />

„Bologna“ geopfert werden (siehe Reinhart Müller, Mit Recht gegen Bologna, in: F.A.Z. vom 28.07.2010, S. 1).<br />

22) Vgl. Pietzner/Ronellenfitsch, § 18, Rdnr. 1; Schmitt Glaeser/Horn, Rdnrn. 119 ff.; Lehmann, S. 198 f.; Rennert in: Eyermann,<br />

vor § 40, Rdnrn. 11 ff.<br />

23) Vgl. Schnellenbach, Rdnrn. 743 ff.; – Ein Leistungsbescheid ist auch zulässig, wenn der Kläger nicht mehr Beamter war,<br />

vgl. BVerwG vom 25.01.2001, BayVBl 2001, 502 = ZBR 2002, 53. – Ab 01.01.2011 gilt Art. 15 Abs. 2 BayBesG, entspricht<br />

§ 12 Abs. 2 BBesG.<br />

Allgemeines<br />

Rechtsschutzbedürfnis<br />

Fehlen des allgemeinen<br />

Rechtsschutz-<br />

bedürfnisses<br />

Einfachere<br />

Zielerreichung<br />

Isolierte<br />

Anfechtungsklage<br />

105


106<br />

3<br />

Nutzlosigkeit<br />

<strong>Verwaltungsgerichtliches</strong> <strong>Verfahren</strong><br />

Beispiel 25)<br />

Anerkennung<br />

als Kriegsdienst-<br />

verweigerer<br />

Querulatorische<br />

Klagen<br />

Zustellung<br />

Erforderlichkeit der<br />

Zustellung<br />

die Verpflichtung zur Erteilung der Befreiung verlangen, dann müsste die Klage insoweit<br />

abgewiesen werden 24) .<br />

(2) Weiterhin fehlt das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis auch dann, wenn der angestrebte<br />

Rechtsschutz für den Kläger keinen Nutzen hat, weil er die ausgesprochene<br />

Rechtsfolge nicht verwirklichen kann. Hier haben die strittigen Fragen allenfalls theoretische<br />

Bedeutung.<br />

Adam beantragt die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer, die ihm die zuständige Behörde<br />

versagt. Daraufhin erhebt Adam Klage. Bevor es zur ersten Verhandlung kommt, wird er wegen<br />

einer gesundheitlichen Vorschädigung als dauernd untauglich ausgemustert. Gleichwohl möchte<br />

er die Klage weiterführen, da die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer den Umgang mit<br />

Gleichgesinnten erleichtere, die ihm dann nicht vorhalten könnten, er mache aus seiner körperlichen<br />

Schwäche eine moralische Tugend.<br />

Im konkreten Fall hat der angestrebte Rechtsschutz für den Kläger keinen Nutzen und die<br />

strittigen Fragen hätten allenfalls theoretische Bedeutung. Durch die Ausmusterung wegen<br />

dauernder Untauglichkeit kommt eine Wehrpflicht für Adam unter keinen Umständen mehr in<br />

Betracht. Die Anerkennung als Wehrdienstverweigerer hätte daher für ihn nur ideelle Bedeutung.<br />

Für die Erreichung derartiger Ziele steht aber kein Rechtsschutz zur Verfügung.<br />

(3) Schließlich ist dem Kläger das Rechtsschutzbedürfnis in den Fällen abzusprechen, in<br />

denen er mit seinem Begehren spezifisch missbilligenswerte Ziele verfolgt. Das betrifft<br />

vor allem querulatorische Klagen, bei denen eindeutig die Absicht des Klägers im Vordergrund<br />

steht, das Gericht oder den Klagegegner zu schädigen oder unnötig zu belästigen<br />

26) .<br />

1.3 Zustellungen, Fristen und Rechtsbehelfsbelehrung<br />

1.3.1 Zustellungen (§ 56)<br />

Zustellung ist die in gesetzlich vorgeschriebener Form vorgenommene und beurkundete<br />

Übergabe eines Schriftstückes (vgl. § 166 Abs. 1 ZPO) im Gegensatz zu dessen<br />

formloser Mitteilung. Die Zustellung hat in erster Linie den Zweck, bei bedeutungsvolleren<br />

