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Juni 2005 - Der Fels

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Anton Ziegenaus:<br />

Die Mariengestalt und ihre Verehrung<br />

als Gradmesser gläubigen Lebens<br />

Doch stehen diesen Aktivposten<br />

auch Passivposten gegenüber.<br />

Da einmal die Diskussion<br />

um den Ort der Mariologie erwähnt.<br />

Ist Maria vor allem von Christus her,<br />

christotypisch, zu verstehen, d.h.<br />

von der Gottesmutterschaft und der<br />

hypostatischen Ordnung her, so dass<br />

sie die Kirche transzendiert und ein<br />

eigenes Mariendokument angebracht<br />

wäre, oder ist ihr Ort innerhalb der<br />

Kirche, wenn auch ihre urbildliche<br />

Verwirklichung? Steht Maria auf<br />

der Seite ihres Sohnes und somit der<br />

Kirche vorgeordnet oder in ihr? Die<br />

christotypische und ekklesiotypische<br />

Spannung wurde bereits besprochen.<br />

Es kam zu einer Abstimmung.<br />

1114 Konzilsväter sprachen sich am<br />

29. Oktober 1963 für eine ekklesiologische<br />

Einordnung, 1074 für eine<br />

christologische aus. Man darf von einer<br />

echten Pattsituation sprechen. Die<br />

knappe Mehrheit war nicht antimarianisch<br />

eingestellt, hoffte aber, mit<br />

einer ekklesiologischen Einordnung<br />

einen ökumenischen Brückenschlag<br />

zu erreichen, wenn sie Maria als das<br />

lehrt, was jeder in der Kirche sein<br />

möchte und in der Vollendung sein<br />

wird, und befürchtete, durch eine<br />

christologische Einordnung bekäme<br />

Maria eine Sonderstellung. Die<br />

knappe Minderheit dachte dagegen<br />

weniger ökumenisch – oder besser:<br />

anders ökumenisch – und mehr marianisch<br />

im traditionellen Sinn. Die<br />

Wirkung dieser Pattsituation war, dass<br />

die Gruppe der marianisch geprägten<br />

„Hälfte“ gleichsam frustriert war.<br />

Papst Paul VI. suchte die Schwächung<br />

des Marianischen durch die<br />

Proklamation Mariens als „Mutter der<br />

Kirche“ am 21. November 1964 auszugleichen<br />

10 , Maria, so wird der Titel<br />

begründet, ist Mutter des Hauptes<br />

und deshalb seit der Inkarnation auch<br />

Mutter der Glieder. Dieser Titel meint<br />

Schluss<br />

nicht nur, dass Maria Mutter der einzelnen<br />

Glieder ist (wie der Kranken,<br />

Sünder usw.), sondern vor allem der<br />

Kirche in ihrer Verfasstheit. Aufgrund<br />

ihrer besonderen Einheit mit Christus<br />

als Haupt ist Maria Mutter der Kirche<br />

und transzendiert diese. <strong>Der</strong> Papst<br />

verspricht sich von dieser Proklamation<br />

eine einigende Wirkung in Bezug<br />

auf die Einheit von Haupt und Gliedern<br />

– die Marienverehrung solle also<br />

mehr zum Haupt hinführen – und die<br />

Einheit der christlichen Konfessionen.<br />

Auch der Papst sieht das ökumenische<br />

Anliegen. Während die eine Seite<br />

fürchtet, eine Hervorhebung Mariens<br />

könnte das katholisch-protestantische<br />

Gespräch erschweren, zitiert Paul VI.<br />

Man soll nicht alles, weil es<br />

gerade neu ist, sofort als<br />

Fortschritt und Errungenschaft<br />

für die Frau ausgeben. Geht<br />

doch einmal in die Kirchen und<br />

Museen und schaut euch die<br />

verschiedenen Darstellungen<br />

der Gottesmutter und der Heiligen<br />

an. Und dann vergleicht<br />

sie mit den Frauen auf den öffentlichen<br />

Plakatwänden. Dort<br />

alt, hier modern. Die Frau, wie<br />

sie früher dargestellt wurde und<br />

wie sie jetzt präsentiert wird.<br />

Ich zweifle sehr daran, ob dieser<br />

Vergleich, was die Wertschätzung<br />

der Frau betrifft, zugunsten<br />

der heutigen Zeit ausgeht!<br />

Die erhabene Größe, in der die<br />

Religion Maria und die Heiligen<br />

sieht, hat auf die Frau überhaupt<br />

abgefärbt und trotz allem<br />

die Männer beeindruckt!<br />

Albino Luciani (Johannes Paul I.),<br />

in der Predigt zum Fest Maria<br />

Himmelfahrt 1975.<br />

in „Marialis Cultus“ (Nr. 33) Leo<br />

XIII., der sagt: „Das Anliegen der<br />

Einheit der Christen gehört eigentlich<br />

zu ihrer (Mariens) geistig mütterlichen<br />

Aufgabe.“ Wenn die Einheit<br />

der Christen nicht das Ergebnis vieler<br />

Kommissionssitzungen theologischer<br />

Fachexperten oder ökumenischer<br />

Grillfeste ist, sondern Geschenk der<br />

Gnade, die erbetet werden muss, dann<br />

darf Maria, die Mutter der Kirche,<br />

nicht ausgeblendet werden. Sie muss<br />

als stärkste Hilfe zur Einheit erkannt<br />

werden. Die Mutter der Kirche ist<br />

Mutter der Einheit.<br />

Christotypischer und ekklesiotypischer<br />

Ansatz sind letztlich keine<br />

Gegensätze, wie die knappe Mehrheit<br />

und Minderheit meinten, auch nicht<br />

Mutter der Kirche und Urbild der<br />

Kirche, sondern bilden eine Einheit;<br />

denn in dem Augenblick, in dem der<br />

Heilige Geist das menschliche Leben<br />

Jesu in Maria schöpferisch (nicht<br />

zeugend!) hervorruft und sie Mutter<br />

wird, empfängt sie als Braut das ewige<br />

Wort.<br />

Eine Formulierung im Dekret über<br />

den Ökumenismus (VR Nr. 11) wird<br />

öfter zur Begründung der marianischen<br />

Leisetreterei im ökumenischen<br />

Gespräch herangezogen, nämlich die<br />

Rede von der Rangordnung oder Hierarchie<br />

der Wahrheiten. Eine solche<br />

Rangordnung gibt es zweifellos; z.B.<br />

sind Taufe oder Eucharistie gewichtiger<br />

als die Krankensalbung. Aber<br />

dieses Wort von der Rangordnung<br />

der Wahrheiten wird auf die Mariengestalt<br />

angewandt: Die Fragen nach<br />

Gott, Jesus Christus oder das Wesen<br />

des Menschen sei wichtiger als die<br />

Mariologie, weshalb an nicht wenigen<br />

theologischen Fakultäten die Studenten<br />

nie etwas über Maria hören.<br />

Wer jedoch beachtet, dass das Konzil<br />

selbst die Hierarchie der Wahrheiten<br />

bestimmt „je nach der verschiedenen<br />

168 DER FELS 6/<strong>2005</strong>

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