Symbole der Hoffnung, Boten der Angst - Deutsches Museum
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Kultur & Technik 3/2013<br />
Mit niedlichen Comics<br />
versuchten Energiekonzerne<br />
wie die Kraftwerk Union<br />
(KWU) ihre Kunden von <strong>der</strong><br />
Harmlosigkeit <strong>der</strong> Atomenergie<br />
zu überzeugen.<br />
scheidend ist, ist die Radioaktivität und die damit verbundene<br />
ionisierende Strahlung. In vielen Abbildungen sieht<br />
man zwar auch grafische Darstellungen von Strahlen, meist<br />
aber nur in etwas dürftiger Form als gezackte Linien mit<br />
einem Richtungspfeil, <strong>der</strong> vom Atom wegführt. Es ist wohl<br />
einfacher, das Atom als Ensemble sphärischer Körper abzubilden,<br />
<strong>der</strong>en Wechselwirkungen vor<strong>der</strong>gründig mit Objekten<br />
<strong>der</strong> Alltagserfahrung zu korrespondieren scheinen, mit<br />
Billardkugeln o<strong>der</strong> Golfbällen, die nach den vertrauten Regeln<br />
<strong>der</strong> Mechanik durch unsere Lebenswelt rollen.<br />
Auch in den Werbebroschüren <strong>der</strong> Atomindustrie ist dieses<br />
Bild beliebt. Es korrespondiert dabei mit dem in diesen<br />
Kontexten bevorzugten Begriffsfeld des »Kernes«, welches ja<br />
nicht zufällig mehr Lebensnähe, Natürlichkeit und Gesundheit<br />
suggeriert als das griechische Fremdwort »Atom«. Die<br />
»Kernspaltung« ist hier in ihrer grafischen Umsetzung als<br />
Vorgang mit »greifbaren« Objekten dargestellt und damit ins<br />
Wahrnehmungsfeld <strong>der</strong> Menschen zurückgeholt. Gelegentlich<br />
folgt dann <strong>der</strong> nächste Schritt zur Anthropomorphisierung,<br />
wie etwa in einer Broschüre <strong>der</strong> Kraftwerk Union, wo<br />
die beteiligten Nuklide innerhalb <strong>der</strong> Reaktoren mit menschlichen<br />
Zügen versehen wurden und Attribute absichtsvollen<br />
Handelns an den Tag legten.<br />
Elemente <strong>der</strong> Verniedlichung, wie man sie bereits aus den<br />
50er Jahren kannte, opferten die buchstäbliche »Undurchschaubarkeit«<br />
<strong>der</strong> Sachverhalte einem pädagogischen Impuls,<br />
<strong>der</strong> freilich mit Ausblendung und Verharmlosung operierte.<br />
Ikonen <strong>der</strong> Gefahr<br />
Dabei musste den Experten in an<strong>der</strong>en Kontexten sehr wohl<br />
an einer grafisch eingängigen Darstellung von Risiken gelegen<br />
sein. Denn die Tatsache, dass man die Atome und die von<br />
radioaktiven Substanzen ausgehende Strahlung nicht sehen<br />
kann, war nicht nur ein Problem für die Öffentlichkeitsarbeit<br />
<strong>der</strong> Wissenschaftler und <strong>der</strong> Industrie. Sie stellte auch eine<br />
Herausfor<strong>der</strong>ung an jenen Orten dar, wo vor den Gefahren<br />
<strong>der</strong> Strahlung gewarnt werden musste, also in Produktionsstätten,<br />
Laboratorien und Kraftwerken. Schließlich können<br />
auch kleinere Dosen gesundheitsschädlich sein. Das ist beson<strong>der</strong>s<br />
tückisch, weil <strong>der</strong> Körper sie nicht spürt, wie je<strong>der</strong><br />
bestätigen kann, von dem schon einmal eine Röntgenaufnahme<br />
gemacht worden ist.<br />
Anfangs warnte ein magentafarbenes<br />
Kleeblatt auf<br />
blauem Grund vor <strong>der</strong> Gefahr<br />
radioaktiver Strahlung.<br />
Zum Weiterlesen:<br />
Charlotte Bigg, Jochen Hennig<br />
(Hg.), Atombil<strong>der</strong>. Ikonographie<br />
des Atoms in Wissenschaft<br />