Vorgängen den Nachweis von Zeit und Art der Übergabe zu sichern und zusammen<br />

mit der Rechtsbehelfsbelehrung eine rasche Klärung über die Unanfechtbarkeit<br />

der zugestellten Entscheidung herbeizuführen.<br />

Zuzustellen sind Anordnungen des Gerichts oder seines Vorsitzenden, des Berichterstatters<br />

oder des Urkundsbeamten und Entscheidungen des Gerichts, durch die eine<br />

Frist in Lauf gesetzt wird, ferner Terminbestimmungen und Ladungen. Demnach bedarf<br />

beispielsweise ein Urteil, das die Rechtsbehelfsfrist in Lauf setzt (§ 116 i. V. m.<br />

§ 124 a Abs. 1), der Zustellung. Gleiches gilt für die Ladung der Beteiligten zur mündlichen<br />

Verhandlung (§ 102) oder die Ladung von Zeugen und Sachverständigen (§ 98<br />

VwGO i. V. m. §§ 377, 402 ZPO). Bei Verkündung (in der mündlichen Verhandlung oder<br />

in einem Verkündigungstermin) bedarf es einer Zustellung nur dann, wenn diese ausdrücklich<br />

vorgeschrieben ist (§ 56 Abs. 1, § 116 Abs. 1).<br />

24) Vgl. Pietzner/Ronellenfitsch, § 18, Rdnr. 4; Schmidt-Kötters in: Posser/Wolff, § 42, Rdnr. 47. – Zur isolierten Anfechtungsklage<br />

siehe oben S. 66.<br />

25) Vgl. Rennert in: Eyermann, vor § 40, Rdnr. 19; BVerwGE 74, 304 ff. – Die Fallgruppe „Nutzlosigkeit“ darf aber nicht dazu<br />

führen, schwierige oder mit geringen Erfolgsaussichten versehene Verwaltungsklagen schon sogleich für unzulässig zu<br />

erklären (vgl. Hufen, § 23, Rdnr. 15).<br />

26) Vgl. Hufen, § 23, Rdnr. 16; Rennert in: Eyermann, vor § 42, Rdnr. 21 (grundsätzlich hat der Rechtsordnung gleichgültig zu<br />

sein, welche „eigentlichen“ Zwecke ein Kläger verfolgt).


<strong>Verwaltungsgerichtliches</strong> <strong>Verfahren</strong> 3<br />

Die Zustellung von Entscheidungen und Beiladungsbeschlüssen (§ 65 Abs. 4) hat grundsätzlich<br />

an alle Beteiligten des <strong>Verfahren</strong>s bzw. ihre gesetzlichen Vertreter zu geschehen.<br />

Im Übrigen ist der VwGO zu entnehmen, wem jeweils zuzustellen ist. Hat ein<br />

Beteiligter einen Bevollmächtigten bestellt, so kann nur an diesen rechtswirksam zugestellt<br />

werden (§ 67 Abs. 6 Satz 3).<br />

Durch das Zustellungsreformgesetz 27) wurde das Zustellungsrecht mit Wirkung vom<br />

01.07.2002 in zentralen Punkten umgestaltet und ein einheitliches Zustellungsrecht für<br />

sämtliche Gerichtszweige geschaffen. Während bisher die Verwaltungs-, Sozial- und<br />

Finanzgerichte nach dem VwZG zustellten, finden sich jetzt die Vorschriften über das<br />

<strong>Verfahren</strong> der Zustellung gem. § 56 Abs. 2 in der ZPO. Das VwZG gilt aber weiterhin für<br />

die Zustellung im Widerspruchsverfahren (§ 73 Abs. 3 Sätze 1 und 2). Die Anwendung<br />

der neuen Vorschriften der §§ 166 ff. ZPO dürfte jedoch auch eine ganze Reihe praktischer<br />

