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Unser Porträt lesen Sie hier im Detail... - DBV

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„Frischer Wind tut gut“<br />

Frankfurt, 14. September 2012<br />

Seit 38 Jahren lassen ihn<br />

die Zahlen nicht mehr los.<br />

Hans-Joach<strong>im</strong> Martelock<br />

ist einer der dienstältesten<br />

Rechercheure der<br />

Commerzbank und weiß<br />

aus Erfahrung, in welchen<br />

technischen Untiefen<br />

Buchungen von Kunden<br />

und Auslandsbanken meist<br />

verloren gehen. „Da wollte<br />

ich schon kurz nach der<br />

Banklehre Ende der 1970er<br />

Jahre hin, weil es mir<br />

spannend schien, und außerdem kam ich da auch in Kontakt mit der großen Bankenwelt da<br />

draußen“, blickt der heute 56-jährige Hesse auf das Jahr 1980 zurück. Seitdem arbeitet er <strong>im</strong><br />

Bereich „Nachfragen / Investigations“ der Großbank. Heute ist er dort einer von vielen<br />

Kollegen und Teil des Group Service Banking Operations (GS-BO) der Bank – und nach vielen<br />

Umzügen innerhalb Frankfurts nun in einem Gewerbegebiet nahe der Galluswarte gelandet.<br />

Dabei war sein Weg gar nicht mal vorgezeichnet. „Bevor ich 1974 mit der Lehre in der<br />

Commerzbank begann, wollte ich Musiker werden“, erinnert sich Hans-Joach<strong>im</strong> Martelock.<br />

Der Bankberuf mit seiner damals fast beamtenähnlichen Stellung war zwar nicht ganz so<br />

kreativ, aber doch deutlich sicherer – für viele ausschlaggebend. So ging der junge Azubi<br />

durch viele Filialen der Bank <strong>im</strong> Rhein-Main-Gebiet. Vier Jahre lang plante er anschließend in<br />

der Organisationsabteilung mit, welche Büromöbel in renovierte oder neue Filialen kommen.<br />

„Das war noch sehr konkret. Also zum Beispiel, drei Angebote von Firmen für in die<br />

Raumaufteilung passende Tische und Stühle einzuholen. Und damals haben wir natürlich<br />

auch noch überall die sperrigen Kassentresen bestellt. Heute ist alles so offen wie möglich.“<br />

Nach dieser Erfahrung in einem eher untypischen Bereich der Bank, bewarb er sich dann in<br />

die Auslandsabteilung, wo er nach einem einjährigen Durchlauf schließlich in dem Team<br />

„Nachfragen“ landete. Das hieß, mit allen Banken dieser Welt meist auf Englisch zu<br />

kommunizieren, um Geldanweisungen <strong>im</strong> internationalen Zahlungsverkehr zu reparieren.<br />

„Das ist absolut mein Ding. Es hat etwas von Sherlock Holmes, diesen oft weit verzweigten<br />

Kontobewegungen auf den Grund zu gehen. Damals, in den 80er Jahren, hatten wir aber<br />

auch noch viele Freiheiten und Werkzeuge am Arbeitsplatz. Heute geht das Prüfen<br />

automatisiert schneller, und ist mit weniger Papier behaftet, da alles über den Computer


geht“, macht Hans-Joach<strong>im</strong> Martelock klar. Zudem müssten heute viel stärker als früher<br />

Länder-Embargos und auch mögliche Geldströme des internationalen Terrors geprüft<br />

werden. Die Rahmenbedingungen werden unter anderem von der Europäischen Union<br />

vorgegeben. „Ansonsten erhalten wir die Aufträge von bankinternen Kunden, Inlands- sowie<br />

Auslandsbanken. Wir sind inzwischen ein reines Back Office. Fernmündliche Anfragen sind<br />

heutzutage die Ausnahme.“<br />

Diese wachsende Spezialisierung führt schon seit den 1990er Jahren auch dazu, dass viele<br />

eigentlich zusammenhängende Prozesse übermäßig zerpflückt werden. Verstärkt in Folge<br />

der Fusion der Commerzbank mit der Dresdner Bank ab 2008 wurden die Mitarbeiter in so<br />

genannte Produktstraßen gemappt (zugeordnet), die recht autark ihre Aufgaben erfüllen.<br />

Dies ist einer der Gründe, warum Mitarbeiter mit ihren Fragen nicht mehr zu den insgesamt<br />

verantwortlichen Vorgesetzten einige Hierarchie-Ebenen höher durchdringen.<br />

Hans-Joach<strong>im</strong>-Martelock fühlte sich hingegen früh den Wünschen und Sorgen seiner<br />

Kollegen verpflichtet. „Deshalb habe ich mich an die Herausforderung gewagt, zu den<br />

Betriebsratswahlen 1994 anzutreten“, begründet er seine Entscheidung, Arbeitnehmer-<br />

Vertreter zu werden. Er hatte gleich Erfolg und blieb Betriebsrat (BR) bis 2010, ohne jemals<br />

freigestellt zu sein – das hieß, Arbeit und Betriebsratswirken gleichermaßen zu leisten. „Und<br />

das bedeutet in der Summe natürlich deutlich mehr Einsatz. Die übergeordnete<br />

Geschäftsführung schätzt das zusätzliche Engagement der Betriebsräte schon, doch unsere<br />