und Öffentlichkeit des<br />
20. Jahrhun<strong>der</strong>ts, 2009.<br />
Charles Dunn, Multigenerational<br />
Warning Signs. Stanford<br />
University, http://large.stanford.edu/courses/2011/ph241<br />
/dunn2/ (14. Mai 2013)<br />
Linda Lodding, Drop it and<br />
Run! New Symbol Warns of<br />
Radiation Dangers and Aims<br />
to Save Lives, IAEA Bulletin<br />
Volume 48, 2007, No. 2, S. 70<br />
– 73, www.iaea.org/Publications/Magazines/Bulletin/Bull4<br />
82/pdfs/18RadSymbol.pdf<br />
(14. Mai 2013)<br />
Rosemary Barret, Lloyd D.<br />
Stephens, A Brief History of<br />
the International Danger Sign.<br />
In: Health Physics, May 1979,<br />
36 (5), S. 565– 571.<br />
Es galt also, eindeutige und plakative Warnsymbole zu<br />
schaffen, die mehrere Kriterien erfüllen mussten. Sie sollten<br />
überall bekannt und sofort erkannt werden, sie mussten sich<br />
eindeutig von an<strong>der</strong>en Gefahrensymbolen unterscheiden,<br />
und sie mussten jenseits <strong>der</strong> Sprachbarrieren wirksam sein.<br />
Idealerweise leuchtet ein Gefahrensymbol in kräftigen Farben<br />
und bedient sich eingängiger grafischer Mittel. Als man in<br />
<strong>der</strong> ersten Hälfte des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts vor allem in Europa<br />
und in den Vereinigten Staaten größere Anlagen zur Erforschung<br />
und Nutzung <strong>der</strong> Radioaktivität baute, griff man bei<br />
den Warnzeichen zunächst auf Farben und <strong>Symbole</strong> zurück,<br />
die man in <strong>der</strong> Hochspannungstechnik benutzte. Rot war seit<br />
jeher die universell eindeutige Warnfarbe gewesen, so auch<br />
im Straßenverkehr und im medizinischen Bereich, während<br />
das Blitzzeichen auf gefährliche Stromquellen hinwies. Und<br />
dennoch wurden diese vertrauten <strong>Symbole</strong> dem beson<strong>der</strong>en<br />
Gefahrencharakter <strong>der</strong> Strahlung nicht gerecht. Es mussten<br />
eindeutige Unterscheidungsmerkmale gefunden werden. Im<br />
Jahre 1946 begannen Wissenschaftler an <strong>der</strong> University of<br />
California in Berkeley über dieses Problem nachzudenken.<br />
Zunächst entwarf man ein Zeichen, das bereits die uns heute<br />
vertraute dreiblättrige Struktur mit einem Punkt in <strong>der</strong> Mitte<br />
benutzte. Allerdings war das Symbol, das »Trefoil«, in <strong>der</strong><br />
Farbe Magenta gehalten, während <strong>der</strong> Hintergrund blau gefärbt<br />
war.<br />
Der Grund für diese Farbwahl lag darin, so erinnerte sich<br />
ein beteiligter Wissenschaftler später, dass die Farbe Blau in<br />
dem dortigen Labor nur selten verwandt wurde, während<br />
Magenta vergleichsweise selten und teuer war und deshalb<br />
in an<strong>der</strong>en Kontexten kaum zur Anwendung kam. Allerdings<br />
verblasste Blau bei Anwendung unter freiem Himmel und<br />
war ja auch sonst kaum mit <strong>der</strong> Warnung vor Gefahren in<br />
Verbindung gebracht worden. Im Oak Ridge National Laboratory<br />
in Tennessee, das am Bau <strong>der</strong> Atombombe beteiligt<br />
gewesen war, hat sich daher die bis heute gängige Hintergrundfarbe<br />
Gelb durchgesetzt.<br />
Ein neues Warnsymbol<br />
In jüngster Zeit allerdings stellten Experten <strong>der</strong> Internationale<br />
Atomenergiebehörde fest, dass das Zeichen aus globaler<br />
Perspektive nicht so bekannt geworden ist, wie man angenommen<br />
hatte. In Umfragen und Untersuchungen fand man