Schwierigkeiten bereiten 28) .<br />

1.3.2 Fristen (§ 57)<br />

Der Lauf einer Frist in der Verwaltungsgerichtsbarkeit beginnt, soweit nichts anderes<br />

bestimmt ist (z. B. § 70 Abs. 1, §§ 74 und 75), mit der Zustellung (§ 56) oder, wenn<br />

diese nicht vorgeschrieben ist, mit der Eröffnung oder Verkündung (§ 57 Abs. 1). Nach<br />

§ 57 Abs. 2 sind auf die Fristen die Vorschriften der ZPO anzuwenden: § 222 ZPO (Fristberechnung)<br />

i. V. m. §§ 187 bis 189 BGB, § 224 Abs. 2 und 3 (nicht § 224 Abs. 1 ZPO),<br />

§§ 225, 226 ZPO (Fristverkürzung und Verlängerung). Fristende ist jeweils 24 Uhr, nicht<br />

Dienstschluss (§ 188 BGB). – Dagegen regelt Art. 31 BayVwVfG die Berechnung von<br />

Fristen und Terminen, soweit diese für Verwaltungsverfahren (vgl. Art. 9 BayVwVfG)<br />

von Bedeutung sind. Fristen erfüllen nur dann ihre Ordnungsfunktion, wenn sie nicht<br />

allzu großzügig gehandhabt werden 29) .<br />

Unter einer Frist versteht man einen abgegrenzten, also genau bestimmten oder doch<br />

bestimmbaren Zeitraum zur Vornahme bestimmter Handlungen. Nach Ablauf der Frist<br />

tritt eine bestimmte Rechtsfolge ein, z. B. wird ein Urteil eines Verwaltungsgerichts<br />

rechtskräftig, wenn nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils die Zulassung<br />

der Berufung gem. § 124 a Abs. 1 beantragt wird.<br />

Zu unterscheiden sind richterliche, d. h. vom Richter festgesetzte Fristen (z. B. Ladungsfristen<br />

gem. § 102), und gesetzliche, d. h. im Gesetz vorgeschriebene Fristen<br />

(z. B. § 60 Abs. 2, 3; §§ 74 und 75; § 84 Abs. 2). Eine gesetzliche Frist kann von dem<br />

Gericht bzw. Richter nur geändert werden, wenn das ausdrücklich im Gesetz bestimmt<br />

ist (z. B. § 139 Abs. 3 Satz 3 für die Revisionsbegründungsfrist).<br />

Ist der Widerspruchsbescheid (mit ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung) am 29.07. zugestellt<br />

worden, so kann die Klage am 29.08. noch fristgerecht erhoben werden (§§ 74, 57 VwGO,<br />

§ 222 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alternative 1 BGB) 30) .<br />

27) Vom 25.06.2001 (BGBl I S. 1206).<br />

28) Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 56, Rdnr. 1; Kimmel in: Posser/Wolff, § 56, Rdnr. 4.<br />

29) Vgl. Pietzner/Ronellenfitsch, § 17, Rdnr. 6. Art. 31 Abs. 1 BayVwVfG (ebenso § 31 Abs. 1 VwVfG) verweist jedoch wie § 57<br />

Abs. 2 VwGO i. V. m. § 222 Abs. 1 ZPO auf die Regelungen des BGB (§§ 186 ff.). Der einzige Unterschied besteht darin,<br />

dass für den Fall, dass das Fristende auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend (Samstag)<br />

fällt, bei prozessualen Fristen § 222 Abs. 2 ZPO gilt, während bei materiellen Fristen des Verwaltungsrechts die Vorschrift<br />

des § 193 BGB heranzuziehen ist. Das Ergebnis ist jedoch nach beiden Vorschriften das gleiche: Die Frist endet erst mit<br />

Ablauf des nächsten Werktages (vgl. Kimmel in: Posser/Wolff, § 57, Rdnr. 1).<br />

30) Ausführlich zum Firstenlauf unten S. 138 ff.; Kimmel in: Posser/Wolff, § 57, Rdnrn. 13 ff.<br />