Fachabteilung war nicht begeistert“, bewertet er seine Doppelrolle.<br />

Die 1990er Jahre waren<br />

nach seinem Empfinden<br />

eine durchaus spannende<br />

Zeit <strong>im</strong> Betriebsrat – mit<br />

einer fairen Konkurrenz<br />

der Argumente der<br />

Kolleginnen und Kollegen<br />

und auch zwischen den<br />

Gewerkschaften hbv und<br />

DAG. Seine Stationen <strong>im</strong><br />

Betriebsrat waren<br />

Personalausschuss, Bau-<br />

und Betriebsausschuss,<br />

Arbeitszeitausschuss. „Wir<br />

haben da als Gremium mit<br />

dem Arbeitgeber wirklich<br />

um vieles ernsthaft gerungen. Ich bin jemand, der gern frei von der Leber weg spricht. Und<br />

wer nicht kämpft, der hat schon verloren. In meinen ersten BR-Jahren haben das andere<br />

Betriebsräte auch so gesehen wie ich. Wir hatten in einigen Dingen auch Erfolg, und das war<br />

dann ein gemeinsamer Erfolg für die Kollegen, mit dem sich nicht nur eine BR-Gruppe<br />

brüstete. Aber mit der Gründung von ver.di aus hbv und DAG 2001 kühlte sich das Kl<strong>im</strong>a<br />

spürbar ab.“<br />

Hans-Joach<strong>im</strong> Martelock wechselte deshalb wie andere Kollegen auch von ver.di zur e.v.a.-<br />

Liste („ehrliche ver.di-Alternative“), die 2005 aus dem Stand fünf BR-Mandate gewann und


die die Ke<strong>im</strong>zeile der <strong>DBV</strong>-Betriebsgruppe war. Trotzdem konnten die Reformer auch<br />

zusammen mit anderen Unabhängigen gegen eine große ver.di-Mehrheit wenig gestalten.<br />

„Wir haben uns <strong>im</strong> Betriebsrat mehr mit uns selbst beschäftigt, als für die Kollegen<br />

entschlossen aufzutreten. Ich denke nur an das Job-Ticket, dass ursprünglich alle Listen, auch<br />

ver.di, für die Mitarbeiter erkämpfen wollten. Der Arbeitgeber war in der Frage passiv, und<br />

der Rhein-Main-Verkehrsverbund legte sich gleich quer. Und dann hat auch ver.di das<br />

Vorhaben sehr schnell versanden lassen. Das hätte es früher so nicht gegeben. Deswegen<br />

müssen unsere Mitarbeiter in der S-Bahn <strong>im</strong>mer noch voll zahlen, oder sie nehmen halt das<br />

Auto. Die Folge ist eine ewige Parkplatzsuche, oder aber die Kollegen müssen die<br />

entgeltpflichtigen Parkplätze der Bank benutzen“, gibt er ein Beispiel.<br />

Der aktuelle Betriebsrat, dem der Rand-Frankfurter nicht mehr angehört, hat in seinen<br />

Augen auch genug andere Themen, die mit der Geschäftsführung dringend zu besprechen<br />

wären. Und dies auch zusammen mit dem Gesamtbetriebsrat, dem Konzernbetriebsrat und<br />

dem Aufsichtsrat. Zum Beispiel: Wo geht die Reise für die gelb-grüne Bank ganz generell hin?<br />

„Wir wollen die beste Bank Deutschlands werden, aber ich sehe da keinen überzeugenden<br />

roten Faden“, betont Hans-Joach<strong>im</strong> Martelock. Mit ständigen Restrukturierungen und<br />

ebenso laufenden Wechseln <strong>im</strong> mittleren Management könne die Commerzbank kaum<br />

solide in die deutsche Bankenspitze kommen. Stattdessen bleibt für viele Mitarbeiter die<br />

Verunsicherung aus der Fusion Dresdner Bank und alter Commerzbank bestehen. Und<br />

gerade in einer solchen Situation agiere der Betriebsrat als Beschützer und Gestalter für die<br />

Beschäftigten auch noch viel zu zögerlich. „Inzwischen bin ich mir sicher, dass wir frischen<br />

Wind <strong>im</strong> Betriebsrat brauchen, also neue Leute. Wer zu lange in die gleichen Tasten haut,<br />

reißt niemanden mehr vom Hocker.“<br />

Er selbst hat konsequenterweise zu Gunsten von Jüngeren von der Betriebsratsarbeit<br />

gelassen, und sich auch von allzu viel Arbeit <strong>im</strong> Hamsterrad verabschiedet. „Der Stress hatte<br />

mich auch lange Zeit <strong>im</strong> Griff, bis ich 2010 einen Burnout erlitten habe. Dann erst habe ich<br />

mir eine Auszeit genommen und vieles aufgearbeitet – mit Ausdauersport be<strong>im</strong> Radfahren<br />

und Laufen und auch mit autogenem Training zur Entspannung. So habe ich auch gelernt,<br />

mir meine Kräfte sinnvoll einzuteilen“, meint Hans-Joach<strong>im</strong> Martelock. Für die Zeit nach dem<br />

Job hat er schon angefangen, Polnisch zu lernen und auch das Land kennen zu lernen. Und<br />

am Computer fit bleiben. Und nicht zuletzt bleibt dann auch noch Zeit für die Musik.<br />

Oliver Popp

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