Einheitliches<br />

Zustellungsrecht<br />

Beginn des Laufs<br />

einer Frist<br />

Richterliche und<br />

gesetzliche Fristen<br />

Beispiel<br />

107


108<br />

3<br />

Zwingender Inhalt<br />

der Rechtsbehelfs-<br />

belehrung<br />

Fehlen oder Unrichtigkeit<br />

der Rechtsbehelfsbelehrung<br />

Bundesbehörden<br />

Landesbehörden,<br />

Kommunen<br />

<strong>Verwaltungsgerichtliches</strong> <strong>Verfahren</strong><br />

1.3.3 Rechtsbehelfsbelehrung (§ 58)<br />

Handelt es sich um eine Rechtsbehelfsfrist, so ist neben der Wirksamkeit der Zustellung<br />

der Entscheidung weitere Voraussetzung für den Fristbeginn, dass dem Betroffenen<br />

eine schriftliche Rechtsbehelfsbelehrung erteilt worden ist, die den Anforderungen<br />

des § 58 Abs. 1 genügt. § 58 beruht auf dem Gedanken, dass niemand aus<br />

Rechtsunkenntnis eines Rechtsbehelfs (umfasst auch die Rechtsmittel, vgl. § 155<br />

Abs. 2) verlustig gehen soll 30a) .<br />

Die Rechtsbehelfsbelehrung muss enthalten:<br />

(1) die Art des Rechtsbehelfs;<br />

(2) die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen<br />

ist, unter Angabe des Sitzes; es ist, wenn keine Verwechslungsgefahr besteht, nicht<br />

notwendig, die genaue Adresse der Behörde bzw. des Gerichts mit Straße und Hausnummer<br />

anzugeben;<br />

(3) die einzuhaltende Frist. Wird in der Rechtsbehelfsbelehrung eine zu lange Frist (z. B.<br />

5 Wochen anstelle der Monatsfrist) angegeben, so gilt diese. Ist eine zu kurze Frist<br />

(z. B. 4 Wochen) angegeben, so ist die Belehrung unrichtig und kann weder die angegebene<br />

noch die gesetzlich vorgesehene Frist in Lauf setzen 31) .<br />

Fehlt die Rechtsbehelfsbelehrung oder wurde sie unrichtig erteilt, tritt nach § 58 Abs. 2<br />

Satz 1 eine Jahresfrist an die Stelle der Monatsfrist. In diesem Fall kann der Betroffene<br />

innerhalb eines Jahres seit der Zustellung oder der Bekanntgabe der Entscheidung einen<br />

Rechtsbehelf oder ein Rechtsmittel einlegen. Eine Unrichtigkeit ist bereits dann<br />

gegeben, wenn den in § 58 Abs. 1 zwingend geforderten Angaben ein fehlerhafter oder<br />

irreführender Zusatz beigefügt wurde, der generell geeignet erscheint, die Erhebung<br />

des Rechtsbehelfs zu erschweren. Dazu gehört auch der Hinweis auf gesetzlich nicht<br />

vorgeschriebene Formerfordernisse, der den Eindruck hervorruft, seine Einhaltung sei<br />

für die Rechtsverfolgung notwendig. So handelt es sich um unrichtige oder irreführende<br />

Zusätze beim Hinweis darauf, dass die Klage – innerhalb der Klagefrist – zu begründen<br />

sei, oder beim Hinweis darauf, dass der Rechtsbehelf schriftlich eingelegt werden<br />

müsse, wenn auch eine Einlegung zur Niederschrift möglich ist 31a) .<br />

Für schriftliche Verwaltungsakte der Bundesbehörden ist die Rechtsbehelfsbelehrung<br />

durch § 59 und für den Widerspruchsbescheid allgemein durch § 73 Abs. 3 Satz 1 zwingend<br />

vorgeschrieben.<br />

Dagegen enthält die VwGO für Ausgangsbescheide der Landesbehörden keine Vorschrift,<br />

nach der die Landesbehörden – im Gegensatz zu den Bundesbehörden – verpflichtet<br />

wären, eine Rechtsbehelfsbelehrung beizufügen (anders z. B. § 211 BauGB).<br />

Wegen § 58 Abs. 2 empfiehlt es sich aber, auch schriftlichen Ausgangsbescheiden eine<br />

Rechtsbehelfsbelehrung beizufügen 32) . Hierbei verdient der unpersönliche Behördenstil<br />

den Vorzug, da die Trennung von Amt und Person der Objektivität und Unparteilichkeit<br />

des Gesetzesvollzugs dient 33) .<br />

30a) Vgl. Kimmel in: Posser/Wolff, § 57, Rdnr. 10; J. Schmidt in: Eyermann, § 58, Rdnrn. 1, 2.<br />

31) Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 58, Rdnr. 14; Harbich, APF 1987, 43 f.<br />

31a) Vgl. Kimmel in: Posser/Wolff, § 58, Rdnr. 21; Linhart, Schreiben, § 19, Rdnr. 251.<br />

32) Siehe Nr. 4.1 der VollzBek zu Art. 15 AGVwGO.<br />

33) Vgl. Linhart, Der Bescheid, S. 8 ff. (dazu Hilg, apf 2007, 352). – Die Trennung von Amt und Person geht auf Luther zurück;<br />

der Satz „Dienst ist Dienst – Schnaps ist Schnaps“ hat in diesem Amtsverständnis seinen geistigen Ursprung (vgl. Hilg,<br />

apf 2008, B 41; ders., Beamtenrecht, S. 65).


1.3.4 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 60)<br />

<strong>Verwaltungsgerichtliches</strong> <strong>Verfahren</strong> 3<br />

Das verfassungsrechtliche Gebot fristabhängiger Unanfechtbarkeit staatlicher Entscheidungen<br />

findet dort seine Grenze, wo die Einhaltung einer Frist trotz Beachtung<br />

zumutbarer Sorgfalt nicht möglich war. War demgemäß jemand ohne Verschulden verhindert,<br />

eine gesetzliche Frist (siehe §§ 74, 139, 147) einzuhalten, so ist ihm auf Antrag<br />

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren 33a) . – In Anlehnung an § 60 VwGO<br />

regelt Art. 32 BayVwVfG die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für das Verwaltungsverfahren<br />

(vgl. Art. 9 BayVwVfG). Art. 32 BayVwVfG findet jedoch im Widerspruchsverfahren<br />

keine Anwendung, weil insoweit in § 70 Abs. 2 i. V. m. § 60 Abs. 1<br />

bis 4 eine eigene Regelung getroffen worden ist 33b) .<br />

Der Antragsteller muss glaubhaft machen (Beweismittel: § 294 ZPO), dass er ohne<br />

Verschulden oder ohne Verschulden des Bevollmächtigten die Frist versäumt hat.<br />

Gleichzeitig muss er die versäumte Prozesshandlung (z. B. die Einreichung der Klage)<br />

nachholen (§ 60 Abs. 2 Sätze 2 und 3).<br />

Der Einsetzungsantrag (§ 60 Abs. 2 Satz 1) ist an eine Frist von zwei Wochen nach Beseitigung<br />

des Hindernisses gebunden; auch gegen Versäumung dieser Frist ist Einsetzung<br />

zulässig. Nach Ablauf eines Jahres seit Ende der versäumten Frist ist aber die<br />

Einsetzung endgültig ausgeschlossen, außer wenn der Wiedereinsetzungsantrag infolge<br />

höherer Gewalt innerhalb der Jahresfrist unmöglich war (§ 60 Abs. 3). Die in § 60<br />

Abs. 2 bestimmte Zweiwochenfrist bezieht sich nicht nur auf den Wiedereinsetzungsantrag<br />

selbst, sondern auch auf die Angabe der den Antrag rechtfertigenden Tatsachen.<br />

Über den Antrag entscheidet das Gericht, dem die Entscheidung über die nachgeholte<br />

Handlung zusteht, bei Versäumung der Klagefrist also das Verwaltungsgericht (§ 60<br />

Abs. 4).<br />

Die gewährte Wiedereinsetzung ist unanfechtbar (§ 60 Abs. 5). Die Kosten des Wiedereinsetzungsverfahrens<br />

trägt der Antragsteller (§ 155 Abs. 3).<br />

Unverschuldete Fristversäumnis:<br />

Plötzliche schwere Erkrankung, ungewöhnliche Verzögerung des normalen Postlaufs, Naturereignisse,<br />

u. U. auch vorübergehende Urlaubsabwesenheit von einer ständigen Wohnung.<br />

Verschuldete Fristversäumnis:<br />

Anfechtungs-Klageschrift wird mit unrichtiger Anschrift oder erst kurz vor Ablauf der Klagefrist<br />

zur Post gegeben, sodass sie bei normalem Postlauf nicht mehr innerhalb der Klagefrist beim VG<br />

eingeht. Versäumnisse der Mitarbeiter eines Rechtsanwalts begründen dessen Verschulden,<br />

wenn das Personal nicht mit der gehörigen Sorgfalt ausgewählt, angeleitet und überwacht wurde.<br />

Desgleichen muss ein Rechtsanwalt für eine Büroorganisation sorgen, die eine Überprüfung<br />

der per Telekopie übermittelten fristgebundenen Schriftsätze auch auf Verwendung einer zutreffenden<br />

Empfängernummer gewährleistet.<br />

Dem Verschulden eines Beteiligten steht das Verschulden seines gesetzlichen Vertreters (§ 173<br />

Satz 1 VwGO i. V. m. § 51 Abs. 2 ZPO) oder seines Bevollmächtigten gleich (§ 173 Satz 1 VwGO<br />

i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO).<br />

33a) Vgl. Brink in: Posser/Wolff, § 60, Überblick.<br />

33b) Vgl. Linhart, Schreiben, § 20, Rdnr. 90.<br />

34) Vgl. BVerwG vom 09.01.2008, DÖV 2008, 337; Hufen, § 14, Rdnr. 116; § 6, Rdnrn. 33 ff.; Pietzner/Ronellenfitsch, § 3,<br />

Rdnrn. 3 ff.; zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach den verschiedenen Rechtsvorschriften wie § 60 VwGO,<br />

§ 67 SGG oder Art. 32 BayVwVfG siehe Faehrmann, apf 2008, 181 ff.<br />

Antrag auf<br />

Wiedereinsetzung in<br />

den vorigen Stand<br />

Glaubhaftmachung<br />

(vgl. § 23 Abs. 1 Satz 2<br />

SGB X)<br />

Unanfechtbarkeit<br />

Beispiele 34)<br />

109


110<br />

3<br />

<strong>Verwaltungsgerichtliches</strong> <strong>Verfahren</strong><br />

1.4 Allgemeine <strong>Verfahren</strong>svorschriften nach dem<br />

Sozialgerichtsgesetz<br />

EXKURS<br />

Die Zulässigkeit einer Klage zu den Sozialgerichten setzt, wie beim Verwaltungsprozess,<br />

voraus, dass die allgemeinen und besonderen Sachentscheidungsvoraussetzungen<br />

(oder Sachurteilsvoraussetzungen) vorliegen. Allgemeine Voraussetzungen<br />

sind:<br />

(1) Zulässigkeit des Sozialrechtswegs (§ 51 SGG)<br />

(2) Sachliche Zuständigkeit des Gerichts (§ 8 SGG)<br />

(3) Örtliche Zuständigkeit des Gerichts (§§ 57 bis 57 b SGG)<br />

(4) Parteifähigkeit (§ 70 SGG)<br />

(5) Prozessfähigkeit (§ 71 SGG; siehe insbesondere § 71 Abs. 2 Satz 1 SGG i. V.<br />

m. § 36 Abs. 1 Satz 1 SGB I: „das fünfzehnte Lebensjahr vollendet“)<br />

(6) § 69 SGG bezeichnet in abschließender Aufzählung den Kläger, den Beklagten<br />

und den Beigeladenen als „Beteiligte“ am <strong>Verfahren</strong>, regelt aber nicht, ob<br />

sie am gerichtlichen <strong>Verfahren</strong> teilnehmen und Prozesshandlungen vornehmen<br />

dürfen (dazu §§ 70, 71 SGG; zur Beiladung siehe § 75 SGG).<br />

(7) Legitimation des Vertreters (§ 73 SGG)<br />

(8) Förmliche Ordnungsmäßigkeit der Klageerhebung (§ 90 SGG)<br />

(9) Fehlen einer rechtskräftigen Entscheidung in der gleichen Sache (§ 141<br />

Abs. 1 Nr. 1 SGG)<br />

(10) Fehlen einer anderweitigen Rechtshängigkeit (§§ 94, 202 SGG i. V. m. § 17<br />

Abs. 1 Satz 2 GVG)<br />

(11) Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis (oder Rechtsschutzinteresse)<br />

Die Sachentscheidungsvoraussetzungen sind im SGG – wie in der VwGO –<br />

nicht systematisch geregelt. Eine gesetzliche Rangfolge der Sachentscheidungsvoraussetzungen<br />

gibt es nicht, somit auch keine zwingende Reihenfolge<br />

ihrer Prüfung. Aus sachlogischen Gründen müssen allerdings die<br />

Voraussetzungen „Rechtsweg“ und „Zuständigkeit“ erfüllt sein – und deshalb<br />

auch als erste geprüft werden. Erst dann können die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen<br />

überhaupt relevant werden.<br />

(12) Literaturhinweise:<br />

– Francke/Dörr, <strong>Verfahren</strong> nach dem Sozialgerichtsgesetz, Nrn. 4.2, 4.3, 4.4<br />

(S. 91 ff.)<br />

– Linhart/Adolph, apf 2005, 101/105.


21. Was bedeutet Beteiligungsfähigkeit?<br />

<strong>Verwaltungsgerichtliches</strong> <strong>Verfahren</strong> 3<br />

22. Besitzen Behörden die Fähigkeit, sich an einem verwaltungsgerichtlichen <strong>Verfahren</strong><br />

zu beteiligen?<br />

23. Was ist unter Prozessfähigkeit zu verstehen?<br />

24. In einer Rechtsbehelfsbelehrung heißt es u. a.: „Die Klage ist bei dem <strong>Bayerische</strong>n<br />

Verwaltungsgericht … schriftlich bzw. zur Niederschrift des Urkundsbeamten der<br />

Geschäftsstelle dieses Gerichts zu erheben.“ Ist die Belehrung unrichtig?<br />

25. Die Tochter von Frau Mayr besucht den Katholischen Kindergarten St. Laurentius,<br />

der sich in der bayerischen Gemeinde Lambach befindet. Der Kindergarten soll<br />

verlegt werden. Über diese Frage hat die Kirchenverwaltung zu entscheiden. Nach<br />

Art. 9 Abs. 1 der Ordnung für kirchliche Stiftungen in den bayerischen (Erz-)Diözesen<br />

(KiStiftO) ist die Kirchenverwaltung Organ der Kirchenstiftung, die Trägerin des<br />

Kindergartens ist. Da Frau Mayr Mitglied der Kirchenverwaltung ist, wurde sie nach<br />

Art. 18 Abs. 1 und 2 KiStiftO von der Beratung und Abstimmung ausgeschlossen.<br />

Art. 18 Abs. 1 KiStiftO entspricht im Wortlaut Art. 49 Abs. 1 Satz 1 GO und Art. 18<br />

Abs. 2 KiStiftO entspricht im Wortlaut Art. 49 Abs. 3 GO.<br />

Frau Mayr erhebt gegen die Entscheidung, wonach sie von der Beratung und Abstimmung<br />

in der Sitzung der Kirchenverwaltung ausgeschlossen wurde, Klage zum<br />

zuständigen Verwaltungsgericht. Ist die Klage zulässig? – Was ergibt ein Vergleich<br />

der Kompetenzzuweisungen an die staatlichen (Verwaltungs-)Gerichte in Kirchensachen<br />

und zugunsten der Europäischen Gerichte (EuGH und EuG) im Bereich<br />

hoheitlicher Entscheidungen?<br />

Antworten siehe S. 298 ff.<br />

Kontrollfragen<br />

111

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